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Deflexion- die 3. Fallgrube unserer Kultur
Rückblick: Introjektion, Retroflexion
Rufe dir diese Abfolge nochmals ins Gedächtnis:
Wir verinnerlichen (viel zu viele sowie schädliche) Regeln, Werte, Glaubenssätze etc (= Introjektion).
Um nicht gegen diese Introjekte zu verstoßen, müssen wir Bedürfnisse, Gefühle, Impulse, Körperreaktionen, Ideen, Gedanken etc. retroflektieren, also zurückhalten; dies hat quasi automatisch zur Folge, dass wir diese gegen uns selbst richten.
Wenn wir ständig mit diesen Prozessen beschäftigt wären, würde uns das sehr erschöpfen und frustrieren. Unser Gehirn ist aber klug und effektiv: Wenn anhaltend etwas Belastendes geschieht, ohne dass wir es abstellen können, schiebt es den ganzen Vorgang in irgendein unbeleuchtetes Stübchen und macht die Tür zu. Damit „der Gefangene“ nicht raus kann oder von Neugierigen aufgestöbert wird, stellt es Wächter vor den Kerker. Diese Wächter können ganz unterschiedliche Gestalten annehmen, die allesamt die Aufgabe haben, so zu tun, als ob es dieses Stübchen gar nicht gäbe. Diesen Vorgang nennt man Deflexion - darum geht es in diesem Beitrag.
Deflexion
Was ist Deflexion?
Wenn eine Person deflektiert, lenkt sie sich selbst – und Andere – von etwas ab, was eigentlich sehr wichtig für sie ist.
Stell dir vor: Statt endlich dem geliebten Menschen die eigenen Gefühle zu gestehen, ziehst du durch die Gemeinde und besäufst dich. Oder du guckst rührselige Filme an und kannst beim Happy End so richtig losheulen. Für dein eigenes Happy End tust du aber nichts …
Deflexion ist so, als wäre bei dir drinnen irgendwie „keiner zuhause“, siehe die nächste Grafik:
Oder dir fällt plötzlich ein, dass du noch Blumen pflücken könntest – das langersehnte Ziel aber verlierst du gänzlich aus den Augen, obwohl es zum Greifen nahe ist:
Na klar, das sind Bilder oder Metaphern. Wenn der führende Läufer kurz vor dem Ziel niederkniet, die Konkurrenten an sich vorbeiziehen lässt und so auf seine Medaille verzichtet, um dir einen Heiratsantrag zu machen, wäre das schon eine Riesen-Aktion, die vielleicht dein Herz erweicht, so dass du ihn erhörst.
Dabei handelte es sich jedoch nicht um schädliches Deflektieren; denn der Läufer verzichtet willentlich auf das eine Ziel (Medaille), um ein viel wichtigeres zu erreichen (dich!).
Wenn aber ein Mensch immer wieder kurz vor Erreichen eines wichtigen Ziels stehenbleibt und „Blümchen pflückt“, boykottiert er sich auf diese Weise selbst. Diesen Selbst-Boykott bemerkt er aber genau deshalb nicht, weil die verschiedenen deflexiven Strategien, die du gleich kennen lernen wirst, sehr effektive Wächter sind.
Zweck dieser Strategien ist es nämlich, unempfindlich für das krankmachende Introjizieren und Retroflektieren zu werden, so dass diese ungehindert ablaufen können.
Auch bei der Deflexion gilt: Ein bisschen davon ist notwendig, damit nicht alles, was passiert oder geschehen könnte, in dir riesengroß wird und dich lähmt. Aber wenn Deflexion dich daran hindert, dich mit lebenswichtigen Dingen zu beschäftigen, schadet sie dir.
Welche Deflexionen gibt es?
Ich erzähle dir einfach mal von verschiedenen Leuten in meiner Praxis, die das Deflektieren richtig gut konnten. Findest du dich darin wieder? Da wäre zunächst …
Die Hypnotiseurin
Hilda hat die Angewohnheit, ohne Punkt und Komma zu reden. Wenn sie Personen einführt, die nur am Rande mit dem zu tun haben, was sie eigentlich zu sagen hat (oder hätte, wenn es ihr bewusst wäre …), erzählt sie deren ganze Lebensgeschichte, führt deren Familienstammbaum auf. Wenn sie von einem Café berichtet, in dem ihr etwas Bedeutsames mitgeteilt wurde, zählt sie erst einmal die Reihe der Betreiber auf, erzählt von den Schulproblemen des ältesten Kindes der jetzigen Besitzerin usw. Sie kommt und kommt einfach nicht auf den Punkt.
Anfangs wartest du als freundliche Zuhörerin noch auf das Wichtige, das sie ja angekündigt hat. Zunächst wirst du müde, kannst dich nicht mehr konzentrieren. Dann spürst du eine Unruhe in dir, deine Beine kribbeln, deine Ohren klingeln, du kannst nicht mehr folgen, und schließlich wird dein Gehirn ganz bregenklütterig (wie wir im Norden zu einem „Matschgehirn“ sagen). Du schaltest dann ab, schläfst ein oder stellst innerlich die Einkaufsliste für morgen zusammen. Am Ende bescheinigt dir Hilda aber noch, dass es ganz toll war, dass du so aufmerksam zugehört hast …
Der Reporter
Vor vielen Jahren hat mir ein Mann – seinen Namen habe ich vergessen – von seiner Zeit in der Fremdenlegion erzählt. Er berichtete mir sehr ausführlich, wie er mit seinen Leuten Dörfer von Einheimischen zerstört und die Bewohner äußerst brutal niedergemetzelt hat. Ich möchte das nicht in allen Einzelheiten wiedergeben, weil es auch für mich sehr belastend war. Einerseits gab er glaubhaft an, an heftigsten Schuldgefühlen, flash backs und vielen weiteren psychischen und körperlichen Symptomen zu leiden. Andererseits war seine Vortragsweise völlig sachlich und ohne sichtbare emotionale Bewegung. Sein Gehirn hatte offenbar „beschlossen“, jegliche emotionale Verbindung zu diesen Erinnerungen zu kappen. Ich war entsetzt und teilte ihm dies auch mit. Ohne eine solche Ehrlichkeit wäre mir eine Therapie mit ihm nicht möglich gewesen. Dieser Patient erschien allerdings nicht zu weiteren Sitzungen und versuchte, wie ich später hörte, sein Problem mit Alkohol zu „lösen“. (Ich weiß weder, ob ich mit ihm hätte arbeiten können, noch, ob man eine solche Schuld wirklich bearbeiten kann.)
Die Unsichtbare
Solche Menschen habe ich oft – nicht nur in Therapien – erlebt: Unsichtbare können sehr gesellig sein, emotional aufgeschlossen, an Anderen interessiert, nachfragen, Empathie und Zuneigung zeigen. Mit solchen Menschen kannst du dich wunderbar und tiefgehend unterhalten. Du fühlst dich wahrgenommen und ermutigt, dich zu öffnen. Nach der Begegnung hast du das Gefühl, dass ihr einander nahegekommen seid – bis du dir dann die Frage stellst: Habe ich eigentlich etwas von ihr erfahren??
Beate war eine solche Frau. Sie war eine sehr gute Freundin aus meiner Düsseldorfer Zeit. Es war schön, mit ihr zusammen zu sein. Warmherzig war sie und zugewandt. Jedoch gab sie sich niemals zu erkennen. Niemals erfuhr ich von ihr, was sie selbst in diesem oder jenem Moment fühlte, was ihr guttat, was sie nicht mochte. Alles schien für sie okay zu sein. Sie schien keine Bedürfnisse zu haben, geschweige denn diese auszusprechen. Sie setzte keine Grenzen, wollte niemals etwas anderes als das, was der Andere zu unternehmen vorschlug. Als ich ihr eröffnete, dass ich nach Lübeck umziehen werde, freute sie sich für mich. Ich weiß bis heute nicht, ob sie traurig war. Oder vielleicht wütend. Wir haben keinerlei Kontakt mehr, und ich weiß nicht, ob ich das wirklich bedauere; denn später wurde mir klar, dass sie trotz unserer Vertrautheit eine Fremde für mich geblieben war.
Herr Aberer und Frau Gehtnichtweil
Immer wenn ich Jan aufforderte, einen neuen Schritt auszuprobieren, pflegte er etwa so zu reagieren: Ja, aber das habe ich schon versucht! (Variante B: Ja, aber das geht nicht, weil …! – Variante C: Ja, aber was bringt mir das?! – Variante D: Ja, aber das ist doch albern!) Unausgesprochen war bei Jan die Botschaft enthalten, dass das nichts gebracht habe und dass er das deshalb nicht noch einmal probieren müsse. Ich hätte jetzt auf diesen Zug aufspringen können, indem ich geantwortet hätte: Ja, aber (!) probiere es doch noch einmal!
Zu Anfang meiner beruflichen Karriere habe ich öfters versucht, Aberer zu überreden, meinen Vorschlag anzunehmen und einfach mit mir gemeinsam zu schauen, was passiert. Bei jedem Versuch meinerseits erfolgte ein neues Ja, aber …!
Irgendwann verstand ich, dass es eine Erinnerung oder ein Gefühl geben musste, an welches auf keinen Fall gerührt werden durfte.
Das Ja, aber …! ist nämlich ein universales und niemals zu widerlegendes Argument, wenn ein Thema im emotionalen Sperrgebiet liegt.
Ich lernte auch, dass dieses Ja, aber …! auf keinen Fall geknackt oder überlistet werden darf; denn als Behandler weiß man nie, welches schlimme Erlebnis möglicherweise „dahinter“ lauert.
Mit Jan habe ich mich anfangs verstrickt: - Du könntest deinem toten Freund einmal einen Brief schreiben und ihm deinen Zorn mitteilen. - Ja, aber was soll mir das denn bringen?! - Probiere es doch mal aus! - Ja, aber das habe ich doch schon gemacht … - Gibt es denn irgendetwas, was du ihm gerne noch gesagt hättest? - Ja, aber geht doch nicht, weil er ja tot ist! - Wir könnten uns gemeinsam vorstellen, dass er dort auf dem Stuhl vor dir sitzt …? - Ja, aber ich rede doch nicht mit einem Stuhl! So hätte es ewig weitergehen können. Kurz darauf habe ich kapiert, dass Jan dieses Spiel besser beherrschte als ich, und gab auf.
Also ließ ich von dieser Idee ab, was vermutlich gut war; denn die – verdrängte – Geschichte dahinter war sehr bedrohlich für Jan, so dass er sie nicht allzu abrupt ans Licht seines Bewusstseins gelangen lassen konnte.
Als unsere therapeutische Beziehung sich mehr und mehr gefestigt hatte und zu einem tragfähigen Boden geworden war, konnte er sich allmählich auf eine Begegnung mit dieser unerledigten Geschichte einlassen: Jan hatte nämlich mit der Partnerin seines Freundes eine kurze Affäre gehabt. Für alle völlig überraschend hatte sich dieser etwas später durch einen Sprung von einer Autobahnbrücke suizidiert, und Jan wusste weder, ob dieser Freund davon gewusst hatte, noch ob dieser Verrat an ihm Grund seines Suizides gewesen war.
Jan lebte seitdem mit einem tiefen Schuldgefühl, welches aber durchzogen war von einer Riesenwut auf den Freund, der ihn und alle anderen einfach mit ihren Gefühlen und Fragen alleingelassen hatte. Immer wenn dieses Knäuel an widersprüchlichen und heftigsten Emotionen an die Oberfläche zu kommen drohte, verfiel Jan nach einer kurzen Erregungsphase in eine tiefe Depression. Um sich vor dieser (leider erfolglos) zu schützen, sperrte sein Gehirn alles damit Zusammenhängende in ein Verlies und warf den Schlüssel weg.
Übrigens hat Jan, als er so weit war, tatsächlich diesen Brief geschrieben – ohne jede Diskussion. Damit konnte die Auseinandersetzung mit diesem dunklen Thema beginnen, und Jan arbeitete sich stückchenweise aus der Tiefe seiner Depression wieder empor.
Der Politiker
… daraufhin habe ich meiner Frau klipp und klar gesagt – und das sollte in einer solchen Situation doch selbstevident sein! –, dass sie doch nicht etwa allen Ernstes glaubt, was mich übrigens an Herrn Hebedank, einen alten Wegbegleiter, erinnert, der eben genau dies immer schon, und da komme ich an den Anfang zurück, gesagt hat und im Grunde genommen sind unsere Kinder ja auch nicht ganz so unbeteiligt, was sie aber vielleicht unter Umständen noch gar nicht so richtig, wie es ja nicht selten bei Einzelkindern vorkommt, ich meine damit – ich betone das – auch meine Frau, und dazu stehe ich voll und ganz!
Rolf war so ein Patient, der in etwa auf diese Weise sprach. Jede Zuhörerin war beeindruckt von seiner Eloquenz, aber niemand verstand, was er sagen wollte. Es handelte sich, wie sich bald zeigte, um ein Versteckspiel: Rolf war ein gebildeter Mann, der sich im Beruf durchsetzen konnte und Erfolg hatte. Sobald es aber um wichtige soziale Beziehungen ging, bekam er eine irre Angst, abgelehnt und verlassen zu werden.
Diese irrationale Angst hatte eine lange Geschichte, die ihre Wurzeln besonders in den inquisitorischen Befragungen durch seinen Vater hatte, der nach jedem Mittagessen eine Befragung abhielt, in welcher der Sohn auf Herz und Nieren geprüft wurde, ob er den Schulstoff nicht nur verstanden hatte, sondern auch in allen Variationen anzuwenden wusste.
Rolfs Ausweg aus diesen selbstwertschädlichen Verhören bestand darin, zu lernen, mit vielen wohlklingenden Worten NICHTS zu sagen. Als wir diesen Zusammenhang erkannt hatten, bat ich Rolf, einem Experiment für diese und die nächsten Gruppensitzungen zuzustimmen:
Er solle, erklärte ich ihm, nur noch Sätze mit maximal 5 Wörtern bilden. Dabei sollte er jeden Satzes mit einem Ich … (oder Mir/ Mich…) beginnen. Rolf ließ sich auf diesen Versuch ein - und begann, wirklich ETWAS zu sagen …
Es gibt sehr viele dieser Strategien
Diese werden sicherlich meist eher reflexhaft oder unbewusst angewendet, haben aber alle die Funktion, von einem wichtigen Thema abzulenken, welches für die betreffende Person ausweglos, unlösbar und/ oder mit sehr heftigen negativen Gefühlen verknüpft ist.
An meine Berufskolleg*innen
Bedenke bitte, dass diese Deflexionen eine schützende Funktion haben!
Sie sind nicht einfach nur: Widerstand, mangelnde Therapie-Motivation, Vermeidungsverhalten, neurotische Kontaktunterbrechung, Verdrängung, Persönlichkeitsstörung oder fehlende Compliance! Sie sind vielmehr Lösungsversuche von subjektiv unlösbaren Erfahrungen.
Wenn es dir gelingt, deiner Patientin sicheren Halt zu geben, wird sie solche Deflexionen nach und nach nicht mehr benötigen.
Einige weitere Varianten
… findest du in meinen Beiträgen über Depressionen (Depressionen #4).
Wodurch entstehen Deflexionen?
Wie hängen Introjektion, Retroflexion und Deflexion zusammen?
Auf den Zusammenhang zwischen den drei Fallgruben habe ich bereits hingewiesen – hier sei er nochmals kurz wiederholt:
Das Introjizieren, das Erlernen von Regeln, dient der gesellschaftlichen Kontrolle von Emotionen, Gedanken und Handlungen. Nicht nur heftige, bedrohliche Gefühle, die mit Wut, Zorn, Aggression, Gewalt, Sex, Hässlichkeit und körperlichen Vorgängen zu tun haben, werden durch Introjekte beschnitten, sondern sogar fast jedes klare Mitteilen von positiven wie negativen Emotionen.
Um diese Regeln bedienen zu können, müssen wir körperliche, gedankliche und emotionale Prozesse abmildern oder ganz zurückhalten, indem wir diese Energien retroflektieren und so gegen uns selbst richten.
Um nicht ständig mit unseren Retroflexionen und der damit verbundenen Frustration beschäftigt zu sein, lenken wir uns mittels verschiedener Deflexions-Strategien ab.
Deflexion als Selbstschutz
Der Vorgang der Deflexion bildet zusammen mit solchen Mechanismen wie (je nach Therapie-Richtung:) Verdrängung, Vermeidung, Widerstand, Kontaktunterbrechung, Dissoziation, Derealisation etc eine Kategorie von Formen des Selbstschutzes und/ oder der Betäubung. Natürlich kosten diese Mechanismen einen Preis, sprich: erzeugen Symptome; aber ihr Sinn und Zweck ist auf das Überleben-Können oder die Beendigung von Leiden gerichtet.
Deflexion als Lösungs-Ersatz
Deflexionen treten auf, weil eine Spannung nicht auflösbar oder eine mögliche Lösung mit Strafe verknüpft ist.
Nehmen wir bspw an, eine Trauernde sei voller Liebe, aber auch Wut gegenüber dem Verstorbenen. Eine Auflösung eines solchen Gefühls-Chaos wäre möglich, wenn sie dem Pfarrer oder Freunden davon erzählen dürfte. Sie spürt aber, dass die Reaktionen der Anderen freundlich ermahnend oder verurteilend ausfallen würden und versucht deshalb, die negativen Emotionen unterm Deckel zu halten.
Irgendwann findet sie einen Weg der Ablenkung, Betäubung oder Ausblendung, der ihr hilft. Allerdings besteht der Preis darin, dass ihr Trauerprozess steckenbleibt und Symptome des Leidens hervorbringt. ZB ist sie dann nicht in der Lage, eine neue Beziehung einzugehen. Oder sie hat ständig belastende Träume von dem Toten.
Warum macht Deflexion krank?
Gute und schlechte Deflexionen
Wir müssen andauernd deflektieren, damit wir den Fokus auf Wichtiges lenken können, ohne ständig abgelenkt zu werden. Viele Bewusstseinsinhalte können im Hintergrund ablaufen und ermöglichen so eine konzentrierte Beschäftigung.
Solange es alltägliche Dinge sind, die wir beiseiteschieben, kann Deflexion der geistig-psychischen Ökonomie dienen. Auch wenn du einen heftigen Streit, den du mit deiner Partnerin am Frühstückstisch hattest, zur Seite legst, um deinen Job machen zu können, handelt es sich wohl um eine gesunde Art der Deflexion.
Das gilt aber nur, solange du anschließend ein klärendes Gespräch suchst, ganz einfach weil dir deine Beziehung ungeheuer wichtig ist. Würdest du nach der Arbeit erstmal dein Auto waschen, dann einen Freund auf ein Feierabendbierchen treffen, schließlich noch, weil du das seit langem erledigen wolltest, bei deinem Versicherungsmakler eine Glasbruch-Versicherung abschließen und dann, zuhause angekommen, genüsslich pfeifend in die Badewanne steigst, während deine Partnerin immer saurer wird, erhöht sich deine Chance, bald wieder Single zu sein.
Auch für die Deflexion gilt ähnlich wie für Introjektion und Retroflexion: Gesund kann sie sein, wenn …
du dich bewusst dafür entscheidest, ein wichtiges Thema aufzuschieben, um es dann
später (aber zeitnah!) konstruktiv und mutig anzugehen.
Woran bemerkst du eine Deflexion?
Leider ist es schwierig, das eigene Deflektieren als solches zu entlarven. Schließlich handelt es sich um fest eingefahrene Gewohnheiten. Oft kann man das mit einer Deflexion verbundene Denken oder Handeln ja auch ganz gut begründen.
Denke mal an Herrn Aberer und Frau Gehtnichtweil ! Die Hypnotiseurin denkt in der Regel ja nicht, dass sie von etwas Wichtigem ablenkt, sondern dass alle Zuhörerinnen begeistert an ihren Lippen hängen. Der Reporter kommt mit seiner Sachlichkeit ja irgendwie ganz gut durchs Leben, und der Politiker hat ja gerade wegen seines Nichts-Sagens Erfolg. Frau Unsichtbar wird überall gern gesehen und hegt vielleicht ganz tief innen die Hoffnung, eines Tages auch einmal von jemandem fürsorglich behandelt zu werden.
Wir können es auch so formulieren: Deflexion ist selbstverstärkend. Man spürt ja nicht, dass man sich eben dadurch von der Lösung seiner Probleme abhält.
Gut kann es also sein, wenn dich dein Gegenüber mit der Nase draufstößt: Was willst du eigentlich sagen? Hast du denn schon mit deiner Frau über euer Problem gesprochen? Du lenkst schon wieder ab! Usw.
Hoffentlich hast du eine mutige Freundin, die sich traut, so mit dir umzugehen, die nicht immer nur Bestätigung von dir will, sondern auch mal etwas riskiert, weil sie an deinem Wohl interessiert ist!
Was gegen Deflexionen hilft
Das ist doch ganz einfach, könnte man sagen, du musst dir deine Deflexionen bewusst machen und entscheiden, welche hilfreich für dich ist und welche nicht!
Wenn es doch nur so leicht wäre …!! Aber gut, letztlich geht es darum, wieder zu Bewusstsein zu gelangen, sich selbst wahrzunehmen.
Mit etwas Übung und vielleicht (professioneller?) Hilfe kann man durchaus …
Sich seiner selbst bewusst werden
Vielleicht findest du unter den folgenden Beispielen einige Anregungen, die zu dir passen könnten. Schau auch in meinen Beiträgen über Depression nach: Auch dort findest du einige Experimente, die du ausprobieren kannst:
5-Wort-Sätze
Hilda (die Hypnotiseurin) habe ich gebeten, immer nur maximal 5 Wörter zu sprechen und dann einen Punkt und eine kleine Pause zu machen. Sobald sie mehr als 5 Wörter oder Nebensätze produzierte, stoppte ich sie.
Später kam die Aufgabe hinzu, mit dem Wörtchen Ich zu beginnen und eine emotionale Bewertung abzugeben. (Sie sollte zB nicht sagen: Die Sonne scheint, sondern: Ich freue mich über den Sonnenschein!)
Genau darum ging es bei ihr nämlich, dass sie sich nicht traute, etwas zu beurteilen, zu wollen, gut oder schlecht zu finden oder gar sichtbar traurig zu sein. Und was sie besonders ängstigte, war eine Geschichte aus ihrer Vergangenheit, die immer wieder in jede Erzähl-Lücke zu drängen versuchte. Sie hatte gelernt, darüber „hinwegzuerzählen“.
Spiegel-Ich
Reporter wie den Fremdenlegionär, von dem ich oben berichtet habe, gibt es viele.
Auch Nadine hatte die Angewohnheit, sehr sachlich über eine ungeheuer schlimme Demütigung zu sprechen, die sie im Alter von 13 Jahren erlebt hatte. Sie redete so, als wäre es eine Fremde, über die sie berichtete.
Also platzierte ich einen Spiegel vor ihr und forderte sie auf, beim Sprechen immer wieder die Person im Spiegel zu betrachten. Was drücken ihre Augen aus?, fragte ich sie dann. Oder: Was erlebt diese Person gerade? Wie geht es ihr? Dann wieder wies ich sie auf die Mimik oder Gestik ihres Spiegelbildes hin und forderte sie auf, diese Ausdrucksweisen nachzuahmen.
Wenn du auch eine Reporterin wie Nadine sein solltest, kannst du dir deine eigene Geschichte von einem guten Freund vorlesen lassen. Betrachte ihn dabei und frage ihn, wie er sich fühlt (oder fühlen würde, wenn er diese Person wäre).
Geboren-Werden
In gewisser Weise war Beate, deren Unsichtbarkeit ich oben beschrieben habe, gar nicht von dieser Welt. Sie existierte eigentlich gar nicht. Sie machte es jedem recht, wollte für alle da sein, fragte, kümmerte sich, hörte zu. Aber sie selbst trat nicht in Erscheinung.
Sie musste also neu zur Welt kommen.
Ich denke gerade an eine Patientin, die sehr ähnlich war wie Beate. Der Einfachheit nenne ich sie ebenfalls Beate:
Bei jedem ihrer Kommentare, jedem Verstehen ihrerseits stellte ich ihr Fragen wie diese: - Was möchtest du? - Wie geht es dir damit? - Was fühlst du? - Möchtest du deine Pause lieber mit A oder B verbringen? - Was macht dich daran ärgerlich? - Was wünschst du dir von C? Usw.
Zunächst antwortete Beate in dieser Art: - Ich denke, für A ist es besser, wenn … - Mir ist alles recht. - Das ist ok für mich. - Wenn C will, kann er ja … Usw.
Es war nicht leicht für sie. Einen eigenen Wunsch oder eine Abneigung auszudrücken, war wie eine Fremdsprache für sie. Zunächst vermutete ich, dass sie vielleicht Angst davor haben könnte oder dass die Mitteilung eigener Gefühle in ihrer Kindheit möglicherweise mit Strafe belegt war.
Aber so war es nicht. – Vielmehr existierte diese Möglichkeit für sie überhaupt nicht! Wie später deutlich wurde, hatte sie von Anbeginn in ihrer Familie die Position der bedürfnisfreien Zuhörerin, Vermittlerin und Helferin. In dieser Rolle fühlte sie sich sicher. Aber nach und nach bemerkte sie, mit wie vielen Enttäuschungen und Frustrationen sie diese Sicherheit stets erkauft hatte.
Als sie zum ersten Mal sagen konnte: Ich wünsche mir von dir, dass du mir einen Kaffee machst, standen ihr Tränen in den Augen.
Erfüllung finden
Ebenso wie der Politiker Rolf mit vielen wohlklingenden Worten nichts sagte, kann man auch mittels der Verwendung von Füll- oder „Nicht-Wörtern“ nichts sagen. So machte es Robert, der immer wieder Wörter verwendete wie: eigentlich, im Grunde genommen, wie gesagt, prinzipiell.
Es gelangen ihm wirklich beeindruckende sprachliche Figuren mit der Aneinanderreihung solcher Ausdrücke: Vielleicht kann man eigentlich ja im Grunde genommen eventuell auch wieder den Anderen mitunter verstehen … So viele Einschränkungen, Relativierungen und Bedenken! Nichts, worauf man ihn festnageln könnte! Ich meinte ja grundsätzlich bloß, man könnte im Prinzip …, schien er sich dann zu rechtfertigen.
Wenn ich dann genauer nachfragte, war es, als versuchte ich ein Stück nasse Seife zu fassen zu kriegen, das mir immer wieder aus den Händen flutschte: Nein, es war einfach nicht möglich, eine klare Aussage oder Stellungnahme zu bekommen!
Patienten wie Rolf und Robert malte ich manchmal ein Gefäß auf ein Blatt Papier. Da ich wusste, dass ich mit Worten nicht weiterkommen würde, bat ich sie um Folgendes:
Zeichne bitte in dieses Gefäß alles hinein, was du heute an Erfüllendem erlebt hast. Benutze dazu eine schöne Farbe oder eine einfache Figur oder ein Symbol. Wenn ein Mensch dir heute zum Beispiel etwas Wärmendes gesagt hat, könntest du ein Strichmännchen mit einer Sprechblase zeichnen, die du mit einem warmen Gelb ausfüllst. Du musst gar nichts erklären. Besser gesagt: Du darfst gar nichts dazu sagen!
Gerade denke ich an Herrn D., der immer sehr deutlich, bedächtig und geradezu vorsichtig sprach. Kaum hatte er die Begrüßung durch eine ältere Gruppenteilnehmerin auf diese Weise gemalt, fing er an zu schluchzen.
Und nochmals zum Schluss
Aber ganz ohne geht’s doch auch nicht, oder?
Richtig: Die genannten Vorgänge sind nicht einfach nur schlecht. In gesundem Maße sind sie notwendig und nützlich:
Natürlich brauchen wir Regeln. Sinnvolle und klar kommunizierte Regeln und Werte machen das Miteinander einfacher und mindern das Risiko zwischenmenschlicher Unfälle.
Wir müssen manchmal leiblich-emotionale Energien zurückhalten. Niemand möchte, dass eine andere Person rücksichtslos ihre Bedürfnisse an einem selbst auslebt.
Und auch das Ablenken von etwas Wichtigem kann durchaus angemessen sein. Statt zum Beispiel andauernd mit Frustrationen oder Ängsten beschäftigt zu sein, kann es sinnvoll sein, diese hinter sich zu lassen und neue Wege zu gehen.
Nicht zuletzt entstehen kulturelle Werke aus dem Erleben von Scheitern und Misserfolg.
Ich meine aber: Unsere Dressur geht erheblich zu weit! Wir unterwerfen uns zu vielen, zu strengen und zu undeutlichen Regeln, wir halten zu viel an Gefühlen zurück und wenden es unnötigerweise gegen uns selbst, und wir lenken so oft von Wesentlichem ab, dass wir gar nicht mehr anders können.
#dr. mehrgardt#psychotherapie#depression#deflexion#soziale faktoren#gestalttherapie#selbsthilfe#kritische psychotherapie#alternative therapie#mindroad
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Kritische Theorie und Sozialforschung 100!
Wäre unsere konservative und reaktionäre Bevölkerungsmehrheit nicht so behäbig und die Medien dazu so selbstgefällig, würden wir längst sehen, dass unser hochgelobtes Land in ziemlicher Unfähigkeit und Unwilligkeit verharren will, „so wie immer“ weiter zu machen. Aber wie geht Transformation / Veränderung beginnen / Wandel? Das Wichtigste in der katholischen Messe ist die Wandlung? Das Wichtigste in der katholischen Kirche ist die Wandlung?
100 Jahre Institut für Sozialforschung
heute vor 100 Jahren, am 18.1.1923 wurde das Institut für Sozialforschung in Frankfurt gegründet, und vereinigte auf ungewöhnliche Weise die Forschung der sozialen Entwicklung auf den Grundlagen der neuen Erkenntnisse der Psychoanalyse, der marxistischen Erkenntnisse der internationalen Volkswirtschaften, der Aufklärung aus der Sicht jüdisch-stämmiger Bildungs-Elite: Die jüdischen Gemeinden hatten in der Zeit enormes geleistet, jedem Kind die beste Bildung zukommen zu lassen, als die Schulen noch vollkommen ständisch begrenzt waren: In Berlin stellten damals 8% der jüdischen Bevölkerung gut 25% der Ärzte, und das wirkte sich auf diese Entwicklung des kritischen Denken zwischen medizinischer Logik und psychoanalytischer Forschung bei wissenschaftlicher Durchleuchtung der Lebensbedingungen aus: Wilhelm Reich und Laura und Fritz Perls wirkten dann in den 1930er Jahren in der Marxistischen Arbeiterschule MASCH mit, Ernest Bornemann verbreitete bis 1933 in den Kreisen von Jugendlichen die Aufklärung mit der Weitergabe von Kondomen, um gegen Abtreibungen und ungewollte Schwangerschaften zu wirken, die Angst vor sexuellen Begegnungen und Übergriffen verbreiteten. Später, 1938 wollte die Deutsche Psychoanalytische Vereinigung „judenrein“ sein, als der alt gewordene Sigmund Freud im Exil in London bei seiner Tochter Anna gelandet war, Wilhelm Reich die Massenpsychologie des Faschismus in Norwegen fertig schrieb und Laura und Fritz Perls über die Niederlande nach Südafrika geflohen waren, um dort weiter zu arbeiten.
Kritische Theorie als Bewegung Die Internationale ist viel breiter, als es in den deutschen Dissertationen abgebildet wird, und sie geht dort auch in alle Fachbereiche der Universitäten hinein, die nicht (wie zB im Freistaat Baiern) vom reaktionären anti-Marxismus zensiert sind. Die ecopedagogy von Paulo Freire ist auf Wikipedia noch nicht in deutsch angekommen, der Unterschied zur Umweltpädagogik wäre noch spannend herauszuarbeiten. Die Kritische Theorie wird in Täuschland auch oft als „Frankfurter Schule“ aus den 1920er Jahren bezeichnet, mit Bezug auf Max Horkheimer, Theodor W. Adorno, Herbert Marcuse, Leo Löwenthal und Erich Fromm, „Emigrierte natürlich„, der Psychoanalyse verbunden, und wurde von den etablierten ärztlichen und konservativen Kreisen in Deutschland dafür weitgehend ignoriert. In der englisch-sprachigen Akademie-Literatur ist sehr viel mehr zur Kritischen Theorie und zur Pädagogik der Unterdrückten als Kritische Praxis mit dem Forumtheater zu finden: Originale und Übersetzungs-Anfänge auch zur Kultur des Schweigens https://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/kritische-theorie/8347 http://fritz-letsch.eineweltnetz.org/kritische-theorie http://fritz-letsch.eineweltnetz.org/forum-theater-zu-100-jahre-paulo-freire http://pfz.at/aktivitaeten/100-jahre-paulo-freire-solidaritaet-in-der-globalen-gesellschaft http://fairmuenchen.de/paulo-freire-100-reihe-befreiende-paedagogik https://paulo-freire-muenchen.blogspot.com/2020/12/erweiterung-des-kreises-der-kritischen.html https://paulo-freire-muenchen.blogspot.com/2021/01/youth-culture-transgressions-cultural.html Die Worte Frankfurter Schule und später “Kritische Theorie„ klingen nicht so anschaulich, dass wir die Überlegungen zu unserem Lebensstil und Zusammenleben darin besprechen und erforschen können, was viele lieber in das „philosophieren“ als theoretisches Denken verlagern. Sterne? Das sind nur Löcher im Dach ... Sozialforschung in heutiger Praxis Die Brüche im Leben, wenn du sie aufreihen kannst, sind dein Zugang zur Erleuchtung: #Gestalt- #Quarterly auf zoom am Sonntag 5.3.23 von 17.30 bis 20h, Kostenlos #Gestalt kennenzulernen: https://gestaltquarterly.wixsite.com/gestalt-quarterly anmelden bringt den Link Read the full article
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Gestalt Therapy: A Holistic Approach to Mental Health
Gestalt Therapy offers a holistic approach that focuses on the present moment and personal responsibility. It’s about seeing the whole picture and addressing the “here and now.” Dive into how this therapy can help you gain a deeper understanding of yourself.
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Терапия ПРЛ Транзактный анализ расщепление адаптации
Антисоциальная и нарциссическая адаптации расщепление
Расщепление психики, характерное для нарциссической и антисоциальной адаптаций, имеет свои особенности.
### Нарциссическая адаптация
Для нарциссической личности характерно как вертикальное, так и горизонтальное расщепление.
Вертикальное расщепление связано с разницей между состоянием психики в моменты грандиозности и в моменты ретравматизации.
В состоянии грандиозности нарциссическая личность чувствует себя принятой и значимой, тогда как в состоянии ретравматизации она сталкивается с сигналами от окружающего мира о непринятии.
Горизонтальное расщепление заключается в существовании
фальшивой и истинной личности, где истинная личность испытывает чувство пустоты и никчемности.
Нарциссы часто избегают столкновения с этой частью себя, что может привести к панике при осознании своей психологической пустоты
### Антисоциальная адаптация
Антисоциальная адаптация часто связана с нарциссическим расстройством личности, проявляясь в виде
параноидной и антисоциальной адаптации.
Это может включать в себя такие черты, как
равнодушие, агрессивность и пренебрежение общественными нормами.
Люди с такими чертами могут демонстрировать
эмоциональное насилие и преступное поведение из-за отсутствия эмпатии и стремления подтверждать свою значимость через унижение других
Таким образом, расщепление психики в нарциссической и антисоциальной адаптациях проявляется через сложные внутренние конфликты и защитные механизмы, которые формируют поведение и восприятие индивида.
Citations:
[1] https://www.b17.ru/article/449928/
[2] https://ru.wikipedia.org/wiki/%D0%9D%D0%B0%D1%80%D1%86%D0%B8%D1%81%D1%81%D0%B8%D1%87%D0%B5%D1%81%D0%BA%D0%BE%D0%B5_%D1%80%D0%B0%D1%81%D1%81%D1%82%D1%80%D0%BE%D0%B9%D1%81%D1%82%D0%B2%D0%BE_%D0%BB%D0%B8%D1%87%D0%BD%D0%BE%D1%81%D1%82%D0%B8
[3] https://www.b17.ru/article/379863/
[4] https://vitaliyeliseev.com/globalcodeofethics/gestalttherapy-narcissism/ [5] https://www.forbes.ru/forbeslife/459055-grandioznye-i-uazvimye-cto-takoe-narcissizm-i-nuzno-li-ego-boat-sa
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Spirituelle Psychotherapie im Saarland
Nitritya und Tom, Heilpraktiker für Psychotherapie, arbeiten in ihrer Saarbrücker Praxis u.a. mit Transpersonaler Gestalttherapie, einer Spielart der spirituellen Psychotherapie.
https://www.hypnose-reiki-saar.de/psychotherapie/gestalttherapie/spirituelle-psychotherapie/
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Gestalt
Ich tu, was ich tu; und du tust, was du tust. Ich bin nicht auf dieser Welt, um nach deinen Erwartungen zu leben, und du bist nicht auf dieser Welt, um nach den meinen zu leben. Du bist du, und ich bin ich. Und wenn wir uns zufällig finden, – wunderbar. Wenn nicht, kann man auch nichts machen. „Gestaltgebet“ von Fritz Perls (1893 – 1970) in: GestaltTherapie in Aktion (Stuttgart, 1969, S. 12f.)
Gestalt ist alt wie die Welt
Gestalt-Philosophie und die Auseinandersetzung um die junge und politische Psychotherapie beeinflussten Laura und Fritz Perls, wie ihre Freunde und Kollegen Wilhelm Reich und später Paul Goodman ihre Variation der mehr zugewandten Therapie (ohne strenge Ordnung mit der Couch) mit mehr Blick auf das Umfeld zu benennen: In gemeinschaftlicher Forschung. Bessere Beschreibungen: https://www.gestaltberatung.ch oder https://de.wikipedia.org/wiki/Gestalttheorie
Gestalt als persönliche Figur, Person, Existenz, Haltung, Seele … zeitweise im Vordergrund, mit Bewusstsein für den Hintergrund, und auch für die politische Welt draußen, die uns formte und herausfordert. Leibgestalt: Verlebendigung im menschlichen Dasein anzustoßen und Bewusstheit für das allseitige Eingebunden-Sein zu fördern. https://gestaltleben.wordpress.com/ Die junge PsychoAnalyse hatte Ende der 1920er Jahre sehr schnell medizinisch-starre Formen angenommen, um in den Kanon der eher reaktionären wissenschaftlichen Medizin aufgenommen zu werden. Gleichzeitig spannen andere in den psychiatrischen Anstalten an Rassen-Hygiene und arischen Vermessungen, wurde die „Deutsche Psychoanalytische Gesellschaft“ voll Ärzten, die durch Flucht und Migration bisher jüdische Praxen gewinnen, auf dem Papier „judenrein“. Kritische Theorie lag in der Luft: Wie geht aufgeklärte wissenschaftliche Forschung, die nicht durch kapitalistische, rassistische und religiöse, durch hierarchische Systeme gesteuert ist? http://www.gestalt.de/rosenblatt_neo-gestalt.html „Fritz, Laura und Paul waren sowohl in politischer und künstlerischer als auch in psychologischer Hinsicht radikale Bohemiens. Ihr Programm war die radikale Veränderung des sozialen, politischen, ästhetischen und psychologischen Establishments. (Das beinhaltete auch die Verbreitung neuer sexueller Vorbilder, z.T. nach Art von Reichs Sexkliniken, die von den Nazis geschlossen worden waren).“ „Als Einstein gefragt wurde, wie er die Relativitätstheorie entdeckt hatte, antwortete er: „Ich zweifelte an einem Lehrsatz.“
Gestalt-Gespräche in der Supervision
Vierteljährlich - quarterly am Sonntag abend von http://gestalt.de am 6.März 2022 ab 17.30 gute zwei 1/2 Stunden, vorbereitet von einem kleinen Team, gibt es schon länger (5x) … für Kolleg*innen, in Ausbildung und Interessierte: Gestalt in die Welt bringen … bei Bedarf können wir auch zwischendurch per video-konferenz weitere Treffen vereinbaren. Begegnungen ohne Vorurteil und Urteil? Herzliche Einladung zum kostenlosen Gestalt- Quarterly (offenes vierteljährliches Gestalt-Zoom-Meeting) Phänomenologie und das erlebnis-orientierte Sprechen in der Gestalttherapie am Sonntag, 04.06.2023, 17.30 - 20.00 Uhr Einladung zum zweiten QUARTERLY 2023, dem vierteljährlichen Treffen von Gestalt-Freunden, und solchen, die es vielleicht werden wollen: Am Sonntagabend wollen uns mit euch der Erlebnis-Orientierung zuwenden. Die Phänomenologie, der genaue Blick auf das Erleben, ist ein Grundpfeiler der Gestalttherapie. Der erlebnis-orientierte Blick klammert dabei Diagnosen, Vorannahmen, Projektionen und Schlussfolgerungen möglichst aus. Erlebnis-orientiertes Sprechen bemüht sich darum, möglichst nah am „Erfahren“ zu bleiben, d.h. an dem, was ich direkt wahrnehme. Phänomenologisches Sprechen schafft dabei Raum für Bewusstsein und Tiefe in alltäglicher, beratender, therapeutischer und supervisorischer Kommunikation. In diesem QUARTERLY wollen wir dieses Thema erkunden und probieren, wie erlebnis-orientiertes Sprechen funktionieren kann und wie es sich z.B. von diagnostischem, theoretischem und vergleichenden Sprechen unterscheidet. Und das, wie immer, in der Struktur von Einführung, gefolgt von Austausch in kleinen Gruppen und im Plenum. Das QUARTERLY soll auch die Vernetzung der Gestalt-Angebote und -Community unterstützen. Wer also Unterstützer*innen für eigene Anliegen sucht, findet hier wieder eine Möglichkeit der Kontaktaufnahme. Die Teilnahme am Quarterly ist wie immer kostenlos. Gerne könnt ihr diese Einladung an Kolleg*innen und Interessent*innen weiterleiten, damit der „Gestaltkreis“ auch öffentlich wächst. Euer Vorbereitungsteam: Frank Böttger, Sabine Brausen, Nicola Eschweiler-Trutzenberg, Martin Heyer, Fritz Letsch, Isabelle Munde, Katharina Renke und Margit Stegmair Anmeldung, Berichte und Einladungen Damit wir abschätzen können wer alles teilnimmt, meldet euch bitte über die neue Homepage des Vorbereitungsteams an: gestaltquarterly. Gestalt-Cafe haben wir die Kleingruppen genannt: Gestaltcafé: Was erlebe ich zu Polarität und Einheit im Bezug auf den Krieg? Dann folgt möglicherweise eine Gruppenübung: Was erlebe ich zu Polarität und Einheit im Bezug auf den Krieg? In der Gestalthaltung über das eigene Erleben zu Polarität und Einheit im Bezug auf den Krieg reden können
Gestalt trägt durch Krisen
Fritz Perls erlebte als Sanitäter im ersten Weltkrieg Krisen, die ihn auch später noch einmal an den Rand des Todes bringen sollten: Heute nennen wir so etwas Trauma. In der Behandlung seiner Angina von Ida Rolfs (Rolfing) war er für eine Zeit ohne Bewusstsein, Lebenskraft. Später gewann er die Theorie für den Engpass daraus: Wie bei der Geburt, in der das Ungeborene die erste Krise erlebt, den schützenden Raum verlassen zu müssen, weil er zu eng und ungemütlich wird „Fixierung: „Jemand identifiziert sich fixierend mit bestimmten Aspekten seiner sozialpsychologischen Existenz, …, und verweist die für sie oder ihn unangenehmen, … Aspekte in den Hintergrund. Differenzierung: Es geht hier um Wesensdifferenzierung und Integration, also darum widerstreitende psychische Gegensätze zu versöhnen, flexible Polaritäten zu integrieren Diffusion: Der innere Widerstreit der Dualitäten steigert sich bis zu einer Verworrenheit und Orientierungslosigkeit. Perls nannte diesen Punkt Impasse oder Sackgasse. Bei den Russen fand Pers den Begriff „toter Punkt“. „Es ist das Bewusstsein, das volle Erleben, das Gewahrsein dessen, wie Du festsitzt, das, das dich gesund werden lässt…“(Perls, 1974, S.48) Vakuum: Der gestaltlose Grund, das Identitätsvakuum, die Schicht des Todes oder die fruchtbare Leere. Integration: Aus der Grund-Erfahrung der fruchtbaren Leere kommt es zu einem spontanen, ungehemmten Hervortreten, der bislang vermiedenen Impulse, die zum ersten Mal ungehindert Gestalt werden. Es vollzieht sich eine Integration der Identität durch die, die bislang ausgeschlossenen Aspekte der Psyche, wieder in das Selbstverständnis eingebürgert werden.“ Im Kontext: https://www.michaelstockert.at/Engpass&Windhorse.pdf Gestalt in die Welt tragen: Wie trägt die Gestalt-Haltung in Krisen? Gestalt meint in dem Fall: Die Gestalttherapie, wie sie die (bis dahin Ärzte und Psychoanalytiker) Fritz und Laura Perls mit dem Kritischen Pädagogen und Poeten Paul Goodman und dem Arzt Ralph Hefferline in den 1950er Jahren in den USA definiert und in verschiedener Weise weiter entwickelt haben: Die Westcoast-Version mit Fritz und Gruppen von vielen Hippies und Aussteigern, die Eastcoast-Art von Laura mehr mit Einzeltherapie, wie sie sich auch hierzulande mehr durchgesetzt hat, obwohl ihre Finanzierung im Kanon der Therapien immer noch wackelig ist … Gestalt in die Welt tragen Weil so viel noch an „Gestaltung“ und die Kunsttherapie denken, andere die Verhaltenstherapie billiger finden, viele von „systemisch“ angesprochen sind: Gestalt ist auch eine Lebenshaltung, die vom Körper-Seele-Dialog denkt und nicht in Diagnostik, Krankheit und Statistik: Lebenswege und Krisen sind heilsam für Veränderung. Wie trägt die Gestalt-Haltung in Krisen? Wir haben uns an weiträumige Treffen auf zoom gewöhnt und gute Arten gefunden, Treffen vorzubereiten und zu begleiten, wie wir seit Corona auch so manche Beratung, Therapie und Supervision (die kritische Begleitung von Menschen, die mit Menschen arbeiten) online anbieten. ... Beim letzten Treffen haben wir uns zwischendurch in kleine Gruppen geteilt, um intensiver austauschen zu können, davor haben wir ein Experiment gewagt und einen Online-Open Space geöffnet, in dem Ihr die Möglichkeit erhalten habt, alles das anzusprechen, was Euch gerade besonders bewegt. Dabei ist eine große Bandbreite von Themen zur Sprache gekommen, die -so hoffen wir- für viele von Euch als fruchtbare Impulse weitergewirkt haben. Durch die Vielzahl von Themen, die wir im Laufe der nächsten Meetings gerne wieder aufgreifen würden, hat sich für uns eine Frage durchgezogen „Wie können wir Gestalt (mehr) in die Welt tragen?“ Diese Frage würden wir gern bei dem bevorstehenden und auch weiteren Treffen als Leitthema nutzen. Dabei wollen wir am 05.09.20 wollen wir mit der Frage beginnen: „Wie trägt uns die besondere Haltung der Gestaltarbeit im Kontakt mit Menschen durch Krisenzeiten?“ Darüber wollen wir anhand einer kleinen theoretischen Einordnung und zwei Praxisbeispielen mit Euch ins Gespräch kommen. Wie immer, habt Ihr Gelegenheit, Euch in Kleingruppen auszutauschen und das Gehörte zu vertiefen und zu erweitern. Den Rahmen der Veranstaltung bilden dieses Mal eine geleitete Meditation am Anfang und ein freier Austausch gegen Ende, bei dem wir dann natürlich auch Impulse einsammeln wollen, wie wir bei den nächsten Treffen thematisch weiter machen. Die Teilnahme am Gestalt-Zoom-Quaterly ist kostenlos. Gerne könnt Ihr diese Einladung auch an Menschen weiterleiten, die sich auch dafür interessieren könnten, bei dem Treffen dabei zu sein. Wir freuen uns, wenn viele Gestalt-Begeisterte dabei sind. #engpass #zoom Read the full article
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❤️Hast du dir schon einmal die Frage gestellt, ob der Gedanke, der gerade durch deinen Kopf gegangen ist, wirklich dein eigener ist? 💛Wir werden täglich beeinflusst durch die Medien, durch die Werbung und durch unsere Mitmenschen.Doch was denkst du wirklich über eine Sache? 💚Um das herauszufinden, ist es hilfreich still zu werden. Setz dich ganz ruhig hin und nimm für eine Weile deinen Atem wahr. 💖Spüre in den Raum deines Herzens und verbinde dich mit dem Frieden und der Weisheit deines Herzens. 🧡Denke dann an ein Thema. Was ist dir wirklich wichtig? Was denkst du, wenn du dein Herz befragst? ❤️Auf diese Weise löst du dich vom Massenbewusstsein und Beeinflussungen anderer. Du darfst der Weisheit deines Herzens folgen. 💛Folge deiner Klarheit. #Klarheit #Freiheit #positivesdenken #Denken #Gedanken #Gedankenkraft #Individualität #gefühle #Gefühle #Weisheit #Weisheiten #Herz #HerzensWeisheit #Zitat #Unabhängigkeit #zitateundsprüche #zitatdestages #Zitat #sprüche #sprüchezumnachdenken #ZitateUndSprüche #Gestalttherapie #Therapie #Beratung #Coaching #LiveCoaching #Verantwortung #selbstvertrauen #Selbstliebe https://www.instagram.com/p/COXcUkinqxY/?igshid=12s51r8rtor69
#klarheit#freiheit#positivesdenken#denken#gedanken#gedankenkraft#individualität#gefühle#weisheit#weisheiten#herz#herzensweisheit#zitat#unabhängigkeit#zitateundsprüche#zitatdestages#sprüche#sprüchezumnachdenken#gestalttherapie#therapie#beratung#coaching#livecoaching#verantwortung#selbstvertrauen#selbstliebe
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Überblick über die Systemische Therapie und ihre Rolle in der Gestalttherapie
Überblick über die Systemische Therapie und ihre Rolle in der Gestalttherapie
Systemische Denker betrachten die Dinge im Kontext ihrer Umwelt und nicht isoliert. Manche Kfz-Mechaniker beispielsweise schauen bei nicht anspringenden Autos nicht nur darauf, ob Benzin im Tank ist, sondern auch, ob es in der vergangenen Nacht geregnet hat und ob dadurch ein feuchter elektrischer Kontakt verursacht werden könnte . Mechaniker wie diese haben eine ähnliche Sicht auf das Leben wie…
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#der#die#Gestalttherapie#Heilpraktiker#Heilpraktiker Psychotherapie#Ihre#Psychotherapie#Rolle#Systemische#Therapie#über#Überblick#und
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2022, réaliser mon rêve - https://sijosais.com/2022-realiser-mon-reve/
#realisermonreve#realisersonreve#reve#rever#oser#audace#etreaudacieuse#etreambitieuse#creersonentreprise#gestalt#gestalttherapie#gestaltpraticienne#oserselancer#etreindependante#devenirindependante#2022#entreprenariataufeminin
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Retroflexion- die 2. Fallgrube unserer Kultur
Rückblick: Introjektion
Introjektion bedeutet das Verinnerlichen, man kann auch sagen: das (unfreiwillige) Herunterschlucken von Überzeugungen, Regeln, Werten, Vorurteilen, Sätzen, Meinungen.
In meinem Beitrag über Introjektion habe ich dargestellt, wie Introjekte krank machen können und was du tun kannst, um Introjekte abzumildern oder loszuwerden.
Du hast zudem erfahren, warum Introjekte (fast) notgedrungen zu dem führen, was ich in diesem Beitrag ausführlich behandeln werde, nämlich zur …
Übrigens …
… in diesem Beitrag fordere ich niemals zu Gewaltanwendungen auf, weder gegen dich noch gegen andere Lebewesen!
Gleichwohl breche ich mit einer Reihe Tabus, die Gewalt, Wut oder Aggressionen betreffen. Unsere Gesellschaft - also du und ich - verlangen von einander, Gewaltimpulse zu verdrängen. Damit lassen wir uns aber gegenseitig mit derartigen Gefühlen, Vorstellungen und Impulsen alleine, insbesondere Menschen, die in sich gekehrt sind und sich nicht trauen, sich zu äußern, abzugrenzen oder zur Wehr zu setzen.
Genau damit, so lautet meine These, fördern wir nicht nur psychische und physische Erkrankungen, sondern ebenso Eruptionen von Gewalttätigkeiten.
Mehr dazu auf Anfrage bzw in später folgenden Artikeln …
Retroflexion
Was ist Retroflexion?
Retroflexion bedeutet das Zurückhalten und Gegen-sich-Wenden von Energien und Impulsen.
Das können sein: ein Gefühl, eine verbale Botschaft, ein Gedanke, ein Interesse, eine physiologische Reaktion, eine Handlung, ein Bedürfnis, eine Körperäußerung, ein Bedürfnis, eine Grenzsetzung.
Sicherlich ist es für ein friedliches Zusammenleben unerlässlich, dass wir lernen, bestimmte Impulse zu kontrollieren.
Aber wir retroflektieren viel, viel, viel zu viel – und das macht uns krank!
Das entsprechende Verb lautet also: retroflektieren. Sehr früh in unserer Erziehung lernen wir, unsere emotionalen, gedanklichen und körperlichen Energien zurückzuhalten und gegen uns selbst zu richten. Wenn frau das tut, retroflektiert sie also. Vereinfacht gesagt:
Wir tun uns selbst das an, was wir dem Anderen nicht antun dürfen, können oder wollen.
Retroflexion ist nötig, um bloß keine der zahlreichen Regeln (Introjekte), die wir „geschluckt“ haben, zu verletzen. Wir tun dies ständig. Es fällt uns gar nicht mehr auf, weil wir uns so sehr daran gewöhnt haben, dass es uns ganz normal vorkommt. Und genau dies ist das Schwierige daran: diese völlig „normalen“ großen wie kleinen Retroflexionen immer wieder an uns (und anderen) zu entdecken, uns dieser bewusst zu werden.
Retroflektieren heißt den Spieß gegen sich selbst richten. Man feuert den Pfeil, der ursprünglich dem Anderen gilt, auf sich selbst ab.
Das zeigt das folgende Bild:
Welche Retroflexionen gibt es?
Ich weiß: Das alles klingt sehr theoretisch. Also gebe ich dir hier ganz unterschiedliche Beispiele. Du kannst, während du liest, gleich prüfen, welche auch auf dich zutreffen. Viele von diesen Beispielen erleben wir meist nicht als Retroflexion, weil es sich um Gewohnheiten handelt, die wir nicht infrage stellen. Bei vielen Beispielen wirst du vielleicht sogar denken: Wieso? Das ist doch ganz normal!?
„Normal“ heißt aber beileibe nicht unschädlich!
Retroflexionen bemerken wir meist nicht, weil wir so sehr an sie gewöhnt sind. Retroflexionen können sich beziehen auf …
deine Gedanken,
deine Kommunikationen,
deine (unterlassenen) Handlungen,
deine leiblichen und physiologischen Prozesse,
deine Vorstellungen,
deine Konzepte (von der Welt, von Menschen, von dir selbst),
deine Pläne,
deine Erwartungen …
Ich beginne mit den offensichtlichen und katastrophalen Weisen des Gegen-sich-selbst-Wendens. Dann komme ich zu alltäglicheren Beispielen von Retroflexionen:
Jemand schlägt mit dem Kopf gegen eine Wand.
Eine Person nimmt sich das Leben.
Ein Mädchen verletzt sich selbst mit einem Cutter.
Der Mönch kasteit sich mit einer Peitsche.
Eine junge Frau isst kaum etwas und magert so sehr ab, dass ihr Leben bedroht ist.
Du liegst nachts wach und haderst mit dir: Warum habe ich mich nicht selbstsicherer verhalten?!
Oder du zermarterst dir den Kopf: Hoffentlich hat X sich nicht kritisiert gefühlt!?
Du quälst dich mit deinen Schuldgefühlen.
Wenn du nach deinem Beruf gefragt wirst, sagst du: Ich bin nur Sozialarbeiterin.
Du quälst dich, indem du darüber nachgrübelst, wie du ein Problem lösen kannst/ was du morgen alles erledigen musst/ was du X hättest sagen sollen/ warum du nicht schlagfertig genug bist.
Du findest dich unmännlich/ unattraktiv/ dick/ hässlich/ dumm/ nicht liebenswert/ unfähig/ weniger wert als andere/ faul …
Du bist mit dir unzufrieden.
Du fragst dich ganz oft: Warum kann ich X immer noch nicht?!
Du denkst über dich, dass immer du diejenige bist, der so etwas passiert!
Du haderst mit dir, klagst dich an, wirfst dir selbst etwas vor, hältst dich für schuldig …
Du schämst dich.
Du ärgerst DICH über den Autofahrer. (WEN ärgerst du?!)
Im Theater sitzt du so beengt, dass dir die Beine wehtun. Aber du verbietest dir rauszugehen, um nicht aufzufallen.
Du disziplinierst dich/ zwingst dich/ überforderst dich/ hast deine Gefühle gut im Griff.
Du hältst beim Niesen deine Nase zu (was manchmal ganz schön gefährlich sein kann).
Bei Konflikten mit deinem Partner gibst du nach, damit er dich nicht verlässt (= weil du ja meinst, weniger wert zu sein als er).
Vor Aufregung spannst du immer deine Schultern an, damit niemand mitbekommt, wie es in dir aussieht.
Weil du deinen Bauch zu dick findest, ziehst du ihn beim Sex immer ein.
Du guckst immer nur, ob deine Partnerin einen Orgasmus kriegt. Sex macht dir schon lange keinen Spaß mehr, weil du dich unter Druck setzt.
Wenn du mit anderen Leuten Treppen hochsteigst, bremst du deinen Atem. Die anderen sollen doch nicht denken: Was ist das denn für ein Schlaffi?
Beim Sport bist du rücksichtslos gegen dich selbst.
Du fährst riskant Auto und gefährdest dich (und andere).
Du unterdrückst deine Pupse und kriegst Bauchschmerzen.
Du hast Hunger, machst aber weiter, bis dir ganz komisch wird.
Du hast einen inneren Kritiker, der dich antreibt und niedermacht. Du wehrst dich nicht gegen ihn, weil du findest, dass er Recht hat.
Du schwächst deinen Organismus mit Drogen, Alkohol oder Beruhigungsmitteln.
Statt zu leben, sitzt du tagein, tagaus vor Monitoren.
Statt einen wichtigen Konflikt mit deinem Freund auszufechten und ihm unmissverständlich Grenzen zu setzen, gehst du aus dem Feld oder gibst nach. Dir geht es immer schlechter damit.
Du unterdrückst deine Gefühle, zB deine Wut, deinen Ärger, aber auch deine Liebe und deine sexuellen Bedürfnisse, damit andere dich nicht verurteilen.
Du lässt dich von deinem Chef immer wieder niedermachen, ohne dich zu wehren.
Du hältst eine unangenehme Situation aus, weil du nicht auffallen magst.
Jemand kommt dir körperlich zu nahe. Aber du sagst nichts, weil du dir sagst: Sei doch nicht immer so empfindlich!
Im Bus ist dir wegen der Klimaanlage zu kalt. Du merkst, dass du dich erkältest. Aber die anderen halten das ja auch aus, sagst du dir und machst nichts.
Ein dir wichtiger Angehöriger ist gestorben. Deine Aufforderung, zum Arzt zu gehen, hat er immer wieder ignoriert. Eigentlich bist du total wütend auf ihn. Du hältst das aber lieber zurück, weil du solche Gefühle albern und krank findest.
Eine Freundin ruft dich immer wieder nachts an und heult dir die Ohren voll. Obwohl du todmüde bist, hörst du geduldig zu, bis sie am Ende sagt: Es ist so toll, dass man so gut mit dir reden kann! Eigentlich möchtest du sie dafür anschreien!
Statt deinem Chef endlich mal die Meinung zu geigen, hältst du die Luft an und machst die Faust in der Tasche. Abends bist du dann völlig ausgelaugt.
Findest du dich hier wieder? Und ist dir eigentlich aufgefallen, dass es in dieser Aufzählung ganz viele reflexive Verben (sich disziplinieren etc) gibt?!
Wodurch entstehen Retroflexionen?
Retroflexionen sind nötig zur Einhaltung der verinnerlichten Introjekte
Wie schon eingangs erwähnt: Retroflexionen haben die Funktion, die verinnerlichten Introjekte zu bedienen. Wenn ein Introjekt zB besagt: Sei immer auf der Hut!, dann wirst du deinen Organismus immer in Alarmbereitschaft halten, also: deine Muskeln anspannen, immer hellwach sein müssen, immer alles unter Kontrolle behalten wollen.
Solltest du von dem Introjekt gesteuert werden: Wenn du an einem Mann interessiert bist, zeige ihm das bloß nicht!, wird dein Verhalten der geliebten Person signalisieren, dass er keine Chance bei dir hat. Vielleicht lässt du dann nur Liebesbeziehungen mit Männern zu, die du vielleicht „ganz nett“ findest, aber Liebesglück wirst du so wohl nicht finden.
Sehr oft entstehen Retroflexionen durch Strafe oder Strafandrohung, zB:
Wenn du jemandem von unserem kleinen Geheimnis (= sexuelle Gewalt) erzählst, wird ein Unglück geschehen!
Wenn du Kunst statt Jura studierst, kriegst du kein Geld!
Jedes Mal, wenn das Mädchen ein schmutziges Wort sagt, wäscht ihr die Mutter den Mund mit Seife aus.
Die schüchterne Schülerin wird, wenn sie beim Vorlesen stottert, vom Lehrer und der ganzen Klasse verspottet.
Wenn der Sohn ihr widerspricht, reagiert die Mutter mit Liebesentzug, indem sie 2 Tage nicht mit ihm spricht.
Wir fordern uns gegenseitig auf zu retroflektieren
Allgemein kann man sagen, dass wir Mitglieder eines Kulturkreises uns ständig gegenseitig zum Retroflektieren „auffordern“.
Dies kann non-verbal transportiert werden, zB durch Gesten, Mimik, Blicke, Atembotschaften wie Seufzen, ein aufforderndes, mit einem Laut versehenes „Hmmm …“.
Beispiele: Wenn du Kritik an einem Freund ��bst, dreht er sich vielleicht stillschweigend um. Wenn du es beim Bäcker eilig hast, räuspert sich jemand ungehalten.
Dies kann auch mit Worten erfolgen, zB: Andere Leute wollen auch noch was! Halt die Luft an! Sei leise! Kannst du das nicht auch vernünftig sagen?! An diesem Arbeitsplatz ist immer ein Jackett zu tragen! Mach die Faust in der Tasche! Wenn jeder hier einfach so rülpsen würde …!
Retroflexionen werden vorgelebt, zB:
Dein Onkel hält sich beim Niesen die Nase zu (und kriegt einen puterroten Kopf).
Die Oberärztin schlingt ihren Pausensnack runter, der Assistenzarzt kopiert diesen Essensstil (und kriegt Magenschmerzen).
Immer wenn’s stressig wird, zündet sich deine Kollegin eine Zigarette an (statt sich zu wehren).
Im stickigen Seminarraum öffnet niemand das Fenster (weil man sonst den Dozenten, der so leise spricht, nicht hören kann).
Wenn dein Vater sich über seinen Chef ärgert, trinkt er erstmal 2 Flaschen Bier.
Die Ehefrau lässt sich immer wieder von ihrem Partner schlagen, ohne ihn zu verlassen; ihre Mutter hat das doch auch ertragen, weil Männer nun mal so sind!
Auf dem Elternabend spricht die Lehrerin mit belegter Stimme (statt den ewig vorwurfsvollen Vater in die Schranken zu verweisen), weil an dieser Schule Eltern immer wie rohe Eier behandelt werden.
Auch Retroflexionen können durch Lob entstehen, zB:
Wie gut, dass du nicht so anstrengend bist wie dein Bruder! (sagt die Mutter zu ihrer wohlerzogenen Tochter).
Ich bin so stolz auf dich, dass du mit 4 Jahren so anständig essen kannst! (und nicht die Ellenbogen auf den Tisch stützt).
Dein Benehmen ist vorbildlich! (sagt der Reli-Lehrer vor der gesamten Klasse zu seinem Lieblingsschüler).
Manchmal werden Retroflexionen erlernt, weil sie ein schlimmes Gefühl beenden können, zB:
Die junge Frau drückt die Zigarette auf ihrem Unterarm aus, weil dann die unerträgliche Spannung in ihrem Leib aufhört.
Ja, du hast richtig gelesen: Die Borderline-Patientin verletzt sich nicht unbedingt deshalb, weil sie sich hasst oder weil sie Schmerzen geil findet! Vielmehr braucht sie einen ungeheuer starken Schmerzreiz, um einen noch viel furchtbareren Zustand zu beenden. Es kann also durchaus sein, dass sie selbst sich damit etwas Gutes antun will!! (Falls du Chirurg bist, der manchmal diese Borderliner wieder zusammenflicken muss, denke bitte dran, dass auch diese armen Menschen eine Betäubung benötigen, wenn du nähst!)
Warum macht Retroflexion krank?
Gute und schlechte Retroflexionen
Bei vielen der oben angeführten Beispiele kann es natürlich auch sein, dass du dich ganz bewusst entscheidest, eine schwierige Situation auszuhalten oder einem Bedürfnis nicht nachzugeben. Daran kannst du eventuell wachsen, zB wenn du beim Yoga den Herabschauenden Hund oder den Schneidersitz aushältst, obwohl es schon brennt und schmerzt. Du kannst dich anspornen, dich beim Sport quälen, dich zu etwas zwingen, deine Comfort-Zone verlassen, eine Befriedigung verschieben, dich auf Kälte-Widerstandsfähigkeit trainieren, eine Kritik zurückhalten, eine Bemerkung herunterschlucken usw.
All dies kann im Sinne eines Wachstums geschehen und sich richtig und gesund anfühlen.
Voraussetzung ist aber, und darin unterscheiden sich positive Retroflexionen von ungesunden, dass …
du das Retroflektieren bewusst wahrnimmst,
du dich frei dafür entscheidest und dich nicht „im Griff“ eines ungesunden Introjektes befindest,
du dir anschließend einen Ausgleich verschaffst, indem du zB Trost einholst, eine Pause machst, auf ein Kissen schlägst, dem zurückgehaltenen Gefühl später Luft machst etc.
Das alles ist sehr oft nicht der Fall; denn:
Wenn deine Retroflexion wie ein Reflex abläuft, wenn du sie nicht bemerkst und wenn du dir deshalb keinen Ausgleich schaffen kannst, dürfte sie schädlich sein.
Woran bemerkst du eine Retroflexion?
Ein retroflektiertes Gefühl, ein retroflektierter Impuls, letztlich jede Retroflexion bewirkt, dass ein zusammenhängender Prozess, der in dir abläuft, unterbrochen wird. Man nennt diesen Sachverhalt auch
unfinished buisiness (Unerledigtes) oder
eine (nicht geschlossene) unvollendete Gestalt.
Das klingt zunächst nicht sehr aufregend. Aber unser Gehirn versucht stets, Gestalten zu schließen, also zu vollenden. Es hat die Tendenz, aus allen Reizvorlagen sinnvolle Einheiten zu erzeugen.
Wenn du zB bei Mondlicht nachts über einen Friedhof gehst, wo Licht, Wind und Schatten merkwürdige Gebilde hervorbringen, wirst du vielleicht überall Gespenster sehen. Oder wilde Hunde. Oder starke Jünglinge, die dich retten wollen – je nachdem, wie dein Gehirn „voreingestellt“ ist.
Eine unvollendete Gestalt oder etwas Unerledigtes erzeugt große Spannungen in uns, die sich sowohl gedanklich als auch emotional und körperlich äußern. Das ist ein sehr bedeutsames Thema, welches ich hier nur streife; ausführlicher werde ich das in späteren Beiträgen behandeln.
Einige undramatische Beispiele:
Bei herrlichstem Sonnenschein holst du dir ein dickes Eis auf die Hand. Gerade als du das erste Mal lecken willst, rutscht dir die ganze Geschichte aus der Waffel und klatscht auf die Straße. Du bist jetzt nicht nur frustriert; auch dein Körper hat sich schon darauf eingestellt (Speichelfluss, Magensaft, Zuckerstoffwechsel …) und muss jetzt auf “Reset” drücken.
Du hörst ein Orgelkonzert. Der Organist beendet das Stück mit einer Septime – also einem halben Ton unterhalb des Grundtones. Auch wenn du nichts von Septimen weißt, kannst du sicher sein, dass du den Organisten so lange schütteln möchtest, bis er den Grundton anschlägt.
Das bedeutet: Schon bei völlig unwichtigen Dingen entsteht eine unangenehme Spannung. Aber, wie gesagt: Wir schenken dem meist keine Beachtung. Also müssen wir erst lernen, Retroflexionen überhaupt wahrzunehmen.
Du kannst Retroflexionen daran erkennen, dass …
eine unangenehme Spannung, Erregung, eine Verstimmung, eine Unzufriedenheit oder ein anderes negatives Empfinden leiblich und emotional in dir spürbar wird,
du den zurückgehaltenen oder unterbrochenen Impuls auf irgendeine Weise gegen dich selbst richtest – schau dir dazu nochmals den Abschnitt Welche Retroflexionen gibt es? an.
Jetzt fragst du vermutlich: Ja und jetzt??!
Wie so oft, ist das Prinzip einfach, die Umsetzung schwer. Es erfordert einige Übung, um Retroflexion abbauen bzw, genauer gesagt, rückgängig machen zu können.
De-Retroflexion: Was gegen Retroflexionen hilft
Theoretisch ist es also einfach: Wenn Retroflexion bedeutet, dass du den Spieß gegen dich selbst richtest (oder den Pfeil gegen dich selbst abschießt), dann heißt De-Retroflexion, dass du den Spieß wieder nach außen wendest.
Ziel der De-Retroflexion ist NICHT Ausübung von Gewalt! Vielmehr gibst du deiner Wut Raum und Erlaubnis, so dass du diese sozial geächteten Gefühle abarbeiten und LOS-WERDEN kannst!
Auch hier gilt dasselbe wie beim Loswerden von Introjekten:
Zum De-Retroflektieren gehe bitte in den SICHEREN RAUM! Das heißt in Kürze:
Im SICHEREN RAUM darfst du schlimme Sachen sagen, schreien, schimpfen, fluchen, auf ein Kissen schlagen und dabei aggressive Impulse einem anderen Menschen gegenüber ausleben. Du darfst rücksichtslos, un-verschämt sein und „niedere“ Gefühle (Neid, Rache, Hass, Missgunst …) äußern.
Der SICHERE RAUM ist in der Regel ein Zimmer bei dir zuhause, wo du ungestört bist und nicht zu sehr gehört werden kannst. Du kannst auch in den Keller, in den Schuppen, in den einsamen Wald oder an den menschenleeren Strand gehen, am besten bei starkem Wind. Solltest du bei einem unerschrockenen Therapeuten in Behandlung sein, kann auch seine Praxis ein Sicherer Raum sein.
Im SICHEREN RAUM ist der gemeinte Adressat nicht anwesend! Es kann sein, dass du hinterher entscheidest, den Konflikt persönlich mit ihm auszutragen, aber das ist dann eine neue Entscheidung.
Aggression, Wut, Gewalt: Du achtest darauf, weder dich noch jemand Anderen zu verletzen oder Sachen zu zerstören, die dir oder Anderen wichtig sind.
Schau dir bitte nochmals die mindroad-Regeln hier auf diesem Blog an!
Den Spieß umdrehen – einige Beispiele
Ich gebe dir hier einige Anregungen, was du versuchen kannst. Das Vorgehen ist experimentell, was so viel bedeutet wie: Du probierst die Methoden aus und entscheidest, ob sie für dich möglich und hilfreich sind. Das schließt aber nicht aus, dass du manche ungewohnte Dinge tun und manchmal über deinen Schatten springen kannst.
Beachte bitte: Es geht überhaupt nicht darum, den Adressaten zu bestrafen, zu überzeugen oder zu besiegen! Ziel ist ausschließlich, dass du deine psychophysischen Energien loswirst, damit sie dir nicht schaden!
Stuhldialog
Du setzt den Adressaten in deiner Vorstellung dir gegenüber auf einen Stuhl. Dann sagst du ihm alles, was du bislang zurückgehalten hast. Du darfst dabei böse Wörter sagen, schimpfen, schreien, kotzen, heulen, auf ein Kissen schlagen. Kurz: Du darfst all das tun, wovon anständige Psychoanalytiker sagen würden: Das bringt gar nichts! Das ist doch nur Ausagieren!
Pfeil und Bogen
Du hast einen Köcher mit imaginären Pfeilen auf deinem Rücken. Jeder Pfeil überträgt eine emotionale Botschaft an eine Adressatin, die dir in deiner Vorstellung gegenüber steht. Die Botschaft besteht aus 3 Teilen: 1. Ich (mir, mich) …, 2. … fühle (liebe, hasse, wünsche mir, verfluche, trete …) und 3. … dich (dir, von dir, dir gegenüber …), also zB: Ich (1) verfluche (2) dich (3)! Jetzt legst du den 1. Pfeil auf deinen imaginären Bogen, spannst die Sehne und auch deinen Körper. Dabei atmest du tief ein. Beim Abschießen des Pfeils auf die Adressatin atmest du aus und entspannst, wobei du einen kräftigen Zisch-Laut machen kannst. Du stellst dir vor, wie der Pfeil (= deine Botschaft) in den Leib der imaginierten Person dir gegenüber eindringt.
Kissen
Du legst ein Kissen vor dir auf den Boden. Jetzt stellst du dir vor, dass die Person, die dich verletzt hat, auf dem Kissen sitzt (oder das Kissen ist). Du drischst auf sie ein, am besten mit einem Bataka oder Katana. Wenn du eine Oma hast, kannst du von ihr vielleicht einen Teppichklopfer bekommen. Bei jedem Schlag sagst, brüllst oder schreist du der Person einen kurzen Satz ins Gesicht.
Voodoo-Puppe
(Danke für die Idee, Tamara!) Stell dir vor, es gibt eine Person, von der du dich gequält fühlst, gegen die du aber macht- oder hilflos bist. Dann besorge dir eine kleine Puppe aus Stroh oder Schaumstoff. Mit einem selbstgemachten Voodoospruch bannst du das Ich dieser Person in diese Puppe. Immer wenn diese dich wieder verletzt hat, stichst du eine Nadel in sie hinein und sprichst eine Verwünschung.
Den Spieß umdrehen (aka „Zuckungen“)
Setze dich auf einen Stuhl. In einem Halbkreis um dich herum postierst du in Gedanken alle (aktuellen oder früheren) Menschen aus deinem Leben. Nun packst du mit beiden Händen einen imaginären Spieß, den du gegen deine Brust richtest – als Symbol dafür, was du gewohnt bist, dir selbst anzutun. Langsam und mit voller Bewusstheit wendest du jetzt den Spieß nach außen und „scannst“ damit die Personen um dich herum. Wenn du das langsam machst und dir diese Personen möglichst konkret vorstellst, kann es sein, dass dein Spieß bei bestimmten Leuten beginnt zu zucken. Mit dieser Person hast du vermutlich ein unfinished buisiness, also „ein Hühnchen zu rupfen“. Stoße immer wieder mit deinem Spieß gegen diese Gestalt und sende ihr die Botschaft, die dir passend erscheint (s.o.: die 3 Teile einer Botschaft).
Hexen-Altar
Vielleicht hat vor Jahren deine Grundschullehrerin dich immer vor der ganzen Klasse lächerlich gemacht. Als Erwachsener hättest du sie gerne zur Rede gestellt, aber sie ist verstorben. Jetzt suchst du dir eine Figur (Playmo oder so …) und stellst sie auf ein Bord, eine Fensterbank oder Ähnliches. Immer wenn du an ihr vorbeikommst, zeigst du ihr den Stinkefinger oder du machst einen drohenden Laut oder sagst einen für dich passenden Satz zu ihr, zB: Du bist eine miese Ratte! Schieb dir deinen Spott in den eigenen Arsch! (Oftmals ist es hilfreich, „verbotene“ oder unanständige Worte zu wählen, weil du oft Wut und „Ungezogenheit“ brauchst, um deine gewohnten Retroflexionen zu beenden. Also scheue dich nicht …)
Zettel-Pfeile
Du heftest ein DIN A-4 Blatt auf ein Klemmbrett und legst es quer auf einen Tisch oder deinen Schoß. Links malst du ein kleines Männchen oder Frauchen – das bist du. Ganz an den rechten Rand zeichnest du eine Figur für eine Person, die dich irgendwie verletzt hat oder mit der du ein Problem hast. Indem du mit aller Entschlossenheit Pfeile von links gegen diese Person malst, dh abschießt, sprichst (oder schreist) du eine wichtige emotionale Botschaft an sie.
Plädoyer
Du bist eine Staatsanwältin oder ein Richter. Als diese/r verliest du die Anklageschrift oder das Strafurteil gegen einen Mann, der dir etwas Schlimmes angetan hat. Du entscheidest ganz alleine, welche Strafe du für angemessen hältst.
Übrigens hat einmal eine meiner Patientinnen eine solche Anklageschrift und ihren Urteilsspruch auf einen Zettel geschrieben. Dann sind wir gemeinsam zu dem Grab ihres Stiefvaters gegangen, der sie jahrelang vergewaltigt hat („missbraucht“ klingt irgendwie so harmlos, oder?). Dort hat sie die Anklage und die Strafe laut vorgetragen. Die Strafe bestand darin, dass dieser Mann bei lebendigem Leib ganz langsam von Würmern zerfressen wird. Dann haben wir in einem Ritual diesen (anonymen) Zettel unter die Erde gehoben.
Krimi schreiben
Besonders wenn dir ein Mensch etwas ganz Furchtbares angetan hat, ist es für manche Patienten hilfreich, diesen Menschen in einem Kurzkrimi (qualvoll) sterben zu lassen. Probiere es aus …
Den richtigen Ton treffen
Du bist Lehrerin an einer Grundschule. Du kannst das ewige Kindergeschrei einfach nicht mehr ertragen. Du hast auch schon einen sehr belastenden Tinnitus. Du begibst dich an einen „lärmsicheren“ Ort (Keller, Wald, Strand, in deinen Wandschrank …). Jetzt formulierst du einen kurzen Satz, den du all diesen Kindern am liebsten an den Kopf schleudern möchtest. Dein Satz ist vermutlich ungerecht, böse oder albern … aber das ist völlig ok! Diese Botschaft ersetzt du durch einen lauten Ton, der jetzt diese Botschaft transportiert. Produziere nun mit deiner Stimme einen Ton, der genauso intensiv (laut, schrill, eindringlich, fies …) ist wie der Tinnitus-Ton, der dich quält, und schreie, brülle oder stoße ihn gegen die imaginierten Kinder aus!
Du siehst:
Es gibt unendlich viele Möglichkeiten! Kreiere deine eigenen De-Retroflexionen! Lass dich dabei von deinen Introjekten (die bestimmt auftauchen werden!) nicht kirre machen. Diese wollen dich nämlich davon abhalten, indem sie dir vorschreiben: Du sprichst doch wohl nicht mit einem Stuhl, oder?!! Oh, wie albern ist DAS denn?!! SO etwas macht man aber nicht!!! Du bist aber ein BÖSER Mensch!! Usw …
So geht es weiter …
Jetzt hast du erfahren, auf welche Weise deine Retroflexionen bewirken, dass du all die schädlichen Introjekte weiterhin befolgst. Du hast aber auch schon gelernt, wie du Introjekte und Retroflexionen erkennen und loswerden kannst.
Im folgenden Beitrag geht es um Deflexionen. Diese beschreiben Mechanismen, mit denen wir uns von dem Drama ablenken, welches uns die Introjektionen und Retroflexionen bescheren.
Deflexion bedeutet nämlich (automatisches, unbewusstes) Ablenken, Ausweichen, Umbiegen. Deflexion bewirkt, dass wir die Fallgruben, in die wir alle geraten, meist nicht bemerken und deshalb auch nichts dagegen tun.
Wir begegnen dabei der Reporterin, dem Politiker, der Geschichtenerzählerin oder auch dem Worthülsendreher. Lass dich überraschen!
#dr. mehrgardt#psychotherapie#retroflexion#soziale faktoren#gestalttherapie#selbsthilfe#alternative therapie#mindroad
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Gestalttherapie ist Kunst und Politik
Ein spannender Podcast, wenn du in die Geschichte der Gestalttherapie aus der Gründungszeit in den 1930ern in Berlin hören willst: Die Arbeiten des Psychoanalytikers Wilhelm Reich sind Grundlage vieler Körperpsychotherapien. Wie war der Einfluss Reichs auf Fritz Perls und auf die Entwicklung der Gestalttherapie? Was meint positive Aggression und was meint Selbstregulierung? Diese und weitere…
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Humanistische Psychologie
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🖌 🧑🎨🌈👉🏾 Boulevard of the yellow trees - falling leaves - energy of the cycles
Boulevard der gelben Bäume - fallende Blätter - Energie der Kreisläufe
Seit heute Morgen denke ich andauernd an den Titel von Green Day FALLING LEAVES.
Da ich nicht wusste, was es für eine Bedeutung für mich hat, bin ich einfach die Sache statt mit Nachdenken, Vergleichen, Assozieren, Analysieren, Interpretieren etc. mit Farbe angegangen.
Voila, da ist das morgendliche Aquarell farbige Bild.
Erst durch seine Gestaltung wurde der Satz aus meinem Hirn zu einem Ausdruck und gleichzeitig zur Ansicht.
Der Satz ist nun weg und ich bemerke Freude über den Sonnenschein draußen, Traurigkeit wegen der Kälte für mich und der vielen Blumen Abschied, aber auch Hoffnung, dass ja der Frühling mit all seinen Farben, Bewegungen und Gerüchen bald wieder aufersteht.
Es war also kein Auftrag, sondern ein Gefühl, das angesehen und getröstet werden wollte, um harmonisch den Tag zu begehen.
Ich möchte damit aufzeigen, dass es viele Übersetzungsmöglichkeiten für vielfältige Herangehensweisen an facettenreiche Innen- und Außen Wahrnehmungen als Möglichkeiten für Anwendungen von Dir gibt.
Ich muss zwar manchmal suchen, aber he, wer hält mich vom Spiel des Suchens und Versteckens ab?
Eins, zwei drei vier Eckstein, alles muss (nicht!) versteckt sein!
Kuckuck... - (alles ist immer) - DAAAA!!!! 😇😂��
C. 🌈🍀🌈
©️®️CWG, 06.11.2020 🍀
Witziger Weise habe ich nach der Ansicht des Bildes Lust auf etwas aus der Kindheit:
Ahoi Brausepulver in Wasser aufgelöst oder im Schwimmbad im Sommer einen Becher Brauspulver für wenige Groschen aus dem Getränke Automat.
Ulkig.
Himbeer, Kirsch, Cola oder Waldmeister Geschmack wollte ich dann immer, weil mir Zitrone zu sauer war. Von Zuhause gab es dann meist noch etwas zu Futtern, oder Geld für ein Würstchen mit Pommes.
In echt ist das Bild viel gelber :)
🌈💕🍀
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The present doesn't exist. #ervingpolster #gestalttherapy #WHAT https://www.instagram.com/p/B-JfGMHJ8NK/?igshid=177r5k750wjc7
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It is easy to sit in the sunshine And talk to the man in the shade; It is easy to float in a well-trimmed boat, And point out the places to wade. But once we pass into the shadows, We murmur and fret and frown, And, our length from the bank, we shout for a plank, Or throw up our hands and go down. It is easy to sit in your carriage, And counsel the man on foot, But get down and walk, and you'll change your talk, As you feel the peg in your boot. It is easy to tell the toiler How best he can carry his pack, But no one can rate a burden's weight Until it has been on his back. The up-curled mouth of pleasure, Can prate of sorrow's worth, But give it a sip, and a wryer lip, Was never made on earth. -Ella Wheeler Wilcox #poem #poetrylovers #ellawheelerwilcox #author #logophile #romanticism #slyconcepts #digitalart #impressionism #shifting #lightandcolor #expressyoself #adobephotoshop #bamboopentablet #wacom #artaday #dailyart #gestalttherapy #healingthroughart #infj #mbti #introvert #ambivert #speakthroughart https://www.instagram.com/p/Bth5m4Gnzv3/?utm_source=ig_tumblr_share&igshid=nuxjmrgaujai
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Ich bin glücklich, wohlhabend, dankbar, in Harmonie und voller Lebensfreude. #Glück #Glücklich #GlücklichSein #Affirmation #Affirmationen #Dankbar #Dankbarkeit #Danke #Harmonie #Lebensfreude #Freude #Selbstvertrauen #Selbstbewusstsein #Selbstliebe #Gestalttherapie #Therapie #Coaching #LiveCoaching #InstaGood #insta #instagram #Erfolg #Erfolgreich #Ziele #Lebensglück #Sprüche #spruchdestages #Spruch https://www.instagram.com/p/CQnV99GHEfc/?utm_medium=tumblr
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