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Anfängerübung/ Letter
1.
Giovanni Battista (Giambattista) Della Porta, also schon wieder (nach Huguet oder Hugues a Porta oder de la Porte) jemand von dem Tor oder dem Bogen, von porta und/oder arca, vom Hafenviertel, aus der Stadt oder vom Wasser, ist in der Geschichte und Theorie der Letter eine Schlüsselfigur, ausserdem ist er Alchemist. Er ist Verschlüsseler und Entschlüsseler, gilt als der größte Kryptograph seiner Zeit, kommt dazu noch aus Neapel, also von magischem Ort, einer Hafenstadt am Fuße eines Vulkans, dort soll das Nachleben der Antike noch weniger zu ignorieren sein als anderswo und man sagt, dieser Ort sei eine Kippe, auch ins Archaische, aber auch dorthin wo mittags kurze Schatten und Kausalitäten im Süden sind.
Della Porta ist wieder jemand, dem man in Anfängerübungen zur Geschichte und Theorie des Rechts einen Platz reservieren müsste - insbesondere wenn es auch um die Geschichte und Theorie juridischer Kulturtechniken geht. Die Techniken, mit denen er sich befasst hat, haben mit den Attraktionen, den Kontraktionen und den Distraktionen von Körpern zu tun, also u.a. mit dem, was die Anthropologie heute Affinität nennt. er denkt dabei zuerst an die Alchemie, jene Kunst, die sich nach einer These von Hans Christian von Herrmann von der Scheidekunst (auch der in Rudolf von Jherings Sinne und damit von dem, was Recht als Scheidekunst sein soll) dadurch unterscheidet, dass sie nicht untersucht, sondern probt. Die Probe ist veraltet, die Untersuchung ist irgendwann abgeschlossen, durch's Tor tritt ein: das Experiment.
Von della Porta sagt man, er sei der Erfinder eines der spektakulärsten Kassibers schlechhin. Er konnte in Eier [sic!] schreiben. Seine Freunde saßen, von der Inquisition verhaftet, im Kerker, alles was hineinging wurde kontrolliert, nur nicht die Eier, und er schrieb so, dass es auf der Aussenseite nicht zu sehen, aber auf der Innenseite der Schale zu sehen war. Er gründet ein der ersten wissenschaftichen Akadamien, wird angeklagt, wird Jesuit, arbeitet natürlich auch zur Meteorologie und an der Camera Obscura, sprich: ohne ihn ist die zeitgenössische Rechtstheorie denkbar, aber nicht so aufregend wie mit ihm.
2.
In der heutigen Forschung zur Rechtsgeschichte und Kunstgeschichte ist Della Porta vor allem wegen einer Arbeit von 1566 bekannt, der L'Arte del ricordare. Das würde man wohl mit Kunst der Erinnerung übersetzen. Er arbeitet zur Kulturtechnik Mnemotechnik.
Weil ich in den letzten Tagen an dem Druckersignet (Markenzeichen) arbeite, das die Familie a Porta/ de la Porte in Lyon zur gleichen Zeit benutzte, emblematisch mit zwei Mottos ausgestaltete (libertatem meam mecum porto und Recondita Pando) taste ich aus, wie man L'Arte des ricordare noch übersetzen kann: Rekord(er)technik, Kunst der Speicherung, Kunst der Aufzeichnung, Aufschreibung und des Aufsagens/ Aufzählens, Kunst des Anlegens, Kunst der Registrierung, Kunst der Archivierung, Kunst der Aufbewahrung, Sammelkunst zum Beispiel.
Ich taste wie immer die Übersetzungsmöglichkeiten bis zum Anschlag aus, über die Momente hinweg, in denen unsere Lehrer vom Gymnasium Gänsehaut bekommen hätten, auch über die Momente hinaus, in denen die ganze Klasse einen in spontanem Ausbruch auslachen würde (dann ist Witz und wohl eine Beziehung zu allem dem, was unter dem Gesetz ist im Raum), auch um bestimmten, also eingerichteten und ausgeübten Selbstverständlichkeiten durch Ausweichmanöver zu begegnen, etwa jener Selbstverständlichkeit, mit der man Erinnerung mit bestimmten Techniken assoziiert und mit anderen nicht.
Mnemotechnisch gibt es die Schule, für die Erinnerungen nur den eigenen Körper zu verwenden. Spickzettel sollen verboten sein. Insbesondere in Klausuren gelten Kopf und Innerlichkeit als Trumpf, aber die sind auch sehr preußisch und protestantisch und sie setzen stark auf die oberen Zonen innerer Zirkelchen. Anderswo gilt es nicht: da gehören zur Kunst der Erinnungen ausgefeilte Schreib- und Zeichen- und Verzettelungstechniken. Recondere (wie in Recondita) und ricordare sind unterschiedliche Verben, aber nicht total unterschiedlich. Also übersetzte ich heute mal die Arbeit von 1566 mit Kunst des Festhaltens oder Kunst des Greifbaren, Kunst wiederholbarer Verflechtunge vielleicht so.
Giovanna Battista Della Porta ist als Alchemist und als Verfasser des Buches L'Arte del ricordare in der Rechtsgeschichte und Kunstgeschichte auch heute bekannt (siehe Behrmanns Standardwerk zu Bild und Ideengeschichte des Rechts um 1600). In der Rechtstheorie ist er nicht so sehr bekannt, es sei denn, man zählt Georges Didi-Hubermans Arbeiten zur Rechtstheorie (was ich dringend empfehlen würde), der widmet ihm einiges. Della Portas Arbeiten werden nicht nur der Alchemie zugerechnet, nicht nur der Rhetorik (zu der ich jetzt die Kunst der Erinnerung oder Mnemotechnik zähle), sondern auch der Geschichte und Theorie der Embleme.
Bei Peter Goodrich, der für die Rechtstheorie die Stelle einer bestimmenden Instanz eingenommen hat (ich sage das so wegen der vorkommenden Abschreibungen die sich bei den Lesern Goodrichs gebildet haben und weil Instanzen auch vertunneln), taucht della Porta bisher m.e. nicht auf. Andityas Matos, der Spezialist für Embleme und Alchemie in Brasilien, sieht wohl eher, was mich verwundert, wie Goodrich, Andreas Alciatus als das Modell für die Rechtstheorie und Alchemie. Verwundern? Gut so, dann kann man schärfer darüber diskutieren, was Alchemie auszeichnen soll. In Carolin Behrmann großem Buch über Tyrann und Märtyrer (dem aktuellen Standardwerk in deutscher Sprache) kommt Della Porta aber in einem Kapitel zum ABC der Zeugen glücklicherweise vor. Behrmann druckt in dem Buch Della Portas berühmtes Alfabeto figurato ab, zu dem man oben eine spätere, in erheblichen Punkten abweichende Version, nämlich Giovanni Battista Bracellis Version von 1632 sieht. Della Portas Arbeit von 1566 ist schwer aufzutreiben, schon ein Digitalisat im Netz zu finden ist schwer (ich suche noch).
Behrmann macht in ihrem Buch treffend darauf aufmerksam, dass Della Portas Version sich dadurch auszeichnet, Körper in Haltungen zu zeigen, die von den Bildern der Märtyrer bekannt sind. Affektive Extremsituationen (Behrmann) prägen sich ein. Die Körper, die Letter bilden, erscheinen nicht immer als gepeinigte oder gemarterte Körper, manchmal tun sie es. B (heiliger Sebastian) und X (Heiliger Andreas) nennt Behrmann als Beispiele der Märtyrerikonographie. Manche der Körper scheinen mit gesprizten Beinen zum (Geschlechts-)Akt bereit, wie das M und das V, was ja nicht unbedingt eine Qual sein muss, aber sicherlich auch einen prägenden Eindruck hinterlassen kann. Der vergleich zu Bracellis Version von 1632 stärkt aber noch einmal die Lesart, die Behrmann Della Portas Lettern gibt: Bracelli zieht die Geschlechter deutlicher auseinander (man kann jetzt klar zwei unterscheiden ) und dann wieder aufeinander. Was hier Akt ist, ist Kooperation in der Teilung der Geschlechter. Das Paar oder eine Paarung, in der Subjekt und Objekt die Positionen auch tauschen (auch so wie Aby Warburg das auf dem berühmten Zettel von 1896 zeichnet) sind hier diejenigen, die den Akt durch Aktion und Passion (und Reaktion) vollziehen. Der Akt ist keine reine Aktion, nicht nur Aktion. Bei Bracelli mag es noch deutlicher werden, aber Behrmann weist zurecht darauf hin, dass die Letter auch schon bei della Porta komischen, grotesken, erotischen und obszönen Motiven folgen.
3.
Wenn die Theorie der Letter eine theory of typos ist, dann ist sie vielleicht auch eine Theorie von Entwurfs- und Verwerfungslinien, die mit Prägung und Charakter zu tun haben.
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Fragentopf
Is there a fish in this text? Gibt es einen Fisch in so einer Qualität?
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Mobiler Jour-fixe
Der mobile Jour-fixe, immutable mobile unter den Formaten unserer Abteilung, ist eine Möglichkeit, Forschung vorzustellen und zu diskutieren. Man kann es off-broadway machen, aber anders geht es auch. Wir freuen uns, wenn Gäste kommen wie Luiz Rosenfield.
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Schiffbruch mit Rechtswissenschaftlern VI
1.
Man sieht ein römisches Anfangen: Ein Tor, in dessen Sopraporta ein Medaillon sitzt, auf dem man den Janus bifrons, den römischen Anfängergott sieht. Das ist ein Kopf mit zwei Gesichtern, eines blickt nach links, eines nach rechts. Um das Bild läuft ein weiter Spruch, eine Devise: Recondita Pando. Caroline Behrmann übersetzt in ihrem Buch zu Tyrann und Märtyrer diese Devise wie folgt: Ich enthülle alles.
Was eingeschlossen oder verschlossen, was geborgen oder verborgen ist , das breite ich aus/ das eröffne ich oder aber: Ich verrate das Geheime/ Ich deute die Zeichen Auch so könnte man den Satz übersetzen. Das Gespeicherte (Angelegte) setze ich frei, auch so. Janus ist auf diesem Bild derjenige, dessen Blicke eine Verbindung zwischen dem rasenden, reissenden Samson auf der linken Seite und dem ruhenden (erschöpften) Samson auf der rechten Seite herstellen.
Im Handbuch zur Sinnbildkunst von Arthur Henkel und Albrecht Schön wird Recondita Pando mit Ich offenbare das Verborgene übersetzt. Abwegiger und unwegiger ginge es auch, wenn man die Doppeldeutigkeit von condita im Blick behält (da ist etwas der Sprache eingeschlossen) und die Sprache nicht nur als Übliches und Offensichtliches, sondern auch Einsetzbares und Gestaltbares, Wendiges, Verstell- und Verkehrbares versteht. Dann hat condita den schon oft erwähnten Bezug zu condo/condere und den Bezug zu condio/condire. Condita bilden in Bezug auf beide Verben ein Partizip. Das Präfix re- würde zusetzen, dass man mit dem Gründen/stiften oder reizen/zubereiten etwas wiederholt.
Was schon wieder aufgewärmt wurde, das spucke ich aus/ Eingemachtes Kraut und Rüben (Pickles) von gestern und vorgestern breite ich nochmal aus/ Tiefkühlkost servier ich dampfend/ Ich serviere, was gesichert (haltbar gemacht) ist: Als Übersetzung von Recondita Pando wäre auch das denkbar. Das wäre dann wohl eine Dauerdevise und ein Mottomotto: Ich plappere nach. Ein schönes Motto wäre es nicht (wenn man nicht Papagei oder Stimmenimitator ist), aber treffend wäre es wohl auch , wenn man sieht, mit welchen Automatismen die Notitia Dignitatum, das Titelbatt und seine Bestandteile herumgeistern. Dass das Motto heute anders gelesen wird, sieht man schon an der Übersetzung, die Behrmann wählt. Nur das schon Offensichtliche wird mitgeteilt, auch und gerade dann, wenn die Offensichtlichkeit sich nur dadurch ergibt, dass jemand anders etwas so hingeschrieben hat.
[...]
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Anfängerübung
Nicht immer beginnt juristische Literatur mit einem Druckersignet oder einem Emblem, nicht immer steht vorne ein Titelkupfer wie das des Leviathan. Aber manchmal wird den Texten ein Bild vorangestellt, so auch Bildregeln. Studien zum juristischen Bilderstreit von 2009 (und der entsprechenden Dissertation Frankfurt 2006). Das Blatt nimmt etwas vom Muster des Emblems auf, es lässt sich insoweit in drei Teile unterteilen: Ein Zeile, die wie ein Motto operiert: Clash of rationalities/ Iconoclash steht dort. Dann folgt das Bild hier einem Photo, das dem Typus einer sog. Heteroglosse entspricht, wie Wolfgang Kemp sie definiert, nämlich als Typus des Bildes im Bildes. Im Photo sieht man also ein weiteres Photo, also einmal von dem Anwalt Matthias Prinz und einmal von Prinzessin Caroline von Hannover. Als dritter Teil folgt ein Text der Nachrichtenagentur Reuters, die diesen Text in ihren Datenbanken oder Archiven mit dem Foto vernetzt hat.
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