#theoriemosaik
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História e teoria de uma lei inconstante e polar
Die Vorlesung in Recife ist ein kleiner Kurs, ein sogenannter Minikurs, der im ersten Teil das Institut vorstellt, für das ich arbeite und das man als ein Institut für advanced studies verstehen kann, weil es dort vorangehen soll. Auf, auf:
1.
Am Max-Planck-Institut für Rechtsgeschichte und Rechtstheorie hat Marietta Auer mit Mitteln des Leibnizpreises ein Projekt unter dem Titel Theoriemosaik eingerichtet, das im Schwerpunkt rechtstheoretische Forschungen bündelt, die an bricolage, Ästhetik und Historizität interessiert ist.
Theorie halte ich für einen Effekt des Umstandes, dass eine Göttin oder aber ein ausschlagendes Wesen geschaut hat und man seit dem meint, das auch tun zu können, auch einmal schauen zu können. Den Begriff der bricolage assoziiere ich mit der anthropologischen Lehre, also der Annahme, dass alles das, was hier vorkommt, auch da vorkommt, nur in anderen Reihenfolgen oder Sequenzen. Die deutsche Übersetzung des Buches von Lévi-Strauss wählt für den Begriff bricolage das Wort Bastelei. Ich übersetze das Wort mit Kulturtechnik und denke, wie Lévi-Strauss, an beliebige Kulturtechniken, also auch Kulturtechniken, die beliebig sind und die insofern zum Einsatz kommen, wenn es darum geht, Recht wahrzunehmen und auszuüben, die aber auch völlig anders zum Einsatz kommen können - und mit denen das Recht darum unbeständig, relativ, perspektivisch, (ver-)wechselbar und dabei immer scharf, bestimmt, verbindlich und limitiert bleibt. Juridische Kulturtechniken kooperieren bei der Fabrikation des Rechts (beide Genitive sind gemeint) - und diese Kooperation ist widerständig und insitierend.
Bei dem Begriff Ästhetik denke ich an ihre Geschichte, bevor sie im Rahmen der Nationalisierung zur deutschuniversitären Systemphilosophie wurde. Ich denke also eher an die Manuale, Techniken, an Muster, Rezepte, Beispiele, Sammlungen, Vorbilder und Praktiken, um Erfahrung zu machen und darin Passion (Leidenschaft oder ein Erleiden) in Aktion und umgekehrt Aktion in Passion zu wenden. Ich denke bei Ästhetik also auch an Kulturtechniken, die etwas wahrnehmen und ausüben lassen. Bei Historizität denke ich an sedimentäre Geschichte und seismische Aktivität, an das Nachleben der Antike und Trajans Gerechtigkeit sowie an Baseler Archäologie und ihre Folgen.
Das Projekt Theoriemosaik bietet an, an das mosaische Gesetz zu denken, also auch an abrahamitsche Wesen (wie Bartleby oder Anna Katharina Mangold um zwei beliebige Beispiele zu nennen), an Testamente und brüchige/ gebrochene Tafelgesellschaften, an Auszüge und Vollzüge. Theoriemosaik bietet aber auch an, an die Musen, das Musische, die Musik und damit an das zu denken, was zählt. Passt mir alles gut in den Kram, ehrlich gesagt: wie maßgeschneidert für das, was ich gerne tue und tun muss, weil es sonst niemand macht.
2.
Mein Forschungsschwerpunkt liegt in dem Verhältnis zwischen Bild und Recht sowie Bild- und Rechtswissenschaft. Manche halten das für zwei Gegenstände, andere für einen Gegenstand, die Auseinandersetzung darum kann man Bilderstreit nennen. Dieser Bilderstreit hat Geschichte. In meinem jetzigen Projekt zu Aby Warburg interessiert mich die Moderne, d.h genauer die Zeit zwischen Sommer 1896 und Herbst 1929. Die Phase beginnt mit einer kleinen Kreuzfahrt auf einem Schiff, einem Gespräch zwischen Aby Warburg und dem Juristen (und späteren Professor für Rechtsvergleichung) Sally George Melchior über das römische Recht, sie endet mit Aby Warburgs Tod am 26. Oktober 1929, als er an den Staatstafeln und damit an einem Protokoll und Kommentar zu den Lateranverträgen arbeitet. Meine These ist insoweit, dass diese Phase den exakten Zeitrahmen bildet, in dem Aby Warburg zum Rechtswissenschaftler wurde, selbst wenn er niemals an einer juristischen Fakultät eingeschrieben war und nie der Wahrheitsform gerecht wurde, die manche (Staats-)Examen nennen.
Warburg ist in Bezug auf das Recht kein Autodidakt. Das zu unterstellen hieße nämlich anderseits, zu unterstellen, dass die universitäre Rechtswissenschaft im Rahmen ihrer Didaktik ein epistemisches Monopol besäße, das tut sie aber nicht. Sie gibt sich so, das ist eine Illusion, also etwas, mit dem man durchaus eine Zukunft haben kann, wenn auch wie immer eine unsichere und limitierte Zukunft. Die Rechtswissenschaft ist aber eingespannt in eine Wissensproduktion, die multinormativ (Thomas Duve) und multidisziplinär (Marietta Auer), weiter auch multiplizit ist. Diese Wissenschaft kreuzt und versäumt andere Wissenschaften - und ein Wissen, das anders operiert als es universitäre Wissenschaft oder einer der nationalen und bürgerlichen Modelle von Universität nahelegt. Wenn die juristische Fakultät nicht autonom und autark operiert, dann ist Warburg auch kein Autodidakt in der Rechtswissenschaft. Er ist mündig und wild, zieht damit noch den anarchischen Wind (Edgar) an.
3.
In einem Text, der auch klein oder sogar mini sein soll, nämlich in der kleinen Geschichte der Photographie, schreibt Walter Benjamin einen berühmten Satz, er zitiert dort:
"Nicht der Schrift-, sondern der Photographieunkundige wird, so hat man gesagt, der Analphabet der Zukunft sein."
Bindet man die Rechtswissenschaft an das Gesetz und, wie das in einem wunderbaren Buch Ino Augsberg exerziert hat, das Gesetz an die Lesbarkeit, dann sollte man auch diesen Satz aufgreifen und in Bezug auf Warburg noch einmal zuspitzen, weil es bei Warburg auch um Graphien geht, die mit dem Licht arbeiten können, über das Photographische hinaus aber noch um Bilder, durch die Bewegung geht und die darum kinetische, kinematographische oder choreographische Bilder sind. Das sind bewegte Bilder, bewegende Bilder und schließlich das, was Deleuze das Bewegtbild nennt. Also zugespitzt für die Moderne: Nicht der Schriftunkundige, sondern der Unkundige bewegter und bewegender Bilder (der Kinemato- und Choreographieunkundige) wird der Analphabet der Zukunft sein.
Statt von Bewegung spreche ich im Kurs, weil ich schon auf die Affinität zum Recht schiele, von Regung und vom Regen, dem Regen - also einer Regung, die man auch meteorologisch verstehen kann, weil auch sie unbeständig ist, nämlich vorläufig und vorübergehend, vergehend und darin schwer berechenbar bis notorisch unkalkulierbar. Begrifflich meine ich unbedingt das Regen, wie es in anregenden Fällen und Gesetzen, aufregenden Urteilen, erregenden Entscheidungen oder Verbechen und schließlich in abregenden Kompromissen und Vorschlägen mitläuft.
Ob ich darum den Regen nur metaphorisch meine? Bis vor kurzem hätte ich gesagt: ja sicher. Johan Horst mit seiner Forschung zur Verfassung des Natürlichen zum Recht hat mit aber klar gemacht, dass mit den Konflikten der Neometeorologie Modellbildungen in der Rechtswissenschaft Austauschmanöver initiiert, die auch den Status der Begriffe und Metaphern ändert. Meine indischen Kollegen erinnern mich daran, dass dort für Recht und Regen (wie für Recht und Reigen) die selben Begriffe benutzt werden können. Die neue Meteorologie könnte eine andere alte Meteorologie sein, eine Pendel des Wissen, in dem Antike nachlebt.
Den Regen meine ich also nicht nur metaphorisch, wenn ich vom Bildregen spreche. Bildregeln sind ja auch Regeln, die aus Bildern bestehen können (etwa, wenn die Vorbilder, Modelle oder Beispiele geben) und nicht unbedingt aus Sätzen bestehen müssen. So kann Bildregen auch aus Regen bestehen (sogar Edvard Munch hat das an berühmten Beispiel vorgeführt).
Bilderflut ist ohnehin 'eine alte Geschichte' und wem sie jüngst passierte (wem jünst damit wieder mal ein apokalyptischer Schrecken eingejagt und eine Melancholie über den Verlust des Rechts erregt wurde), dem bricht das Herz entzwei. Ich spreche bestimmt auch Starkregen, liegt in Recife ja auch nahe, wo hier fast an jedem Morgen die Wolkentürme mit dem Gewicht großer Elefantenherden während eines Augenzwinkerns auf den Boden klatschen, Häuser wegspülen und dabei regelmäßig Hund und Mensch ertränken. Ob der Regen, der dann Rechte fabriziert, etwa neues Baurecht oder neues Polizeirecht, neue Umweltrechte, neue Hunde- und Menschenrechte, dann eine Rechtsmetapher oder zum Rechtsbegriff wird, auch die Auseinandersetzung wird man Bilderstreit nennen können - und es bleibt ein Streit darum, Rechte wahrnehmen und ausüben zu können.
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Theoriemosaik
Marietta Auers Projekte, die mit den Mitteln des Leibnizpreises gefördert werden, werden im Schema der Theoriemosaik gesammelt. Meine Arbeit wird davon finanziert, unter anderem.
Theoriemosaik ist nicht nur eine Anschauungssache, nicht nur eine Anhörungssache: alles, was in die Teilung der Sinne involviert ist, kann zur Theoriemosaik beitragen. Mosaisches, Musisches, Moses und Aaron von Schönberg zum Beispiel oder Fragen der Harmonie. Am 13. Dezember wird Marietta Auer ihre Antrittsvorlesung in Frankfurt halten, wir werden berichten.
musical instruments and music theory
illustrations for boethius' 6th c. treatise "de musica", einsiedeln, 10th century
source: Einsiedeln, Stiftsbibliothek, Codex 358, p. 144, 214, 206, and 213
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Theoriemosaik
1.
Aus den Mitteln des Leibnizpreises hat Marietta ein Projekt geformt, das den Titel Theoriemosaik trägt. Dieses Projekt verbindet sie unter anderem mit einem Interesse an einer Wissensproduktion, die seit Lévi-Strauss' Buch über das wilde Denken (1962) mit einem wilden Denken, mit einer Wissenschaft vom Konkreten, sogar mit magischem Denken assoziiert wird - und die unter dem Begriff der bricolage kursiert. An diesem Begriff hängen komplexe Bezüge, auch solche, die zum Beispiel zu Warburgs Arbeiten über Bilder, seine Tafeln, die ' Gestellschieberei' sowie das magische und wilde Denken zurückreichen. Über die Vorstellungen des Wilden, des Konkreten, des Magischen und der bricolage ist viel zu sagen, sehr viel - viel ist zu übersetzen, auch viel von dem Kapitel, das Lévi-Strauss zuerst 1962 veröffentlichte. Viel ist zu vergleichen, viel ist in Beziehung zu setzen. Die deutsche Übersetzung hat für das Wort bricolage das Wort Bastelei gewählt. Man will vielleicht erst schlucken, moment, das kann gar vielleicht gar nicht so schlecht gewählt sein. Lévi-Strauss verbindet die bricolage sowohl mit der Spekulation als auch mit der Wissenschaft, nennt diese Wissenschaft sogar 'erste Wissenschaft', ganz nach dem Vobild der aristotelischen Metaphysik - und verweigert ihr den Titel einer primitven Wissenschaft. Inzwischen kursieren Begriffe des praktischen Wissens und der Wissensproduktion, die sich vom Begriff der Wissenschaft absetzen sollen - das findet man in dem Kapitel von 1962 nicht.
Bricolage mag eine Nähe zu dem haben, was man auch Montage nennen kann, und von dem ich glaube dass das ein Teil juridischer Kulturtechniken ist (Vom Scheiden, 2015). In einem längeren Versuch, der Antrittsvorlesung, spielt der Begriff der Montage vor allem in einem Kapitel über einen Anwalt und das Kino eine Rolle. Vor allem aber die Gliederung der Vorlesung ist wichtig, um zu schärfen, was es mit einer möglichen Nähe zwischen der Vorstellung von bricolage und (m)einer Vorstellung von Kulturtechnikforschung auf sich hat. Diese Vorlesung reihte nämlich drei Beispiele, drei Exempel wie reizende Spielkarten aneinander, das Kapitel über den Anwalt und das Kino (Reden schneiden) war das zweite Beispiel. Es ist wichtig, sich über den systematischen Zusammenhang oder die Chronologie dieser drei Beispiel wenig und kurz Gedanken zu machen; ist einmal ein Beispiel wie ein Zug eröffnet, dann ist es aber wichtig, sich über die Details möglichst viel Gedanken zu machen. Der Zauber, der für mich von dem Begriff der Kulturtechnikforschung ausgeht, ist der Zauber von Details, die ohne Rücksicht auf die Wahrung systematischer und abstrakter Prospekte entfaltet werden können.
2.
Das ist m.E. der Zauber, den der Lévi-Strauss Schüler Eduardo Viveiros de Castroauch mit dem Begriff der kannibalischen Metaphysik verbindet und den er als Magie kleiner Trennung, Krümmungen und Irrsierungen beschreibt. Man muss ergänzen: nicht nur die kleinen Trennungen (die kleinen Unterscheidungen) sind magisch und bezaubernd (das beschreibt auch Lévi-Strauss in dem Buch von 1962 faszinierend). Auch die kleinen Assoziationen und die kleinen Austauschmanöver sind faszinierend. Die systemsprengenden Details sind faszinierend, die ungehörigen Exempel, die listig sich windenden und entziehenden Einzelheiten, die Schweife sind magisch und bezaubernd. Von Cornelia Vismann wird meist in Bezug auf ihre Arbeiten zu Recht und Kulturtechnik ein kurzer Text unter dem Titel Kulturtechnik und Souveränität zitiert. Das liegt vielleicht an einem Rat, den auch ich einmal bekommen habe. Einer der Ausbilder an der Uni sagte, es käme nur auf die Titel von Texten an, den Rest würden die Leute eh nicht lesen, also solle ich mal in einem Titel einfach mal Formulierungen wie Verwaltungsakt oder aktuelle Probleme der Rechtsprechung fallen lassen, dann über meine eigentliche Forschung schreiben, lesen würden die Leute das eh nicht - und so seien alle aber in Berufungsverfahren zufrieden.
Der Text von Cornelia Vismann handelt von den Perspektiven, die eine Forschung zu den Kulturtechniken und dem Recht bietet. Der Text leistest so ein Forschen selbst aber nicht, das ist ein Manifest, das ist wie ein Bewerbungsvortrag, mit dem ein Programm nur entworfen wird. Sie erwähnt dort zum Beispiel, wie oft, das pomerium, aber lässt doch nur Anmerkungen fallen, statt wie in den Passagen aus dem Aktenbuch Details seiner Linien nachzugehen. Will man was von dem Zauber einer Wissenschaft vom Wilden, Konkreten und Magischen, dann soll man auf das Buch zu den Akten, dem zu den Medien der Rechtsprechung, die verstreuten Aufsätzen oder auf die Zetteln zurückgreifen. Immer dann, wenn Vismann den Details nachschnüffelt (etwas einer Linie auf der Seite, auf der Kafkas Geschichte des Mannes vom Lande erstmals veröffentlicht wurde oder aber Mikrofonkabeln), dann gleicht die Bewegung ihrer Forschung der Bewegung der Schnauze meines Dackels Moses, wenn er Spur aufgenommen hat. Das ist keine direkte Bewegung, Moses schnüffelt nicht gradlinig, der nimmt in solchen Kurven und Krümmungen Witterungen auf, die sich weder vor dem wilden Denken verstecken müssen, das man nun bricolage nennt, noch vor dem barocken Wissen verstecken müssen, das man mit Leibniz, der Differentialrechnung oder dem Begriff der Falte verbindet. Das ist ein magische Bewegung: Nichts steht von vornherein fest, dennoch ist die Bewegung durchweg gerichtet (Moses ist einer der besten Kartographen Frankfurts) und so sieht die Bewegung machmal auch dann (gerade dann) aus wie ein Film, den man zurückspult, wenn Moses sein Voranpreschen intensiviert. Die Regung ist geballt und bolisch. Aber wem sag ich das? Lévi-Strauss hat das 1962 schon scharf erwähnt. Der Hund, die Bälle, die Bande: alles das kommt schon vor und wir haben das ja alle gelesen.
3.
Diese Magie und die Effektivität der Details ist in der Kulturtechnikforschung mit den nüchternen Begriffen der Operationskette und des Operationsfeldes verknüpft, aus vielen Gründen. Die Effektivität der Details (ihr Dienliches, Sekundäres, Folgendes, Speisendes) lässt sich mit dem Begriff der Tafel verknüpfen, Georges Didi-Huberman macht das in seinem Buch über Warburg , den Atlas und eine fröhliche, unruhige Wissenschaft, er verwendet Operationsfeld und Tafel synonym
Die Kette der Operationen: warum nicht vom Tafeln sprechen, um den Vorgang zu beschreiben, mit dem innerhalb des Operationsfeldes etwas vollzogen wird? Na gut, man muss nicht immer eigensinnig die Begriffe umwidmen. Bricolage/ Details/ Tafeln: die Rede ist von einem Auszug und einem Vollzug: Die Bastelei ist nicht unlimitiert, wie die Details sind nicht endlos, die Tafel, das Tafel: das alles ist so limitiert wie die Operationsketten oder das Operationsfeld. Das Merkmal, von dem der Zauber ausgeht, ist keine Anarchie, keine Heterarchie, keine Heterogenität, obschon das alles vorkommen kann, nur kann eben auch alles andere, auch Gegensätzliches, also auch Beherrschung, Hierarchie und Homogenität vorkommen. Also was dann, was ist das Merkmal, von dem der Anthropologe so fasziniert scheint wie ich von den Impulsen Vismanns oder wie sie von manchen Studien Latours? Mit Warburg würde ich sagen, dass es die 'melancholische, polare, meteorologische Gestellschieberei' ist, mit de Castro: die Unbeständigkeit.
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Theoriemosaik, mosaisch, musisch
1.
Theoriemosaik ist ein Titel, den Marietta Auer gewählt hat. So ein Titel dient unter anderem dazu, Projekte zusammenzubringen, also Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler anzulocken, ihnen Raum und Zeit zu geben, um an der Forschung der Abteilung und des Institutes aktiv und passioniert teilzunehmen. Das Institut befasst sich mit Rechtsgeschichte und Rechtstheorie. Auers Abteilung fokussiert Theorie und legt den Schwerpunkt auf das Privatrecht.
Am Privatrecht interessieren die Grundlagen, die Theorie und der Vergleich. Eine Schlüssselvorstellung am Institut lautet MultiPliCity, die Auer als Multidisziplinarität fokussiert. Theoriemosaik gibt dem Programm einen dichten Titel, also mehrfach deutbaren Titel. Man kann den Titel wörtlich verstehen, bildlich, abstrakt und konkret. Solche Titel haben auch eine werbende Funktion, das heißt aber nicht, dass sie rein äußerlich sind, sie sollen auch wirbeln und Wind machen, den Mitarbeiten den Kopf durchpusten. Sie sind auch Programm und Teil einer wissenschaftlichen Poetik oder Poiesis, die Forschung strukturiert, zum Beispiel Forschungsgegenstände konturiert und Verfahren austreiben lässt.
Ein Titel wie Theoriemosaik mag heteropoietisch klingen, nicht autopoietisch, er ist nicht unbedingt selbsterklärend oder selbstverständlich. Gut so, denn er soll Forschung initieren, die mit Multiplizität zu tun hat. Versteht man Theoriemosaik wörtlich, ist es einfach, die Bodenmosaik aus der Hafenstadt Otranto (s.o.) auch als Theoriemosaik zu verstehen. Diese Mosaik ist Grund und Einrichtung im Süden, hier ist sie ein Beispiel. Nicht ganz so schnell mögen rechtliche, privatrechtliche Fragen auftauchen. Ein berühmter Jurist (der auch über Kausalität im Süden geschrieben hat) hat zwar über diese Mosaik in Otranto etwas geschrieben, aber der soll erstens Verwaltungsjurist, zweiten Gesellschaftstheoretiker, drittens Systemtheoretiker sein, und er schreibt über diese Theoriemosaik in einem Buch über die Kunst der Gesellschaft, aber doch nicht in dem Buch über das Recht der Gesellschaft. Wenn jemandem sicher wäre, dass das nichts mit Privatrecht zu tun hat, dann wird unsere Forschung eventuell nicht verlockend erscheinen.
Wenn man davon ausgeht, dass Grundlagen des Rechts und Theorie und Vergleich doch keine Begriffe wären, die man wörtlich nehmen müsse, sondern dass es nur und nichts als Metaphern wären und darum Grundlagen nichts mit Architektur, städtischem Raum, Vielzweckhallen und Messehallen, mit entfernten Bodenstrukturen und Einrichtungen im Süden zu tun habe, dass Theorie nur eine Metapher ist, die weder mit göttlicher oder auch nur hoch distanzierter Wahrnehmung oder Supervision/ Überblick zu tun hat, dass Vergleich doch nur eine Metapher ist und man das nicht wirklich als Auseinandersetzung mit unterschiedlichem Wissen, unterschiedlicher Wissenschaft und unterschiedlichen Verfahren zu verstehen hat (der Vergleich also auch nichts Ungleiches in den Blick nimmt und das tertium comparationis, der Dritte also immer schon feststeht), dann fällt einem vielleicht schwer, zu verstehen, warum Marietta Auer diesen Titel gewählt hat. Wenn man aber in allem dem Unsicherheiten, Neugierde und Klärungsbedarf erkennt, könnte der Begriff Theoriemosaik verlockend sein.
2.
Marietta Auers Arbeitsweise kommt aus dem Privatrecht, nicht aus dem öffentlichen Recht. Das fällt mir an einem Punkt schnell auf: Solche Titel wählt sie, weil sie von der Abteilung auch erwartet, dass niemand seine Interpretation des Titels von der Autorisierung durch Marietta Auer abhängig macht. Sie verträgt viele Begriffe und will sie nicht unbedingt regieren. Das kenne ich doch teilweise auch anders, man trifft sonst auch Typen, die Interpretation nur als autorisierte Interpretation akzeptieren.
Was ist meine Aufgabe? Ich bin als senior researcher einer der Schäferhunde, also ein pastoral-kynisch tickender (insoweit besonders dogmatischer) Gefährte (im Sinne von Donna Haraway) der Theoriemosaik. Die Schäfchen, also die betreut werden sollen und betreut werden wollen, die betreue ich bei Bedarf mit, dann laufend, kreisend und lärmend. Mir kommt der Titel Theoriemosaik gelegen, nicht nur, weil mein Forschungsschwerpunkt die Bild- und Rechtswissenschaft ist und ich die Mosaik für eine fantastische Konstellation aus Mosaischem und Musischem halte. Theoriemosaik ist nämlich eine scharfe und wohl überlegte Figur, die Ungewissheit, Neugierde und Klärungsbedarf sehr spezifisch strukturiert.
3.
Die Mosaik deute ich zuerst mosaisch. Eine Mosaik lässt also wahnehmen, was man auch Tafel und Gesetz nennt. Sie ist auch eine Gesetzestafel. Sie ist dazu noch musisch, lässt also auch wahrnehmen, was an den Informationen über Tafeln und Gesetze auch rauscht, singt, trinkt, isst/frisst oder reigt, dazu später mehr.
Das Mosaische ist eine Angelegenheit höherer und höchster Wesen. Von höheren und höchsten Wesen wurde gedacht, dass erstens die Menschen ihr Ebenbild und sie wiederum anthropomorph oder anthropobolisch seien. Zweitens wurde von höheres und höchsten Wesen gedacht, dass ein höchstes Wesen ein einziges und einzelnes , dass dieses höchste Wesen zwar eins sei, aber dreifaltig, also in kleiner Anzahl multiple (die drei ist eine kleine Zahl) sei.
Wurde überall so gedacht? Im zuletzt an diesem Institut sogenannten Europa wurde das bestritten, also gehändelt und verhandelt. Gemeint war mit Europa nicht einfach das, was innerhalb des Umrisses einer kontinentalen und zerklüfteten Landspitze zu einer Ansammlung von Nationalstaaten wurde. In einem historisch und theoretisch anspruchsvollen Sinne was Europa Teil des "Mittelmeerbeckens" (Warburg), des Schwarzen Meers, sogar des Kaspischen Meers und des Atlantiks. Europa war Land und See, Troja liegt da, und Moses, der Ägypter, der taucht dort auf. Derrida hat darauf hingewiesen, dass dieses Europa zwar im Westen an einem Kap scharf konturiert endet, dort aber eine Schleuse sich öffnet, die mit dem Titel Plus Ultra versehen ist. Im Osten wiederum franst dieses Europa aus, was vermutlich die Vorstellung genährt hat, die im Osten würden übertreiben, während die im Westen sparsamer und begrifflich tugendhafter und asketischer wären.
Otranto ist ein Beispiel, Otranto ist eine Hafenstadt. Die Theoriemosaik, die dort in einer ehemaligen Vielzweckarchitektur, einer Messehalle (einer Basilika) entworfen wird, mag in Europa vertraut sein, kommt aber weit aus dem Osten, aus Gebieten, die man auch Kleinasien oder naher Osten nennt, teilweise ist umstritten wie man sie nennt. Es gibt sogar Versuche, die Benennung strafrechtlich zu ahnen. Man dürfe sagen, dass die Gegend frei sein soll, aber dann dürfe man sie nicht Palästina nennen sondern müsse sie Israel nennen. Theoriemosaik ist Theoriemosaik, durchaus mit bildungsbürgerlichem Zitatenschatz, aber mit rechtlichen und teils sogar tödlichen Konsequenzen in der Gegenwart. Soweit zum Mosaischen von Theoremosaik. Wir forschen zum Multiplen, nicht weil wir denken, dass nichts mehr Mono läuft, ganz im Gegenteil. Die Welt ist nicht fragmentiert, nicht auseinandergebrochen, die Trennungen zur Vergangenheit oder die zum Osten wurden nicht unbedingt größer. Die Welt hat kontrahiert und distrahiert, sie kontrahiert und distrahiert auch weiter. Die Abstände zur Vergangenheit und zum Osten werden dabei mal größer gemacht, mal kleiner. Multiplizität ist ein Vorgang, der sich zwar auf die Seite der Vermehrung schlagen kann, aber auch auf die Seite der Verminderung. Damit sind wir auch beim zweiten Aspekt einer Theoriemosaik, nämlich den Musen und dem Musischen.
4.
Das Musische der Mosaik deute ich musisch. Die Wesen des Musischen gelten in Zonen, zu denen Otranto seine Theoriemosaik entworfen hat, nicht unbedingt als höhere oder höchste Wesen. Musen, Sirenen, Nymphen oder Satyre gelten auch als 'adamtische' und 'evaistische', als wilde, parasitäre, situationistische (unbeständig lettristische, also weder begreifende und literale noch besonders gebildete und ideale Wesen). Die greifen und lassen sich betouchen, aber nicht begreifen. Die führen sich sogar exhibitionistisch vor,lassen sich sogar als Akt nackt anschauen, sollen darum aber auch eher ungebildet, keine Vor- oder Leitbilder und keine Ideale sein, schon gar keine "Persönlichkeitsideale" (Vesting). Musen, Nymphen, Satyre gelten als niedere Wesen. Die Sinne, die sie teilen, gelten als niedere Sinne. Wenn niedere Wesen (Minore) Recht wahrnehmen, so soll das nach Ansicht einiger Asketen etwas anderes als Nutzen sein, eher so etwas wie Trieb und Genuß.
Wenn das Mosaische höhere Epistemologie, höhere Anthropolgie und höhere Jurisprudenz befördert haben soll, dann soll das Musische minore Epistemologie, minore Anthropologie (Latour/ Viveiros/ Hage) und minore Jurisprudenz (Vismann) befördert haben. Das Musische ist dem Begehren, Verkehren, Verzehren, dem Fegen/ Werben/ Wirbeln und Querulieren, dem Rauschen, dem noise und der noiseuse, der schönen Querulantin, affin. Auf den Staatstafeln , die Aby Warburg 1929 zu den Lateranverträgen entwirft, tauchen eine Reihe solcher musischen Figuren auf, sowohl im Bild der Messe von Bolsena (dort als Querela) als auch in der Arenakapelle (dort als spes), auch in dem protestantischen, antisemitischem und antioströmischem Propagandamaterial tauchen sie auf, dort werden sie besonders niedrig gemacht.
Toujours l'amour, jeden Tag love and law, jeden Tag Wahrheit im Raum und jeden Tag war room, dabei immer auch Gesellschaft den Gesellen und Demos den Dämonen: Das Musische gibt etwas für den bürgerlichen Zitatenschatz her, aber schon darum und weit darüber hinaus ist es ein fatales, prekär drängendes Problem. Wenn wir davon ausgehen würden, dass die Leute heute schlauer, taktvoller oder harmonischer wären, was die Grundlagen, Theorie und den Vergleich von (Rechts-)Ordnungen angeht, würden wir nicht in dieser Abteilung arbeiten.
5.
Theoriemosaik ist ein Titel und eine Initiale. Der Titel übersetzt noch einmal das Programm des Institutes und das Programm der Abteilung. Will ich das auf einen Begriff bringen, der auf den ersten Blick abstrakter wirkt, ist das der Begriff Multiplicity. Weil jeden Tag viel und oft zuviel ist und weil fraglich ist, was sich gerade aus die Seite der Vermehrung schlägt, was sich auf die Seite der Verminderung schlägt, sind für mich zwei Betandteile des Begriffes die wichtigsten: Pli und City. Pli übersetze ich mit Falte - das wiederum in das, was in Bildregeln Kreuzen genannt wurde. City übersetze ich als Stelle, an der Raum zu Ort und Zeit zu Geschichte wurde.
Ino Augsberg hat den Part zum Kreuzen ausführlich kommentiert, also kommentiert, inwiefern das Interesse an Kreuzungen als Beitrag zur Geschichte und Theorie des Faltens verstanden werden kann. Er übersetzt weiter Kreuzen und Falten in den Begriff des Säumens; er übersetzt Falte auch als Kassiber. Kassiber hat mit cash, Speicher und Tresen, Bank und Bar zu tun. Damit geht etwas durch, da passiert etwas - und das wird mit Norm und Form belegt. Vom Scheiden ist ein längerer und mit langen Beispielen versehener Beitrag dazu, welche Techniken etwas trennen, assozziieren und austauschen. Für Leute, die in deutscher Rechtswissenschaft ausgebildet worden, ist das erste Beispiel zu Fritz Schulz wohl dasjenige, das am wenigsten überrascht. Später geht es in dem Text um das Kino, camera obscura und Gitterstäbe (Kassiber!), Schatten und Licht, um Tafeln und Europa als erdig-anthropomorphes Wesen mit einem Stab im Rücken, also um ein polarisiertes Wesen, das etwas spiegeln soll. Diese weiteren Beispiel könnte Leute, die sich mit der Forschung zu Recht und Kulturtechnik oder mit Vismann nur am Rande befassen, am Anfang überfordern, mache überfordert das auch heute. Bis heute weigern sich Gutachter, meine Texte in Reviewverfahren oder Bwerbungsverfahren auch nur anzuschauen, man mus mal lesen, was die Redaktion der Zeitschrift Vom Staat geschrieben hat, als ich denen noch Texte sendete. Meine Texte erscheinen "weitschweifig", das ist u.a. historisch (deutlich bei Dürer, aber auch bei Thomas Hobbes und Descartes) mit der Melancholie, der Meteorologie und der Polarität verknüpft. Aby Warburg stellt mit seinem Atlas und den Staatstafeln klar, dass das Weitschweifige die Angelegeneit des Atlas ist. Es trägt eine Welt im Rücken, also eine Welt, die im Rücken und verrücken zwar begriffen, aber nur schwer handhabbar und händelbar ist. Warburg entwirft Staatrechtslehre als private Praxis öffentlicher Dinge, genau das richtige im Kontext von Auers Interesse an einer Privatrechtstheorie öffentlicher Dinge.
Norm ist eine formierte Stelle, Form eine normierte Stelle, durch die Differenz operationalisiert wird. Norm und Form ist eine Stelle, durch die etwas getrennt, assoziiert und ausgetauscht wird. Dass Norm und Form dann auch effektiv, verbindlich oder wertvoll ist, das bestreite ich nicht. Ich möchte aber nicht einen analytischen Diskurs widerlegen und sagen, andere würde falsch verstehen, was eine Norm sei. Ich will auch nicht unterstellen, was wir darunter verstehen würden. Meine Theorie ist nicht allgemein, sie ist multiple, also perspektivisch und relativ. Ich richte Perspektiven ein, meine Arbeit ist technisch und darin ästhetische Praxis, deren Name nunmal Theorie wurde.
Marietta Auers Theoriemosaik ist ein Ort in Deutschland , wo meine Forschung geduldig und großzügig gefördert statt verhindert wird. Davon gibt es mehrere, so viele nicht. Viele Orte braucht man nicht, einer, ein einziger reicht. Viele Leser braucht man nicht, ein einziger reicht. Viele Kollegen braucht man nicht, ein einziger reicht. Ist nur einmal etwas verdoppelt und gespalten, dann ist alles möglich. Man muss nur an einem Detail etwas teilen und hat dann schon mehr, als man je verdienen könnte. Außerhalb Deutschlands sieht die Situation ohnehin anders aus, aber das leidige Thema kennen wir alle, hat ja auch Vorteile: So komme ich öfters mal rum.
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História e teoria de uma lei inconstante e polar
1.
Cornelia Vismann war nicht nur Cornelia Vismann. Auch Bianca Lanz war sie, unter dem Namen hat sie auch veröffentlicht. In dem Band Das Schöne am Recht erfahren wir von weiteren Cornelias. Ich habe ab 2010, also erst nach dem Tod Cornelias, die andere Hälfte Cornelias kennen gelernt, nämlich über die Rollen, die sie in den Szenen spielte, die auch die Szene in Weimar prägten, in die ich nun geraten war. Peter Berz, Markus Krajewski, Claudia Blümle, Monika Dommann, Friedrich Balke, Ute Holl, Bernhard Siegert: die zeichneten ein mir noch mal neues Bild derjenigen Frau, von der ich dachte, dass ich sie und ihre Arbeit nach 10 Jahren gut kennen gelernt hatte. Jeder Mensch hat Überraschungen parat, nicht jeder führt aber gleich Leben nach Art von Doppelleben und melancholischen Talenten. Das aber machte Cornelia Vismann.
2.
Als Markus und ich den Band mit bis dahin weit verstreuten Aufsätzen von Cornelia Vismann herausgegeben haben, mussten wir zuerst überlegen, was für eine Edition das werden soll: ob wir die Aufsätze zum Beispiel historisieren, kommentieren und machen, was kritische Editionen machen. Wir haben uns entschieden, mit dieser Ausgabe zuerst das weit Werk von Vismann in ausgewählten Stationen einem 'gemütlich verbreiterten Publikum' zugänglich zu machen. Es sollte ein Leseband für ein allgemein verstandenes Publikum werden, keine wissenschaftliche Aufarbeitung für eines der Fächer, denen sie Frischluft zufächerte. Für eine wissenschaftliche Aufarbeitung war es auch zu früh.
Fischer ist als Verlag der perfekte Partner, ihre Dissertation war dort schon erschienen (u.a. weil es ihr absurd erschien, für einen Text, den sie über Jahre hinweg geschrieben hatte, auch noch zu bezahlen, statt dafür bezahlt zu werden). Das wissenschaftliche Schreibgeschäft ist ein Subventionsgeschäft mit deprimierenden Niederungen, die erinnern meist an das Bild von der Soester Börde, das an diesigen Tagen aufgenommen wurde, um in dem Lehrbuch Geographie für die Unterstufe abgedruckt zu werden. Bei Fischer geht es hügeliger zu, gut so.
Die Entscheidung, einen Leseband herauszugeben, die ist Markus und mir nicht leichtgefallen, weil die Texte dort nun ohne Erklärung dazu veröffentlich wurden, in welchen Situationen, Kontexten, in welchen "Schreibszenen" sie entstanden oder welche Auseinandersetzungen, welche Konflikte sie hervorgetrieben haben. Wir kannten ja die Art und Weise, wie etwa Frankfurter Kollegen mit Vismann umgegangen waren und ahnten schon, dass Kollegen aus dem Band nur ein paar Sätze und Schlagwörter herauspicken, um klar zu stellen, dass sie selbst viel weiter denken würden. Letztlich mussten uns Kollegen egal bleiben, das geht nach außen hin, wenn und solange man will und es schafft.
3.
"Unentrinnbares Rom" - das war ein Text, der für eine Tagung im MPI für europäische Rechtsgeschichte geschrieben wurde, als dort Fögen und Stolleis Direktoren waren. Dieser Text ist ein Teaser zu einer Tagung, ihn als abschliessendes Statement dazu zu lesen, was Vismann für Vorstellungen und Ideen hatte, wäre genau die groteske und kaprizöse Verzerrung, die ich nun Kollegen vorwerfe. Vismann ist nicht die einzige Autorin, die Juristen vorwirft, Texte einfach als Beleg für das souveräne Bewußtsein eines Autors, nach kurzen Zitaten zu durchforsten und den Autor damit als Stellvertreter einer Meinung auf das Schachbrett ihrer Auseinandersetzungen zu platzieren. Pieroth/Schlink sagen: Luhmann ist ein Stellvertreter der Leistungstheorie der Menschenwürde. Nein ist klar. So etwas steht nicht nur, aber auch in einem Lehrbuch, das möglichst leicht erscheinen will, um möglichst leicht an möglichst viel Studenten verkauft zu werden, die in einer Klausur und für schlechbezahltre Korrektoren so tun sollen, als könnten sie mit rechtlichen Problemen sehr leicht umgehen. Das darf mannicht für bare Münze nehmen. Man muss ja nicht gleich bei Derrida oder Foucault, Kittler oder Ladeurs Dissertation zum Rechtssubjekt anfangen. Es reicht doch eher schon, sich anzuschauen, wie Quentin Skinner Spannungen in den Texten von Thomas Hobbes rekonstruiert, die daraus resultieren, dass jemand mit einer Welt im Rücken und mit springenden Füßen schreibt - dass er, wie es in der Literatur heißt, verfolgt schreibt. Es reicht noch eher, sich anzuschauen, wie man selbst schreibt: auf eher unbeständige Weise repräsentativ schlängelt man sich durch und tendiert vor Starken eher zur Schwäche, vor Schwachen eher zur Stärke, vor Linken eher zu Rechten, vor Rechten eher zu Linken, vor Extremen zu Maß und bevor auch das zuviel wird, wieder zu Extremen. Man schaukelt das Schreiben und seine Wissenschaft schon irgendwie, aber dich nicht mehr. Warum sollen andere es dann tun?
Texte bestreiten ihr Schreiben, das Schreiben bestreitet den Text, so wie man Bilder bestreitet, aber auch so, wie man einen Haushalt bestreitet. Der Text, das Schreiben: dauernd geht es über Bande, ist angestossen und anstössig, kurviert und frisiert. Unentrinnbares Rom ist einer der Texte, die ich in Recife kurz vorstellen möchte, weil das einer der Texte von Vismann ist, an dem man ihre Nähe zu den Forschungsinteressen von Aby Warburg zeigen kann - und weil man dort ihre Arbeit an und mit dem Begriff der Referenz (und an und mit dem Begriff der Struktur der Referenzialität) kommentieren kann. Ich glaube, dass man Pierre Legendre noch besser lesen kann, wenn man ihm Kontrastfiguren zur Seite stellt, das wäre bei mir Aby Warburg.
4.
Die Unterscheidungen, die man zwischen Autoren einzieht, in dem Fall also zwischen Pierre Legendre und Aby Warburg, sind falsche Fronten als Fassaden. Man zieht einen der Striche zwischen ihnen, die Vismann als Saum dargestellt hat. Die Unterscheidung zwischen Warburg und Legendre versäumt etwas. Legendre ist ja nicht dümmer und nicht schlauer als Warburg, ob man mit ihm besser oder schlechter das Recht versteht, das ist Kinderkram von lustiger Sorte, posendes Quartettspiel oder so. Es ist aber auch Teil dessen, was Vismann mit Legendre den Zugang zur symbolischen Ordnung und was sie mit Legendre das Imaginäre nennt, ist auch Teil dessen, was Warburg Distanzschaffen nennt. Mit solchen Unterscheidungen formatiert man etwas, man 'normiert' auch etwas. Legendre und Warburg würde ich prinzipiell in Bezug auf den Umgang mit ihren Vorstellungen vom Ursprung des Bildes unterscheiden. Legendre Vorstellung passt zu der Erzählung, die Plinius von der Erfindung der Malerei gibt und nach der die Malerei erfunden wurde, um eine Abwesenheit zu meistern und einen Abgrund zu überbrücken. Nach Warburg hantieren die Menschen, um mit Regung/ Bewegung umgehen zu können, um zum Beispiel im Raum und in der Zeit sich orientieren zu können. Nach Legendre liegtdas prinzip des Bildes im Bildnis, also im Bild eines Subjektes, das erstens Mensch und zweitens dem Menschen ähnlich und dem Gott ebenbildlich sein soll. Nach Warburg liegt das Prinzip des Bildes in den Sternen, wörtlich und bildlich gemeint. Die Sterne sind nicht abwesend, wenn man sie im Rücken hat. Man meistert und bwewältigt wenig bis nichts, wenn man sich ein Bild von ihnen macht oder wenn man durch Sternbilder Ort und Zeitpunkt eines Aufenthaltes bestimmen kann. Hilfreich ist es, aber keine Frage nach der Garantie des Menschen. Keiner der Autoren gewinnt durch sein Verständnis des Bildes aber auch nur einen Milimeter Vorsprung vor den anderen. Das einzige, was man in Zukunft gemeinsam hat, sind die Probleme, die man teilt (Bazon Brock).
Was Vismann zu Warburg zu sagen hätte, wird sich nicht rekonstruieren lassen. Da bleibt nur der Kloss im Hals, die Trauer, das Vermissen und die Masse an guten Erinnerungem, das ist ja nicht nur schonmal was, das ist alle, was das Wünschen ist. Ich halte es für weitgehend ausgeschlossen, dass Vismann Legendre gegen Warburg verteidigt hätte oder dass sie darauf behart hätte, dass man über Rom nur in den Begriffspaaren sprechen und nachdenken kann, mit denen der kurze Teaser endet. Ich halte es für äußerst unwahrscheinlich, dass Vismann eine einfache, eindeutige Vorstellung von dem hatte, was ein Imperium sein soll. Warburg lässt Rom laufen, weil Rom auch laufen lässt, schon weil Rom der Ort ist, an dem und im den sich alles dreht. Die Referenz regt sich und ist geregt, sie regt andere und anderes, auch das von Vismann sogenannte Andere der Referenz ist in römische Regungen, ja in römisches und römischen Regen involviert, in das Reigen springender Füße.
Die Auswahl der Texte ist uns nicht leichtgefallen. Wir hatten, ich weiß nicht mehr wieviele es waren, nur noch, das man großes Büro in Weimar davon vollgestellt war, Umzugskartons mit den Büchern und Zeitschriften, den Akten, Korrespenzen und Notizen von Vismann, aus denen wir auswählen mussten. Fragt man sich, warum ich mit solcher Rage auf die grotesken und kaprizösen Kommentare meiner Kollegen aus der Staatsrechtslehre reagiere: Vielleicht ist der Hinweis hilfreich.
5.
Ab nächste Woche: Flatratesommer, verdammt kurze Schatten, Theoriemosaik intense.
Wesen und Typus einer Liebe zeichnen am strengsten im Schicksal sich ab, welches sie dem Namen – dem Vornamen – bereitet. Die Ehe, die der Frau den ursprünglichen Nachnamen nimmt, um den des Mannes an seine Stelle zu setzen, läßt doch auch – und dies gilt von fast jeder Geschlechtsnähe – ihren Vornamen nicht unangetastet. Sie umhüllt, umstellt ihn mit Kosenamen, unter denen er oft jahre-, jahrzehntelang nicht mehr zum Vorschein kommt. Der Ehe in diesem weiten Sinne entgegengesetzt, und nur so – im Schicksal des Namens, nicht in dem des Leibes – wahrhaft bestimmbar, ist die platonische Liebe in ihrem einzig echten, einzig erheblichen Sinn: als die Liebe, die nicht am Namen ihre Lust büßt, sondern die Geliebte im Namen liebt, im Namen besitzt und im Namen auf Händen trägt. Daß sie den Namen, den Vornamen der Geliebten unangetastet wahrt und behütet, das allein ist der wahre Ausdruck der Spannung, der Fernenneigung, die Platonische Liebe heißt. Dieser Liebe geht wie Strahlen aus einem Glutkern das Dasein der Geliebten aus ihrem Namen, ja noch das Werk des Liebenden aus ihm hervor. So ist die Divina Commedia nichts als die Aura um den Namen Beatrice; die gewaltigste Darstellung dessen, daß alle Kräfte und Gestalten des Kosmos aus dem heil der Liebe entstiegenen Namen hervorgehen (WB).
#história e teoria de uma lei inconstante e polar#unentrinnbares Rom#kurze Schatten#theoriemosaik#geschichte und theorie os
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satyre schreiben/ saturiertes schreiben
1.
Der Gelehrte Narr, Oder Gantz natürliche Abbildung solcher Gelehrten, Die da vermeynen alle Gelehrsamkeit und Wissenschafften verschlucket zu haben, auch in dem Wahn stehen, daß ihres gleichen nicht auf Erden zu finden, wannenhero sie alle andere Menschen gegen sich verachten [...] Nebst einer lustigen Dedication und sonderbaren Vorrede, Freiburg: Fassmann 1729.
2.
Wie, ich habe immer noch keinen Leibnizpreis? Kann man so nicht sagen, denn Marietta Auer hat einen bekommen und teilt das Geld mit denen, die am Projekt Theoriemosaik teilnehmen, also auch mit mir. Wir laden ein, im April oder Mai 2025 in einer kleinen Tagung ihre oder seine Forschung zur Geschichte und Theorie der Satyre, der Satire und des Saturierten vorzustellen und zu diskutieren.
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História e teoria de uma lei inconstante e polar
Ich kehre wie gesagt Anfang November für einen Monat (eine volle Mondphase lang) nach Recife, die Hauptstadt der Schiff- und Lichtbrüchigen zurück. Recife ist als selbst brüchige Haupt- und Hafenstadt im Nordosten, als Startort des Berichtes aus den Tropen, die zwar traurig, aber nicht nur traurig sind, zum passenden Zeitpunkt, 2019, der Ort geworden, wo ich geistig oder geisternd (who know's?) Gastarbeiter sein konnte - um eine Formulierung aus der Kurie der Obsessionen, namentlichvon Harald Szeeman (sic!) aufzugreifen.
Como eu disse, estarei retornando a Recife, a capital dos náufragos e dos quebrados pela luz, por um mês no início de novembro (para uma fase de lua cheia). Recife, por si só uma capital frágil e uma cidade portuária no nordeste, o ponto de partida do relatório dos trópicos, que são tristes, mas não apenas tristes, tornou-se o lugar onde eu poderia ser um trabalhador convidado em espírito (quem sabe?) no momento exato, ou seja, 2019.
1.
Die ersten drei Sitzungen werde ich jeweils drei Stunden lang vorstellen, was (1.) Grundlagenforschung an einem Institut sein kann, das der Rechtsgeschichte und Rechtstheorie gewidmet ist, was (2.) für Impulse von den Arbeiten unserer Kollegin Cornelia Vismann für eine solche Grundlagenforschung ausgehen können und was (3.) Aby Warburg für eine solche Forschung methodisch und konzeptionell an Anregungen geben kann. Zu Punkt 1:
Der erste Teil dient der Vorstellung unseres Institutes und seiner internationalen Kooperationen (insbesondere mit Forschung und Lehre in Brasilien). Am Institut gibt es drei Abteilungen, alle werden vorgestellt, den Schwerpunkt lege ich allerding auf die von Marietta Auer geleitete rechtstheoretische Abteilung, in der ich selbst mit einem Schwerpunkt zur Bild- und Rechtswissenschaft sowie zu juridischen Kulturtechniken arbeite. Meine Arbeit ist findet im Zusammenhang eines Projektes statt, das unter dem Titel Theoriemosaik Forschung bündelt, die durch ein Interesse an bricolage, Ästhetik und Historizität gekennzeichnet ist.
Mit dem Projekt Theoriemosaik greift Marietta Auer also u.a. Ideen der Anthropologie des 20. Jahrhunderts auf, nämlich den Begriff der bricolage, den Lévi-Strauss 1962 in seinem Buch über das wilde Denken als Teil einer sich seit dem verzweigenden Kritik an dem Dogma der großen Trennung entwickelt hat. In den betreffenden Passagen des Buches taucht eine deutliche Skepsis gegenüber jener Vorstellung auf, die man nicht der Idee des Fortschrittes zuschlagen sollte (weil sie dann gleich erledigt sind), sondern vielmehr einem Vermehrungsdiskurs, der schwerer zu erledigen ist und der mit der Idee eines Distanzgewinns, einer Distanzvergößerung, einer Differenzvermehrung oder einer solchen Distanznahme einhergeht, die einer Landnahme ähnelt, weil sie mit eingerichteten oder evolutionären Errungenschaften einhergehen soll und wie Schaumkronen die Phrase mitträgt, man könne hinter bestimme Errungenschaften nicht mehr zurück, anderes (etwa die Kunst, der Staat, das Recht, der Mensch, das decorum, die Ähnlichkeit, die Moderne, der Mythos) sei an sein/ ihr Ende gekommen und seitdem tot und nichts als tot. Luhmanns Recht der Gesellschaft treibt mit diesen schwer zu erledoigenden Annahmen, so eine vorläufige These, auf die melancholischen Schlusspassagen des Buches zu. Man kann zu anderen Schlüssen kommen, klar, denn die Melancholie ist auch launig und polar. Wollen wir mal sehen, und zwar exakt dort, wo man den tropischen Sozietäten begegnet und damit Wesen, die ihre Apokalypse schon lange hinter sich haben.
2.
Der Anthropologe bezweifelt, dass die Ideen vom Zuwachs an Komplexität dasjenige sein können, was auch ein sinnvolles Forschungsprogramm werden kann. Man kann den Beginn des Buches von 1962 wie einen Einspruch gegen jene Gesellschaftstheorie lesen, deren Stationen über Durkheim oder Weber zu Luhmanns Idee der anwachsenden Komplexität und Fragmentierung führt. Der Einspruch kann nichts widerlegen. Er kann eine andere Perspektive einräumen, um offensichtlich drängenden Fragen eine Gasse zu geben - allesamt Fragen, die sich nicht an der Unterstellung entzünden, dass wir (in) Gesellschaft seien sollen, sondern daran, was es heißen soll, Menschen zu reproduzieren und was es heißen soll, wenn Menschen nicht nur Mernschen reproduzieren, sondern alles mögliche (für Juristen, die zu allem was zu sagen haben keine unbekannte Fragestellung). Oder so: wie soll das überhaupt gehen? Wie sollen Menschen Menschen fabrizieren und alles mögliche neben dem Menschen?
Wenn es wuchernde Komplexität gibt, dann in alle Richtungen, also ins Zentrum der Städte hinein und hinaus in den Wald und dort wieder hinein in den Pflanzensud aus der Liane Banisteriopsis caapi, dann auch in Richtung 2035 nach Christus und in Richtung 2035 vor Christus, dann in die Gesellschaft hinein und wieder aus der Gesellschaft hinaus.
Ist es zu lange her, dass ich die Passagen gelesen haben, hat mein Gedächtnis etwas verzerrt? Ich erinnere mich, dass der Autor, der zwar für einen Bericht über Recife nur limitiert zuverlässig ist (weil er, wenn auch nicht so stark wie Flusser mit seinem Prager Etuiblick, doch am Anfang seiner Reise den snobistischen Blick eines in dem Fall Parisverwöhnten diktieren lässt), zuverlässig einen Sinn für die Kosmologie hat, die ins Kleine hinein so wuchert wie ins Große - und dass er insoweit nicht die Vorstellung einer großen Trennung leugnet, sich mit ihr aber nicht begnügt - und vor allem so eine Vorstellung nicht zum Dogma oder Forschungsprogramm macht, etwa nach dem Muster von Kultur- und Rechtswissenschaftlen, die nach den Gründen für den Take-Off einer Gesellschaft suchen und dann überlegen, wie sie den Vorsprung und den Abstand sichern oder die Errungenschaften erhalten können.
Die anthropologische Lehre ist meines Erachtens auf eine einfachen Nenner zu bringen: Alles was hier vorkommt, kommt auch dort vor, nur in anderen Reihenfolgen. Das heißt: in anderen Zügen aus Trennungen, Assoziationen und Austauschmanövern. Der Begriff der bricolage beschreibt das zwar wendige, aber nie unbestimmte, sondern immer so wechselhafte wie scharfe Tun, das der Anthropologe nicht einfach beobachtet, sondern das Teil der Rekursivität seines Tun ist.
3.
Marietta Auer wählt den Begriff der bricolage im Rahmen der Theoriemosaik, um u.a. zu betonen, dass man in der Grundlagenforschung wild denken kann, eventuell sogar muss. Grundlagenforschung heißt auch, sich damit zu beschäftigen: You keep on pushing my law over the borderline.
Der Begriff der bricolage hat sich fortgesetzt und hat übergesetzt, wurde übersetzt. Ich denke, dass von ihm aus etwas zum Beispiel zu de Castros Kannibalischer Metaphysik führt. Was das sein kann, dem werden wir in dem Kurs hoffentlich nachgehen können. Der Anthropologe hat nichts erfunden: Dem Begriff der bricolage geht etwas vor, zum Beispiel Warburgs "Gestellschieberei", die er auch mit Ameisenwegen vergleicht, auch dem können wir hoffentlich nachgehen.
#História e teoria de uma lei inconstante e polar#bricolage#geisternde oder geistige gastarbeit#Wozu Theoriemosaik?#ästhetik
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Letter, oder: Objekte, die lassen
Das von Marietta Auer initiierte Projekt Theoriemosaik bietet an, die Geschichte und Theorie des Rechts in einer Konstellation aus drei Perspektiven zu betrachten: Der bricolage, der Historizität und der Ästhetik. Dieses Angebot wollen wir annehmen, in dem wir dem nachgehen, was man Letter nennt. Letter ist ein Begriff in Sprachen, die durch Rom gegangen sind und bezeichnet unter anderem Briefe und Buchstaben, black-letter-law und die Korrespondenz von Juristen. Nationalsprachlich ist der Begriff nicht reservierbar, er ist in gewisser Hinsicht so mobil wie dasjenige, von dem er spricht und insoweit ist auch über Landes- und Sprachgrenzen gewandert pendelt seit dem durch die Sprachen. Der Begriff ist auch in die Entwicklung des Begriffes der Literatur involviert, und zwar jener Literatur, zu der es spätestens ab dem 19. Jahrhundert das Privileg gibt, sie vom Recht unterscheiden zu können, aber nicht unterscheiden zu müssen.
Ein Reihe von Forschungen zu Recht und Literatur behandeln beides als unterschiedliche, sogar gegensätzliche Disziplinen oder im Rahmen einer Geschichte und Theorie ausdifferenzierter Systeme: der Kunst/Literatur einerseits, des Rechtsxandererseits. Nicht nur der Begriff des Letters, die Letter selber kommen aber auf allen Seiten vor und wandern über alle Grenzen. Was der kleine Stein der Mosaik ist, kann der Letter (Buchstabe) dem Text sein. Er ist ein Element der bricolage, kann beliebig für ganz unterschiedliche Wörter verwendet und mit ihnen versendet werden. Das Wort Letter ist selbst ein anschauliches, wohl auch rekursives Beispiel für einen Begriff, der so unterschiedliche Dinge wie Briefe und Buchstaben bezeichnen kann und in den Sprachen, die durch Rom gingen, sich wendig zeigt.
Unser Projekt gilt Objekten. Wir sind nicht primär an der Begriffsgeschichte des Wortes Letter interessiert. Wir sind an der Historizität und der Ästhetik der Objekte interessiert und gehen beidem mit Mitteln nach, die unsere Kollegin Cornelia Vismann als Methoden einer Geschichte und Theorie juridischer Kulturtechniken angeregt hat. Das heißt, dass wir Letter als Objekte betrachten, die etwas lassen. In 10 Einzelstudien, die durch nichts anderes zusammengehalten werden als dadurch, dass sie Lettern gelten, mal Briefen, mal Buchstaben, möchten wir exemplarisch aufzeigen, welcher Denkraum von Marietta Auers Projekt Theoriemosaik aufgespannt werden kann und wie man darin Cornelia Vismanns Anregungen zu einer Geschichte und Theorie juridischer Kulturtechnik weiterspinnen kann.
Die Publikation besteht im Kern aus diesen 10 Studien. Sie wird mit einer Einführung eröffnet, die den durch Theoriemosaik und Kulturtechnik aufgespannten Begriffsapparat erläutert sowie die Autorinnen und Autoren mit ihren Projekten vorstellt. Die Publikation wird mit einem dialogisch streitenden Resümee der Herausgeber geschlossen. Das Projekt ging mit einen dreitägigen, abteilungsübergreifenden, internationalen und multidisziplinär gespeisten Workshop einher, auf dem die Entwürfe für die Publikation vorgestellt und diskutiert wurden.
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Eine vorgeschobene Fakultät/ Häuslich
1.
Die faculdade de direito, die rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität in Recife ist eine 'vorgeschobene Fakultät'. Die Formulierung orientiert sich an einer Anmerkung von Theodor Mommsen, der das pomerium (die gründlich gezogene römische Linie) als vorgeschobene Linie bezeichnet hat. Mommsen wird dabei den Umstand im Sinn gehabt haben, dass die Linie des pomerium mit wachsendem Rom mehrfach gezogen und mehrfach versetzt wurde, also von innen nach außen wanderte, wie Kreise, die sich ziehen, wenn ein Junge (um ausnahmesweise leicht in den Ton hegelianischer Ästhetik zu fallen) einen Stein ins Wasser wirft, um der Welt (ihre oder wenigstens etwas) spröde Fremdheit zu (ent-)nehmen.
Mommsen kann auch im Sinn haben, dass die gründliche Linie zwar tatsächlich gründlich gezogen wurde, aber deswegen gründlich gezogen wurde, um etwas anderes als gründliche Linien zu ziehen oder um etwas anders als so einen Zug zu tun. Dass etwas vorgeschoben ist meint einerseits, dass ein Körper (etwa beschirmend der Papa oder ein Leibwächter oder räumend ein Möbel) oder aber eine Grenze nach vorne (vor einen) geschoben ist. Anderseits meint das eine Vortäuschung. Ob die pastorale Zone vor den Mauern der Stadt das ist, was für Rom vorne ist? Ist nicht der urbane Raum der avantgardistische Raum, also derjenige der vorne ist? Müsste Mommsen nicht gesagt haben, dass das pomerium eine zurückgeschobene Linie ist, weil die Grenze der Stadt mit jeder Aktualisierung in ein unterentwickeltes Land verschoben wird?
Je länger ich drüber nachdenke: Vielleicht meinte Mommsen überhaupt den Umstand, dass die Grenze Roms mehrfach versetzt (enttäuscht und dennoch kontrafaktisch gezogen) wurde. Vielleicht meinte er ausschließlich den Umstand, dass das pomerium die gezogene und zügige Form römischer Protokolle schlechthin ist und damit aus dem Realen Roms ins Symbolische und Imaginäre ragt, dass sie also über ihren Charakter als Modell und Riß vorgespielt und in Szene gesetzt ist.
2.
Diese Frage stellt sich auch bei der Faculdade de Direito in Recife. Das ist ein Gebäude, ein Gehäuse, eine Behausung oder aber ein Haus.
Seitdem ich aus der Forschung und Lehre eines rein öffentlichen Rechts in die Forschung und Lehre zu privaten Praxis öffentlicher Dinge zurückgekehrt bin (einer Kreuzung, die auch für Bildregeln maßgebend war, weil sich die Bildregeln nicht einfach dem Zivilrecht oder dem öffentlichen Recht zuschlagen lassen) überlege ich wieder, was es mit dem Begriff des Privaten auf sich hat.
Im Rahmen von Marietta Auers Vorstellung von Theoriemosaik, einer Vorstellung, die sie unter anderem unter Rückgriff auf berühmten Mosaik aus dem Vestibül der Hagia Sophia entfaltet, bietet sich es an, das Private nicht als dasjenige zu verstehen, was im Gegensatz zum Staat steht, schon gar nicht als Opfer staatlicher Verhinderung und Blockade erscheint, und auch nicht dasjenige ist, in dem das Staatliche restfrei negiert oder abwesend ist.
Das Private ist auch republikanisch, es ist schon römisch (schon Teil des Ortes, um den und an dem sich alles dreht und verkehrt, schon Teil des Denkraums, der artifiziell, mit Hilfe von Künsten, nach Urbanität und Pastorale unterschieden wird). Quid est Roma? Contubernium romanorum heißt es in der notitia dignitatum: das Private ist ein Häusliches, das nicht aufgehört hat, eine Behausung und damit sogar vorübergehend, vorläufig, vergehend (auch saisonal) zu sein. Das Private ist nicht das, was vom Staat abgesondert ist, nicht, wenn man die Absonderung von der Sonderung so unterscheidet, wie weltmeisterlich deutsche Gesellschaftstheoretiker die Ausdifferenzierung von der Differenzierung unterscheiden. Das Private ist gesondert und wird gesondert, elementar zeitlich und räumlich, immer scharf und nicht abgeschlossen. Die Sonderung ist eine Sondierung, deren räumliche und zeitliche Dimension in Bezug auf das Häusliche den Charakter derjenigen Passagen hat, die der Kunsthistoriker Peter Stephan den Fassadenraum, den 'dritten Raum' und für die Zeit ab der Moderne auch den vergessenen Raum nennt. Die Sondierung oder Sondierung, mit der das Private erscheint, ist kooperativ bis parasitär, ein seltsames Dazwischen.
Die Grimms definieren im 19. Jahrhundert das Private als das, was amtslos sei, was vom Staat abgesondert sei und was häuslich sei. Das kann biographisch gefärbt sein (die Grimms wurden nach dem frühen Tod des Vaters aus dem Amtshaus geschmissen und wohnten vorübergehend im Armenhaus). Der Leser kann es ganz als Passage der späten Phase einer romantischer Karriere lesen, die ins Biedermaier zog - am Ende wohnen die Grimms auch mit der Enttäuschung vom Staat wieder gut. Muss man aber nicht.
Wie das Häusliche so ist das pomerium republikanisch denkbar. Rom ist nicht zum Staat des 19. Jahrhunderts geworden, Rom ist nicht Paris, nicht London, nicht Wien und nicht Berlin, nicht einmal Moskau oder Washington, auch wenn sie alle drittes Rom sein wollen. Rom blieb auf der Strecke des Republikanischen, eine Stadt, die es eigentlich gar nicht gibt und damit umso stärker das Begehren füttert. Rom ist nach wie vor private Praxis öffentlicher Dinge, jeito (das sagen die Brasilianer wie üblich mit gutem Klang, während Deutschen eher der klobige Begriff Korruption einfällt). Man muss den Begriff des Häuslichen aus dem Biederen lösen, den dieser Begriff zwingend bekommt, wenn er zum Beispiel (das hat Martin Warnke meisterlich vorgeführt) mit der geistigen Situation der Couchecke oder gar mit der Abschaffung des Hotels und dessen Ersatz durch das Ferienappartement assoziiert wird. Das Private ist häuslich, dabei aus einer Zeit der Häuser, Gehäuse und Behausungen, durch die und an denen alles sich dreht und verkehrt, wenn sie römisch sind - wenn sie also aus dem Denkraum kommen, an dem und durch den sich alles dreht und verkehrt.
Marietta Auer entfaltet ihre Vorstellung des Privaten an einer Mosaik, auf der das Haus als Gabe erscheint, auch als Gabe der Communitas (Esposito). Das Haus, das dort übergeben wird, ist ein bolischer Bau mit pantheistischen Vorbildern und mit der Funktion einer Basilika, das würde ich wie folgt übersetzen (Was sage ich? Ich bestehe daraus, das so zu übersetzen): Die Basilika ist eine Mehrzweckhalle, eine Messehalle und damit (weil der Mensch nicht nur nach Nietzsche das messende Wesen ist) Menschenhall'. Wo wir gerade dabei sind: Das Häusliche ist musisch, Echo!
3.
Das Haus der Fakultät in Recife ist vorgeschoben, sogar nach Warburgschem Muster, nämlich von Norden nach Süden und von Osten nach Westen gezogenm, dabei drei mal () ?versetzt worden: Erst von Olinda an einen Platz am dem Kai in Recife, der wie ein Stadtor auch als ritueller Eintritt in die Stadt diente, dann schließlich an eine freie Fläche in Santo Amaro, einem um 1930 herum stark prosperierenden Viertel Recife. Zur gleichen Zeit entsteht das Hotel Central, das auch heute noch beste Hotel in Recife, wenn man nicht nur ein Idiot ist. Hat zwar keine Klimaanlage und vor dem Haus geht es manchmal elendig zu, das Haus ist aber das mit der dichtesten, seismisch aktivsten sedimentären Geschichte und steht in Lispectors Viertel. Drei mal versetzt - schon damit eine vorgeschobene Fakultät, mehr noch damit, dass die Faultät aus dem Realen Recifes ins Symbolische und ins Imaginäre ragt.
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Letter
1.
Das Forschungsprojekt Letter, oder: Objekte, die lassen ist ein Teilprojekt der Forschung zur Geschichte und Theorie juridischer Kulturtechniken, das wiederum Teil der Gruppe Theoriemosaik um Marietta Auer.
Das Projekt befasst sich mit Lettern, also mit Mahlen (Buchstaben und anderen Stäben/Lanzen sowie Zeichen/Token/Ziffern) und mit klammen/ knappen/ kurzen Unterlagen/Sendungen (Briefe oder Tafeln). Der Gegenstand hat einen Begriff ("letter"), der sich auf zwei unterschiedliche Sachen zu beziehen scheint - in medialer Hinsicht scheint er sich auf zwei Schichten zu beziehen, nämlich auf die Unterlage (klammes Papier oder knappes Pergament) und auf das, was dieser Unterlage aufliegt oder aufsitzt: ein o, eine 7 oder ein mw oder I.
Wir wählen absichtlich einen Gegenstand, für den es nur einen Begriff (letter)mit unterschiedlichen, dazu noch abgeschichteten Referenzen (Mahle/klamme Unterlagen/Sendungen) gibt - weil wir darin eine kulturtechnische Kondition am Werk sehen: Kulturtechniken nutzen Elemente, begreifen/ betrachten ihre Elemente isoliert und vereinzelt, also auch als kleinste, letzte Elemente und Gründe - fassen aber auch noch solche kleinsten und letzten Elemente verdoppelt/gespalten sowie geschichtet auf. Nicht nur der König hat zwei Körper, auch die kleinsten Elemente haben das. Dazu sind sie noch geschichtet.
Die Elemente juridischer Kulturtechniken operationalisieren Differenz, indem sie, ob nun als Material, Objekt, Medium, Symbol oder Instrument selbst schon in verdoppelter/gespaltener Form und geschichtet (stratifiziert) vorkommen. Wir suchen dabei einen Anschluss an Warburgs Idee eines Distanzschaffens, das mit Elementen zu tun hat, die achronologisch geschichtet sind und die damit jene Stellen liefern, denen in Form einer Norm der Distanzschaffer aufsitzt.
2.
Die Geschichte und Theorie juridischer Kulturtechnik ist ein Beitrag zu Recht und Literatur, zur Recht und Kultur, zu Recht und Medien, zu Recht und Wissensproduktion.
Die besondere Zielrichtung ist es, den Blick auf eine Verdoppelung/ Spaltung zu richten, mit deren Hilfe das Recht in/von der Gesellschaft geteilt wird. Diese Theorie ist eine Kritik am Dogma der großen Trennung, die das Dogma der großen Trennung nicht widerlegen soll. Es ist ein wirkmächtige, effektive Fiktion, ein wirkmächtiges und effektives Bild/ eine wirkmächtige und effektive Vorstellung/ Idee, dass das Recht sich von anderen Bereichen und Techniken unterscheide und dabei autonom, einzigartig, unersetzbar und unverwechselbar sei. Diese Vorstellung/ Idee, das Dogma der großen Trennung, kooperiert dabei, juristische Elemente zu trennen/unterscheiden, zu isolieren und formal nur rearrangieren, zu montieren und zu assoziieren. Das Dogma der großen Trennung hift dabei, Recht zwar austauschbar zu halten, es gleichzeitig aber zu limitieren. Trotz aller Vorteile, die das Dogma der großen Trennung hat (trotz des trivialen Umstandes, dass sich ein Dogma nicht widerlegen lässt) können wir uns mit dem Dogma der großen Trennung nicht begnügen, nicht zufrieden geben. Darum entwickeln wir eine Kritik, die dem Dogma der großen Trennung, wie es in der kannibalischen Metaphysik heißt, kleine Mannigfaltigkeiten entgegenstellt. Wir untersuchen, was am Dogma der großen Trennung als Schmugglerpfad mitläuft - und dabei aus den Aporien einer Gründungsparadoxie Passagen macht.
Letter sind Elemente juridischer Kulturtechniken, die sich nicht dem Dogma der großen Trennung fügen: Sie sind Schrift und Laut; die Gramma und Fleisch, die Objekt und Medium, sind Subjekt und Zahl, sind Lanzen und Acker, sind Stifte und Scheiben.
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Van der Velden
1.
Mit Roberto Ohrt, Julian Sirre, Patrick Schell zusammen hat der Rechtshistoriker Baastian van der Velden einen Band über Arthur Cravan veröffentlicht: Die Kunst, ich pfeife auf die Kunst. Cravan war ein Scheider, ein Passagier und Passant, jemand, der den Austritt empfahl, unter anderem denjenigen aus der Kunst. 2017 ist der Band erschienen, ein Katalog des 8. Salons. Van der Velden ist ein Knotenpunkt des kleinen juristischen Netzwerkes um Roberto Ohrt, zwei Wiethölteristen gehören dazu (einer davon bin ich, der andere bleibt bis auf weiteres anonym). Innerhalb der Theoriemosaik am MPI, mit meiner privaten Bibliothek des Institutes für wahrscheinliches und unwahrscheinliches Recht sammele ich alles zu Recht und Bild, sammele auch die Kontakte zu Spezialkenneusen und Kenneuren im Hintergrund. Einer davon ist Bastian van der Velden. Wenn ich jetzt etwas vom Recht Arthur Cravans wissen möchte, dann weiß ich, wen ich frage. Die Materialrecherche für den Band hatte in großen Anteil von der Velden erledigt.
2.
Arthur Cravan, ein Fabian, hatte einen hohen Berufsbezeichnungsverbrauch. Er wird gemütlich und vermutlich mit gutem Essen und Trinken aufgezogen, geradezu gepäppelt, das findet zwischen 1887 und 1909 in der Schweiz statt, dann ist er reif und taucht frisch und proper in Paris auf, macht Krach und gründet die Zeitschrift Maintenant. Ab jetzt hat man es schriftlich, dass Cravan Krach macht, gedichtförmig und beschimpfend - und falls das nicht langt, langt er persönlich zu, er wird also auch Boxer. Cravan macht Krawall, TamTam und RemmiDemmi, als wäre immer genau da, wo er sich gerade aufhält, ein Pantheon, an dem alles abgöttisch geliebt, aber darum auch ausgeteilt und verschleudert und hinausgeschleudert wird. Cravan kommt nach New York. Ist es die armoury show, auf der Cravan einen Auftritt als Adamit hat, damit Duchamp begeistert aber von der Security gewaltsam hinausbuchsiert wird? Kann sein.
Dass Mina Loy, die Mina Loy, die wunderbare, strahlende und fantastische Mina Loy ihn sich als Mann gewählt hat beseitigt keine Zweifel. Er muss was haben, vielleicht sogar doll sein, aber unruhig bleibt zu bestimmen, was das sein soll. Die beiden besuchen noch Trotzki in Mexico, wollen weiter nach Südamerika. Cravan hat keine Papiere und versucht es mit dem Boot, ward' ab da nimmer mehr gesehen. Cravan ist flüchtig gewesen, seit wann ist nicht zu sagen (schon weil man dem Tod keine Gründe geben darf), zuletzt ein geradezu kanonischer Flüchtling, das Ertrinken eingeschlossen. Man gehe den Dingen auf den Grund, man versenke sich in einer Sache, schreibt Hans Blumenberg in einem Text zum Meeresgrund. Cravan versenkt sich ins Leben, im Leben.
Gründen: Man kann dafür Verträge unterzeichnen Hände schütteln, Verfassungsurkunden unterzeichnen. Flüchtige und Flüchtlinge können auch Gründe geben - wie immer ist das ein Geben und Nehmen. Man nimmt was Gründliches gründlich um damit einen Grund zu haben, den man geben kann. Bei Cravan ist das manchmal ein linker Haken, manchmal ein rechter. Einmal wird er Meister, da ist er einfach in den Boxring gestiegen und sein Gegner blieb fern. Oft schreibt er Zeilen, am Schluss war es ein Segelboot.
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Operative Praxis
1.
Am Max-Planck-Institut für Rechtsgeschichte und Rechtstheorie hat sich eine informelle Gruppe gebildet, die Vismann-Studien aufgreift und weiterführt. Vismann-Studien nennen wir Studien zu den juridischen und juristischen Kulturtechniken, das heißt zur normativen, kooperativen und rekursiven Anlage des Rechts. Was Karl-Heinz Ladeur die "operative Praxis des Rechts" nennt (und auf die historischen Forschungen von Yan Thomas und Bruno Latour bezieht ), das beziehen wir weiter noch auf zeitgenössische Forschungen von Cornelia Vismann und diejenigen, die sich von ihr haben inspirieren lassen.
Diese informelle Gruppe ist Teil der Theoriemosaik, der Marietta Auer in der Abteilung für Rechtstheorie mit Mitteln des Leibnizpreises den Boden bereitet hat. Im letzten Jahr startete die Gruppe mit einem von Ricardo Spindola, Panu Minkinnen und mir organsisierten Workshop zu Recht und Anthropophagie, in dem es um Techniken vaguer Assoziation und ihr Verhältnis zur brasilianischen Moderne ging. Panu Minkinnen hat im Januar eine Tagung zu Cornelia Vismann in Helsinki organisiert. Nun greifen wir das Projekt der Vismann-Studien wieder und größer in Frankfurt auf.
2.
Im Mai findet die nächste Tagung statt, die nun von Nathaly Mancilla Ordenes (Helsinki), Ricardo Spindola (Frankfurt am Main), João Tiago Freitas Mendes (Bruxelles) und mir, Fabian Steinhauer, organisiert wird.
Diese Tagung widmen wir Lettern, also unter anderem Buchstaben, Briefen und anderen kurzen oder knappen Unterlagen. Letter definieren wir als minore Objekte, die etwas lassen, indem sie gelassen sind. Letter sind Objekte einer Rekursion, durch sie und dank ihrer geht ein Lassen, das aktive und passive Züge hat und diese Objekte auch als Medien der Rekursion erscheinen lässt.
Wir interessieren uns auf der Tagung für alle Weisen des Lassens (auch das Hinterlassen, Überlassen, Entlassen, Auslassen, Unterlassen, Verlassen) und damit auch für alle Weisen der Lässigkeit (auch die Nachlässigkeit, Zulässigkeit oder Verlässlichkeit). Letter wollen wir als ermöglichende Objekte begreifen. Als minore Objekte sind Letter Unterlagen oder Situierungen. Ein phänomenologischer oder ontologischer Zugriff auf Letter wäre also gleichzeitig Zugriff einer situativen Phänomenologie und Ontologie.
Ein minores Objekt ist ein kleines, niedriges, schwaches, kurzes, unteres oder leichtes Objekt. Der CfP zu dieser Tagung wurde im Hinblick auf die normative, kooperative und rekursive Anlage der Forschung selbst als Letter versendet - und reagiert wurde deutlich, implizit und explizit.
Als Gäste der Tagung begrüßen wir Anna Polze (Bochum) mit ihrer Forschung zu forensic architecture und Tischeffekten, Stefanie Rüther (Frankfurt) mit ihrer Forschug zu Passierscheinen, Anna Clara Lehmann Martins (Frankfurt) mit ihrer Forschung zum kanonischen Recht, Migration und Bescheidenheit , Claas Oberstadt (Berlin) mit seiner Forschung zum transatlantischen Sklavenhandel und Listen, Friedrich Weber-Steinhaus (Berlin) mit seiner Forschung zu Karl Krauss' Akten, , Ari Marcelo Solon (Sao Paulo) mit seiner Forschung zu Carl Schmitt und Hieronymus Bosch, Arthur Barrêtto de Almeida Costa (Frankfurt) mit seiner Forschung zu Assessment Centern und Wissenschaft, Andityas Soares de Moura Costa Matos (Coimbra) mit seiner Forschug zu Andreas Alciatus und Alchemie, und Ino Augsberg (Kiel) mit seiner Forschung zu Luthers Sendbriefen
Die Organisatoren ergänzen das Programm, João Tiago Freitas Mendes (Bruxelles) mit seiner Forschung zum Sozialbaren, SimpliCity und Fluginstruktionen, Ricardo Spindola mit seiner Forschung zu den flatterhaften Anfängen des Bundesverfassungsgerichtes, Nathaly Mancilla Ordenes zu Eigenheiten der Briefe und ich zu zwei Lettern auf Aby Warburgs Staatstafeln (nämlich einem Kardinal und einem Scharnier).
Die Gäste und Gastgeber werden also ihre historischen und theoretischen Forschungen zu Lettern vorstellen, das sind in dem Fall teilweise Briefe, teilweise Buchstaben und Satzzeichen, teilweise Bilder. Die Tagung ist babylonisch, mehrsprachig, unter anderem wird dort englisch, portugiesisch und deutsch gesprochen - als übersetzende Basslinie werden englische Passagen mitgeliefert.
3.
Wir gehen davon aus, dass Vismanns Arbeiten zu den Akten bereits Arbeiten zu minoren Objekten sind, sprich: dass auch die Akte als ein Letter in Betracht kommt. In den letzten Jahren ist in der internationalen Rezeption der Arbeiten unserer ehemaligen Kollegin eine 'kreative Praxis' der Grundlagenforschung zu Geschichte und Theorie des Rechts deutlich geworden: Die Leute experimentieren, ohne sich wechselseitig Geltung zu versichern. Mehr noch als die Arbeiten von Yan Thomas zeigen die Arbeiten von Marta Madero (die methodisch allerdings an Yan Thomas anschließt), dass die operative Praxis des Rechts eine kooperative Praxis und diese Kooperation ein Händeln oder Bestreiten ist, das mit einem Verkehr oder einer Verkehrung von oberen und unteren Schichten einhergeht. Marta Madero hat die kooperative Praxis des Rechts anhand eines Objektes mit zwei Lagen oder Schichten untersucht, nämlich anhand des Objektes, das lateinisch tabula picta (angepinnte Tafel; englisch painTing) und mit deutschem Schmelz einfältig 'Bild' genannt wird. Madero zeigt in ihren Arbeiten zum 'Bildrecht', dass dasjenige, was Anspruch auf Systembildung erheben könnte, eine Verkehrbarkeit und Verkehrsfähigkeit von Lagen ist, eine situative Mobilität, die durch Objekte läuft, die wiederum wie von einem Scharnier durchzogen sind, anders gesagt: von einer Falte, die das Objekt nicht nur zu einem Grenzobjekt (boundary object) macht, an dem das rechtliche Wissen mit anderem Wissen und anderem als Wissen geteilt wird, sondern auch zu einem diplomatischen Objekt, an dem verhandelt und in kontrahierenden und distrahierenden Details alles bestritten werden kann.
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Dorothea Keiter
1.
Keiter schreibt an der Geschichte und der Theorie des Eigentums. Ihr Objekte sind Wissenschaften der Weimarer Republik und das Trennungsgeschichte, dem das Privatrecht und das öffentliche Recht aufsitzen. Heute hat sie das Projekt im Montagekolloquium vorgestellt.
Lässig hat sich Keiter ein Thema geschnappt, in dem nahezu alles steckt, was das Recht zwischen 1800-1933 so umtreibt und heute zu demjenigen gehört, was an anderen Stellen hochkommt wie das Petersburger Abwasser bei Sturmflut. Keiter manövriert sorgsam durch. Wie Fuchs Seinecke sagt: sie versteckt sich nicht hinter Diskursen, sondern sagt was sie will. Eine Drift beschreiben, die die Leute in den zwanziger Jahren erfasst hat und ihnen den Diskurs bald schon enteignet hat, das will sie, so würde ich das wieder sagen. Das ist eines der mehreren, spannenden Projekte zur Geschichte und Theorie des Eigentums, die hier gerade laufen. Keiter macht das so spannend, dass man selbst gleich Eigentumsforscher werden will, sie macht es ansteckend, sie will halt selbst was wissen.
Je suis aus dem Prekariat und dem Kommentariat in den Luxus katapultiert, in den Luxus einer internationalen Gruppe von Leuten um Marietta Auer, die eigensinnig forschen und aus den unterschiedlichsten Richtungen kommen. Auer hat sie gesammelt. Uns halten vor allem die Probleme, die wir teilen, zusammen. Auer spricht von Theoriemosaik. Die wäre ost- und weströmisch, auch mosaisch, auch musisch.
2.
Ich habe mich letztes Jahr abfällig und nicht schön über das Kommentariat geäußert. Jetzt kann ich es aus diesem Anlass hoffentlich besser sagen: unter dem Kommentariat verstehe ich nicht, was Kathrin Passig darunter versteht, die darunter Menschen versteht, deren Meinung wir nicht teilen. Ich verstehe darunter Menschen mit solchen Meinungen, die wir teilen, die aber auch uns teilen, Meinungen die mitgeteilt werden und durch uns durchgehen, aber nicht wirklich zu einem Ohr rein und zum anderen Ohr raus. Das sind Meinungen, bei denen sekundär ist, dass sie uns zerreissen, weil sie zuerst einzelne zerreissen. Das sind Leute mit Meinungen die man bekommen, haben und loswerden kann. Das sind Leute mit Meinungen, die zuviel sind, aber wohl nicht nur deswegen nicht geschätzt werden. Wer zuviel im Netz geglühweint hat, wer übermatussekisiert und zuviel Zorn sammelt, das wäre einer, der in dem Sinne, wie ich meine, von Kommentariat sprechen könnte, aber völlig andere könnten das auch. Hoffentlich einfach und ordinär gesagt sind das Leute mit 'Scheissmeinungen' über die 'Scheisse', die auch ohne Meinung in der Welt ist. Leute wie du und ich und von mir aus auch nur Leute wie ich, mir und meiner. Passig hat schon Recht, kein schöner Beitrag ist meine Rede vom Kommentariat gewesen, ich würde ihr so gerne imponieren, das ist schon mal schief gegangen mit Schlangenlaberei. Hoffentlich klappt es später mal. Und sie hat auch recht, wenn die Rede vom Kommentariat etwas mit fehlendem Konsens meint ( und mit einer Genervtheit, von der es doch nervend und nicht schön ist zu lesen). Und trotzdem bin ich in Etuilaune, sehr froh und dankbar, vom Kommentariat Urlaub nehmen zu können und dann Dorothea Keiter mit ihrer besonnenen, vorsichtigen und doch schärfenden Art zuhören, mit ihr nicht nur vom Sofa und über Tastatur hinweg diskutieren zu können. Die Gruppe um Auer teilt Meinungen, die wiederum sie teilen, das ist vergleichbar mit dem Kommentariat. Aber wie das Teilen durchgeht, das ist langsamer, zauber- und zauderhafter, nicht weniger vibrierend, nicht weniger vage/ gewagt, aber alle geben regelmäßig mehr Kredit, und wenn die es mal nicht tun, wird daran erinnert, wie wichtig es wäre, das zu tun. Das man so in Unvergleichbarkeiten rumlebt, ist in großem Bogen nicht schön, in kleinen Kurven ermöglicht es aber schon gute Zeiten, schöne Zeiten. Das MPI ist nicht das Internet, ist nicht der Ort, über den ich in mageren Zeiten an ein bisschen Arbeit und Lohn gekommen bin. Das ist unvergleichbar oder im Vergleich ein größeres Un. Möge das Kommentariat auch wieder an sieben fette Jahre geraten. Ich bin froh, rauskatapultiert zu sein.
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Letter, or objects that let/ Writing Law and Literature
Letter sind zum Beispiel das, was die Brasilianer carta nennen. Die magna carta, die Charta der Menschenrechte oder die Charta von Cetingrad (1527) sind in dem Sinne auch Letter.
Im römischen Recht werden Letter teilweise als tabula picta bezeichnet. Carta meint, wie tabula, etwas, das der Schrift unterliegt und insofern zwar ein Schreibgrund ist, aber ohne Schrift zu sein und ohne jemals Schrift zu werden. Wir halten darum carta, tabula oder letter für unterschwellig, niedrig, klein oder minor. Sie versäumen Schrift zu sein, in dem Sinne, den Vismann im Aktenbuch beschrieben und sogar bebildert hat (mit dem Bild des ersten Abdrucks von Kafkas Vor dem Gesetz). Wir, eine internationale Forschungsgruppe, befasst sich mit Lettern, um u.a. der Perspektive der Kulturtechnikforschung unsere Kollegin Cornelias Vismann einen weiteren Raum zu geben, aber vor allem um mit Lettern umgehen zu können. Die Theorie und die geschichte sollen praktisch sein, darum orientieren sich schon alles Beiträge an der Praxis des Umgangs mit Lettern. Alle werden konkret.
Diese Perspektive forscht zum Beispiel zum Schreiben, auch zum Schreiben von Recht und Literatur, aber nicht unbedingt mit dem Ziel, nach dem Stand der Ausdifferenzierung zu fragen und mal wieder danach zu fragen, worin eigentlich der Unterschied zwischen Recht und Literatur bestehen würde und worin die Gemeinsamkeiten bestehen würden. Wir wollen auch nichts schützen oder an Schutzwürdigkeiten erinnern, dafür sind wir entweder apokalypztisch zu routiniert oder aber zu zuversichtlich, haben also schon zu oft das Ende unserer Welt erlebt und trotzdem weitergemacht. Das Ziel besteht vielmehr darin, in Details betrachten zu können, wie in Kooperationen etwas getrennt, assoziiert und ausgetauscht wird. Wenn die Systemtheorie Kommunikation beschreibt und darin wiederum Variation, Selektion und Retention, dann wollen wir Operationen beschreiben und darin wiederum Trennungen, Assoziationen und Austauschmanöver. Das Vorbild sind objektorientierte Verfahren, die man u.a. in der anthropologischen Feldforschung, in den Science-and-Technology-Studies, in der Akteur-Netzwerk-Theorie oder eben in der Kulturtechnikforschung am Helmholtz-Zentrum in Berlin oder in siegen und Weimar findet - und die sich teilweise an dem orientieren, was Cornelia Vismann als Forschungspersperspektive vorgeschlagen hat, freilich in Kooperation mit genau diesen Stellen. Wir verstehen diesen Zugang nicht so sehr als Bewegung wider die Diskursivierung der Kultur (um ein Schlagwort aus der Literatur zu verwenden). Ausdrücklich ist in den Projekt die Forschung von Ino Augsberg involviert, der das Dispositiv des Textes, der Lesbarkeit und der Übersetzung fokussiert - und der einen Beitrag zu Luthers sog. Sendbrief vom Dolmetschen beisteuert. Es sind aber auch Teilprojekte involviert, bei denen die Letter nicht Buchstaben und nicht Briefe, sondern nur Stäbe oder Linien, nur Karten und Tafeln sind.
Explizit wollen wir Recht und Literatur nicht als zwei ausdifferenzierte Systeme behandeln, auch nicht als zwei kategorial unterschiedliche Disziplinen, die zwei kategorial unterschiedliche Textgattungen produzieren. Wir folgen insoweit den Vorgaben, die sich aus den Forschungsfeldern zur Multinormativität bei Thomas Duve und zur Multidisziplinarität bei Marietta Auer, dort insbesondere dem Projekt Theoriemosaike ergeben. Wir deuten das als Vorgaben, Multiplizität nicht unbedingt als Vermehrung oder Fragmentierung zu verstehen. Wir glauben sogar, dass diese Vorgaben ins Konkrete und in die Details zwingen, sagen wir so: ins Kleine und ins Mindere, nicht zu den Systemen und den Generalisierungen.
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Satyre schreiben/ Saturiertes schreiben
Voraussichtlich im April oder aber Mai 2025 veranstalte ich im Rahmen von Marietta Auers Projekt Theoriemosaik eine kleine, zweitägige Tagung mit maximal 6 Vorträgen und Diskussionsrunden zur Recht und Literatur/ Schreiben. Die Tagung trägt einen im Titel einen prominenten Titel, der aus dem kanonischen Recht, dem Dekret Gratians stammt: Lex Satyrica.
Das Thema: Satyre schreiben, also die Betrachtung, dass gekreuzte und dabei ausschlagende Wesen schreiben und gleichzeitig die Betrachtung juridischer Kulturtechnik, mit der man Satire schreibt. Das Thema ist auch das saturierte Schreiben oder die Beschreibung der (Über-)Sättigung.
Wer dazu forscht ist schon jetzt eingeladen, sich zur Teilnahme zu bewerben und sogar noch auf die Terminplanung Einfluss zu nehmen.
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História e teoria de uma lei inconstante e polar
1.
In Recife stelle ich zuerst das Institut für Rechtsgeschichte und Rechtstheorie, unsere Abteilung für Rechtstheorie und das Projekt zur Theoriemosaik vor.
Das Institut gehört zur Max-Planck-Gesellschaft und ist deutlich von den Erfahrungen naturwissenschaftler Institute mit geprägt. Hans-Jörg Rheinberger hat diese Erfahrung unter anderem in einem Buch über Iterationen beschrieben, den Begriff der will ich einmal mit einem mimetischen Kreisen, Kriseln oder Kreischen übersetzen. Da kommt manchmal etwas tolles bei raus, man weiß es aber zunächst nicht. Rheinberger ist nicht nur Historiker und Theoretiker der Naturwissenschaften. Auch in den Wissenschaften, die man nicht der Natur, sondern der Kultur oder der Gesellschaft zurechnet, die man nicht der Materie zurechnet, sondern dem Geist, also auch in der Geschichte und Theorie der Kultur-, Gesellschafts- und Geisteswissenschaften ist er ausgewiesen. Er hat zum Beispiel frühe und bekannte Arbeiten von Jacques Derrida übersetzt. In der Berliner Forschung zu den Kulturtechniken oder der Weimarer Forschung ist er häufig Gast, also einer der statistisch betrachtet 'weiten und dominanten Kreise um Kittler' (Vesting). Der Begriff der Iteration und derjenige eines mimetischen Kreisens lässt, sich auf Objekte beziehen, in denen Natur und Kultur oder Geist und Materie zwar getrennt erscheinen, aber nicht unbedingt groß oder klein getrennt erscheinen, in denen das Maß der Trennung entweder nicht feststeht oder aber durch Regung sich laufend ändert und seine Richtung wechselt.
2.
In den iterativen Objekten erscheinen Natur und Kultur oder Geist und Materie zwar auch getrennt, aber auch assoziiert - und beides erscheint in und durch Austauschmanöver. Alles das, was getrennt erscheint, das erscheint auch assoziiert sowie in und durch Austauschmanöver. Iteration ist Wiederholung, die produktiv oder reproduktiv, schöpferisch und zerstörend sein kann und deren Effekt als Erhalt wahrnehmbar ist, dann wieder als ein Erhalt, der wie der Erhalt eines seit Jahrhunderten wuchernden Waldes erscheint, auch des Waldes, der in unbeständigen ökologischen Milieus auch, und über atlantische Stürme und Schiffrüche hinweg, von dem Sand einer Wüste gedüngt wird. Ich denke auch an den Erhalt eines seit Jahrhunderten der Erosion ausgesetzten Denkmals für Täter, Opfer oder Liebende, die allmählich auch einmal erschöpft sein dürfen. Ich denke schließlich an einen Erhalt, d.h. Erhalten von Post, als deren Adressat man nun wirklich keinerlei Erwartung bilden konnte und sollte. Die Effekte der Iteration sind als Identität wahrnehmbar oder als Differenz, als Neuheit, also Konserve, als alte Geschichte (und wem sie jüngst passierte, dem bricht das Herz entzwei). Iteration ist auch ein Begriff rhetorischer Institutionen, ein Merkmal von Gerechtigkeit als Zufall, also einer rhetorischen Evolution und evolutionärer Rhetorik, damit ein Merkmal von Wissenschaften ohne erste Wissenschaft. Wir arbeiten wahrscheinlich elementar, ich zum Beispiel an einer vergleichenden Meteorologie und Johan Horst an Verfassungen des Natürlichen.
Iteration kreuzt. Iteration kommt juristisch und juridisch vor. Im Bildrecht kann man beobachten, dass ein und dieselbe Entscheidung nicht nur von unterschiedlichen Juristen als Bestätigung einer Rechtsprechung und als Änderung der Rechtsprechung gedeutet wird. Einzelne Juristen sagen auch zu einem Urteil erst, es würde alles ändern, kurz danach, dass es nichts ändern würde (in Bildregeln habe ich das unter anderem an Kommentaren, etwa von Ladeur, zu einer Entscheidung des EGMR, zu Fotos von Caroline von Hannover aufgezeigt.) Boris Groys hat einmal von einer Ökonomie (d.i. Hausen/ Händeln) und einem Tausch gesprochen und gesagt, dass das Neue das andere Alte sei. Ich beschreibe hier zwar unterschiedliche Phänome, aber einen Zusammenhang, um zu erläutern, welche Bedeutung die naturwissenschaftlichen Erfahrungen der Max-Planck-Gesellschaft meines Erachtens für unser Institut bedeuten. Das führt zu einem irritierenden Luxus.
3.
Marietta Auer spricht von Linien und verwendet in Bezug auf das drängende solcher Linien den Begriff fault line. Übersetzt: wir arbeiten an Verwerfungslinien des Rechts, kurz gesagt an dem, was bisher schief lief und was von demjenigen aus, was das Recht bisher erfahren liess, drängt. Weil das Neue das andere Alte sein kann und das Alte das andere Neue sein kann, sind solche Linien nicht nur Verwerfungslinien, sondern auch Linien, die etwas aufwerfen und die Entwurfslinien sind. Die juridische Kulturtechnik, die über die Bauplanung Teil der Architektur und des Baurechts ist sowie Martin Heidegger sprechen insoweit von einem Riss. Das kann ein 'geschickter Sprung' (dazu: Vagt), aber auch ein kippender Sprung sein, das kann ein Hüpfer sein, wie ihn Aby Warburg auf den Staatstafeln mit pochenden Herzen, dem (Klage-)Begehren und mit spes/ Hoffnung, insoweit auch mit providentia (versichernder police) assoziiert.
Iteration liniert, das mimetische Kreisen liniert, zieht Linien, Konturen. In so einer Richtung baut Tarde seine Wissenschaft der Sozietäten auf. Die Naturwissenschaft kennt es kaum anders, als im und am Ungewissen, laborierend, testend und mit Entwürfen von Experimenten zu arbeiten. Das räumt uns den Vorteil ein, das auch tun zu können, ohne alles, was wir wissen, am Geltungssymbol aufzuhängen. In der Vermengung von Modellbildung und Diagnose haben wir meines Erachtens mehr Spielraumals die Kolleginnen und Kollegen an den Fachbereichen und Fakultäten. Ich nenne das einen Teil des irritierenden Luxus unseres Institutes. Das ist irritierend, Luxus, aber nicht schön. die Fälle, an denen etwa Johann Seidel in seiner Forschung zum natürlichen Willen und medizinischen Maßnahmen arbeitet, haben zwar teils mit Einwilligungen in Schönheitsoperationen zu tun, sind aber nicht schön.
Die Vorhaltungen, die ich von den Kollegen aus dem Staatsrecht kennen ("das kann man nicht tun, denn keiner tut es", "wenn ich es nicht verstehe, und ich kenne alles in meinem Fach, kann es keine Rechtswissenschaft sein";), höre ich hier nicht. Auch die Vorstellung, dass die Kulturtechnikforschung Technik nur als Entmachtung und als Verlust des Subjektes denken könne, staats-, macht- und hierarchiefixiert sei, auf die Idee ist hier noch keiner gekommen. Dass Kulturtechnikforschung "in erster Linie" dies könne, das aber nicht, auf die Idee kommt man nicht, wenn man in iterativen Kontexten denkt, weil die Linien in so einem Kontext, niemals erste Linien sind, sondern immer sekundär, immer schon Effekt sind. Wir sind Avantgarde in dem Maße, in dem wir Borderline sind.
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