#geschichte und theorie des bilderstreites
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Bucerius Law School
1.
von Januar bis März 2024 wird die Bucerius Law School eine Lehrveranstaltung anbieten:
Warburgs Staatstafeln: Einführung in die Forschung am Beispiel der Bild- und Rechtswissenschaft.
Diese Lehrveranstaltung wird in 14-tägigem Rhythmus in Hamburg stattfinden. Sie wird teilweise in geschlossenen Räumen, teilweise in freier Luft und als Exkursion durch Aby Warburgs winterliches Hamburg stattfinden, teilweise also sitzend, teilweise stehend und gehend, in der Kälte wohl auch hoffnungsvoll hüpfend.
Adressaten sind kindische oder kindliche, jugendliche oder junge Studienanfängerinnen und -anfänger. Das heißt: die ersten beiden Semester.
Eines der Ziele ist es, von Anfang an zu forschen - von Anfang an die Annahme zu pflegen, das etwas mit dem Wissen und der Rechtwissenschaft nicht stimmt und sich aus einer unruhigen Stimmung oder Verunstimmung, einer Beunruhigung heraus Fragen stellen und Antworten geben lassen. Forschung ist ungesichert, ungarantiert, unversichert, verunsichert.
Die Lehrveranstaltung wird auch in der Exkursion wie ein Empfang organisiert: wer teilnimmt, nimmt teil, aber nur wer teilnimmt nimmt teil. Das Protokoll gibt vor, zu forschen. Wer nicht denken will, fliegt raus (Joseph Beuys). Wer denken will, fliegt - draussen und/ oder drinnen.
Spitzenforschung ist Grundlagenforschung, soll also von Anfang an betrieben werden. Die Erst- und Zweitsemester sind an der Bucerius Law School teilweise hochbegabte Überflieger und 16 Jahre alt, also kindisch oder kindlich, jugendlich oder jung. Man sagt, sie seien nicht volljährig, da müssen sie wohl halb- oder vierteljährig sein und in einem halben oder gevierteilten Jahr soviel wissen, wie andere im ganzen Jahr. Kinder und kindisch in Friedrich Nietzsches Sinne sind sie eventuell. Man sagt, sie seien noch nicht mündig, da muss man sie das Forschen händeln lassen.
2.
Wissenschaft bildet immer, jede Wissenschaft ist Bildwissenschaft. Das Wort Wissen ist den Wörtern Weisheit und Gewissheit, dem lateinischen vis und Visualität, Vision verwandt.
Man hat aus der Verwandtschaft zwischen Wissenschaft und vis teilweise Frage und Antworten zum Verhältnis zwischen 'Wisschenschaft und Kräftigkeit' und einen langen und bis heute unabgeschlossenen Bilderstreit abgeleitet.
Bilderstreit, Machtstreit, Rechtsstreit: Was so zusammen kommt ohne jemals zu verschmelzen, aber immer anzustoßen und anstössig zu bleiben, das nennt man unter anderem Ikonoklasmus, auch wenn darin nicht nur Bilderfeinde oder Bilderzerstörer, sondern auch Bilderverehrer und Bildermacher vorkommen. Darin wird auch nicht nur um Macht, nicht nur um Bilder und nicht nur um Recht gestritten. Der Händel, der Streit: man nennt einen Händel auch einen Akt, wie man eine Akte nennt und visualisierte Nackte. Händeln ist auch Bilden. Schildermacher, so nennt man in Hollland Maler, sind auch Händler des Streites, wie Juristen das sind.
Man hat um Formen des Wissens und Techniken der Assoziation, der Verbindungen und Verbindlichkeiten, der Trennungen und Unterscheidungen, um das Öffentliche und Offensichtliche, das Private und Privatsichtliche gestritten.
3.
Der Franzose Foucault hat das unter anderem in einem Buch über juristische Wahrheitsformen getan; Thomas Vesting hat das jüngst in einem Buch über die Transformation der Subjektivität in der Moderne getan, beide haben dabei unterschiedliche Vorstellungen vom Wissen des vis, vom Wissen dessem, was vis sein soll entwickelt, unterschiedlich Beispiele im Sinn gehabt.
In den letzten Jahren hat sich Rechtswissenschaft nicht nur als ein Betrieb entwickelt, der sagen soll, was Recht ist und was Unrecht ist, was gerecht sein soll und was ungerecht sein soll. Innerhalb der Rechtswissenschaft hat sich eine historische Epistemologie entwickelt, die die Geschichte und Theorie von Recht auch als Geschichte und Theorie des Wissens, der Wissensproduktion, Wissensreproduktion oder Wissensfabrikation beschreibt. Was weiß man vom Mord - und wie weiß man etwas vom Mord, wie teilt ud überträgt man eine Wissen vom Mord - unter anderem mit Leuten, die keine Juristen sind und nie Jura studiert haben, die allenfalls kindisch und wie 16-jährige vor dem Recht stehen, obschon sie schon 45 Jahre alt sind und jahrelang Philosophie oder Naturwissenschaft studiert haben.
Die Gesellschaft ist uralt, benimmt sich dem Rechtswissen und der Rechtswissenschaft gegenüber aber oft geradezu kindisch. Man muss doch wissen, dass Verträge verbindlich sind und es in der Not kein Gebot gibt, den Unwissen schützt nicht vor dem Recht. Man muss doch wissen, dass der Mord verboten und dem Opfer zu helfen geboten ist, die Verteidigung heldenhaft sein soll. Rechtwissenschaft entwickelt all' das Wissen für die Geselllschaft, und wie dankt ihr das die Gesellschaft?
In der sie laienhaft nichs vom Recht zu wissen scheint, weil sie sich auf die faule Haut legt und glaubt: Wenn es Juristen gibt, müssen wir ja nichts vom Recht wissen, reicht ja, wenn die Experten das tun. Macht mich ganz närrisch.
4.
Spitze für die Spitzenforschung, die Grundlagenforschung ist, sind Kinder, sind kindische Subjekte, das sagt nicht nur Friedrich Nietzsche. Spitze der Spitzenforschung, die Grundlagenforscung ist, das ist garantiert nicht der fertige Staatsrechtslehrer oder der mit 25 Ehrendoktorwürden beschwerte Professor Dr. Dr. Hörtnichtauf von Hörtnichtzu.
Das sind die Kinder, die Anfänger, die Idioten, Phantastischen, wahnsinnig Träumenden und Laien - das sind Spitzenforscher der Grundlagenforschung. Als solche werden sie empfangen und sind hochwillkommen. Endlich Spitzenforschung, die Grundlagenforschung ist! So etwas ist so nicht einmal am MPI möglich, weil man bei uns erst arbeiten und forschen darf, wenn man volljährig ist. Ich freie ....und freue mich frei auf 2024!
5.
Keine Sorge, wir fangen kindlich und kindisch an, werden Forschung aber nicht führen. Dass die Veranstaltung eine Einführung ins Forschen genannt wird, ist nur ein Bild. Wir führen keinem Teilnehmer und keiner Teilnehmern was ein, machen niemanden besofffen, setzen niemanden unter Drogen. Alles, was im eigentlichen Sinne und nicht im bildlichen Sinne Einführung ist, ist auch Ausführung. Spitzenforschung, die Grundlagenforschung ist, kann irritieren, die ist ja auch irrtitiert. Rechtswissenschaft muss nicht diktieren, muss nicht diktatorisch erfolgen. Das beste für die Rechtswissenschaft ist, wenn niemand den anderen für doof und dumm, für umwissend hält.
Die Jugend von heute kann ja gar nix mehr, nicht lesen, schreiben, malen: Wer blöd denkt, bleibt blöd, solange er blöd denkt. Die Jugend von heute verblödet vor dem Bildschirm: Wer so verblödet denkt, verblödet - und gibt zu erkennen, dass er eventuell noch gar nicht weiß, was das Lesen, Schreiben und Denken, alles das, was Markus Krajewski das LSD der Wissenschaft nennt, heißt.
Gut, so ein LSD werden wir den entweder reichen oder reichgeförderten Hamburger Spitzenkindern schon verabreichen, in hohen Dosen, damit die bloß nicht verdorben, etwas wohlstands- oder wohlanständigkeitsverdorben werden.
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Kerben
1.
Ohne zu schreiben, schreibt Luhmann, könne man nicht denken.
Diesen Satz schreibt Luhmann nicht nur. Er unterstreicht ihn auch noch. Das Papier, das er für diesen Zettel verwendet, ist ein rectanguläres Operationsfeld, von dem der Blumenbergschüler Manfred Sommer nicht unbedingt treffend, aber sehr sommerlich hell sagt, dass dieses Feld sich vom Acker, vom Tuch, von der Wand und von der Bildfläche ableitet.
Zettel sind wie Äcker, wie Tücher, wie Wände und wie Bildflächen. Sie lassen (...) sich betragen, mit ihnen kann man sich betragen. Sie lassen sich betrachten, mit ihnen kann man sich betrachten. Zettel kuratieren Diskretion und Indiskretion. Man kann ihnen trauen, sie können einen verraten.
Auf solchen Grundlagen entwickelt sich ein Rechtsbegriff, der Begriff der Norm. Auf übersichtlicher, zu schätzender Grundlage entwickeln sich Begriffe des Regulären/ Richtigen/ Rechten/ Rechnenden/ Regierenden/ Regimes/ Reiches - nicht überall, aber in den römischen Stadtstaaten und ihren Gesellschaften. Man sollte die Mediengeschichte des Rechts meines Erachtens wie die Geschichte des Bilderstreites entfalten, darüber streite ich seit 20 Jahren mit Vestings Texten, intensiv und gründlich. Jede Seite seiner Bücher behandelt mich, einen seiner intensiven Leser, jeder meiner Texte behandelt auch ihn, einen der Schreibdative, die man durch Kollegien einer innen Stimme zufügt. Das ist Beobachtung/Betrachtung, man sieht es nur, wenn man es beobachtet und betrachtet: Schreiben sind gerichtet, von entfernten Schreibern tragen Linien die Lektüre/ Leges an entfernte Leser. Zwischen zwei Entfernung pendelt Lektüre, pendeln Verträge, pendelt Betragen und pendelt Ertragen.
Jedes Medium ist mindestens zweischichtig, hat eine obere Schicht und eine untere Schicht. Sprache ist dasjenige, was oben Stimme und unten Leib von Kopf bis zu den Füßen hat, Schrift ist das, was oben Mahl und unten klamme Sendung ist. Buchdruck ist das, was oben Buchstabe und unten Seite oder Blatt ist, Computernetzwerke sind oben Personal Computer/ PC/persönlich und unten no such agency, NSA. Bild ist das, was oben Imago und unten Schild/ Tafel ist. Das habe ich alles von Vismann, Kittler, von Yan Thomas und Marta Madero. Darum kann ich nicht so glauben, wie Vesting glaubt.
Vestings Geschichte und Theorie ist die Geschichte und Theorie einer protestantisch zuversichtlichen Staatsrechtslehre, die nach Westen zieht, am liebsten Richtung Californien, gehen sie (Monopoly) über New York, trinken sie dort guten Wein. Thomas hat Väter und Schwiegerväter, wie wir alle. Seine ziehen ihn in die eine Richtung, meine in andere Richtungen (meine immer über Basel, kann ich erklären, wird aber wieder peinlich). Vestings Theorie lässt sich nicht widerlegen, sie hat auch großen Reiz. Meine Theorie lässt sich nicht beweisen. Wir sind von der Säkularisierung überzeugt, weil wir vergessen haben, was Religion ist.
2.
Ich würde ergänzen: der Zettel ist eine kleine, minore Tafel, eine Tabelle. Alle diese Operationsfelder ermöglichen den Zug gründlicher Linien.
Luhmanns Satz vom Schreiben hat schon zwei Gründe, nämlich Luhmanns Rationalität und das Papier. Vorsorglich, d h. phobisch leuchtend und kuratierend, dabei durchgehend kontrafaktisch stabilisierend zieht Luhmann (L wie Regula) einen weiteren, nicht unbedingt den dritten Grund ein. Die weiter und immer noch gründliche Linie (L wie Abt, Aby, Abrahamit und damit Regler Luhmann) kann auch ein erster, auch ein sekundärer Zug sein, das ist die kybernetische Wellenlinie, die Luhmanns Satz vom Schreiben (L wie regelmäßig um die Ecke gedacht) trägt und diesem Satz trachtet, nach was auch immer.
Luhmann hatte offensichtlich Bedarf, sich nicht mit seiner Rationalität und dem Papier zu begnügen. Es mussten Wellenlinien dazu kommen, um Luhmanns Satz vom Schreiben dem Luhmann tragbar zu machen.
In dem Sinne sind das Medien jener Referenzstruktur, die Cornelia Vismann als junge und anfängliche Forscherfrau oder bar, bloß forsche Forscherin erstens mit den Akten und zweitens mit dem pomerium und der notitia dignitatum assoziiert hat.
In größerer oder kleiner Entfernung von gründlichen Linien befinden sich andere gründliche Linien. In gewisser Entfernung zu den gründlichen Linien von Luhmanns Schrift und dem Unterstrich finden sich Linien, die die Schrift von der Zeichnung unterscheiden, die die Sprache vom Singen und vom Bellen und vom Krach unterscheiden, die Gesellschaft umreissen.
Luhmann, besser vielleicht noch Dirk Baecker, könnte das Formenkalkül aufzeichnen, das ein Beobachter braucht, um sagen zu können, ob Luhmanns Schriftzüge oder der Unterstrich sich in Gesellschaft anderer Schriftzüge befinden, ob es zu ihnen ein System, wie Luhmann sagt: gibt, wie es (etwas) etwas gibt, wie es auch Regen gibt. Es gibt nicht nur Systeme, auch Regen bekommt man von es.
Luhmann zieht Züge über das Papier. Die zügige Form, die auch Pathosformel, Transzendenzformel, Kontingenzformel und überhaupt Formel sein kann, definiere ich als Einfalt der Differenz von auf und ab, hoch und runter, hin und her. Sprich: Luhmann Schreiben ist, was er in Bezug auf Assoziationen vague nennt. Das sind, wie Vismann in in ihrem Aktenbuch schreibt, Wellenlinien, wie am Amazonas oder wie im Wald, dort, wo die Nambikwara sich selbst verwalten.
Luhmann ist nicht nur Gesellschaftstheoretiker Bielefelds (Bienenfels'). Er ist auch ein Chef der Nambikwara und ihrer Selbstverwaltung. Warum? Weil er Wellenlinien ziehen kann und weil er weiß, dass das wichtig ist. Er unterstreicht Luhmanns Satz vom Schreiben zwar wie eine Meeresoberfäche in nur leichter Brise, nur leicht wellt sich der Unterstrich. Aber leicht wellt sich der Unterstrich schon, das Kräuseln sieht man unter dem Mikroskop und in Luhmanns Strömen. Die Zeitschrift Soziale Systeme, einer ihrer Gutachter, sagt: meine Theorie würde zu großes Unbehagen erzeugen, um begutachtet werden zu können. Das kann sein. Sorge: trainieren! Kurieren: üben! Kuratieren: durchziehen! Irgendwann merkt man, dass die Welt sich auch ohne unsere Betrachtungen einfach weiterdreht, spätestens, wenn man stirbt. Man muss nichts Peinliches veröffentlichen, kann es freilich tun. Et in systema ego.
3.
Hinter der Zettelkastentechnik (einer Technik, die ich im Alltag exzessiv verwende und deren Anwendung ich nun (seit kurzer Zeit) von denen verlange, strikt verlange, die bei mir promovieren wollen) stünde eine Erfahrung, schreibt Luhmann.
Das ist Dogmatik. Ich definiere Dogmatik als Erfahrungstechnik. Wer dafür Autoritäten braucht: Maximilian Herberger und Pierre Legendre sagen das auch, wer Aby Warburg als Autorität akzeptiert: der führt das vor, vorbildlich und musterhaft. Wer unter meinen Zettel leidet, sie nicht versteht, wer von ihnen bedrängt wird, wem sie peinlich sind, dem sei gesagt: Es liegt daran, dass sie dogmatisch sind. Alle reden von Wissen, ich auch. Alle wissen, wovon sie reden, ich auch.
Für eine Dogmatik, die Erfahrungstechnik ist, ist Wissen eine Übersetzung. Das Wissen ist nicht erst seitdem entstanden, seitdem die Deutschen einen Begriff für das Wissen haben und seitdem die Deutschen Rechtswissenschaft auch als Wissenswissenschaft betreiben, um lockerer oder lässiger zu sein als die angeblich zu dogmatischen Kollegen in anderen Ecken der Rivalität. Wenn ich vom Wissen rede, übersetze ich damit Genuß oder Lust. Wissen heißt, zu begehren. Verstehen heißt, zu verzehren. Darum nennt Bing, die Sekretärin (wer sonst?) die Tafel 79 das Verzehren des Gottes, sie verrät, worum es geht. Dem Warburg war das vielleicht auch peinlich, der berühmte Titel von Tafel 79 stammt nicht von ihm, nicht von dem Mann, sondern von einer römischen Dame an seine Seite: bingo, noch binga, an der Bing! Sie treibt die Tafel zur Spitze.
Wer dafür eine Autorität braucht, um glauben zu können, dass Wissensproduktion Lustproduktion ist, der sei an Lacan oder Papst Franziskus I. oder an das Pastorentöchterchen Vismann verwiesen, soll sich also entweder an das kanonische Recht oder die psychoanalytische Therapie oder aber an Luhmanns Zettelkasten und Luhmanns Satz vom Schreiben halten, soll einfach Gunther Teubner folgen, der das noch pietätsvoller (zumindest herrnhuterisch sorgfältiger) erklären kann als ich; der soll Ino Augsberg studieren, der es sogar schafft, das so zu sagen, dass es in der JZ veröffentlicht werden kann.
Wissen heißt, Lust zu haben. Das ist eigentlich nicht peinlich, peinlich wird es erst im Streit, also zum Beispiel in der Rechtswissenschaft. Da wird es dann auch schwierig, weil jede Linie zu einen Seite hin schamvoll und anständig ist, zur anderen Seite hin schamlos und unanständig. Wie oft schreiben wir entsetzliche Schriftsätze, triumphieren damit und schämen uns später; wie oft denkt man bei peinlichen Schreiben nach Jahren, dass sie eigentlich ganz ok waren. Wie oft telephoniere ich mit Teubner triumphierend und schäme mich dann nicht nur für das, was ich gesagt habe, sondern auch für das, was er gesagt hat. Gut, dass man sich dann sagen kann, man könne zwischen selbst und fremd garantiert unterscheiden. Dann kann man nämlich wieder anrufen, kann es auch lassen. In der kannibalischen Metaphysik nennt man das irrisieren, es ist eine Art Irritation.
4.
Luhmann nennt das differenzierende Schreiben kerben. Kerben ist dämmen, und wo die Dämmung ist, da wächst das Dämmernde auch, um einmal so eine deutsch-universitäre und immer noch wie Hölderlin singende, freche und unverschämte Selbstbehauptung zu wagen.
Das ist wie auf jeder Oberfläche der Erde: jedes mal kosmographischer Horizont im decorum, darum haben auch alle Wesen einen Sinn für Angemessenheit, sogar coolen Surfer, die Steine und die Kuhlen am Strand haben das.
Ein Damm ist eine Kerbe, ein Korb, eine Kurve. Eine Kerbe ist eine Kuhle. Das Schreiben assoziiert, Luhmann schreibt insoweit sogar vom Gleichgewicht des Schreibens, dass es vague Assoziationen liefere. Er schreibt das Wort vague nach dem Duden falsch, er schreibt es nicht Deutsch.
Er schreibt es auf Zettel 80, 2, 2 französisch. Seine Schreiben ist diesseits des Rheins falsch, jenseits des Rheins richtig. Dazu könnte Hölderlin strophenweise was sagen. Something rotten in the state of knowledge, da stimmt was nicht, da ist was dran. Luhmann kerbt in das Wort vage eine Kuhle vague ein, der kerbt cool die Kerbe, der kratzt eine Kurve im Schreiben.
Luhmann kann man als Meisterdenker lesen. Ich kann Luhmann so lesen, dass mich das alles sehr wütend macht: Selbstreferenz, Anschlussfähigkeit, Ausdifferenzierung: Wie kann er das nur behaupten? Dafür müsste er doch in der Hölle schmoren! Ist er denn wahnisnnig geworden? Warum lügt der Schurke so?
Ich kann ihn aber auch so lesen, dass ich auf jeder Seite lache, über die Komik einer deutsch funktionierenden Welt. Das ist dann der ironische Blitzer, für den ich Luhmanns Stil und seine Stirn küssen und ablecken könnte, auf seinem Schoß könnte ich sitzen, dem Luhmann (L wie Lude/ Luder) scheinwerfergroße Augen machen und ihm Postauto! Postauto! Postauto! zurufen. Luhmanns Satz vom Schreiben geht, das kann man so sagen, auf den Strich genau und immer sehr präzise geht das. Das Präzise schließt das Vague nicht aus. Das Präzise involviert das Vague.
Ich kann Luhman (L wie ein umgekehrter Haken, ein vom Kopf auf die Füße gestelltes Zeichen von George Spencer- Brown) so lesen, dass Luhmann listig und lustig die Abgründe meistert, kann das Meistern wieder als messen, sogar als Feier brasilianischer Messen beim Coco de Umbigada in Olinda lesen. Die Gegend kannte Luhmann sogar gut. Dafür muss man nicht lange da sein, vier Tage reichen. Dafür muss man auch nicht Mãe Beth die schwarze Messe singen hören und dort mittanzen. Das ist zwar gutes Training, aber trainieren kann man alles überall.
Luhmann fuhr eines Tages mit den Gebrüdern Neves in einem kleinen Wachen, einem kleinen Holzboot um den Hügel von Olinda (es gibt davon seit der Malerei von Franz Post sehr viele Bilder dieses Hügels). Wenn er von Kerben schreibt und dieses Kerben die technik einer Erfahrung ist, dann auch der Erfahrung in diesem kleinen Wachen, dem Holzboot von Nevens, vague tanzend in der Brandung zwischenden Riffen, die dort überall verlaufen. Luhmann weißt, was Distanzschaffen und was Distanzschiffen ist. Sonst würde er nicht vague schreiben. Man braucht keinen Derrida, um Luhmann zu erlösen, aber mit Derrida geht es sicher auch - wenn man denn überhauopt Erlösung braucht. Wenn man ohnenhin keine Erlösung braucht, braucht man auch für den Luhmann keinen Derrida, nicht einmal Luhmann braucht man dann.
5.
Kerben sind Linien, Horizontlinien. Das sind Kurven, nur Idioten glauben daran, dass die Erde flach sei und sich nicht um sich und die Sonne drehen würde. Idioten gibt es viele, am Rheine und am Nile - und erstaunlich viele Idioten lachen über die Theorie der flachen Erde oder die Theorie, dass die Erde nicht um sich selbst und um die Sonne und die Sonne auch wieder im All kreisen würde. Aber bei den gründlichen Linien glauben sie dann doch, das diese Linien nicht kreisen würden und das gründliche Linien nur solche seien, die flach und fest aufliegen und sich nicht bewegen würde. Die lachen über die flatearther, vielleicht sogar nur, um von ihrer Lächerlichkeit ablenken zu können.
Wer Texte nicht liest: als Ansammlung gründlicher Linien, über denen der Mond auf- und abgeht, die Sonne auf- und abgeht, die Wolken auf- und abziehen, wer Texte nicht kalendarisch und nicht meterorologisch liest, der muss kein Idiot sein. Naiv könnte er schon sein.
Wer glaubt, dass Lesen kein Stimmen wäre, der liegt nicht ganz falsch.
Wenn Luhmann schreibt, dass differenzierende Schreiben könne man einkerben, dann kann ich das so lesen, als glaube Luhmann an das Beständige der Schrift, an den Bestand des Schreibens, so wie Vesting dass in seiner Medientheorie tut, wenn er den physischen Bestand der Schrift von der Unbeständigkeit der Laute unterscheidet und sagtm, das eine würde sofort zerfallen, das andere bleiben.
So kann ich Luhmann lesen, aber dann macht mich Luhmann wütend, so wütend, wie mich Vesting macht, wenn er beim Italiener plötzlich den Staatsrechtslehrer macht. Eventuell misssvertehe ich aber Luhmann und Vesting, weil ich wüten will; oder ich wüte, weil ich sie missverstehn will. Wer weiß das schon, wenn Kausalität und Zurechnung im Symbolischen/ Imaginären und im Realen sortiert werden müssen? Man weiß nicht, was man versteht, man weiß und versteht wie man lustig ist - und wenn man nicht lusitg ist, versteht man nicht und weiß nix.
6.
Das Kerben kann man anders verstehen, nichts als Bestandsgarantie. Es kann ein Dämmen sein. Luhmanns Schreiben kühlt sich im Kerben, wird Kuhle und cool im Kerben, Luhmann badet im Schreiben und brandet wie Venus Aphrodite auf einer kurvenden Muschel, aber dadurch nicht physisch beständiger als das Vogelgezwitscher oder die rauschende Brandung.
Wenn ich Luhmann so lese und ich denke, dass Vesting dass alles gar nicht so meint, wie er es schreibt, dann finde ich Luhmann und Vesting witzig, offen komisch, dann würde ich mit beiden sogar beim Italiener alte oder neue Pizza essen gehen.
Wenn ich, jetzt mit Gerichtspräsident Schreber gesprochen, im Luden Luhmann das Luder Luhmann erkennen kann, also sowohl den Professor Wiener Würstchen als auch die Cissy Kraner - und dann Niklas Luhmann immer noch als den verstehe, der mich nicht verkommen lassen will, wenn ich im Niklas Luhmann den Luden und das Luder Gunther Teubner wiederkenne, dann lese ich jede Systemtheorie und jede Teubnerische Dekonstruktion liebend gerne und weiß plötzlich genau, lustvoll scharf genau, dass ich nichts, aber auch wirklich nichts anderes will vom Recht und der Welt als Selbstreferenz, Anschlussfähigkeit (eigentlich geil!) und stundenlange, ach tagelange Ausdifferenzierung bis zur Erschöpung. Norma, so sagen Griechen, sei ein Bett, ein rectanguläres Operationsfeld. Die Welt bleibt freilich unruhig - und darum kollidieren auch Teubner und ich noch machmal fast so, als könne jetzt ein Gazakonflikt zwischen uns ausbrechen. Schön ist es nicht, verkehrende Welt ist es.
6.
Das Gedächtnis ist stolz oder kurz. Es ist selektiv, das nennen einige Zensur, vor allem Wiener, die kennen ihre Würstchen. Freud nennt das Zensur. Der Nietzsche, der nennt das anders, aber der weiß, das das Gedächtnis stolz oder kurz ist. Luhmann nennt das Selektive anspruchsvoll und meint, dafür schreiben zu müssen.
Fantastische Idee, warum nicht? Trinken und kiffen geht zwar auch, sogar Sex sorgt für ein selektiv kuratiertes Gedächtnis, schon weil man nicht mit allen Sex haben kann, es gibt inzwischen allein 7 oder 8 Milliarden Menschen, die Tiere und die leblosen Dinge gar nicht eingerechnet. Aber Schreiben geht auch, ist auch anspruchsvoll und ist schon schön - und in Bielfeld gab es sicher bessere Bücher und Zettelkästen als Wein, LSD oder Marihuahana. Die Universität dort und ihre Bibliothek dort, die waren garantiert besser als die Bielefelder Nachtlokale. Die Lokale kenne ich auf peinliche und nicht jugendfreie Art gut, denn die Anwaltskanzlei Brandi war auch zu Luhmanns Zeiten die größte Anwaltskanzlei vor Ort, die größe Kanzlei in Bielefeld, an die habe ich Bilder (einen von mir gefälschten Jonathan Lasker) geliefert, die hängen dort in der Bibliothek, das waren mehr oder weniger Geschenke (Material und Zeit wurden bezahlt) an den Bruder meiner Mutter, an Axel Brandi (jetzt kommt wir wieder zu Warburg), das ist der Sohn von Klaus, Enkel, von Paul und darum ein Großneffe von Karl Brandi, mit dem Aby Warburg in Florenz gegegessen und getrunken hat, um 1892, als er den Text zu Botticelli schrieb.
Große Welt ganz klein, und immer systematisch. Daher, weil ich Axel gut kenne, weil der sich als Anwalt mutig einen gefälschten Lasker in die Bibliothek hängt und den danach noch dem Direktor der Bielefelder Kunsthalle vorführt, kurz nachdem da eine Jonathan Lasker Austellung lief.
Der war sicher nicht besonders amused, aber F ist nunmal for fake, ich bin nun mal ein Orson-Welles-Fan, Anarchist kontrafaktischer Stabilisierung und Anwalt Axel Brandi weiss, dass Anwälte Anarchisten und Artisten sein müssen, um Recht- cum-ex liefern zu können. Die wissen auch, dass es kein Recht außer Recht cum-ex gibt. Das Recht braucht Zugänge und Ausgänge. Ministrabel, Verfassungsrichter oder Bundespräsident wird man damit nicht, nicht wenn man das offen zugibt, aber immerhin guter Anwalt oder aber senior researcher am MPI.
Weil ich Bielefeld dank der Besuche bei den Brandis und dank anstrengender Arbeit und anstrengende Feierabende gut kenne, verstehe ich sofort, dass Luhmann da am liebsten liest und schreibt und nicht säuft und frisst.
Das macht man besser woanders, Bielefeld ist auch so schön. Am schönsten für mich in Axel Brandis Bibliothek, weil da zwei meiner Bilder hängen, sogar eines noch zu James Last. Da kann ich thrakisch lachen und die Systeme komisch finden. Ich lüge nicht, ich krete, sehr scharf und immer durchdacht. Nach Bielefeld habe ich mir ein Kuckucksei gesetzt, um der Systemtheorie und Luhmans Theorie von Kerben Kuckuck sagen zu können. Der Mensch tracht und Gott lacht.
Luhmann kannte die Geschichte von Aristoteles und Phylis gut, der ist gebildet und kein Feigling. Wer feige ist, soll den zumindest meinen Hörsaal verlassen und die üblichen fünf bis sechs Jahre Surrealismus üben. Diese 5 bis 6 Jahre Surrealismus, die man gewöhnlich Kindheit nennt, das sind die Einräumungen, die Anfängerübungen, die die Italiener sisteMare nennen und die wir System nennen. Mein Hörsaal ist sicher sage space, ob das auch safe space ist, das ist unsicher.
Bevor man anfängt, benotet und zensiert zu schreiben, ist man schon sechs Jahre lang, das sind die Jahre elementarer Anfängerübung, systematisiert worden. Das ist die gründlichste Hochschulreife, die man haben kann, gründlicher wird es später nicht mehr. Als andere ist Zuckerguß auf Torte. Wer Glück hat (ich habe da so eine Art Sonnensystemjackpot geknackt, als ich 1970 in Wuppertal in einer Frauenklinik in der "Vogelsangstraße" aufgesetzt wurde), der darf dankbar sein, sollte später etwas von seinem Glück teilen. Man kann das tun, indem man euphorisch schreibt, das tue ich, nicht immer, aber immer, wenn es geht und selbst dann, wenn es peinlich ist.
Wenn man von Luhmann das L für regula einfach mal weglässt, ist Niklas der Uhman, der cool das u im Namen des Vaguen kerbt.
Planet Earth and Moon
#polarforschung#kerben#Dämmern#dämmen#satz vom grund#satz vom schreiben#et in systema ego#coco di umbigada
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Camera Obscura
Das zweite Kapitel seines Buches zu den Techniken des Betrachters widmet Jonathan Cary der camera obscura. Im Verlauf des Kapitels kommt er auf zwei Gemälde von Vermeer zu sprechen. Cary schreibt Anfang der Neunziger, dass die camera obscura ein erstens 'dominantes' und zweitens historisches, also aufkommendes und vorübergehendes Modell des Sehens gewesen sei. Die camera obscura ist ein dunkler Raum, oder wie John Locke schreibt dark room oder closet. Der Begriff, der weniger frivol klingt, wurde in Deutschland eingebürgert, man sagt, er hätte es selbst getan, er hätte sich eingebürgert.
Die camera obscura ist eine Architektur, ein Möbel und ein Apparat, eine artifizielle oder technische Einrichtung. Crary betont einen Effekt der camera obscura, den man mit dem Vokabular aus Niklas Luhmanns Rechtstheorie als Retention und mit dem Vokabular des Rechtshistorikers Fritz Schulz als Isolation bezeichnen kann. Der Betrachter steht in einem Raum, der von der Außenwelt abgetrennt ist. Man sieht aber auch etwas (Durch-)Gehendes, Locke zum Beispiel sieht einen Letter (ein Objekt, das lässt, eine Klamm und eine Sendung) in dem Fall das Fenster, das Licht durchgehen lässt. David Hume sieht in der camera obscura penetration. Wer hier wieder Frivolität assoziiert dem kann gesagt werden, dass die sprachlichen Beschreibungen der camera obscura und auch Vermeers Bilder den Verkündigungsszenen historisch und theoretisch mehr oder weniger nahestehen, den nordalpinen Versionen, die aus der Szene ein Interieur machen, sind sie ähnlicher, man assoziiert die camera obscura vielleicht auch deswegen mit der Innnerlichkeit der permanten Reformation; den mediterranen Versionen, die die Szene in den Stadtraum verlegen, sind die Beschreibungen der camera obscura und Vermeers Bilder eher unähnlich.
Die Fenster sind in Vermeers Entwurf geschlossen und das Glas (das hier weniger unerbittlich erscheint als bei Jacbus Vrel, aber immer unerbittlich bleibt) ist nicht gebrochen. Dass man durch Schuld zur Wahrheit kommt, das ist nicht gesagt, auch nicht bei Hume oder Locke, deren Formulierungen uns heute ein bisschen wie Matrosensprech' klingen.
2.
Die camera obscura ist historisch, Crary beschreibt ihre Vergänglichkeit und einen Bruch, nachdem sie durch andere Apparate, beispielhaft das Stereoskop, abgelöst sein soll. Wie immer kann man Autoren klug lesen und doof lesen. Dass es immer noch eine camera obscura gibt, sie also entfernt aber nicht weg ist, wird Crary wissen. die Unterscheidung, die Crary macht, muss man nicht leugnen, mit ihr kann man sich ohnehin nicht begnügen. Man sollte solche Differenzierungen wie die, die Crary für die Geschichte und Theorie der Betrachtung macht, gerade weil er sie auch in Bezug auf die Geschichte und Theorie juridischer Kulturtechniken macht, als Teil eines Bilderstreites verstehen. Wenn die camera obscura überhaupt jemals dominant war, dann war sie es, weil ihre Technik bestrittten wurde. Alle Abbildungen, die Crary im zweiten Kapitel zeigt, zeigen die camera obscura als Architektur und dabei als einen Haushalt, der bestritten werden soll. Der Streit, von dem hier die Rede ist, bringt nicht weg, was er bestreitet, er macht es mit, in widerständigen und insistierenden Verhältnissen. In meiner besonderen Perspektive, die sich daraus ergibt, dass das die Perspektive einer Bild- und Rechtswissenschaft und damit immer auch Teil einer Geschichte und Theorie des Bilderstreits, sind Bilder überhaupt nur deswegen gegeben, weil sie bestritten werden.
3.
Auch wenn Crary seine Unterscheidung zwischen camera obscura und Zentralperspektive plausibel macht, möchte ich darauf Hinweisen, dass dieses Objekt in die Geschichte und Theorie gründlicher Linien involviert ist, zu deren Geschichte und Theorie Vismann ein fünfaches Modell geliefert hat. In dem Sinne ist die camera obscura eine Kanzel und ein Sekretariat. Eventuell haben der Geograph und der Astronom, die Vermeer zeigt, trotz stickiger Luft die Fenster geschlossen um sie als velum (veil) oder Raster zu nutzen.
Crary benutzt, wie Fritz Schulz das in Bezug auf die Prinzipien des römischen Rechts tut, den Begriff der Isolation, qualifiziert ihn aber und spricht insoweit von einer melancholischen Isolation. Der Geograph ist ein Landvermesser, das ist wiederum eine kafkaeske Gestalt. Der Astronom ist derjenige, dessen Geschichte und Theorie des Bildes Warburg nahe kommt. Für Warburg sind erste, elementare und prinzipielle Bilder Sternenbilder - und Warburg interessiert sich nicht für Bilder in ihrer Funktion, Abwesenheit zu überbrücken und einen Abgrund zu meistern. Die Sterne kommen nicht weg. Sieht man sie nicht mehr, dann hat man sie im Rücken, dem eigenen Rücken oder sie sind gerade 'auf der Rückseite der Welt', und sie rücken immer weiter. Für Warburg sind Sternenbilder erste, elementare und prinzipielle Bilder, weil sie die Funktion haben, Regung oder Bewegung händeln zu können, zum Beispiel dem Reisenden Orientierung und allen anderen Zeitmessung zu ermöglichen. Was Crary eine melancholische Isolation nennt, das verbindet Warburg mit seiner Polarforschung. Die Melancholie geht wie die Polarität mit einer Situation einher, in der man hat, was einem fehlt oder aber einem fehlt, was man hat.
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História e teoria de uma lei inconstante e polar
Die Vorlesung in Recife ist ein kleiner Kurs, ein sogenannter Minikurs, der im ersten Teil das Institut vorstellt, für das ich arbeite und das man als ein Institut für advanced studies verstehen kann, weil es dort vorangehen soll. Auf, auf:
1.
Am Max-Planck-Institut für Rechtsgeschichte und Rechtstheorie hat Marietta Auer mit Mitteln des Leibnizpreises ein Projekt unter dem Titel Theoriemosaik eingerichtet, das im Schwerpunkt rechtstheoretische Forschungen bündelt, die an bricolage, Ästhetik und Historizität interessiert ist.
Theorie halte ich für einen Effekt des Umstandes, dass eine Göttin oder aber ein ausschlagendes Wesen geschaut hat und man seit dem meint, das auch tun zu können, auch einmal schauen zu können. Den Begriff der bricolage assoziiere ich mit der anthropologischen Lehre, also der Annahme, dass alles das, was hier vorkommt, auch da vorkommt, nur in anderen Reihenfolgen oder Sequenzen. Die deutsche Übersetzung des Buches von Lévi-Strauss wählt für den Begriff bricolage das Wort Bastelei. Ich übersetze das Wort mit Kulturtechnik und denke, wie Lévi-Strauss, an beliebige Kulturtechniken, also auch Kulturtechniken, die beliebig sind und die insofern zum Einsatz kommen, wenn es darum geht, Recht wahrzunehmen und auszuüben, die aber auch völlig anders zum Einsatz kommen können - und mit denen das Recht darum unbeständig, relativ, perspektivisch, (ver-)wechselbar und dabei immer scharf, bestimmt, verbindlich und limitiert bleibt. Juridische Kulturtechniken kooperieren bei der Fabrikation des Rechts (beide Genitive sind gemeint) - und diese Kooperation ist widerständig und insitierend.
Bei dem Begriff Ästhetik denke ich an ihre Geschichte, bevor sie im Rahmen der Nationalisierung zur deutschuniversitären Systemphilosophie wurde. Ich denke also eher an die Manuale, Techniken, an Muster, Rezepte, Beispiele, Sammlungen, Vorbilder und Praktiken, um Erfahrung zu machen und darin Passion (Leidenschaft oder ein Erleiden) in Aktion und umgekehrt Aktion in Passion zu wenden. Ich denke bei Ästhetik also auch an Kulturtechniken, die etwas wahrnehmen und ausüben lassen. Bei Historizität denke ich an sedimentäre Geschichte und seismische Aktivität, an das Nachleben der Antike und Trajans Gerechtigkeit sowie an Baseler Archäologie und ihre Folgen.
Das Projekt Theoriemosaik bietet an, an das mosaische Gesetz zu denken, also auch an abrahamitsche Wesen (wie Bartleby oder Anna Katharina Mangold um zwei beliebige Beispiele zu nennen), an Testamente und brüchige/ gebrochene Tafelgesellschaften, an Auszüge und Vollzüge. Theoriemosaik bietet aber auch an, an die Musen, das Musische, die Musik und damit an das zu denken, was zählt. Passt mir alles gut in den Kram, ehrlich gesagt: wie maßgeschneidert für das, was ich gerne tue und tun muss, weil es sonst niemand macht.
2.
Mein Forschungsschwerpunkt liegt in dem Verhältnis zwischen Bild und Recht sowie Bild- und Rechtswissenschaft. Manche halten das für zwei Gegenstände, andere für einen Gegenstand, die Auseinandersetzung darum kann man Bilderstreit nennen. Dieser Bilderstreit hat Geschichte. In meinem jetzigen Projekt zu Aby Warburg interessiert mich die Moderne, d.h genauer die Zeit zwischen Sommer 1896 und Herbst 1929. Die Phase beginnt mit einer kleinen Kreuzfahrt auf einem Schiff, einem Gespräch zwischen Aby Warburg und dem Juristen (und späteren Professor für Rechtsvergleichung) Sally George Melchior über das römische Recht, sie endet mit Aby Warburgs Tod am 26. Oktober 1929, als er an den Staatstafeln und damit an einem Protokoll und Kommentar zu den Lateranverträgen arbeitet. Meine These ist insoweit, dass diese Phase den exakten Zeitrahmen bildet, in dem Aby Warburg zum Rechtswissenschaftler wurde, selbst wenn er niemals an einer juristischen Fakultät eingeschrieben war und nie der Wahrheitsform gerecht wurde, die manche (Staats-)Examen nennen.
Warburg ist in Bezug auf das Recht kein Autodidakt. Das zu unterstellen hieße nämlich anderseits, zu unterstellen, dass die universitäre Rechtswissenschaft im Rahmen ihrer Didaktik ein epistemisches Monopol besäße, das tut sie aber nicht. Sie gibt sich so, das ist eine Illusion, also etwas, mit dem man durchaus eine Zukunft haben kann, wenn auch wie immer eine unsichere und limitierte Zukunft. Die Rechtswissenschaft ist aber eingespannt in eine Wissensproduktion, die multinormativ (Thomas Duve) und multidisziplinär (Marietta Auer), weiter auch multiplizit ist. Diese Wissenschaft kreuzt und versäumt andere Wissenschaften - und ein Wissen, das anders operiert als es universitäre Wissenschaft oder einer der nationalen und bürgerlichen Modelle von Universität nahelegt. Wenn die juristische Fakultät nicht autonom und autark operiert, dann ist Warburg auch kein Autodidakt in der Rechtswissenschaft. Er ist mündig und wild, zieht damit noch den anarchischen Wind (Edgar) an.
3.
In einem Text, der auch klein oder sogar mini sein soll, nämlich in der kleinen Geschichte der Photographie, schreibt Walter Benjamin einen berühmten Satz, er zitiert dort:
"Nicht der Schrift-, sondern der Photographieunkundige wird, so hat man gesagt, der Analphabet der Zukunft sein."
Bindet man die Rechtswissenschaft an das Gesetz und, wie das in einem wunderbaren Buch Ino Augsberg exerziert hat, das Gesetz an die Lesbarkeit, dann sollte man auch diesen Satz aufgreifen und in Bezug auf Warburg noch einmal zuspitzen, weil es bei Warburg auch um Graphien geht, die mit dem Licht arbeiten können, über das Photographische hinaus aber noch um Bilder, durch die Bewegung geht und die darum kinetische, kinematographische oder choreographische Bilder sind. Das sind bewegte Bilder, bewegende Bilder und schließlich das, was Deleuze das Bewegtbild nennt. Also zugespitzt für die Moderne: Nicht der Schriftunkundige, sondern der Unkundige bewegter und bewegender Bilder (der Kinemato- und Choreographieunkundige) wird der Analphabet der Zukunft sein.
Statt von Bewegung spreche ich im Kurs, weil ich schon auf die Affinität zum Recht schiele, von Regung und vom Regen, dem Regen - also einer Regung, die man auch meteorologisch verstehen kann, weil auch sie unbeständig ist, nämlich vorläufig und vorübergehend, vergehend und darin schwer berechenbar bis notorisch unkalkulierbar. Begrifflich meine ich unbedingt das Regen, wie es in anregenden Fällen und Gesetzen, aufregenden Urteilen, erregenden Entscheidungen oder Verbechen und schließlich in abregenden Kompromissen und Vorschlägen mitläuft.
Ob ich darum den Regen nur metaphorisch meine? Bis vor kurzem hätte ich gesagt: ja sicher. Johan Horst mit seiner Forschung zur Verfassung des Natürlichen zum Recht hat mit aber klar gemacht, dass mit den Konflikten der Neometeorologie Modellbildungen in der Rechtswissenschaft Austauschmanöver initiiert, die auch den Status der Begriffe und Metaphern ändert. Meine indischen Kollegen erinnern mich daran, dass dort für Recht und Regen (wie für Recht und Reigen) die selben Begriffe benutzt werden können. Die neue Meteorologie könnte eine andere alte Meteorologie sein, eine Pendel des Wissen, in dem Antike nachlebt.
Den Regen meine ich also nicht nur metaphorisch, wenn ich vom Bildregen spreche. Bildregeln sind ja auch Regeln, die aus Bildern bestehen können (etwa, wenn die Vorbilder, Modelle oder Beispiele geben) und nicht unbedingt aus Sätzen bestehen müssen. So kann Bildregen auch aus Regen bestehen (sogar Edvard Munch hat das an berühmten Beispiel vorgeführt).
Bilderflut ist ohnehin 'eine alte Geschichte' und wem sie jüngst passierte (wem jünst damit wieder mal ein apokalyptischer Schrecken eingejagt und eine Melancholie über den Verlust des Rechts erregt wurde), dem bricht das Herz entzwei. Ich spreche bestimmt auch Starkregen, liegt in Recife ja auch nahe, wo hier fast an jedem Morgen die Wolkentürme mit dem Gewicht großer Elefantenherden während eines Augenzwinkerns auf den Boden klatschen, Häuser wegspülen und dabei regelmäßig Hund und Mensch ertränken. Ob der Regen, der dann Rechte fabriziert, etwa neues Baurecht oder neues Polizeirecht, neue Umweltrechte, neue Hunde- und Menschenrechte, dann eine Rechtsmetapher oder zum Rechtsbegriff wird, auch die Auseinandersetzung wird man Bilderstreit nennen können - und es bleibt ein Streit darum, Rechte wahrnehmen und ausüben zu können.
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Essers Tafeln/ Juristen fabrizieren
1.
Meine These lautet, dass Bild- und Rechtswissenschaft eine Wissenschaft sein kann und wahrscheinlich eine Wissenschaft ist, spätestens seitdem antikes Recht, in dem Fall römisches Recht, an monotheistische Religionen geraten ist und beides sich in vilefältigen normativen, anthropologischen und kosmologischen Vorstellungen verhäkelt hat. Rom ist MultiPliCity. Danach kann man das Privileg haben und nutzen, Recht und Bild unterscheiden zu können, aber nicht zu müssen. Man kann das Privileg haben und nutzen , Bild- und Rechtswissenschaft unterscheiden zu können, aber nicht zu müssen. Beides zu differenzieren ist dann genauso aufwändig wie beides zu identifizieren und in eins zu setzen. Dass ich davon ausgehe, Bild- und Rechtswissenschaft als eine Wissenschaft zu betrachten, das liegt daran, dass ich an der Geschichte und Theorie des Bilderstreites aus der Sicht juridischer Kulturtechnik interessiert bin.
2.
Diese These orientiert sich teilweise an der Bedeutung, die dem kanonischen Recht und dort Figuren des Gottes, des Schöpfer, des Menschen und dann der Ebenbildlichkeit und dem Menschenbild eingeräumt werden. Die Ebenbildlichkeit interessiert mich in Bezug auf juridische Kulturtechniken. Wie macht man sich zum Bild eines anderen? Wir wird man zum Bild eines anderen gemacht? Wie macht man, wie Legendre formuliert, den Mensch dem Menschen ähnlich?
Der Mensch existiert aus Sicht juridischer Kulturtechnik nicht unabhängig von Kulturtechniken der Hominisierung. Er lernt, zu den Tieren und Pflanzen auf sorgfältige Weise auf Distanz zu gehen, er lernt zu sprechen und zu schreiben, Bilder zu geben und zu nehmen, lernt Tafelsitten, die Geschlechter zu teilen, irgendwann lernt ein kleiner Haufen von Leuten dann sogar für das deutsche juristische Staatsexamen, zum Beispiel bei Josef Esser.
Wenn es bei Josef Esser ein Menschenbild gibt und er davon etwas lernt, dann kann man das als Teil von Kulturtechniken verstehen, die Menschen ausbilden, insoweit auch fabrizieren oder aber 'ähnlich machen'.
Das römische Recht ist allerdings auch ohne jüdische und christliche und islamische Religion schon eine sonderbare/ besondere Bildwissenschaft, damit meine ich die zahlreichen Passagen zum ius imaginum und zu tabula picta, aber auch den Teil, der von einigen Wissenschaftlern eher als Hilfswissenschaft denn als römisches recht und Wissenschaft betrachtet wird, also das Wissen der Akten, Tabellen und Kalender (z.b. der notitia dignitatum und des Kalenders des Filocalus). Sprich: zwischen Wissensproduktion und Wissenschaft kann man zwar unterscheiden (Esser zum Beispiel unterscheidet in seinem Lehrbuch von 1949 zwischen Wissen und Wissenschaft deutlich), aber muss beides nicht unbedingt groß oder kategorial unterscheiden. Ich unterscheide nicht kategorial, nicht in festen Größen, schon weil kulturtechnisch betrachtet jede Unterscheidung rekursiv ist und mit Trennungen, Assoziationen und Austauschmanövern operiert.
3.
Die Thesen vom iconic turn halte ich für mehrdeutig (Bildregeln, 2009). Ich lese die These nicht statistisch und als Angabe eines historischen Ereignisses, wie Klaus Röhl das tut, der den iconic turn als visuelle Zeitenwende und Grenze/ Ende der Moderne versteht und statistisch anhand der Anzahl von Büchern und Bildern ermittelt, ob die These stimmt. Bis zu einem bestimmten Zeitpunkt sollen Bilder im modernen Recht statistisch betrachtet keine besondere Bedeutung gehabt haben, sie sollen in der Moderne sogar aus dem 'reinen' Recht verdrängt worden sein. Nun, bei Esser spielen sie 1949 in seinem Lehrbuch von den Grundbegriffen eine Rolle, die man sogar für zentral halten kann, wenn es um Institutionen und die Institutierung der Juristen, um ihre Ausbildung oder Fabrikation geht. Man kann sagen, dass die Institution der Grundbegriffe auch eine Institution von 'Grundbildern' ist, die konkret zuerst Diagramme und Tabellen sind (keine Bildnisse!). Solche Tafeln nenne ich kleine und niedere Tafeln. Sie sind leicht verwechselbar und leicht übersehbar, dienen sogar dem Wechsel und einer Kombination aus Übersehen und Übersicht, die Leibniz in seinem Grundlagentext zu den gewissen Staats-Tafeln veranlasst, auf die Technik der Bildgebung mit ihrer Involvierung anderer Techniken (Register, Statistik, Rhetorik, Schreiben) einzugehen.
Sowohl im Text als auch mit 19 Abbildungen bildet Esser seine Studentinnen und Studenten auch darin aus, Weltbilder zu erkennen und ein Welt- und Menschenbild haben zu können. Heideggers Text über die Zeit des Weltbildes ist 1938 erschienen und kann hier eine der Anregungen sein; die Naturwissenschaften und das kanonische Recht sprechen von und nutzen zur der Zeit zahllose Bilder(n) von Mensch und Welt. Meine These ist auch, dass man die Geschichte und Theorie des Bildes als Geschichte eines Händelns und Handelns beschreiben kann, damit meine ich juridische Kulturtechniken. In Bildregel (2009) habe ich anhand rhetorischer Muster (decorum) versucht, Schichtungen und Stratifikationen des Bilderstreites anhand von Techniken einer Musterung nachzugehen, die in rhetorischen Institutionen auch den Unterschied zwischen oben und unten, hoch und niedrig, groß und klein, sublim und subtil operationalisieren.
In der Geschichte und Theorie solcher Bilder, wie Esser sie verwendet, kann man auch solche Unterscheidungen (oben/unten; hoch/ niedrig) wiedererkennen, wenn auch auf andere Weisen. Das Bildnis (etwa das eines Königs, Gentlemans, Richters, Fürsten oder Anwaltes) ist ein oberes, höheres Bild und darin ein Persönlichkeitsideal mit imaginärer Fassung. Vesting nennt das unter Rückgriff auf die Arbeiten von Daniel Damler und Johanna Braun ein Leitbild. Das soll nicht nur anleiten, sondern oft auch leitende Personen zeigen. Diese Bild sind in hohem Maße signifikant und tragen immer eine Signatur, immer einen Namen, oft sogar zwei: den des Urbildes (Hugo Keyssner, Das Recht am eigenen Bild, 1896) und denjenigen des Urhebers (oben im Beispiel nur seine Signatur IA (Jost Amann). Damit haben diese Bilder, was verfasste Texte haben sollen: eine Unterschrift, eine Signatur, die Namen und Medien bindet und die Bindung garantieren soll. Solche Bildnisse sind auch darum schwer zu verwechseln. Aus Eberhard von Kuenheim wird nicht einfach Erkan Istanbullu, aus Thomas Gainsborough nicht einfach Thomas Vesting, aus Ludwig XIV. nicht einfach Ludwig XV. Diese Bilder organisieren Stellvertretung, Legendre nennt sie Garanten.
Tabellen sind niedrigere Bilder, in der Gattung schon niedrig, sogar so niedrig, dass die in den Inventionen des byzantischen Bilderstreites übersehen wurden. Sie sind in der Rgeln nicht verfasst, wozu auch, sie verwalten ja nur, meist sogar Regungen und Bewegungen, zeichnen also eher Bestände und ihre Wechselbarkeit auf, so d darin dann unbeständig. Sie haben selten bis nie Unterschriften. Wegen Kalendern und anderen Tabellen ist niemand das Risiko eingegangen, den Kopf ein- oder abgeschlagen zu bekommen. Thomas Hensel nennt solche Bilder schwache Medien und meint damit, dass sie leichter verwechselbar und austauschbar sind. Auch das würde ich mit kleinen/minoren Tafeln, kleinen/ minoren Objekten, kleinen/minoren Bildern assoziieren. Da kann an die Stelle Hegels auch Kant geraten und umgekehrt, kann die Position der historischen Rechtsschule so bewegt werden, wie die Mitarbeiter in der Abteilung Rechtstheorie zwischen den drei Arbeitsschwerpunkten sich bewegen können. Trennung, Assoziation und Austauschmanöver sind in minoren, kleinen und nideren Objekten unbeständiger. In rhetorischen Institutionen bezeichnet man das Subtile daran darum auch teilweise als frivol.
Wenn man die These vom iconic turn zeitlich und örtlich mobil verstehen, also davon ausgeht, dass ein turn/ eine Wende/ Regung als bildender oder bildlicher Vorgang, als graphische oder choreographische Kulturtechnik verstanden werden kann, dann überzeugen mich die Texte von Mitchell (der den Begriff bekannt gemacht hat) mehr, dann lese ich ihn als blühenden Ideengeber für die Bild- und Rechtswissenschaft und für die Geschichte und Theorie juridischer Kulturtechnik.
4.
Der Text, den Esser zu seinen Tafeln schreibt, klingt teilweise nach dem, was in Gratians Decretum lex saytrica genannt wird: Ein Schreiben von vielen Dingen zu gleichen Zeit, das satt erscheint. Vor dem Pluralismus war die Satyre.
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História e teoria de uma lei inconstante e polar
1.
In der zweiten Sitzung der Vorlesung in Recife gehen wir auf die Anregungen ein, die vom Werk unserer hochgeschätzten Kollegin Cornelia Vismann für eine Geschichte und Theorie unbeständigen und polaren Rechts ausgehen. Auf dichte, diskutierbare Sätze gebracht kann man ein paar dieser Anregungen gleich angeben: Immer dann, wenn das Recht anfängt, dann fängt auch etwas anders als Recht an. Dann passiert mit dem Recht auch etwas. Man kann das Recht von seinen graphischen und choreographischen Techniken her denken, das heißt auch: von Linienzügen her und dem, wie sie lesen, schreiben, denken und zählen lassen, wie sie schätzen lassen, wie sie trennen, assoziieren und Austausch manövrieren
Vismann ist nicht Kittlerkreis, sie heißt Cornelia und ist einzigartig. Ich bin auf das Buch zu den Akten aufmerksam geworden, sagen wir so: das hat mich so umgehauen, weil ich zu einem Zeitpunkt, als mir Kittler nur Gegenstand von ein paar Schlag- und Stichworten war, die in den Kreisen von Luhmannfans kursierten, wie der Witz, den Luhmann gemacht haben soll, der mit Babylon, dem Pferd und dem Reiter. Das heißt, dass ich zunächst nicht auf die Idee gekommen bin, Vismann als Statistin 'weiter und dominanter Kreise um Kittler' zu sehen. In dem Aktenbuch bietet sie fünf Anfänge an, um über Linien nachzdenken: (1) Die Schreibstunden der Nambikwara, die Wellenlinien der tropischer Verwaltung staatenloser Sozietäten, (2) die Linien in den Graphiken (vor allem den Tabellen und Listen) römischer, auch privater oder civiler Verwaltungscodices, dort nicht direkt mit dem Corpus Iuris verbunden, also nicht mit dem, was Gesetz sein soll, sondern mit der notitia dignitatum, damit auch mit dem Material, das der notitia dignitatum ähnlicher ist als dem Corpus Iuris, das ist der Kalender des Filocalus, (3) dem pomerium, der mit einem Ochsen, einer Kuh und auf Rat und Angabe der Wahrsager umgepflügte, tragende und trachtende Linie, die Städte gründen oder ihren Kreis vorschieben sollten, (4) die Linie, mit der die Erstausgabe von Kafkas kurzen Text Vor dem Gesetz vom Rest der Zeitschrift unterschieden wird, (5) die Cancellierung, die auch Tuch, Textil und Raster ist. In dem späten und letzten Text zu diesem Thema (Kulturtechnik und Souveränität) spricht sie nur das dritte Beispiel an, aus vielen Gründen wohl, aber bestimmt nicht, weil die anderen ihr unwichtig geworden werden.
2.
Verzerrungen und Verstellungen sind dann besonders ärgerlich, wenn sie klein sind. Große Verzerrungen sind abwegig und stören nicht. Kleine Verzerrungen kommen dem Original äußert nahe, betouchen es - und es gibt keine Berührung, nur ein Betouchen. Ärgerlich ist das auch, weil die kleine Verstellung leicht zu ändern wäre. Ärgerlich ist darum das verzerrte Bild, das die Kollegen von Vismann zeichnen, die nun eindimensional das dritte Beispiel herausgreifen, um zu plausibilisieren, warum Vismann eindimensional oder einseitig wäre. Schon das dritte Beispiel ist alles andere als einseitig. Genau dieses Beispiel, ihre Ausführungen zu der 'vorgeschobenen Linie' (Mommsen) und damit einer doppelsinnig kreisenden Linie ist der Grund dafür, dass ich 2000, als das Buch über die Akten erschien, Vismann in der Nähe der bildwissenschaftlichen und kunsthistorischen Arbeiten der späten sechziger und frühen siebziger Jahre sah, also in Nähe der Arbeiten von Leuten wie Heiner Mühlmann (der immer wieder auf das pomerium eingeht, um den Verhäkelungen zwischen Recht und Ästhetik in den italienischen Stadtstaaten der Renaissancen nachzugehen). Ich sah sie in Nähe zu Michel Baxandalls Arbeiten zur Rhetorik, Handel und Mathematik und in Nähe zu Horst Bredekamps Arbeiten zum Bilderstreit.
Das Politische ist insoweit nicht das, als das es ein Staatsrechtslehrer darstellen würde, der mit dem Gespenst von Bilderflut oder Gesetzesflut und Sorge vor zuviel Staat kommt. Das Politische ist in dem Bezug zu den Linienzügen Vismanns unverkürzt gesagt: Gewimmel in der Stadt (z.b. Rom) und auf dem Land (z.B. Amazonien), das formatiert und sortiert, händel- und handelbar sein will, damit Höfe und Höflichkeiten, Behausungen, Häuslichkeiten, Privates, (Un-)Sichtbarkeiten, Kreuzungen, Dreh - und Angelpunkte, Pläne und Risse, Protokolle und Akten ein-, aus-, ab- und anrichten lässt. Zu kompliziert? Merken sie sich eins: es gibt darin nichts erstes, das Politische ist nicht vor dem Privaten da, das Private nicht vor dem Politischen - und sind beide mal da, ist nichts gleichzeitig da.
Das Politische ist mit den Anregungen, die Vismann gibt polis, polos, polus, polite, polar, police, polizid, Polaroid, polyvalent, polemisch, polemousophisch. Es ist verdreht und dreht weiter, es ist verkehrt und verkehrt weiter. Es ist das, was wie ein Kosmograph auf Achse ist, (Zeit und Raum) misst, etwas lanciert und balanciert und was von mir aus auch 'kontrafaktisch stabilisiert', denn der Stab kann auch Achse und Lanze sein (wie in B. Lanz). Das Politische ist geballt und bolisch. Um so ärgerlicher, dass Staatsrechtslehrer ("Kennst Du einen, kennst Du einen"; Anna Katharina Mangold), nicht das, was sie an der Deutung Vismanns mit Leichtigkeit in fünf Minuten ändern können, auch nicht auf Einwände hin ändern oder umstellen. Sie bleiben dabei und positionieren sich gegen die Kollegin, schmeißen noch einen fahles Lob drauf, die Frau sei trotz allem unheimlich fruchtbar und hilfreich gewesen. Ich könnte schreien, wenn es mir nicht so weh tun würde, weil nicht nur die bezaubernd sprühende, nimmermüd gesellige Cornelia Vismann getroffen wird, sondern die Lehre, für die ich mich mit Aufwand, Passion und Zuneigung qualifiziert habe, dann peinlich da steht. Lieber blasen Staatsrechtslehrer ihre Autorität aus, wie das Thomas Mann in Doktor Faustus mit Worten von Theodor Wiesengrund Adorno beschrieben hat, statt sich witzig-wendig, ironisch zu geben oder Ironien auch nur nachzugehen. Das ist wie lange klar: Ich stehe in fundamentaler Opposition zu Positionen der deutschen Staatsrechtslehre. Möge es einmal zu einer Verhandlung kommen. An mir soll es nicht scheitern. An das MPI sind im Rahmen meiner Projekte alle großherzlich eingeladen, die sich nicht über uns lustig machen und Gerüchte verbreiten, wir würden demnächst unseren Job verlieren (Achtung, Medienprofis, wir lesen manchmal Ihre Mails mit, nicht nur, wenn Sie uns mal wieder irrtümlich in CC setzen!). Die sich über uns lustig machen oder solche Gerüchte verbreiten, die sind jetzt leicht kleinherziger aber in der unlöschbaren Hoffnung auf endlose Wiedervergrößerung der Herzen eingeladen. Das Politische ist mit Leichtheit als dasjenige betrachtbar, was juridische Kulturtechniken leisten, nämlich auf widerständige und insistierende Weise Rechte wahrzunehmen und '(aus)zuüben', zu instituieren (wie Vismann sagt) und zu restituieren (wie Warburg einmal sagt).
3.
Die Vorlesung in Recife will in ihrem zweiten Teil zu Vismann Brasilien nicht mit Quatsch belästigen, tut das aber intensiv, um deutlich machen, dass das Brasilien nicht der einzige Ort ist, an dem unbeständig polares Recht auftaucht. Westlich im westlichen Sinne ist eben nicht nur westlich. Ich bin einst in Recife deswegen aufgetaucht, weil ich fundamental in Opposition zur deutschen Staatsrechtslehre stehe, mein Forschungsprogramm schon im Staat nicht publizieren kann (sei keine Rechtswissenschaft, sondern Kulturwissenschaft) - und das alles nicht an neuen Entwicklungen liegt, sondern an der Kanzleikultur, deren leichte Poetin Vismann war. Ich schaue mir das gerne vom Außen her an. Würde das Privatrecht kein Interesse an meiner Forschung haben, hätte ich auch heute keinen Job in der Forschung in Deutschland. Auch auf Anregung von Privatdozentin Vismann bin ich Privatdozent geblieben. Anpassung gibt es ohnehin nicht, das Wort ist eine Ausrede. Die Auseinandersetzungen zwischen Vismann und der deutschen Staatsrechtslehre, die bis heute anhalten sind nicht abzuschaffen, wozu auch? Von Ernst Hartwig Kantorowicz kann man u.a. eins lernen: Was nicht hier stattfindet, findet da statt. Was nicht jetzt stattfindet, findet dann statt. Was auf den Lehrstühlen deutscher Staatsrechtslehre nicht möglich ist, ist am MPI möglich. Weiter aber lohnt es sich, über die Unbeständigkeit und die Polariät in historischer und theoretischer Perspektive nachzudenken - und nicht gleich auf Schmittsche Figuren.
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Via fundgruber und noch
Schieß- oder Scheißsturm
1.
Das Personal des Shitstorms, einer Untergattung des Bildersturms (der Shitstorm ist der Primark-Jogginganzug unter den Bilderstürmen), rekrutiert sich u.a. aus den Agenturen der Öffentlichkeitsarbeit. Aus der Sicht der Geschichte und Theorie des Bilderstreites ist das freilich selbstverständlich, weil Bilder in dieser Perspektive nur dadurch wahrgenommen werden, dass sie bestritten oder gehändelt werden.
Bildakte sind dort keine einseitige Aktion, keine einseitige Deklaration. Bildakte sind/ ist das, was auch historischer Begriff für eine Akte ist: ein Händel(n). Ein Händel(n) ist eine mehr oder weniger wilde Ökonomie und mehr oder weniger zahme, schwer zu bändigende Ökologie, mehr oder weniger explizit damit auch Meteorologie. Bilderstreit ist ein gewagtes Geschäft.
2.
Das Personal des Kampener Pfingstwunders, dem Frühlingsshitstorm von der Nordsee 2024, kam aus der Welt des professionellen Kommunikationsnachwuches, sagt man. Madame 'the shitstorm is now and i finally found the perfect recipe for it' sei gleich von der PR-Agentur, für die sie in einem ihrer Jobs versiert arbeitete, entlassen worden. Ihre Partei zeigt sich solidarisch den Solidarischen und leitet ein Ausschlussverfahren ein. Die Gefühle der Katholiken seien verletzt, sagt ein Sprecher der Kirche. Meine Gefühle, so übersetze ich sündenbeladenes Katholiklein und ich einfacher Arbeiter am Komödienberg des Herrn diese Anmerkung, die ebenfalls aus der Welt der PR- Agenturen zu kommen scheint, sind passioniert. Sie wogen auf und ab, branden lange schon an, wie unter anderem seit dem Moment, an dem ich erfahren habe, dass wir unseren Gott ans Kreuz geschlagen haben und seitdem jede Woche mindestens einmal ihn verzehren.
Es gibt zwei Schichten im Milieu des Shitstorms: diejenigen, die nichts zu verlieren haben und die darum wie immer die Avantgardisten in diesem Bereich sind. Nicokado Avocado (Schreibweise ungewiss) würde ich dazu zählen. Ganz und restfrei richtig bezeichnet man ihn als Internetstar. Diese Figuren treiben die krassen Formate aus, senden Tag und Nacht aus ihrem Kinderzimmer und von anderen sozialen Brennpunkten. Von Orten aus, die ihnen nicht gehören, nutzen sie das Ungehörige, von da aus entwerfen sie Besessenheiten und nutzen jede Attraktion, die Scham bietet, als Ressource für ihre Formate. Senden, sehen, suhlen: eins. Sie feiern das Pubertätsformat in Reichweiten, von denen wir früher keine Albträume bekommen hätten, weil solche Reiche in unsere Träume überhaupt noch nicht einfielen. Dann gibt es diejenigen, die was zu verlieren haben. Die bringen die Form nicht voran, sie agieren so, wie manche es von Vater Bach sagen: sie vollenden sie. Dazu gehört die Eidgenössin, nach der man den aktuellen Endsommershitstorm 2024 benennen kann.
Sie stammt aus einem Milieu, das noch jung ist und alles total super findet, es sei denn, dass es total faschistisch ist. Dieses Milieu hat das sog. finish (gemeint ist nicht das Ende, sondern das, was Produkte haben) einer NetflixSerie oder einer von HBO, wenn dort Hollywoodstars mitspielen. Dieses Milieu ist total offen und ganz gespannt, wie das sich entwickelt oder aber wird. Ein Problem dieses Milieus ist, dass es noch Jüngere gibt, die zwar nicht alles total finden, dafür aber total faschistisch sind. Dagegen kämpft dieses Milleu, zum Beispiel in der Organisation kleiner 5 oder aber Operation Libero. Man vergisst ja manchmal, dass das sorgfältig gepflegt Reizende alle reizt, auch die Ungepflegten und die zwar besorgten aber dabei unsorgfältigen Bürger. Eine Zutat des perfekten Shitstorm, der ohnehin zu den Ereignissen gehört, die sich umso gewaltiger entfalten, desto unbedeutender der Anlass ist: in augendienerischer Angelegenheit muss gestolpert werden. Ein Mord macht keinen Shitstorm, wie Oma Hanna immer sagte.
Der liebe Gott steckt im Detail: im deutschsprachigen Raum ist der Amoklauf der Welt der Sportschützen affin und die Welt der Sportschützen ist durch die tragischen Katastrophen wiederholt dem Amok assoziiert worden. Der Welt der Jäger und Förster ist die Welt des Amok weit entfernt, am Ventil des Blattschusses allein wird das nicht liegen. Jäger und Förster benutzen die Pistole im Bild nicht. Sportschützen benutzen sie gerne.
3.
Inzwischen gibt es Bücher zum Influencerrecht, also dem der Flünzer und Fleusen, die man Influencer nennt. Man flaggt das als Rechtsgebiet aus. Wer weiß, nachdem es eine Medienverfassung und eine Digitalverfassung geben soll, gibt es vielleicht auch eine Influenceverfassung. Ich feile derweil eher am Recht des Bilder- und Scheißsturms.
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Bilderstreit
1.
Ein Teil der Rechtswissenschaft beschäftigt sich mit der Frage nach den Medien, dabei auch mit der Frage, was ein Bild ist. Da ist der Teil, der sich mit dem Medienrecht befasst, im weiteren Sinne ist das die Rechtswissenschaft, die sich damit beschäftigt, wie das Wissen ums Recht produziert und reproduziert wird, wie es übertragen und geteilt wird, welche Mittel und Techniken dabei verwendet werden.
Was heute als Mediengeschichte und Medientheorie des Rechts kursiert, das interessiert mich u.a. als Weiterführung eines Streites, der mit den Inventionen des byzantinischen Bilderstreites Bilderstreit genannt werden kann. Wenn die Medientheorie und Mediengeschichte rechtswissenschaftlich wird, wenn sie mit Theorien der großen Trennung (der Ausdifferenzierung), des Take-Offs, einer großen Anreicherung des Westens oder gar mit Theorien abendländischen Individualismus und Universalismus einhergehen, dann sind diese Theorie der Geschichte der Bilderstreites assoziiert. Welche Rolle die Sprache für die Entwicklung von Rechtsordnungen hat, welche Rolle der Buchdruck oder die Schrift spielen, welche Rolle soziale Netzwerke, Gerichtsöffentlichkeit, das Menschenbild oder der menschliche Körper spielt: Auch wenn sich die Rechtswissenschaft nicht direkt mit dem Bild befasst, kann der Bilderstreit über (kleine) Umwege, wie durch einen Nebeneingang, in die Auseinandersetzung eingeschleust werden, die Beispiele lassen sich fortsetzen. Meine These lautet, dass es sich dabei um eine Auseinandersetzung handelt, die historischen Ausprägungen des Bilderstreit soweit affin ist, dass man sie sogar selbst als aktualisierte Form eines Bilderstreites beschreiben kann. Sie sind historischen Ausprägungen des Bilderstreites ähnlich oder verwandt - und diese Ähnlichkeit oder Verwandtschaft ist Teil dessen, um das gestritten wird. Die Ähnlichkeiten und Verwandschaften sind z.B. daran festzumachen, dass um die Eigenschaften und den Status von Medien gesellschaftlicher Konflikte und Koordination - und dabei auch um das Verhältnis zwischen Rationalität und einer 'minoren' Epistemologie gestritten wird.
Die Beziehung zeitgenössische Theorie 'westlicher Medien', die mit Thesen zur Inkarnation oder Exkarnation, zu einer dank Buchdruck erfolgten Umstellung des Diskurses von Bildern auf Begriffe und zu einer Abfolge von 'Trennungen' (zum Gewinn von Distanz, Kontextfreiheit, Neutralität, Sachlichkeit und Abstraktion) hat Bezüge zu Figuren des Bilderstreites, etwa zu Hierarchisierung von Sinnlichkeit/ Sinn hat. Auch der 'Wiedereintritt der Bilder', den man in jüngeren Texten der Rechtswissenschaft mit Geschichten und Theorien der Persönlichkeitsideale und der Subjektivierung sowie in Auseinandersetzungen um 'Sichtbarkeit' findet, deute ich in der Tradition des Bilderstreites.
2.
Eine These lautet, dass der Bilderstreit Bilder durch Bestreiten erscheinen lässt. Bilderstreit ist also dasjenige, was Bilder händelt, sei es, indem sie zerstört oder aufgestellt, negiert oder affirmiert, zensiert oder gefördert werden.
In den letzten Jahren hat Horst Bredekamp sich unter anderem mit einer Geschichte und Theorie des Bildaktes beschäftigt, also auch mit Kulturtechniken, in denen das Bild auch als Subjekt und Akteur mit Handlungsmacht auftaucht. Im Bilderstreit taucht das Bild aus eine Weise auf, die unsicher ist, besser gesagt unbeständig. In bezug auf die philosophischen, grammatikalischen und theoretischen Kategorien taucht das Bild in der jüngeren Literatur an unterschiedlichen Stellen auf, nicht nur als Subjekt oder Aktant, auch als Objekt, Quasiobjekt (Serres) odser Grenzobjekt (Susan Leigh Star). Man macht es sich in der Forschung nicht leichter, wenn man sagt, dass unterschiedlichen Positionierungen des Bildes alle Recht haben - dies aber vielleicht 'nur' das Recht ist, Bilder und ihre Positionen zu bestreiten. Man wird dann schärfer Linien der Auseinandersetzungen verfolgen müssen, etwa die Art und Weise, wie in Bezug auf das Verhältnis zwischen Bild und Begriff mit Fragen der Ästhetik, Wahrnehmung und Hirnforschung gleichzeitig die Sinne des Menschen geteilt und abgeschichtet oder stratifiziert werden.
Mein Ansatz ist perspektivisch und relativ. Eine allgemeine Theorie des Bildes oder gar eine 'Absolutierung' des Bildes: das gibt es, kommt vor, kann passieren, passiert immer wieder. Daran arbeite ich, um so ein Auftauchen absoluter Bilder als Teil des Bilderstreites wie auf einer Karte einzutragen, also um das Absolute daran wieder zu relativieren. Solche Absolutierungen, sagen wir so: Einrichtungen absoluter Bilder, tauchen kulturtechnisch auf, d.h. mit Operationen. die nicht nur Bildoperationen sind. Sie können mit bestimmten Maltechniken auftauchen wie im Suprematismus, sind aber auch da mit anderen Techniken verbunden, etwa (besonders im religösen und politischen Kontex) mit Architektur, mit liturgischen, choreographischen Techniken oder mit einem Diskurs, der Aussagen und Massenmedien auffährt wie das beim Bildnis des Souveräns der Fall sein soll. Man sollte nicht ignorieren, dass absolute Bilder historisch auftauchen. Das Projekt berücksichtigt so ein Auftauchen aber als ein Bestreiten. Ob ihr Auftauchen begrifflich am besten als Illusion oder Fiktion beschrieben ist, das würde ich bis auf weiteres offen lassen; die Effektivität und ihr Limit, schließlich auch dasjenige, was die Vorstellung eines absoluten Bildes wiederum verstellt und insoweit diese Vorstellung gar als Lüge erscheinen lässt da lässt sich an Details vielleicht besser klären.
Wesentliche Eigenschaften des Bildes, seine Eigentümlichkeit, sein Eigenes - das interessiert mich also als Teil einer Auseinandersetzung und in Bezug auf die iKulturtechniken. Wie die Eigenschaften eines Bildes behauptet werden, wie seine Stellung gegenüber anderen Dingen, anderen Medien oder gar dem Menschen behauptet, besser gesagt kulturtechnisch ein- und ausgerichtet werden, das allerdings interessiert mich sehr. Kultur ist ein "historischer Begriff" (Luhmann), ein Vergleichsbegriff. Kultur kommt dann auf, wenn auch eine zweite Kultur aufkommt (etwa wenn eine Gesellschaft glaubt, die habe etwas von sich überwunden oder hinter sich gelassen oder aber von anderen Gesellschaften erfolgreich getrennt), mit dem Aufkommen sind geographische oder historische Grenzen verknüpft. Technik ist artifiziell, auch wenn Natur involviert bleibt (und das eventuell ohne hierarchisierbare Bedingungen) . Die Arbeiten von Cornelia Vismann aufgreifend meine ich, wenn ich von Kulturtechniken spreche, juridische Kulturtechniken.
In Zusammenhang mit einem Forschungsprojekt zu Aby Warburg interessiere ich mich für die Unbeständigkeit, dabei noch genauer für die 'Polarität' der Bilder ( Was ein Bild ist, ist dabei Effekt operationalisierter Differenz, Effekt des Umstandes 'gezeichneter Unterscheidungen' oder 'zügiger/ gezogener' Formen. Auch die Inventionen des byzantinischen Bilderstreites lassen bereits erkennen, dass Ikonoklasmus und Bildproduktion zusammen laufen können - deutlich wird das also nicht erst im Suprematismus und nicht erst mit der Idee, dass ein schwarzes Quadrat bestreitet, was eine Ikone sein soll, also ein Bild durch ein Bild ersetzt.
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Verschwinden
1.
Nichts verschwindet von selbst, alles nur durch Entfernung. 'Ein letztes Aufflammen' ist vermutlich ein kalendarisches, rhytmisches und taktvolles Geschehen, vergleichbar mit der Apokalypse und anderen Terminen, die jeden Donnerstag drohen. Das tradierte Ordnungsmodell, von dem Ladeur in einer Passage zur Geschichte und Theorie des Rechts spricht, könnte also dasjenige letzte Aufflammen sein, ein Fackeln oder Torkeln, wie es Giordano Bruno in den heroischen Passionen beschreibt. Ein Aufflammen, das zwar regelmäßig stattfindet, jedesmal aber das Licht ist, von dem man sagt: Das ist ja wohl das Letzte! Benehmt euch!
Und dieses tradierte Ordnungsmodell, ein Aufflammen, das ja wohl das letzte ist und sich nicht gehört, das könnte kalendarisch zu den Donnerstagen (auch im Sinne Loriots) gehören, die sich an den Ryhtmus von shavout, dem hellgeistigen Pfingsten oder Luna, also ans Mondlicht halten.
2.
Ladeurs dichte Sätze machen es nicht einfach (niemand macht sich etwas einfach), sie machen aber auch nicht unmöglich, zu destillieren was genau den Ladeur nicht überzeugt und was er "dies" nennt. Was einen Autor überzeugt, was er gut und schlecht findet, ist ja ohnehin nur von limitiertem Interesse. Man soll aber wissen, welche Spuren er aufgreift und welche er hinterlässt. Das ist, wie bei allen, auch bei Ladeur nicht einfach. Begriffe ja/ Mythen nein?
Ladeur greift mit dieser Unterscheidung zwischen der Vagheit der Begriffe und der Vagheit der Mythen ein ikonophobes Projekt auf, er greift einen Bilderstreit auf (den man etwa über Pierre Klossowski zu dem Baseler Archäologen Bachofen und dessen Geschichte und Theorie des Mutterrechts oder aber zu Robert Ranke Graves Arbeiten zum Mondlicht zurückverfolgen könnte).
Ladeur greift einen melancholischen Diskurs auf, in dem etwas droht, verloren zu gehen, nämlich die operationale Seite des Rechts und die Rechtssubjektivität als Lebensform. Ladeurs Ansichten und Aussagen sind unwiderlegbar, sie sind gut bestreitbar, das geht Hand in Hand. Vielleicht, Herr Ladeur, verstehen andere unter dem Gesetz, dem Souveränen oder der Polizei, unter einen Gewalt und einer Unterbechung noch etwas anderes - und vielleicht geht mit diesem anderen Verständnis nicht gleich die operationale Seite des Rechts oder Rechtssubjektivität als Lebensform verloren.
Ist das, was bei den einen Autoren Polizei ist, bei Ladeur Polemik? Dreht sich einfach die Erde, während die einen schreiben und die anderen lesen? Kommen Wörter anders, nämlich verdreht, an, als sie abgeschickt werden? Sind Wörtetr details, die Boliden sind? Ja, das sind sie.
Vielleicht ist also das, was Ladeur in seinen Texten öftes als "Reduzierung" markiert, so reduziert, wie man eine gute Sauce reduziert, also vielleicht handelt es sich nicht um eine Ignoranz oder die Entsorgung von Komplexität, sondern nur um ihre dichte Form.
2.
Ladeur ist vermutlich der einzige deutsche Rechtstheoretiker, der das Vague und das Polare im Recht explizit nicht als etwas begreift, was ausgeschlossen oder abgestellt werden müsste. Ich halte ihn für einen Autor zum Geruch der Wilen, für einen Warburgianer.
Das macht ihn aus der Riege seiner Generation nicht zum einzigen Stichwortgeber für eine Geschichte und Theorie, die sich aus Warburgs Staatstafeln extrahieren liesse, aber doch zu einem wichtigen Stichwortgeber.
Im deutschsprachigen Raum ist auch Teubner mit seinen Vorstellungen des Verschlingens und des Kreischens/Schreiens auch ein Stichwortgeber. Die Schwierigkeit ergibt sich daraus, dass jeder Rechtstheoretiker in seiner Arbeitsbiographie auf Spurrillen gerät, die ihn in nachvollziehbare Positionen zu anderen Leuten bringt. Aus Gelegenheiten haben sich Gegnerschaften entwickelt, müßig, das ausradieren zu wollen, müßig dem Ladeur seine Melancholie und seine Kritik am Islam, den Grünen, Habermas oder dem Kittlerkreis austreiben zu wollen - wir werden auch älter und faltiger und unsere Auseinandersetzungen schreiben sich auch in unser stolzes und kurzes Gedächtnis ein. Das sind nur Schwierigkeiten: man kann dem Ladeur sein Denken bestens entwenden, das ist die Lebenform Subjektivität, mit der das geht. Das ist ein Teil immer operationable Weise des Rechtes, dass jedes Wort von Ladeur auch gegen Ladeur verwendet werden kann. Das macht die Melancholie und die Phobie weder größer noch kleiner, so schubst und wendet man sich durch die Tage.
3.
An manchen Tagen ist die Ikonophobie die tragfähige Übersetzung der Melancholie, tragfähig durch ein simples Aufsteigen ans Tageslicht.
An sich ist die Ikonophobie jener Teil minorer Epistemologie und minorer Ästhetik, an dem das Fest der Begriffe weiche Knie bekommt.
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Wozu iconic turn?
Immer dann, wenn Bilder aufregen und Bilder regiert werden sollen, dann ist iconic turn. Immer wenn Bilder die einen an- und die anderen abturnen, dann ist iconic turn.
Wir definieren für eine Anfängerübung die juristische Grundlagenforschung als Forschung an der Geschichte und Theorie von Grenzobjekten oder boundary objects. Das sind Objekte, an denen die Rechtswissenschaft und das Recht an Grenzen stoßen und sich etwas teilt, unter anderem das Wissen, aber auch alles andere, also auch der Glauben, das Handeln, die Emotionen und Sinne oder, abstrakt gesprochen: die Operationen. Sie teilen sich durchgehend auf, man muss sagen: sie zerteilen sich auch. Hat man es mit Sprache zu tun, teilt sich die Sprache durchgehend auf, so daß man es mit einer eigenen Sprache und einer fremden Sprache zu tun bekommt und weiter noch. Teilt und zerteilt man die Sprachen, unterscheidet man sie nicht nur nach eigener und fremder Sprache. Man teilt dann auch zwischen Sprache, Laut, Krach, Geräusch, Stummheit oder Sprachlosigkeit. Sprache zu teilen und dann auf der einen Seite die Sprache zu lassen, auf der anderen Seite die Bildsprache, das ist schon so eine Operation, die an Grenzobjekten stattfindet.
In der Anfängerübung beschäftigen wir uns konkret mit zwei Sorten von Grenzobjekten: Mit Aby Warburg, einer Person, anhand derer die Frage, ab wann jemand als Rechtswissenschaftler qualifiziert ist, eventuell nicht im Konsens beantwortet werden kann. Das wird eventuell strittig werden, sein und bleiben - und umstritten zu sein, ist eventuell keine Katastrophe, denn das ist Art. 1 I GG oder § 433 BGB auch, sondern eine produktive Unsicherheit. Die zweite Sorte sind die beiden Staatstafeln, Tafel 78 und 79 aus dem Mnemosyneatlas, auch das sind Grenzobjekte. Wir befassen uns mit Bildern als Grenzobjekten und so wird in dieser Anfängerübung die Geschichte und Theorie des Bildes zu einem Grundlagenfach der Rechtswissenschaft. Wir stellen den iconic turn nach, wiederholen ihn mal wieder und sind nicht die erste, der wird seit mindestens 2500 Jahren wiederholt. Man kann sagen: Es sind nicht die Bilder, die plötzlich dort eindringen, wo sie vorher nicht gewesen sein sollen. Der Bilderstreit kehrt zurück, immer wieder zurück. Den Anfang des Forschungsprojektes, das schließlich 2009 zu der Publikation Bildregeln führte, markiert ein Skizze und Ideensammlung, die ich 2005 in dem von Kent Lerch herausgegebenen Band Sprachen des Rechts III veröffentlicht habe: Die Rückkehr des Bilderstreites ins Recht. Den Autoren, die das Verhältnis zu Bildern so schildern wollen, wie das Verhältnis zu Flüchtlingen und Flüchtigem, liefert dieser Aufsatz keine Munition. Wer Bilder so betrachtet, als seien das unzuverlässige und nicht besonders vertraunswürdige Gestalten aus dem nahen und fernen Osten, die man besser kontrolliert, den dürfte dieser Aufsatz irritieren. Wer glaubt, er sei der originellste und erste, der über das Verhältnis von Recht und Bildern nachdenkt, der dürfte diesen Aufsatz äußerst enttäuschend finden. Machen Sie einen Bogen um diesen Aufsatz, der ist nix für sie, wenn Sie an ihren Standpunkten festhalten wollen und es nicht so kompliziert haben wollen mit dem Recht und den Bildern. Wenn sie sagen wollen, dass früher alles rein war und pltözlich Bilder das Recht stören, dass Bilder schneller, wichtiger, schwerer, mächtiger als Rechtsbegriffe seien: gucken Sie bloß nicht in diesen Aufsatz, er hilft ihnen nicht, um zu glauben, was sie glauben.
2.
Wozu iconic turn? Vor wenigen Tagen gab es Aufregung um eine Anzeige des Unternehmens h&m. Der Anzeige wurde Sexismus vorgeworfen, sie wurde zurückgezogen. In dem Fall sind Bilder zum Streitgegenstand geworden, bevor es in der Öffentlichkeit ein juristisches Verfahren gab, wurden die Bilder zurückgezogen. Die Klage blieb juridisch, die Lösung blieb juridisch. Man hat das Problem ohne Juristen und ohne Recht gelöst, das geht nämlich auch.
Der Konflikt ähnelt (vorsichtig gesagt) einem Konflikt um eine Fotografie, die der amerikanische Fotograf Helmut Newton 1978 von der Künstlerin Grace Jones gemacht hat und das auf dem Cover einer deutschen Zeitschrift auftauchte. Damals wurde daraus ein juristisches Verfahren, der Verlag wurd verklagt, man sprach damals von der Sexismus-Klage. Klägerin war Alice Schwarzer, sie schreibt in der Emma später:
"Ihr sollt euch kein Bild von mir machen. - Der alttestamentarische Gott erließ nicht zufällig dieses Gebot. Er wusste, dass, wer sich ein Bild vom anderen macht, sein Bild dem/der anderen überstülpt. In der Geschichte der Menschheit haben Bilder zweifellos das Bild vom Menschen stärker geprägt als Worte. Und wir leben in einer Zeit, in der die Macht des Bildes erneut zunimmt. Gerade Frauen können ein Lied davon singen. Gerade sie sind tausendfach fixiert in Werbung, Medien, Film und Kunst: als Hure oder Heilige, als Körper ohne Kopf, als Objekt, das benutzt oder zerstört werden kann - ganz nach Lust und Laune des Betrachters. Es gehört zum Backlash, dass das "starke Geschlecht" die Definitionsmacht über das "schwache Geschlecht" nutzt, bis zum Anschlag. Im Namen der so genannten "Freiheit der Kunst" ist mit Frauen alles möglich Diese Bildermacht ist so allgegenwärtig, dass viele sie noch nicht einmal mehr als solche wahrnehmen. Eine Reaktion darauf ist die andauernde Empörung über das Frauenbild der Werbung. Ach, wenn es nur das wäre ... Längst hat die Bilder-Propaganda vom Untermenschentum der Frauen ihren Triumphzug durch Medien und Kunst angetreten. Im Namen der sogenannten "Meinungsfreiheit" oder "Freiheit der Kunst" ist alles möglich - mit Frauen sogar das, was, würde es Ausländer oder Juden treffen, längst Gegenstand öffentlicher Empörung und staatlicher Verbote wäre. Der Tat geht der Gedanke voraus. Bevor man es tut mit dem/der anderen, führt man ihn oder sie in der Phantasie vor: als solche, mit denen man es machen kann und denen es nur recht geschieht. Das war in der jüngeren deutschen Vergangenheit nicht anders. Die viehischen Transporte jüdischer Menschen an die Stätten ihrer seriellen Vernichtung waren ja nicht nur Resultat eines seit Jahrhunderten verwurzelten Antisemitismus. Sie wurden auch gezielt vorbereitet von einer mit allen Mitteln der Kunst betriebenen Wort- und Bild-Propaganda gegen "den jüdischen Untermenschen": So sieht einer/eine aus, den/die ihr anspucken, vertreiben, töten dürft... Der 1920 in Berlin geborene Großbürgersohn Helmut Newton hatte einen jüdischen Vater. Seine von ihm verehrte Fotolehrerin Yva wurde in Auschwitz ermordet. Er selbst flüchtete rechtzeitig nach Australien. Doch das Herrenmenschentum nahm er mit, in ihm lebt es weiter. Seine Phantasiewelt ist bevölkert von Tätern in Uniform oder Nadelstreifen und Opfern, deren besondere Anziehung meist darauf basiert, dass sie stark sind und erst noch gebrochen werden müssen: hochgewachsene blonde Gretchen, glänzende schwarze Sklavinnen und lüsterne Herrinnen, die ihren Herrn suchen."
Ob man dem zustimmt oder nicht: Die Passage ist so treffend, weil sie deutlich macht, dass um Bilder offensichtlich normativ und rechtlich mindestens seit dem gestritten wird, seitdem es monotheistische Religionen gibt. In der kurzen Passage macht Schwarzer deutlich, dass der Streit um Bilder ihr ein Streit um Herrschaft und die Spitze der Herrschaft, um Schöpfung und wahre, richtige, schöne Schöpung ist, um die Teilung der Geschlechter und die Teilung der Sinne, also auch darum, was hoch und und was niedrig sein soll. Schwarzer bringt Tabu, ich sage das explizit ohne bestimmten oder unbestimmten Artikel. Es wird Leser geben, die zustimmen, die das abwegig finden, die es übertrieben oder noch milde ausgedrückt finden.
In jüngerer zeit hat der Streit um Bilder im Kontext der Auseinandersetzung um die Teilung der Geschlechter, Fragen des richtigen Menschenbildes und des richtigen oder falschen Begehrens, um Gewalt und Lust Satzungen, Verträge, Artikel, Gesetesinitiativen und juristische Dissertationen hervorgebracht. Unter anderem Berit Völzmann hat darüber (ihre Dissertation) veröffentlicht: Geschlechtsdiskriminierende Wirtschaftswerbung. Zur Rechtmäßigkeit eines Verbots
geschlechtsdiskriminierender Werbung im UWG, Baden-Baden 2015.
3.
Bilder sind also aktuelle Grenzobjekte, man kann sagen: Wir beschäftigen uns mit aktuellen Fragen, mit geschichte und Theorie jetzt und in der Praxis. Meine These ist, dass die Dissertation von Berit Völzmann einen Streit führt, um den es auch schon in der Dissertation von Aby Warburg über Sandro Botticelli von 1892 geht, um den es später in dem Streit um die Anzeige von h&m geht, in dem es auch bei der sog, Sexismus Klage von Alice Scharzer gegen den Stern ging und um den es tatsächlich, wie Schwarzer treffend darstellt, wohl schon in der Antike und im Buch Genesis ging. Die These lautet: Das ist ein Bilderstreit, der seit 2500 Jahren auch mit schriftlich überlieferten Quellen geführt wird.
Wie einheitlich oder homogen, wie unterscheidlich und heterogen dieser Streit ist, damit wird man sich auseinandersetzen müssen. Wie kontinuierlich oder diskontinuierlich dieser Streit geführt wird, damit wird man sich befassen müssen. So einfach, wie manche von tausendjährigen oder zweitausendjährigen Werten ausgehen und glauben, die seien das Heile, Ganze einer Kultur, das iszt hier schwer möglich, denn das ist die geschichte eines Streites, pathetischer gesagt: eines Kampfes, weniger pathetisch gesagt von Auseinandersetzungen und Zusammensetzungen, abstrakter gesagt: von Trennungen und Assoziationen, von Differenz und Wiederholung.
Wir definieren für die Anfängerübung das Bild als ein Grenzobhekt der Rechtswissenschaft, wir definieren es auch als ein minores Objekt. Eine Reihe von Autoren beschreiben das Bild als ein Medium das emotionaler, instabiler, unbeständiger, bewegter sei als andere Medien, etwa als Begriffe. Sie beschreiben Bilder so, wie andere wiederum Frauen beschrieben haben, die angeblich auch emotionaler, instabiler und unbeständiger als Männer und darum besser kontrolliert werden müssten. In jüngeren Texten dreht sich das Argument weiter: Junge Frauen würden von Bildern eher krank, u.a. magersüchtig, und seien darum schutzbedürftiger.
Dass wir in der Anfängerübung das Aby Warburg, zwei Tafeln und das Bild als Grenzobjekte vorstellen, hat subjektive und objektive Gründe, konkrete und abstrakte Gründe. Man könnte so eine Anfängerübung ganz anders angehen, muss man aber nicht. Unter anderem sollte man von Anfang an auch üben, Konflikte zu übersetzen und zu vergleichen - sich also zu überlegen, wie treffend im Detail etwa Alice Schwarzers Argumente sind. Von einer Anspruchgrundlage oder eine stragrechtlichen Norm, von einer öffentlich-rechtlichen Norm oder von Grundrechten habe ich noch nichts erwähnt. Auf etwas wird Alice Schwarzer zurückgriffen haben, um ihre Klage in eine juristische Klage zu übersetzen. Nicht nur Juristen klagen, andere zun es auch. In solchen Fällen, wenn andere machen, was Juristen machen oder wenn etwas anderes dem Recht ähnlich ist und doch dem Recht nicht unbedingt eigen oder exklusiv zugehörig sein soll, wenn es nicht durch eine Garantie dem Recht gesichert erscheint, wollen wir von Juridismus reden. Eine Klagen können also juridisch oder juristisch geführt werden - die oben abgedruckte Passage kann man eine juridische Klage nennen, die würde auch ganz ohne staatliches Recht, ohne staatliche Gerichte so geführt werden. der eine oder andere Rabbi, der eine oder andere Spezialist des Talmud oder des kanonischen Rechts könnte freilich wiedersprechen, und sagen, das sei schon mehr als eine juridische Klage, das sei eine juristischer Klage und die Grundlage der Klage sei klar genannt: Das Buch Genesis - und das sei eine Rechtsquelle.
Noch einmal: Ich glaube, dass man auch in Warburgs Dissertation schon den Streit findet, den Schwarzer oder Völzmann führen. Der Nachweis muss übersetzen - er ist noch nicht geführt.
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Knien/ Kniebeuge
1.
Das Knien ist eine diplomatische Geste.
Auf Tafel 79, der zweiten Staatstafel, setzt Aby Warburg zwei Gesten als Pathosformel und polar/polarisiert ein. Einmal ist das eine hoch, stark oder intensiv geregte Geste, die Warburg über Frauenfiguren auftauchen lässt und mit der Querela/ dem Begehren und mit Spes/ Hoffnung assoziiert.
Warburg nimmt die Assoziation wörtlich und bildlich, d.h. dass er diese Geste als ein reges Hüpfen oder Hoppeln, als ein aufgeregtes Springen zu Sehen gibt - Getrude Bing hatte ihm aus dem inneren der Feiern der Laterantverträge von den wild wogenden Massen in der Basilika St. Peter dailliert berichtet.
Die zweite Geste lässt Warburg über Männerfiguren auftauchen, die knien. Beides mal organisiert er die Pathosformel spiegelverkehrt, wenn man so will: einmal 'in Leserichtung' und einmal 'gegen die Leserichtung': Warburg liest seit seiner Kindheit in zwei Richtungen und ist es gewohnt, die 'Umkehrung der Leserichtung' sinnvoll auszuschöpfen.
Die Knienden auf der linken Seite der Tafel schauen nach links, die Knienden auf der Achse und der rechten Seite der Tafel schauen nach rechts. Man sieht den soldatischen, kriegerischen und souverän-majestätischen Julius II, die Soldatengruppe (von der es zu Warburgs Zeiten noch hieß, in einem der Soldaten habe sich Raffael selbst portraitiert) sowie den heilige Hieronymus. Auf der Achse und der rechten Seite sieht man zweimal Pius XI. (beides mal wird er während der Fronleichprozession kniend getragen) und einmal einen katholischen Priester, der wie auf dem Bild des heiligen Hieronymus Teil der Szene eines Sterbesakramentes (einer letzten Kommunion) ist.
2.
Das Knien ist ein Geste, das ist ein Akt oder Bildakt, in dem der Mensch sich verkörpert. Der Mensch hat einen Körper, aber in der Geste nimmt der Körper die Form eines Zeichens, wie eines Buchstaben, eines Wortes, eines Begriffes oder eines Bildes an. Zugespitzt ausgedrückt: In der Geste verkörpert sich der Körper des Menschen, in ihr hat der Mensch den Körper, den er ausserhalb der Geste nicht unbedingt hat, außerhalb der Geste ist der 'nur' Mensch im Körper.
Die Geste hat eine Geschichte, wie Begriffe oder Bilder eine Geschichte haben. Sie ist Effekt eines Distanzschaffens, eines 'entfernenden' oder symbolisierenden Vorganges. Warburg forscht sein Leben lang zu Gesten, die etwas verkörpern oder verleiben, die ein Bild oder besser gesagt eine ikonologische Assoziation abgeben. Als er 1896 anfängt, seine Kunstgeschichte konketer in Richtung Bildwissenschaft zu entwickeln, beginnt er die als Erweiterng verstandene Forschung zu Geschichte und Theorie des Bildes mit einer Auseinandersetzung mit dem römischen Recht und dort mit der mancipatio, die man ebenfalls als Geste oder Gebärde verstehen kann, sie ist in einen kurzen choreographischen Ablauf eingespannt, den Gaius am Sklavenhandel oder der Aneignung eines Menschen beschreibt.
3.
Das Knien ist die römisch diplomatische Geste schlechthin, gemeinsam mit der Verbeugung ist sie das. Warburg wählt eine Geste aus, zu der sich zuletzt in Deutschland noch einmal ein Bilderstreit in klassischer Weise, also mit allen Inventionen des byzantischen Bilderstreites entzündet hat. Der Minister des Königreich Bayerns Karl von Abel hat 1838 eine Verfügung gegenüber den Soldaten erlassen:
„Seine Majestät der König haben allergnädigst zu beschließen geruht, daß bei militärischen Gottesdiensten während der Wandlung und beim Segen wieder niedergekniet werden soll. Das gleiche hat zu geschehen bei der Fronleichnamsprozession und auf der Wache, wenn das Hochwürdigste vorbeigetragen und an die Mannschaften der Segen gegeben wird. Das Kommando lautet: Aufs Knie!“
Das Königreich Bayern umschloss zu der zeit auch protestantische Gebiete, von denen Widerspruch kam. Die Protestschreiben, Widersprüche und Repliken der Beteiligten haben die Argumente des byzantinischen Bilderstreites noch einmal aufgefahren. Der als sogenanter Kniebeugestreit in die Geschichte eingegangene Streit ist ein Bilderstreit und wie jeder Bilderstreit ist er, die Formulierung ist tautologisch, ein juristischer Bilderstreit.
4.
Bild- und rechtshistorisch wird die These vertreten, dass der juristische Bilderstreit in der Moderne durch Entwicklungen beendet worden sei, die man als Modernisierung, Ausdifferenzierung, Säkularisierung, Rationalisierung und einer Umstellung von stratifikatorischer Differnzierung auf funktionale Differenzierung beschreibt. Die Forschungen am Max-Planck-Institut in Frankfurt haben einige Jahre lang nicht nur diese Thesen vertreten, sondern auch die weiteren Forschungen an diesen Thesen ausgerichtet. Sprich: Forschung zu einer anderen Entwicklung, etwa zur Geschichte des decorum im modernen Recht galten als abwegig, unverständlich oder nicht nachvollziehbar. Milos Vec' Arbeit über die Zeremonialwissenschaften sind programmtisch für eine Konstituierung des Wissens, in der auch historische Thesen mit einem Dogma assoziiert werden, das Goody/ Latour oder Viveiros de Castro das Dogma der großen Trennung nennen. Der Umstand, dass die Wissenschaften vom Recht und von Normen selbst normativ und dogmatisch bleiben, der soll auch nicht widerlegt werden, Umstände dieser Art lassen sich nicht widerlegen. Sie lassen sich immer nur relativieren, historisch und geografisch verhaken und insofern in ihrer Reichweite bemessen - und besser limitieren.
Die Zeremonialwissenschaft und das zeremonielle Wissen, die Regime des Zeremonials sollten historisch weit entfernt sein, wir sollten von dieser Zeit weit entfernt sein. Wir sollen modern gewesen sein. Der Kniebeugestreit muss in dem Sinne im 19. Jahrhundert bereits ein ahistorischer, ein unzeitgemäßer oder ein verspäteter Streit gewesen sein, Aby Warburgs Forschung muss in dem Sinne ein Forschung zu historischen Asynchronien oder Unzeitgemäßheiten sein: Zu etwas, das weit entfernt sein sollte, aber nah entfernt ist oder anders herum zu etwas, was nah entfernt sein sollte, aber weit entfernt ist.
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Bild- und Rechtswissenschaft
1.
Ich verwende den Singular, spreche also trotz Zusammenstellung zweier Wissenschaften von einer Wissenschaft. Das ist eine Wissenschaft, deren Grenzen durch sie gehen und die insoweit auf unstillbare Weise entzwei ist. Das ist die Rechtwissenschaft m.E. auch, auch da ist alles strittig. Das ist die Bildwissenschaft m.E. auch, auch da ist alles strittig. Ich habe auch nie behauptet, dass ich etwas vermehre. Ich mache Kontraktion und Distraktion mit.
2.
Durch diese Wissenschaft, durch die Bild- und Rechtswissenschaft gegen ihre Grenzen. Sie trägt Konflikte aus, sie händelt ihren und bestreitet ihren Gegenstand. Mir geht es nicht um eine Rückkehr der Bilder ins Recht. Die Idee er Bilderflut kenne ich, vor allem ihre lange Geschichte, es wäre lächerlich anzunehmen, dass die heute, vor 20 Jahren, vor 40 Jahren oder vor 400 Jahren begann. Das sagen Leute, die sind aber keine Historiker. Seitdem es Bilder gibt, fluten sie, das sagen Historiker und der These schließe ich mich an, welich die archäologischen Beweise plausibel finde. Wenn zum Beispiel in einer Höhle hunderte Bilder sich finden, aber kein Wort und dazu die Gerippe von sieben Menschen, dann fluteten vor 40.000 Jahren Bilder eine Höhle.
Seit einem Aufsatz über die Rückkehr des Bilderstreites (in: Die Sprachen des Rechts Band III) arbeite ich zur Geschichte und Theorie sowie zur Praxis des Bilderstreites. Ich halte für meine Arbeit nicht für hilfreich, zu unterstellen, dass Bilder kein Teil des Rechts wären oder dass Juristen am Bildwissen (oder Bildwissenschaft am Rechtswissen) nicht beteiligt wären oder nicht kooperien würden. Auch für die Moderne halte ich das nicht hilfreich, schon weil ich sonst das Projekt zu Aby Warburg gar nicht machen könnte. Darum widerlege ich nicht die Thesen des Juristen Klaus Röhl oder der Kunsthistorikerin Kirsten Marek. Ich widerspreche ihnen, aber widerlege sie nicht. Von ihnen diese Annahmen hilfreich sind, dann sind die ihnen hilfreich. Die beiden wollen sowoohl den Rechtsbegriff als auch den Bildbegriff ohne Überschneidung treffen, wollen die Moderne von Vormoderne klären. Das tue ich nicht, u.a. wegen der Argumente, die ich in Bildregeln entfaltet habe, die Vismann in dem Band zum Bildregime entfaltet hat oder die Latour in Wir sind nie modern gewesen entfaltet hat. Philpipe Descola ist ein wichtiger Autor.
#Bild- und Rechtswissenschaft#Dogma der großen Trennung#Kritik der Dogmatik#Peter Geimer#Philippe Descola
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Bild- und Rechtswissenschaft
1.
Klaus Röhl ist in Deutschland der vermutlich von deutschen Juristen meistzitierte lebende Autor zur Bild- und Rechtswissenschaft. Seine These lautet, dass Rechtswissenschaft "natürlich keine Bildwissenschaft" sei. Man kann diese These komplex deuten, ich mache es mir zum Anfang hin einfach: Diese These ist nicht gründlich durchgearbeitet. Für die deutsche Rechtswissenschaft ist die These nicht plausibel. Die deutsche Rechtswissenschaft hat eine Geschichte, die unter anderem auch mit römischem Recht und mit kanonischem Recht sowie mit der Rhetorik und der Philosophie verbunden ist. Diese Wissenschaft hat eine Geschichte, in der mitbestimmt wurde, was Bildern sein sollen, wie man sie gebrauchen soll. ob und wie man sie limitieren soll. Das geschah und geschieht teilweise explizit, teilweise implizit. Das Bild ist als Ebenbild ein zentrales Element der monotheistischen Religionen. Als Idee, Vorstellung, Weltbild ist das Bild ein zentrales Element der Philosophie. Als Imaginäres ist es Element der Psychoanalyse. Ein Teil der Anthropologie widmet sich als Bildanthropologie allem, was Mensch mit, durch und zu Bilder(n) macht. Die Beispiele lassen sich fortsetzen. Der Begriff des Bildes hat eine Weite, die mit dem Begriff des Menschen, der Gesellschaft, des Rechts, der Kultur oder der Natur mithalten kann. Manchmal spielt man die Weite stolz aus, sagt, auch römisches Recht sei schon um 500 v. Chr. Recht im Sinne der deutschen Rechtswissenschaft gewesen, manchmal spielt man auf Knopfdruck Nominalismusstreit. Manchmal nimmt man Vielfalt als Anlass, die Kunst der Definition zu üben, manchmal zum Anlass, denk- und definitionsfaul zu sein. So wird die Weite des Rechtsbegriffes nur manchmal zum Problem, beim Bild ist das auch so, wie bei allen Begriffen. Man kann und soll die Rechtswissenschaft vom Rest der Welt unterscheiden, muss sogar tun, wenn man den Unterschied begrifflich wofür auch immer fassen will. Die Definition ist aber normativ und technisch, sie wächst nicht auf den Bäumen, fällt nicht vom Himmel und wird dort getroffen, wo Differenz mit Kontinuität, Austausch und Wechsel einhergeht.
Seit dem römischen Recht, seit den Anfängen des kanonischen Rechtes, seit den Erfindungen des byzantinischen Bilderstreites und den Renaissancen der griechischen und römischen Welt ab dem 11. Jahrhundert ist die Rechtswissenschaft in das Bild involviert: in seine Nutzung, seine Reproduktion und in die normativen und dogmatischen Bestimmungen des Bildes.
Röhls These ist in seinen Texten unter anderem deswegen plausibel, weil er die gesamte Gegenliteratur und alle kritische Stimmen einfach weglässt und ignoriert. Katholisch oder jüdisch würde er vielleicht auch nicht streng erzogen. Weil er der meistzitierte Autor ist ist das teilweise ärgerlich: Immer wieder Kultur einer Wissenschaft, die einfach Texte von Autoren und Autoritäten braucht, uzm etwas abschreiben zu können und damit sog. Grundlagen oder Referenzen haben zu können. In den Anfängerhausarbeit mag man damit über vier Punkte kommen, man kann ja sagen, was man schreibe sei vertretbar, Röhle sage es doch auch und man habe nur vier Wochen Zeit für alles gehabt. Mehr aber auch nicht.
Seinen Aufsatz im Handbuch für Recht und Rhhetorik halte ich für unwissenschaftlich, seine Einträge auf dem Blog deute ich auch so, dass er sich selbst inzwischen von diesem Aufsatz distanziert hat. Das ist unwissenschaftlich, weil die einschlägige Literatur nicht berücksichtigt wird.
2.
Ist es sinnvoll, bei der Literatur zu Bild und Recht Systemrefernzen zu unterscheiden? Ja, aber dann richtig, also dann systemtheoretisch. Ich bin kein Systemtheoretiker, ich halte die Theorie von Luhmann fúr historisch wichtig, aber heute für meine Fragestellung nicht für hilfreich. Schon darum ist es für mich nicht sinnvoll, die Unterscheidung von Systemreferenzen zur Grundlage der Arbeit über Bild und Recht zu machen. Röhl arbeitet seine These zu den Systemen und den Referenzen auch nicht systematisch durch. Was Bilder im Recht von Bildern über das Recht unterscheiden soll, wird nicht entfaltet. Es macht allgemein (!) keinen Sinn, danach zu unterscheiden, ob jemand, der ein Bild macht, über ein Bild spricht oder schreibt oder ein Bild reproduziert Jurist ist oder nicht. Im allgemeinen wird der Umstand, dass er ein oder zwei Staatsexamen hat oder international entsprechende Qualifikationen hat nichts darüber aussagen können, warum und wie er ein Bild macht, über dieses Bild spricht oder schreibt oder dieses Bild reproduziert.
Was soll ein Bild sein, das im Recht ist und wie soll sich das von einem Bild unterscheiden, das 'über das Recht' ist'? Soll das heißen, dass Bildr, die gegen keine Rechte verstoßen, im Recht sind, während Bilder, die gegen Recht verstoßen, nicht im Recht sind? Und schreiben Juristen und Rechtswissenschaftler nicht dauernd über das Recht? Warum soll ein Schreiben und Sprechen über das Recht sich allgemein und grundsätzlich von Bildern über das Recht unterscheiden?
Meines Erachtens sind diese Thesen von Röhl schlichtweg kurz und knapp, zu kurz und knapp entworfen. Beim Durchdenken und Durcharbeiten werden sie haltlos. Ich verzichte auf keine Unterscheidung, jede Unterscheidung ist mir willkommen. Nur räume ich diese Röhlschen Unterscheidung weder einen allgemeinen, noch prinzipiellen noch sonstwie grundsätzlichen Platz ein. Diese Unterscheidung ist interessant, besonders, witzige, typisch deutsch, irgendwie ist sie ja offensichtlich nicht nur dem Röhl plausibel. Man findet die These immer wieder zitiert. Sie ist Teil der Geschichte des Rechts, der Dogmatik (die ist eben eine Abschirmung und nur begrenzt präzise, sonst wäre sie nicht präzise). Es gibt in jedem Land die These, in eigenen Land gäbe es das beste Brot und die meiste Bürokratie, so plausibel ist wohl auch Röhls These. sprich: So lange plausibel, solange man das nicht anders betrachtet. So etwas nenne ich eine flüchtige Alltagsevidenz, selbst wenn sie tausend Jahre halten soll. Das ist wie eine Bauerregel, wie der berühmte Satz "Ein Gesetzbuch sagt mehr mehr als tausend Worte" oder der Satz "Wer im Glashaus sitzt werfe nicht den ersten Stein". Sagt man halt so, trägt man halt so weiter, man kommt mit den Sätzen durch, solange man damit durchkommt.
Es gibt Gesellschaften, die stellen sich das Recht als unverwechselbar und unaustauschbar vor, als exklusiv und eigen, als Kategorie oder als epistemische Sonderklasse. Es gibt Gesellschaften, die denken kategorial, die glauben an den Bestand und die Klasse vom Subjekten, Objekten und Handlungen. Die glauben auch daran, dass das Recht einen Bestand hat und das Bild einen Bestand hat. Boehme-Neßle nennt das Bild zum Beispiel eine Klasse von Zeichen. Das ist nicht rhetorisch gedacht, nicht kulturtechnisch - und nicht so, wie ich denke. Ich glaube, angleitet durch eine Auseinandersetzung mit der Rhetorik und der Kulturtechnikforschung, hier wiederum den Bezügen, die Vismann einerseits auf Luhmann, andererseits auf Latour genommen hat, das sowohl das Recht als auch das Bild unbeständig sind. Sie müssen bestritten werden. Das heißt, dass alles mögliche als Recht auftauchen und seine rechtliche Qualifiaktion auch wieder verlieren kann. Alles mögliche kann als Bild auftauchen und seine Qualifiaktion als Bild wieder verlieren. Eine Landschaft, ein Menschenkörper, ein Tier, ein Auschnitt des Himmels, eine Schafsleber, Spuren an der Wand, Zeichnungen, Malerei und Buchstaben auf Papier oder Leinwand können zum Bild werden, müssen aber keine Bilder sein. Ein Objekt kann als Bild, ein Bild als Objekt auftauchen, muss aber nicht, der Streit um die tabula picta wäre ein Beispiel dafür. Ein Subjekt kann als Bild auftauchen, ein Bild als Subjekt, muss aber nicht, Bredekamps Theorie und Geschichte des Bildaktes liefert zu dieser Auseinandersetzung viel Material. Eine Handlung kann als Bild auftauchen, ein Bild als Handlung, die Geschichte und Theorie des Protokolls (und wieder Bredekamps Ideen zum Bildakt) liefern dafür Material.
Das Recht muss nicht beständig sein, muss keinen Bestand halten. Das Bild muss nicht beständig sein, muss keinen Bestand halten. Das Recht kann seinen Bestand wechseln, das Bild kann seinen Bestand wechseln.
Die Kulturtechnikforschung, der ich mich zurechne, geht von Vorgängen aus, die etwas als etwas erscheinen lassen - oder etwas als etwas verschwinden lassen, sie etwas zu etwas machen oder etwas zu etwas anderem machen. In der Literatur zur Kulturtechnuik ist insofern von Operationsketten die Rede, kein schöner, dort aber selbst wiederum technisch verwendeter Begriff. Eine Operationskette besteht, ich nehme das Beispiel aus Bilderregeln, etwa aus einem Gerichtssaal (Raum), einem Termin (Zeit), einem Anwalt, Fotografen, einem Plakat, Zeitungsredaktionen, einer bestimmten Leserschaft (Öffentlichkeit) , durch bestimme Operationen, die wiederum Kommunikation, stumme Geste, Entscheidung, Bewegung sein können. Durch etwas hindurch, in dem sowohl homogene als auch heterogenen Elemente vorkommen wird etwas zu Recht, so wird etwas zum Bild. Was manche Leute eine Fotografie nennen, muss kein Bild sein. Es kann sein, dass diese Fotografie auf Zeitungspapier gedruckt ist - dann konnte diese Fotografie in St. Petersburg in den 90' er Jahren auch Zigarettenpapier oder sogar Klopapier sein.
Mich interessieren die kulturtechnische Vorgänge, die etwas als Bild bestreiten, die analysiere und kritisiere ich. Die beschreibe, deute und kommentiere ich. In Bildregeln habe ich dafür auch ohne das technische Vokabular der Kulturtechnikforschung (dafür aber mit einem Verweis auf historische Bildbegriff der Rhetorik) Beispiele gegeben. Ich verwende den Begriff des Bestreitens in dem zweifachen Sinne, in dem er in Gebrauch ist: Erstens als Auseinandersetzung mit Normen, die mit Widerständigkeit und Insistenz einhergeht und insoweit einem Bekämpfen oder einem Verteidigen ähnelt. Zweitens als Tragen, Aushalten oder Gewachsen-sein, also im Sinne von parem esse. Man bestreitet Bilder wie das in Byzanz der Fall gewesen sein soll und man bestreiten Bilder so, wie man einen Haushalt bestreitet. Beides st unterscheidbar und doch eins, denn es sind die selben Operationsketten die etwas im zweifachen Sinne bestreiten. Ich denke, wir sind es der Kunst der Abstraktion der Wissenschaft geschuldet, so abstrakt über Bilder nach zu denken, selbst wenn wir gleichzeitig so konkret wie möglich darüber nachdenken wollen. Wir sind es dem Perspektivismus geschuldet,auch anzuerkennen, dass die Bild- und Rechtswissenschaft durchgehend normativ ist. Insofern halte ich es nicht für hilfreich, zu unterstellen, dass Bilder eine beständige Klasse wovon auch immer seien, seien es Medien, Objekte, Zeichen, Instrumente, Subjekte oder Akte. Nichts schützt einen vor dem Detail, nichts schützt einen vor der Einzelheit und dem Konkreten, nicht vor der Abstraktion. Wozu auch? Nachdenken und gründlich arbeiten tut nicht weh und kann nicht schaden.
Abschießende (sic !) These: Die Literatur von Klaus Röhl und Volker Boehme-Neßler entspricht heute nicht mehr dem Stand der Wissenschaft. Wer mir das widerlegen kann, wird zum Mittagessen bei kurzen Schatten eingeladen.
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Ubi tabula ibi societas
1.
Tafelgesellschaft, nicht Tischgemeinschaft: Wo es eine Tafel gibt, gibt es nicht nur ein Gesetz, sondern mehrere, manchmal ziemlich viele, manchmal sogar unziemlich/ unziemend viele. Und Götter und Menschen, Gesellschaft gibt es dort gleich dazu. Dort gibt es das Verzehren des Gottes (Bing/ Warburg). Dort gibt es das Verschlingen des Menschen und der Gesellschaft. Dort gibt es La Grande Bouffe und Krümel, auch kleine Häppchen, große Reden, Smalltalk, Schüsseln und Reiskörner, bei denen weniger nicht mehr ist, sondern weniger.
2.
Man soll das Verhältnis zwischen Recht und Bild (das ist mein Forschungsschwerpunkt am MPI) als Geschichte und Theorie eines Bilderstreites entfalten, der nicht nur deswegen mindestens zwei Seiten hat, weil es darin Parteien gibt, die streiten.
Dieser Bilderstreit hat auch deswegen zwei Seiten, weil er durch Objekte läuft, die zwei Seiten haben und weil die Handlungen und die Beobachtungen darin einem Kalkül der Formen folgen, das ebenfalls zwei Seiten hat. Eine dieser Zweiseitigkeiten lässt sich stratifikatorisch, über Schichten, beschreiben, und zwar über jene Oberschicht und jene Unterschicht, die gleichzeitig als Bild und Bildgrund oder eben als pictura und tabula verstanden werden.
An dieser Zweiseitigkeit lassen sich Details entfalten, wie sie in der minderen Anthropologie, wie sie etwa in Bruno Latours objekt- und technikorientierter 'Verfassungstheorie'("Wir sind nie modern gewesen"), in Vismanns objekt- und technikorientierter Rechtsgeschichte und Rechtstheorie oder in der 'tropischen Anthropologie' von Eduardo Viveiros de Castro begriffen werden (dort werden zumindest Begriffe für solche Details formuliert).
Alle drei interessieren sich nämlich für unterschwellige Phänomene, teils in Tradition einer von Freud erwähnten Kränkung. An allem dem finde ich die Tafel besonders interessant. Schon bei den drei genannten Autoren, der Autorin, steckt ein Interesse und ein Wissen über das, was unterhalb der Schwelle des Menschen, der Gesellschaft, des Rechts und des Bildes liegt und doch, widerständig und insistierend an deren Reproduktion teilnimmt. Siegert hat diese Phänomene einmal als weniger manifest, als frivol beschrieben.
Mehr Triebfedern als Gesetz, mehr vom Rauschen geht noch durch die Information, sogar dank des oder durch das Rauschen geht die Information ihren Weg. Wenn eine Tafel dem Bild unterschwellig ist, dann schließlich im Sinne solcher Operationsfelder, die selbst skalierbar sind, die vom Token über Tabletten, Tabletts und Tabellen über das tabulinum bis hin zum tabulatorium vorkommen. Das Mindere hängt nicht an wenigen Zentimetern , Sekunden oder Gewichten. Solche Operationsfelder beschreiben Leroi-Gourhan und, im Anschluss an den, Didi-Huberman, der daran sowohl das Befremdliche als auch Fruchtbare, die Unterstützung von Klassifikation, Unreinheit und Un- und Umordnung betont. Es braucht das Unterschwellige, um die, wie Didi-Huberman sagt, die Zerstückelung zu denken, zu begleiten, zu repräsentieren, zu sammeln. Das würde, so schreibt er, die Teilung der Dinge sanktionieren. Die Tafel (tabula) ist in dem Sinne nicht die Schicht, an der das Bild (pictura) keinen Ort hat, sie ist nicht die Utopie des Bildes. Sie ist dessen Heterotopie, die Schicht, die (Un-)Ruhe stiftet und stiften lässt.
Das ist Reproduktion, allerdings eine Reproduktion, deren Ursprung und Ziel die Differenz ist. Das Interesse am Bestandschutz mag dort nicht geringer oder stärker ausgeprägt sein als anderswo, eventuell sollen auch hier der Mensch, die Gesellschaft oder sogar die Welt erhalten werden. Weil alle drei, auch der Mensch, Einrichtungen sind, die Differenz operationalisieren, weil der Mensch mithin instituiert (Vismann) und normativ ist, Effekt des Umstandes, dass er gehändelt werden soll, Echo oder Resonanz einer institutionellen Macht (Vesting), steckt in dem Erhalten eine Ungewissheit, die nicht nur einseitig auf der Seite des Unbestimmten und der Negation verbucht werden kann. Man erhält darin etwas, wie man Post erhält. Man erhält etwas, was man noch nicht, noch nie hatte, das es trotzdem gab und trotzdem immer noch (etwas) geben kann. Dieser Erhalt, dieses Erhalten, konserviert nicht, was war, und der Vorgang fängt nicht bei Null an. Er alteriert. Das ist außerhalb der Musik (die von Alterierung spricht, wenn es um chromatische Variation eines Akkordes geht) der Begriff für Regungen oder Bewegungen, die von keiner gestillten Stelle getragen werden. Ist das Einlassung, Auslassung? Wüsste man das, wäre man nicht nachher klüger. Manche nennen das ein Ärgernis, muss aber kein Ärgernis sein.
3.
Man entlastet den Diskurs von der Frage nach der Garantie des Subjektes und konzentriert sich auf Protokolle, die nicht unter dem Zwang stehen, für Rechtssicherheit zu sorgen, die etwa in einer vagen Epistemologie, den Details von unübersichtlichen und kaum verallgemeinerungsfähigen Abwägungen entweder zur Sprache kommen oder dort so blockiert werden, dass ein rechtskräftiges Urteil so etwas wie eine Einladung dafür ist, demnächst entweder das Recht zu umgehen oder erst recht zu klagen, und sei es nur deswegen, um zu zeigen, dass diese Rechtsprechung in eine Sackgasse führt. Auf das Vage, man schaue sich die Literatur zur Kritik der Abwägung an, reagieren manche Juristen allergisch. Man muss den Diskurs von den theoretischen Spitzen bis zum Detail nicht zusammenhalten, man kann es tun, muss es aber nicht. Man sollte aber auch dem Vagen noch einmal eine Chance geben.
Streiken die Lokführer, stehen nicht gleich System und Systemtheorie auf dem Spiel, manchmal wollen die nur ein paar Euro mehr oder manchmal will eine Gewerkschaft nur wachsen, da muss man nicht gleich ein langjährig aufgebautes begriffliches Werk in den Ring werfen. Manchmal macht Putin einen Zug, der bei allem Größenwahn so klein ist, dass man als Jurist nicht gleich mit einer neuen Theorie vom Ende des Post-Strukturalismus oder von Irrtümern der Postmoderne, neuer Unübersichtlichkeit und einer Geschichte vom Verlust der Eindeutigkeiten oder der Fragmentierung reagieren muss. Die Unterscheidung zwischen zwei Seiten, die auch Schichten sind und die auch etwas mit Größe und Kleinheit zu tun haben, sollen insoweit auch das Vage, mit seinen Stabilitäten und Instabilitäten rehabilitieren.
#tafelgesellschaft#Protokolle#thomas vesting#verfassungsgeschichte#cornelia vismann#georges didi-huberman#andré leroi-gourhan#eduardo viveiros de castro
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Secondo Pia
1.
Secondo Pia, sein Name klingt wie ausgedacht, ist er ja auch. Er war Rechtsanwalt sowie Fotograf und hat dementsprechend das heiligste, echteste und wahrste Foto aufgenommen. Im Mai 1898, dem Jahr, in dem auch Bismarck starb und ein Foto des toten Fürsten zum Streitgegenstand deutscher Gerichte wurde, nahm Pia während einer Ausstellung im Dom, mit aufwendigem Beleuchtungspapparat, das Turiner Grabtuch auf. Das soll selbst wiederum das Bild eines Leichnams zeigen, manche wie Jesaja und Hölderlin sagen: eines (Friedens-)Fürsten. Der Osservatore Romano greift die Story im Juni 1898 auf, so wird die Aufnahme noch zu einem Coup.
2.
In die Geschichte echter, wahrer und heiliger Bilder sind verdächtig häufig Juristen verstrickt, nicht nur durch die Bescheinigungen, für die sie als Profis für alles Gesetzliche und Gerechte (und seit der Enteignung der Wahrsager auch alles Wahre) zuständig sein sollen, sondern schon in der Produktion des Scheins. Um 1900 gibt es eine Hochphase magischer Bildproduktion, in dieser Zeit ist (das wurde häufig kommentiert) Mediengeschichte auch Geistergeschichte. Die Augen sollen selbst belichtet haben, man berichtet und begutachten inProzessen vor Gericht, dass die Augen der Opfer ihre Mörder aufnahmen und dies als Beweismittel zu nutzen sei. Das sind moderne Zeiten in denen echte Bilder auftauchen, aber zu anderen Zeiten tauchen sie auch auf.
In diese Geschichte echter, wahrer und heiliger Biler sind ebenso auffällig oft Bilder von Toten verstrickt. Das ist vielleicht ein bildrhetorischer Reflex, das liegt eventuell daran, dass das bildrhetorische Regime (das Bildrecht auch ist) die Übertragung, die Reproduktion schützt. Schutzobjekt ist die Reproduktion in einem 'hohen Sinne', auch die Reproduktion des Rechts, in der der Körper ein Medium der Reproduktion des Rechts und aller Normativität ist. In toten Körpern scheint diese Reproduktion besonders prekär, da droht die Kette zu zerreissen, allein schon, weil da die Verwesung und der Streit um das Erbe einsetzt.
Leichname sind neuralgische Stellen, ein bisschen wie übersäuerte Muskeln oder wie etwas, an dem man gerade deswegen hängen bleibt, weil man es vermeiden will, ein bisschen vielleicht wie Kants Lampe. Zumindest reagieren Juristen und andere Leute, die Recht haben wollen, sensibel auf die Bildern von Toten, da drehen sie irgendwie fast alle auf. Da wird der Stil schnell pathetisch, da rücken Pathosformeln ins Bild, da wird für das ganze Bild Pathos gefordert, da wird auch das Recht energisch.
2.
Pia reproduziert zwar nur das Turiner Grabtuch, als Urheber des Bildes geht er im strengen Sinne nicht durch. Aber auch das Turiner Grabtuch hat keinen Autor, es ist ein acheiropoieton, eine ohne Hand gemaltes Bild, so wie das Foto ein ohne Hand gemaltes, ein sogar gänzlich ungemaltes, in dem Sinne urheberloses Bild und gerade darum besonders echtes, wahres und dem Heiligen nahes, wenn nicht sogar selbst heiliges Bild sein soll.
Weil das Foto des Grabtuches sogar noch viel mehr von Christus zeigen soll, als das Original, soll die katholische Kirche das Fotos als Teil der devotionablen Objekte anerkannt haben, was dieses Foto eben zum untechnisch gesprochen 'heiligsten' Fotos aller Zeiten machen würde. Untechnisch? Die Besonderheit katholischer (überhaupt christlicher) Medialität bestünde in einer Kombination aus Hierarchie und Fürbitte, heißt es bei Leslie Brubacker. Vielleicht ist das das Erfolgrezept, die Götter in einen völlig abstrakten und damit nicht wirklich anrufbaren Gott verwandelt und damit den Bedarf nach Intermediären nicht nur gesteigert zu haben, sondern die Intermediäre noch stärker verweltlicht und in alle Nachbarschaften verlegt zu haben. Zuständig für alles, aber dem Volk dadurch auch zuständig für nichts, das könnte der monotheistische Gott sein, her mit den Heiligen, besser noch: her mit ihren Körperteilen, die wären nämlich noch feiner unter- und verteilbar. Der Kontakt zum Göttlichen wird im Christentum nicht nur außerordentlich raffiniert und exakt skalierbar, er wird auch 'franchisierbar', in breiter Angebotspalette vertreibbar. No intercession without concession. Das darf man nicht unterschätzen, indem man es für ein bloß ökonomisches Gesetz hält. Die Geburt des Bildes aus dem Geist der Reliquie bzw. aus den Körperteilen Heiliger, aus den Überresten und Stücken dessen, was uns lieb und teuer sein soll oder was wenigstens das Liebe und Teure bewahren soll, das ist eine alte Geschicht', nur für alle und alles gilt sie nicht ( etwa für Warburgs Polobjekte würde sie nicht gelten).
3.
Ist es schon Zeit für einen neuen Anwalt, der die heiligste Photoshopbearbeitung des Fotos von Secondo Pia erstellt oder der den heiligen Alghorithmus, den heiligsten Bildsensor zur Aufnahme des Grabtuches entwickelt? Wer, wenn nicht ich?
#geschichte und theorie des bilderstreites#secondo pia#acheiropoieton#turiner grabtuch#das heilige foto#Sacra Sindone#Santo Volto die Gesù
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Kniebeugen
Knienbeugenstreit ist Bilderstreit, nicht nur, weil die Beugung eine Geste ist, die den Gebeugten zu einem 'Diplomaten' macht. Um die Knie zu beugen muss man sich einfalten, man ist als Gebeugter Gesandter. Die Geste ist ein Bild, ein Abbild, sie hat Vorbilder, sie führt ein Protokoll aus. Die Kniebeuge ist eine diplomatische Geste. Das ist eine rückbindende Geste, eine Geste, die Referenz erweist, die 'religiert'. Sie assoziiert den Gebeugten mit einem Bild, und das auch noch mehrfach: Sie assoziiert ihn mit einem Vorbild, dem vor dem er kniet, und assoziert ihn mit 'sich selbst als Bild', mit Ich ist ein (Eben-)Bild.
Sie ist ein höfliche bis höfische Geste, das heißt auch, dass sie eine der künstlichen und äußerlichen Gesten schlechthin ist, eine deutliche Verstellung. Man kann die Knie beugen, als ob es ein natürlicher und spontaner Impuls sei. Man kann sogar einen Kniefall so ausführen, als ob er gerade selbst vom Himmel gefallen wäre, man denke nur an Willy Brandt. Aber gerade dann wird die Geste als gelungen und gut ausgeführt gelten, nicht als natürliche Reaktion, Reflex oder Bewegung. Je gelungener, desto gestischer.
Wer die Knie beugt, ist gut und gründlich erzogen, gesittet, kultiviert und zivilisiert, nicht einfach aufgewachsen, nicht roh, nicht grob. Eine 'Phänomenologie des Verdachts' ist in die Kniebeuge eingezogen wie Sonnencreme in die Haut, man sieht den Verdacht nicht, nicht das Verdächtige, das ist nur ein Rückstand. Die Kniebeuge ist raffiniert, fein, sie macht Unterschiede. Sie ist normativ, aber das sind alle Gesten, denn alle Gesten sind aus Unterscheidungen gemacht, machen Unterscheidungen und alle haben Form. Alle Gesten haben Kalkül. Die Kniebeuge wird begründet: juristisch, juridisch und dogmatisch.
Man beugt die Knie nicht nur von dem Gott, nicht nur vor einem Gott. Schon alles das macht aus einem Streit darum, ob und wie man die Knie beugen sollen, auch Bilderstreit. Wenn dann die Knie vor der Hostie gebeugt werden soll und der Streit sich darum entzündet, ob oder warum das das sinnvoll ist, dann ist der Streit in römischer Hinsicht 'klassischer Bilderstreit', weil er auch christologisch und um das Dogma der Transubstantiation geführt wird.
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