#nachleben der antike
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Dankbar
1.
Für alles gibt es Dankbares. Ralph Giuliani ist ein toller Lieferant, unter anderem für Beobachtungen zu Pathosformeln, Memen und zum Nachleben der Antike. Er ist außerdem ein gutes Beispiel dafür, dass etwas nicht erst dann zum Bild wird, wenn ein Fotograf den Auslöser drückt. Der Körper und das Gesicht Giulianis kommen dem Fotografen zuvor.
2.
Das Gesicht ähnelt zum Beispiel einem anderen Gesicht, wiederholt oder reproduziert es damit in gewisser Hinsicht. Das Gesicht mimt ein anderes Gesicht. Das Gesicht erscheint machmal gleich doppelt und dreifach übersetzt zur Vorsicht, auch große Gesichter kommen als Ausdruck großer Vorsicht vor, zum Beispiel mit aufgerissenen Augen und aufgestelltem Mund, mit geblähten Nasenlöchern und schlackernden Ohren, wie mit einem windenden Kettenvorhang aus Os. Anders herum ist es auch möglich: Vorsicht wird in Gesicht übersetzt.
Wer Ralph Giuliani nicht schon alles war, sogar als Dirk Bogarde und Gustav von Aschenbach, damit in gewisser Hinsicht auch als Gustav Mahler und Richard Wagner kam er schon vor, als lustig singendes Entlein und Anwalt von Donald Trump, Bürgermeister und Cleaning Man von New York tauchte er zweitweise auf. An manchen Tagen glaubt man, die Welten von Jonathan Swift, François Rabelais, von Petronius seien weit entfernt. Dann will man sie und hat man sie so nah, wie einen geliebten Kachelofen in kalten Bergen, der den Rücken jucken lässt, weil er so schön durchblutet.
3.
I love Bildredaktionen, wenn sie gut sind! Hier hat eine Redaktion geleistet, sogar die leichte Untersicht auf das Gesicht von Giuliani wurde eingehalten! Regel! Perfekter Winkel! Perfektes Licht, im Hintergrund warme Lichtquelle von Links und im Vordergrund kalte Lichtquelle von Rechts, das ist superdynamisch, ohne unübersichtlich zu sein. Perfekter Moment!
Gut, man kann darüber streiten, warum Politiker wie Trump, Giuliani und Johnson immer doof, linkisch und idiotisch und Putin immer bis oben hin putinförmig aufgefüllt gezeigt wird. Man kann die kalkulierte Überraschungsfreiheit in den Erwartbarkeiten, dem Stoff der Institutionen, auch beklagen.
Die Holzhammerikonographie, die sich in den letzten Jahren doch stark mit den Journalisten entwickelt hat, die alle haben, was leicht zu haben ist, nämlich Meinung und Haltung, die ist manchmal schon a bisserl bekloppt. Aber wenn es die Richtigen trifft, freue ich mich immer. Wenn es die Richtigen trifft, steigt mir die Häme wie ein Bäuerchen nach zuviel Alete auf, aber ist schon ok so.
Meine Mitbewohner sind gerade aufgewacht und behaupten, der hieße gar nicht Ralph Giuliani, sondern Rudolph oder Rudy Giullani. Kann sein.
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Ägyptische Götter: Ein Blick in die Antike
Im Land der Pharaonen waren die Agyptische Gotter zentral in der Religion und Kultur.
Diese Gottheiten regierten alle Aspekte des Lebens und des Jenseits. Ihre Mythen und Legenden formten das Weltbild der Agypter,
gaben ihnen Sinn und Ordnung. Auch heute noch faszinieren diese Geschichten durch ihre tiefen Einblicke in die menschliche Natur und die ewigen Fragen von Leben und Tod.
Agyptische Gotter:Die Gottheit am Nil: Die Verehrung des Nilgotts Hapi
Hapi, der Gott des Nils, steht fur Fruchtbarkeit und Uberfluss. Er symbolisiert auch Gleichgewicht und Erneuerung durch das Nilwasser.
Haufig wird er in Ritualen und Kunst mit uppiger Gestalt dargestellt.
Dies zeigt die Verbindung zwischen Nilschlamm und dem Entstehen neuen Lebens.
Die Verehrung Hapis umfasste Opfer und Hymnen, um seine Gunst zu erlangen.
Seine kultische Bedeutung zeigt sich in der gesamten agyptischen Kultur,
besonders bei den jahrlichen Hochwasserfeierlichkeiten. Diese Anlasse waren nicht nur religiose Zeremonien,
sondern starkten auch den sozialen Zusammenhalt der Agypter.
Agyptische Gotter :Isis und Osiris: Die Zentralfiguren der agyptischen Mythologie
Isis, die Gottin der Magie und der Mutter, und ihr Bruder Osiris, der Gott des Jenseits und der Wiederauferstehung,
sind vielleicht zwei der bekanntesten Figuren der agyptischen Mythologie. Ihre Geschichten sind eng miteinander verflochten
und erzahlen von Verrat, Liebe und der Suche nach Gerechtigkeit.
Agyptische Gotter :Anubis: Der Wachter der Toten
Anubis Gott, eine Gestalt der "Agyptischen Gotter ", stand als Wachter des Totenreichs. Als Gott der Mumifizierung wachte er uber die Riten.
Mit seiner Waage der Gerechtigkeit prufte er die Seelen. Herzen im Gleichgewicht bedeuteten ein Nachleben; zu schwere wiesen Ammit zu.
Dadurch verkorpert er die Ordnung im Glaubenssystem des agyptischen Jenseits.
Horus: Der Himmelskonig
Horus Gott, bekannt als Himmelsgott, ist eine facettenreiche Deitat. Oft dargestellt als Falke oder als Mensch mit Falkenkopf, symbolisiert er Konigtum und Skyline.
Als Beschutzer der Pharaonen, reprasentiert Horus Gott die konigliche Macht Agyptens. Legenden zufolge war er das lebendige Abbild der Pharaonen auf Erden.
Daruber hinaus gibt sein Kampf gegen Seth, den Gott des Chaos, Einsicht in das Gute und Bose der agyptischen Mythologie.
Ra: Der machtige Sonnengott
Ra Gott war der machtigste unter den agyptischen Gottern und der Herrscher aller anderen Gottheiten.
Als Sonnengott symbolisierte er Schopfung und Wiedergeburt und fuhr taglich mit der Sonne uber den Himmel.
Hathor: Die Gottin der Liebe und Freude
Hathor Gott, die agyptische Gottin der Freude, war fest in der Kultur verankert. Nicht nur Musik und Tanz zahlten zu ihren Domanen;
sie galt uberdies als Beschutzerin der Liebe und Schonheit. Als Gottin der Mutterlichkeit bot sie Trost und Schirm.
Zudem dienten Hathors Heiligtumer, wie etwa der Tempel von Dendera, als Schauplatze des Feierns. Ihr Sistrum,
ein rasselndes Musikinstrument, wurde zum Symbol des Lebensglucks. Auf diese Weise knupfte Hathor eine Verbindung zwischen
den Menschen und dem Gottlichen, wobei sie die Freude am Leben und den sozialen Zusammenhalt starkte.
Die Bedeutung der agyptischen Gotter
Die Bedeutung der "Agyptische Gotter" reicht weit uber einfache Glaubenssymbole hinaus. Sie verkorperten naturliche Phanomene und alltagliche Lebensaspekte.
Jede Gottheit besass einzigartige Attribute und Krafte und wurde in verschiedenen Kontexten verehrt.
Zudem reflektieren die Geschichten und Symbole dieser Gotter und Gottinnen die Komplexitat und Tiefe der agyptischen Kultur.
So tragen sie entscheidend dazu bei, unser Verstandnis dieser faszinierenden Zivilisation zu vertiefen.
Folglich gewahrt das Eintauchen in die Welt der "Agyptischen Gotter" tiefe Einblicke in die Weltanschauung der alten Agypter.
Durch das Verstehen dieser Deitaten und deren Bedeutungen offenbart sich ein umfassenderes Bild ihrer einzigartigen Sicht auf das Universum und das Leben.
#Isis und Osiris#Ägyptischen Götter#Hathor Gott#Hapi#Ra Gott#Anubis Gott#Tempel von Dendera#Horus Gott#Osiris Gott
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Tafel/ Tabelle
1.
Die Tabelle, dem Namen nach eine kleine Tafel, nennt Vismann in dem Buch über Akten ein Stellenwertsystem. Die Tabelle ist eine Stelle aus Stellen, sie stellt Positionen zur Verfügung, in die etwas eingetragen, an denen etwas ausgetragen und übertragen wird. Tabellen weisen Beträge aus, machten betrachtbar. In dem Sinne stellt eine Tabelle etwas, indem es wahrnehmbar macht, die stellt etwas her und dar und lässt es dann in weiter Praxis damit umgehen. Sie wertet, misst, rechnet und rechnet auch, was inwieweit reicht. Sie billigt. Sie ist das Objekt einer Technik, die Recht und billig macht, damit auch Objekt einer Technik, die veredelt, vergütet, gutmacht und durchgehen lässt.
Ob die Tabelle ein System ist, das ist weniger eine Frage des Ob als eine Frage nach dem Systembegriff. Arbeitet man weder an einer Geschichte noch einer Theorie der Systeme, drängt sich der Systembegriff nicht gleich auf. Vismanns Buch ist zur Zeit dessen geschrieben, was sie und Koschorke in dem Band über Widersprüche der Systemtheorie Faszination nannten, Faszination für den Luhmannismus. Lässt man den Systembegriff weg, bleibt die Tabelle ein stellendes und wertendes Objekt. Es bleibt auch ein messendes Objekt. Wenn man Recht als Regung und das Problem der Regung in der Einfalt von Rain/ Reign, also in der meteorologischen und polaren Bewegung begreift, dann präzisiert sich, was hier stellen oder messen heißen soll. Man macht das wohl am besten an den unterschiedlichen Vorstellungen von Manfred Sommer und Aby Warburg deutlich. Nach Sommers Phänomenologie der Tafel lässt die Tafel alles in der Wiederholung auf auf der Grundlage vom Rektangulären, in dem Sinne vom Rechten erscheinen. Die Tafel lässt danach etwas auf der Grundlage einer Technik erscheinen, die in der Natur nicht vorkäme. Darum glaube ich, dass Sommer dem Dogma großer Trennung anhängt und anthropofager Bewegung nicht anhängt. Sommers große Referenz gründlicher Linie ist der rechte Winkel, als Objekt ist es, was man antik regula nennt, das architektonische Objekt der Regel schlechthin. Eine Tafel wiederholt nach Sommer den Acker, die Wand und das Tuch oder Textil (das velum), weil alle an dieser großen Referenz hängen. Nach Warburg ist das aber, trotz der schwarzen Tafeln, anders. Man kann hier sogar nur schwer vom Feld sprechen. Warburgs Tafeln sind nicht nur zweidimensional. Räumlich sie sind auch dreidimensional. Hinzu kommt die Zeiten, die bei Warburg selten homogenisiert, immer geschichtet und diplomatisch, also in Falten vorkommen. Seine Tafeln sind Teil eines technischen Apparates, in dem vorkommt, was auch in der Natur schon vorkommt. Sie wiederholen nicht unbedingt das Rektanguläre, sie wiederholen den Kosmos, zum Beispiel die elliptischen Bahnen von Körpern, die um Körper kreisen. Tafel 78 mag mit seiner Tabelle und den Kalenderform, dem Nachleben der notitia dignitatum und dem Kalender des Filocalus dem folgen, was Sommer im Blick hat, sagen wir: einem Sommerdispositiv. Tafel 79 folgt diesem Dispositiv aber nicht. Recht muss hier nicht rektangulär sein, es kann sich wie Rain/Reign, wie Regen und wie Regierung regen, kann wirbeln, kann windig kippen, kehren und wenden.
2.
Auf der Tabelle sind das Stellen und das Messen nach dem Sommerdispositiv rekantguläre, rechtwinklige und 'schubladige' Vorgänge. Bei Warburg sind es kosmologische, kreisende und vague, meteorologische und polare Vorgänge. Die Unterscheidung zwischen Natur und Kultur ist bei Sommer fundamental, sie findet an der Spitze oder im Fundament des Begriffes statt. Bei Warburg kommt die Unterscheidung vor, ist aber nicht fundamental, sondern elementar, kommt also in Kleinstem und Größtem vor - dort nicht unbedingt identisch oder gegensätzlich, sondern mit Affinitäten und Wechseln.
3.
Wo Letter sind, da ist City. Das gilt unbedingt auch nach dem Sommerdispositiv, da ist der Letter ein Stab/Baustein und das Plane, mit denen Acker, Tücher und Wände entstehen. Für Warburg gilt: Wo Letter sind ist City, wo City ist sind Letter. Aber die City kann Polos/ polus sein: Ort, an dem und um den sich alles dreht und alles verkehrt. Dazu kommen Letter auch im Pastoralen oder auf hoher See vor, innerhalb und außerhalb der City tauchen die Letter ebenfalls auf.
Untitled #272
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Die Macht und ihre Ikonen
Großartiges Rüstzeug für die Bilderstürme des 21. Jahrhunderts: ein Handbuch der politischen Ikonografie aus der Warburg-Schule
(Rezension aus 2012 betr.: Uwe Fleckner, Martin Warnke, Hendrik Ziegler [Hg.]: Handbuch der politischen Ikonographie. 2 Bde. München: Beck 2011, 1137 S. u. 1336 Abb.)
Die sogenannten "Medien" der, sagen wir, letzten 100 Jahre legen zumindest drei Befunde nahe. Da wäre zum einen die Feststellung, dass es sich bei diesen Hervorbringungen um angewandte Kulturtechniken handelt. Daran ließe sich anschließen, dass diese Medien keine Einzelerscheinungen sind, sondern sich zu politisch-ökonomisch nutzbaren und folglich auch genutzten Medienverbünden fügen. Schließlich könnte man darauf abstellen, dass das Bild, ungeachtet mancher Rufe nach " Heiligen Texten" und der Ehrfurcht vor binär codierten Kommandozeilen, einen besser nicht zu unterschätzenden Stellenwert hat.
Dem hier anzuzeigenden Handbuch der politischen Ikonographie geht es jedoch nicht so sehr um eine triviale Parallelschaltung derartiger " Erkenntnisse", sondern vielmehr um eine gezielte Zusammenführung. Dann ließen sich wohl auch die hierzulande hinsichtlich ihres Anspruchs forciert bescheiden geführten Debatten über die Abbildungsstrategien in Wahlkämpfen und bei Insertionen spannender gestalten. Bisher handelt es sich meist um Rundumschläge für alle, Ikonoklasmus für jeden, Reflexion für niemanden. Zu ergründen, warum dem so ist, muss an die Spekulation abgetreten werden (etwa: habsburgisch geprägte Bilderlust barock-katholischen Zuschnitts mit hegemonialem Mehrwert). Oder man macht sich lieber selbst ein Bild.
Komplexe Analyse
Jemand, der sich dieser Aufgabe verschrieben hatte, war Aby Warburg (1866-1929) - "Amburghese di cuore, ebreo di sangue, d'anima Fiorentino" -, Kunsthistoriker und wohl auch, mit seiner durchaus komplex zu nennenden ikonologischen Beobachtungs- und Analysemethode, Mitbegründer einer heute (ungeachtet aller Irrläufer) mit "Kulturwissenschaft" umreißbaren Ausrichtung des akademischen Betriebs. Bei seinem Tod hinterließ er nicht nur die von ihm begründete Kulturwissenschaftliche Bibliothek in Hamburg - ganz wesentlich hatte er eine ganze Denkschule geprägt und mit dieser die Bedeutung der Ikonologie etabliert.
Ausgehend von Forschungen zum Nachleben der Antike in der Renaissance war es ihm gelungen, aufzuzeigen, wie sehr Bildinhalte nicht nur ein Eigenleben über ihre ursprünglich intendierte Bedeutung hinaus entfalten können, sondern auch wie sehr sich die einstigen Darstellungsgehalte mit ihrer je neuen Umgebung zu einem noch einmal neuen, zusätzlichen Bedeutungszusammenhang verschränken. Dieses Nachleben mit seiner spezifischen Aussagekraft ist keineswegs ein auf das Gebiet der Kunst beschränktes Phänomen, vielmehr lassen sich derartige Effekte (und gerade Warburg zeigte dies sehr deutlich) bis in die Bildwelten des Alltags hinein verfolgen, gleichgültig, ob es sich um Werbeeinschaltungen, Briefmarken, Münzen oder Buchumschläge handelt.
Wenn nun mit Martin Warnke und Uwe Fleckner (Dritter im Bunde ist Hendrik Ziegler) zwei angesehene Repräsentanten der Warburg-Schule einen gewichtigen Doppelband herausgeben, den sie der "politischen Ikonographie" verschreiben, dürfen die Erwartungen in mehrfacher Hinsicht hoch angesetzt werden. Tatsächlich erweisen sich die zwei ein klein wenig unscharf als "Handbuch" bezeichneten Bände als inhaltliches Schwergewicht ersten Ranges. Gewiss wird es Leser geben, die mit der Materie politischer Ikonografie sich (in welcher Form und aus welchem Grund auch immer) auseinandersetzen müssen - und die beim Blättern durch und Lesen in den Bänden thematische Lücken finden.
Begriffliche Regie
Sicherlich werden Leser und Leserinnen da oder dort diesen einen ganz bestimmten und notwendigen Hinweis gerade hier nicht finden - und dafür jenen dort zu vermissen sich angehalten sehen. Dennoch ist festzustellen, dass es bislang niemand anderen gab, der sich in der Lage sah, für den deutschsprachigen Raum (aber auch weit darüber hinaus) eine derart stupende Fülle an Überblicken zu organisieren, um die 100 Beiträgerinnen und Beiträger aufzubieten, knapp 150 Stichworte auszuwählen, ein durchaus akribisches Lektorat aufzubieten und schließlich der politischen Wissensproduktion nicht wenig an Neuem aufzugeben.
Von "Abdankung" bis "Huldigung" und von "Imperator" bis "Zwerg" - selbstverständlich hat bei der Aufteilung der Schlagworte die ordnende Hand der Herausgeber begriffliche Regie geführt, denn eine allzu pedantische Aufteilung der knapp 1140 Seiten hätte sonst die Stichworte der beiden Bände von "Abdankung" bis "Karikatur" und "Kleidung" bis " Zwerg" strukturiert. Das wäre natürlich auch in Ordnung gewesen. Aber eben dies nicht zuzulassen und mithilfe der Zuordnung einen zweimaligen ironischen Zusammenhang zu stiften ist dahingehend ein editorischer Fingerzeig, dass man sich der vielfachen Aufgabengebiete eines solchen Handbuchs der politischen Ikonografie durchaus bewusst war. Wobei: "Stichwort" trifft es noch nicht ganz (und würde auch einem enzyklopädischen Missverständnis die Bahn ebnen).
Denn es geht ganz klar um politische Situationen und Themen, wenn etwa vom "Bad in der Menge", der "Begegnung von Herrschern", der "Politischen Landschaft", der "Hand in der Weste" und dem "Politischen Material", dem " Recht am eigenen Bild", den "Zwei Körpern des Königs" oder auch dem "Tod des Herrschers" die Rede ist. "Pflasterstein" und "Exekution", "Leerer Thron" und "Wahl", "Majestätsbeleidigung" und "Damnatio memoriae" - die Zusammenhänge zu erschließen, die Kombinatoriken zu erproben: Hier drängen sich tage-, ja wochenlange Lektüren auf, bietet sich immer wieder neues Nachschlagen und Sehenlernen an. Eine Freude und ein Erkenntnisgewinn sondergleichen - auch wenn die mitunter etwas klein geratenen Abbildungen sich gelegentlich einer allzu raschen Einsichtnahme widersetzen.
Aus nahezu jeder der zahlreichen Begrifflichkeiten lässt sich problemlos ein Österreich-Bezug ableiten. So man dies in der Manier eines Sportreporters möchte ... Einer liegt bereits optisch nahe: So wird die österreichische Bundesministerin für Verkehr und Infrastruktur mit kämpferischer Pose abgebildet, ihr folgen in den bildlichen Verweisen u. a. Margaret Thatcher und Hillary Clinton, dies erfährt in weiterer Folge eine Rückbindung an extrapolierte Herrschaftsgesten insgesamt, an Formen körperlicher Rhetorik in Statuen, auf Briefmarken und Gemälden.
Deutlich wird, wie wesentlich sich spezifisches "gestisches Vokabular" aus zahlreichen Kulturzusammenhängen, Querbezügen und deren Abbildungsverfahren herleitet, welche Mutationen derartige Gemengelagen durchlaufen - und dass je aktuelle Fragestellungen die Überlieferung mit neuen Zusatzbedeutungen anreichern (dies gerade auch dann, wenn das Schlagwort dazu "Politikerin" lautet).
Die mediale Repräsentation ist hier entscheidend, wobei etwas eingelagert ist, das zwar unverbrüchlich als Erbe durch die Zeiten weitergereicht wird, oft jedoch als nicht erklärbar stehen bleibt - und gerade deshalb der Analyse und Erklärung bedarf.
Das "Handbuch" stellt in dieser Aufmachung und mit all seiner inhaltlichen Tiefenschärfe natürlich auch eine eminent politische Ansage dar, versteht man es als Werkzeugkasten für den eigenen Erkenntnisanspruch. Dann wird es zum Vademecum derjenigen, die sich über Bilder im politischen Zusammenhang Aufschluss verschaffen, ihren medientheoretischen Ansatz überprüfen oder einfach nur auf die forcierte Reflexion des zu Sehenden und daraus ableitbare Anwendungen abstellen möchten.
Den Primat der Politik einzufordern ist das eine, das andere ist die Notwendigkeit, sie nicht nur sehen, sondern auch lesen zu lernen. Hier ließe sich der Bogen zurück zu Warburg spannen: Auch sein Gesamtwerk ergibt sich erst aus der Zusammenschau seiner Teile (was trivialer klingt, als es zu bewerkstelligen ist). So wie bei seinen Texten wird auch das vorliegende Handbuch erst in seiner Zusammenschau und Umlegung auf reale Bildverhältnisse vollständig - Anhänger eines positivistischen Überblicks oder poststrukturalistischer Missverständnisse werden damit jedoch ihre Probleme haben müssen.
In unserem bereits vom monarchischen Erbe her mit Bildnissen reichlich und gut ausgerüsteten Land drängt sich eine derartige Kultur des Umgangs mit Bildnissen vielleicht nicht unbedingt auf. Und ob die mehr als 1100 Seiten der beiden Bände, die 141 thematischen Beiträge von etwa 100 Autorinnen und Autoren, die mehr als 1300 Abbildungen daran etwas ändern können, bleibe dahingestellt. Viel bessere Unterstützung wird es absehbar jedoch nicht geben.
[ Rez. v. Peter Plener; in: Der Standard v. 14. April 2012 – Link ]
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Zettelkasten Ant. Nachleben
Reproduktion mit freundlicher Genehmigung des ©Warburg Institute London
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Das Wechselgeschäft
1.
Ein Impuls Warburgscher Geschichte und Theorie des römischen Rechts oder aber eines Rechts, in dem Antike nachlebt und dessen Differenzierungen damit nicht aus sind und nicht ausgehen, sondern unbeständig, polar und meteorologisch weiter gehen, der ähnelt in gewisser Hinsicht den Impulsen, die Barbara Cassin mit ihren Arbeiten zu den Übersetzungen antiker Texte gegeben hat. Cassin spannt nämlich die Übersetzungen über die Limits einer Sprache, die in der Gegenwart verständlich, dabei asketisch und züchtig sein will, hinaus auf.
Warburg behandelt das Symbolische nicht unbedingt als etwas, das in Ordnung sein muss. Das Symbolische lässt vielleicht Worte und Bilder geben und nehmen, lässt orientieren, handeln und händeln, aber in Ordnung muss es noch lange nicht sein. In Bezug auf das Distanzschaffen und dasjenige, was darin als Wort oder als Bild gegeben wird, sind Verwechslungen und Konfusionen Teil des Nachlebens der Antike und Teil des Distanzschaffens. Warburgs Ausführungen zu dem, was er auch rechtstheoretisch Trajans Gerechtigkeit nennt betrifft Kontrafakturen, dienicht stabil oder stabilisierend erscheinen, sie erscheinen wechselhaft und unbeständig: Man deutet um, aus strategischem Fortune wird da schon mal Pietät et vice versa.
Mit Warburg lässt sich auch die Sprache nicht auf die züchtigen und asketischen Etymologien verpflichten. Dass die Verwandtschaftsbeziehungen der Wörter sorgfältig gepflegt werden und man zum Beispiel sagt, dass ab urbe condita mit der Formulierung Seit der Gründung Roms übersetzt werden müsste und nicht mit der Formulierung Seitdem Rom gereizt/ reizend übersetzt werden dürfte, das condita hier legitim mit condere verbunden sei und die Verbindung zu condire unzüchtig sei, condere und condire nicht legitim verwandt wären, das würde Warburg wohl nicht leugnen. Man zensiert ja die Kinder, damit sie lernen, züchtig und asketisch zu sprechen. Aber das es illegitime Verwandtschaft gibt und das Sprechen sich auch aus der Konfusion speist, das leugnet er nicht nur nicht, er nutz es immer wieder für vorzensierten kindischen, surrealen Witz und für sehr genau historische Rekonstruktionen (wie eben in den Passagen zu Trajans Gerechtigkeit). Dass das Recht ganz züchtig und legitim mit Regimen verwandt wäre, die Verwandtschaft zum Regen oder Reigen aber unzüchtig oder illegitim wäre, auch das würde er nicht bestreiten. Warburg hat aber genug anthropologische Erfahrung gesammelt, um nicht Lévi-Strauss, Descola oder de Castro lesen zu müssen. Er weiß auch so, dass alles das, was hier vorkommt (kindische Leistung und Freudsche Fehleistung: verkommt), auch da vorkommt oder verkommt - nur in anderen Reihenfolgen. Mit Reihenfolgen meine ich Sequenzen, also Züge, auch Auszüge und Vollzüge.
2.
Was die züchtigen und asktischen, die ordentlich frisierten und gebügelt beschmückten Etymologien mit ihrer bildungsbürgerlichen Stratifikation sichern, das ist unter anderem ein Abstand zu den niederen Schichten oder aber zu der übertreibenden Verwandtschaft aus dem Osten, zu Leuten, die angeblich nicht auseinanderhalten können, was doch auseinanderzuhalten sei, deren Distanzschaffen nach einer Vorstellung permanter Reformation (dem Dogma der großen Trennung) angeblich mangelhaft oder unterentwickelt wäre. Man findet solche Züge noch bei Sergio Burarque de Hollanda, nicht in den Passagen, die ihm absurderweise den Vorwurf eingebracht haben, antisemitische oder rassistische Ressentiments zu pflegen. Es sind Passagen über die Vorstellung, in der Unterscheidung zwischen dem Privaten und dem Öffentlichen gäbe es in Brasilien etwas Exzessives, das gleichzeitig mit einem Mangel oder eine Unterentwicklung von Unterscheidungsfähigkeiten einhergehe. Man sagt, treffend, Sergio Buarque habe sich von Max Weber inspirieren lassen, glaube ich sofort, auch wenn ich es anders formulieren würde: zuviel Weber gesoffen. Das Private ist in Brasilien römisch und damit auf eine Weise häuslich, die nicht aufgehört hat, hausend zu sein. Quid est Roma? Contubernium romanorum.
3.
Auf Tafel 78 des Mnemosyneatlas haben es, bis in die heutigen Editionen, Verwechslungen geschafft. Noch in der ersten Auflage der fantastischen Edition von Ohrt und Heil findet sich die Legende, man sehe in Bild 78/8 Kardinal Maffi auf dem oben abgebildeten Gebäude in Turin. Man sieht zwar nicht Maffi, dafür aber auch kein Gebäude in Turin. Man sieht Gasparri auf dem Autohaus am Piazza Guiseppe Verdi, ein Turm der Villa Borghese ist leicht zu identifizieren, genauso wie Gasparri, zumindest seitdem Ohrt und Heil endlich für eine anständige Abbilldungsqualität gesorgt haben. Warburgs Wissenschaft koimmt aus dem Wechselgeschäft, aber die Details sind heilig. Wo und wann das Foto tatsächlich entstand, wer dort zu sehen ist: diese Details sind heilig, heilig ist aber auch, wer da wann und warum etwas verwechselt hat, könnte ja ein großartiger Witz, Fortune oder eine Not drin stecken.
Spiral ramps of the Lingotto, by Giacomo Matté-Trucco (1923-1926).
Turin, Italy.
© Roberto Conte (2023)
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História e teoria de uma lei inconstante e polar
Die Vorlesung in Recife ist ein kleiner Kurs, ein sogenannter Minikurs, der im ersten Teil das Institut vorstellt, für das ich arbeite und das man als ein Institut für advanced studies verstehen kann, weil es dort vorangehen soll. Auf, auf:
1.
Am Max-Planck-Institut für Rechtsgeschichte und Rechtstheorie hat Marietta Auer mit Mitteln des Leibnizpreises ein Projekt unter dem Titel Theoriemosaik eingerichtet, das im Schwerpunkt rechtstheoretische Forschungen bündelt, die an bricolage, Ästhetik und Historizität interessiert ist.
Theorie halte ich für einen Effekt des Umstandes, dass eine Göttin oder aber ein ausschlagendes Wesen geschaut hat und man seit dem meint, das auch tun zu können, auch einmal schauen zu können. Den Begriff der bricolage assoziiere ich mit der anthropologischen Lehre, also der Annahme, dass alles das, was hier vorkommt, auch da vorkommt, nur in anderen Reihenfolgen oder Sequenzen. Die deutsche Übersetzung des Buches von Lévi-Strauss wählt für den Begriff bricolage das Wort Bastelei. Ich übersetze das Wort mit Kulturtechnik und denke, wie Lévi-Strauss, an beliebige Kulturtechniken, also auch Kulturtechniken, die beliebig sind und die insofern zum Einsatz kommen, wenn es darum geht, Recht wahrzunehmen und auszuüben, die aber auch völlig anders zum Einsatz kommen können - und mit denen das Recht darum unbeständig, relativ, perspektivisch, (ver-)wechselbar und dabei immer scharf, bestimmt, verbindlich und limitiert bleibt. Juridische Kulturtechniken kooperieren bei der Fabrikation des Rechts (beide Genitive sind gemeint) - und diese Kooperation ist widerständig und insitierend.
Bei dem Begriff Ästhetik denke ich an ihre Geschichte, bevor sie im Rahmen der Nationalisierung zur deutschuniversitären Systemphilosophie wurde. Ich denke also eher an die Manuale, Techniken, an Muster, Rezepte, Beispiele, Sammlungen, Vorbilder und Praktiken, um Erfahrung zu machen und darin Passion (Leidenschaft oder ein Erleiden) in Aktion und umgekehrt Aktion in Passion zu wenden. Ich denke bei Ästhetik also auch an Kulturtechniken, die etwas wahrnehmen und ausüben lassen. Bei Historizität denke ich an sedimentäre Geschichte und seismische Aktivität, an das Nachleben der Antike und Trajans Gerechtigkeit sowie an Baseler Archäologie und ihre Folgen.
Das Projekt Theoriemosaik bietet an, an das mosaische Gesetz zu denken, also auch an abrahamitsche Wesen (wie Bartleby oder Anna Katharina Mangold um zwei beliebige Beispiele zu nennen), an Testamente und brüchige/ gebrochene Tafelgesellschaften, an Auszüge und Vollzüge. Theoriemosaik bietet aber auch an, an die Musen, das Musische, die Musik und damit an das zu denken, was zählt. Passt mir alles gut in den Kram, ehrlich gesagt: wie maßgeschneidert für das, was ich gerne tue und tun muss, weil es sonst niemand macht.
2.
Mein Forschungsschwerpunkt liegt in dem Verhältnis zwischen Bild und Recht sowie Bild- und Rechtswissenschaft. Manche halten das für zwei Gegenstände, andere für einen Gegenstand, die Auseinandersetzung darum kann man Bilderstreit nennen. Dieser Bilderstreit hat Geschichte. In meinem jetzigen Projekt zu Aby Warburg interessiert mich die Moderne, d.h genauer die Zeit zwischen Sommer 1896 und Herbst 1929. Die Phase beginnt mit einer kleinen Kreuzfahrt auf einem Schiff, einem Gespräch zwischen Aby Warburg und dem Juristen (und späteren Professor für Rechtsvergleichung) Sally George Melchior über das römische Recht, sie endet mit Aby Warburgs Tod am 26. Oktober 1929, als er an den Staatstafeln und damit an einem Protokoll und Kommentar zu den Lateranverträgen arbeitet. Meine These ist insoweit, dass diese Phase den exakten Zeitrahmen bildet, in dem Aby Warburg zum Rechtswissenschaftler wurde, selbst wenn er niemals an einer juristischen Fakultät eingeschrieben war und nie der Wahrheitsform gerecht wurde, die manche (Staats-)Examen nennen.
Warburg ist in Bezug auf das Recht kein Autodidakt. Das zu unterstellen hieße nämlich anderseits, zu unterstellen, dass die universitäre Rechtswissenschaft im Rahmen ihrer Didaktik ein epistemisches Monopol besäße, das tut sie aber nicht. Sie gibt sich so, das ist eine Illusion, also etwas, mit dem man durchaus eine Zukunft haben kann, wenn auch wie immer eine unsichere und limitierte Zukunft. Die Rechtswissenschaft ist aber eingespannt in eine Wissensproduktion, die multinormativ (Thomas Duve) und multidisziplinär (Marietta Auer), weiter auch multiplizit ist. Diese Wissenschaft kreuzt und versäumt andere Wissenschaften - und ein Wissen, das anders operiert als es universitäre Wissenschaft oder einer der nationalen und bürgerlichen Modelle von Universität nahelegt. Wenn die juristische Fakultät nicht autonom und autark operiert, dann ist Warburg auch kein Autodidakt in der Rechtswissenschaft. Er ist mündig und wild, zieht damit noch den anarchischen Wind (Edgar) an.
3.
In einem Text, der auch klein oder sogar mini sein soll, nämlich in der kleinen Geschichte der Photographie, schreibt Walter Benjamin einen berühmten Satz, er zitiert dort:
"Nicht der Schrift-, sondern der Photographieunkundige wird, so hat man gesagt, der Analphabet der Zukunft sein."
Bindet man die Rechtswissenschaft an das Gesetz und, wie das in einem wunderbaren Buch Ino Augsberg exerziert hat, das Gesetz an die Lesbarkeit, dann sollte man auch diesen Satz aufgreifen und in Bezug auf Warburg noch einmal zuspitzen, weil es bei Warburg auch um Graphien geht, die mit dem Licht arbeiten können, über das Photographische hinaus aber noch um Bilder, durch die Bewegung geht und die darum kinetische, kinematographische oder choreographische Bilder sind. Das sind bewegte Bilder, bewegende Bilder und schließlich das, was Deleuze das Bewegtbild nennt. Also zugespitzt für die Moderne: Nicht der Schriftunkundige, sondern der Unkundige bewegter und bewegender Bilder (der Kinemato- und Choreographieunkundige) wird der Analphabet der Zukunft sein.
Statt von Bewegung spreche ich im Kurs, weil ich schon auf die Affinität zum Recht schiele, von Regung und vom Regen, dem Regen - also einer Regung, die man auch meteorologisch verstehen kann, weil auch sie unbeständig ist, nämlich vorläufig und vorübergehend, vergehend und darin schwer berechenbar bis notorisch unkalkulierbar. Begrifflich meine ich unbedingt das Regen, wie es in anregenden Fällen und Gesetzen, aufregenden Urteilen, erregenden Entscheidungen oder Verbechen und schließlich in abregenden Kompromissen und Vorschlägen mitläuft.
Ob ich darum den Regen nur metaphorisch meine? Bis vor kurzem hätte ich gesagt: ja sicher. Johan Horst mit seiner Forschung zur Verfassung des Natürlichen zum Recht hat mit aber klar gemacht, dass mit den Konflikten der Neometeorologie Modellbildungen in der Rechtswissenschaft Austauschmanöver initiiert, die auch den Status der Begriffe und Metaphern ändert. Meine indischen Kollegen erinnern mich daran, dass dort für Recht und Regen (wie für Recht und Reigen) die selben Begriffe benutzt werden können. Die neue Meteorologie könnte eine andere alte Meteorologie sein, eine Pendel des Wissen, in dem Antike nachlebt.
Den Regen meine ich also nicht nur metaphorisch, wenn ich vom Bildregen spreche. Bildregeln sind ja auch Regeln, die aus Bildern bestehen können (etwa, wenn die Vorbilder, Modelle oder Beispiele geben) und nicht unbedingt aus Sätzen bestehen müssen. So kann Bildregen auch aus Regen bestehen (sogar Edvard Munch hat das an berühmten Beispiel vorgeführt).
Bilderflut ist ohnehin 'eine alte Geschichte' und wem sie jüngst passierte (wem jünst damit wieder mal ein apokalyptischer Schrecken eingejagt und eine Melancholie über den Verlust des Rechts erregt wurde), dem bricht das Herz entzwei. Ich spreche bestimmt auch Starkregen, liegt in Recife ja auch nahe, wo hier fast an jedem Morgen die Wolkentürme mit dem Gewicht großer Elefantenherden während eines Augenzwinkerns auf den Boden klatschen, Häuser wegspülen und dabei regelmäßig Hund und Mensch ertränken. Ob der Regen, der dann Rechte fabriziert, etwa neues Baurecht oder neues Polizeirecht, neue Umweltrechte, neue Hunde- und Menschenrechte, dann eine Rechtsmetapher oder zum Rechtsbegriff wird, auch die Auseinandersetzung wird man Bilderstreit nennen können - und es bleibt ein Streit darum, Rechte wahrnehmen und ausüben zu können.
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Brasilia, oder: Wo Pflugzeug war soll Flugzeug werden
1.
Heute habe ich die Ehre, auf Einladung von Marcelo Neves an der juristischen Fakultät in Brasilia meine Forschung zu juridischen Kulturtechniken vorzustellen, insbesondere das Projekt zu Aby Warburg. Mich ehrt besonders, dass Ricardo Spindola mit mir debattieren wird.
2.
Brasilia ist eine Hauptstadt der Moderne. Brasilia ist, so sagt man, auf dem Reißbrett entstanden, ist also das, was auch manche Faden in der Moderne sein sollen: gerissen. Diese Hauptstadt (eine Kapitale) lässt mit ihrer Gerissenheit in der Moderne noch einmal Antike nachleben, genauer gesagt den Akt, mit Linien Städte oder Staaten zu gründen, wo vorher keine gewesen sein sollen.
Mit demjenigen Zeug, das man Pflug nennt, sowie einem Ochsen und einer Kuh hat man das einmal gemacht. Die Erbauer von Brasilia haben Antike nachleben lassen, gleichzeitig aber das Imaginäre der Gründung gleichzeitig mit dem Flug, dem Abheben und dem Take-Off assoziiert, wie man das in der Moderne und unter dem Dogma großer Trennung so gemacht hat:
Lá onde arar era, avião devo devir, where planalto was, plane shall became Wo Pflugzeug war soll Flugzeug werden
Vielleicht war das ein Versprechen, eventuell sogar von der Art, wie sie auch Aby Warburg zu machen pflegte. Das heißt, das dieses Versprechen verbindlich gewesen wäre und doch den mal witzigen, mal dämonischen Untergründen solcher Versprechen aufsaß.
Der frühe Entwurf des Stadtplans, den Lucia Costa zeichnete, wurde unter anderem als Form eines Flugzeuges interpretiert, woraufhin er irritiert reagiert haben soll, weil er wohl an ein diplomatisches Wesen, nämlich einen Falter gedacht haben soll. Das eine schließt das andere allerdings nicht aus, nicht in der Welt jener Versprechen, zu deren größten Kennern Aby Warburg zählte: Mitten in der Moderne, mitten im technischen Gerät sitzt ein Insekt, mitten im Menschwerk des Animal. Warum denn nicht? Andere sagen das doch auch. Als Lúcio Costa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich auf dem Hochland in einen ungeheuren Stadtfalter verwandelt. Oder aber so: Als Lucio Costa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich auf dem Planalto in einen ungeheuren Piloten verwandelt. Was und wie auch immer, den Wettbewerb hat er gewonnen.
Idea vincit, das kann man wohl so übersetzen: das Bild siegt (vincio) oder bindet (vinco), auch wenn das Bild ein Bau und der Bau eine Puppe ist.
2.
Rechtstheoretisch macht der Akt, der dank und durch Linien etwas gründet, dasjenige, was George Spencer-Brown zu einer Art Gebot des Kalküls der Formen erhob: er zeichnet eine Unterscheidung, draws a distinction. Zwischen 1990 und 2000 gab es an den deutschen Rechtsfakultäten zwei interessante, herausragende Positionen, die zu diesem Zeichnungen/ Drawings Ausführliches zu sagen hatten: Das waren Gunther Teubner, in dessen Buch von 1990 das Formenkalkül von Spencer-Brown (wie Luhmann) in einer Theorie ausdifferenzierter sozialer Systeme auftauchte. Er eröffnete mit dem einem Zug eine Rechtstheorie des Zuges. Die zweite Position zeichnete sich selbst erst in den 10 Jahren ab, dann aber umso erstaunlicher, das waren Cornelia Vismanns Arbeiten zu gründlichen Linien, die man auch Fäden, Furchen oder Falten verstehen konnte.
Beide, Teubner und Vismann haben das Zeichnen (so will ich den Zug übersetzen) rekursiv verstanden. Das heißt, dass man Linien aus dem macht, was man bereits hat, um zu bekommen, was man noch nicht hat. Rekursion bedeutet: man kommuniziert Kommunikation, man spricht das Sprechen, schreibt das Schreiben, zählt die Zahlen. Während Teubner die Idee der Rekursion aber im Rahmen einer Theorie ausdifferenzierter, autopoietischer Systeme und Selbstreferenz verortete, verortete Vismann die Idee der Rekursion in einer Archäologie des Begehrens. Teubners Rekursion hält sich in der Aktualität laufender Kommunikation auf, er bewahrt darin etwas von der Moderne und dem Ideal der Moderne. Vismanns Idee der Rekursion kommt im Vergleich zu den Abstraktionen und Systembildung, den Codes und Reflexionen bei Teubner verschlammt und staubig daher: die Rekursion sitzt auf, darum forscht Vismann archäologisch.
Mir geht es heute nicht darum, zwei hochgeschätzte, geliebte Kollegen gegeneinander auszuspielen oder ihre Vorzüge und ich Nachteile so zusammenzusetzen, dass eine dritte, nun perfektionierte Theorie dabei herauskäme. Ich will nicht die Mängel Teubners mit der Fülle Vismanns stopfen und nicht die Mängel Vismann mit der Fülle Teubners; auch will ich die Exzesse Teubners nicht mit einer Vismanndiät in Maß bringen oder die Exzesse Vismanns durch Teubneraskese zügeln. Die beiden haben nur eins gemeinsam: das sind die Probleme, die sie teilen. Ich will auf das Problem hin orientieren: es ist das Problem gründlicher Linien.
Meine These lautet: will man über die Moderne oder über Multiplizität nachdenken, dann kommt man nicht drum herum, über gründliche Linien nachzudenken seien das nun technisch und operativ gedacht Züge oder aber (objektorientiert gedacht) Fäden, Falten oder Furchen). Man wird wie immer darüber nachdenken müssen, wie man Unterscheidungen zeichnet, das heißt auch: wahrnimmt oder ausübt. Wenn man darüber nachdenkt, kommt man in Bezug auf die Geschichte der Rechtswissenschaft im 20. Jahrhundert an einer Figur nicht vorbei: Das ist Aby Warburg. Seinen Beitrag will ich vorstellen und zur Diskussion stellen. Ich werde dazu kurz seine beiden 'Staatstafeln' vorstellen, erläutern, welche Rolle gründliche Linien dort spielen und schließlich darauf eingehen wie er so die Rechte aus den Lateranverträge wahrnehmen lässt. Die These lautet, dass Aby Warburg mit den beiden Tafeln das Manual und die Summa einer Rechtsgeschichte und Rechtstheorie vorgelegt hat, die - apophatisch gesagt - nicht allgemein, nicht universal, nicht ausdifferenziert und weder kontrafaktisch stabilisiert noch kontrafaktisch stabilisierend sein soll. Positiv ausgedrückt: er liefert eine besonderer Geschichte und eine besondere Theorie für das Recht, nämlich ein Recht, das unbeständig und polar sein soll- und dessen Rationalität darin liegt, Bewegungen und Regungen händeln zu können, die schwer berechenbar bis notorisch unkalkuierbar sind.
#Brasilia#wo pflugzeug war soll flugzeug werden#la onde arar era aviao devo devir#where planalto was plane shall became
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História e teoria de uma lei inconstante e polar
1.
Musik wie an der Himmelstür. Das klingt auch wie eine tropisch modulierte und arrangierte Version der Musik auf dem Chorus (der Tanzfläche), der im Film Heaven's Gate von Michel Cimino dem Recht, Regen und Reigen der kleinen Leute und Migranten einen Denkraum gibt. Cimino widmet den osteuropäischen Migranten besondere Aufmerksamkeit, nicht nur in diesem Film. Meine These lautet ja, dass die Brasilianer die Russen (oder die Osteuropäer) Südamerikas sind. Es gilt besonders im Nordosten um Recife herum so, wo die Fiddler Teil des Forro geworden sind. Die Aufnahmen stammen von Sao Joao, Johannisnacht, Midsummernacht - und aus Recife, der Stadt der Schiff- und Lichtbrüchigen, damit einer Stadt voller Leute, deren Situationen reizend sind und schon wiederholt, jedes Mal anders, rasiert wurden, das sind Raizes do Brasil.
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2.
Kreuzungen stellen mir Fragen. Renaissancen und das Nachleben der Antike stellen mir Fragen. Institutionen und Restitutionen stellen mir Fragen. Wiederholung und Differenz stellen mir Fragen. Kontrafakturen und kontrafaktische Stabilisierung stellen mir Fragen. Mit stellen also Recht, Regen und Reigen Fragen, weil Recht, Regen und Reigen drei Bezeichnungen einer Sache sein können und dann etwas manchmal dennoch nicht gehen kann.
Das ist eine Sache, der ich anhand einer Geschichte und Theorie juridischer Kulturtechniken nachgehe, die von Cornelia Vismann und Aby Warburg angeregt wurden. In Recife trage ich zu einer Geschichte und Theorie unbeständigen und polaren Rechts vor, die eventuell für kleine Leute und Migranten, für Pendler und Vagabunden, für Leute wir Warburg oder Cornelia attrativer sein können, als für die Gentlemen, Manager und den Homo Digititalis. Ich nehme aber darum auch die Anregungen von Vesting, was leicht geht, die Geschichte und Theorie juridischer Kulturtechniken im Hinblick auf Persönlichkeitsideale und subjektive Rechte weiterzudenken. Was ist zum Beispiel das Persönlichkeitsideal eines Wechslers, Pendlers, Wanderers, Migranten, eines Flüchtlings oder eines Flüchtigen? Wie sind seine subjektive Rechte zu gestalten? Muss er, um vorbildlich zu sein, den Vorbildern derer folgen, die keine Wechsler, keine Wanderer, keine Pendler sind? Persönlichkeitsideale sind Phänomen, die an juridische Kulturtechniken des Messens, der Musterung und Schichtung (Stratifikation) gebunden sind, Vestings Beispiel für Persönlichkeitsideale stammen insofern von angereicherten/ bereicherten adeligen und bürgerlichen Gentlemen, Militäroffizieren (wie im Bild bei Thomas Gainsborough), leitenden Managern und ihren Leitbildern (denen Daniel Damler am Beispiel Konzern und Moderne und Johanna Braun am Beispiel des öffentlichen Rechts auch nachgehen) und von den Schöpferfiguren aus digitalen Kontexten. Sie mustern, messen, schichten und wirbeln aber auch. Ich glaube zwar nicht an Ausdifferenzierung, nicht wie Vec an das Ende des decorum oder aber daran, dass funktionalle Differenzierung stratifikatorische Differenzierung erfolgreich abgelöst hätte. Aber ich glaube auch nicht an die Beständigkeit der Spitzen und daran, dass die, die unten und unsichtbar sind, immer unten und unsichtbar sind. Statt das gegen Vestings Buch zu wenden oder zusagen, dass er etwas nicht könne, eindeutig alten Dingen verhaftet sei oder einseitig sei, etwas zu eng oder zu weit sehe, zu unterschätze oder überschätze denke ich da mit Vestings Vorgaben im Himblick auf meine anderen Fragestellungen weiter - also auch in Hinblick auf Wesen, die ich ausschlagend nennen würde - und selber als unbeständig und polar betrachten würde, also auch als ideal, aber nicht immer ideal. vesting denkt nicht zu eng, nicht zu weit, er überschätzt und unterschätzt nichts - auch Ladeurs Methode würde ich hier nicht aufgreifen. Jeder denkt exakt das, was er denken muss, damit es hilft - und Vesting hat schlicht andere Fragestellungen als Vismann sie hatte oder als ich sie habe. Vesting kann Vismann auch anders darstellen, kann sie auch mehrdeutig lesen und sie insoweit als mehrdeutige Denkerin darstellen, das hilft ihm aber offensichtlich nicht, um zu sagen, was er sagen will. Mein Verdacht lautet plump, dass er sagen will, dass er mehr als Kittler kann und weite Kreise um Kittler können. Aber ich kann mich irren.
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Chair du Monde/ Fleischbällchen
1.
Das Archiv muss man nicht mit domus/ dominium assoziieren. Ein Archiv kann Pavillon sein, also Faltarchitektur und Möbel in einem, wie der pliant oder der kurulische Stuhl Architektur und Möbel ist. Christoph Schönberger hat aus einer deutschen, architektonisch festlich gefestigten und immobil systematischen Sicht des 19. Jahrhunderts die Geschichte der Regierungssitze mit dem Thron und den Immobilien anfangen lassen, also die arché des Archives auf domus/ dominium gestützt. Das ist richtig, wenn man die deutsche Perspektive eines Staatsrechtslehrers verdeutlichen will. Dann soll ja auch Regierung und Recht nichts mit Regen/ Regung zu tun haben. Dann ist auch klar, dass meine Arbeiten nichts mit Rechtswissenschaft nach dem Modell deutscher Staatsrechtslehre tun haben sollen. Nur: I object.
Wenn man am Nachleben der Antike interessiert ist, etwa deswegen, weil man von Polarität, Unbeständigkeit und Meteorologie nicht übertölpelt werden möchte, dann ist Schönbergers einseitige Ausrichtung an edler Einfalt und stiller Größe nicht hilfreich. Dann ist Schönbergers Darstellung schön bergend (folgt also dem Konzept condeo/ condere, aber nicht dem Konzept condio/ condire). So eine Darstellung ist halb geschrieben und halb wahr. Wenn man etwas zur Regung, über Unruhe, Rührendes und Aufrührendes wissen will, wenn man Geschichte und Gegenwart sedimentär versteht und etwas von Sediment/ seditio wissen möchte, dann sollte man auch auf die Geschichte jener Regierungssitze eingehen, die Klappstühle (wie der sella curulis) und die Faltarchitekturen waren. Sprich: man sollte dann nicht in der Spätantike und dem Mittelalter anfangen, sondern bei römischen Damen (so Bachofen und Klossowski) oder wenigstens in der römischen Republik.
2.
In Aschaffenburg (Gemäldegalerie) hängt das Bild eines Rembrandtschülers, der das Abendmahl, einen Gründungsmoment katholischer Tafelgesellschaft, als Szene zeigt, in der die Gruppe auf einem Bilderfahrzeug (Warburg), also einem Teppich sitzt. Tisch und Stuhl sind dort nicht ausdifferenziert. Die haben weder Tisch noch Stuhl und sie bleiben trotzdem auf dem Teppich, die Welt stützt nämlich nicht zusammen, wenn sie sich bewegt. Auf dem Teppich lässt sich auch sitzen und Tafeln, auch ohne Immobilien und ohne architektonische Verankerung. Sogar der Teppich kann Tafel und Stuhl sein, wer das sieht, muss keine schizoide Psychose haben. Die Ärzte haben Warburg, der einen solchen Blick dafür hatte, den nicht nur ich das melancholische und polare Talent nenne, die Diganose ausgestellt, schizoid und psychotisch zu sein. William T. Mitchell, dessen Sohn dieses Talent auf ebenso tragische Weise wie Warburg hatte, spricht trotz der Tragik von einem Talen. Warburg hat sich auf der Diagnose nicht ausgeruht, wie auch? Das Wort ward Fleisch und der Sitz (chair) ward Fleisch (carne), war es vorher aber auch schon so und nachher führte es auch nicht fort.
Aus der Kolonialgeschichte sind Darstellungen bekannt, in denen das westliche Subjekt steinern thront, die anderen sollen auf Fleisch sitzen. Das muss nicht geringer sein, auch wenn einige das so sehen wollen bleibt es strittig und bestreitbar und immer wieder händelbar: Bei Unruhe muss man keine Polizei rufen, man kann auch unruhig Politik machen, polite bleiben und bei Bedarfs nach schneller Fixierung ein Polaroid knipsen. Das Recht geht in Unruhe und Instabilität nicht verloren, da können noch so viel Bielefelder Stabilisierungshasen nervös werden. Man muss nicht stabilisieren, nicht einmal so tun als ob man stabilisieren würde, muss nicht einmal kontrafaktisch stabilisieren, muss sich nicht nach außen stählern geben und mit Teflon beschichten. Wendig und windig geht es auch, auch das Recht.
3.
In Aschaffenburg ( Gemäldegalerie) hängt das Bild eines Rembrandtschülers, der das Abendmahl und einen Gründungsmoment katholischer Tafelgesellschaft als Szene zeigt, in der die Gruppe auf einem Bilderfahrzeug (Warburg), also einem schlichten Teppich zeigt. Tisch und Stuhl sind dort nicht ausdifferenziert. Die haben weder Tisch noch Stuhl und sie bleiben trotzdem auf dem Teppich. Die Welt stützt nämlich nicht zusammen, wenn sie sich bewegt. Auf dem Teppich lässt sich sogar sitzen und tafeln, auch ohne Immobilien und ohne architektonische Verankerung. Sogar der Teppich kann Tafel und Stuhl sein. Wer das sieht, muss keine schizoide Psychose haben. Die Ärzte haben Warburg, der einen solchen Blick dafür hatte, den nicht nur ich das melancholische und polare Talent nenne, die Diagnose ausgestellt, schizoid und psychotisch zu sein. Er hat sich auf der Diagnose nicht ausgeruht, die Ärzte haben sich schließlich korrigiert und ihm als Symptom bescheinigt, was nicht nur ich das melancholische polare Talent nenne. William T. Mitchell, dessen Sohn dieses Talent auf ebenso tragische Weise wie Warburg hatte, spricht trotz des tragischen Todes seine Sohnes auch von einem Talent. Das Wort ward Fleisch und der Sitz (chair) ward Fleisch (carne), war es vorher aber auch schon so und nachher führte es auch nicht fort. Die Exkarnation ist ein Gerücht, das durch Exkummunizieren plausibel wurde. Aus der Kolonialgeschichte sind Darstellungen bekannt, in denen das westliche Subjekt steinern oder hölzern thront, die Anderen sollen auf Fleisch sitzen. Das muss nicht geringer sein, auch wenn einige das so sehen wollen bleibt es strittig, bestreitbar und immer wieder händelbar: Bei Unruhe muss man keine Polizei rufen, man kann auch unruhig Politik machen, polite bleiben und bei Bedarf nach schneller Fixierung ein Polaroid knipsen. Das Recht geht in Unruhe und Instabilität nicht verloren, da können noch so viel Bielefelder Stabilisierungshasen nervös werden. Man muss nicht stabilisieren, nicht einmal so tun als ob man stabilisieren würde, muss nicht einmal kontrafaktisch stabilisieren, muss nicht nach außen hölzern, steinern und stählern geben und zur Vorsorge mit Lack und Teflon beschichten. Wendig und windig geht es auch, auch das Recht.
4.
Objekte, an denen etwas zu Fleisch oder zum Mahl wird, kann man kardiologische Objekte nennen. Sie lassen zumindest mein Herz klopfen. Ich würde insoweit Carne und Cardea assoziieren, das ist römischer Kalender, nicht meine Idee. Das markiert im Kalender die Zeit, in der der Weissdorn blüht und Früchte gibt, die sollen gut für das Herz sein. Dieses Wissen ist nicht widerlegt (wie auch, es ist Dogma) und wird heute gesellschaftlich noch mitgetragen, auch wenn Foucaultleser brav daran glauben, dass das Zeitalter der Ähnlichkeiten vorbei sei. Cardea, das ist die, deren anderer Name Carne gewesen sein soll und die eines der römischen Scharnierwesen war, deren Feier in der Johannismacht, der Mittsommernacht, den weißen Nächten, noch nicht aufgehört hat. Recht war auch Aberglaube, wenn das vollständig und endgültig vorbei ist, sage man mir bitte Bescheid, dann gehe ich in Rente. Dass die Antike nachlebt, ist kein bildungsbürgerlicher Zitatenschatz. Das ist Gaza, Karneval, Charkiv, aber auch das Max-Planck-Institut im Frankfurter Juni, und zwar immer dann, wenn an Orten etwas auf- und abdreht und dabei die Scharniere anfangen, zu singen oder zu kreischen.
Wenn plötzlich Fenster aufgerissen werden, weil es zu stickig wurde oder weil Verhandlungen stockend zu platzen drohen, oder wenn Türen plötzlich zugeschlagen werden, weil ein Sonderdruck verlesen wurde, dann lebt Antike nach. Sitze, die klappen können, aber nicht klappen müssen, lassen grüßen. Dann lebt der kurulische Stuhl nach, als möblierte und vermöbelnde Pathosformel. Das alles kann man erschließen, vor allem in Archiven, die nicht auf domus/ dominium verpflichtet sind, sondern auch auf Bilderfahrzeuge, wie Wachen, Züge, Schiffe, Flugzeuge, Klappstühle, Faltarchitekturen und Teppiche welche sind.
“Memory Movers” im Neuen Museum Nürnberg, eine raumgreifende Installation mit über hundert Gegenständen aus mehr als 50 Archiven.
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História e teoria de uma lei inconstante e polar
Was liegt unterhalb der Schwelle des Rechts und kooperiert dennoch dabei, Recht wahrzunehmen? Das ist zum Beispiel, im römischen Denkraum und dem Nachleben der Antike, ein Wagenstuhl. Ein Wagen kann das auch sein, auch ein Fahrzeug, zum Beispiel ein Bilderfahrzeug (Warburg). In Fahrzeugen, zum Beispiel dem Taxi oben, sind vor wenigen Jahren Tafeln und Bildschirme aufgetaucht, in einer Sortierung, die mich an Warburgs Tafeln oder an Vismann Akten erinnern. Als (Bei-)Fahrer kann man durch die Scheiben auf die Straßen, auf das Handy mit den Kartographien und auf Filme aus dem Rundfunk schauen. Die Schirme und Tafeln tauchen zerstreut, aber nicht zerbrochen, nicht fragmentiert auf. Damit lassen sie auch, wie Lungen, Bälle und barocke Kirchen es tun, (sich) distrahieren und kontrahieren, Pläne verfolgen und Neuigkeiten hören. Sie ziehen die Wahrnehmung zusammen und stauchen sie, ziehen sie auseinander und strecken sie.
Die Vorlesung in Recife soll Vismann nicht als Tote behandeln, die an ihre Grenzen gekommen wäre oder aber die Grenzen einer kreativen Rechtswissenschaft nicht ausgeschöpft hätte. Sie ist mit ihren Regungen weiterzudenken und auf eine Situation zeitgenössischer Rechtstheorie zu beziehen. Eine zeitgenössische Rechtstheorie ist keine Rechtstheorie in Präsenz, sie ist nicht unbedingt auf der Höhe der Zeit. So eine Theorie kann gegenwärtig sein, muss es aber nicht sein, nur eins muss sie sein: zeitgenössisch, also elementar der Zeitlichkeit assoziiert. Nach Grimm ist gegenwärtig, was zugekehrt ist. Wer das Zugekehrte archäologisch behandelt, denn würde ich mir zum Zeitgenossen machen, d.h. das ich mich ihm zeitlich assoziieren würde. Weil Vismann das tat, mache ich sie mir zu meiner Zeitgenössin. Das kann ich aber auch in Bezug auf andere (Baseler) Archäologen sagen, etwa in Bezug auf Warburg, Klossowski, Nietzsche oder Bachofen. Man ist ohnehin mit nichts und niemanden gleichzeitig im Raum, kann aber in jedem Raum zum 'Neandertaler' werden. Man ist weder mit den Lebenden noch mit den Toten gleichzeitig im Raum. Die Antike lebt nach, es gibt Renaissancen, Wiedergänger und Wiederkehr, Wiederholung und Diffferenz, Iteration und mimetisches Kreisen. Geschichte, graphisch gefasst, operationalisiert Differenz, die elementar zeitlich ist, - und assoziiert Zeiten, die nah entfernt sein sollen, mit Zeiten, die weit entfernt sein sollen. Es gibt Leute, die sich lang Vergrabenene zu Zeitgenossen gemacht haben und Sprachen sprechen, von denen andere sagen, sie seien tot. In Texten, die man in fünf Minuten lesen kann, ist von Fortschrittlichkeiten und Rückschrittlichkeiten etwas zu erfahren, deren Zeitspanne in wesentlich mehr als fünf Minuten zu erfahren sein müsste. Als Max-Planck-Fellow arbeitet Valérie Rousoux zu einem Phänomen, das sind Generationengedächtnis nennt und im Hinblick auf die Erinnerung an Massaker untersucht.
Rosoux ist auch Miterausgeberin eines Buches, in dem es darum geht, Abwesende stellzuvertreten:
The ‘absent’ is a notion known in most legal systems. As a legal notion, primarily used in civil law, it refers to one who has left, either temporarily or permanently, their domicile or usual place of residence or business, or whose whereabouts are not known and cannot be ascertained by diligent effort. And yet, the absent may have a family, own a business or property, for whom or which life has to go on. Being absent does not mean having no interest or stake. However, one recurring related issue is determining who can legally speak in the name of, or represent the absent. The book takes root in this idea and widens it by considering the issue of the representation of all those who are not there now, stretching from those who are not there anymore because they have disappeared, to those who are not there yet, because they have not yet appeared. Past and future generations are not only emblematic of both ends of the spectrum but also of the fact that absents can indeed have interests and would therefore need someone to speak in their name/represent them.
Ich will in Recife versuchen, eine Abwesende stellzuvertreten.
2.
Das Aktenbuch ist mit seinen Zeitschleifen, seinen zeitlichen Verhäkelungen auch eine Theorie der Geschichte, sowohl der Verwaltungsgeschichte als auch der Verfassungsgeschichte. Man muss nicht davon ausgehen, dass es in Gunther Teubners Sinne eine Medienverfassung gibt -um davon ausgehen zu können, dass das Verfassen eine juridische Kulturtechnik ist, die eine Geschichte hat und Vismann dazu Theorien anbieten kann. Ihr Buch über die Akten zieht anhand von Kulturtechniken, zum Beipspeil dem Cancellieren, eine Linie zwischen Verwalten und Verfassen. Sie unterscheidet beide, ich gehe davon aus: mit ihrem fünfachen Sinn für Linienzüge.
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Klo senior und Klo junior
1.
Auf den Spuren der Klossowskis, das heißt unter anderem: wir schauen uns das Haus und den Garten von Erich Klossowski in Sanary-sur-Mer an. Erich war eine Art Architekt, eine Art Schneider, eine Art Dramaturg. Klossowski hat nämlich gezeichnet, gemalt, montiert, Theaterbühnen dekoriert und nebenbei noch Pierre Klossowski und Balthasar (Balthus) gezeugt. Sanary-sur-mer ist nicht unbedingt ein Urlaubsort, das ist ein kleines Städtchen an der Küste, das über das hinaus, was alle kleinen Städtchen so haben, noch Strände hat. Im Grunde genommen wie Rio de Janeiro, nur wesentlich kleiner (denn Rio ist auch kein Urlaubsort sondern eine Großstadt, die hat, was Großstädte eben so haben und dazu noch Strände).
Reiche Leute aus Marseille haben in Sanary ihre Villa, das heißt das Haus vor den Toren der Stadt. Keine Superyachten, Segelboote ankern hier. Hier hatte Erich Klossowski so lange Zuflucht gefunden, bis auch der Ort durchkämmt und er interniert wurde. Monsieur Klo lebte hier mit Hilde Stieler, beide kehrten nach dem Krieg nach Sanary zurück, er starb hier 1949, sie 1965. Die Leute hier ehren ihr Andenken, denn durch sie habe ich das alles erst erfahren.
2.
Pierre Klossowski schreibt u.a. einen Kommentar zu Bachofen, das ist der Text: Kultische und mythische Ursprünge gewisser Sitten der römischen Damen. Friedrich Balke hat in mehreren Texten zu den Gesetzen der Gastfreundschaft (einem weiteren Buch von Klossowksi) Klossowskis Beiträge zur Bild- und Rechtswissenschaft kommentiert, Methode: Gute Kunst muss verbessert werden, scharfe Passagen müssen weiter geschärft werden, Dichtes muss verdichtet werden. Ein fulminanter Text in der Schriftenreihe von eikones ist zu einem Instantklassiker der jüngeren Beiträge so einer Bildrechtswissenschaft geworden. Klossowski schreibt frenchgerman legal theory, also gelehrte und unbeständige Rechtstheorie, die nicht unbedingt in den Dienst des Rechts gestellt wird.
Der Text über die römischen Damen ist, weil das ein Kommentar zu Bachofen ist, auch ein Beitrag dazu, wie Savigny mit seinen Arbeiten anderen den Kopf, offensichtlich mit bezaubernden Effekten, verdreht hat, denn Bachofen wurde bei Savigny ganz fiebrig. Die Ausschweifungen, von denen geschrieben wird, kreisen in den Schreibern weiter, auch so etwas ist einerseits Effekt einer umwegigen Lektüre, die dank und durch die Umwege eine technische Lektüre ist. Anderseits ist es auch ein Effekt des Nachlebens der Antike. Vielleicht ist das Nachleben der Antike technisch oder artifiziell. Auf jeden Fall ist im Mythos von Exzessen die Rede, von ausschweifenden römischen Damen, dann liest man davon bei Bachofen, dann auch bei Klossowski - und ihr Schreiben selbst wird ausschweifend.
3.
Da wo Schweife sind, wo etwas schweift, sei es nun ausschweifend oder weitschweifig, da beginnt das Feld der Meteorologie und, nach Dürer, der Melencolia (von demjenigen, das eine Welt im Rücken hat/ das eine Welt hat, die rückt und das insofern immer das hat, was ihm fehlt).
Der bildrechtswissenschaftliche Kern dieses Textes liegt in der Auseinandersetzung mit der Archäologie des Mythos und mit dem, was Klossowski ein simulakrum nennt. Ich möchte daran erinnern, dass Sitten auch Trachten und Trachten nicht nur folkloristische Kleidungstücke sind. Trachten sind auch Trakte, Träger oder Trajekten: Formen, die gezogen sind und durch die ein Zug geht, die darüber hinaus plastisch (also Körper) und bewegt sind, durch die damit auch eine Regung/ ein Regen geht. Die Sitten sind nicht einfach Verhaltensweisen, die idealerweise in satzförmigen Regeln zu fassen wären.
Die Archäologie des Mythos ist auch eine Archäologie des römischen Recht, Bachofen hat bei Savigny gelernt. Was Savigny ( z.B. in kurzen Pointen) anstösst, will Bachofen zu einem System ausbauen. So veröffentlicht er 1861 das Mutterrecht, das ein systematisches Buch sein soll (und eine der Geschichten entfaltet, mit denen aus Matriachaten Patriachate sich entwickelt haben sollen). Klossowski wiederum destilliert daraus Elemente, die scharfe Figuren für eine Bildrechtswissenschaft bringen. Neben dem Begriff des simulakrum sind das zum Beispiel Passagen zu 'Stadien' der Geschichte, die Klossowski mit Distanz zu den evolutionären Annahmen (so aber mit Affinität zu einem Formenkalkül) schildert. Was bei Bachofen drei evolutionäre Stadien der Geschichte sind, wird bei Klossowski als Form einer Schichtung (und als Schichten einer Form) lesbar, mit der sich das Dogma der großen Trennung entwickelt. Die Wesen werden in Stadien, in Schichten einer sedimentären Geschichte, Götter, anthropomorph und fangen an, die Geschlechter so zu teilen und zu übertragen (sich so zu reproduzieren), wie es in den Gesellschaften und Stadtstaaten die Menschen machen sollen. Klossowski arbeitet dabei eine Ambiguität heraus, die bei allen doppelgesichtigen Göttern ins Bild kommt und damit seit der Antike, besonders wieder im Humanismus, mit dem Janus, der Prudentia und der Iurisprudenz assoziiert wird. Klossowskis Schilderung legt die Idee nahe, dass diese Doppelgesichtigkeit eine Affinität zu der Stratifikation/ Schichtung hat, die in juridischer Kulturtechnik (Rhetorik), über die enge Verknüpfung zwischen den 'drei Stilen' und dem decorum hat. Das decorum soll sich in drei Stilen entfalten (entweder hoch oder niedrig oder in mittlerer Lage), hat in dem Sinne zwei ausschlagen Pole und ist damit Verarbeitung einer Verdoppelung, die ambigue, wendig und windig bleibt. Anders gesagt: die doppelten Gesichter des Janus, der Carne, der Cardea, der Prudentia und anderer römischer Wesen markiert unter anderem auch den Blick auf zwei Pole, die mit rhetorischen Institutionen konnotiert sind.
Simulakrum: Beitrag zur Geschichte und Theorie dessen, was u.a. auf einer internationalen Konferenz in Hongkong im Dezember als legal imagineries verhandelt wird.
Dazu ist sehr, sehr viel zu sagen und zu fragen, aber darum forschen wir auch am MPI für Rechtsgeschichte und Rechtstheorie auch die Bildrechtswissenschaft.
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Story of initiation/ Nachleben der Antike
1.
In der englischen und amerikanischen Literatur ist es vielleicht das Genre der Schullektüre schlechthin: Die sogenannte Story of Initiation. Das ist Literatur, die einführt und eingeführt wird. Wer das liest, so erzählt und zitiert Jesper Svenbro in seiner Archäologie des Lesens, die den Namen Ameisenwege trägt, wird in den Arsch gefickt. Das ist eine etwas subtile und ordinäre, durchaus auch pornographische Bescheibung für eindringliche Lektüre.
Die Amerikaner haben ein Talent für dieses Genre. Das muß man ihnen lassen. Sogar das Kino führt das regelmäßig vor, in diesem Jahr zum Beispiel mit The Holdovers, einem kleinen adventlichen Film zum Nachleben der Antike, in der Paul Giamatti eine gewisse Ähnlichkeit mit Aby Warburg hat.
Aby Warburgs Figur taucht natürlich zweimal in dem Film auf, zweimal als Vater derjenigen Figur, die sich allmählich als Protagonist der Geschichte entpuppt, einmal als der geistige Vater, ein Lehrer antiker Geschichte und einmal als schizoider Patient, der der leibliche Vater des Protagonisten ist. Der Titel des Films, The Holdovers meint die Überbleibsel oder Reste - und damit exakt dasjenige, das seit der Antike und von der Antike übrig ist.
2.
Für die Art und Weise, wie im amerikanischen Kino Glätte und Gerissenheit, Oberflächlichkeit und Abgründigkeit zusammengesetzt werden, liebe ich dieses Kino immer wieder, auch wenn es immer wieder scheint, jetzt sei es endgültig vorbei mit allem amerikanischem Glanz. Das republikanische Erbe können sie hochhalten, das muss man ihnen lassen. Das fantastisch geschriebene Drehbuch wird von Alexander Payne hochgelehrt und dezent in bewegte Bilder übersetzt, die Dramaturgie der Herauschälung und Zuspitzung liefert einen kanonisch einsetzbaren Lehrfilm ab. Der Film ist nichts als light and magic, wie es an einer entfernt an Anna Karenina erinnernden Stelle zu den dunklen Kammern antiker Überbleibsel heißt.
Giamatti hat in dem Film nicht nur Ähnlichkeit mit Aby Warburg, sondern auch mit Gunther Teubner, einem derjenigen, die ich gerne als meine Doktorväter verstehe. Das ist die gleiche Augenstellung, ohne die auch das Werk von Gunther Teubner meines Erachtens nicht anmessend begriffen und betrachtet werden kann. Der Blick tritt auseinander und zusammen, laufend verhält er sich wie eine Lunge kontrahierend und distrahierend oder wie ein Ei kullernd. Der Film schliesst für mich ein Jahr am MPI ab, für das ich dankbar bin.
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Das Nachleben der Antike
Gespenstergeschichte für ganz Erwachsene, für ganz Kindische, für durchweg halbjährige Leute, ob sie noch volljährig werden oder es bereits geworden waren.
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Mater et caput
Apropos Übersetzung: Die Lateranverträge heißen auf Italienisch patti lateranensi (wie Patti Smith, nur dass die Familie der Laterani keine Schmiede, dafür aber viele Immobilien hatte und dann enteignet wurde).
1.
Im Januar habe ich aus Anlass der im November anstehenden Reise nach Recife von unserer kleinen Forschungsgruppe zur Übersetzungen der Rhetorik berichtet. Die Gruppe ist informell organisiert, man kann das ein Netzwerk nennen.
Mich interessiert im Moment, noch im Zusammenhang mit dem Projekt zu Warburg, die Polarität rhetorischer Institutionen. Das heisst, dass ich mich dafür interessiere, was in rhetorischen Institutionen über Polarität geschrieben wird. Diese Frage ist unter anderem eine Frage nach dem decorum und nach juridischen Kulturtechniken, die mustern und stratifizieren (vgl. Bildregeln).
Das ist zweitens eine Frage nach der historisch wandernden Bedeutung zweier, leicht verwechselbarer Begriffe: energeia und enargeia. Kurz gesagt sind beide Begriffe auch Teile eines Diskurses zu Energien (Regungen?), die laden und geladen sein sollen, noch bevor Aby Warburg seine Vorstellungen zur Polarität auf die NaturWissenschaften des 19. Jahrhunderts einzustellen versucht.
2.
Die Fragen sind zwar Fragen danach, was in rhetorischen Institutionen zur Polarität geschrieben steht. Aber sie können nicht allein im Rückgriff auf schriftliche Zeugnisse und Begriffsgeschichte beantwortet werden, wenn man nicht den Begriff der Schrift zum einem Begriff der Graphien und Choreographien und den Begriff des Begriffes nicht zum einem Begriff fassender und erfassender oder tragender und trachtender Kulturtechnik erweitert.
Was in rhetorischen Institutionen geschrieben steht, also zum Beispiel bei Quinitilian, muss über Protokolle erschlossen werden, die Quintilians Schreiben erstens übersetzt haben und zweitens übersetzbar gehalten haben. Quintilian schreibt nämlich über das Sublime und das Subtile, über hohen und niedrigen Stil, in einer Stadt, die schon hügelig war und dabei höhere und niedere Stadtteile hatte, als er noch flach lag und in Windeln steckte. Die Säulen standen bereits in stratifizierter Ordnung, die Statuen der Götter, Nymphen und Satyre hatten und warfen schon Blicke, noch bevor sich der kleine Quintilian auch nur einmal in seiner Wiege umdrehen und ah oder oh sagen konnte. Autorinnen wie Nadia Koch rekonstruieren die Begriffe darum archäologisch aus den Objekten, die dem Schreiben vorlagen.
Quintilians Schreiben ist schon übersetzt, übersetzt Rom ins Schreiben, übersetzt pastoralen und urbanen Verkehr, sogar Segeln und Schifffahrt in Worte - und wird wieder in alles das übersetzt. Quintilians Schreiben kann archäologisch gelesen werden, weil Quinitilian schon archäologisch schreibt, also mit Brocken Roms Brocke Roms schreibt. MultipliCity ist keine Erfindung der Moderne, das ist ein Erinnerung daran, dass Recht und Stadt koextensiv sind, dass damit auch Grundbegriffe und gründliche Linien, allen imaginär und symbolisch voran das Wort Roma und seine gründlichen Züge durch das das pomerium koexistent und kooperativ sind.
Die Frage danach, was in rhetorischen Institutionen zur Polarität geschrieben steht, die geht in die Frage nach dem Nachleben der Antike über. Die rhetorische Lektüre definiere ich technisch als eine umwegige, umgeschlagene (involvierte und konvertierte) also selber schon technische Lektüre, die über antike Quellen führt. Den Begriff der rhetorischen Lektüre will ich insofern verengen, wie ich den Begriff der rhetorischen Institution verengen möchte. Nur die Lektüre, die Umwege über Rom und antike Referenzen macht, soll rhetorische Lektüre sein. Nur eine kleine Anzahl von Texten sollen rhetorische Institutionen sein: Quintilian gehört dazu, wie die Rhetorik, die dem Herennius geschrieben wurde, also als klamme Sendung oder Letter (nicht als Buch) konzipiert wurde. Ciceros Schreiben, Horaz' Schreiben: Die gehören auch sicher dazu.
Und das Nachleben der Antike? Auf den Zetteln meines Tumblr habe schon öfters die beiden Helmut Rahns erwähnt, den braven und nicht öffentlich polaren Übersetzer und den offen polaren, nämlich öffentlich fußballspielenden Helmut Rahn. Der brave Übersetzer hat aus Quintilian das gemacht, was Johann Joachim Winckelmann aus der Antike gemacht hat. Sprich: Dieser Rahn hat die rhetorische Institution edel, einfältig, still und groß gemacht. Der hat etwas extrapoliert. Die deutsche Version ist in einem sogar mehr als nietzeanischen Sinn ein Halbschreiben, das die Frivolität und das Satirische, die Muliplizität (das Urbane und das Pastorale!), das Laute/ Kreischende/ Nöselnde und das Kleine/ Mindere der rhetorischen Institutionen zwar nicht hat verschwinden lassen, aber so entfernt hat, dass es verstellt und die Wahrnehmung insofern sediert ist. Die deutsche Übersetzung ist nicht total einschläfernd, nur zur Hälfte, und zwar zu allem dem, was weder edel noch einfältig, weder still noch groß ist. Das schlummert im deutschen Text.
So übersetzt man in einigen Momenten und an einigen Orten decorum mit Angemessenheit, nicht mit Messung, Messe oder Missen, nicht mit Pass, Passion, Passieren oder Passage. Man muss nur mal lesen, was sich die Frankfurter Schule Abteilung Nichtbenjamin in den 1990' er Jahren unter einem Sinn für Angemessenheit vorstellt. Kaum das, was im Fußballstadion und bei Doktor Flotte abgeht Man denkt ans Musterhaft Habermasianische und bei Musterung kaum an die Censoren oder gar an Kreiswehrersatzämter. Dass Musterung etwas mit Blicken und Schirmen einer kriegerischen Stadt inklusive ihres Hafens, ihres Nachtlebens und inklusiver intensiver, hoher und niederer Milieus zu tun hat, das kann man übersehen. Aber wozu sollte man das tun? Der Asket macht aus der Tugend eine Not, man muss ja kein Asket sein.
Paene omnia decent, gegen Ende (beinahe) geht doch alles durch, das schreibt Quinitilian selbst, natürlich erst nahe beim Ende seiner Institutionen. Man muss mit den rhetorischen Institutionen machen, was Aby Warburg mit der Antike gemacht hat: Die Polarität protokollarisch und archäologisch wieder entfalten, statt sie einzuschläfern und schlummern zu lassen.
Die Polarität rhetorischer Institutionen ist ihre Meteorologie. Rhetorische Institutionen sind vorübergehend, ihre Elemente sind Details, die kommen und gehen, deren Erscheinung schwer berechenbar bis notorisch unkalkulierbar bleiben und deren Entfernung zwar gemessen werden kann. Die Maße rasten aber nicht ein, sie können nur limitiert anhalten, sind nur befristet parkbar, nur episodisch paradiesisch.
2.
Im Juni sammelt sich ein Teil der Gruppe um Ino Augsberg in Kiel. Ich schlage vor, einmal die Polarität der Institutionen zu diskutieren.
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Formen
Wir gehen im folgenden davon aus, dass Formen zügig und/ oder gezogen sind. Sie sind zügig/ gezogen und bilden als Form auch ein Trajekt. Sie haben Falten. Dass sie Falten haben, heißt auch, dass diesen Formen involviert ist, was sie hinter sich gelassen haben oder ausschließen sollen. In gewisser Hinsicht sind sie diplomatisch und tragen Entferntes mit. Die Grenzen der Form gehen mitten durch die Form, durch die Form kommt die Grenze vor; diese Grenzen sind Kreuzungen oder Versäumungen. Die Form sondert das Informelle nicht aus, ist vom Informellen nicht ausgesondert. Jenseits der Form findet man andere Formen. In der Form geht die Form nicht auf: sie kann von ihrer Negation und von ihrem Anderen durchzogen sein. Zügige und faltige Formen sind keine reinen Formen, das sind Formen, die in ihrer Präsenz und Gegenwart nicht aufgehen. Ihnen hängt etwas an, sie haben mehr als nur sich und sind mit sich nicht eins. Diese Formen sind keine ersten und keine letzten Dinge. Den Begriff der Fiktion und denjenigen der Vorstellung assoziieren wir eng mit dem Begriff zügiger, gefalteter Form. Dass Formen Einheiten bilden, das behaupten wir nicht. Wir behaupten, dass dasjenige, was wahrgenommen und/ oder kommuniziert wird Form ist.
Für die Rechtstheorie heißt das, das wir das positive Recht nicht mit der Form und den Rest der Normativität mit informeller Kultur oder informellen Institutionen identifizieren. Wo eine Norm ist, da ist eine Form. An jeder Passage oder Stelle, an der oder durch die Differenz operationalisiert wurde, da ist eine Norm und da ist eine Form. Die Beispiele für Formen, an die wir denken, entstammen der Mediengeschichte. Es gibt zwei ideale Beispiele: Letter und das Tafelbild (Tabula picta). Diese Beispiele dienen uns, weil sowohl Letter als auch Tafelbilder in ihrer Form entzweit bleiben, darum über zwei Schichten weiter beschrieben werden.
Die Reproduktion von Formen, von der Luhmann spricht, assoziieren wir mit einer Geschichte und Theorie des Nachlebens der Antike, das heißt gleichzeitig: mit einer Vorstellung von Archäologie, nach der der Mensch von Natur aus ein phantasiebegabtes und 'aufsitzendes' Wesen ist, das mit Illusionen eine ungewisse Zukunft hat, bis es stirbt. Dieses Wesen lebt in gewisser Hinsicht asymptomatisch, lebt zum Tode hin so, als ob es überleben würde. Wo dieses Wesen aufsitzt, da sitzt es den Formen auf, die wir u.a. für zügig/ gezogen und faltig halten. Es mag Formen geben, die beides nicht sind, die also nicht auch Zug sind oder Züge haben, die keine Falten haben und deren Grenzen damit nur eindeutig sind, sondern Grenzen sich auch nirgends wiederholen. In Bezug auf Wahrnehmung und Kommunikation gehen wir davon aus, dass man eine Form wahrnimmt - unter Wahrnehmung einer anderen Form und unter Wahrnehmung von etwas anderem als Form. Man kommuniziert Form - mit anderer Form und mit anderem als Form.
Es kursiert in Deutschland die These, mit der Form der Schrift und im Objekt des gedruckten Buches habe eine Umstellung von Bildern auf Begriffe stattgefunden. Das wird für die Religion und sogar für das Recht behauptet, in der Kombination aus religiöser und rechtlicher Vorstellung lässt sich schon erahnen, dass so etwas von Staatsrechtslehrern behauptet wird. Wir gehen von Verhältnissen aus, wo das Vethältnis zwischen Bild und Begriff als Ablösung nicht der Fall ist, wo aber Formen eingeführt werden, die auf Schrift und Buchdruck so blicken lassen, als ob sie Mündlichkeit und Bildlichkeit jeweils als ein Anderes hinter sich gelassen hätten. Die Form der Schrift kann Mündlichkeit und Bildlichkeit auf eine Rückseite schlagen, der Buchdruck kann als Form und als Medium Formen und Medien mittragen, die, obschon er sie mitträgt, dann andere Medien und Formen, sogar überwundene Medien und Formen seien sollen. So kann der Buchdruck das Dogma der großen Trennung tragen, wie etwa bei den Juristen, die behaupten, mit ihm habe gesellschaftlich eine Umstellung von Bildern auf Begriffe stattgefunden.
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