Pathosformeln und Mancipationen
hunc ego hominem ex iure quiritum meum esse aio isque mihi emptus esto hoc aere aeneaque libra.
Auf Tafel 7 des Atlasses, der Tafel, die Bing mit dem Siegerpathos assoziiert, findet sich eine Abbildung aus dem Chronographen von 354, dem sog. Kalender des Filocalus. Der Kalender des Filocalus ist stammt aus der römischen Verwaltung und, wie die notitia dignitatum, ist ein Teil 'römischen Verwaltungsrechtes'. Gleichzeitig handelt es sich bei beiden Quellen um ein niederes und schwaches Material, das unterhalb der Schicht derjenigen Codices kursiert, die später als Bücher des römischen Recht oder Gesezbücher verstanden werden. Das ist Aktenmaterial, das sind Mittel der Sekretariate, nicht der Gesetzgeber, Richter, Autoren und großen Redner. Im Kalender wird die Zeit gemessen und planbar, er besteht weitgehend aus Tabellen und Listen. Beide Quellen werden offensichtlich schnell oder bald hoch geschätzt, sie müssen schon früh auch prunkhaft kursiert sein - und ihre Attraktivität sichert ihnen ihre Kopie, allerdings führt das auch dazu, dass der Schlüsselkodex der notitia dignitatum im Übergang zum Buchdruck verschwindet - zuviele Begehrlichkeiten. Trotzdem handelt es sich um niederes und schwaches Material: Das Material hat und braucht keinen Autor, keine große Referenz, keine große Trennung. Das ist unbeständiges Material, laufend wechselt der Bestand - bis hin zu den Verwechslungen, mit denen noch bei Goodrich und Legendre die Vorstellung sich bildete, Alciatus sei ein Autor von Textpassagen der notitia dignitatum. Das ist also niederes Material, weil die große Referenz in ihm nicht vorkommt, und es ist schwaches Material, weil es leicht (ver-)wechselbar ist, schnell also auch sein kann, was es eben nicht war - plötzlich kein Recht mehr, sondern Religion oder Magie oder Dada. Dafür müssen beide Quellen nicht einmal etwas an ihren Formen austauschen.
Warburg wählt ein Bild aus dem Kalender, das den Bildern in der notitia dignitatum verwandt ist (dort etwa den Darstellungen der Comes oder aber der Darstellung der Roma). Das ist das Bild der Stadt Trier, der Kolonie Augusta Trevorum. Warburg wählt es u.a. wegen der Geste, dem Griff. Dieses Bild zeigt keine mancipatio, und doch ist es, was die mancipatio ist. Man kann beides so assoziieren, das etwas daran eins ist - und durch diese eine assozierte Stelle die Kontraktionen und Distraktionen der Deutung ziehen. Man könnte diese Beschreibung abmildern und sagen, der Einsatz der Hand in der mancipatio und der Einatz der Hand auf diesem Bild, die Bilder seien doch nur vergleichbar, nur ähnlich - und man dürfe keine Differenz dazwischen unterschlagen. Man kann aber keine Differenz unterschlagen, Differenz geht vor und wirkt weiter, dieses scheinbar sorgfältige Hinweischen darauf, dass man keine Differenz unterschlagen dürfe, stammt meist ja ohnehin aus eingerichteten Stübchen. Da sehe ich für Milde keinen Grund. Auch auf Tafel 7 ein römischer Akt, eine römische Formel, römisches Recht, eine Pathosformel und eine mancipatio, ein Bild, eine symbolische Handlung. Die Kontrationen und Distraktionen gehen durch, durchgehend: also rücken sie auch an eine Stelle, in der dann eins das andere ist.
Gaius schildert die Spruchformel, die ein Teil der ganzen Formel ist, man sagt, das sei ein Zitat (s.o.). Und weil Gaius dort nur einen Menschen erwähnt, nur von einem Menschen spricht, der erworben sei, sagen manche, er schreibe nur ein Beispiel dieses Satzes. Das konterkariert seltsam mit er Aussage, die mancipatio sei formal äußerst strikt gewesen. Und was muss ich sagen, wenn ich eine eein Grundstück am Tiber kaufe? Wieso liefert Gaius keine Liste der Formeln für alle Mancipiumsachen? Der liebe Gaius ist ein bisschen damit belastet, selbst zur großen Referenz geworden zu sein. Er ist darüber ein bisschen lückenhaft und ungenau geworden.
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Es gibt Sufi-Orden, die als sunnitisch oder schiitisch klassifiziert werden können, andere sind beiden oder keiner der beiden islamischen Richtungen zuzuordnen. Diese stellen einen separaten Bereich des muslimischen Glaubens dar und lehren meist einen „universellen Sufismus“. Die meisten Sufis bewegen sich aber innerhalb des orthodoxen Islams von Sunna und Schia und sind somit entweder Sunniten oder Schiiten, wobei die meisten Tariqas mit dem sunnitischen Islam in Verbindung gebracht werden (z. B. Naqshbandi, Qadiri) und nur wenige mit dem schiitischen.
Der Weg der Sufis folgt vier Stufen, deren Ausprägung auf den indischen Raum verweist; bislang ist jedoch offen, wie und in welche Richtung diese Beeinflussung historisch verlief:
Auslöschen der sinnlichen Wahrnehmung
Aufgabe des Verhaftetseins an individuelle Eigenschaften
Sterben des Ego
Auflösung in das göttliche Prinzip
Das oberste Ziel der Sufis ist, Gott so nahe wie möglich zu kommen und dabei die eigenen Wünsche zurückzulassen. Dabei wird Gott oder die Wahrheit als „der Geliebte“ erfahren. Der Kern des Sufismus ist demnach die innere Beziehung zwischen dem „Liebenden“ (Sufi) und dem „Geliebten“ (Gott). Durch die Liebe wird der Sufi zu Gott geführt, wobei der Suchende danach strebt, die Wahrheit schon in diesem Leben zu erfahren und nicht erst auf das Jenseits zu warten. Dies spiegelt sich in dem Prinzip zu sterben, bevor man stirbt wider, das überall im Sufismus verfolgt wird. Hierzu versuchen die Sufis, die Triebe der niederen Seele oder des tyrannischen Ego (an-nafs al-ammara) so zu bekämpfen, dass sie in positive Eigenschaften umgeformt werden. Auf diese Weise können einzelne Stationen durchlaufen werden, deren höchste die reine Seele (an-nafs as-safiya) ist. Diese letzte Stufe bleibt jedoch ausschließlich den Propheten und den vollkommensten Heiligen vorbehalten.
Die mystische Gotteserfahrung ist der Zustand des Einsseins (tauhid) mit Gott, die sogenannte „unio mystica“.
Dazu ein Zitat von Abu Nasr as-Sarradsch, einem Zeitgenossen des islamischen Mystikers Dschunaid:
„Sufismus bedeutet, nichts zu besitzen und von nichts besessen zu werden.“
Oder eine etwas ausführlichere Beschreibung von Abu Sa’id:
„Sufismus ist Ruhm im Elend, Reichtum in der Armut, Herrschaft in Dienstbarkeit, Sättigung im Hunger, Leben im Tode und Süße in der Bitterkeit … Der Sufi ist der, der mit allem zufrieden ist, was Gott tut, so dass Gott mit allem zufrieden ist, was er tut.“
Ein wichtiger Aspekt der sufistischen Lehre ist außerdem, dass die Wahrheit erfahren wird und nicht nur intellektuell erfasst. Gemäß dem Grundsatz „Den Glauben sieht man in den Taten“ ist es für die Sufis entscheidend, oft eher mit gutem Beispiel in der Welt aufzutreten als über den Glauben zu reden. Darüber hinaus ist „Aufrichtigkeit“ unentbehrlich, und es sollte versucht werden, nach außen hin so rein zu werden, wie es nach innen hin angestrebt wird.
Viele Sufis, so sie nicht Anhänger einer strengen Scharia sind, glauben, dass in allen Religionen eine grundlegende Wahrheit zu finden sei, und dass die großen Religionen von ihrem Wesen/Geist her dasselbe seien. Manche Sufis gehen deswegen sogar so weit, dass sie den Sufismus nicht innerhalb des Islams (also einer Religion) angesiedelt sehen, sondern meinen, dass die Mystik über der Religion stehe und diese sogar bedinge.
Ausübung der spirituellen Praktiken weitgehend aufgegeben hat und für seine Anhänger hauptsächlich die Funktion eines Mittlers und Fürsprechers – vor Gott, aber auch vor den politischen Autoritäten – erfüllt.[20]
Der Weg
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Im Sufismus wird oft das Symbol der Rose gebraucht. Diese stellt die oben genannten Stufen auf dem Weg eines Derwischs folgenderweise dar: Die Dornen stehen für die Schari'a, das islamische Gesetz, der Stängel ist Tariqa, der Weg. Die Blüte gilt als Symbol für Haqiqa, der Wahrheit, die den Duft der Ma'rifa, die Erkenntnis, in sich trägt.[21]
Hierbei lässt sich folgende Sichtweise der Sufis erkennen: Die Dornen schützen den Stängel, ohne sie könnte die Rose leicht von Tieren angegriffen werden. Ohne den Stängel haben die Dornen allein aber keinerlei Bedeutung; es ist deutlich zu sehen, dass die Sufis Schari'a und Tariqa unbedingt als zusammengehörig betrachten. Der Stängel ohne Blüte wäre nutzlos, und auch eine Blüte ohne Duft hätte keinen Zweck. Der Duft alleine ohne die Rose hätte aber ebenfalls keine Möglichkeit zu existieren.[22]
Die Liebe
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Der Mittelpunkt der sufistischen Lehre ist die Liebe (arabisch hubb, 'ischq, mahabba), die immer im Sinne von „Hinwendung (zu Gott)“ zu verstehen ist. Die Sufis glauben, dass sich die Liebe in der Projektion der göttlichen Essenz auf das Universum ausdrückt. Dies lässt sich oftmals in den „berauschten“ Gedichten vieler islamischer Mystiker erkennen, die die Einheit mit Gott und die Gottesliebe besingen. Da diese poetischen Werke meist mit Metaphern durchsetzt sind, wurden sie in der Geschichte oft von islamischen Rechtsgelehrten argwöhnisch betrachtet. In ihren Augen haben sie ketzerische Aussagen, wenn beispielsweise der Suchende vom „Wein“ berauscht ist; in der Symbolik des Sufismus steht der Wein für die Liebe Gottes, der Sheikh für den Mundschenk und der Derwisch für das Glas, das mit der Liebe gefüllt wird, um zu den Menschen getragen zu werden.
al-Ghazālī bezeichnet die Liebe zu Gott als die höchste der Stationen und sogar als das eigentliche Endziel der Stationen auf dem Weg zu Gott. Er sagt, dass nur Gott allein der Liebe würdig ist; die Liebe zu Muhammad nennt er jedoch als lobenswert, weil sie nichts anderes ist, als die Liebe zu Gott. Die Liebe zu den Gottesgelehrten und Frommen erwähnt er ebenfalls als lobenswert, denn „man liebt diejenigen, die den Geliebten lieben“.
Isa bin Maryam (Jesus von Nazaret) wird im Islam als der „Prophet der Liebe“ gesehen.
Dhikr
Die Sufis suchen durch tägliche regelmäßige Meditation (Dhikr, das bedeutet „Gedenken“, also „Gedenken an Gott“ oder Dhikrullah) und spezielle geistliche Übungen (Chalwa) Gott nahezukommen oder mit Gott im irdischen Leben eins zu werden. Letzteres wird vom orthodoxen Islam und der ihr eigenen islamischen Rechtsprechung (Fiqh) zumindest kritisch betrachtet, wenn nicht gar als Gotteslästerung verdammt. Die Sufis sind andererseits oft dieser konservativen, manchmal verknöcherten, islamischen Rechtswissenschaft gegenüber kritisch eingestellt. Mansur al-Halladsch, der mit Gott so eins geworden zu sein glaubte, dass er sagte: Ana al-Haqq („Ich bin die Wahrheit“, also „Ich bin Gott“), wurde von der Orthodoxie als Ketzer verdammt und öffentlich hingerichtet.
Kommen Sufis einem solchen Zustand nahe, geraten sie oft in Trance, wobei dies lediglich ein Nebeneffekt ist und nicht wie manchmal angenommen das Ziel des Dhikr. Einige wenige Sufigemeinschaften vollziehen in Trance verletzende Handlungen, wie etwa das Durchstechen der Wangen bei den Rifai-Derwischen, womit das vollkommene Vertrauen in Gott demonstriert werden soll. Ein weiteres Beispiel für Trancezustände bei Sufis sind die so genannten drehenden Derwische der Mevlevi-Tariqa aus Konya in der heutigen Türkei, die sich während ihres Dhikr (Sema) um ihre eigene Achse drehen und dadurch in Trance geraten.
Der Sufismus bietet dem Suchenden nicht zuletzt durch den Dhikr eine Möglichkeit, das Göttliche in sich zu finden oder wiederzuentdecken. Die Sufis glauben, dass Gott in jeden Menschen einen göttlichen Funken gelegt hat, der im tiefsten Herzen verborgen ist. Gleichzeitig wird dieser Funke durch die Liebe zu allem, was nicht Gott ist, verschleiert, genauso wie durch die Aufmerksamkeit gegenüber den Banalitäten der (materiellen) Welt, sowie durch Achtlosigkeit und Vergesslichkeit. Laut dem Propheten Muhammad sagt Gott zu den Menschen: „Es gibt siebzigtausend Schleier zwischen euch und Mir, aber keinen zwischen Mir und euch.“
Die „Vervollkommnung des Dhikr“ ist seit je her ein hohes Ziel bei den Sufis gewesen und es wird angestrebt, den Dhikr immerwährend zu wiederholen, sodass er selbst inmitten aller anderen (weltlichen) Aktivitäten weiter im Herzen fortfährt. Dies entspricht einem „ununterbrochenen Bewusstsein der Gegenwart Gottes“. Letzteres wird „Dhikr des Herzens“ genannt, während die nach außen hörbare Form als „Dhikr der Zunge“ bezeichnet wird.
Während des Dhikr rezitieren die Sufis bestimmte Stellen aus dem Koran und wiederholen eine bestimmte Anzahl der göttlichen Attribute (im Islam neunundneunzig). Ein Dhikr, das bei allen Sufis angewandt wird, ist das Wiederholen des ersten Teils der Schahāda („Glaubensbekenntnis“) lā ilāha illā-llāh, zu Deutsch: „Es gibt keinen Gott außer Gott“ oder „Es existiert keine Macht, die es wert ist, angebetet zu werden, außer Gott“. Eine Ableitung des ersten Teils der Schahada, die ebenfalls beim Dhikr wiederholt ausgesprochen wird, ist die Formel lā ilāha illā hū, zu Deutsch: „Es gibt keinen Gott außer Ihm.“ Darüber hinaus kennen die meisten Orden ein wöchentliches Zusammentreffen, bei dem neben der Pflege der Gemeinschaft und dem gemeinsamen Gebet ebenfalls ein Dhikr ausgeführt wird. Je nach Orden kann dieser Dhikr Musik, bestimmte Körperbewegungen und Atmungsübungen beinhalten. Im Nordostkaukasus (Dagestan, Tschetschenien, Inguschetien) war beispielsweise der kumykische Scheich Kunta Haddschi Kischijew ein Vorreiter eines lauten Dhikr.
Ein wichtiger Bestandteil des Sufismus sind die Lehrgeschichten, die die Sheikhs immer und immer wieder ihren Derwischen erzählen. Es lassen sich drei verschiedene Kategorien unterscheiden.
Geschichten, die sich mit dem Verhältnis des einzelnen zu sich selbst und seiner individuellen Entwicklung befassen.
Geschichten, die das Verhältnis zur Gesellschaft und zu anderen Menschen behandeln.
Geschichten, die sich mit der Beziehung zu Gott befassen.
Es handelt sich hier oft um scheinbar einfache Geschichten, deren tiefere Bedeutung aber für den Derwisch sehr fein und tiefgründig sein kann. Dabei ist es nicht unbedingt von großer Bedeutung, ob der Schüler die Essenz der Geschichte bis in das letzte Detail versteht, denn das Lernen findet nicht nur auf der Verstandesebene statt. Analog hierzu wird die Wirkungsweise oft mit der von Medikamenten verglichen, wobei der Patient gleichfalls nicht die chemische Zusammensetzung der Medizin kennen oder verstehen muss, um durch diese geheilt werden zu können.
Die im Westen bekanntesten Lehrgeschichten sind beispielsweise die von Nasruddin Hodscha (auch Mullah Nasruddin), die meistens als Anekdoten oder einfache Witze missverstanden werden.
Ein Beispiel zu 2.:
Nasruddin setzt einen Gelehrten über ein stürmisches Wasser. Als er etwas sagt, das grammatikalisch nicht ganz richtig ist, fragt ihn der Gelehrte: „Haben Sie denn nie Grammatik studiert?“
„Nein.“
„Dann war ja die Hälfte Ihres Lebens verschwendet!“
Kurz darauf dreht sich Nasruddin zu seinem Passagier um: „Haben Sie jemals schwimmen gelernt?“
„Nein. Warum?“
„Dann war Ihr ganzes Leben verschwendet – wir sinken nämlich!“
Anhand dieser Geschichte wollen Sufis verdeutlichen, dass der Sufismus kein theoretisches Studium sei, sondern ausschließlich durch praktisches Handeln gelebt werden könne. Analog dazu sagen sie, dass es zwar viele Bücher über den Sufismus gibt; den Sufismus in den Büchern zu finden sei aber unmöglich. Analog dazu betrachten die Sufis einen Religionsgelehrten, der sein Wissen nicht praktiziert, als einen Esel, der eine schwere Last an Büchern trägt, die ihm aber nichts nützen, weil er schließlich nichts damit anfangen kann.
Ein Beispiel zu 3.:
Man sah Rabi'a in den Straßen von Basra, mit einem Eimer in der einen Hand und einer Fackel in der anderen. Gefragt, was das bedeute, antwortete sie: „Ich will Wasser in die Hölle gießen und Feuer ans Paradies legen, damit diese beiden Schleier verschwinden und niemand mehr Gott aus Furcht vor der Hölle oder in Hoffnung aufs Paradies anbete, sondern einzig und allein aus Liebe zu Ihm.“
In Deutschland leben nach einer Schätzung von REMID 2015 weniger als 10.000 Sufis.[29] Die bekanntesten in Deutschland lebenden Sufis sind der zum Sufismus konvertierte Sufi-Meister Scheich Hassan Dyck, die aus der Türkei stammenden Sufi-Meister Scheich Eşref Efendi und Scheich Seyyid Osman Efendi sowie der Konvertit Scheich Bashir Ahmad Dultz, welcher der Tariqa As-Safinah vorsteht, die zur Schādhilīya-Tradition gehört.
Eine besondere Rolle für den Sufismus in Deutschland spielt der überregional bekannte Sufiverein Haqqani Trust – Verein für neue deutsche Muslime mit Sitz in Mönchengladbach. Der Verein hat seit 1995 eine „Osmanische Herberge“, die sich als das „deutsche Zentrum für Sufismus in der Eifel“ versteht. Er gehört zum Orden Naqschbandi-Haqqani, der ein Zweig der Naqschbandīya ist und arbeitet somit nach den Lehren von Scheich Nazim al-Haqqani.
Außerdem gibt es noch das relativ bekannte Sufi Zentrum Rabbaniyya um Scheich Eşref Efendi, das vor allem in Köln, Berlin und am Bodensee aktiv ist. Der Sufi-Orden MTO Shahmaghsoudi ist als eine weltweite Organisation ebenfalls in Deutschland mit mehreren Zentren vertreten. Weiterhin hat sich der ursprünglich aus dem Sudan stammende Orden Burhani seit etwa 1982 in Deutschland verbreitet. Die europäische Zentrale des Ordens ist das Landgut Haus Schnede bei Salzhausen in der Lüneburger Heide. In Trebbus (im Landkreis Elbe-Elster) gibt es ein Sufizentrum, das seit 1992 von Abdullah Halis Dornbrach geleitet wird.
Während der Amtszeit des Präsidenten Mahmud Ahmadineschad wurden die iranischen Basidsch-Milizen von der iranischen Regierung gegen die schiitischen Derwische in Stellung gebracht. Im April 2006 setzte die Miliz Gebets- und Wohnhäuser von rund 1200 Derwischen in der Stadt Qom in Brand.[30] Die Derwische sehen im Dschihad lediglich einen Kampf eines jeden Einzelnen um sein eigenes Seelenheil und keine Aufforderung zum Krieg.[30] Am 10. und 11. November 2007 räumte die Basidsch Sufi-Gotteshäuser in der südwestiranischen Stadt Borudscherd. Dabei wurden 80 Personen verletzt. Bei der Räumung kamen Molotowcocktails und Planierraupen zum Einsatz. Nach Meinung des Sufimeisters Seyed Mostafa Azmayesh gehe es darum, die Derwischbewegung auszulöschen.[30] Seit Monaten sei eine Kampagne in Zeitungen und von Predigern in Moscheen im Gange. Azmayesh befürchtet eine Wiederholung der Borudscherd-Vorfälle in der Stadt Karadsch. Obwohl der Nematollah-Derwisch-Orden zur Schia zählt, wurde diese Tariqa im Iran als angeblich unislamisch verfolgt.[30] Kommentatoren sahen als Grund die Furcht des iranischen Ajatollah-Regimes um seinen Anspruch auf Meinungsführerschaft in der Umma. Die weltoffene Auslegung des Korans durch die Derwische, verbunden mit Tanz und Musik, ließ die Bewegung unter jungen Leuten im Iran zunehmend Anhänger finden.[30]
In Pakistan sind die Mystiker zunehmend ins Visier von Fundamentalisten geraten, die den Taliban oder al-Qaida nahestehen. In den Jahren 2005 bis 2009 gab es neun Anschläge auf Sufischreine mit insgesamt 81 Toten.[31] Im Jahre 2010 gab es fünf Anschläge auf Schreine der Sufis, darunter einen Selbstmordanschlag auf das größte Heiligtum Pakistans, den Schrein des Data Gandsch Bakhsch im Zentrum Lahores, bei dem 45 Menschen starben, sowie zwei weitere Selbstmordanschläge auf den Schrein des Abdullah Shah Ghazis in Karachi, bei denen neun Personen getötet und 75 verletzt wurden.[31] Die ablehnende Haltung gegenüber dem Sufismus in Pakistan geht vor allem von den Deobandi und den Ahl-i Hadīth aus.[32]
Am 16. Februar 2017 starben bei einem Anschlag auf den Lal-Shahbaz-Qalandar-Schrein in Sehwan Sharif mindestens 88 Besucher, darunter mindestens 20 Kinder und neun Frauen. Über 340 wurden zum Teil schwer verletzt. Zu dem Anschlag bekannte sich der Islamische Staat.[33]
Im wahhabitisch beherrschten Saudi-Arabien wurden die Lehren der Sufis als Schirk (Götzendienst, Polytheismus) verunglimpft, Niederlassungen von Sufibruderschaften verboten. Insbesondere der Besuch von Schreinen sowie der Tanz und die Musik stoßen auf Ablehnung der wahhabitischen Fundamentalisten.[34] Die Wahhabiten zerstörten bereits vor Jahrzehnten konsequent alle Schreine, sogar die Schreine von Gefährten und Verwandten des Propheten, vordergründig um mystische Kulte zu unterbinden.
Von muslimisch-orthodoxer Seite wird immer wieder der Sufismus kritisiert aufgrund einerseits eines moderateren Umgangs mit traditionellen islamischen Normen (Scharia), deren Geltung in Teilen des Sufismus relativiert wird, insofern sie nur eine Ausgangsebene für den weiteren spirituellen Weg darstellten.
Des Weiteren kritisieren Gegner den Einsatz von Musik, der nicht mit islamischer Lehre vereinbar sei. Vor allem sei Tanz – und dem Tanz ähnliche Formen des Dhikr – heidnischen Ursprungs und daher eine verwerfliche religiöse Neuerung. Sufis wiederum argumentieren, bereits der Prophet Mohammed sei bei dem Einzug in Medina mit Musik vom Volk empfangen worden, und habe auf die Frage, ob die Musik beendet werden solle, geantwortet, dass die Menschen Zeiten der Fröhlichkeit mit Musik feiern sollen.[36] Für die Sufis kann Musik als Ausdruck der Freude in der Gegenwart Gottes eingesetzt werden und sei in diesem Gebrauch nicht verwerflich.
Wahhabitische Gegner der Sufis haben kritisiert, dass sie mit dem Scheich eine Person zwischen Gott und den gewöhnlichen Muslim stellen und dadurch gegen die Lehre des Korans verstoßen.[37] Dem halten Sufisten entgegen, dass ein authentischer Scheich nie die Personenverehrung fördere. Er ziehe zwar als Lehrer die Aufmerksamkeit auf sich, aber weise letztlich er von sich weg und hin zu Gott. Es sei gerade die Aufgabe des Scheichs, zu verhindern, dass der Schüler sich dem eigenen Selbst (vgl. nafs) oder der Persönlichkeit des Lehrers hingibt.
Kritik am Sufismus äußert sich mitunter darin, dass der Sufismus aufgrund seiner mystischen Dimension häufig als unpolitisch wahrgenommen wird oder sich entsprechend darstellt, obwohl der Sufismus in vielen Bereichen das öffentliche wie auch das private Leben des Sufis prägt.
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