#rhetorische Institutionen
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Mater et caput
Apropos Übersetzung: Die Lateranverträge heißen auf Italienisch patti lateranensi (wie Patti Smith, nur dass die Familie der Laterani keine Schmiede, dafür aber viele Immobilien hatte und dann enteignet wurde).
1.
Im Januar habe ich aus Anlass der im November anstehenden Reise nach Recife von unserer kleinen Forschungsgruppe zur Übersetzungen der Rhetorik berichtet. Die Gruppe ist informell organisiert, man kann das ein Netzwerk nennen.
Mich interessiert im Moment, noch im Zusammenhang mit dem Projekt zu Warburg, die Polarität rhetorischer Institutionen. Das heisst, dass ich mich dafür interessiere, was in rhetorischen Institutionen über Polarität geschrieben wird. Diese Frage ist unter anderem eine Frage nach dem decorum und nach juridischen Kulturtechniken, die mustern und stratifizieren (vgl. Bildregeln).
Das ist zweitens eine Frage nach der historisch wandernden Bedeutung zweier, leicht verwechselbarer Begriffe: energeia und enargeia. Kurz gesagt sind beide Begriffe auch Teile eines Diskurses zu Energien (Regungen?), die laden und geladen sein sollen, noch bevor Aby Warburg seine Vorstellungen zur Polarität auf die NaturWissenschaften des 19. Jahrhunderts einzustellen versucht.
2.
Die Fragen sind zwar Fragen danach, was in rhetorischen Institutionen zur Polarität geschrieben steht. Aber sie können nicht allein im Rückgriff auf schriftliche Zeugnisse und Begriffsgeschichte beantwortet werden, wenn man nicht den Begriff der Schrift zum einem Begriff der Graphien und Choreographien und den Begriff des Begriffes nicht zum einem Begriff fassender und erfassender oder tragender und trachtender Kulturtechnik erweitert.
Was in rhetorischen Institutionen geschrieben steht, also zum Beispiel bei Quinitilian, muss über Protokolle erschlossen werden, die Quintilians Schreiben erstens übersetzt haben und zweitens übersetzbar gehalten haben. Quintilian schreibt nämlich über das Sublime und das Subtile, über hohen und niedrigen Stil, in einer Stadt, die schon hügelig war und dabei höhere und niedere Stadtteile hatte, als er noch flach lag und in Windeln steckte. Die Säulen standen bereits in stratifizierter Ordnung, die Statuen der Götter, Nymphen und Satyre hatten und warfen schon Blicke, noch bevor sich der kleine Quintilian auch nur einmal in seiner Wiege umdrehen und ah oder oh sagen konnte. Autorinnen wie Nadia Koch rekonstruieren die Begriffe darum archäologisch aus den Objekten, die dem Schreiben vorlagen.
Quintilians Schreiben ist schon übersetzt, übersetzt Rom ins Schreiben, übersetzt pastoralen und urbanen Verkehr, sogar Segeln und Schifffahrt in Worte - und wird wieder in alles das übersetzt. Quintilians Schreiben kann archäologisch gelesen werden, weil Quinitilian schon archäologisch schreibt, also mit Brocken Roms Brocke Roms schreibt. MultipliCity ist keine Erfindung der Moderne, das ist ein Erinnerung daran, dass Recht und Stadt koextensiv sind, dass damit auch Grundbegriffe und gründliche Linien, allen imaginär und symbolisch voran das Wort Roma und seine gründlichen Züge durch das das pomerium koexistent und kooperativ sind.
Die Frage danach, was in rhetorischen Institutionen zur Polarität geschrieben steht, die geht in die Frage nach dem Nachleben der Antike über. Die rhetorische Lektüre definiere ich technisch als eine umwegige, umgeschlagene (involvierte und konvertierte) also selber schon technische Lektüre, die über antike Quellen führt. Den Begriff der rhetorischen Lektüre will ich insofern verengen, wie ich den Begriff der rhetorischen Institution verengen möchte. Nur die Lektüre, die Umwege über Rom und antike Referenzen macht, soll rhetorische Lektüre sein. Nur eine kleine Anzahl von Texten sollen rhetorische Institutionen sein: Quintilian gehört dazu, wie die Rhetorik, die dem Herennius geschrieben wurde, also als klamme Sendung oder Letter (nicht als Buch) konzipiert wurde. Ciceros Schreiben, Horaz' Schreiben: Die gehören auch sicher dazu.
Und das Nachleben der Antike? Auf den Zetteln meines Tumblr habe schon öfters die beiden Helmut Rahns erwähnt, den braven und nicht öffentlich polaren Übersetzer und den offen polaren, nämlich öffentlich fußballspielenden Helmut Rahn. Der brave Übersetzer hat aus Quintilian das gemacht, was Johann Joachim Winckelmann aus der Antike gemacht hat. Sprich: Dieser Rahn hat die rhetorische Institution edel, einfältig, still und groß gemacht. Der hat etwas extrapoliert. Die deutsche Version ist in einem sogar mehr als nietzeanischen Sinn ein Halbschreiben, das die Frivolität und das Satirische, die Muliplizität (das Urbane und das Pastorale!), das Laute/ Kreischende/ Nöselnde und das Kleine/ Mindere der rhetorischen Institutionen zwar nicht hat verschwinden lassen, aber so entfernt hat, dass es verstellt und die Wahrnehmung insofern sediert ist. Die deutsche Übersetzung ist nicht total einschläfernd, nur zur Hälfte, und zwar zu allem dem, was weder edel noch einfältig, weder still noch groß ist. Das schlummert im deutschen Text.
So übersetzt man in einigen Momenten und an einigen Orten decorum mit Angemessenheit, nicht mit Messung, Messe oder Missen, nicht mit Pass, Passion, Passieren oder Passage. Man muss nur mal lesen, was sich die Frankfurter Schule Abteilung Nichtbenjamin in den 1990' er Jahren unter einem Sinn für Angemessenheit vorstellt. Kaum das, was im Fußballstadion und bei Doktor Flotte abgeht Man denkt ans Musterhaft Habermasianische und bei Musterung kaum an die Censoren oder gar an Kreiswehrersatzämter. Dass Musterung etwas mit Blicken und Schirmen einer kriegerischen Stadt inklusive ihres Hafens, ihres Nachtlebens und inklusiver intensiver, hoher und niederer Milieus zu tun hat, das kann man übersehen. Aber wozu sollte man das tun? Der Asket macht aus der Tugend eine Not, man muss ja kein Asket sein.
Paene omnia decent, gegen Ende (beinahe) geht doch alles durch, das schreibt Quinitilian selbst, natürlich erst nahe beim Ende seiner Institutionen. Man muss mit den rhetorischen Institutionen machen, was Aby Warburg mit der Antike gemacht hat: Die Polarität protokollarisch und archäologisch wieder entfalten, statt sie einzuschläfern und schlummern zu lassen.
Die Polarität rhetorischer Institutionen ist ihre Meteorologie. Rhetorische Institutionen sind vorübergehend, ihre Elemente sind Details, die kommen und gehen, deren Erscheinung schwer berechenbar bis notorisch unkalkulierbar bleiben und deren Entfernung zwar gemessen werden kann. Die Maße rasten aber nicht ein, sie können nur limitiert anhalten, sind nur befristet parkbar, nur episodisch paradiesisch.
2.
Im Juni sammelt sich ein Teil der Gruppe um Ino Augsberg in Kiel. Ich schlage vor, einmal die Polarität der Institutionen zu diskutieren.
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On Jupiter
Jupiter, so heißt es, sei der phobische Körper schlechthin. Er kann der klamme Körper mit den engsten Stellen schlechthin sein. Dennoch, eventuell gerade deswegen, ist er ein unruhiger, unbeständiger Körper. Es ist möglich, dass er fröhlich ist. Er kreist elliptisch, fliehend und fallend, elliptisch auch im Sinne rhetorischer Institutionen, also juridischer Kulturtechnik. Er wirbelt, windet und tost, auch im Sinne juristischer Institutionen, nämlich im Sinne von Gaius' Deutung der venditio, und im Sinne von Institutionen der Renaissance, nämlich in Petrarcas Deutung des Mont Ventoux.
Jupiter Planet
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Verführung
Zusammenfassung “Der Zerfall der Demokratie” von Yascha Mounk Populismus ist populäre geworden. Ein Politikstil, der sich über Identität, Gemeinschaft durch Ausgrenzung (Stammesdenken), definiert. Über konstruierte Feindbilder. Der Politikstil diskutiert, wer zur Gemeinschaft gehört und wer nicht. Spaltend wertend “wir” und “die anderen”. Das scheint das wichtigste Stilmittel des Populismus zu sein. Was auch ins Extreme rutschen kann. Was will dieser Politikstil behaupten? Sich als Fürsprecher des “Volkes” stilisieren, als zuverlässiges Sprachrohr. Alle anderen sind Verräter (sind korrupt - diese Behauptung trifft nicht selten genau umgekehrt zu). Die Populisten wollen entmachten, um dann die Macht - ganz ungehindert und überhaupt nicht mehr für irgendwen, schon gar nicht für “das Volk” - sondern, nicht selten, nur noch für sich - als Diktator.
Mit einfachen Einsatzantworten oder Behauptungen wird das gebetsmühlenartig wiederholt, zitiert. Es prägt und brennt sich ein. Läuft die Timeline hoch und runter. Wird geliket, geshared. Bis es mehr “wahr” wird? Die Wählerinnen sollen es glauben (Parteien-Werbung als Mogelpackung).
Trump: “Ich bin eure Stimme.” Erdogan: “Wir sind das Volk. Wer seid ihr?” Marie le Penn: “au nom du peuple” - “Im Namen des Volkes” Norbert Hofer: “Sie haben eben die Haute-Volée. Wir haben das Volk” (zu Alexander van der Bellen) AFD 2017: “Burkas? Wir stehen auf Bikini. Deutschland, trau dich.” Interessant: Der Frauenkörper wird als Objekt und “Ware” der Verfügbarkeit stilisiert. An deren Oberfläche wird, über die Kleidung, die Religionszugehörig bewertet, die Spaltung “wir” und die “anderen” festgemacht. Ordensschwestern, Mönche und Nonnen sind ausgenommen...) “Der Islam passt nicht zu unserer Küche” (Ferkelmotiv), “Direktdemokratisch, wie in der Schweiz” > Vorsicht, vorher Stimmung machen und dann: Brexit oder Grundlagen der Religionsfreiheit verbieten (Schweizer Minaretteverbot). Verführen (ausgrenzen) mit den Mitteln der Demokratie. Was nicht zu Diskussion steht: Verfassung, Menschenrechte, Menschenwürde, Religionsfreiheit, Meinungs-und Pressefreiheit. Eine liberale und repräsentative Demokratie definiert sich darüber, wie sie mit Minderheiten umgeht.
Mit den Wahlslogans beanspruchen diese Partien (und definieren) ein “moralisches Monopol der authentischen Repräsentation” für sich. Dieses Monopol hat eine lange und blutige Geschichte . Diese rhetorische Masche wirkt bis heute. Die Wut der Populisten richtet sich gegen ethnische oder religiöse Gruppen, die für sie nicht zum “wahren Volk” gehören. An die politische Macht gekommen, richtet sich ihr Zorn auf sämtliche formelle wie informelle Institutionen, die den Anspruch der Populisten auf das moralische Monopol der Repräsentation in Frage stellen.
Nachtrag. UK - “Let’s take back control again.” (alte Größe, schwelgen in Great Empire, was für viele nie bzw. “weniger” weg gewünscht war. Und die “Normalisierung” Englands in der Union schien eine Art Kränkung für viele Briten gewesen zu sein. Kontrollieren, herrschen, im Sinne das alten Britischen Weltreiches der größten Kolonialmacht, scheint ein verlorener Trumpf zu sein, dem wohl immer noch nachgetrauert wird)
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Debug oder: Die soziologische Entzauberung der Black Box
Armin Nassehi ist der homo ludens der Soziologie. Rasend intelligent, aufs Blut provokativ, rhetorisch ein Genuss. Berechenbar ist er nur in seiner Unberechenbarkeit. Mit ”Muster« hat er nun das Buch geschrieben, dass uns nicht nur die digitalisierte Moderne, sondern auch die Wirkung der immer wechselnden Gadgets erklärt. Wenn die gesammelte Academia die Gründe eines gesellschaftlichen Problems analysiert und benennt, so muss man nicht lange darauf warten, dass Nassehi seine entgegengesetzte Meinung kundtut. Selten weiß man, ob er nun seine Meinung kundtut oder dem Publikum vorführt, welche Möglichkeiten des Denkens ihm eigentlich offenstehen. Zurück bleiben die Fragen: Was meint Nassehi ernst? Und: Wie ernst meint Nassehi es? Nassehi ist nicht nur public intellectual, sondern auch ein soziologisches Schwergewicht. Einer, den die Deutsche Gesellschaft für Soziologie erst vor zwei Jahren für seine »herausragende Leistungen auf dem Gebiet der öffentlichen Wirksamkeit der Soziologie« auszeichnete. Seit 1998 hat er einen Lehrstuhl für Soziologie an der Universität München inne, wo er sich mit Problemen der Kultur- und Religionssoziologie, Wissens- und Wissenschaftssoziologie und der Politischen Soziologie beschäftigt. Seine Art, Soziologie zu betreiben, schließt an die Systemtheorie von Niklas Luhmann an, was sich auch in seinem j��ngsten Buch »Muster« niederschlägt. »Muster« war für mich der Topfavorit für den Sachbuchpreis der Leipziger Buchmesse. Dass es diesen Preis nicht erhielt, lag an dem ebenso guten Werk »Krebs fühlen. Eine Emotionsgeschichte des 20. Jahrhunderts« von Bettina Hitzer, das in der Zeit einer um sich greifenden Corona-Krise wohl das aktuellere war. Mit »Muster« verarbeitete Nassehi – und der Untertitel »Theorie der digitalen Gesellschaft« verrät es – ein zeitloses wie aktuelles Thema: die Digitalisierung. Warum war die Digitalisierung so erfolgreich? Warum haben wir Menschen uns so schnell auf diese Technologie eingelassen? Warum konnte sich Digitalisierung so gut, so tief und so selbstverständlich in unser Alltagsleben integrieren? Das sind die einfachen Ausgangsfragen des Münchner Soziologen. Oder mit seinen Worten: »Für welches Problem ist die Digitalisierung eine Lösung?« Nassehis Antwort lautet, dass die Digitalisierung nicht als Fremdkörper eindrang oder sich von außen an die Moderne heranpirschte. Im Gegenteil, Digitalisierung gehörte vielmehr schon immer zum Wesen moderner Gesellschaften. Nassehi bricht mit dieser Erklärung – und das ist die Stärke seines Buches – den Mythos, die Digitalisierung habe eine in sich geordnete und bestens funktionierende analoge Welt zerstört. Fremd- und Selbstbeobachtung, Selftracking und Selbstoptimierung sind inhärente Bestandteile moderner Gesellschaften, lediglich die Gadgets haben sich verändert. Nach »Muster« war die gesellschaftliche Moderne immer schon digital, weil »Digitaltechnik letztlich nur die logische Konsequenz einer in ihrer Grundstruktur digital gebauten Gesellschaft ist«. Zwei Merkmale stellen das Wesen der Moderne dar: ihre Digitalität und ihre Komplexität. Sie sind konstitutiv für und strukturell in die Moderne eingewoben. Auf diese Komplexität bezieht sich Digitalisierung, die Regelmäßigkeit der Gesellschaft selbst ist ihr Bezugsproblem. Die Moderne war und ist stets auf der Suche nach Ordnung durch Kennzahlen, Quantitäten, Mustern. Nassehi widerspricht der Vorstellung, dass Modernisierung den Verlust von Ordnung darstellt, im Gegenteil, Modernisierung weist auf Ordnung/Ordnungen hin, sie bildet Ordnung/Ordnungen.
Digitalität ermöglicht Ordnungen erstmalig und neu zu erkennen | Photo by panumas nikhomkhai from Pexels Die Digitale Revolution als gesellschaftliches Phänomen der Moderne ist somit eine Revolution der gesellschaftlichen Komplexität selbst. So sei die vormoderne Gesellschaft in Hierarchien – oben, unten – geschichtet. Moderne Gesellschaften sind geordnet nach – wie Nassehi es im systemtheoretischen Sprech nennt – sachorientierten Funktionen wie Politik, Ökonomie, Recht, Wissenschaft, Medien, Medizin, Erziehung/Bildung und anderen. Die Moderne ist also, so Nassehi, nicht das Ende einer Ordnung. Digitalität ermöglicht nun, diese Ordnungen erstmalig und neu zu entdecken und zu erkennen. Diese neue Gesellschaft entdeckt – und hier ist ein Verweis auf die Soziologie als wissenschaftliche Wegbereiterin zur Entdeckung enthalten – sich in drei Phasen. Im 18. und 19. Jahrhundert rund um die Französische Revolution erkennt sie, dass Zukunft nicht die Fortschreibung der Gegenwart ist, sondern ein gesellschaftlicher Auftrag, das Neue zu schaffen. Sie generiert neuartige Ordnungen mit neuen Rechten und arrangiert neue Institutionen für den neuen Nationalstaat mit einem neuen Volk. Vor lauter Wunschdenken, das Neue zu gestalten, gab es aber damals auch die Erfahrung von struktureller Trägheit. Residuen des Gestern bleiben, sie weichen dem Neuen nicht. Diese Erfahrung gilt auch für die nächste Phase im 20. Jahrhundert, die die sozialen Liberalisierungen und gesellschaftlichen Pluralisierungen entdeckt. Gesellschaftliche Inklusion und soziale Mobilität, plurale Lebensformen und Demokratisierung der Öffentlichkeit haben die Welt neu kombiniert, haben der Welt neue Muster gegeben. Bei allen Reformen und Veränderungen gilt auch für das 20. Jahrhundert die Feststellung, dass gesellschaftliche Strukturen nicht so leicht zu verändern waren, wie man es erwartet hatte. Nun aber steht mit der digitalen Entdeckung die dritte – und »vielleicht sogar endgültige« – Entdeckung der Gesellschaft bevor. Für alle Entdeckungen der Gesellschaft gilt die Beobachtungen, dass sie veränderlich wie veränderungsresistent sind. Leider geht Nassehi nicht darauf ein, inwieweit digitale Gesellschaften träge sind und Residuen des Gestern weitertragen. Klar geworden sein muss, dass es für Nassehi bei den Entdeckungen moderner Gesellschaften eine enge Verschränkung mit der Soziologie beziehungsweise ihren protowissenschaftlichen Vorläuferinnen gibt. Schaffung, Planung und Steuerung von Gesellschaften bedürfen grundlegender Daten und ihrer Interpretation. »Die Zentralisierung von Herrschaft in Nationalstaaten, die Stadtplanung und der Betrieb von Städten, der Bedarf für die schnelle Bereitstellung von Waren für eine abstrakte Anzahl von Betrieben, Verbrauchern und Städten/Regionen hat die Datenverarbeitung hervorgebracht.« Daten – analoge wie digitale – und die Fähigkeiten, sie zu verarbeiten sind die Bausteine dessen, was Nassehi mit Verdoppelungen bezeichnet. So legt er den Beginn der Digitalisierung der Gesellschaft auf die Frühzeit der Moderne, just zu dem Moment, als der Buchdruck eine neue, mechanisierte, vervielfältigbare Form der Schriftlichkeit und damit die Voraussetzung schafft, sich wie ein Netz über die gesellschaftlichen Praktiken zu legt und damit eine zweite Realität zu erzeugen, die in einem Wechselspiel ineinander eingreifen. Realität verdoppelt sich. Verdoppelungen werden damit selbst zum Teil der Gesellschaft. Der Geist der Kybernetik entsteht dann, als Schriftlichkeit sich wie ein zweiter Layer über die Welt legt als »Kosmos einer geschriebenen Welt«. Im Gegensatz zu einer frühmodernen Konfiguration befinden sich in unserer modernen und funktional differenzierten Gesellschaft unterschiedliche Verdoppelungen nebeneinander: Verdoppelungen für die Ökonomie, die Politik, die Kultur, das Recht, die Wissenschaft oder die Religion. Klar ist: »Daten verdoppeln die Welt, enthalten sie aber nicht.« Seit dem Beginn der frühmodernen Medienrevolution wird die Welt in Datenform übersetzt, seit dem 19. Jahrhundert wird unter diesen Datenpunkten nach Mustern gesucht, um Unsichtbares sichtbar zu machen. Moderne Digitaltechnik ist sogar in der Lage, nicht nur angenommenes Unsichtbares sichtbar zu machen, sondern gar unknown unknowns zu destillieren und an die Öffentlichkeit zu bringen. Eine wesentliche Rolle für diese Entdeckungen spielt die Einfachheit digitaler Daten. Für den Autoren ist diese Einfachheit der Daten der Schlüssel für ihre Wirksamkeit. Es ist vor allem ihre binäre Codierung, die eine unglaubliche Anzahl von operativen Möglichkeiten schafft. Die radikale Reduktion auf eine Zeichenfolge lässt diese Potenz(ierungen) zu. Oder in den Worten Nassehis: »Daten sind zugleich grenzenlos in ihren Möglichkeiten, aber radikal begrenzt auf sich selbst. Ihre Offenheit ist eine Funktion ihrer Geschlossenheit. Sie kennen nicht die Welt, sondern nur sich selbst, und verdoppeln die Welt doch mit dem, was sie tun.« Was noch geleistet werden muss, ist die Übersetzung der Daten in Fragen und Antworten. Hier greift das Werk der Computertechnologie, die die Komplexität der gesellschaftlichen Moderne sichtbar macht. Eine Technologie – dies sei in Klammern, aber in Fortführung der Antwort auf die Frage, warum Digitalisierung so erfolgreich werden konnte –, die als Black Box, als Wundermaschine ihre Arbeit macht. Dass Technik funktioniert, ist ihr unschätzbarer Vorteil, darauf verweist Nassehi immer wieder. Technische und gesellschaftliche Zweifel am Digitalen, so die Beobachtung von Nassehi, lösen sich immer dann auf, wenn sich die Digitaltechnik als Technik auch praktisch bewährt. Und das tut sie. »Gerade weil sie sich geradezu nahtlos in die gesellschaftliche Funktionsweise einfügt, erscheint sie spätestens dann, wenn sie in ihren konkreten Anwendungsgebieten funktioniert, nicht mehr als fremd, sondern kommt der Praxis der Gesellschaft selbst entgegen.«
»Daten kennen nicht die Welt, sondern nur sich selbst« | Photo by Bradley Hook from Pexels Diese Digitaltechnik ist in der Lage, die Welt in Daten zu repräsentieren, um Muster und Strukturen zu erkennen, die mit bloßem Auge und den Wahrnehmungs- und Rechenkapazitäten des natürlichen Bewusstseins nicht erfasst werden können. Laut Nassehi haben die qualitativen Veränderungen gesellschaftlicher Komplexitätslagen erhöhte Berechnungen bedurft. Die Vermessung der Gesellschaft ist keine quantitative Aufgabe, sondern eine qualitative. Dies ist die Geburtsstunde der Soziologie. Somit ist auch die die Digitalisierung weniger ein soziales als vielmehr ein soziologisches Phänomen. »Eine Soziologie der Digitalisierung ist genau genommen eine Soziologie der Soziologie, denn die Fragen, die sich als digitale Fragen stellen, sind soziologischen Fragen unmittelbar verwandt.« Und so ist das abschließende Kapitel – vom Münchner Soziologen im Digitalisierungssprech »Debug« genannt – mit »Die Wiedergeburt der Soziologie aus dem Geist der Digitalisierung« überschrieben. Neben der Entwicklung und Verdeutlichung seiner Thesen streut Armin Nassehi noch die eine oder andere Trouvaille in seine Studie. Seine Ein- und Auslassung über Privatheit – Privatheit 1.0 vs. Privatheit 2.0 – lassen die Beobachtungsgabe und den feinen Humor des Soziologen immer wieder durchscheinen: »Oft wird der Verlust von etwas beklagt oder etwas zu retten versucht, das es so nie gab.« Hier sind sie dann doch zu finden, die Residuen des Gestrigen.
Armin Nassehi: Muster. Theorie der digitalen Gesellschaft. Verlag C.H. Beck 2019. 352 Seiten. 26,- Euro. Hier bestellen Wie Nassehi den französischen Ethnologen und Strukturalisten Claude Lévi-Strauss in seine Deutungen einarbeitet, um die Dysfunktionalitäten einiger User auf dem politischen rechten Rand zu erklären, ist brillant. Lévi-Strauss hatte einst kalte und heiße Gesellschaften voneinander unterschieden. Die erste verwendet ihre Energie darauf, den Status quo zu erhalten. Die zweite hingegen ist wachstumsorientiert, strebt nach dem Neuen und gibt sich mit dem Status quo nicht zufrieden. Den Unterschied zwischen heißen und überhitzten Gesellschaften verdeutlicht Nassehi folgendermaßen: »Heiße Gesellschaften lernen systematisch, überhitzte Gesellschaften lernen nicht, sondern kollabieren an der eigenen Dynamik.« Trotz der schlichten und gerade deswegen intellektuell so beeindruckenden Ausgangsfrage und trotz der Brillanz, wie Nassehi sie beantwortet, bleiben ein, zwei Kritikpunkte am Ende stehen. Da erinnert mich Armin Nassehi an die Art, wie Carl Schmitt schriebt. Jeder Satz für sich ist klar. Aneinander gereiht verunklaren sie. Dies mag der soziologischen Herkunft Nassehis von der Systemtheorie geschuldet sein, die eine eigene Sprache und dadurch einen hermetischen Zugang geschaffen hat. Systemtheorie hat mir immer wieder neue, andere Blicke auf die Gesellschaft mit großem Erkenntnisgewinn ermöglicht. Dass sie für mich, der leider kein Experte für Systemtheorie ist, immer allzu mechanistisch, wenig menschlich operiert, sei nur kurz erwähnt. Aber auch für Nicht-Systemtheoretiker liegt die wahre Stärke Nassehis darin, dass er uns vor zu viel Naivität schützt. Wie er im Stile von Helmuth Plessner unsere kleingeistigen Hoffnungen auf klare, einfache Gesellschaften, die Hoffnung, eine Gesellschaft zusammenzuführen, beiseite streift und auf die Grenzen der Gemeinschaft verweist, das ist großer intellektueller Sport. Dafür hat sich die Lektüre allemal gelohnt. Read the full article
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Vorzeitennotiz
1.
Das Anthropozän ist das Polyesterozän und das Kohlenhydratozän, ein aufwirbelndes und umgrabendes Carbonozän. Anders gesagt und jetzt scharf definiert: Antropozän ist, wenn zweibeinig laufende und zweihändig begreifende Kohlenstoffverbindungen alle anderen Kohlenstofferbindungen total durcheinanderbringen. Seit den Inventionen des schwedischen Forschers Jöns Jakobs Berzelius (a B-Narrator) nennen wir das einen organischen Vorgang und wollen alles Vorteilhafte daran als Leben und alles Nachteilhafte daran als Tod verstehen. Seit dem wird auch die organische Chemie von der anorganischen Chemie unterschieden, das ist richtig so und soll so gemacht werden. Man soll auch die Chemie von der Physik und die natürlichen Scheidekünste von den juristischen Scheidekünsten unterscheiden, weil sonst noch was durcheinander kommt.
Früher war nicht nur mehr Lametta, sondern auch weniger Unordnung im Ganzen, nur den Steinen war das egal. Man soll nicht definieren, um Probleme zu entsorgen, man soll definieren, um Probleme scharf zu stellen und damit händelbar zu machen. Im Umgang mit problematischen Kohlenhydraten und Kohlenstoffverbindungen könnte der Mensch das problematischste Kohlenhydrat oder die schädlichste Kohlenstoffassoziation sein, man sollte überlegen, wie man seine Erfolge limitiert, das könnte seinen Wert steigern. Der Mensch hat selbst einen anthropologischen Geiz, spart also daran und dabei, seine Eigenschaften auf das Ganze der Gattung zu verteilen. Quasi die Hälfte der Menschen gilt als unmenschlich, ihr angehörende Leute als Tiere, Bestien oder ein Haufen Scheiße. Damit könnte man arbeiten, sollte das aber sorgsam und sorgfältig tun.
2.
Die Leute waren früher nicht reicher, sie trugen weniger Polyester und aßen weniger süße und salzige Kohlenhydrate. Die alten Fotos aus Recife machen mich fertig, das macht nervös zu sehen, wie die jeweiligen Unterschichten, die immer irgendwo am Rande der Bilder auftauchen, 1960 aussahen und wie sie heute in dieser Stadt aussehen. Oben im Bild sieht man ausnahmsweise keine Unterschicht im Zentrum von Recife, aber percaico postet fleissig aus dem Archiv - und oft sieht man dann die Unterschichten aus einer Zeit, die noch nicht mit Polyester und Zucker geflutet war. So, wie Arbeitssklaven 1960 aussahen, sehen heute smarte Anwälte im Urlaub in Recife aus. Ich will nicht zynisch sein, aber etwas irritiert mich und lässt mir etwas entgleiten. Etwas stimmt nicht. Etwas ist rotten und das könnten die Kohlenstoffverbindungen sein.
Die Kohlenhydrate, die Kohlenstoffverbindungen, das Karbon: nicht nur weniger Autos verbrauchten was davon, die Leute aßen auch weniger davon und trugen weniger davon. Man spricht heute von der großen Anreicherung und von der großen Bereicherung. Great enrichment ist ein Begriff, den Deirdre McCloskey auf eine Weise geprägt hat, dass man nicht weiß, ob man beleidigt sein, ein schlechtes Gewissen haben oder erleichtert lächeln soll. Dass man davon mehr oder weniger mitbekommen haben soll, kann einem diese Entscheidung nämlich nicht abnehmen.
2.
Schichten sind verschachtelt. Nicht nur das decorum stratifiziert und skaliert auf eine verschachtelte Weise. Luhmann hat einmal gesagt, dass man nur in Schichten von Schichten sprechen können.
Die rhetorische Ausprägung der Stratifikation und Skalierung wird in den Manualen und Institutionen mit drei Werten versehen, einem unteren, mittleren und oberen Wert, zum Beispiel mit dem Subtilen, dem Medium und dem Sublimen. Das sind drei Schichten des decorum und decorum ist insofern eine nomen actionis für Skalierung, Stratifikation und Musterung. Mit dem decorum wird in juridischen Kulturtechniken z.B. unterschieden, geschichtet und gemustert.
Aber auf jeder Schicht klappt die Musterung durchgehend und sozusagen vollständig, auch durchgehend und vollständig auf. Das heißt, dass sich auf jeder Schicht wieder drei Schichten finden. In der Unterschicht gibt es auch wieder eine Unterschicht, eine Mittelschicht und eine Oberschicht und so weiter und so fort.
Das französische Rokoko mit seinen feuchtwarmen und lichtarmen Muschelgrotten (architektonisch betrachtet sind das Petrischalen des Venerischen) und den zaunpfahlartig winkenden bockfüßigen Satyren davor sowie die kleberschnüffelnden und unterernährten Zombies in den Mangrovensümpfen von Recife sind auf solche Weise bemessen: Das Rokoko ist der niedrige Stil am höchsten Hof; die kleberschnüffelnden Zombies sind die Unterschicht der Unterschicht, im Ranking stehen sie noch unter den crackabhängigen Prostituierten, die eine Mittelschicht im Sumpf bilden und den Freiern und Dealern, die dort die Oberschicht bilden. Auf jeder Schicht wiederholt sich die ganze Musterung (unter den Dealern gibt es auf erkennbare Weise untere, mittlere und obere), das kann man nicht nur als Verschachtelung begreifen.
Es ist Schalenbildung, von mir aus sogar Eierschalenbildung, weil jede Schicht an ihrem Rand und im Kreisen zwar eine Spannung aufbaut, die ein Durchbrechen der Schicht erschwert, aber alles weitere dennoch eiern und kreisen lässt. Obwohl eine Schicht nicht eins ist, obschon die uneins ist und nicht nur Pack und Pack sich schlägt, hält die Verschachtelung und die Verschalung Schichten zusammen und Schichten auseinander. Graphisch stelle ich mir das wie jene Verschachtelung vor, die Aby Warburg als Tafel B im Atlas, also im Schema der Unterscheidung zwischen Mikro- und Makrokosmos vorführt.
Trólebus Ônibus Elétrico, N° 030, Linha 18 Bairro de Campo Grande, Circulando no Centro do Recife - Década de 1960.
Photo Wilson Carneiro da Cunha.
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Wir sind die Guten!
Die Monopolkommission der Bundesregierung hat sich in ihrem aktuellen Hauptgutachten, das sie im Juli 2014 vorstellte, auch mit der Kinder- und Jugendhilfe beschäftigt. Bereits in 1996/97 hatte die Kommission die Verschränkung der freien Wohlfahrtspflege mit dem sozialen Versicherungssystem als „bilaterales Kartell“ beschrieben.
An dieser Diagnose hat sich in den vergangenen knapp 20 Jahren offensichtlich wenig geändert. So fasst die Monopolkommission im aktuellen Gutachten zusammen:
„Privilegien weniger großer etablierter Anbieter wie der Liga der Spitzenverbände zulasten Dritter be- oder gar verhindern den Wettbewerb.“
Die dargestellten Wettbewerbsverzerrungen widersprechen laut Monopolkommission zentralen Vorgaben der Kinder- und Jugendhilfe:
„Anbieter im Arbeitsbereich der Kinder- und Jugendhilfe dürfen nicht diskriminiert werden (Freiheit auf Anbieterseite), und den Leistungsberechtigten als primären Nachfragern muss ein möglichst vielfältiges, bedarfsgerechtes Angebot zur Verfügung stehen (Freiheit auf Nachfragerseite).“
Soweit die Monopolkommission.
Wer zu diesen allgemein gehaltenen Aussagen konkrete Anschauung benötigt, kann einen der vielen neuen Sozialunternehmer im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe befragen, die in den letzten Jahren versucht haben, mit innovativen und oftmals nachweislich wirksamen Lösungsansätzen öffentliche Förderung einzuwerben. Natürlich drängt sich hier die Frage auf, wie es angehen kann, dass Mitglieder von Wohlfahrtsverbänden oder – wie von der Monopolkommission dokumentiert – die Wohlfahrtsverbände selbst offensichtlich immer wieder gegen die (Freiheits-)Interessen unser aller Wohlfahrt handeln können, ohne dass dem (insbesondere aus den eigenen Reihen) Einhalt geboten wird?
Institutionen, gleich ob privatwirtschaftlich geführt oder öffentlich gefördert, sind grundsätzlich an ihrem Fortbestand interessiert. Dies gilt natürlich auch für Einrichtungen der freien Wohlfahrt. Sich gegen Wettbewerber zu verteidigen, ist ein natürlicher, legitimer Reflex, der ein wertvoller Treiber für die Entwicklung neuer Lösungen ist. Mit Innovationen punkten lässt sich allerdings nur in einem funktionierenden Markt, der Innovationen auch honoriert. Wer sich dagegen erfolgreich in Kartellen organisiert, setzt den Markt außer Kraft und unterbindet damit automatisch die Entwicklung außergewöhnlicher und eventuell überraschender Lösungen.
Im Unterschied zur „freien“ Wirtschaft haben wir es im sozialen Sektor vorwiegend mit Einrichtungen zu tun, die sich nicht nur „Wohlfahrt“ nennen, sondern sich der allgemeinen Wohlfahrt auch glaubhaft verpflichtet fühlen. Wie also können diese es vor sich und ihrem gemeinwohlorientierten Anspruch rechtfertigen, produktive Marktkräfte außer Kraft zu setzen?
Vielleicht weil „Markt“ in diesem Feld ohnehin nichts zu suchen hat? Weil die nichtsoziale Marktwirtschaft doch genau die Ungerechtigkeiten und Nöte produziert, die zu lindern die Wohlfahrt angetreten ist? Weil die Wohlfahrt, maßgeblich geprägt von Caritas und Diakonie, per se die Guten sind? Weil sie es – Krankenasyl und Armenspeisung – doch immer schon waren? Und alle, die das anders sehen, grundsätzlich die eher nicht so Guten?
Wenn dem so wäre, hätte unser Gemeinwesen ein Problem. Das Problem, dass in einem gewaltigen Markt (allein die Kinder- und Jugendhilfe hatte in 2012 ein Volumen von 32 Mrd. EUR) Gesinnungskartelle entstanden sind, in denen Mitglieder sich per se für die Wohlfahrt berufen fühlen und anderen ihre Eignung aufgrund falscher Gesinnung absprechen. Dies würde auch erklären, warum derzeit die Verständigung so schwierig ist zwischen Vertretern von Wohlfahrtsverbänden und Bürgern, die Wirksamkeitsnachweise einfordern, um damit die Grundlage für einen Wettbewerb um die besten sozialen Lösungen zu schaffen. Weil es vielleicht gar nicht um Argumente geht. Sondern um Ideologie.
Wenn dies zuträfe, bliebe nur noch eine Frage. Sie ist, zugegeben, rhetorisch: War Ideologie in unserer Geschichte jemals eine gute Grundlage, um drängende soziale Probleme zu lösen?
(ursprünglich veröffentlicht auf dem Blog der Benckiser Stiftung Zukunft, 10.02.2015)
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Robert Reich: Trump hat der amerikanischen Demokratie nie eine größere Bedrohung bereitet
Neuer Beitrag veröffentlicht bei https://melby.de/robert-reich-trump-hat-der-amerikanischen-demokratie-nie-eine-groessere-bedrohung-bereitet/
Robert Reich: Trump hat der amerikanischen Demokratie nie eine größere Bedrohung bereitet
Bildnachweis: Youtube Screengrab
Der bockige Heranwachsende im Weißen Haus – der die meisten Erwachsenen um sich herum mit wütenden Speichelleckern ersetzt hat und seinen Stabschef John Kelly zum Schoßhund degradiert hat – ist nicht ausreichend überwacht.
Vorher war er nur kleinlich und rachsüchtig. Er twitterte böse Dinge über Leute, die er demütigen wollte, wie der ehemalige San Francisco 49ers Quarterback Colin Kaepernick.
Jetzt ist seine Rachsucht grausam geworden. Nachdem der stellvertretende Direktor des FBI, Andrew McCabe, mit unbegründeten Anschuldigungen beschimpft worden war, dass er die Ermittler belogen hatte, sorgte der neue Trump dafür, dass McCabe nur wenige Tage vor seiner Pensionierung entlassen wurde, nachdem er mehr als einundzwanzig Jahre Dienst geleistet hatte
. er war nur ausländerfeindlich. Er nannte Mexikaner Mörder und Vergewaltiger.
Jetzt ist seine Fremdenfeindlichkeit streitlustig geworden. Er schickt Tausende Soldaten der Nationalgarde an die mexikanische Grenze, obwohl illegale Grenzübergänge auf Rekordtiefstand sind.
Und er beginnt einen Handelskrieg gegen China.
China enteignet seit Jahren amerikanisches geistiges Eigentum. Aber Trump versucht nicht einmal, einen Ausweg aus diesem Stau zu finden oder eine Koalition von anderen Handelspartnern aufzubauen, um Druck auf China auszuüben. Er erhöht nur den Ante – und führt nicht zufällig dazu, dass der Aktienmarkt verrückt wird.
Aber das gefährlichste am neuen Trump sind seine verstärkten Angriffe auf die amerikanische Demokratie selbst.
Beginnen Sie mit einer freien Presse. Zuvor hatte er nur rhetorische Bomben auf die Washington Post, CNN und andere Stellen geworfen, die ihn kritisierten.
Jetzt versucht er, sie finanziell zu bestrafen, während er Geschäften, die ihn loben, Vorteile bringt.
Letzte Woche forderte er Amazon Die Gesellschaft, die von dem Mann geleitet wird, der die Washington Post besitzt, zahlt höhere Postgebühren und mehr Steuern, und dass die Post als Amazon-Lobbyist registriert werden sollte. Die Amazon-Bestände sind unter dem Angriff verwelkt.
Sie sind absurde Vorwürfe. Amazon sammelt und zahlt staatliche Umsatzsteuern auf seine Produkte, und die Post verliert wegen des Rückgangs erstklassiger Post und nicht von Paketlieferungen Geld.
Vermutlich kann Amazon für sich selbst sorgen. Trumps Attacke war als Warnung für andere Unternehmen mit Medienverbindungen gedacht, dass sie sich besser nicht mit ihm anlegen sollten
Trump versucht auch, CNN zu verletzen. Am Tag nachdem das Justizministerium den Kauf von Time-Warner, Elternteil von CNN, blockiert hatte, sagte er, der Deal sei nicht "gut für das Land". Wenige haben die Verbindung verpasst.
Inzwischen lobt er Trump-Anbetung Sinclair Broadcasting signalisierte der FCC, dass Sinclair 3,9 Milliarden US-Dollar an TV-Stationen von Tribune Media kaufen soll.
Wir betreten eine neue und gefährlichere Phase von Trumps "Teile und herrsche" -Strategie und teilen die Nation in Kriegslager (19659003) Sogar Trumps Tweets sind dreist spalterischer geworden. Letzte Woche nannte er seinen Vorgänger "Cheatin 'Obama". Wann haben Sie das letzte Mal gehört, dass ein Präsident der Vereinigten Staaten einen anderen Präsidenten herabsetzt?
Er ist entschlossener als je zuvor, Anhänger davon zu überzeugen, dass Sonderberater Robert Mueller mit Demokraten in einer Sackgasse steht und das FBI, um ihn abzuheben.
Dies könnte ihm etwas Schutz geben, wenn Trump beschließt, Mueller zu feuern, oder wenn Müllers Untersuchung Beweise dafür liefert, dass Trump mit Russland zusammengearbeitet hat, um die Wahl zu gewinnen, und der Kongress sich bewegt, ihn anzugreifen.
"Versuchen Sie, ihn anzuklagen, versuchen Sie es einfach", warnte Roger Stone, Trumps ehemaliger Wahlkampfberater, letzten Sommer. "Sie werden in diesem Land einen Krampf der Gewalt haben, einen Aufstand, wie Sie ihn noch nie gesehen haben."
Aber Trumps Strategie könnte genauso leicht über Mueller hinausgehen. Was passiert, wenn ein rivalisierender Kandidat im Jahr 2020 mehr Wahlmänner ansammelt, aber Trump ihn beschuldigt, betrogen zu haben, und sich weigert, zurückzutreten?
"Er ist jetzt Präsident auf Lebenszeit", sagte Trump kürzlich von Xi Jinping und fügte hinzu: "Vielleicht Ich werde das irgendwann mal versuchen. «Manche dachten, Trump hätte Witze gemacht. Ich bin mir nicht sicher.
Demokratien erfordern Führer, die verstehen, dass ihre Hauptverantwortung darin besteht, die Institutionen zu schützen, von denen die Demokratie abhängt. Der neue Trump scheint darauf bedacht zu sein, seine Macht zu behalten, was auch immer nötig ist.
Demokratien erfordern auch genügend soziales Vertrauen, dass die Bürger diejenigen, mit denen sie nicht einverstanden sind, als gleichrangig betrachten, also werden sie politische Ergebnisse akzeptieren, die sie nicht mögen. Der neue Trump zerstört dieses Vertrauen.
Trump untethered ist nicht nur eine kleinlichere, rachsüchtige und kriegerische Version seines früheren Ichs. Er ist auch eher bereit, die amerikanische Demokratie für seine Zwecke zu opfern. Das macht ihn gefährlicher denn je.
Robert Reich ist der 22. US-amerikanische Arbeitsminister und Professor an der Universität von Kalifornien in Berkeley. Reichs Dokumentarfilm "Saving Capitalism" streamt auf Netflix. Sein neuestes Buch "Das Gemeinwohl" ist jetzt in Buchhandlungen erhältlich.
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Achtung! Dieser Artikel wurde automatisch von Englisch in Deutsch übersetzt. Den Original Artikel finden Sie hier: Quelle
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Evangelische Kirche und die Ehe für alle
Modernes Pharisäer*innentum
Die Traditionalisten wollen keinen Frieden geben: In der evangelischen Kirche wütet weiter der Kulturkampf um die Ehefähigkeit Gleichgeschlechtlicher.
Das Gesetz zur „Ehe für alle“ fand auch den überwiegenden Beifall von protestantisch gesinnten Christen, aber nicht von allen. Besonders prominent formulierten eine Art Widersprach zwei evangelische Superfunktionäre: Petra Bahr, Landessuperintendentin für den Sprengel Hannover, und Stephan Schaede, Leiter der Evangelischen Akademie Loccum (bei Hannover) in einem Beitrag für Christ und Welt, einst als Zeitungsmedium selbständig, seit einiger Zeit der Wochenzeitung Die Zeit beiliegend.
Vorige Woche schrieben beide, innerhalb ihrer Glaubensgemeinschaft ausgewiesene Stimmen traditionalistischen Verständnis für modernes Christentum nichtkatholischer Provenienz, unter dem Titel „ Der heilige Stand��� einen mahnend-kritisch gemeinten Text zur evangelischen Begei-sterung für die „Ehe der alle“, die sie kritisieren, zugleich aber ist es ein Dokumenten wohlgesinnten Giftmischertums, ein Zettelka¬sten voller Klischees und moralischer Anmaßungen: „Warum die Kirchenleitung zur Abwechslung mal wieder an ihre Mitglieder denken sollte“, heißt es in der Unterzeile ihres Appells, was bei Lichte besehen die Aussage in sich trägt, das Lob höchster Würdenträger*innen in der Evangelischen Kirche Deutschlands sei über die Gefühle der evangelischen Christenheit in Deutschland hinweg gegangen worden. Diese „Argumente“ entsprechen rhetorisch einer klassischen Redeweise von AfD-Politikern (und, von links, der Linkspartei): Von oben sei etwas gegen die sogenannte Basis bestimmt worden.
Davon abgesehen, dass beide Autor*innen die theologische Grübelei zur Frage, was Ehe eigentlich bedeutet, durchweg bevölkerungspolitisch beantworten – mit dem Hinweis, dass die (heterosexuelle) Ehe die Zeugung von Kindern in den Mittelpunkt zu stellen habe –, kritisiert ihr Statement, dass der Gesetzgeber im Bundestag das Ehereformprojekt „Ehe für alle“ viel zu eilig beschlossen habe. Man habe nicht debattieren können:
„Was viele Christinnen und Christen in den Gemeinden irritiert, ist nicht nur die Geschwindigkeit, in der die evangelischen Kirchen ihre Haltung zu Ehefragen in den letzten Jahren verändert haben. Es ist die Konfrontation mit dem Umstand, dass es so etwas wie die Normativität des Normalen nicht mehr zu geben hat. Wer vorsichtige Vorbehalte gegen eine grundlegende Neube¬stimmung des Begriffs der Ehe äußert, hat ein Problem.“
Unter Christ*innen gab es ausufernde Erörterungen
Das aber ist eine Verkennung der Diskursverhältnisse in den evangelischen Landeskirchen, ja, in gewisser Hinsicht eine Lüge antilutherisch¬sten Kalibers: Keine Frage wurde unter reformatorischen Sonnen so intensiv in den vergangenen 25 Jahren diskutiert wie die der Würdigung gleichgeschlechtlicher Lebensweisen und ihrer Ehefähigkeit.
Kein Sprengel, der nicht homosexuelle Paarschaften heftig und in der Tat alle mitnehmend und abholend debattiert hätte – durchaus nicht immer zur Zufriedenheit von schwulen oder lesbischen Mitgliedern der Kirchen. Die sächsische Landeskirche akzeptiert bis dato nicht fraglos das Zusammenleben gleichgeschlechtlicher Theolog*innen in Pfarrhäusern.
Aber zu behaupten, die höchsten Funktionsträger*innen der EKD hätten sich Ende Juni in theologisch opportunistischer Art dem Bundestagsbeschluß löblich angeschlossen, führt ins biblische Nirwana: Es wäre wünschenswert gewesen, hätten andere gesellschaftliche Institutionen sich ähnlich hitzig diesem Thema gewidmet – aber gerade unter Christ*innen hat es hierzu ausufernde Erörterungen gegeben. Sie führten nur nicht zu Resultaten, die Bahr und Schaede gefallen.
Schwule würden die „Ehe für alle“ nicht wollen
Im Nachhinein zu wehklagen, ist billig – aber gefährlich, ja homophob gesinnt wird ihr Text dadurch, dass er von der jahrhundertelangen Praxis christlich gesinnter Verfolgung Homosexueller absieht: Und darüber können beide sehr wohl wissen. Sie behaupten, Schwule würden die „Ehe für alle“ gar nicht wollen, weil sie gar nicht dem Leben jener Heterosexueller entsprechen wollen. Ja, sie verweisen darauf, selbst Homosexuelle nicht zu diskriminieren, sie im Freundeskreis zu wissen:
Denn ganzen Artikel und noch mehr Infos rund um das Thema Queer und Glauben, wenn Du dem Link folgst.
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História e teoria de uma lei inconstante e polar
1.
Loslassen: In der zweiten Sitzung der Vorlesung in Recife will ich Vismann loslassen, voll loslassen auf bleiernd-träge Wissenschaften vom Recht, loslassen aber auch, wie man nach Hannah Arendt etwas sein lässt, nämlich ziehen lässt.
In der zweiten Sitzung am 18.11. will ich also die 3 Stunden nutzen, um den Blick von Vismann auch abwenden und auf Literaturen der Kulturtechnikforschung lenken zu können, die den widerständigen und insistierenden Kooperationen nach 2010 weiter nachgegangen sind. Navigationen ist auch der Name einer Zeitschrift für Medien- und Kulturwissenschaften, die an der Universität Siegen herausgegeben wird. Siegen ist neben Berlin, Weimar und Basel das vierte Zentrum der deutschsprachigen Kulturtechnikforschung (also den Kreisen, die Vesting mit Weite, Dominanz und dem Namen Kittler verbindet). Erhard Schüttpelz ist einer der Herausgeber, der sich auch intensiv mit juridischen Kulturtechniken befasst. einer der besten Kenner Cornelia Vismanns und Adolf Reinachs (dem Autor der Phänomenologie des bürgerlichen Rechts), nicht nur in der Szene der Kulturtechnikforschung.
Navigation 15 (2015) ist ein Heft über Kooperation. Alle Aufsätze sind dort hervorzuheben, besonders wohl Susan Leigh Stars Aufsatz über die Struktur schlecht strukturierter Lösungen, über Grenzobjekte und heterogenes, verteiltes Problemlösen; Schüttpelz' Kommentar dazu, die Notiz zum Grenzobjekt, dann der von ihm und Sebastian Gießmann geschrieben Text zu den Medien der Kooperation (auch zur einer anderen, nicht staatsrechtslehrenden Rezeption Vismanns). Dort liest man zu Infrastrukturen und dem, was Vesting inkrementelle Prozesse nennt, auch wenn er in seinem Aufsatz zur Kulturtechnikforschung die Forschungen und die Rezeptionen Vismanns gar nicht erwähnt, die dazu stattfinden, um für den Leser ein verkürztes und einseitiges Bild der Kulturtechnikforschung zeichnen zu können. Sein Text zu Vismann, parteilich, ein, wie es jemand mal zu seinem Kommentar gesagt hat, ein Kommentar in eigener Sache, der Schlagseite hat, u.a., weil er sich auf Schlagworte stützt.
2.
Ich glaube, dass Kooperationen, die widerständig und insistierend sind, Verhäkelungen sind (ein Begriff, den Nietzsche zur Archäologie der Wissenschaften vom Recht eingeführt hat). Die Kooperationen haben Haken, etwa den, sich auf das einlassen zu müssen, was sich nicht dem Imaginären fügt. Denkt man Kooperation nach wie vor in Bezug auf die drei elementaren Züge juridischer Kulturtechnik, also in Bezug zum Trennen, Assoziieren und zum Austauschmanöver, denn bietet es sich in Bezug auf die Literatur Baseler Archäologen und ihrer Folgen (also Bachofen, Nietzsche, Warburg, Benjamin, Klossowski, Caillois) auch an, auf die Literatur von Jacques Ranciere zu achten, zum Beispiel auf den Text Si l'art résiste à quelque chose? den er zu Nietzsche und Deleuze vorgetragen hat. Frank Ruda und Jan Völker haben den Text übersetzt: Ist Kunst widerständig?
Ich würde den Begriff der Kunst hier nicht nur so lesen, wie er systemtheoretisch oder aber in Grundrechte als Institution oder in Helmut Ridders Text zur Freiheit der Kunst nach dem Grundgesetz und zu den Kollektiven gelesen wird, nicht nur so, wie er in Kommentaren zum Grundgesetz gelesen wird. Ich würde ihn auch so lesen, wie er in Passagen der juridischer, juristische und rhetorischer Institutionen gelesen wird (Quintilian, Corpus Iuris Civilis), auch wie er bei Michel de Certeau gelesen wird. Dann ist Kunst auch Begriff und Technik, die maßlos kontrahieren und distrahieren können, sich damit nicht in Vorstellungen der Ausdifferenzierungen fügen, sondern auf eine Weise wild pulsieren, wild denken (Lévi-Strauss) oder wildern, die z.B. Aby Warburg erst die Diagnose schizoider Paranoia, später dann, korrigiert, einer schweren manisch-depressiven Phase, also einer aus den Fugen geratener Melancholie und Bipolarität eingebracht hat. Dass man das wieder fügen kann, das hat Warburg auch gezeigt, aber im Grunde genommen fügt sich da in erster Linie oder prinzipiell nichts. Messen lässt es sich, sgar wilder und archaischer, als es Gertrude Bing vielleicht vor ihrem Besuch der Feiern der Lateranverträge im Petersdom unmöglich, danach aber auch möglich erschien (sie schreibt dazu im Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg ein Protokoll, das für Tafel 78 und 79 maßgeblich wird)
Kunst setzt was, nicht unbedingt Ohrfeigen oder andere Sätze. Kunst ist insofern etwas mit 'nem Akkusativ, 'nem Genitiv oder 'nem Dativ, wie juridische Kulturtechnik. Sie ist aber eben auf die ambigue Weise eigen, die auf ebenso ambuige Weise fremd ist. Mit ihr stellt und verstellt sich was, mit juridischer Kulturtechnik kultiviert man was, kultiviert sich was, wenn auch wie auf dem Land, wo in einem Jahr die Kartoffeln verfaulen während man nicht weiß, wohin mit den Äpfeln. Mit Kunst und juridischer Kulturtechnik lässt sich eins prima operationalisieren: Waiting for Pommes.
3.
Damit der Widerstand verkehren und noch insistieren kann, man ihn dann wahrnehmen kann ist er in Spannungen zu entfalten, die man wiederum mit großen und kleinen Zahlen messen, schätzen und zählen kann, auf-, nach- und vorlesen kann, schreiben kann.
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Essers Tafeln
Essers Lehrbuch von 1949 ist eine Institution im Sinne juristischer Institutionen (Gaius), und im Sinne rhetorischer Institutionen (Quintilian). Das ist auch ein Objekt. Cornelia Vismann hat angeregt, solche Objekte auf ihre juridischen Kulturtechniken hin zu betrachten, also nicht einfach als gebene, institutionelle Macht zu begreifen, die vorliegt und darin einen Sinn bewahrt. Lehrbücher sind Objekte, die mitgemacht werden müssen, mit denen man kooperieren muss, den sie tun es ja auch. Esser kooperiert hier etwa mit einer Tabelle, die man nach Ramus ramistisch nennt und u.a. auch Hobbes im Leviathan nutzt. Die Geschichte und Theorie juridischer Kulturtechniken fokussiert, wie mit diesen Objekten operiert und kooperiert wird, wie sie gemacht sind und wie sie etwas machen. Im Anhang des Buches gibt Josef Esser Rat für die graphische Erarbeitung von Grundbegriffen. Er leitet zur Zeichnung von Diagrammen und Tabellen an. Auch darum behaupte ich, dass Bild- und Rechtswissenschaft eine Wissenschaft ist, wenn auch eine, die gehändelt werden muss, weil alles in ihr umstritten ist.
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Juristen fabrizieren
Nicht jeder müsse verfahren oder verführen, aber der Mensch des Hofes müsse das, müsse verfahren oder verführen, das legt eine Ausgabe von Balthasar Gracians Institution des Höflichen, der Kur/ Kurien und Kuratorien (Courtoisie/ Politeness/ Kür) nahe. Der Mensch des Hofes, L'Homme de Cour, den nennt diese Übersetzung auf einer Klapptafel einen Welt-Staats- und Hoffmann, bildlich zeigt die Tafel dazu auch einen Satyr und ein Frau. Der Mensch, l'homme, ist nicht nur Mann, er ist ein ausschlagendes Wesen, dessen Geschlecht geteilt ist und sogar die Schwelle des Menschen über- oder unterschreitet.
Der Film führt vor, an welchen Objekten ich im Alltag forsche. Dieses Objekt ist Teil eines rhetorischen Ensembles, das heißt eines Ensembles aller derjenigen Medien, die Teil rhetorischer Institutionen und damit auch juridischer Kulturtechniken sind. Dieses Buch wird nicht nur gelesen, man schnürt es auf und zu, reist mit ihm herum, klappt eine Tafel auf und zu, schaut und redet vor der kleinen Tafel, die auch ein Argument bildet und zu kleinem Gespräch einlädt. Der Mensch des Hofes muss kein Regierender oder Souverän sein, Ich forsche, wie Vismann, nicht nur zu Souveränen. Wenn er regiert, kann das stoische Selbstregierung sein, seine Souveränität kann metaphorisch und im übertragenen Sinne gemeint sein. Der Hof kann sogar ein Bauernhof oder ein Bahnhof sein, eine Stelle an der Züge angehalten werden und abgefahren werden. Im Rahmen zweier kleinerer Projekte sitze ich an diesem Objekt: satyre schreiben/ saturiertes schreiben und im Rahmen des Projektes Juristen fabrizieren.
Satyre schreiben, sie verfahren auch. Satyre können als Juristen ausgebildet oder ausgebildete Juristen sein. Der Welt-Staats-Mann (gemeint sind auch Frauen und Satyre) kann ein privater, pendelnder, vagabundierender Kosmopolit sein, dann ist er nicht nur kosmopolitisch, sondern auch kosmopolar. Das Forschungsprojekt zu Warburgs Staatstafeln entfaltet im größeren Zusammenhang zu Wesen, die solche Objekte nutzen, die Geschichte und Theorie unbeständig-polaren Rechts.
Gracians Buch ist ein sogenannter Spiegel und ich betrachte ihn archäologisch auch als das Material, dem heutige Lehren zur Fabrikation der Juristen aufsitzen, zum Beispiel Thomas Vestings Buch über den Gentleman, den Manager und den Homo Digitalis, der das Subjekt auch als Ideal und als Leitbild versteht.
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Recife
Jetzt ist es offiziell. Im Novermber 2024 werde ich für vier Wochen nach Recife zurückkehren, unterrichten und vortragen, forschen, d.h. Material sammeln und protokollieren, Zettelkasten füttern.
Ausgehend von den Forschungen der Abteilung für Rechtstheorie am Max-Planck-Institut bauen wir eine Foerschungsgruppe mit Projekten zu Übersetzungen der Rhetorik auf. Von Fragen des Transfers, also etwas der Rezeption und des Pendelns zwischen brasilianischer und deutscher Rechtswissenschaft bis in zu der Spannbreite in den Übersetzungen rhetorischer Institutionen reichen die Teilprojekte. Die Bilder oben stammen aus dem Trailer des neuen Films von Kleber Medoca Filha. Kann es kaum erwarten, wieder in Recife zu sein und im Licht chromatischer Aberration zu stehen. Kann die kurzen Schatten kaum erwarten. Die Musik rauscht schon, kann es kaum erwarten, ins Archiv und die Bibliothek zurückzukehren, um jedes Papier von und über Tobias Barreto umzudrehen - mit dem ich mich besonders beschäftigen werde. Der wird eines der Grenzobjekte der Forschung im November. Vier Wochen Zeit, das will gut vorbereitet sein, denn die Zeit ist knapp.
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Paene omnia decent
Zum Geburtstag Kants fällt Jürgen Kaube die Schlauheit und der Witz ein zu sagen, dass Kant heute diejenigen Philosophen, die sagen, was er heute zu anderen Dingen gesagt hätte, als Grillenfänger bezeichnet hätte. Hätte-Hätte-Sagenkette. Witzbold Ouroboros! Gibt Grillenfänger und Grillanfänger. Grillanfänger ist Kaube keiner.
Kaube testet die Theorie und Praxis der Rekursion aus, testet, was von ihr bleibt, wenn Rekursion wie im Ouro-Hamsterrad exerziert wird. Sie wird geschliffen. Das ist nicht immer angenehm, denn Praxis und Theorie der Rekursion ist an sich faszinierend und man sieht Faszinierendes ungern abrauschend, schwitzend und ratternd. Aber wie heißt es schon in den rhetorischen Institutionen zu den Ventilen, Membranen und Drüsen rhetorischer Rekursion (also eines Redens mit Rede, Sprechens mit Sprache, Schreibens mit Schrift und Verkörperns mit Körpern, eines Wortemachens mit Worten und Bildens mit Bildern ): Paene omnia decent, am Ende geht alles durch, schließlich mustert alles und lässt sich alles mustern. Das decorum stellt sich immer zuerst an und dann ein. Alles ist, wird und bleibt geschieden, geschichtet, gemessen und gemustert. Die Rekursion kristallisiert zwar hier und da aus, aber nur in zügigen Formen und meteorologischen Situationen, dann schmilzt sie wieder. Sie versteinert, aber nur meteorologisch, selbst versteinert schwimmt sie noch wie tektonische Platten, noch planetarisch fest kreist sie durch kreisenden Kosmos.
Letztens hat Kaube Thesen zur Kanzleikultur referiert, dass ich dachte: Wer so liest, braucht keinen Fernseher mehr. Die Thesen zur Kanzleikultur, die auf das gerüchtsförmige Geistern der Zensur pochen, die vertrete ich auch - man muss nur genau lesen. Es gibt keine Schreiben ohne Kanzleikultur, es gibt im Schreiben kein off the record ohne zügige Linien, die diagrammtisch und diagraphisch operieren, weil sie kooperativ Unterlagen durchziehen (zum Beispiel sitzt die Tinte dem Papier auf und das Angepinnte, Gerissene, Geritzte oder Peinvolle (painting) der Tafel (tabula). Die Zensur war immer schon ein gerüchtsförmig, das macht sie so effektiv, wie sie ist, nicht mehr und nicht weniger. Adrian Daub, auf den sich Kaube gestürzt hatte, als sei der Daub doof, glaubt nicht, dass es keine Cancel Cultur gäbe, sein Schreiben appelliert daran, sie plastisch und geanologisch zu entfalten, über das sedimentäre und aufrührbare Geschichte, das Geschichte anhäuft. Cancel Culture wird immer dann ausgerufen, wenn die Zugänger, die bisher methodisch den Korridoren folgten, plötzlich gegen die Wand laufen, weil der Korridor einen Knick oder einen Bogen, vielleicht nur eine Kurve leichte Kurve macht. Man ist nie der einzige, dem im Laufe seines lebens gesagt wurde, man könne tun, was man wolle, aber erst wenn man einen Lehrstuhl oder einen anderes, angeblich sicheres und trockendes Plätzchen sich gesichert hätte, vorher solle man bitte wenigstens so tun, als würde man sich anpassen. Man ist nie der einzige, dem so etwas in einer Situation gesagt wurde, die für alle Beteiligten an sich unerträglich peinlich ist, vor allem dann, wenn der Rat- bzw. Abratgeber hinterschiebt, er selbst fände ja schlau und wichtig, was man machen würde, aber die Kollegen und das Publikum seien doch doch so furchtbar doof und nur darum solle man sich doch solange zurückhalten, bis man seine Schäfchen ins Trockene gebracht hätte. Jeder hat das schon mal gehört, viele haben es geglaubt. Daily Show. Wir müssen lernen, wie Kaube nicht Grillanfänger, sondern Grillenfänger zu werden, so kommt man durch Winter und diesig nieselnde Zeiten, in denen kein Ratgeber uns noch vor dem Nassmachen schützen kann.
Kaube ist nicht doof, es ist seine Aufgabe, Schlauheiten im Namen einer Gesellschaft zu sagen, die hinter der FAZ steckt, und sich im Namen derer, die hinter der FAZ sich für kluge Köpfe halten, auf Leute wie Daub zu stürzen, als ob die doof wären. Das macht der Kaube gut, der ist nicht durch Zufall einer der wichtigsten Herausgeber der Qualitätszusammenpresse. Ich kann ja auch nur soweit etwas zu Kaube was sagen, soweit ich weiß, wie man Qualität zusammenpresst.
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Die Verachtung
1.
Die Verachtung verhält sich zur Achtung wie die Verfassung zur Fassung, allerdings mit detaillierten Unterschieden. Sie ist, wie die Verfassung, normativ, kooperativ und rekursiv. Wie Verfassungen Fassungen aufsitzen, nicht aufruhen, sitzt die Verachtung der Achtung auf, ruht ihr aber nicht auf, ist weder spiegelnd und ebenbildlich noch reflexiv. Was an ihr mimetisch ist, kreist elliptisch und presst dabei noch den Informationen das aus und das ab, was man Rauschen, noise oder Querelle nennt. Verachtung sitzt zum Beispiel in einer belle noiseuse, einer schönen Querulantin, wie Hannah Arendt, Brigit Bardot oder Jane Birkin sie mimen können. Ihre Referenzen hat die Verachtung in Details, die zwar kontrahieren und distrahieren, dabei aber keine beständige Adresse haben, nicht beständig adressieren, wie man das seit geraumer Zeit von Verfassungen sagt. Rhetorische, antike und römische Institutionen legen, unter anderem mit den leicht verwechselbaren Begriffen energeia und enargeia sowie dem Begriff decorum zwar nahe, dass alle Adressierungen polarisieren und alle Polarisierungen adressieren (Steinhauer, 2009), schon weil Rom nicht nur polis, sondern auch polus/polos ist, also Denkraum, um den sich alles dreht, an dem auch alles verdreht ist und verdreht wird. Und trotzdem hält man Adressierung und Polarisierung lieber auseinander, wie man auch Verfassung und Verachtung lieber auseinander hält. Die Verfassung liefert Angenehmes, etwas, was man gerne annimmt, vielleicht ein Behagen, an dem man sich einrichten mag, so dass ihre Polarisierung in den Adressierungen kaum wahrnehmbar ist. Der Verfassungsbegriff ist wie ein Kompliment, er schmeichelt. Die Leute sind lieber in schlechter als in keiner Verfassung. Bestimmte Normkomplexe nennt man gerne Verfassungen. Auf die Idee, sie Verachtungen zu nennen, kann man zwar kommen, schon weil Leute an Verfassungen auch Verachtung wahrnehmen. Und doch würde sich dieser Begriff kaum für Normatives durchsetzen, das ist unwahrscheinlich. Vielleicht ist die Verachtung ein Schatten der Verfassung und sie ein Licht der Verachtung.
Das Verhältnis zum Behagen ist bei der Verachtung anders, die geht deutlich mit Unbehagen einher, in ihrer Polarisierung wird allerdings die Adressierung schwerer wahrnehmbar. Allerdings hat der Verachtung die Nouvelle Vague Bilder geliefert, die die schönsten und schmerzlichsten Sichtungen vom "Mittelmeerbecken" (Warburg) sind. In diesem Film gibt es Treppenszenen, die man nicht vergisst, schon weil sie am Casa Malaparte gefilmt wurden. Die Verachtung ist verschlingende Achtung. Fair ist sie im Sinne von Messen (Messungen und Musterungen), die nicht unbedingt stille Größe und edle Einfalt vorführen, sondern auch polare Entfernungen wie die, in denen reigende Göttinnen und biegsame Götter auftauchen und deren Lautstärke noch so poetisch ist, wie der Trubel auf den Messen der internationalen Autoindustrie.
Weder Verachtung noch Verfassung sind allgemeine Angelegenheiten, man sollte sie technisch und dogmatisch definieren, dabei auch mit dem artifiziell erscheinenden Wissen, dessen Abschirmung bewegte Bilder und eine Leinwand (ecran) übernehmen.
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Rhetoric as Philosophy, followed by 'what is a/ what is the rhetoric being?'
1.
Die Rhetorik ist eine Technik, die auch Recht, auch das Wissen vom Recht überträgt und teilt. Sie reproduziert Recht. In den rhetorischen Institutionen, also den Texten, die erst als Codices und dann als Bücher verbreitet wurden, findet man die Beschreibung einiger juridischer Kulturtechniken, man findet dort was zum Schreiben, zum Reden, zum Gebärden oder Gestikulieren. Man findet dort Medientheorie vor der Medientheorie. Die Techniken sind juridisch, denn sie haben bei der Reproduktion des Rechts kooperiert und sind dadurch auch raffiniert geworden und haben das Recht raffiniert gemacht. Sie sind dem Recht nicht eigen, man kann sie für ganz andere Sachen verwenden, werden mangels Eigentum, Exklusivhaltung. Ausdifferenzierung, Autonomie und Autopoiesis keine juristischen Methoden genannt. Mit dem Titel juristischer Methode werden sie nicht ausgewiesen. Sie können homogen, können heterogen, sie können wechselhaft vorgehen. Die Rhetorik ist mehr als eine juridische Kulturtechnik: viele kommen drin vor; sie ist institutionalisiert und das über den 'Tod' oder ihr 'Ende' hinaus. Das liegt nicht nur daran, dass die Institution sich in kleinen Objekten erhält, zum Beispiel in wenigen Exemplaren wie einer Abschrift, die auch gut mal in einer Bibliothek lange und länger als viele Menschenleben stehen kann, ohne dass sie jemand liest. Sie kann verstauben und von Staub bedeckt werden, ist nicht auf reale Präsenz angewiesen, operiert ohnehin im Symbolischen. Es liegt auch daran, dass sie das ist, was Dirk Baecker schon beim Frühstück (nur beim Frühstück?) eine robuste Institution nennt, gerade weil sie gründlich entfernt sein und dann wieder auftauchen und doch wieder verwendet kann. Ihre Robustheit verdankt sie wohl nicht zuletzt dem Umstand, dass sie losgelassen werden kann. Man kann sie von der Leine lassen, kann sie sogar vergessen. Man kann sie aus der Hand und dem Griff lassen und nicht begreifen kann man sie auch. Ohne Bekümmerung und Sorge bleibt sie auch lässig. Vielleicht ist Baeckers Formulierung eine Tautologie, vielleicht macht das (und nicht die Benennung von Codices und Büchern) aus, was eine Institution ist. Auch dann ist Institution nicht dasjenige, was gegeben ist, sie ist das, was (er-)warten lässt. Sie lässt Zeiträume mehr oder weniger qualifiziert durchhalten. Unlimiert ist auch sie nicht, unlimitiert lässt auch sie nichts durchhalten.
Die Rhetorik lebt nicht, nicht ganz. In ihr findet sich aber auch das, was Aby Warburg das Nachleben der Antike nennt und unter anderem als Geistergeschichte für ganz Erwachsene beschreibt. Man findet dort also auch ein Wissen zur Polarforschung: zum Umgang mit der Polarität und zum Umgang in Rom, einem Ort und einem Zeitraum, in dem Politik und Polizei doch eher mit polos/ polus, letztlich mit kosmopolitischen Wendungen und Windungen assoziiert werden sollte als mit der Garantie, einen Begriff der polis zu erhalten. Das betrifft nicht nur Politik und 'Polizei' (Polizei im Sinne eines Wahrnehmungsregimes wie es Censoren ausübten). Das betrifft auch das Recht, schon weil die Unterscheidung zwischen Recht und Politik sich mitwendet und mitwindet, wenn sie rhetorisch reproduziert wird.
2.
Die Rhetorik lebt nicht. Mit ihr kommt Nachleben vor. In den Tropen scheint sie dennoch lebendiger. Das liegt nicht nur daran, dass die Tropen mit der Bewegung und dem Bewegtbild operieren sollen. Das liegt auch ganz einfach daran, dass João Maurício Adeodato in den Tropen, genauer gesagt in Recife, versucht, die Tradition der in Mainz (nur in Mainz?)!sogenannten Mainzer Schule weiterzuführen, wenn man so will: sie zu entmainzelmännchinisieren oder (str.) zu entmainzelmannen. Das ist weniger als mutig und mehr als tapfer, darum haben wir ihn herzlich und neugierig eingeladen und freuen uns auf Montag.
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Detour
1.
Rhetorik assoziiert Animation, sie stellt Gründe und bewegt. Rhetorik ist detour, eine Sammlung von Techniken, die reproduziert sind und die reproduzieren sollen. Rhetorik führt über Umwege, über die Formeln und Akte, die sie bereit hält.
In einem Text über Institutionen, über die institutionelle Effektivität und über das Instituieren ("Die Macht des Anfangs") hat Cornelia Vismann am Beispiel der Institutionen des Gaius die institutionelle Effektivität darin gesehen, dass sie dazu befähigt, zu benennen, zu beschreiben und vorzustellen, also den Personen, Dingen und Handlungen Namen zu geben (überhaupt etwas nach persona/ res/ actio und nicht anders zu unterscheiden) und sie zu begreifen. Die institutionelle Effektivität (mir scheint das treffender gesagt als von einer institutionellen Macht zu sprechen) liegt nicht in der Anordnung bestimmer Verhaltensweisen, nicht in der Gesetzgebung, sondern schon darin: im Zugang zu den Wahrnehmbarkeiten und Ausübbarkeiten, die schon der Sprache und den Bildern, der Formgebung und Bildgebung zugerechnet werden. Sie liegt schon in der Teilung der Sinne. Gelungene Anfänge, wenn man so will: gründliche Gründe, kämen dabei immer zweimal vor. Sie bezieht das auf Gaius Institutionen selbst, die erst als unbetiteltes Lehrmaterial, quasi als private Praxis öffentlicher Dinge kursierten und dann noch einmal, diesmal als Teil einer Kompilation des römischen Rechts, einen Titel erhielten. Was verdoppeln soll, was reproduzieren soll, braucht selbst eine Verdoppelung, braucht selbst Reproduktion. Wenn die Verdoppelung der Institutionen dabei noch eine Grenze kreuzt, die für fundamental gehalten wird: um so besser. Wenn etwas Privates dann ins Öffentliche (oder in umgekehrte Richtung,) springt, wenn etwas vom Objekt ins Subjekt oder vom Subjekt ins Objekt springt: Um so besser. Dann ist Gaius eine Referenz, dann spricht er nicht für sich, und alles was er spricht, spricht dann für sich; dann sind seine Institutionen Referenz.
Was Vismann für Gaius' Institutionen beschrieben hat, das kann man auch an den rhetorischen Institutionen ausmachen. Auch da gibt es zwei Anfänge, deutlich bei Quintilian. Es kommt zwar nicht zu einer Kompilation der Rhetorik, aber Quintilians Insitutionen kursieren erst, verschwinden dann und werden dann wiederentdeckt. Von rhetorischen Institutionen in einem nachdrücklichen Sinne kann man erst seit den römischen Renaissancen sprechen, erst seit dem jede Rhetorik eine zweite Rhetorik, eine Wiederrhetorik oder Rerethorik ist. Ab da ist sie so richtig artifiziell, so richtig technisch, ab da ist sie die Institution technisch reproduzierten Sprechens, zumal eines Sprechens, das nicht mündlich erfolgen muss und nicht mit Oralität, auch nicht mit sekündärer Oralität in eins gesetzt werden sollte. Das ist das Sprechen von Sprechern, von Stellvertretern, wie Büroleiter, Amtsleiter oder Diplomaten auch dann Sprecher sind, wenn sie den Apparat verwalten und repräsentieren. Quintilians Institutionen als Institutionen des Redners zu verstehen ist arg bescheiden. Das sind Institutionen der Stellvertretung. Im Sinne der These, dass es heute auch darauf ankommt, die Polaritäten der Rhetorik zu rekonstruieren kann man sagen, dass das Institutionen der Verstellung sind, also eines mimetischen Kreisens (das vage und polar ist; Kreisen auch im Sinne von vagire/ kreischen/ verschlingen).
Das meine ich mit detour. Den Begriff verwendet Latour für technisches Gerät, für die black box, die ein Wecker so ist, wie ein Hammer. Er beschreibt damit weniger das Beschlossene als vielmehr das Umschlossene der Technik und den Umstand, auch jenen Umstand, mit dem homogene und heterogenen Elemente in die Technik involviert sind. Wer sich morgens frisch wecken lässt, zapft etwas von den Arbeitsbedingungen derjenigen an, die das Lithium für die Batterie besorgt haben und darüber hinaus müde wurden, das ist nur ein Beispiel.
2.
In einem engeren, akademischen Sinne, führen rhetorische Institutionen über die antiken Texte, die als klassische Texte gelten. Das müssen die Institutionen nicht, die Rhetorik kommt gut auch unakademisch und antiakademisch daher. Wenn es aber akademisch werden soll, dann ist die Lektüre der Klassiker eine Bedingung, ohne die nichts läuft. Helmut Rahns Übersetzung von Quintilian führt heute grell vor Augen, dass die Übersetzungsgeschichte von Quintilian quasi bei Winkelmann stehen geblieben ist. Bei Helmut Rahn, der ja nicht der Fußballspieler Helmut Rahn war und nun wirklich nicht auf polaren Feldern operierte, sondern der ein Vertreter Frankfurter Schule Abteilung Nichtbenjamin war, da liest sich Quintilian so, als sei da edle Einfalt und stille Größe die Regel. Am grellsten wird das an den Übersetzungen der Passagen zu aptum/ decorum deutlich, allein schon an dem Umstand, dass man den Sinn für aptum/ decorum danach als einen Sinn für Angemessenheit versteht. Das ist wie ein schlechter, fast albtraumhafter Witz, sogar Klaus Günthers Buch über den Sinn der Angemessenheit (ein Buch ohne Benjamin, das haben Adorno und Horkeimer schon geahnt, dass Benjamin für diese Frankfurter Schule nichts ist, allerdings auch ohne direkten Bezug zu den rhetorischen Institutionen) liest sich, wenn man das auf rhetorische Institutionen bezieht, wie ein Witz.
Aptum/ decorum: die Polaritäten der Rhetorik resultieren schon daraus, dass sie kosmopolitisch und damit auch kosmojuridisch ist. Sie taucht in und mit Drehungen, Wendungen und Kippen auf. Nicht jedem wohnt am Anfang ein Zauber inne. Den katholischen Schweizer Garden im Jardin des Tuileries wohnte am Anfang der fanzösischen Revolution nicht, wie die Liberalen sagen, wenn sie vom Nihilismus der Oktoberrevolution sprechen, ein menschenrechtlicher Zauber inne, sie wurden ja massakriert. Aber jedem Anfang wohnt ein Kippen inne, auch ihnen, auch den Massakrierten einer Revolution. Nicht jede Bewegung ist dabei gut kalkulierbar, es gibt auch die notorisch schwer kalkulierbaren bis unberechenbaren Bewegungen. Auch in der Rhetorik: Meterorologie, also Körper, deren Vorübergehen schwer kalkulierbar bis unberechenbar ist. Die kleinen Schweißtröpfchen auf der Stirn der Stellverteter, kleines Flattern an ihnen (etwa an den Fingern, Lippen oder Hemden) oder ein nicht zur Ruhe kommendes Millieu, in dem sie stellvertreten wollen: so etwas kündet davon.
Aptum/ decorum meint nicht nur das Angemessene, das meint auch die Messe, das Messen, die Maßnahme und die Anmaßung. Das kann auch ein Stellvertretung meinen, die in großem oder kleinem Widerstand und großer oder kleiner Insistenz sich behaupten soll. Decorum und aptum meint nicht nur das Passende und das Angepasste. Das meint auch das Passierende, das Durchgehende, sogar im Sinne passierter Tomaten und durchgehender Pferde. Allein das elfte Buch von Quintilian, die Passagen zum Schwitzen und Verrutschen der Toga vor allem aber der genau in diesem Kontext erfolgte Hinweis, dass an dem Ende (zum Ziel hin) nahezu (dem Ende nahe) alles durch geht, paene omnia decent, macht dies deutlich (was ja auch nicht viel mehr als, aber immerhin heißt, dass die Passage eine Deutbarkeit aufstellt). Mit Maria Muhle gesprochen ist findet Rhetorik auch in mimetischen Millieus statt (das ist von mir grob gesagt, Mühle rekonstruiert etwas Feineres, Subtileres um den Begriff der minderen Mimesis). Rhetorik ist nicht unbedingt dafür da, Selbstreferenz und Selbsterhalt zu garantieren, die Funktion und den Erhalt autopoietischer Systeme zu stützen, die Eigenkraft im Zaum zu halten oder auch nur die Kraft ans und durch das Eigene zu binden. Sie ist auch zur Selbstaufgabe da, noch wenn das Selbst zur Aufgabe werden soll.
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