#Essers Tafeln
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Essers Tafeln
Essers Lehrbuch von 1949 ist eine Institution im Sinne juristischer Institutionen (Gaius), und im Sinne rhetorischer Institutionen (Quintilian). Das ist auch ein Objekt. Cornelia Vismann hat angeregt, solche Objekte auf ihre juridischen Kulturtechniken hin zu betrachten, also nicht einfach als gebene, institutionelle Macht zu begreifen, die vorliegt und darin einen Sinn bewahrt. Lehrbücher sind Objekte, die mitgemacht werden müssen, mit denen man kooperieren muss, den sie tun es ja auch. Esser kooperiert hier etwa mit einer Tabelle, die man nach Ramus ramistisch nennt und u.a. auch Hobbes im Leviathan nutzt. Die Geschichte und Theorie juridischer Kulturtechniken fokussiert, wie mit diesen Objekten operiert und kooperiert wird, wie sie gemacht sind und wie sie etwas machen. Im Anhang des Buches gibt Josef Esser Rat für die graphische Erarbeitung von Grundbegriffen. Er leitet zur Zeichnung von Diagrammen und Tabellen an. Auch darum behaupte ich, dass Bild- und Rechtswissenschaft eine Wissenschaft ist, wenn auch eine, die gehändelt werden muss, weil alles in ihr umstritten ist.
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Essers Tafeln/ Juristen fabrizieren
1.
Meine These lautet, dass Bild- und Rechtswissenschaft eine Wissenschaft sein kann und wahrscheinlich eine Wissenschaft ist, spätestens seitdem antikes Recht, in dem Fall römisches Recht, an monotheistische Religionen geraten ist und beides sich in vilefältigen normativen, anthropologischen und kosmologischen Vorstellungen verhäkelt hat. Rom ist MultiPliCity. Danach kann man das Privileg haben und nutzen, Recht und Bild unterscheiden zu können, aber nicht zu müssen. Man kann das Privileg haben und nutzen , Bild- und Rechtswissenschaft unterscheiden zu können, aber nicht zu müssen. Beides zu differenzieren ist dann genauso aufwändig wie beides zu identifizieren und in eins zu setzen. Dass ich davon ausgehe, Bild- und Rechtswissenschaft als eine Wissenschaft zu betrachten, das liegt daran, dass ich an der Geschichte und Theorie des Bilderstreites aus der Sicht juridischer Kulturtechnik interessiert bin.
2.
Diese These orientiert sich teilweise an der Bedeutung, die dem kanonischen Recht und dort Figuren des Gottes, des Schöpfer, des Menschen und dann der Ebenbildlichkeit und dem Menschenbild eingeräumt werden. Die Ebenbildlichkeit interessiert mich in Bezug auf juridische Kulturtechniken. Wie macht man sich zum Bild eines anderen? Wir wird man zum Bild eines anderen gemacht? Wie macht man, wie Legendre formuliert, den Mensch dem Menschen ähnlich?
Der Mensch existiert aus Sicht juridischer Kulturtechnik nicht unabhängig von Kulturtechniken der Hominisierung. Er lernt, zu den Tieren und Pflanzen auf sorgfältige Weise auf Distanz zu gehen, er lernt zu sprechen und zu schreiben, Bilder zu geben und zu nehmen, lernt Tafelsitten, die Geschlechter zu teilen, irgendwann lernt ein kleiner Haufen von Leuten dann sogar für das deutsche juristische Staatsexamen, zum Beispiel bei Josef Esser.
Wenn es bei Josef Esser ein Menschenbild gibt und er davon etwas lernt, dann kann man das als Teil von Kulturtechniken verstehen, die Menschen ausbilden, insoweit auch fabrizieren oder aber 'ähnlich machen'.
Das römische Recht ist allerdings auch ohne jüdische und christliche und islamische Religion schon eine sonderbare/ besondere Bildwissenschaft, damit meine ich die zahlreichen Passagen zum ius imaginum und zu tabula picta, aber auch den Teil, der von einigen Wissenschaftlern eher als Hilfswissenschaft denn als römisches recht und Wissenschaft betrachtet wird, also das Wissen der Akten, Tabellen und Kalender (z.b. der notitia dignitatum und des Kalenders des Filocalus). Sprich: zwischen Wissensproduktion und Wissenschaft kann man zwar unterscheiden (Esser zum Beispiel unterscheidet in seinem Lehrbuch von 1949 zwischen Wissen und Wissenschaft deutlich), aber muss beides nicht unbedingt groß oder kategorial unterscheiden. Ich unterscheide nicht kategorial, nicht in festen Größen, schon weil kulturtechnisch betrachtet jede Unterscheidung rekursiv ist und mit Trennungen, Assoziationen und Austauschmanövern operiert.
3.
Die Thesen vom iconic turn halte ich für mehrdeutig (Bildregeln, 2009). Ich lese die These nicht statistisch und als Angabe eines historischen Ereignisses, wie Klaus Röhl das tut, der den iconic turn als visuelle Zeitenwende und Grenze/ Ende der Moderne versteht und statistisch anhand der Anzahl von Büchern und Bildern ermittelt, ob die These stimmt. Bis zu einem bestimmten Zeitpunkt sollen Bilder im modernen Recht statistisch betrachtet keine besondere Bedeutung gehabt haben, sie sollen in der Moderne sogar aus dem 'reinen' Recht verdrängt worden sein. Nun, bei Esser spielen sie 1949 in seinem Lehrbuch von den Grundbegriffen eine Rolle, die man sogar für zentral halten kann, wenn es um Institutionen und die Institutierung der Juristen, um ihre Ausbildung oder Fabrikation geht. Man kann sagen, dass die Institution der Grundbegriffe auch eine Institution von 'Grundbildern' ist, die konkret zuerst Diagramme und Tabellen sind (keine Bildnisse!). Solche Tafeln nenne ich kleine und niedere Tafeln. Sie sind leicht verwechselbar und leicht übersehbar, dienen sogar dem Wechsel und einer Kombination aus Übersehen und Übersicht, die Leibniz in seinem Grundlagentext zu den gewissen Staats-Tafeln veranlasst, auf die Technik der Bildgebung mit ihrer Involvierung anderer Techniken (Register, Statistik, Rhetorik, Schreiben) einzugehen.
Sowohl im Text als auch mit 19 Abbildungen bildet Esser seine Studentinnen und Studenten auch darin aus, Weltbilder zu erkennen und ein Welt- und Menschenbild haben zu können. Heideggers Text über die Zeit des Weltbildes ist 1938 erschienen und kann hier eine der Anregungen sein; die Naturwissenschaften und das kanonische Recht sprechen von und nutzen zur der Zeit zahllose Bilder(n) von Mensch und Welt. Meine These ist auch, dass man die Geschichte und Theorie des Bildes als Geschichte eines Händelns und Handelns beschreiben kann, damit meine ich juridische Kulturtechniken. In Bildregel (2009) habe ich anhand rhetorischer Muster (decorum) versucht, Schichtungen und Stratifikationen des Bilderstreites anhand von Techniken einer Musterung nachzugehen, die in rhetorischen Institutionen auch den Unterschied zwischen oben und unten, hoch und niedrig, groß und klein, sublim und subtil operationalisieren.
In der Geschichte und Theorie solcher Bilder, wie Esser sie verwendet, kann man auch solche Unterscheidungen (oben/unten; hoch/ niedrig) wiedererkennen, wenn auch auf andere Weisen. Das Bildnis (etwa das eines Königs, Gentlemans, Richters, Fürsten oder Anwaltes) ist ein oberes, höheres Bild und darin ein Persönlichkeitsideal mit imaginärer Fassung. Vesting nennt das unter Rückgriff auf die Arbeiten von Daniel Damler und Johanna Braun ein Leitbild. Das soll nicht nur anleiten, sondern oft auch leitende Personen zeigen. Diese Bild sind in hohem Maße signifikant und tragen immer eine Signatur, immer einen Namen, oft sogar zwei: den des Urbildes (Hugo Keyssner, Das Recht am eigenen Bild, 1896) und denjenigen des Urhebers (oben im Beispiel nur seine Signatur IA (Jost Amann). Damit haben diese Bilder, was verfasste Texte haben sollen: eine Unterschrift, eine Signatur, die Namen und Medien bindet und die Bindung garantieren soll. Solche Bildnisse sind auch darum schwer zu verwechseln. Aus Eberhard von Kuenheim wird nicht einfach Erkan Istanbullu, aus Thomas Gainsborough nicht einfach Thomas Vesting, aus Ludwig XIV. nicht einfach Ludwig XV. Diese Bilder organisieren Stellvertretung, Legendre nennt sie Garanten.
Tabellen sind niedrigere Bilder, in der Gattung schon niedrig, sogar so niedrig, dass die in den Inventionen des byzantischen Bilderstreites übersehen wurden. Sie sind in der Rgeln nicht verfasst, wozu auch, sie verwalten ja nur, meist sogar Regungen und Bewegungen, zeichnen also eher Bestände und ihre Wechselbarkeit auf, so d darin dann unbeständig. Sie haben selten bis nie Unterschriften. Wegen Kalendern und anderen Tabellen ist niemand das Risiko eingegangen, den Kopf ein- oder abgeschlagen zu bekommen. Thomas Hensel nennt solche Bilder schwache Medien und meint damit, dass sie leichter verwechselbar und austauschbar sind. Auch das würde ich mit kleinen/minoren Tafeln, kleinen/ minoren Objekten, kleinen/minoren Bildern assoziieren. Da kann an die Stelle Hegels auch Kant geraten und umgekehrt, kann die Position der historischen Rechtsschule so bewegt werden, wie die Mitarbeiter in der Abteilung Rechtstheorie zwischen den drei Arbeitsschwerpunkten sich bewegen können. Trennung, Assoziation und Austauschmanöver sind in minoren, kleinen und nideren Objekten unbeständiger. In rhetorischen Institutionen bezeichnet man das Subtile daran darum auch teilweise als frivol.
Wenn man die These vom iconic turn zeitlich und örtlich mobil verstehen, also davon ausgeht, dass ein turn/ eine Wende/ Regung als bildender oder bildlicher Vorgang, als graphische oder choreographische Kulturtechnik verstanden werden kann, dann überzeugen mich die Texte von Mitchell (der den Begriff bekannt gemacht hat) mehr, dann lese ich ihn als blühenden Ideengeber für die Bild- und Rechtswissenschaft und für die Geschichte und Theorie juridischer Kulturtechnik.
4.
Der Text, den Esser zu seinen Tafeln schreibt, klingt teilweise nach dem, was in Gratians Decretum lex saytrica genannt wird: Ein Schreiben von vielen Dingen zu gleichen Zeit, das satt erscheint. Vor dem Pluralismus war die Satyre.
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Essers Tafeln/ Juristen fabrizieren
Juristen fabrizieren und sie werden fabriziert. Cornelia Vismanns Geschichte und Theorie juridischer Kulturtechnik ist auch Geschichte und Theorie des Institutierens. Darin ist Institution nicht gegebene Macht. Auch wenn sie mit Vermögen und Gabe einhergeht liegt sie in artifiziellen, technischen Verfahren oder Routinen. Ich ziehe den Begriff des Instituierens dem Begriff der institutionellen Macht vor, weil mir dieser Begriff meine Fragen an Kulturtechniken schärfen lässt und mir besser beobachten lässt, was unterhalb der Schwelle des Rechts liegt und dennoch dabei kooperiert, Recht wahrzunehmen.
Das sind zum Beispiel Tafeln, denen ich öfters nachgehe - und auch in meinen Antrittsvorlesung am Beispiel eines Lehrbuches (also einer Institution) von Hermann Jahrreiß aus dem Jahr 1930 nachgegangen bin. Das oben abgebildete Beispiel stammt, wie die hier auf dem tumblr schon gezeigten Tabellen auf dem Geschäftsbuch meines Vaters (der damals im ersten Semester Jura in Mainz studiert), aus dem Jahr 1949, hier aus dem Lehrbuch von Josef Esser zu den Grundbegriffen, zu dem Susanne Paas, Ralf Seinicke und Florian Forster ebenfalls forschen.
Mich interessieren hier seine Tafeln und Tabellen. Wie Warburg, so hat auch Esser eine Vorstellung davon, dass die Wahrnehmung des Rechts polarisiert sei; wie Eduardo Viveiros de Castro in der kannibalischen Metaphysik, dass also diese Wahrnehmung auch irisiert sein kann (denn die Irisierung faltet in den Spektralfarben die Polarisierung auf). Wie Warburg und wie de Castro: das ist ein kleiner Vergleich, der etwas zu einer Berühung im Detail sagt. Viel sagt das nicht, aber ein Detail ist es, damit etwas, in dem nach Stolleis alles anders sein soll und in dem nach Aby Warburg der liebe Gott stecken soll.
Esser denkt Polarisierung im Detail auch als Normalisierung, das ist gar nicht schlecht gedacht, weil damit auch das Normale schon als polarisiert gedacht werden kann und Polarisierung nicht einfach als Spalterei erscheint, also etwa nach dem Muster, dass in eine Streit der andere immer der ist, der polarisiert. Mit einem Detail liefert Esser hier einen Beitrag zur Geschichte und Theorie polaren Rechts, das aber, nicht wie bei Warburg oder de Castro, unbeständig ist, sondern durch die Normalisierung auch beständig wird.
Boaventura de Sousa Santos wird in Brasilien einer der Anthropfagen, die Esser gefressen haben und verdauen. In seinem berühmten Text zu Pasargada erwähnt er den Tübinger, was mich erst erstaunt hat. Esser hat aber in dem Buch von 1949 in kurzen Hinweisen zur Multidisziplinarität neben der Psychologie auch die Anthropologie als eine der Disziplinen genannt, die der Rechtswissenschaft fruchtbar sein, sagen wir so: sie speisen kann. Darum ist es nicht so verwunderlich. Die Tafel, die er in seinem Buch als Abbildung 1 verwendet assoziiert ein Wissen der Optik mit dem der Psychologie, der Anthropologie und der Rechtswissenschaft, um ein Schema und ein Modell zu formen. Man kann dieses Modell mit anderen vergleichen, etwas mit denen Merleau-Pontys und Jacques Lacan, deren Tafeln in der Bild-und Rechtswissenschaft auch eine Vorstellung von Dogmatik und Instituierung geben soll, dazu wesentlich häufiger kommentiert wurden.
Esser nennt in den dichten Erläuterungen das Rechtsbewußtsein einen Spiegel der Rechtsidee. Die gespiegelte Idee wurde von rechtsbildenden Organen, die insofern auch als bildgebende Organe erscheinen, gesammelt, gebündelt und durch Gitterstäbe (nach Cornelia Vismann sind das Cancellierungen; nach Alberti wäre das ein Velum) polarisiert.
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Juristen fabrizieren
Juristen fabrizieren. Sie stellen nach Luhmann her- und dar, das nennt er Verfahren. Soweit das Verfahren eine Kunst des Händelns und Handelns sowie Kulturtechnik ist, forsche ich dazu. Wenn das Verfahren zum Beispiel mit Rhetorik, Mathematik, Poetik, Logik, Hermeneutik oder Ästhetik zu tun hat, dann forsche ich dazu, sagen wir so: dem Händel(n) und Handeln der Juristen (beide Genitive!).
Juristen fabrizieren nicht nur, sie werden auch fabriziert. Dazu forsche ich im Kontext einer Abteilung für Rechtstheorie. Meine Kollegin Susanne Paas und mein Kollege Florian Forster forschen, mit anderen Fragestellungen ebenfalls dazu. Susanne Paas forscht zu Josef Esser, Florian Forster zum sog. Richterstreit.
Fabrikation verstehe ich als Her- und Darstellung, sie kann produktiv oder reproduktiv sein. Analytisch lässt sich die Fabrikation in eine Reihe von Operationen zerlegen, Fabrikation ist insoweit operativ. Man spricht in der Literatur teilweise von Operationsketten. Man kann auch von Operationsreihen, nach Grimm sogar vom Operationsreigen sprechen, was besonders schön wäre, weil das dem Regen und Recht schon nahe kommt. Der Begriff der Fabrikation wird teilweise mit Industrie und Textil verbunden. Wenn man das tut, dann würde ich Industrie auch mit industria, also Luxus und Abundanz verbinden, nicht nur mit Überfluss, sondern auch mit Abfall, sei es eine negative Externalität oder ein sog. Nebenprodukt. Wenn man Fabrik mit Textilien verbindet, dann würde ich das auch mit Texten, Tüchern, Trachten und Mustern verbinden, sogar mit dem velum, einem Raster der Bildgebung. Wichtig wäre mir, dass Juristen nicht gleich beleidigt sind, wenn man sagt, dass sie fabrizieren und fabriziert werden. Das gleiche gilt, wenn ich vom Richten spreche, also zum Beispiel von Ein-, Aus-, An- und Abrichtungen. Auch wenn ich von der Disziplin der Juristen spreche, möchte ich niemanden beleidigen. Das sei vorsorglich gesagt, weil die freien Berufe und preußisch-protestantischen Beamte manchmal verschnupft darauf reagieren, wenn man sie nicht so beschreibt, als wären sie vom Himmel gefallen.
Weil die Staatsrechtslehre teilweise, etwa Vesting, einen falschen Eindruck von dem gibt, zu dem ich forsche, wenn ich zu Kulturtechniken forsche, muss ich etwas richtig stellen. Dazu werde ich nach dem Vorbild von Cornelia Vismann Material aus meinem Archiv präsentieren. Oben sieht man Auszüge und Vollzüge von Rechentechniken, die mit Hilfe von Tabellen und sog. doppelter Buchführung etwas wahrnehmen lassen, zum Beispiel den Stand der ökonomischen Dinge. Das sind die ersten Seiten eines Geschäftsbuches meines Vaters, das er mit Beginn des ersten Semesters in Mainz 1949 angelegt hat. Nach rhetorischen Institutionen und juristischen Begriffen kann man hohe und niedrige Tafeln unterscheiden, zu den rhetorischen Mustern habe ich in Bildregeln etwas geschrieben, Marta Madero in Tabula Picta zu den juristischen Unterscheidungen. Hohe Tafeln fassen zum Beispiel im Bildnis das Imaginäre eines Persönlichkeitsideals, so wie man ein Subjekt sehen soll und sehen will. Historisch ist das mit der stratifikatorischen Differenzierung verknüpft, man sieht nur die im Lichte und so erscheinen sie ideal und idealisiert, was Vesting nochmal gut vorgeführt hat, zum Beispiel an einem Bildnis, das Thomas Gainsbororough von einem Zeremonienmeister der englischen Flotte gemalt hat. Zur Idealisierung muss man den Händel (den Streit um das Bild und die Akten) ausblenden, damit, also niederem Material, befasse ich mich dann. Niedere Tafeln dienen eher nüchternen Zwecken, das sind oft schlicht Holzbretter oder Tabellen.
In Bezug auf juridische Kulturtechniken interessiere ich mich besonders für Objekte, im Moment wiederum besonders für Tafeln und Tabellen. Das liegt an meinem aktuellen Forschungsprojekt zu Warburgs Staatstafeln.
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On the making of Law/ Love in Chanceries
1.
Ein Kollege sagt einmal nach dem Tod von Cornelia Vismann, das Werk von Cornelia Vismann sei todlangweilig gewesen.
Das war damals von der Art jener kleinen achtlosen Randbemerkungen, die Freundschaften zerstören und Kriege auslösen können. Eine Raserei und Rage hat die Bemerkung ausgelöst. Oft verlieren nicht nur Leute ein Wort gegen das, was man liebt. Das, was man liebt verliert auch selbst, verliert gegen Worte, die dem Lieben und Leben entgegengestellt scheinen - und irgendwann verlieren sie alles auf Erden.
In der Raserei und Rage kann man den Kollegen, die achtlose und würdelose Worte gegen dasjenige verlieren, das man liebt, Unruhe bewahrend geschmacklose Worte um's Ohr hauen. Du Arsch habe ich mir gesagt, im Kopf ihm. Geradeso, ebenso habe ich die Fassung in zitternden Lippen zittern lassen.
Wer ein Rad abhat, kann Rad abhaben. Alles hilft nichts, nur kleine Schritte, nur minore Objekte helfen. In dem Fall hilft, die Bemerkung als ein Lob zu verstehen. Bei Vismann wird der Tod langweilig, durchaus, aber nur, weil man mit ihr den Tod langweilig erscheinen lassen kann. Sie lebt ohnehin nach, wen schreckt schon der Tod, wenn jemand so nachlebt wie Vismann? Canceln als Chance: Davon handelt das Buch über die langweilenste Kanzleikultur in Europa, über Rom, das Aktenbuch. Soll der Kollege sich mit dem Tod, mit Vismann langweilen: In Liebe und Law, Recht und Gesetz ist man ohnehin auf sich gestellt und auf sich außer Sinn und Sinnen.
2.
Gestern haben Manuel, Ricardo, Arthur, Sweti und Moses mit mir Tafeln gebrochen. Wir haben eine alte Tafel weggestellt, neue Tafel hingestellt. Dazu musste ich zum fantastischnamigen 'KFZ-Referat' an der Uni, die neue Tafel musste nämlich am Dom in Frankfurt abgeholt werden, gegenüber vom Italiener. Dafür brauchte ich einen Laster. Das letzte mal, als ich da war, da lebte Cornelia noch und an dem Tag wurde ein Esser (Joseph) zum Papst gewählt, ab da hieß er Benedikt Nr. 16.
Zwischendurch sind viele Jahre vergangen, aber an dem Tag war ich dann auch mit einem Laster vom KFZ-Referat unterwegs, weil ich ein Atelier in Wuppertal auflösen und lauter, einen Haufen Bildtafeln nach Frankfurt bringen musste. Auf der Autobahn hörte ich im Radio Habemus Papam - und bin zufälligerweise auf die irre Idee gekommen, als erstes Cornelia anzurufen.
Vismann, hallo?
Hallo Cornelia, wir haben einen neuen Papst, hier spricht Fabian.
Östliches Pastorentöchterchen und sogenanntes Plakattier Vismann. Die hat sich am Telephon gar nicht eingekriegt vor thrakischem Lachen, dass ich ausgerechnet sie angerufen habe, um ein bisschen Aufregung zu teilen.
Hast Du ein Rad ab, mich deswegen anzurufen?
Bin gerade auf der A 3, Wuppertal Richtung Frankfurt, kann sein.
Ruf doch lieber später noch mal an.
Hach, Canceln! Hach, Gerechtigkeit als Zufall, so soll es sein, alles just by coincidence.
3.
Vismann ist tot, lange lebe Vismann. Zufälligerweise, umwegigerweise gibt es jetzt eine Institution, ein 'Institut' für die Forschung, die Vismann initiiert hat, genau an dem Ort, an dem sie ein paar Jahre gearbeitet hat.
Zwischendurch mal alles weg, gut so, aber einem Weg ist ohnehin egal, ob er gut ist, er will doch sowieso weg. Jetzt, nur eine kurze Phase lang mit vielen Jahren, die immer zwischendurch vergehen, gibt es am Max-Planck-Institut Forschung, die den Namen Vismann hochhält, wie ein Schild, wie ein Digma und ein Dogma.
In diesem Jahr gab es den ersten Workshop zu Recht und Anthropofagie, Vorträge und Workshop in Brasilien, wo die Neugierde groß ist, wo man vor allem auf produktive und irritierende Weise immer schon mehr über das weiß, als was die Vortragenden bewußt so und nicht anders mitbringen. Das ist ein Zauber Brasiliens, vermutlich auch anthropofage Praxis: Man trägt jenem professionellen Publikum bewußt so und nicht anders vor, das auf nicht hemmende, sondern bezaubernde Weise sowohl signalisieren kann, dass es mehr vom Thema weiß, als man gerade sagt und ihnen vorträgt und die gleichzeitg große Neugierde signalisieren, ob man das denn auch schon weiß, was sie mehr wissen. Lockendes Publikum, ein verführerischer Luxus! Immer wissen sie weiter als der, der vorträgt.
Im Vortragen fallen einem dort lauter Sachen ein, von denen man noch gar nicht wußte, dass man sie vorträgt oder überhaupt etwas von ihnen wußte. Verrückt, dafür bezahlen die einen noch, zahlen Flüge und Hotels, führen einen aus, gutes Essen und Strand - und natürlich law clinic unter Palmen, perfekt.
I wish you were here, i wish you where there: Vismann, weil Vismann die Technik des Cancelns so gut ausüben und wahrnehmen konnte. Das Buch über die Akten oder dasjenige Vom Griechenland, dasjenige über das Schöne am Recht: Ich lese, also messe, misse und vermisse ich. Gibt es was Schöneres auf der Welt als Frauen, die einem schreiben? Gibt es was brutaleres, grausameres und schrecklicheres auf der Welt als Frauen, die einem nicht schreiben?
In der Schönheit gibt es, wie im Recht und der Liebe Hitparaden, immer wieder Schlag auf Schlag. Mit Superlativen sollte man vielleicht nicht um sich schmeißen, den Peinlichkeiten entgeht man auch ohne so eine Superlativschmeißerei schon oft genug nicht.
4.
Was mir erst jetzt, nach zig Jahren auffällt: Dass Cornelias Buch die Zweisprachigkeit braucht - und zwar eine Zweisprachigkeit, die bigendert und die binational ist, dabei aber römisch gesprochen wird.
Das ist eine Entzweiung der Sprache, die polarisiert, weil in der Übersetzung die Worte zu Gegenworten pendeln. Die Theorie vom Gegensinn der Urworte macht insofern Sinn, wenn man sie sowohl beim Wort nimmt als auch bildlich versteht. So verliert sie auch ihren Sinn, wie sie ihn macht. Am Anfang der Medien des Rechts ist Thomas Vesting Vismann ausgewichen, als er geschrieben hat, der Umkreis um Kittler bringe zu schnell, zu bald (die wörtliche Formulierung ist entscheidend, sie ist auch bildlich entscheidend, präzise lasse ich sie hier aus, um sie in ihrer Präzision und Paraphrase zu würdigen) Medien in Zusammenhang mit Macht. Vesting hat inzwischen auch Institutionen angepeilt, die Vismann mit dem Verb Instituieren angepeilt hat. Entweder zu früh, entweder zu spät, saturiert und darum satyrisch kommen alle daher und laufen vorbei.
Auf einer Tagung, die wir in Weimar unter dem Titel Instituieren organisiert haben, gab es, was sonst?, Anstösse und Anstössiges, eine Kritik der rein Vernünftigen und ihrer Badezusätze, der Waschbären. Viele Jahre sind vergangen, da kann man gerissene Fäden gut wieder aufgreifen und nach dem Verhältnis zwischen dem Instituieren als einer Technik und einer institutionellen Macht fragen.
Institution wäre dann etwas, was warten oder erwarten lässt, weil es als Gegegebenheit oder Gelegenheit erscheinen kann, als Zufall zum Beispiel. Das ist nur so eine Annahme, nichts als eine Annahme.
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Kreisen
1.
Warburg ist wie Foucault ein Archäologe. Seine Untersuchungen zum Nachleben der Antike werden phobisch begleitet, wenn man so will: von Sorgen. Das ist die Ikonophobie oder besser gesagt die Phobie, die nicht die Angst oder Furcht, nicht die Liebe oder das Glück, die nicht die Rage oder die Wut ist, sondern deren Regung, die Regung aller lustvollen und lustleeren, unlustvoll und unlustleeren Affekte, Gefühle, Triebfedern und Willen. Das Motto zu dieser phobischen Begleitung lautet für Warburg seit den ersten Entwürfen für die "Grundlegende Bruchstücke"_ Du lebst und thust mir nichts. Wie Foucault der Sorge in der Antike nachspürt und sich dabei mit der Stoa beschäftigt, beschäftigt sich Warburg mit einem Distanzschaffen, das Kultur- und Körpertechnik ist und mit Unbeständigkeit umgehen soll. Warburg entwickelt dabei einen Sinn für eine Technik, die man Kreisen nennen kann und deren Züge elliptisch sind. Damit kommen in ihnen ausgelassene Objekte vor, die minoren Objekte. Man fürchtet sie vielleicht wie der Kürassier das Rauschen im Walde, aber wenn sie auch schon keine Lösungen anbieten, dann doch Lässigkeiten.
2.
Warburg entfaltet das Kreisen stumm, nicht in einer Begriffsarbeit, sondern in der Praxis mit Bildern, einer Arbeit an Bildern, insbesondere der Anordnung von Bildern auf Tafeln. Und doch ist das Arbeit am Objekt, und die ist so scharf und genau, dass es keinerlei Aufwandes bedarf, um von dort als Arbeit am Begriff weitergeführt zu werden.
Die Vita Beata von Seneca bitte schon in den erste Pasagen zwei Begriffe, zu denen Warburg arbeitet: vita und circumspicere. Warburg ist damit einer der Autoren in der Moderne, die eine Operationalisierung von Differenz, iher normativen und formatierenden Operationen, als Kreisen fasst und der von da aus mit Gabriel de Tarde, Gilles Deleuze, dem schon genannten Foucault oder Latour verglichen werden kann, aber sicher auch mit denen, die das Kreisen weitgehend apollinisch fassen, also etwa Josef Esser oder Hans Georg Gadamer.
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