#kerzefürdich

[lebenstripper]

Am 01. Januar 2011 verlor ich meine beste Freundin. Erst ein Jahr später konnte ich mich zusammenreißen und ihr Grab besuchen. Es gab nicht einen Tag in den letzten sieben Jahren, wo meine Gedanken nicht kurz bei ihr waren. An dem sie mir nicht gefehlt hat. Egal wie oft ich drüber nachgedacht habe, ich habe nie verstanden, wieso sie nie erwachsen werden durfte. Nie eigene Kinder kriegen durfte. Nie die Welt sehen durfte. Sie fehlt mir.

- Ausschnitt aus einem Brief an meine Therapeutin (29.August 2018)

Es sind mittlerweile 13 Jahre vergangen. Es ist mehr als ein Jahrzehnt vergangen und ich bete noch heute jeden Tag für sie. C, Du warst meine Schwester. Mein Fels in der Brandung. In ewiger Liebe, in ewiger Freundschaft.

[lebenstripper]

Ich bin eine Träumerin, ich habe in meiner eigenen Welt gelebt. Abseits der Gesellschaft. Jetzt bin ich erwacht und es ist schrecklich mitanzusehen. Achtzehn Jahre und nichts für die Ewigkeit getan. Nie jemanden gehabt, alles nur Schein. Dabei habe ich stehts gehofft. Dabei habe ich nur geträumt. Von einer Welt voller Liebe. Ohne Lügen und Hass. Diese Träume waren meine Zuflucht und zugleich mein Verderben.

- Teil aus meinem Abschiedsbrief 2017.

[lebenstripper]

Vergangenen Montag hatte ich nach fünf Jahren wieder die erste Sitzung mit einem Psychiater. Die 45 Minuten verliefen so, dass ich drei Sätze über meine Lippen gebracht habe.

„Ich weiß nicht wieso ich hier bin, meine Mutter meinte , es wäre besser, wenn ich wieder professionell Hilfe bekäme.“

„Ich kann Ihnen nicht so recht sagen was mein Problem ist, ich bin einfach müde von der Welt. Müde davon, immer weiterzumachen, obwohl ich eigentlich nicht mehr will.“

Die Sitzung hat mir irgendwo noch mehr vor Augen gehalten, dass ich endgültig abschlossen habe. Nein. Eigentlich habe ich das schon vor einigen Jahren. Ich funktioniere. Gehe arbeiten, führe meinen Haushalt und fahre ab und zu ans Meer um mir den Kopf freizukriegen. Aber wirklich Zuhause fühle ich mich nirgendwo. In keinen Armen mehr (seit E mich verlassen hat), in keiner Wohnung, auf keinen Weihnachtsmarkt und an keinem Meer. Ich bin so in meiner Routine drin, dass ich schon vergessen habe, wie sich meine Tränen auf meiner Wange anfühlen.

Ich fühle mich nirgendswo Zuhause.

[lebenstripper]

Tot ist nur, wer vergessen wird. Du wirst leben, mein Freund.

Es kommt mir vor, als hätte wir alle gestern noch an meinem Gartentisch gesessen und haben über solche Dinge gelacht, die in den letzten Jahren passiert sind. In diesen Momenten habe ich niemals einen Gedanken daran verschwendet, dich irgendwann an deinem Grab besuchen zu müssen. Eher umgekehrt. Mein Freund, es sind vier Jahre ohne dich vergangen. Vier Jahre in denen ich so vieles dazu gelernt habe, mir deine Worte ans Herz gelegt habe. Ich komme dich wieder regelmäßiger besuchen. Ich bin wieder stabil, ich habe mich selber wiedergefunden. Gestern war ich mit S. bei dir. Wir haben dir dein Grab hergerichtet und Kerzen angezündet. Dann saßen wir auf deinem kalten Stein und ich fing an in Erinnerungen zu graben. Ich erzählte ihr, wie wir jeden Sommer Fußball spielten. Wie du meine Art geliebt hast, diese Jungenart. Ich habe mich selber dabei ertappt, dass es nie einfacher geworden ist, mit deinem Tod zurecht zu kommen. R, du fehlst mir an manchen Tagen sehr. Vor allem, wenn die Sommertage einbrechen und ich an die Orte gehe, wo wir alle immer saßen. Du hast sehr viel verpasst. Ich hoffe jedenfalls, dass du von dort oben aus der ersten Reihe, alles gesehen hast. Du sollst wissen, ich habe dich nicht vergessen. Und das werde ich auch nie tun. Solange ich lebe, lebst du auch.

[lebenstripper]

Ich vermisse dich.

Es ist als wärst du nicht weg,

als könnte ich immer wieder zu dir fahren und jedes mal wenn ich merke, dass du nicht mehr da bist, bricht alles.

Wo bist du?

Man merkt immer erst wie sehr man jemanden liebt, wenn er nicht mehr da ist.

Das war bei dir nie so.

Du hast es immer geschafft mich wieder hochzuholen.

Auch wenn an manchen Tagen nicht alles gut lief.

Ich frag mich wo du bist,

ich frag mich warum du nicht mehr hier bist.

Ich verstehe den Tod nicht.

Ich verstehe einiges nicht.

Es ist nun schon ein bisschen her seit du weg bist, irgendwie ist wieder Alltag eingekehrt.

Ich lebe und ich lache weiterhin.

Ich hätte nie gedacht, dass ich ohne dich weiteratmen kann.

Aber es gibt Momente, da bin ich so allein und merke wie du mir fehlst.

Ich würde wirklich alles dafür tun, damit ich noch einmal dein Lachen hören kann, einen Tag mit dir verbringen kann.

Ich will dich wiederhaben hier haben. Du fehlst mir so.

Ich will dich meine beste Freundin zurück.

[lebenstripper]

Und jedes Jahr erinnere ich mich an dich, daran wie du warst. Jedes Jahr vermisse ich dich und deine Art. Und jedes Jahr brennt eine Kerze vor deinem Foto im Regal.

In einem Monat ist schon dein achter Todestag. Und glaub mir, es wird nicht einfacher. Du fehlst mir genau so viel wie an dem Tag, wo du von mir gegangen bist.

[lebenstripper]

Der Tod ist gewissermassen eine Unmöglichkeit, 
die plötzlich zur Wirklichkeit wird.

Ich hoffe, du hast deinen Frieden gefunden. Es tut mir so leid. [16.01.2019†]