#geschichte und theorie des bilderstreites
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Bucerius Law School
1.
von Januar bis März 2024 wird die Bucerius Law School eine Lehrveranstaltung anbieten:
Warburgs Staatstafeln: Einführung in die Forschung am Beispiel der Bild- und Rechtswissenschaft.
Diese Lehrveranstaltung wird in 14-tägigem Rhythmus in Hamburg stattfinden. Sie wird teilweise in geschlossenen Räumen, teilweise in freier Luft und als Exkursion durch Aby Warburgs winterliches Hamburg stattfinden, teilweise also sitzend, teilweise stehend und gehend, in der Kälte wohl auch hoffnungsvoll hüpfend.
Adressaten sind kindische oder kindliche, jugendliche oder junge Studienanfängerinnen und -anfänger. Das heißt: die ersten beiden Semester.
Eines der Ziele ist es, von Anfang an zu forschen - von Anfang an die Annahme zu pflegen, das etwas mit dem Wissen und der Rechtwissenschaft nicht stimmt und sich aus einer unruhigen Stimmung oder Verunstimmung, einer Beunruhigung heraus Fragen stellen und Antworten geben lassen. Forschung ist ungesichert, ungarantiert, unversichert, verunsichert.
Die Lehrveranstaltung wird auch in der Exkursion wie ein Empfang organisiert: wer teilnimmt, nimmt teil, aber nur wer teilnimmt nimmt teil. Das Protokoll gibt vor, zu forschen. Wer nicht denken will, fliegt raus (Joseph Beuys). Wer denken will, fliegt - draussen und/ oder drinnen.
Spitzenforschung ist Grundlagenforschung, soll also von Anfang an betrieben werden. Die Erst- und Zweitsemester sind an der Bucerius Law School teilweise hochbegabte Überflieger und 16 Jahre alt, also kindisch oder kindlich, jugendlich oder jung. Man sagt, sie seien nicht volljährig, da müssen sie wohl halb- oder vierteljährig sein und in einem halben oder gevierteilten Jahr soviel wissen, wie andere im ganzen Jahr. Kinder und kindisch in Friedrich Nietzsches Sinne sind sie eventuell. Man sagt, sie seien noch nicht mündig, da muss man sie das Forschen händeln lassen.
2.
Wissenschaft bildet immer, jede Wissenschaft ist Bildwissenschaft. Das Wort Wissen ist den Wörtern Weisheit und Gewissheit, dem lateinischen vis und Visualität, Vision verwandt.
Man hat aus der Verwandtschaft zwischen Wissenschaft und vis teilweise Frage und Antworten zum Verhältnis zwischen 'Wisschenschaft und Kräftigkeit' und einen langen und bis heute unabgeschlossenen Bilderstreit abgeleitet.
Bilderstreit, Machtstreit, Rechtsstreit: Was so zusammen kommt ohne jemals zu verschmelzen, aber immer anzustoßen und anstössig zu bleiben, das nennt man unter anderem Ikonoklasmus, auch wenn darin nicht nur Bilderfeinde oder Bilderzerstörer, sondern auch Bilderverehrer und Bildermacher vorkommen. Darin wird auch nicht nur um Macht, nicht nur um Bilder und nicht nur um Recht gestritten. Der Händel, der Streit: man nennt einen Händel auch einen Akt, wie man eine Akte nennt und visualisierte Nackte. Händeln ist auch Bilden. Schildermacher, so nennt man in Hollland Maler, sind auch Händler des Streites, wie Juristen das sind.
Man hat um Formen des Wissens und Techniken der Assoziation, der Verbindungen und Verbindlichkeiten, der Trennungen und Unterscheidungen, um das Öffentliche und Offensichtliche, das Private und Privatsichtliche gestritten.
3.
Der Franzose Foucault hat das unter anderem in einem Buch über juristische Wahrheitsformen getan; Thomas Vesting hat das jüngst in einem Buch über die Transformation der Subjektivität in der Moderne getan, beide haben dabei unterschiedliche Vorstellungen vom Wissen des vis, vom Wissen dessem, was vis sein soll entwickelt, unterschiedlich Beispiele im Sinn gehabt.
In den letzten Jahren hat sich Rechtswissenschaft nicht nur als ein Betrieb entwickelt, der sagen soll, was Recht ist und was Unrecht ist, was gerecht sein soll und was ungerecht sein soll. Innerhalb der Rechtswissenschaft hat sich eine historische Epistemologie entwickelt, die die Geschichte und Theorie von Recht auch als Geschichte und Theorie des Wissens, der Wissensproduktion, Wissensreproduktion oder Wissensfabrikation beschreibt. Was weiß man vom Mord - und wie weiß man etwas vom Mord, wie teilt ud überträgt man eine Wissen vom Mord - unter anderem mit Leuten, die keine Juristen sind und nie Jura studiert haben, die allenfalls kindisch und wie 16-jährige vor dem Recht stehen, obschon sie schon 45 Jahre alt sind und jahrelang Philosophie oder Naturwissenschaft studiert haben.
Die Gesellschaft ist uralt, benimmt sich dem Rechtswissen und der Rechtswissenschaft gegenüber aber oft geradezu kindisch. Man muss doch wissen, dass Verträge verbindlich sind und es in der Not kein Gebot gibt, den Unwissen schützt nicht vor dem Recht. Man muss doch wissen, dass der Mord verboten und dem Opfer zu helfen geboten ist, die Verteidigung heldenhaft sein soll. Rechtwissenschaft entwickelt all' das Wissen für die Geselllschaft, und wie dankt ihr das die Gesellschaft?
In der sie laienhaft nichs vom Recht zu wissen scheint, weil sie sich auf die faule Haut legt und glaubt: Wenn es Juristen gibt, müssen wir ja nichts vom Recht wissen, reicht ja, wenn die Experten das tun. Macht mich ganz närrisch.
4.
Spitze für die Spitzenforschung, die Grundlagenforschung ist, sind Kinder, sind kindische Subjekte, das sagt nicht nur Friedrich Nietzsche. Spitze der Spitzenforschung, die Grundlagenforscung ist, das ist garantiert nicht der fertige Staatsrechtslehrer oder der mit 25 Ehrendoktorwürden beschwerte Professor Dr. Dr. Hörtnichtauf von Hörtnichtzu.
Das sind die Kinder, die Anfänger, die Idioten, Phantastischen, wahnsinnig Träumenden und Laien - das sind Spitzenforscher der Grundlagenforschung. Als solche werden sie empfangen und sind hochwillkommen. Endlich Spitzenforschung, die Grundlagenforschung ist! So etwas ist so nicht einmal am MPI möglich, weil man bei uns erst arbeiten und forschen darf, wenn man volljährig ist. Ich freie ....und freue mich frei auf 2024!
5.
Keine Sorge, wir fangen kindlich und kindisch an, werden Forschung aber nicht führen. Dass die Veranstaltung eine Einführung ins Forschen genannt wird, ist nur ein Bild. Wir führen keinem Teilnehmer und keiner Teilnehmern was ein, machen niemanden besofffen, setzen niemanden unter Drogen. Alles, was im eigentlichen Sinne und nicht im bildlichen Sinne Einführung ist, ist auch Ausführung. Spitzenforschung, die Grundlagenforschung ist, kann irritieren, die ist ja auch irrtitiert. Rechtswissenschaft muss nicht diktieren, muss nicht diktatorisch erfolgen. Das beste für die Rechtswissenschaft ist, wenn niemand den anderen für doof und dumm, für umwissend hält.
Die Jugend von heute kann ja gar nix mehr, nicht lesen, schreiben, malen: Wer blöd denkt, bleibt blöd, solange er blöd denkt. Die Jugend von heute verblödet vor dem Bildschirm: Wer so verblödet denkt, verblödet - und gibt zu erkennen, dass er eventuell noch gar nicht weiß, was das Lesen, Schreiben und Denken, alles das, was Markus Krajewski das LSD der Wissenschaft nennt, heißt.
Gut, so ein LSD werden wir den entweder reichen oder reichgeförderten Hamburger Spitzenkindern schon verabreichen, in hohen Dosen, damit die bloß nicht verdorben, etwas wohlstands- oder wohlanständigkeitsverdorben werden.
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Kerben
1.
Ohne zu schreiben, schreibt Luhmann, könne man nicht denken.
Diesen Satz schreibt Luhmann nicht nur. Er unterstreicht ihn auch noch. Das Papier, das er für diesen Zettel verwendet, ist ein rectanguläres Operationsfeld, von dem der Blumenbergschüler Manfred Sommer nicht unbedingt treffend, aber sehr sommerlich hell sagt, dass dieses Feld sich vom Acker, vom Tuch, von der Wand und von der Bildfläche ableitet.
Zettel sind wie Äcker, wie Tücher, wie Wände und wie Bildflächen. Sie lassen (...) sich betragen, mit ihnen kann man sich betragen. Sie lassen sich betrachten, mit ihnen kann man sich betrachten. Zettel kuratieren Diskretion und Indiskretion. Man kann ihnen trauen, sie können einen verraten.
Auf solchen Grundlagen entwickelt sich ein Rechtsbegriff, der Begriff der Norm. Auf übersichtlicher, zu schätzender Grundlage entwickeln sich Begriffe des Regulären/ Richtigen/ Rechten/ Rechnenden/ Regierenden/ Regimes/ Reiches - nicht überall, aber in den römischen Stadtstaaten und ihren Gesellschaften. Man sollte die Mediengeschichte des Rechts meines Erachtens wie die Geschichte des Bilderstreites entfalten, darüber streite ich seit 20 Jahren mit Vestings Texten, intensiv und gründlich. Jede Seite seiner Bücher behandelt mich, einen seiner intensiven Leser, jeder meiner Texte behandelt auch ihn, einen der Schreibdative, die man durch Kollegien einer innen Stimme zufügt. Das ist Beobachtung/Betrachtung, man sieht es nur, wenn man es beobachtet und betrachtet: Schreiben sind gerichtet, von entfernten Schreibern tragen Linien die Lektüre/ Leges an entfernte Leser. Zwischen zwei Entfernung pendelt Lektüre, pendeln Verträge, pendelt Betragen und pendelt Ertragen.
Jedes Medium ist mindestens zweischichtig, hat eine obere Schicht und eine untere Schicht. Sprache ist dasjenige, was oben Stimme und unten Leib von Kopf bis zu den Füßen hat, Schrift ist das, was oben Mahl und unten klamme Sendung ist. Buchdruck ist das, was oben Buchstabe und unten Seite oder Blatt ist, Computernetzwerke sind oben Personal Computer/ PC/persönlich und unten no such agency, NSA. Bild ist das, was oben Imago und unten Schild/ Tafel ist. Das habe ich alles von Vismann, Kittler, von Yan Thomas und Marta Madero. Darum kann ich nicht so glauben, wie Vesting glaubt.
Vestings Geschichte und Theorie ist die Geschichte und Theorie einer protestantisch zuversichtlichen Staatsrechtslehre, die nach Westen zieht, am liebsten Richtung Californien, gehen sie (Monopoly) über New York, trinken sie dort guten Wein. Thomas hat Väter und Schwiegerväter, wie wir alle. Seine ziehen ihn in die eine Richtung, meine in andere Richtungen (meine immer über Basel, kann ich erklären, wird aber wieder peinlich). Vestings Theorie lässt sich nicht widerlegen, sie hat auch großen Reiz. Meine Theorie lässt sich nicht beweisen. Wir sind von der Säkularisierung überzeugt, weil wir vergessen haben, was Religion ist.
2.
Ich würde ergänzen: der Zettel ist eine kleine, minore Tafel, eine Tabelle. Alle diese Operationsfelder ermöglichen den Zug gründlicher Linien.
Luhmanns Satz vom Schreiben hat schon zwei Gründe, nämlich Luhmanns Rationalität und das Papier. Vorsorglich, d h. phobisch leuchtend und kuratierend, dabei durchgehend kontrafaktisch stabilisierend zieht Luhmann (L wie Regula) einen weiteren, nicht unbedingt den dritten Grund ein. Die weiter und immer noch gründliche Linie (L wie Abt, Aby, Abrahamit und damit Regler Luhmann) kann auch ein erster, auch ein sekundärer Zug sein, das ist die kybernetische Wellenlinie, die Luhmanns Satz vom Schreiben (L wie regelmäßig um die Ecke gedacht) trägt und diesem Satz trachtet, nach was auch immer.
Luhmann hatte offensichtlich Bedarf, sich nicht mit seiner Rationalität und dem Papier zu begnügen. Es mussten Wellenlinien dazu kommen, um Luhmanns Satz vom Schreiben dem Luhmann tragbar zu machen.
In dem Sinne sind das Medien jener Referenzstruktur, die Cornelia Vismann als junge und anfängliche Forscherfrau oder bar, bloß forsche Forscherin erstens mit den Akten und zweitens mit dem pomerium und der notitia dignitatum assoziiert hat.
In größerer oder kleiner Entfernung von gründlichen Linien befinden sich andere gründliche Linien. In gewisser Entfernung zu den gründlichen Linien von Luhmanns Schrift und dem Unterstrich finden sich Linien, die die Schrift von der Zeichnung unterscheiden, die die Sprache vom Singen und vom Bellen und vom Krach unterscheiden, die Gesellschaft umreissen.
Luhmann, besser vielleicht noch Dirk Baecker, könnte das Formenkalkül aufzeichnen, das ein Beobachter braucht, um sagen zu können, ob Luhmanns Schriftzüge oder der Unterstrich sich in Gesellschaft anderer Schriftzüge befinden, ob es zu ihnen ein System, wie Luhmann sagt: gibt, wie es (etwas) etwas gibt, wie es auch Regen gibt. Es gibt nicht nur Systeme, auch Regen bekommt man von es.
Luhmann zieht Züge über das Papier. Die zügige Form, die auch Pathosformel, Transzendenzformel, Kontingenzformel und überhaupt Formel sein kann, definiere ich als Einfalt der Differenz von auf und ab, hoch und runter, hin und her. Sprich: Luhmann Schreiben ist, was er in Bezug auf Assoziationen vague nennt. Das sind, wie Vismann in in ihrem Aktenbuch schreibt, Wellenlinien, wie am Amazonas oder wie im Wald, dort, wo die Nambikwara sich selbst verwalten.
Luhmann ist nicht nur Gesellschaftstheoretiker Bielefelds (Bienenfels'). Er ist auch ein Chef der Nambikwara und ihrer Selbstverwaltung. Warum? Weil er Wellenlinien ziehen kann und weil er weiß, dass das wichtig ist. Er unterstreicht Luhmanns Satz vom Schreiben zwar wie eine Meeresoberfäche in nur leichter Brise, nur leicht wellt sich der Unterstrich. Aber leicht wellt sich der Unterstrich schon, das Kräuseln sieht man unter dem Mikroskop und in Luhmanns Strömen. Die Zeitschrift Soziale Systeme, einer ihrer Gutachter, sagt: meine Theorie würde zu großes Unbehagen erzeugen, um begutachtet werden zu können. Das kann sein. Sorge: trainieren! Kurieren: üben! Kuratieren: durchziehen! Irgendwann merkt man, dass die Welt sich auch ohne unsere Betrachtungen einfach weiterdreht, spätestens, wenn man stirbt. Man muss nichts Peinliches veröffentlichen, kann es freilich tun. Et in systema ego.
3.
Hinter der Zettelkastentechnik (einer Technik, die ich im Alltag exzessiv verwende und deren Anwendung ich nun (seit kurzer Zeit) von denen verlange, strikt verlange, die bei mir promovieren wollen) stünde eine Erfahrung, schreibt Luhmann.
Das ist Dogmatik. Ich definiere Dogmatik als Erfahrungstechnik. Wer dafür Autoritäten braucht: Maximilian Herberger und Pierre Legendre sagen das auch, wer Aby Warburg als Autorität akzeptiert: der führt das vor, vorbildlich und musterhaft. Wer unter meinen Zettel leidet, sie nicht versteht, wer von ihnen bedrängt wird, wem sie peinlich sind, dem sei gesagt: Es liegt daran, dass sie dogmatisch sind. Alle reden von Wissen, ich auch. Alle wissen, wovon sie reden, ich auch.
Für eine Dogmatik, die Erfahrungstechnik ist, ist Wissen eine Übersetzung. Das Wissen ist nicht erst seitdem entstanden, seitdem die Deutschen einen Begriff für das Wissen haben und seitdem die Deutschen Rechtswissenschaft auch als Wissenswissenschaft betreiben, um lockerer oder lässiger zu sein als die angeblich zu dogmatischen Kollegen in anderen Ecken der Rivalität. Wenn ich vom Wissen rede, übersetze ich damit Genuß oder Lust. Wissen heißt, zu begehren. Verstehen heißt, zu verzehren. Darum nennt Bing, die Sekretärin (wer sonst?) die Tafel 79 das Verzehren des Gottes, sie verrät, worum es geht. Dem Warburg war das vielleicht auch peinlich, der berühmte Titel von Tafel 79 stammt nicht von ihm, nicht von dem Mann, sondern von einer römischen Dame an seine Seite: bingo, noch binga, an der Bing! Sie treibt die Tafel zur Spitze.
Wer dafür eine Autorität braucht, um glauben zu können, dass Wissensproduktion Lustproduktion ist, der sei an Lacan oder Papst Franziskus I. oder an das Pastorentöchterchen Vismann verwiesen, soll sich also entweder an das kanonische Recht oder die psychoanalytische Therapie oder aber an Luhmanns Zettelkasten und Luhmanns Satz vom Schreiben halten, soll einfach Gunther Teubner folgen, der das noch pietätsvoller (zumindest herrnhuterisch sorgfältiger) erklären kann als ich; der soll Ino Augsberg studieren, der es sogar schafft, das so zu sagen, dass es in der JZ veröffentlicht werden kann.
Wissen heißt, Lust zu haben. Das ist eigentlich nicht peinlich, peinlich wird es erst im Streit, also zum Beispiel in der Rechtswissenschaft. Da wird es dann auch schwierig, weil jede Linie zu einen Seite hin schamvoll und anständig ist, zur anderen Seite hin schamlos und unanständig. Wie oft schreiben wir entsetzliche Schriftsätze, triumphieren damit und schämen uns später; wie oft denkt man bei peinlichen Schreiben nach Jahren, dass sie eigentlich ganz ok waren. Wie oft telephoniere ich mit Teubner triumphierend und schäme mich dann nicht nur für das, was ich gesagt habe, sondern auch für das, was er gesagt hat. Gut, dass man sich dann sagen kann, man könne zwischen selbst und fremd garantiert unterscheiden. Dann kann man nämlich wieder anrufen, kann es auch lassen. In der kannibalischen Metaphysik nennt man das irrisieren, es ist eine Art Irritation.
4.
Luhmann nennt das differenzierende Schreiben kerben. Kerben ist dämmen, und wo die Dämmung ist, da wächst das Dämmernde auch, um einmal so eine deutsch-universitäre und immer noch wie Hölderlin singende, freche und unverschämte Selbstbehauptung zu wagen.
Das ist wie auf jeder Oberfläche der Erde: jedes mal kosmographischer Horizont im decorum, darum haben auch alle Wesen einen Sinn für Angemessenheit, sogar coolen Surfer, die Steine und die Kuhlen am Strand haben das.
Ein Damm ist eine Kerbe, ein Korb, eine Kurve. Eine Kerbe ist eine Kuhle. Das Schreiben assoziiert, Luhmann schreibt insoweit sogar vom Gleichgewicht des Schreibens, dass es vague Assoziationen liefere. Er schreibt das Wort vague nach dem Duden falsch, er schreibt es nicht Deutsch.
Er schreibt es auf Zettel 80, 2, 2 französisch. Seine Schreiben ist diesseits des Rheins falsch, jenseits des Rheins richtig. Dazu könnte Hölderlin strophenweise was sagen. Something rotten in the state of knowledge, da stimmt was nicht, da ist was dran. Luhmann kerbt in das Wort vage eine Kuhle vague ein, der kerbt cool die Kerbe, der kratzt eine Kurve im Schreiben.
Luhmann kann man als Meisterdenker lesen. Ich kann Luhmann so lesen, dass mich das alles sehr wütend macht: Selbstreferenz, Anschlussfähigkeit, Ausdifferenzierung: Wie kann er das nur behaupten? Dafür müsste er doch in der Hölle schmoren! Ist er denn wahnisnnig geworden? Warum lügt der Schurke so?
Ich kann ihn aber auch so lesen, dass ich auf jeder Seite lache, über die Komik einer deutsch funktionierenden Welt. Das ist dann der ironische Blitzer, für den ich Luhmanns Stil und seine Stirn küssen und ablecken könnte, auf seinem Schoß könnte ich sitzen, dem Luhmann (L wie Lude/ Luder) scheinwerfergroße Augen machen und ihm Postauto! Postauto! Postauto! zurufen. Luhmanns Satz vom Schreiben geht, das kann man so sagen, auf den Strich genau und immer sehr präzise geht das. Das Präzise schließt das Vague nicht aus. Das Präzise involviert das Vague.
Ich kann Luhman (L wie ein umgekehrter Haken, ein vom Kopf auf die Füße gestelltes Zeichen von George Spencer- Brown) so lesen, dass Luhmann listig und lustig die Abgründe meistert, kann das Meistern wieder als messen, sogar als Feier brasilianischer Messen beim Coco de Umbigada in Olinda lesen. Die Gegend kannte Luhmann sogar gut. Dafür muss man nicht lange da sein, vier Tage reichen. Dafür muss man auch nicht Mãe Beth die schwarze Messe singen hören und dort mittanzen. Das ist zwar gutes Training, aber trainieren kann man alles überall.
Luhmann fuhr eines Tages mit den Gebrüdern Neves in einem kleinen Wachen, einem kleinen Holzboot um den Hügel von Olinda (es gibt davon seit der Malerei von Franz Post sehr viele Bilder dieses Hügels). Wenn er von Kerben schreibt und dieses Kerben die technik einer Erfahrung ist, dann auch der Erfahrung in diesem kleinen Wachen, dem Holzboot von Nevens, vague tanzend in der Brandung zwischenden Riffen, die dort überall verlaufen. Luhmann weißt, was Distanzschaffen und was Distanzschiffen ist. Sonst würde er nicht vague schreiben. Man braucht keinen Derrida, um Luhmann zu erlösen, aber mit Derrida geht es sicher auch - wenn man denn überhauopt Erlösung braucht. Wenn man ohnenhin keine Erlösung braucht, braucht man auch für den Luhmann keinen Derrida, nicht einmal Luhmann braucht man dann.
5.
Kerben sind Linien, Horizontlinien. Das sind Kurven, nur Idioten glauben daran, dass die Erde flach sei und sich nicht um sich und die Sonne drehen würde. Idioten gibt es viele, am Rheine und am Nile - und erstaunlich viele Idioten lachen über die Theorie der flachen Erde oder die Theorie, dass die Erde nicht um sich selbst und um die Sonne und die Sonne auch wieder im All kreisen würde. Aber bei den gründlichen Linien glauben sie dann doch, das diese Linien nicht kreisen würden und das gründliche Linien nur solche seien, die flach und fest aufliegen und sich nicht bewegen würde. Die lachen über die flatearther, vielleicht sogar nur, um von ihrer Lächerlichkeit ablenken zu können.
Wer Texte nicht liest: als Ansammlung gründlicher Linien, über denen der Mond auf- und abgeht, die Sonne auf- und abgeht, die Wolken auf- und abziehen, wer Texte nicht kalendarisch und nicht meterorologisch liest, der muss kein Idiot sein. Naiv könnte er schon sein.
Wer glaubt, dass Lesen kein Stimmen wäre, der liegt nicht ganz falsch.
Wenn Luhmann schreibt, dass differenzierende Schreiben könne man einkerben, dann kann ich das so lesen, als glaube Luhmann an das Beständige der Schrift, an den Bestand des Schreibens, so wie Vesting dass in seiner Medientheorie tut, wenn er den physischen Bestand der Schrift von der Unbeständigkeit der Laute unterscheidet und sagtm, das eine würde sofort zerfallen, das andere bleiben.
So kann ich Luhmann lesen, aber dann macht mich Luhmann wütend, so wütend, wie mich Vesting macht, wenn er beim Italiener plötzlich den Staatsrechtslehrer macht. Eventuell misssvertehe ich aber Luhmann und Vesting, weil ich wüten will; oder ich wüte, weil ich sie missverstehn will. Wer weiß das schon, wenn Kausalität und Zurechnung im Symbolischen/ Imaginären und im Realen sortiert werden müssen? Man weiß nicht, was man versteht, man weiß und versteht wie man lustig ist - und wenn man nicht lusitg ist, versteht man nicht und weiß nix.
6.
Das Kerben kann man anders verstehen, nichts als Bestandsgarantie. Es kann ein Dämmen sein. Luhmanns Schreiben kühlt sich im Kerben, wird Kuhle und cool im Kerben, Luhmann badet im Schreiben und brandet wie Venus Aphrodite auf einer kurvenden Muschel, aber dadurch nicht physisch beständiger als das Vogelgezwitscher oder die rauschende Brandung.
Wenn ich Luhmann so lese und ich denke, dass Vesting dass alles gar nicht so meint, wie er es schreibt, dann finde ich Luhmann und Vesting witzig, offen komisch, dann würde ich mit beiden sogar beim Italiener alte oder neue Pizza essen gehen.
Wenn ich, jetzt mit Gerichtspräsident Schreber gesprochen, im Luden Luhmann das Luder Luhmann erkennen kann, also sowohl den Professor Wiener Würstchen als auch die Cissy Kraner - und dann Niklas Luhmann immer noch als den verstehe, der mich nicht verkommen lassen will, wenn ich im Niklas Luhmann den Luden und das Luder Gunther Teubner wiederkenne, dann lese ich jede Systemtheorie und jede Teubnerische Dekonstruktion liebend gerne und weiß plötzlich genau, lustvoll scharf genau, dass ich nichts, aber auch wirklich nichts anderes will vom Recht und der Welt als Selbstreferenz, Anschlussfähigkeit (eigentlich geil!) und stundenlange, ach tagelange Ausdifferenzierung bis zur Erschöpung. Norma, so sagen Griechen, sei ein Bett, ein rectanguläres Operationsfeld. Die Welt bleibt freilich unruhig - und darum kollidieren auch Teubner und ich noch machmal fast so, als könne jetzt ein Gazakonflikt zwischen uns ausbrechen. Schön ist es nicht, verkehrende Welt ist es.
6.
Das Gedächtnis ist stolz oder kurz. Es ist selektiv, das nennen einige Zensur, vor allem Wiener, die kennen ihre Würstchen. Freud nennt das Zensur. Der Nietzsche, der nennt das anders, aber der weiß, das das Gedächtnis stolz oder kurz ist. Luhmann nennt das Selektive anspruchsvoll und meint, dafür schreiben zu müssen.
Fantastische Idee, warum nicht? Trinken und kiffen geht zwar auch, sogar Sex sorgt für ein selektiv kuratiertes Gedächtnis, schon weil man nicht mit allen Sex haben kann, es gibt inzwischen allein 7 oder 8 Milliarden Menschen, die Tiere und die leblosen Dinge gar nicht eingerechnet. Aber Schreiben geht auch, ist auch anspruchsvoll und ist schon schön - und in Bielfeld gab es sicher bessere Bücher und Zettelkästen als Wein, LSD oder Marihuahana. Die Universität dort und ihre Bibliothek dort, die waren garantiert besser als die Bielefelder Nachtlokale. Die Lokale kenne ich auf peinliche und nicht jugendfreie Art gut, denn die Anwaltskanzlei Brandi war auch zu Luhmanns Zeiten die größte Anwaltskanzlei vor Ort, die größe Kanzlei in Bielefeld, an die habe ich Bilder (einen von mir gefälschten Jonathan Lasker) geliefert, die hängen dort in der Bibliothek, das waren mehr oder weniger Geschenke (Material und Zeit wurden bezahlt) an den Bruder meiner Mutter, an Axel Brandi (jetzt kommt wir wieder zu Warburg), das ist der Sohn von Klaus, Enkel, von Paul und darum ein Großneffe von Karl Brandi, mit dem Aby Warburg in Florenz gegegessen und getrunken hat, um 1892, als er den Text zu Botticelli schrieb.
Große Welt ganz klein, und immer systematisch. Daher, weil ich Axel gut kenne, weil der sich als Anwalt mutig einen gefälschten Lasker in die Bibliothek hängt und den danach noch dem Direktor der Bielefelder Kunsthalle vorführt, kurz nachdem da eine Jonathan Lasker Austellung lief.
Der war sicher nicht besonders amused, aber F ist nunmal for fake, ich bin nun mal ein Orson-Welles-Fan, Anarchist kontrafaktischer Stabilisierung und Anwalt Axel Brandi weiss, dass Anwälte Anarchisten und Artisten sein müssen, um Recht- cum-ex liefern zu können. Die wissen auch, dass es kein Recht außer Recht cum-ex gibt. Das Recht braucht Zugänge und Ausgänge. Ministrabel, Verfassungsrichter oder Bundespräsident wird man damit nicht, nicht wenn man das offen zugibt, aber immerhin guter Anwalt oder aber senior researcher am MPI.
Weil ich Bielefeld dank der Besuche bei den Brandis und dank anstrengender Arbeit und anstrengende Feierabende gut kenne, verstehe ich sofort, dass Luhmann da am liebsten liest und schreibt und nicht säuft und frisst.
Das macht man besser woanders, Bielefeld ist auch so schön. Am schönsten für mich in Axel Brandis Bibliothek, weil da zwei meiner Bilder hängen, sogar eines noch zu James Last. Da kann ich thrakisch lachen und die Systeme komisch finden. Ich lüge nicht, ich krete, sehr scharf und immer durchdacht. Nach Bielefeld habe ich mir ein Kuckucksei gesetzt, um der Systemtheorie und Luhmans Theorie von Kerben Kuckuck sagen zu können. Der Mensch tracht und Gott lacht.
Luhmann kannte die Geschichte von Aristoteles und Phylis gut, der ist gebildet und kein Feigling. Wer feige ist, soll den zumindest meinen Hörsaal verlassen und die üblichen fünf bis sechs Jahre Surrealismus üben. Diese 5 bis 6 Jahre Surrealismus, die man gewöhnlich Kindheit nennt, das sind die Einräumungen, die Anfängerübungen, die die Italiener sisteMare nennen und die wir System nennen. Mein Hörsaal ist sicher sage space, ob das auch safe space ist, das ist unsicher.
Bevor man anfängt, benotet und zensiert zu schreiben, ist man schon sechs Jahre lang, das sind die Jahre elementarer Anfängerübung, systematisiert worden. Das ist die gründlichste Hochschulreife, die man haben kann, gründlicher wird es später nicht mehr. Als andere ist Zuckerguß auf Torte. Wer Glück hat (ich habe da so eine Art Sonnensystemjackpot geknackt, als ich 1970 in Wuppertal in einer Frauenklinik in der "Vogelsangstraße" aufgesetzt wurde), der darf dankbar sein, sollte später etwas von seinem Glück teilen. Man kann das tun, indem man euphorisch schreibt, das tue ich, nicht immer, aber immer, wenn es geht und selbst dann, wenn es peinlich ist.
Wenn man von Luhmann das L für regula einfach mal weglässt, ist Niklas der Uhman, der cool das u im Namen des Vaguen kerbt.
Planet Earth and Moon
#polarforschung#kerben#Dämmern#dämmen#satz vom grund#satz vom schreiben#et in systema ego#coco di umbigada
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Secondo Pia
1.
Secondo Pia, sein Name klingt wie ausgedacht, ist er ja auch. Er war Rechtsanwalt sowie Fotograf und hat dementsprechend das heiligste, echteste und wahrste Foto aufgenommen. Im Mai 1898, dem Jahr, in dem auch Bismarck starb und ein Foto des toten Fürsten zum Streitgegenstand deutscher Gerichte wurde, nahm Pia während einer Ausstellung im Dom, mit aufwendigem Beleuchtungspapparat, das Turiner Grabtuch auf. Das soll selbst wiederum das Bild eines Leichnams zeigen, manche wie Jesaja und Hölderlin sagen: eines (Friedens-)Fürsten. Der Osservatore Romano greift die Story im Juni 1898 auf, so wird die Aufnahme noch zu einem Coup.
2.
In die Geschichte echter, wahrer und heiliger Bilder sind verdächtig häufig Juristen verstrickt, nicht nur durch die Bescheinigungen, für die sie als Profis für alles Gesetzliche und Gerechte (und seit der Enteignung der Wahrsager auch alles Wahre) zuständig sein sollen, sondern schon in der Produktion des Scheins. Um 1900 gibt es eine Hochphase magischer Bildproduktion, in dieser Zeit ist (das wurde häufig kommentiert) Mediengeschichte auch Geistergeschichte. Die Augen sollen selbst belichtet haben, man berichtet und begutachten inProzessen vor Gericht, dass die Augen der Opfer ihre Mörder aufnahmen und dies als Beweismittel zu nutzen sei. Das sind moderne Zeiten in denen echte Bilder auftauchen, aber zu anderen Zeiten tauchen sie auch auf.
In diese Geschichte echter, wahrer und heiliger Biler sind ebenso auffällig oft Bilder von Toten verstrickt. Das ist vielleicht ein bildrhetorischer Reflex, das liegt eventuell daran, dass das bildrhetorische Regime (das Bildrecht auch ist) die Übertragung, die Reproduktion schützt. Schutzobjekt ist die Reproduktion in einem 'hohen Sinne', auch die Reproduktion des Rechts, in der der Körper ein Medium der Reproduktion des Rechts und aller Normativität ist. In toten Körpern scheint diese Reproduktion besonders prekär, da droht die Kette zu zerreissen, allein schon, weil da die Verwesung und der Streit um das Erbe einsetzt.
Leichname sind neuralgische Stellen, ein bisschen wie übersäuerte Muskeln oder wie etwas, an dem man gerade deswegen hängen bleibt, weil man es vermeiden will, ein bisschen vielleicht wie Kants Lampe. Zumindest reagieren Juristen und andere Leute, die Recht haben wollen, sensibel auf die Bildern von Toten, da drehen sie irgendwie fast alle auf. Da wird der Stil schnell pathetisch, da rücken Pathosformeln ins Bild, da wird für das ganze Bild Pathos gefordert, da wird auch das Recht energisch.
2.
Pia reproduziert zwar nur das Turiner Grabtuch, als Urheber des Bildes geht er im strengen Sinne nicht durch. Aber auch das Turiner Grabtuch hat keinen Autor, es ist ein acheiropoieton, eine ohne Hand gemaltes Bild, so wie das Foto ein ohne Hand gemaltes, ein sogar gänzlich ungemaltes, in dem Sinne urheberloses Bild und gerade darum besonders echtes, wahres und dem Heiligen nahes, wenn nicht sogar selbst heiliges Bild sein soll.
Weil das Foto des Grabtuches sogar noch viel mehr von Christus zeigen soll, als das Original, soll die katholische Kirche das Fotos als Teil der devotionablen Objekte anerkannt haben, was dieses Foto eben zum untechnisch gesprochen 'heiligsten' Fotos aller Zeiten machen würde. Untechnisch? Die Besonderheit katholischer (überhaupt christlicher) Medialität bestünde in einer Kombination aus Hierarchie und Fürbitte, heißt es bei Leslie Brubacker. Vielleicht ist das das Erfolgrezept, die Götter in einen völlig abstrakten und damit nicht wirklich anrufbaren Gott verwandelt und damit den Bedarf nach Intermediären nicht nur gesteigert zu haben, sondern die Intermediäre noch stärker verweltlicht und in alle Nachbarschaften verlegt zu haben. Zuständig für alles, aber dem Volk dadurch auch zuständig für nichts, das könnte der monotheistische Gott sein, her mit den Heiligen, besser noch: her mit ihren Körperteilen, die wären nämlich noch feiner unter- und verteilbar. Der Kontakt zum Göttlichen wird im Christentum nicht nur außerordentlich raffiniert und exakt skalierbar, er wird auch 'franchisierbar', in breiter Angebotspalette vertreibbar. No intercession without concession. Das darf man nicht unterschätzen, indem man es für ein bloß ökonomisches Gesetz hält. Die Geburt des Bildes aus dem Geist der Reliquie bzw. aus den Körperteilen Heiliger, aus den Überresten und Stücken dessen, was uns lieb und teuer sein soll oder was wenigstens das Liebe und Teure bewahren soll, das ist eine alte Geschicht', nur für alle und alles gilt sie nicht ( etwa für Warburgs Polobjekte würde sie nicht gelten).
3.
Ist es schon Zeit für einen neuen Anwalt, der die heiligste Photoshopbearbeitung des Fotos von Secondo Pia erstellt oder der den heiligen Alghorithmus, den heiligsten Bildsensor zur Aufnahme des Grabtuches entwickelt? Wer, wenn nicht ich?
#geschichte und theorie des bilderstreites#secondo pia#acheiropoieton#turiner grabtuch#das heilige foto#Sacra Sindone#Santo Volto die Gesù
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Wie wenn
Bild ist ein ursprünglicher Zugang des Menschen zur Welt. Es erscheint vor dem Begriff: Die Sprachen sind in ihrer Frühzeit reicher an Bildern, und wo der Begriff die Grenze des Sagbaren rührt, stellt wiederum sich das B. ein, wie wenn es mächtiger sei.
1.
In der sog. Caroline II-Entscheidung findet sich, wie öfters in Entscheidunen des Bundesverfassungsgerichts, eine Passage zur Geschichte des Rechts, diesmal auch zur Geschichte des Bilderstreites. Die Richter schreiben, dass diejenige Vorschrift, in der sich ein besonderes Bildrecht findet, § 22 KUG, auf einen anstoßerregenden Vorfall zurückginge:
Die Regelung geht auf einen anstoßerregenden Vorfall (Aufnahmen Bismarcks auf dem Totenbett, vgl. RGZ 45, 170) und die daran anschließende rechtspolitische Diskussion (vgl. Verhandlungen des 27. DJT, 1904, 4. Band, S. 27 ff.) zurück und sucht einen angemessenen Ausgleich zwischen der Achtung der Persönlichkeit und den Informationsinteressen der Allgemeinheit herzustellen (vgl. Verhandlungen des Reichstages, 11. Legislaturperiode, II. Session, 1. Sessionsabschnitt 1905/1906, Nr. 30, S. 1526 [1540 f.]).
Man soll sich vorstellen, dass die Regelung einen Grund habe, den nennen die Richter einerseits einen anstoßerregenden Vorfall (einen Vorfall, der auch etwas anstösst), anderseits nennen sie den Grund in den Klammern "Aufnahmen" und bieten zum Vergleich (mit ihren eigenen Aussagen) eine ältere Gerichtsentscheidung des Reichsgerichtes an.
Entweder haben die Richter die Quellen, die sie dort zitieren, nicht richtig gelesen oder aber die Formulierung mit dem "Zurückgehen" ist nur metaphorisch, bildlich 'beziehungsweise' normativ und dogmatisch zu lesen. Das Reichsgericht entscheidet auf der Grundlage römischen Rechts, ein paar Tage später tritt ein anderes Recht in Kraft. Der Fall beendet was.
In den Verhandlungen zum DJT 1904 eröffnet Justizrat Wildhagen die Referate mit einer Reihe von Fällen und Publikationen (Altherrenwitze gibt es obendrauf), die vor dem Bismarckfall die Diskussion um das Recht am eigenen Bild prägten. Ausführlich wird von ihm Hugo Keyssner erwähnt, der den Namen dieses Rechtes erfunden hat, aber schon 1896, zwei Jahre vor Bismarcks tot. In den Verhandlungen des Reichstages spielen (fiktive) Fälle eine Rolle (vgl. Steinhauer, Bildregeln 2009), der Bismarckfall gehört nicht dazu. Die Regelung geht auf etwas zurück: Das ist ist Mythos, Legende, ein Bild, eine Referenz für etwas, was übertragen sein soll.
2.
Der Grund der Bilder, der Grund des Bilderstreites, Gründe des Rechts: Wenn man den oben zitierten Eintrag aus der Brockhaus Enzyklopädie von 1967 (nicht Nietzsche, nicht Blumenberg), wenn man also 'gutbürliche' Erklärtexte mit ihrem Hochkultur- und Tiefenfimmel, ihrer Ursprungssucht und ihren gespannten Anfangssehnen liest, könnte man sagen, das seien odemreiche oder schlicht atmende Tautologien. Der Grund ist das Bild ist der Zwist ist das Recht ist der Zwist ist das Bild ist der Grund. Das Bild soll der Zugang und der Anfang, die Eröffnung und die Erweiterung, die Entgrenzung und die Vermehrung sein. Das ist auch ein römisches Motiv, das freilich wiederum seinen Anfang in Griechenland haben will und das sich im Bilderstreit gegen und mit der Vorstellung, dass am Anfang der logos war, behauptet. Listig behauptet sich das Motiv, wie wenn es sich behaupten würde, es tänzelt, wie wenn am Feiertage das Bild einmal vermag sich zu geben, als ob es mächtiger sei. Scheint so. Ich glaube, dass Leute, die glauben, dass die Sprache bildlicher war, als sie ihren Ursprüngen noch näher gewesen sein soll, auch glauben können, dass im Verlauf der Geschichte die Bilder sich vermehrt hätten. Der Glaube an sie Verminderung der Bildlichkeit schließt den Glauben die Vermehrung der Bilder nicht aus. Der Begriff des Bildes, ein zweischneidiger Genitiv, ist nicht nur wie eine geballte Faust, in der etwas steckt und für das man wegen der Ballung auch nicht unbedingt sensibel sein muss. Das ist auch alles Teil von Kosmologie, von Klassifikationen, die einer Kaskade von Trennungen und Austauschmanövern unabhängig davon aufsitzen, ob sie in Polynesien oder in Deutschland vorgenommen werden.
In einem kausalen Sinne sei der Bismarckfall nicht der Anfang, aber prinzipiell, im normativen Sinne bilde er den Anfang, er sei es nicht wörtlich, er sei es bildlich: So würde ungefähr passen, was das Bundesverfassungsgericht (wie 99,999 % der deutschen Literatur) bis heute behaupten.
Gegen gebildete Anfänge kommen Aufklärung und Nüchternheit schwer an. Die Hinweise auf die Fälle mit Frauen, erotischen Aufnahmen, Werbeaufnahmen für Seife oder Meel, auf lauter Bilder aus der niederen Sphäre der Bildökonomie, aus das Internationale Europäische, von mir aus Latinische (Curtius) oder Antike (Warburg) der Diskussion und auf den Umstand, dass sowohl Gerichte (niedere Gerichte) als auch Autoren lange vor dem Bismarckfall in einigen Fällen Bildrechte anerkannt haben, dass in Rom selbst schon, dass die Humanisten und der Pedant Lessing haufenweise sich etwas zum ius imaginum ausdenken, der zerschellt an der Dogmatik, ihren Zitatschleifchen, vor allem am Dogma der großen Trennung, also an einer Trennung, die letzlich dafür sorgen soll, dass die Gegenwart von der Vergangenheit so wie wir vom Anderen getrennt sein sollen, indem wir einer Kaskade von Trennungen aufsitzen. Andere Literatur mit anderen Thesen müsste die Richter auch erst inmal sehen, dafür müsste sie diese Literatur sich und den Lesern erstmal zeigen, macht sie aber aber nicht, andere Literatur ist ja nicht dogmatisch, hält sich zum Beispiel nicht an das Dogma der großen Trennung.
3.
Das Bundesverfassungsgericht, wie viele Gerichte, trennt mit solchen kleinen historiographischen Passagen fröhlich Normen und Fakten, wenn es denn der Rechts- und der Wahrheitsfindung dient und tut dies nicht, wenn das der Rechts- und Wahrheitsfindung dient.
Der Bismarckfall wird in der Literatur als Anfang des Bildrechtes präsentiert, er wird von der juristischen Literatur zu dem Bild gemacht, das er sein soll, das er liefern soll und mit dem dieses Bild Grund sein und Gründe liefern soll. Der Fall ist Teil normativer, dogmatischer, juristischer Bildgebung, deren Medien Worte und Wörter sind. Der Fall kreuzt Sprache und Bild, Text und Bild, Begriffe und Bilder, Worte und Bilder. Schrift und Bild.
Die juristische Literatur knüpft dabei sogar an bildrhetorische Institutionen an, an Techniken des decorus, sie führt rhetorische Bildregime (entgegen den Thesen vom Ende der Rhetorik, vom Ende des decorum) in die Moderne, und macht nun endlich alles so oberflächlich, wie es seit tiefsten Zeiten war, sp gründlich, wie es früher Zeiten anders gründlich schienen. Der Bismarckfall ist ein Fall stratifikatorischer Differenzierung, was nicht heißt, dass es in der Moderne weder Ausdifferenzierung noch funktionale Differenzierung gab, das verweist auf eine durchgehende Rivalität und Konkurrenz der Differenzierungen. vor allem aber darauf, dass Differenz operationalisiert, aber nicht getilgt und nicht gestillt, nicht ausgelöscht und nicht verklebt, nicht eingeschmolzen werden kann.
4.
Der Bismarckfall gibt ein gutes Bild ab, zumindest für Rechtsordnungen, die von sich selbst glauben, auf monumentale Subjekte und Bilder angewiesen zu sein und die glauben, Gründe gegen Abgründe auffahren zu müssen. Der Bismarckfall liefert so eine Referenz gleich mit einem großen Namen, einem Fürsten, zumal dem sog. Vater der Reichsgründung. Er liefert eine Referenz mit dem Motiv des Todes, der Nacht, eines plötzlich grell diffundierenden Magnesiumslichtes (Blitz und Feuer á la Neukölln und Sylvesternacht) und dem Motiv des Einbruches, das insbesondere im Phantasma einer Dogmatik, die von sich selbst glaubt, die Bilder nach außen verdrängt zu haben und von außen von Bildern bedroht zu sein, außerordentlich attraktiv erscheint. Vater, Tod, Feuer und Penetranz, die draußen steht und drängt: Der Bismarckfall ist ein Ideal, er ist das Ideal eines deutschen Bildrechtes, nahezu unzerstörbar ist die Legende, dass das deutsche Bildrecht auf diesen Fall zurückgehe und dort seinen Grund finde.
Für solche Gründe gilt aber, was auch für den Mythos und für die Sowjetunion galt: Everything was forever until it was no more. Ich stoppe schon die Uhr, bis diese Story vom Anfang des modernen Bildrechtes und von dem Unterschied, den der Unterschied Bismarck gemacht haben soll, irgendwann mit einem unhörbaren Fumps in sich zusammenstaubt und dann, ohne dass nur ein Richter das bemerkt, nicht mehr erzählt wird, was und wie eben noch erzählt wurde. Allenfalls wird ein Geräusch, wie wenn am Vormittage in ein Knoppers man beißt, im Hintergrund zu hören sein.
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Bildlichkeit und Sonanz
1.
Schrift und Schriften, Worte und Wörter bilden den juristischen Diskurs ab. Man kann die Worte sehen, man kann die Begriffe sehen. Buchstaben sind kleine abstrakte Bildchen, abstrakt wie das A, W oder B (obschon das A, wie die Kinder noch sagen, auch den Anfang der Alpen zeigt, das W die Wellen des Wassers und das B den Busen des Bond-Girls Barbara Bach). Der Text ist nicht erst dann ein Bild, nicht erst dann eine Weise der Sichtbarkeit, wenn man ein screenshot davon macht oder wenn man ihn mit Strichen markiert.
Peter Goodrich nennt die Schriften von Quintilian, Cicero und des Autors der Rhetorica ad herennium depictions of legal disourse, unabhängig davon, welches Schriftbild die Texte haben. Nicht nur Bilder bilden ab, Worte tun das auch, Schrift tut das auch, Redner tun das auch. Bilder sind Bilder, Worte sind das auch. Der Begriff Abbildung ist ein Bild und das Bild ist ein Begriff, den man wörtlich nehmen kann, aber nicht wörtlich nehmen muss.
2.
An den Passagen zur Evidenz, zur enargeia und zum Aufruf (appeal) der Bildlichkeit sei etwas...evident, so sagt das Peter Goodrich. Nach Goodrich sagen diese Passagen nicht nur etwas über Evidenz, sie sind auch evident, Goodrich steigert das sogar, da sei etwas most evident. Das sagt Goodrich wiederum nicht allgemein, Evidenz hat dort etwas mit Referenz oder Entsprechung (Sprechen) zu tun. Diese Passagen stimmten vollständig mit anderen Texten überein, theologischen Texten. Evidenz hat etwas mit Stimmen und Entsprechen zu tun. Wenn Evidenz ein optisches Phänomen ist, dann ist es auch ein akustisches Phänomen.
Full consonance: Übereinstimmen, ich höre sie! Je mehr von etwas etwas sichtbar wird, desto mehr stimmt etwas. Je mehr man die Augen aufdreht, umso mehr flüstert was. Mit dem Stimmen vermehren sich die Stimmen. Die Bilder sind der letzte Schrei. Das Bild, sagt Derrida, hat immer das letzte Wort. Wer hat das Bild? Wer hat es in der Hand? Wer hat das Bild im Griff? Das letzte Wort.
Auch so kann man Derridas Satz lesen, schau ihn Dir an, das stimmt, und es stimmt den Bilderstreit an, vielleicht erst flüsternd, dann immer lauter. Die Priorität beisst in den Schwanz, aber es ist dabei nicht klar, ob es sich bei dem Biss um Selbstreferenz oder Fremdreferenz handelt, wenn doch das Bild dem Wort fremd und das Wort dem Bild auch fremd sein kann, aber nicht fremd sein muss. Die Rede von der Priorität eines Mediums, von der Priorität der Bilder, von ihrer Souveränität, von ihrer Absolutheit und Monumentalität, von ihrer höchsten oder ersten Macht, die Thesen von den Leitbildern und den Leitmedien: Das alles ist Bluff, das ist alles Poker. Das alles ist Reiz. Das alles ist Gerücht, aber Gerücht im Sinne von Bachofen, als Stoff, auf dem Normativität eben nun mal gestrickt ist. Darum gibt es Bilderstreit, weil Bilder bestritten werden müssen.
Die Sichtbarkeit von Goodrichs Text, die Sichtbarkeit und Bildlichkeit seiner Worte lässt sich steigern, man kann in grellen Farben kleine Rahmen und Markierungen um jedes Wort, um jeden Buchstaben zeichnen und den Texte mit seinen Bildern immer stärker fluten lassen. Das geht. Die Frage ist und bleib aber: Was hat es den Fischen gebracht, dass sie so wundersam vermehrt wurden?
The most presidential President drinks the most Most. Man kann den Bilderstreit auch enttrumpisieren, man muss nicht immer mit solchen Bildtheorien ankommen, in denen Bilder most sind.
3.
Der Bilderstreit macht dann Sinn, wenn etwas an ihm nicht stimmt und sei es, weil man schon glaubt, Stimmen zu hören, denen Sprecher fehlen. Er macht auch dann Sinn, wenn man von Sichtbarkeit geblendet wird, wenn Bilder etwas abschirmen. Die Texte von Goodrich machen dann nur Sinn, wenn sie ins Auge gehen, wenn an ihnen etwas nicht stimmt.
Man entfaltet den Bilderstreit in faden Stücken, wenn man nicht darauf eingeht, dass sich dieser Streit auch um die Aufteilung der Sinne dreht. Bilderstreit wird auch mit dem Auge, dem Ohr, der Hand, der Zunge und um das Auge, das Ohr, die Hand, die Zunge als Institutionen, als normativen Organen geführt. Sogar mit und um Geschlechtsorgane, mit und um die Leber wird er geführt, mit und ihm das Herz, den Magen. Und nicht zu vergessen: mit dem und um das Knie, mit und um den Rücken, mit und um die Lippen wird der Streit geführt, schließlich markieren immer wieder proskynesen und Kniebeugen wichtige, historische Stationen im Bilderstreit.
Nicht nur das Recht hat eine Geschichte, weil es sich wandelt, deswegen wandelt, weil es umstritten ist und bestritten wird. Nicht nur das Bild hat eine Geschichte, weil es umstritten ist und bestritten wird. Auch die Organe, auch die Sinne haben eine Geschichte, weil sie umstritten sind und bestritten werden. Die Zuständigkeitslinien, die das Ohr vom Augen trennen oder aber die höheren Sinne von den niederen, die Einbildungskraft vom Sehen, die verlaufen historisch, die ändern sich. Ich denke sowieso mit dem Knie, sagt Beuys, umstritten ist es, aber so schnell oder so einfach ist das nicht von der Hand zu weisen.
4.
Wie Mitchell treffend in einem seiner Texte angemerkt hat, wird der Bilderstreit rekursiv geführt. Man streitet mit sichtbaren Worten und sprechenden Bildern, mit visionären Begriffen über die Sichtbarkeit und die Sprache. Der Bilderstreit legt einen abgedrehten Film über die Dinge, mehr noch: Abgedrehter Film ist das Ding, das wir Bilderstreit nennen und auf alles beziehen, auf den Krieg und die Ehe, die Kinder und das Klima, den Kredit und die Liebe, die Bilanzen und die Gerechtigkeit. Ikonomachie ist glitzerndes, blitzendes, flimmerndes, faszinierendes Aquaplaning, wenn auch nicht für jeden.
Die Rekursivität, von der Mitchell spricht, geht nicht unbedingt mit Reflexivität einher. Der Text von Goodrich mag bei der ersten Lektüre klar und verständlich sein, eine gute Einführung, wie der Titel verspricht. Ein zweiter Blick, oder der Versuch, den Text ins Deutsche zu übersetzen, kann dem Text seine Evidenz nehmen, er kann ins Absurde kippen. Auch dabei muss es nicht bleiben, die Verständlichkeit des Textes kann wieder einziehen, er kann in seine Evidenz zurückkippen. Man kann sich mit dem Text dank eines schlichten Schon-klar-was-gemeint-ist versöhnen und alles auf die Kontingenz, die Äußerlichkeit und die Bildlichkeit der Worte schieben.
Man sollte den Text von Goodrich dekonstruieren, tut man es nicht, verpasst man etwas am Bilderstreit, mindestens eine Hälfte verpasst man dann, wenn man den Text nur richtig und nicht auch vollständig falsch findet oder wenn man ihn falsch und nicht auch vollständig richtig findet.
5.
Mir wäre es weiterhin wichtig, dem juristischen Bilderstreit einen Warburgschen Zugang zu eröffnen, also einen Zugang, der den Bilderstreit nicht nur als zweideutiges oder paradoxes Phänomen begreift und darum auch nicht als ein Streit, der früher oder später auf eine große, letzte, prinzipielle Unterscheidung oder eine große Trennung hinausläuft.
Mir wäre es nicht so wichtig, dem juristischen Bilderstreit ein dialektisches Statut zu verpassen (da gibt es schon Entwürfe). Mir wäre es wichtig, den Juristen Warburg und dessen Überlegungen zur Polarität noch bekannter zu machen, weil Warburgs Überlegung, vor allem seine Methoden des Protokolls und es Kommentars, Perspektiven einer vergleichenden Bild- und Rechtswissenschaft eröffnen, die nicht am System orientiert ist, sondern am Detail. Das macht Warburg nicht antisystematisch, es macht ihn nur zu einem Spezialisten für das Detail, also dafür, für das in der Rechtswissenschaft Spezialisten doch eher fehlen, weil sie noch an den Formeln eines Bilderstreites festhängen, die schon genug aussagen. Warburgs Position nimmt ihren Ursprung in Bewegung und zielt auf Bewegung, seine Vorstellung vom Nachleben, da sehe ich ihn in enger Nachbarschaft zu de Tarde, nimmt ihren Ausgangspunkt in Reproduktion und zielt auf Reproduktion. Bei ihm ist, wie bei de Tarde, Differenz Ursprung und Ziel der Wiederholung. er bietet Methoden, das räumlich, zeitilich, gesellschaftlich und psychisch zu entfalten. Warburg eröffnet die Perspektiven auf Kehren, Wenden, Kippen oder Falten, auf Inversionen.
Und das tolle ist: Warburg hat nur angefangen, auch die Staatstafeln sind nur ein Anfang, sie sagen nur: jetzt geht es los, jetzt können wir beginnen mit dem Atlas. Allein die historischen Verschiebungen zu den Händen, die mit dem Smartphone und dem Touchscreen vorgehen, allein schon die neuen Medien mit ihren Horn (Schmidgen) bieten an, die Wanderungen aufzuzeichnen, sie sich von der Linie der Unterscheidung zwischen Auge und Ohr und zwischen Wort und Bild zur Linie der Unterscheidung zwischen Hand und Auge, Hand und Ohr, Körper und Wort oder Körper und Bild vollziehen.
Dass es monumentale Bilder gibt, will ich gar nicht bestreiten, ebensowenig wie den Umstand, dass Souveränität oder Priorität auch in Bildern vorkommt. Das theoretische Korsett von Goodrich entlastet aber einen von dem, was Warburg macht, nämlich davon, Kalender zu führen und zu kartographieren, also Protokoll darüber zu führen, wann und wie lange, wo und wie weit, wie das alles der Fall ist, was der Fall ist. was dem an anderem Bild vorgeht und was dem an anderem Bild folgt. Legendre, der dieses theoretische Korsett mitbestimmt, entlastet einen davon, die Operationsketten nachzuvollziehen, mit denen Bilder bestritten werden (so, wie man bestreitet, was ein Gegner sagt und so, wie man einen Haushalt bestreitet).
Goodrich hängt in den einführenden Passagen an einer Ausprägung des Bilderstreites, die ich selbst manchmal klassisch nenne. Dabei kommen mir, etwa durch die Lektüre von Leslie Brubaker und anderen Byzanzforschern, Zweifel auf, ob das eine sinnvolle Bezeichnung ist. Der Bilderstreit als Demarkationslinie zwischen Wort und Bild, zwischen logos und dem, was jenseits des Logos, jenseits der Rationalität liegt, das ist eventuell nicht klassisch, das ist eventuell nur modern. Das kristallisiert eventuell sogar erst nach dem zweiten Weltkrieg aus - und wäre dann von Leuten klassisch-modern gemacht, die - mit Latour gesprochen - nie modern waren.
6.
Wie zum Beispiel Louis Marin oder wie der ab und an übersehene Carsten-Peter Warnke operiert Warburg an einer diagonalen Wissenschaft, also einer Wissenschaft, in der Texte das Bild kreuzen und Bilder den Text. Damit bestreitet Warburg nicht, dass Worte und Bilder unterscheidbar sind oder dass sie unterschieden werden sollen. Ganz im Gegenteil, er nimmt der Behauptung das Floskelhafte und stösst das feld auf, in dem Rekursivität und Reflexivität ihre unterschiedlichen Wege nehmen. Mit seiner Theorie und seiner deutlichen Rhetorik ist sehr erfolgreich, viel rezipiert. Wie Klaus Röhl in Deutschland mit ähnlichen Thesen der meistzitierte Autor ist, so ist auch Goodrich der meistzitierte Autor, aber das ist nicht unbedingt ein Kompliment in Wissenschaften, die nach Macht dürsten und entsprechende Formel gierig aufsaugen. Mein Argument ist nicht gegen eine Machtanalyse gerichtet, sie ist darauf gerichtet. Die Formeln von der Bildmacht verstellen den Blick darauf, dass die Grenzen des Bildes mitten durch das Bild gehen, auch jene Grenzen, die das Bild mitmacht und die es reproduziert, also auch die Grenzen der Macht. Die Unterscheidung zwischen Wort und Bild, die findet man also sowohl im Wort als auch im Bild. Warburgs Sinn für Polarität ist ein Sinn für Worte, die ins Bild kippen und für Bilder, die ins Wort kippen, für Worte, die sich in Bilder wenden, in Bilder kehren, für Bilder, die sich in Worte kehren.
7.
Und das ist nur die Ausgangslage. Nur das ist die Einführung, die eigentlichen Probleme und die eigentlichen Wunder beginnen erst dann, erst dann, wenn trotz der Rekursivität und trotz der unterschiedlichen Pfade von Rekursivität und Reflexivität der Bilderstreit, wenn trotz und wegen solcher Texte wie denen von Peter Goodrich die Ikonomachie/ der Bilderstreit weiter läuft, so, wie er bisher lief, nur anders. Von mir aus kann man das auch mit Luhmannscher Nüchternheit als ein Funktionieren des Bilderstreites nennen, aber nur, weil Luhmanns Nüchternheit von rauschender Ironie getragen wurde. Der Bilderstreit schlägt uns auf Seiten, wir schlagen mit und schlagen zurück.
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Zeuge
Zacharias Rhetor oder aber Scolastico, Zacharias Mytilene (die Schreibweise des Ortes variiert), soll aus der Gegegend um Gaza kommen, in der Rhetoren ausgebildet wurden. Er soll in Beryt das Recht studiert und angefangen haben, zu schreiben. Soll von einem der bekanntesten, nicht von Hand gemalten Bildern, von einem Acheiropoieton berichtet haben, dem kamoulianai image.
#zacharias rhetor#geschichte und theorie des bilderstreites#acheiropoieton#leslie brubaker#antonio volpi#kamoulianai
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História e teoria de uma lei inconstante e polar
Die Vorlesung in Recife ist ein kleiner Kurs, ein sogenannter Minikurs, der im ersten Teil das Institut vorstellt, für das ich arbeite und das man als ein Institut für advanced studies verstehen kann, weil es dort vorangehen soll. Auf, auf:
1.
Am Max-Planck-Institut für Rechtsgeschichte und Rechtstheorie hat Marietta Auer mit Mitteln des Leibnizpreises ein Projekt unter dem Titel Theoriemosaik eingerichtet, das im Schwerpunkt rechtstheoretische Forschungen bündelt, die an bricolage, Ästhetik und Historizität interessiert ist.
Theorie halte ich für einen Effekt des Umstandes, dass eine Göttin oder aber ein ausschlagendes Wesen geschaut hat und man seit dem meint, das auch tun zu können, auch einmal schauen zu können. Den Begriff der bricolage assoziiere ich mit der anthropologischen Lehre, also der Annahme, dass alles das, was hier vorkommt, auch da vorkommt, nur in anderen Reihenfolgen oder Sequenzen. Die deutsche Übersetzung des Buches von Lévi-Strauss wählt für den Begriff bricolage das Wort Bastelei. Ich übersetze das Wort mit Kulturtechnik und denke, wie Lévi-Strauss, an beliebige Kulturtechniken, also auch Kulturtechniken, die beliebig sind und die insofern zum Einsatz kommen, wenn es darum geht, Recht wahrzunehmen und auszuüben, die aber auch völlig anders zum Einsatz kommen können - und mit denen das Recht darum unbeständig, relativ, perspektivisch, (ver-)wechselbar und dabei immer scharf, bestimmt, verbindlich und limitiert bleibt. Juridische Kulturtechniken kooperieren bei der Fabrikation des Rechts (beide Genitive sind gemeint) - und diese Kooperation ist widerständig und insitierend.
Bei dem Begriff Ästhetik denke ich an ihre Geschichte, bevor sie im Rahmen der Nationalisierung zur deutschuniversitären Systemphilosophie wurde. Ich denke also eher an die Manuale, Techniken, an Muster, Rezepte, Beispiele, Sammlungen, Vorbilder und Praktiken, um Erfahrung zu machen und darin Passion (Leidenschaft oder ein Erleiden) in Aktion und umgekehrt Aktion in Passion zu wenden. Ich denke bei Ästhetik also auch an Kulturtechniken, die etwas wahrnehmen und ausüben lassen. Bei Historizität denke ich an sedimentäre Geschichte und seismische Aktivität, an das Nachleben der Antike und Trajans Gerechtigkeit sowie an Baseler Archäologie und ihre Folgen.
Das Projekt Theoriemosaik bietet an, an das mosaische Gesetz zu denken, also auch an abrahamitsche Wesen (wie Bartleby oder Anna Katharina Mangold um zwei beliebige Beispiele zu nennen), an Testamente und brüchige/ gebrochene Tafelgesellschaften, an Auszüge und Vollzüge. Theoriemosaik bietet aber auch an, an die Musen, das Musische, die Musik und damit an das zu denken, was zählt. Passt mir alles gut in den Kram, ehrlich gesagt: wie maßgeschneidert für das, was ich gerne tue und tun muss, weil es sonst niemand macht.
2.
Mein Forschungsschwerpunkt liegt in dem Verhältnis zwischen Bild und Recht sowie Bild- und Rechtswissenschaft. Manche halten das für zwei Gegenstände, andere für einen Gegenstand, die Auseinandersetzung darum kann man Bilderstreit nennen. Dieser Bilderstreit hat Geschichte. In meinem jetzigen Projekt zu Aby Warburg interessiert mich die Moderne, d.h genauer die Zeit zwischen Sommer 1896 und Herbst 1929. Die Phase beginnt mit einer kleinen Kreuzfahrt auf einem Schiff, einem Gespräch zwischen Aby Warburg und dem Juristen (und späteren Professor für Rechtsvergleichung) Sally George Melchior über das römische Recht, sie endet mit Aby Warburgs Tod am 26. Oktober 1929, als er an den Staatstafeln und damit an einem Protokoll und Kommentar zu den Lateranverträgen arbeitet. Meine These ist insoweit, dass diese Phase den exakten Zeitrahmen bildet, in dem Aby Warburg zum Rechtswissenschaftler wurde, selbst wenn er niemals an einer juristischen Fakultät eingeschrieben war und nie der Wahrheitsform gerecht wurde, die manche (Staats-)Examen nennen.
Warburg ist in Bezug auf das Recht kein Autodidakt. Das zu unterstellen hieße nämlich anderseits, zu unterstellen, dass die universitäre Rechtswissenschaft im Rahmen ihrer Didaktik ein epistemisches Monopol besäße, das tut sie aber nicht. Sie gibt sich so, das ist eine Illusion, also etwas, mit dem man durchaus eine Zukunft haben kann, wenn auch wie immer eine unsichere und limitierte Zukunft. Die Rechtswissenschaft ist aber eingespannt in eine Wissensproduktion, die multinormativ (Thomas Duve) und multidisziplinär (Marietta Auer), weiter auch multiplizit ist. Diese Wissenschaft kreuzt und versäumt andere Wissenschaften - und ein Wissen, das anders operiert als es universitäre Wissenschaft oder einer der nationalen und bürgerlichen Modelle von Universität nahelegt. Wenn die juristische Fakultät nicht autonom und autark operiert, dann ist Warburg auch kein Autodidakt in der Rechtswissenschaft. Er ist mündig und wild, zieht damit noch den anarchischen Wind (Edgar) an.
3.
In einem Text, der auch klein oder sogar mini sein soll, nämlich in der kleinen Geschichte der Photographie, schreibt Walter Benjamin einen berühmten Satz, er zitiert dort:
"Nicht der Schrift-, sondern der Photographieunkundige wird, so hat man gesagt, der Analphabet der Zukunft sein."
Bindet man die Rechtswissenschaft an das Gesetz und, wie das in einem wunderbaren Buch Ino Augsberg exerziert hat, das Gesetz an die Lesbarkeit, dann sollte man auch diesen Satz aufgreifen und in Bezug auf Warburg noch einmal zuspitzen, weil es bei Warburg auch um Graphien geht, die mit dem Licht arbeiten können, über das Photographische hinaus aber noch um Bilder, durch die Bewegung geht und die darum kinetische, kinematographische oder choreographische Bilder sind. Das sind bewegte Bilder, bewegende Bilder und schließlich das, was Deleuze das Bewegtbild nennt. Also zugespitzt für die Moderne: Nicht der Schriftunkundige, sondern der Unkundige bewegter und bewegender Bilder (der Kinemato- und Choreographieunkundige) wird der Analphabet der Zukunft sein.
Statt von Bewegung spreche ich im Kurs, weil ich schon auf die Affinität zum Recht schiele, von Regung und vom Regen, dem Regen - also einer Regung, die man auch meteorologisch verstehen kann, weil auch sie unbeständig ist, nämlich vorläufig und vorübergehend, vergehend und darin schwer berechenbar bis notorisch unkalkulierbar. Begrifflich meine ich unbedingt das Regen, wie es in anregenden Fällen und Gesetzen, aufregenden Urteilen, erregenden Entscheidungen oder Verbechen und schließlich in abregenden Kompromissen und Vorschlägen mitläuft.
Ob ich darum den Regen nur metaphorisch meine? Bis vor kurzem hätte ich gesagt: ja sicher. Johan Horst mit seiner Forschung zur Verfassung des Natürlichen zum Recht hat mit aber klar gemacht, dass mit den Konflikten der Neometeorologie Modellbildungen in der Rechtswissenschaft Austauschmanöver initiiert, die auch den Status der Begriffe und Metaphern ändert. Meine indischen Kollegen erinnern mich daran, dass dort für Recht und Regen (wie für Recht und Reigen) die selben Begriffe benutzt werden können. Die neue Meteorologie könnte eine andere alte Meteorologie sein, eine Pendel des Wissen, in dem Antike nachlebt.
Den Regen meine ich also nicht nur metaphorisch, wenn ich vom Bildregen spreche. Bildregeln sind ja auch Regeln, die aus Bildern bestehen können (etwa, wenn die Vorbilder, Modelle oder Beispiele geben) und nicht unbedingt aus Sätzen bestehen müssen. So kann Bildregen auch aus Regen bestehen (sogar Edvard Munch hat das an berühmten Beispiel vorgeführt).
Bilderflut ist ohnehin 'eine alte Geschichte' und wem sie jüngst passierte (wem jünst damit wieder mal ein apokalyptischer Schrecken eingejagt und eine Melancholie über den Verlust des Rechts erregt wurde), dem bricht das Herz entzwei. Ich spreche bestimmt auch Starkregen, liegt in Recife ja auch nahe, wo hier fast an jedem Morgen die Wolkentürme mit dem Gewicht großer Elefantenherden während eines Augenzwinkerns auf den Boden klatschen, Häuser wegspülen und dabei regelmäßig Hund und Mensch ertränken. Ob der Regen, der dann Rechte fabriziert, etwa neues Baurecht oder neues Polizeirecht, neue Umweltrechte, neue Hunde- und Menschenrechte, dann eine Rechtsmetapher oder zum Rechtsbegriff wird, auch die Auseinandersetzung wird man Bilderstreit nennen können - und es bleibt ein Streit darum, Rechte wahrnehmen und ausüben zu können.
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Essers Tafeln/ Juristen fabrizieren
1.
Meine These lautet, dass Bild- und Rechtswissenschaft eine Wissenschaft sein kann und wahrscheinlich eine Wissenschaft ist, spätestens seitdem antikes Recht, in dem Fall römisches Recht, an monotheistische Religionen geraten ist und beides sich in vilefältigen normativen, anthropologischen und kosmologischen Vorstellungen verhäkelt hat. Rom ist MultiPliCity. Danach kann man das Privileg haben und nutzen, Recht und Bild unterscheiden zu können, aber nicht zu müssen. Man kann das Privileg haben und nutzen , Bild- und Rechtswissenschaft unterscheiden zu können, aber nicht zu müssen. Beides zu differenzieren ist dann genauso aufwändig wie beides zu identifizieren und in eins zu setzen. Dass ich davon ausgehe, Bild- und Rechtswissenschaft als eine Wissenschaft zu betrachten, das liegt daran, dass ich an der Geschichte und Theorie des Bilderstreites aus der Sicht juridischer Kulturtechnik interessiert bin.
2.
Diese These orientiert sich teilweise an der Bedeutung, die dem kanonischen Recht und dort Figuren des Gottes, des Schöpfer, des Menschen und dann der Ebenbildlichkeit und dem Menschenbild eingeräumt werden. Die Ebenbildlichkeit interessiert mich in Bezug auf juridische Kulturtechniken. Wie macht man sich zum Bild eines anderen? Wir wird man zum Bild eines anderen gemacht? Wie macht man, wie Legendre formuliert, den Mensch dem Menschen ähnlich?
Der Mensch existiert aus Sicht juridischer Kulturtechnik nicht unabhängig von Kulturtechniken der Hominisierung. Er lernt, zu den Tieren und Pflanzen auf sorgfältige Weise auf Distanz zu gehen, er lernt zu sprechen und zu schreiben, Bilder zu geben und zu nehmen, lernt Tafelsitten, die Geschlechter zu teilen, irgendwann lernt ein kleiner Haufen von Leuten dann sogar für das deutsche juristische Staatsexamen, zum Beispiel bei Josef Esser.
Wenn es bei Josef Esser ein Menschenbild gibt und er davon etwas lernt, dann kann man das als Teil von Kulturtechniken verstehen, die Menschen ausbilden, insoweit auch fabrizieren oder aber 'ähnlich machen'.
Das römische Recht ist allerdings auch ohne jüdische und christliche und islamische Religion schon eine sonderbare/ besondere Bildwissenschaft, damit meine ich die zahlreichen Passagen zum ius imaginum und zu tabula picta, aber auch den Teil, der von einigen Wissenschaftlern eher als Hilfswissenschaft denn als römisches recht und Wissenschaft betrachtet wird, also das Wissen der Akten, Tabellen und Kalender (z.b. der notitia dignitatum und des Kalenders des Filocalus). Sprich: zwischen Wissensproduktion und Wissenschaft kann man zwar unterscheiden (Esser zum Beispiel unterscheidet in seinem Lehrbuch von 1949 zwischen Wissen und Wissenschaft deutlich), aber muss beides nicht unbedingt groß oder kategorial unterscheiden. Ich unterscheide nicht kategorial, nicht in festen Größen, schon weil kulturtechnisch betrachtet jede Unterscheidung rekursiv ist und mit Trennungen, Assoziationen und Austauschmanövern operiert.
3.
Die Thesen vom iconic turn halte ich für mehrdeutig (Bildregeln, 2009). Ich lese die These nicht statistisch und als Angabe eines historischen Ereignisses, wie Klaus Röhl das tut, der den iconic turn als visuelle Zeitenwende und Grenze/ Ende der Moderne versteht und statistisch anhand der Anzahl von Büchern und Bildern ermittelt, ob die These stimmt. Bis zu einem bestimmten Zeitpunkt sollen Bilder im modernen Recht statistisch betrachtet keine besondere Bedeutung gehabt haben, sie sollen in der Moderne sogar aus dem 'reinen' Recht verdrängt worden sein. Nun, bei Esser spielen sie 1949 in seinem Lehrbuch von den Grundbegriffen eine Rolle, die man sogar für zentral halten kann, wenn es um Institutionen und die Institutierung der Juristen, um ihre Ausbildung oder Fabrikation geht. Man kann sagen, dass die Institution der Grundbegriffe auch eine Institution von 'Grundbildern' ist, die konkret zuerst Diagramme und Tabellen sind (keine Bildnisse!). Solche Tafeln nenne ich kleine und niedere Tafeln. Sie sind leicht verwechselbar und leicht übersehbar, dienen sogar dem Wechsel und einer Kombination aus Übersehen und Übersicht, die Leibniz in seinem Grundlagentext zu den gewissen Staats-Tafeln veranlasst, auf die Technik der Bildgebung mit ihrer Involvierung anderer Techniken (Register, Statistik, Rhetorik, Schreiben) einzugehen.
Sowohl im Text als auch mit 19 Abbildungen bildet Esser seine Studentinnen und Studenten auch darin aus, Weltbilder zu erkennen und ein Welt- und Menschenbild haben zu können. Heideggers Text über die Zeit des Weltbildes ist 1938 erschienen und kann hier eine der Anregungen sein; die Naturwissenschaften und das kanonische Recht sprechen von und nutzen zur der Zeit zahllose Bilder(n) von Mensch und Welt. Meine These ist auch, dass man die Geschichte und Theorie des Bildes als Geschichte eines Händelns und Handelns beschreiben kann, damit meine ich juridische Kulturtechniken. In Bildregel (2009) habe ich anhand rhetorischer Muster (decorum) versucht, Schichtungen und Stratifikationen des Bilderstreites anhand von Techniken einer Musterung nachzugehen, die in rhetorischen Institutionen auch den Unterschied zwischen oben und unten, hoch und niedrig, groß und klein, sublim und subtil operationalisieren.
In der Geschichte und Theorie solcher Bilder, wie Esser sie verwendet, kann man auch solche Unterscheidungen (oben/unten; hoch/ niedrig) wiedererkennen, wenn auch auf andere Weisen. Das Bildnis (etwa das eines Königs, Gentlemans, Richters, Fürsten oder Anwaltes) ist ein oberes, höheres Bild und darin ein Persönlichkeitsideal mit imaginärer Fassung. Vesting nennt das unter Rückgriff auf die Arbeiten von Daniel Damler und Johanna Braun ein Leitbild. Das soll nicht nur anleiten, sondern oft auch leitende Personen zeigen. Diese Bild sind in hohem Maße signifikant und tragen immer eine Signatur, immer einen Namen, oft sogar zwei: den des Urbildes (Hugo Keyssner, Das Recht am eigenen Bild, 1896) und denjenigen des Urhebers (oben im Beispiel nur seine Signatur IA (Jost Amann). Damit haben diese Bilder, was verfasste Texte haben sollen: eine Unterschrift, eine Signatur, die Namen und Medien bindet und die Bindung garantieren soll. Solche Bildnisse sind auch darum schwer zu verwechseln. Aus Eberhard von Kuenheim wird nicht einfach Erkan Istanbullu, aus Thomas Gainsborough nicht einfach Thomas Vesting, aus Ludwig XIV. nicht einfach Ludwig XV. Diese Bilder organisieren Stellvertretung, Legendre nennt sie Garanten.
Tabellen sind niedrigere Bilder, in der Gattung schon niedrig, sogar so niedrig, dass die in den Inventionen des byzantischen Bilderstreites übersehen wurden. Sie sind in der Rgeln nicht verfasst, wozu auch, sie verwalten ja nur, meist sogar Regungen und Bewegungen, zeichnen also eher Bestände und ihre Wechselbarkeit auf, so d darin dann unbeständig. Sie haben selten bis nie Unterschriften. Wegen Kalendern und anderen Tabellen ist niemand das Risiko eingegangen, den Kopf ein- oder abgeschlagen zu bekommen. Thomas Hensel nennt solche Bilder schwache Medien und meint damit, dass sie leichter verwechselbar und austauschbar sind. Auch das würde ich mit kleinen/minoren Tafeln, kleinen/ minoren Objekten, kleinen/minoren Bildern assoziieren. Da kann an die Stelle Hegels auch Kant geraten und umgekehrt, kann die Position der historischen Rechtsschule so bewegt werden, wie die Mitarbeiter in der Abteilung Rechtstheorie zwischen den drei Arbeitsschwerpunkten sich bewegen können. Trennung, Assoziation und Austauschmanöver sind in minoren, kleinen und nideren Objekten unbeständiger. In rhetorischen Institutionen bezeichnet man das Subtile daran darum auch teilweise als frivol.
Wenn man die These vom iconic turn zeitlich und örtlich mobil verstehen, also davon ausgeht, dass ein turn/ eine Wende/ Regung als bildender oder bildlicher Vorgang, als graphische oder choreographische Kulturtechnik verstanden werden kann, dann überzeugen mich die Texte von Mitchell (der den Begriff bekannt gemacht hat) mehr, dann lese ich ihn als blühenden Ideengeber für die Bild- und Rechtswissenschaft und für die Geschichte und Theorie juridischer Kulturtechnik.
4.
Der Text, den Esser zu seinen Tafeln schreibt, klingt teilweise nach dem, was in Gratians Decretum lex saytrica genannt wird: Ein Schreiben von vielen Dingen zu gleichen Zeit, das satt erscheint. Vor dem Pluralismus war die Satyre.
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História e teoria de uma lei inconstante e polar
1.
In der zweiten Sitzung der Vorlesung in Recife gehen wir auf die Anregungen ein, die vom Werk unserer hochgeschätzten Kollegin Cornelia Vismann für eine Geschichte und Theorie unbeständigen und polaren Rechts ausgehen. Auf dichte, diskutierbare Sätze gebracht kann man ein paar dieser Anregungen gleich angeben: Immer dann, wenn das Recht anfängt, dann fängt auch etwas anders als Recht an. Dann passiert mit dem Recht auch etwas. Man kann das Recht von seinen graphischen und choreographischen Techniken her denken, das heißt auch: von Linienzügen her und dem, wie sie lesen, schreiben, denken und zählen lassen, wie sie schätzen lassen, wie sie trennen, assoziieren und Austausch manövrieren
Vismann ist nicht Kittlerkreis, sie heißt Cornelia und ist einzigartig. Ich bin auf das Buch zu den Akten aufmerksam geworden, sagen wir so: das hat mich so umgehauen, weil ich zu einem Zeitpunkt, als mir Kittler nur Gegenstand von ein paar Schlag- und Stichworten war, die in den Kreisen von Luhmannfans kursierten, wie der Witz, den Luhmann gemacht haben soll, der mit Babylon, dem Pferd und dem Reiter. Das heißt, dass ich zunächst nicht auf die Idee gekommen bin, Vismann als Statistin 'weiter und dominanter Kreise um Kittler' zu sehen. In dem Aktenbuch bietet sie fünf Anfänge an, um über Linien nachzdenken: (1) Die Schreibstunden der Nambikwara, die Wellenlinien der tropischer Verwaltung staatenloser Sozietäten, (2) die Linien in den Graphiken (vor allem den Tabellen und Listen) römischer, auch privater oder civiler Verwaltungscodices, dort nicht direkt mit dem Corpus Iuris verbunden, also nicht mit dem, was Gesetz sein soll, sondern mit der notitia dignitatum, damit auch mit dem Material, das der notitia dignitatum ähnlicher ist als dem Corpus Iuris, das ist der Kalender des Filocalus, (3) dem pomerium, der mit einem Ochsen, einer Kuh und auf Rat und Angabe der Wahrsager umgepflügte, tragende und trachtende Linie, die Städte gründen oder ihren Kreis vorschieben sollten, (4) die Linie, mit der die Erstausgabe von Kafkas kurzen Text Vor dem Gesetz vom Rest der Zeitschrift unterschieden wird, (5) die Cancellierung, die auch Tuch, Textil und Raster ist. In dem späten und letzten Text zu diesem Thema (Kulturtechnik und Souveränität) spricht sie nur das dritte Beispiel an, aus vielen Gründen wohl, aber bestimmt nicht, weil die anderen ihr unwichtig geworden werden.
2.
Verzerrungen und Verstellungen sind dann besonders ärgerlich, wenn sie klein sind. Große Verzerrungen sind abwegig und stören nicht. Kleine Verzerrungen kommen dem Original äußert nahe, betouchen es - und es gibt keine Berührung, nur ein Betouchen. Ärgerlich ist das auch, weil die kleine Verstellung leicht zu ändern wäre. Ärgerlich ist darum das verzerrte Bild, das die Kollegen von Vismann zeichnen, die nun eindimensional das dritte Beispiel herausgreifen, um zu plausibilisieren, warum Vismann eindimensional oder einseitig wäre. Schon das dritte Beispiel ist alles andere als einseitig. Genau dieses Beispiel, ihre Ausführungen zu der 'vorgeschobenen Linie' (Mommsen) und damit einer doppelsinnig kreisenden Linie ist der Grund dafür, dass ich 2000, als das Buch über die Akten erschien, Vismann in der Nähe der bildwissenschaftlichen und kunsthistorischen Arbeiten der späten sechziger und frühen siebziger Jahre sah, also in Nähe der Arbeiten von Leuten wie Heiner Mühlmann (der immer wieder auf das pomerium eingeht, um den Verhäkelungen zwischen Recht und Ästhetik in den italienischen Stadtstaaten der Renaissancen nachzugehen). Ich sah sie in Nähe zu Michel Baxandalls Arbeiten zur Rhetorik, Handel und Mathematik und in Nähe zu Horst Bredekamps Arbeiten zum Bilderstreit.
Das Politische ist insoweit nicht das, als das es ein Staatsrechtslehrer darstellen würde, der mit dem Gespenst von Bilderflut oder Gesetzesflut und Sorge vor zuviel Staat kommt. Das Politische ist in dem Bezug zu den Linienzügen Vismanns unverkürzt gesagt: Gewimmel in der Stadt (z.b. Rom) und auf dem Land (z.B. Amazonien), das formatiert und sortiert, händel- und handelbar sein will, damit Höfe und Höflichkeiten, Behausungen, Häuslichkeiten, Privates, (Un-)Sichtbarkeiten, Kreuzungen, Dreh - und Angelpunkte, Pläne und Risse, Protokolle und Akten ein-, aus-, ab- und anrichten lässt. Zu kompliziert? Merken sie sich eins: es gibt darin nichts erstes, das Politische ist nicht vor dem Privaten da, das Private nicht vor dem Politischen - und sind beide mal da, ist nichts gleichzeitig da.
Das Politische ist mit den Anregungen, die Vismann gibt polis, polos, polus, polite, polar, police, polizid, Polaroid, polyvalent, polemisch, polemousophisch. Es ist verdreht und dreht weiter, es ist verkehrt und verkehrt weiter. Es ist das, was wie ein Kosmograph auf Achse ist, (Zeit und Raum) misst, etwas lanciert und balanciert und was von mir aus auch 'kontrafaktisch stabilisiert', denn der Stab kann auch Achse und Lanze sein (wie in B. Lanz). Das Politische ist geballt und bolisch. Um so ärgerlicher, dass Staatsrechtslehrer ("Kennst Du einen, kennst Du einen"; Anna Katharina Mangold), nicht das, was sie an der Deutung Vismanns mit Leichtigkeit in fünf Minuten ändern können, auch nicht auf Einwände hin ändern oder umstellen. Sie bleiben dabei und positionieren sich gegen die Kollegin, schmeißen noch einen fahles Lob drauf, die Frau sei trotz allem unheimlich fruchtbar und hilfreich gewesen. Ich könnte schreien, wenn es mir nicht so weh tun würde, weil nicht nur die bezaubernd sprühende, nimmermüd gesellige Cornelia Vismann getroffen wird, sondern die Lehre, für die ich mich mit Aufwand, Passion und Zuneigung qualifiziert habe, dann peinlich da steht. Lieber blasen Staatsrechtslehrer ihre Autorität aus, wie das Thomas Mann in Doktor Faustus mit Worten von Theodor Wiesengrund Adorno beschrieben hat, statt sich witzig-wendig, ironisch zu geben oder Ironien auch nur nachzugehen. Das ist wie lange klar: Ich stehe in fundamentaler Opposition zu Positionen der deutschen Staatsrechtslehre. Möge es einmal zu einer Verhandlung kommen. An mir soll es nicht scheitern. An das MPI sind im Rahmen meiner Projekte alle großherzlich eingeladen, die sich nicht über uns lustig machen und Gerüchte verbreiten, wir würden demnächst unseren Job verlieren (Achtung, Medienprofis, wir lesen manchmal Ihre Mails mit, nicht nur, wenn Sie uns mal wieder irrtümlich in CC setzen!). Die sich über uns lustig machen oder solche Gerüchte verbreiten, die sind jetzt leicht kleinherziger aber in der unlöschbaren Hoffnung auf endlose Wiedervergrößerung der Herzen eingeladen. Das Politische ist mit Leichtheit als dasjenige betrachtbar, was juridische Kulturtechniken leisten, nämlich auf widerständige und insistierende Weise Rechte wahrzunehmen und '(aus)zuüben', zu instituieren (wie Vismann sagt) und zu restituieren (wie Warburg einmal sagt).
3.
Die Vorlesung in Recife will in ihrem zweiten Teil zu Vismann Brasilien nicht mit Quatsch belästigen, tut das aber intensiv, um deutlich machen, dass das Brasilien nicht der einzige Ort ist, an dem unbeständig polares Recht auftaucht. Westlich im westlichen Sinne ist eben nicht nur westlich. Ich bin einst in Recife deswegen aufgetaucht, weil ich fundamental in Opposition zur deutschen Staatsrechtslehre stehe, mein Forschungsprogramm schon im Staat nicht publizieren kann (sei keine Rechtswissenschaft, sondern Kulturwissenschaft) - und das alles nicht an neuen Entwicklungen liegt, sondern an der Kanzleikultur, deren leichte Poetin Vismann war. Ich schaue mir das gerne vom Außen her an. Würde das Privatrecht kein Interesse an meiner Forschung haben, hätte ich auch heute keinen Job in der Forschung in Deutschland. Auch auf Anregung von Privatdozentin Vismann bin ich Privatdozent geblieben. Anpassung gibt es ohnehin nicht, das Wort ist eine Ausrede. Die Auseinandersetzungen zwischen Vismann und der deutschen Staatsrechtslehre, die bis heute anhalten sind nicht abzuschaffen, wozu auch? Von Ernst Hartwig Kantorowicz kann man u.a. eins lernen: Was nicht hier stattfindet, findet da statt. Was nicht jetzt stattfindet, findet dann statt. Was auf den Lehrstühlen deutscher Staatsrechtslehre nicht möglich ist, ist am MPI möglich. Weiter aber lohnt es sich, über die Unbeständigkeit und die Polariät in historischer und theoretischer Perspektive nachzudenken - und nicht gleich auf Schmittsche Figuren.
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Via fundgruber und noch
Schieß- oder Scheißsturm
1.
Das Personal des Shitstorms, einer Untergattung des Bildersturms (der Shitstorm ist der Primark-Jogginganzug unter den Bilderstürmen), rekrutiert sich u.a. aus den Agenturen der Öffentlichkeitsarbeit. Aus der Sicht der Geschichte und Theorie des Bilderstreites ist das freilich selbstverständlich, weil Bilder in dieser Perspektive nur dadurch wahrgenommen werden, dass sie bestritten oder gehändelt werden.
Bildakte sind dort keine einseitige Aktion, keine einseitige Deklaration. Bildakte sind/ ist das, was auch historischer Begriff für eine Akte ist: ein Händel(n). Ein Händel(n) ist eine mehr oder weniger wilde Ökonomie und mehr oder weniger zahme, schwer zu bändigende Ökologie, mehr oder weniger explizit damit auch Meteorologie. Bilderstreit ist ein gewagtes Geschäft.
2.
Das Personal des Kampener Pfingstwunders, dem Frühlingsshitstorm von der Nordsee 2024, kam aus der Welt des professionellen Kommunikationsnachwuches, sagt man. Madame 'the shitstorm is now and i finally found the perfect recipe for it' sei gleich von der PR-Agentur, für die sie in einem ihrer Jobs versiert arbeitete, entlassen worden. Ihre Partei zeigt sich solidarisch den Solidarischen und leitet ein Ausschlussverfahren ein. Die Gefühle der Katholiken seien verletzt, sagt ein Sprecher der Kirche. Meine Gefühle, so übersetze ich sündenbeladenes Katholiklein und ich einfacher Arbeiter am Komödienberg des Herrn diese Anmerkung, die ebenfalls aus der Welt der PR- Agenturen zu kommen scheint, sind passioniert. Sie wogen auf und ab, branden lange schon an, wie unter anderem seit dem Moment, an dem ich erfahren habe, dass wir unseren Gott ans Kreuz geschlagen haben und seitdem jede Woche mindestens einmal ihn verzehren.
Es gibt zwei Schichten im Milieu des Shitstorms: diejenigen, die nichts zu verlieren haben und die darum wie immer die Avantgardisten in diesem Bereich sind. Nicokado Avocado (Schreibweise ungewiss) würde ich dazu zählen. Ganz und restfrei richtig bezeichnet man ihn als Internetstar. Diese Figuren treiben die krassen Formate aus, senden Tag und Nacht aus ihrem Kinderzimmer und von anderen sozialen Brennpunkten. Von Orten aus, die ihnen nicht gehören, nutzen sie das Ungehörige, von da aus entwerfen sie Besessenheiten und nutzen jede Attraktion, die Scham bietet, als Ressource für ihre Formate. Senden, sehen, suhlen: eins. Sie feiern das Pubertätsformat in Reichweiten, von denen wir früher keine Albträume bekommen hätten, weil solche Reiche in unsere Träume überhaupt noch nicht einfielen. Dann gibt es diejenigen, die was zu verlieren haben. Die bringen die Form nicht voran, sie agieren so, wie manche es von Vater Bach sagen: sie vollenden sie. Dazu gehört die Eidgenössin, nach der man den aktuellen Endsommershitstorm 2024 benennen kann.
Sie stammt aus einem Milieu, das noch jung ist und alles total super findet, es sei denn, dass es total faschistisch ist. Dieses Milieu hat das sog. finish (gemeint ist nicht das Ende, sondern das, was Produkte haben) einer NetflixSerie oder einer von HBO, wenn dort Hollywoodstars mitspielen. Dieses Milieu ist total offen und ganz gespannt, wie das sich entwickelt oder aber wird. Ein Problem dieses Milieus ist, dass es noch Jüngere gibt, die zwar nicht alles total finden, dafür aber total faschistisch sind. Dagegen kämpft dieses Milleu, zum Beispiel in der Organisation kleiner 5 oder aber Operation Libero. Man vergisst ja manchmal, dass das sorgfältig gepflegt Reizende alle reizt, auch die Ungepflegten und die zwar besorgten aber dabei unsorgfältigen Bürger. Eine Zutat des perfekten Shitstorm, der ohnehin zu den Ereignissen gehört, die sich umso gewaltiger entfalten, desto unbedeutender der Anlass ist: in augendienerischer Angelegenheit muss gestolpert werden. Ein Mord macht keinen Shitstorm, wie Oma Hanna immer sagte.
Der liebe Gott steckt im Detail: im deutschsprachigen Raum ist der Amoklauf der Welt der Sportschützen affin und die Welt der Sportschützen ist durch die tragischen Katastrophen wiederholt dem Amok assoziiert worden. Der Welt der Jäger und Förster ist die Welt des Amok weit entfernt, am Ventil des Blattschusses allein wird das nicht liegen. Jäger und Förster benutzen die Pistole im Bild nicht. Sportschützen benutzen sie gerne.
3.
Inzwischen gibt es Bücher zum Influencerrecht, also dem der Flünzer und Fleusen, die man Influencer nennt. Man flaggt das als Rechtsgebiet aus. Wer weiß, nachdem es eine Medienverfassung und eine Digitalverfassung geben soll, gibt es vielleicht auch eine Influenceverfassung. Ich feile derweil eher am Recht des Bilder- und Scheißsturms.
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Bilderstreit
1.
Ein Teil der Rechtswissenschaft beschäftigt sich mit der Frage nach den Medien, dabei auch mit der Frage, was ein Bild ist. Da ist der Teil, der sich mit dem Medienrecht befasst, im weiteren Sinne ist das die Rechtswissenschaft, die sich damit beschäftigt, wie das Wissen ums Recht produziert und reproduziert wird, wie es übertragen und geteilt wird, welche Mittel und Techniken dabei verwendet werden.
Was heute als Mediengeschichte und Medientheorie des Rechts kursiert, das interessiert mich u.a. als Weiterführung eines Streites, der mit den Inventionen des byzantinischen Bilderstreites Bilderstreit genannt werden kann. Wenn die Medientheorie und Mediengeschichte rechtswissenschaftlich wird, wenn sie mit Theorien der großen Trennung (der Ausdifferenzierung), des Take-Offs, einer großen Anreicherung des Westens oder gar mit Theorien abendländischen Individualismus und Universalismus einhergehen, dann sind diese Theorie der Geschichte der Bilderstreites assoziiert. Welche Rolle die Sprache für die Entwicklung von Rechtsordnungen hat, welche Rolle der Buchdruck oder die Schrift spielen, welche Rolle soziale Netzwerke, Gerichtsöffentlichkeit, das Menschenbild oder der menschliche Körper spielt: Auch wenn sich die Rechtswissenschaft nicht direkt mit dem Bild befasst, kann der Bilderstreit über (kleine) Umwege, wie durch einen Nebeneingang, in die Auseinandersetzung eingeschleust werden, die Beispiele lassen sich fortsetzen. Meine These lautet, dass es sich dabei um eine Auseinandersetzung handelt, die historischen Ausprägungen des Bilderstreit soweit affin ist, dass man sie sogar selbst als aktualisierte Form eines Bilderstreites beschreiben kann. Sie sind historischen Ausprägungen des Bilderstreites ähnlich oder verwandt - und diese Ähnlichkeit oder Verwandtschaft ist Teil dessen, um das gestritten wird. Die Ähnlichkeiten und Verwandschaften sind z.B. daran festzumachen, dass um die Eigenschaften und den Status von Medien gesellschaftlicher Konflikte und Koordination - und dabei auch um das Verhältnis zwischen Rationalität und einer 'minoren' Epistemologie gestritten wird.
Die Beziehung zeitgenössische Theorie 'westlicher Medien', die mit Thesen zur Inkarnation oder Exkarnation, zu einer dank Buchdruck erfolgten Umstellung des Diskurses von Bildern auf Begriffe und zu einer Abfolge von 'Trennungen' (zum Gewinn von Distanz, Kontextfreiheit, Neutralität, Sachlichkeit und Abstraktion) hat Bezüge zu Figuren des Bilderstreites, etwa zu Hierarchisierung von Sinnlichkeit/ Sinn hat. Auch der 'Wiedereintritt der Bilder', den man in jüngeren Texten der Rechtswissenschaft mit Geschichten und Theorien der Persönlichkeitsideale und der Subjektivierung sowie in Auseinandersetzungen um 'Sichtbarkeit' findet, deute ich in der Tradition des Bilderstreites.
2.
Eine These lautet, dass der Bilderstreit Bilder durch Bestreiten erscheinen lässt. Bilderstreit ist also dasjenige, was Bilder händelt, sei es, indem sie zerstört oder aufgestellt, negiert oder affirmiert, zensiert oder gefördert werden.
In den letzten Jahren hat Horst Bredekamp sich unter anderem mit einer Geschichte und Theorie des Bildaktes beschäftigt, also auch mit Kulturtechniken, in denen das Bild auch als Subjekt und Akteur mit Handlungsmacht auftaucht. Im Bilderstreit taucht das Bild aus eine Weise auf, die unsicher ist, besser gesagt unbeständig. In bezug auf die philosophischen, grammatikalischen und theoretischen Kategorien taucht das Bild in der jüngeren Literatur an unterschiedlichen Stellen auf, nicht nur als Subjekt oder Aktant, auch als Objekt, Quasiobjekt (Serres) odser Grenzobjekt (Susan Leigh Star). Man macht es sich in der Forschung nicht leichter, wenn man sagt, dass unterschiedlichen Positionierungen des Bildes alle Recht haben - dies aber vielleicht 'nur' das Recht ist, Bilder und ihre Positionen zu bestreiten. Man wird dann schärfer Linien der Auseinandersetzungen verfolgen müssen, etwa die Art und Weise, wie in Bezug auf das Verhältnis zwischen Bild und Begriff mit Fragen der Ästhetik, Wahrnehmung und Hirnforschung gleichzeitig die Sinne des Menschen geteilt und abgeschichtet oder stratifiziert werden.
Mein Ansatz ist perspektivisch und relativ. Eine allgemeine Theorie des Bildes oder gar eine 'Absolutierung' des Bildes: das gibt es, kommt vor, kann passieren, passiert immer wieder. Daran arbeite ich, um so ein Auftauchen absoluter Bilder als Teil des Bilderstreites wie auf einer Karte einzutragen, also um das Absolute daran wieder zu relativieren. Solche Absolutierungen, sagen wir so: Einrichtungen absoluter Bilder, tauchen kulturtechnisch auf, d.h. mit Operationen. die nicht nur Bildoperationen sind. Sie können mit bestimmten Maltechniken auftauchen wie im Suprematismus, sind aber auch da mit anderen Techniken verbunden, etwa (besonders im religösen und politischen Kontex) mit Architektur, mit liturgischen, choreographischen Techniken oder mit einem Diskurs, der Aussagen und Massenmedien auffährt wie das beim Bildnis des Souveräns der Fall sein soll. Man sollte nicht ignorieren, dass absolute Bilder historisch auftauchen. Das Projekt berücksichtigt so ein Auftauchen aber als ein Bestreiten. Ob ihr Auftauchen begrifflich am besten als Illusion oder Fiktion beschrieben ist, das würde ich bis auf weiteres offen lassen; die Effektivität und ihr Limit, schließlich auch dasjenige, was die Vorstellung eines absoluten Bildes wiederum verstellt und insoweit diese Vorstellung gar als Lüge erscheinen lässt da lässt sich an Details vielleicht besser klären.
Wesentliche Eigenschaften des Bildes, seine Eigentümlichkeit, sein Eigenes - das interessiert mich also als Teil einer Auseinandersetzung und in Bezug auf die iKulturtechniken. Wie die Eigenschaften eines Bildes behauptet werden, wie seine Stellung gegenüber anderen Dingen, anderen Medien oder gar dem Menschen behauptet, besser gesagt kulturtechnisch ein- und ausgerichtet werden, das allerdings interessiert mich sehr. Kultur ist ein "historischer Begriff" (Luhmann), ein Vergleichsbegriff. Kultur kommt dann auf, wenn auch eine zweite Kultur aufkommt (etwa wenn eine Gesellschaft glaubt, die habe etwas von sich überwunden oder hinter sich gelassen oder aber von anderen Gesellschaften erfolgreich getrennt), mit dem Aufkommen sind geographische oder historische Grenzen verknüpft. Technik ist artifiziell, auch wenn Natur involviert bleibt (und das eventuell ohne hierarchisierbare Bedingungen) . Die Arbeiten von Cornelia Vismann aufgreifend meine ich, wenn ich von Kulturtechniken spreche, juridische Kulturtechniken.
In Zusammenhang mit einem Forschungsprojekt zu Aby Warburg interessiere ich mich für die Unbeständigkeit, dabei noch genauer für die 'Polarität' der Bilder ( Was ein Bild ist, ist dabei Effekt operationalisierter Differenz, Effekt des Umstandes 'gezeichneter Unterscheidungen' oder 'zügiger/ gezogener' Formen. Auch die Inventionen des byzantinischen Bilderstreites lassen bereits erkennen, dass Ikonoklasmus und Bildproduktion zusammen laufen können - deutlich wird das also nicht erst im Suprematismus und nicht erst mit der Idee, dass ein schwarzes Quadrat bestreitet, was eine Ikone sein soll, also ein Bild durch ein Bild ersetzt.
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Verschwinden
1.
Nichts verschwindet von selbst, alles nur durch Entfernung. 'Ein letztes Aufflammen' ist vermutlich ein kalendarisches, rhytmisches und taktvolles Geschehen, vergleichbar mit der Apokalypse und anderen Terminen, die jeden Donnerstag drohen. Das tradierte Ordnungsmodell, von dem Ladeur in einer Passage zur Geschichte und Theorie des Rechts spricht, könnte also dasjenige letzte Aufflammen sein, ein Fackeln oder Torkeln, wie es Giordano Bruno in den heroischen Passionen beschreibt. Ein Aufflammen, das zwar regelmäßig stattfindet, jedesmal aber das Licht ist, von dem man sagt: Das ist ja wohl das Letzte! Benehmt euch!
Und dieses tradierte Ordnungsmodell, ein Aufflammen, das ja wohl das letzte ist und sich nicht gehört, das könnte kalendarisch zu den Donnerstagen (auch im Sinne Loriots) gehören, die sich an den Ryhtmus von shavout, dem hellgeistigen Pfingsten oder Luna, also ans Mondlicht halten.
2.
Ladeurs dichte Sätze machen es nicht einfach (niemand macht sich etwas einfach), sie machen aber auch nicht unmöglich, zu destillieren was genau den Ladeur nicht überzeugt und was er "dies" nennt. Was einen Autor überzeugt, was er gut und schlecht findet, ist ja ohnehin nur von limitiertem Interesse. Man soll aber wissen, welche Spuren er aufgreift und welche er hinterlässt. Das ist, wie bei allen, auch bei Ladeur nicht einfach. Begriffe ja/ Mythen nein?
Ladeur greift mit dieser Unterscheidung zwischen der Vagheit der Begriffe und der Vagheit der Mythen ein ikonophobes Projekt auf, er greift einen Bilderstreit auf (den man etwa über Pierre Klossowski zu dem Baseler Archäologen Bachofen und dessen Geschichte und Theorie des Mutterrechts oder aber zu Robert Ranke Graves Arbeiten zum Mondlicht zurückverfolgen könnte).
Ladeur greift einen melancholischen Diskurs auf, in dem etwas droht, verloren zu gehen, nämlich die operationale Seite des Rechts und die Rechtssubjektivität als Lebensform. Ladeurs Ansichten und Aussagen sind unwiderlegbar, sie sind gut bestreitbar, das geht Hand in Hand. Vielleicht, Herr Ladeur, verstehen andere unter dem Gesetz, dem Souveränen oder der Polizei, unter einen Gewalt und einer Unterbechung noch etwas anderes - und vielleicht geht mit diesem anderen Verständnis nicht gleich die operationale Seite des Rechts oder Rechtssubjektivität als Lebensform verloren.
Ist das, was bei den einen Autoren Polizei ist, bei Ladeur Polemik? Dreht sich einfach die Erde, während die einen schreiben und die anderen lesen? Kommen Wörter anders, nämlich verdreht, an, als sie abgeschickt werden? Sind Wörtetr details, die Boliden sind? Ja, das sind sie.
Vielleicht ist also das, was Ladeur in seinen Texten öftes als "Reduzierung" markiert, so reduziert, wie man eine gute Sauce reduziert, also vielleicht handelt es sich nicht um eine Ignoranz oder die Entsorgung von Komplexität, sondern nur um ihre dichte Form.
2.
Ladeur ist vermutlich der einzige deutsche Rechtstheoretiker, der das Vague und das Polare im Recht explizit nicht als etwas begreift, was ausgeschlossen oder abgestellt werden müsste. Ich halte ihn für einen Autor zum Geruch der Wilen, für einen Warburgianer.
Das macht ihn aus der Riege seiner Generation nicht zum einzigen Stichwortgeber für eine Geschichte und Theorie, die sich aus Warburgs Staatstafeln extrahieren liesse, aber doch zu einem wichtigen Stichwortgeber.
Im deutschsprachigen Raum ist auch Teubner mit seinen Vorstellungen des Verschlingens und des Kreischens/Schreiens auch ein Stichwortgeber. Die Schwierigkeit ergibt sich daraus, dass jeder Rechtstheoretiker in seiner Arbeitsbiographie auf Spurrillen gerät, die ihn in nachvollziehbare Positionen zu anderen Leuten bringt. Aus Gelegenheiten haben sich Gegnerschaften entwickelt, müßig, das ausradieren zu wollen, müßig dem Ladeur seine Melancholie und seine Kritik am Islam, den Grünen, Habermas oder dem Kittlerkreis austreiben zu wollen - wir werden auch älter und faltiger und unsere Auseinandersetzungen schreiben sich auch in unser stolzes und kurzes Gedächtnis ein. Das sind nur Schwierigkeiten: man kann dem Ladeur sein Denken bestens entwenden, das ist die Lebenform Subjektivität, mit der das geht. Das ist ein Teil immer operationable Weise des Rechtes, dass jedes Wort von Ladeur auch gegen Ladeur verwendet werden kann. Das macht die Melancholie und die Phobie weder größer noch kleiner, so schubst und wendet man sich durch die Tage.
3.
An manchen Tagen ist die Ikonophobie die tragfähige Übersetzung der Melancholie, tragfähig durch ein simples Aufsteigen ans Tageslicht.
An sich ist die Ikonophobie jener Teil minorer Epistemologie und minorer Ästhetik, an dem das Fest der Begriffe weiche Knie bekommt.
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Wozu iconic turn?
Immer dann, wenn Bilder aufregen und Bilder regiert werden sollen, dann ist iconic turn. Immer wenn Bilder die einen an- und die anderen abturnen, dann ist iconic turn.
Wir definieren für eine Anfängerübung die juristische Grundlagenforschung als Forschung an der Geschichte und Theorie von Grenzobjekten oder boundary objects. Das sind Objekte, an denen die Rechtswissenschaft und das Recht an Grenzen stoßen und sich etwas teilt, unter anderem das Wissen, aber auch alles andere, also auch der Glauben, das Handeln, die Emotionen und Sinne oder, abstrakt gesprochen: die Operationen. Sie teilen sich durchgehend auf, man muss sagen: sie zerteilen sich auch. Hat man es mit Sprache zu tun, teilt sich die Sprache durchgehend auf, so daß man es mit einer eigenen Sprache und einer fremden Sprache zu tun bekommt und weiter noch. Teilt und zerteilt man die Sprachen, unterscheidet man sie nicht nur nach eigener und fremder Sprache. Man teilt dann auch zwischen Sprache, Laut, Krach, Geräusch, Stummheit oder Sprachlosigkeit. Sprache zu teilen und dann auf der einen Seite die Sprache zu lassen, auf der anderen Seite die Bildsprache, das ist schon so eine Operation, die an Grenzobjekten stattfindet.
In der Anfängerübung beschäftigen wir uns konkret mit zwei Sorten von Grenzobjekten: Mit Aby Warburg, einer Person, anhand derer die Frage, ab wann jemand als Rechtswissenschaftler qualifiziert ist, eventuell nicht im Konsens beantwortet werden kann. Das wird eventuell strittig werden, sein und bleiben - und umstritten zu sein, ist eventuell keine Katastrophe, denn das ist Art. 1 I GG oder § 433 BGB auch, sondern eine produktive Unsicherheit. Die zweite Sorte sind die beiden Staatstafeln, Tafel 78 und 79 aus dem Mnemosyneatlas, auch das sind Grenzobjekte. Wir befassen uns mit Bildern als Grenzobjekten und so wird in dieser Anfängerübung die Geschichte und Theorie des Bildes zu einem Grundlagenfach der Rechtswissenschaft. Wir stellen den iconic turn nach, wiederholen ihn mal wieder und sind nicht die erste, der wird seit mindestens 2500 Jahren wiederholt. Man kann sagen: Es sind nicht die Bilder, die plötzlich dort eindringen, wo sie vorher nicht gewesen sein sollen. Der Bilderstreit kehrt zurück, immer wieder zurück. Den Anfang des Forschungsprojektes, das schließlich 2009 zu der Publikation Bildregeln führte, markiert ein Skizze und Ideensammlung, die ich 2005 in dem von Kent Lerch herausgegebenen Band Sprachen des Rechts III veröffentlicht habe: Die Rückkehr des Bilderstreites ins Recht. Den Autoren, die das Verhältnis zu Bildern so schildern wollen, wie das Verhältnis zu Flüchtlingen und Flüchtigem, liefert dieser Aufsatz keine Munition. Wer Bilder so betrachtet, als seien das unzuverlässige und nicht besonders vertraunswürdige Gestalten aus dem nahen und fernen Osten, die man besser kontrolliert, den dürfte dieser Aufsatz irritieren. Wer glaubt, er sei der originellste und erste, der über das Verhältnis von Recht und Bildern nachdenkt, der dürfte diesen Aufsatz äußerst enttäuschend finden. Machen Sie einen Bogen um diesen Aufsatz, der ist nix für sie, wenn Sie an ihren Standpunkten festhalten wollen und es nicht so kompliziert haben wollen mit dem Recht und den Bildern. Wenn sie sagen wollen, dass früher alles rein war und pltözlich Bilder das Recht stören, dass Bilder schneller, wichtiger, schwerer, mächtiger als Rechtsbegriffe seien: gucken Sie bloß nicht in diesen Aufsatz, er hilft ihnen nicht, um zu glauben, was sie glauben.
2.
Wozu iconic turn? Vor wenigen Tagen gab es Aufregung um eine Anzeige des Unternehmens h&m. Der Anzeige wurde Sexismus vorgeworfen, sie wurde zurückgezogen. In dem Fall sind Bilder zum Streitgegenstand geworden, bevor es in der Öffentlichkeit ein juristisches Verfahren gab, wurden die Bilder zurückgezogen. Die Klage blieb juridisch, die Lösung blieb juridisch. Man hat das Problem ohne Juristen und ohne Recht gelöst, das geht nämlich auch.
Der Konflikt ähnelt (vorsichtig gesagt) einem Konflikt um eine Fotografie, die der amerikanische Fotograf Helmut Newton 1978 von der Künstlerin Grace Jones gemacht hat und das auf dem Cover einer deutschen Zeitschrift auftauchte. Damals wurde daraus ein juristisches Verfahren, der Verlag wurd verklagt, man sprach damals von der Sexismus-Klage. Klägerin war Alice Schwarzer, sie schreibt in der Emma später:
"Ihr sollt euch kein Bild von mir machen. - Der alttestamentarische Gott erließ nicht zufällig dieses Gebot. Er wusste, dass, wer sich ein Bild vom anderen macht, sein Bild dem/der anderen überstülpt. In der Geschichte der Menschheit haben Bilder zweifellos das Bild vom Menschen stärker geprägt als Worte. Und wir leben in einer Zeit, in der die Macht des Bildes erneut zunimmt. Gerade Frauen können ein Lied davon singen. Gerade sie sind tausendfach fixiert in Werbung, Medien, Film und Kunst: als Hure oder Heilige, als Körper ohne Kopf, als Objekt, das benutzt oder zerstört werden kann - ganz nach Lust und Laune des Betrachters. Es gehört zum Backlash, dass das "starke Geschlecht" die Definitionsmacht über das "schwache Geschlecht" nutzt, bis zum Anschlag. Im Namen der so genannten "Freiheit der Kunst" ist mit Frauen alles möglich Diese Bildermacht ist so allgegenwärtig, dass viele sie noch nicht einmal mehr als solche wahrnehmen. Eine Reaktion darauf ist die andauernde Empörung über das Frauenbild der Werbung. Ach, wenn es nur das wäre ... Längst hat die Bilder-Propaganda vom Untermenschentum der Frauen ihren Triumphzug durch Medien und Kunst angetreten. Im Namen der sogenannten "Meinungsfreiheit" oder "Freiheit der Kunst" ist alles möglich - mit Frauen sogar das, was, würde es Ausländer oder Juden treffen, längst Gegenstand öffentlicher Empörung und staatlicher Verbote wäre. Der Tat geht der Gedanke voraus. Bevor man es tut mit dem/der anderen, führt man ihn oder sie in der Phantasie vor: als solche, mit denen man es machen kann und denen es nur recht geschieht. Das war in der jüngeren deutschen Vergangenheit nicht anders. Die viehischen Transporte jüdischer Menschen an die Stätten ihrer seriellen Vernichtung waren ja nicht nur Resultat eines seit Jahrhunderten verwurzelten Antisemitismus. Sie wurden auch gezielt vorbereitet von einer mit allen Mitteln der Kunst betriebenen Wort- und Bild-Propaganda gegen "den jüdischen Untermenschen": So sieht einer/eine aus, den/die ihr anspucken, vertreiben, töten dürft... Der 1920 in Berlin geborene Großbürgersohn Helmut Newton hatte einen jüdischen Vater. Seine von ihm verehrte Fotolehrerin Yva wurde in Auschwitz ermordet. Er selbst flüchtete rechtzeitig nach Australien. Doch das Herrenmenschentum nahm er mit, in ihm lebt es weiter. Seine Phantasiewelt ist bevölkert von Tätern in Uniform oder Nadelstreifen und Opfern, deren besondere Anziehung meist darauf basiert, dass sie stark sind und erst noch gebrochen werden müssen: hochgewachsene blonde Gretchen, glänzende schwarze Sklavinnen und lüsterne Herrinnen, die ihren Herrn suchen."
Ob man dem zustimmt oder nicht: Die Passage ist so treffend, weil sie deutlich macht, dass um Bilder offensichtlich normativ und rechtlich mindestens seit dem gestritten wird, seitdem es monotheistische Religionen gibt. In der kurzen Passage macht Schwarzer deutlich, dass der Streit um Bilder ihr ein Streit um Herrschaft und die Spitze der Herrschaft, um Schöpfung und wahre, richtige, schöne Schöpung ist, um die Teilung der Geschlechter und die Teilung der Sinne, also auch darum, was hoch und und was niedrig sein soll. Schwarzer bringt Tabu, ich sage das explizit ohne bestimmten oder unbestimmten Artikel. Es wird Leser geben, die zustimmen, die das abwegig finden, die es übertrieben oder noch milde ausgedrückt finden.
In jüngerer zeit hat der Streit um Bilder im Kontext der Auseinandersetzung um die Teilung der Geschlechter, Fragen des richtigen Menschenbildes und des richtigen oder falschen Begehrens, um Gewalt und Lust Satzungen, Verträge, Artikel, Gesetesinitiativen und juristische Dissertationen hervorgebracht. Unter anderem Berit Völzmann hat darüber (ihre Dissertation) veröffentlicht: Geschlechtsdiskriminierende Wirtschaftswerbung. Zur Rechtmäßigkeit eines Verbots
geschlechtsdiskriminierender Werbung im UWG, Baden-Baden 2015.
3.
Bilder sind also aktuelle Grenzobjekte, man kann sagen: Wir beschäftigen uns mit aktuellen Fragen, mit geschichte und Theorie jetzt und in der Praxis. Meine These ist, dass die Dissertation von Berit Völzmann einen Streit führt, um den es auch schon in der Dissertation von Aby Warburg über Sandro Botticelli von 1892 geht, um den es später in dem Streit um die Anzeige von h&m geht, in dem es auch bei der sog, Sexismus Klage von Alice Scharzer gegen den Stern ging und um den es tatsächlich, wie Schwarzer treffend darstellt, wohl schon in der Antike und im Buch Genesis ging. Die These lautet: Das ist ein Bilderstreit, der seit 2500 Jahren auch mit schriftlich überlieferten Quellen geführt wird.
Wie einheitlich oder homogen, wie unterscheidlich und heterogen dieser Streit ist, damit wird man sich auseinandersetzen müssen. Wie kontinuierlich oder diskontinuierlich dieser Streit geführt wird, damit wird man sich befassen müssen. So einfach, wie manche von tausendjährigen oder zweitausendjährigen Werten ausgehen und glauben, die seien das Heile, Ganze einer Kultur, das iszt hier schwer möglich, denn das ist die geschichte eines Streites, pathetischer gesagt: eines Kampfes, weniger pathetisch gesagt von Auseinandersetzungen und Zusammensetzungen, abstrakter gesagt: von Trennungen und Assoziationen, von Differenz und Wiederholung.
Wir definieren für die Anfängerübung das Bild als ein Grenzobhekt der Rechtswissenschaft, wir definieren es auch als ein minores Objekt. Eine Reihe von Autoren beschreiben das Bild als ein Medium das emotionaler, instabiler, unbeständiger, bewegter sei als andere Medien, etwa als Begriffe. Sie beschreiben Bilder so, wie andere wiederum Frauen beschrieben haben, die angeblich auch emotionaler, instabiler und unbeständiger als Männer und darum besser kontrolliert werden müssten. In jüngeren Texten dreht sich das Argument weiter: Junge Frauen würden von Bildern eher krank, u.a. magersüchtig, und seien darum schutzbedürftiger.
Dass wir in der Anfängerübung das Aby Warburg, zwei Tafeln und das Bild als Grenzobjekte vorstellen, hat subjektive und objektive Gründe, konkrete und abstrakte Gründe. Man könnte so eine Anfängerübung ganz anders angehen, muss man aber nicht. Unter anderem sollte man von Anfang an auch üben, Konflikte zu übersetzen und zu vergleichen - sich also zu überlegen, wie treffend im Detail etwa Alice Schwarzers Argumente sind. Von einer Anspruchgrundlage oder eine stragrechtlichen Norm, von einer öffentlich-rechtlichen Norm oder von Grundrechten habe ich noch nichts erwähnt. Auf etwas wird Alice Schwarzer zurückgriffen haben, um ihre Klage in eine juristische Klage zu übersetzen. Nicht nur Juristen klagen, andere zun es auch. In solchen Fällen, wenn andere machen, was Juristen machen oder wenn etwas anderes dem Recht ähnlich ist und doch dem Recht nicht unbedingt eigen oder exklusiv zugehörig sein soll, wenn es nicht durch eine Garantie dem Recht gesichert erscheint, wollen wir von Juridismus reden. Eine Klagen können also juridisch oder juristisch geführt werden - die oben abgedruckte Passage kann man eine juridische Klage nennen, die würde auch ganz ohne staatliches Recht, ohne staatliche Gerichte so geführt werden. der eine oder andere Rabbi, der eine oder andere Spezialist des Talmud oder des kanonischen Rechts könnte freilich wiedersprechen, und sagen, das sei schon mehr als eine juridische Klage, das sei eine juristischer Klage und die Grundlage der Klage sei klar genannt: Das Buch Genesis - und das sei eine Rechtsquelle.
Noch einmal: Ich glaube, dass man auch in Warburgs Dissertation schon den Streit findet, den Schwarzer oder Völzmann führen. Der Nachweis muss übersetzen - er ist noch nicht geführt.
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Knien/ Kniebeuge
1.
Das Knien ist eine diplomatische Geste.
Auf Tafel 79, der zweiten Staatstafel, setzt Aby Warburg zwei Gesten als Pathosformel und polar/polarisiert ein. Einmal ist das eine hoch, stark oder intensiv geregte Geste, die Warburg über Frauenfiguren auftauchen lässt und mit der Querela/ dem Begehren und mit Spes/ Hoffnung assoziiert.
Warburg nimmt die Assoziation wörtlich und bildlich, d.h. dass er diese Geste als ein reges Hüpfen oder Hoppeln, als ein aufgeregtes Springen zu Sehen gibt - Getrude Bing hatte ihm aus dem inneren der Feiern der Laterantverträge von den wild wogenden Massen in der Basilika St. Peter dailliert berichtet.
Die zweite Geste lässt Warburg über Männerfiguren auftauchen, die knien. Beides mal organisiert er die Pathosformel spiegelverkehrt, wenn man so will: einmal 'in Leserichtung' und einmal 'gegen die Leserichtung': Warburg liest seit seiner Kindheit in zwei Richtungen und ist es gewohnt, die 'Umkehrung der Leserichtung' sinnvoll auszuschöpfen.
Die Knienden auf der linken Seite der Tafel schauen nach links, die Knienden auf der Achse und der rechten Seite der Tafel schauen nach rechts. Man sieht den soldatischen, kriegerischen und souverän-majestätischen Julius II, die Soldatengruppe (von der es zu Warburgs Zeiten noch hieß, in einem der Soldaten habe sich Raffael selbst portraitiert) sowie den heilige Hieronymus. Auf der Achse und der rechten Seite sieht man zweimal Pius XI. (beides mal wird er während der Fronleichprozession kniend getragen) und einmal einen katholischen Priester, der wie auf dem Bild des heiligen Hieronymus Teil der Szene eines Sterbesakramentes (einer letzten Kommunion) ist.
2.
Das Knien ist ein Geste, das ist ein Akt oder Bildakt, in dem der Mensch sich verkörpert. Der Mensch hat einen Körper, aber in der Geste nimmt der Körper die Form eines Zeichens, wie eines Buchstaben, eines Wortes, eines Begriffes oder eines Bildes an. Zugespitzt ausgedrückt: In der Geste verkörpert sich der Körper des Menschen, in ihr hat der Mensch den Körper, den er ausserhalb der Geste nicht unbedingt hat, außerhalb der Geste ist der 'nur' Mensch im Körper.
Die Geste hat eine Geschichte, wie Begriffe oder Bilder eine Geschichte haben. Sie ist Effekt eines Distanzschaffens, eines 'entfernenden' oder symbolisierenden Vorganges. Warburg forscht sein Leben lang zu Gesten, die etwas verkörpern oder verleiben, die ein Bild oder besser gesagt eine ikonologische Assoziation abgeben. Als er 1896 anfängt, seine Kunstgeschichte konketer in Richtung Bildwissenschaft zu entwickeln, beginnt er die als Erweiterng verstandene Forschung zu Geschichte und Theorie des Bildes mit einer Auseinandersetzung mit dem römischen Recht und dort mit der mancipatio, die man ebenfalls als Geste oder Gebärde verstehen kann, sie ist in einen kurzen choreographischen Ablauf eingespannt, den Gaius am Sklavenhandel oder der Aneignung eines Menschen beschreibt.
3.
Das Knien ist die römisch diplomatische Geste schlechthin, gemeinsam mit der Verbeugung ist sie das. Warburg wählt eine Geste aus, zu der sich zuletzt in Deutschland noch einmal ein Bilderstreit in klassischer Weise, also mit allen Inventionen des byzantischen Bilderstreites entzündet hat. Der Minister des Königreich Bayerns Karl von Abel hat 1838 eine Verfügung gegenüber den Soldaten erlassen:
„Seine Majestät der König haben allergnädigst zu beschließen geruht, daß bei militärischen Gottesdiensten während der Wandlung und beim Segen wieder niedergekniet werden soll. Das gleiche hat zu geschehen bei der Fronleichnamsprozession und auf der Wache, wenn das Hochwürdigste vorbeigetragen und an die Mannschaften der Segen gegeben wird. Das Kommando lautet: Aufs Knie!“
Das Königreich Bayern umschloss zu der zeit auch protestantische Gebiete, von denen Widerspruch kam. Die Protestschreiben, Widersprüche und Repliken der Beteiligten haben die Argumente des byzantinischen Bilderstreites noch einmal aufgefahren. Der als sogenanter Kniebeugestreit in die Geschichte eingegangene Streit ist ein Bilderstreit und wie jeder Bilderstreit ist er, die Formulierung ist tautologisch, ein juristischer Bilderstreit.
4.
Bild- und rechtshistorisch wird die These vertreten, dass der juristische Bilderstreit in der Moderne durch Entwicklungen beendet worden sei, die man als Modernisierung, Ausdifferenzierung, Säkularisierung, Rationalisierung und einer Umstellung von stratifikatorischer Differnzierung auf funktionale Differenzierung beschreibt. Die Forschungen am Max-Planck-Institut in Frankfurt haben einige Jahre lang nicht nur diese Thesen vertreten, sondern auch die weiteren Forschungen an diesen Thesen ausgerichtet. Sprich: Forschung zu einer anderen Entwicklung, etwa zur Geschichte des decorum im modernen Recht galten als abwegig, unverständlich oder nicht nachvollziehbar. Milos Vec' Arbeit über die Zeremonialwissenschaften sind programmtisch für eine Konstituierung des Wissens, in der auch historische Thesen mit einem Dogma assoziiert werden, das Goody/ Latour oder Viveiros de Castro das Dogma der großen Trennung nennen. Der Umstand, dass die Wissenschaften vom Recht und von Normen selbst normativ und dogmatisch bleiben, der soll auch nicht widerlegt werden, Umstände dieser Art lassen sich nicht widerlegen. Sie lassen sich immer nur relativieren, historisch und geografisch verhaken und insofern in ihrer Reichweite bemessen - und besser limitieren.
Die Zeremonialwissenschaft und das zeremonielle Wissen, die Regime des Zeremonials sollten historisch weit entfernt sein, wir sollten von dieser Zeit weit entfernt sein. Wir sollen modern gewesen sein. Der Kniebeugestreit muss in dem Sinne im 19. Jahrhundert bereits ein ahistorischer, ein unzeitgemäßer oder ein verspäteter Streit gewesen sein, Aby Warburgs Forschung muss in dem Sinne ein Forschung zu historischen Asynchronien oder Unzeitgemäßheiten sein: Zu etwas, das weit entfernt sein sollte, aber nah entfernt ist oder anders herum zu etwas, was nah entfernt sein sollte, aber weit entfernt ist.
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Bild- und Rechtswissenschaft
1.
Ich verwende den Singular, spreche also trotz Zusammenstellung zweier Wissenschaften von einer Wissenschaft. Das ist eine Wissenschaft, deren Grenzen durch sie gehen und die insoweit auf unstillbare Weise entzwei ist. Das ist die Rechtwissenschaft m.E. auch, auch da ist alles strittig. Das ist die Bildwissenschaft m.E. auch, auch da ist alles strittig. Ich habe auch nie behauptet, dass ich etwas vermehre. Ich mache Kontraktion und Distraktion mit.
2.
Durch diese Wissenschaft, durch die Bild- und Rechtswissenschaft gegen ihre Grenzen. Sie trägt Konflikte aus, sie händelt ihren und bestreitet ihren Gegenstand. Mir geht es nicht um eine Rückkehr der Bilder ins Recht. Die Idee er Bilderflut kenne ich, vor allem ihre lange Geschichte, es wäre lächerlich anzunehmen, dass die heute, vor 20 Jahren, vor 40 Jahren oder vor 400 Jahren begann. Das sagen Leute, die sind aber keine Historiker. Seitdem es Bilder gibt, fluten sie, das sagen Historiker und der These schließe ich mich an, welich die archäologischen Beweise plausibel finde. Wenn zum Beispiel in einer Höhle hunderte Bilder sich finden, aber kein Wort und dazu die Gerippe von sieben Menschen, dann fluteten vor 40.000 Jahren Bilder eine Höhle.
Seit einem Aufsatz über die Rückkehr des Bilderstreites (in: Die Sprachen des Rechts Band III) arbeite ich zur Geschichte und Theorie sowie zur Praxis des Bilderstreites. Ich halte für meine Arbeit nicht für hilfreich, zu unterstellen, dass Bilder kein Teil des Rechts wären oder dass Juristen am Bildwissen (oder Bildwissenschaft am Rechtswissen) nicht beteiligt wären oder nicht kooperien würden. Auch für die Moderne halte ich das nicht hilfreich, schon weil ich sonst das Projekt zu Aby Warburg gar nicht machen könnte. Darum widerlege ich nicht die Thesen des Juristen Klaus Röhl oder der Kunsthistorikerin Kirsten Marek. Ich widerspreche ihnen, aber widerlege sie nicht. Von ihnen diese Annahmen hilfreich sind, dann sind die ihnen hilfreich. Die beiden wollen sowoohl den Rechtsbegriff als auch den Bildbegriff ohne Überschneidung treffen, wollen die Moderne von Vormoderne klären. Das tue ich nicht, u.a. wegen der Argumente, die ich in Bildregeln entfaltet habe, die Vismann in dem Band zum Bildregime entfaltet hat oder die Latour in Wir sind nie modern gewesen entfaltet hat. Philpipe Descola ist ein wichtiger Autor.
#Bild- und Rechtswissenschaft#Dogma der großen Trennung#Kritik der Dogmatik#Peter Geimer#Philippe Descola
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Neuste Medien
1.
Verzichtet man im Namen des Dogmas der großen Trennung darauf, die Theorie des Bilderstreites auch als (ein und eine) Geschichte zu rekonstruieren, dann gibt es dafür Gründe. Besser gesagt: mit dem Verzicht gibt es Gründe. Als die Juristen ab 1880 das Recht am eigenen Bild so beschreiben, als hätte es bisher dazu noch keinen Diskurs, keine juristische Literatur, keinen Bilderstreit gegeben, als würden sie bei Null anfangen und einen Bereich verrechtlichen, der eben noch rechtsfrei gewesen sei -starting from a scratch -, da agieren sie in einem Sinne, nämlich in Latourschem Sinne modern: Sie reinigen den Diskurs namens Bilderstreit, als ginge es darum, Ballast abzuwerfen und auf leichte Weise Boden unter den Füssen zu bekommen. Sich eignen sich an, als habe es vorher niemanden gehört, schaffen ein Recht, als habe es bisher keine Recht gegebe. Der Anfang eines Bildrechtes ist nicht nur der Anfang eines Rechtes, sondern auch eines Bild, denn das Bild ist Norm.
Hugo Keyssners begriffsbildende Publikation von 1896, also der Text, mit dem das Recht als "Recht am eigenen Bild" benannt wird, ist dabei nur ein Beispiel. Explizit führt Keyssner in diesen Text einen Juristen ein, der in (Gesetz-)Büchern nichts zur Frage nach dem Bild finden würde, da stünde nichts. Mit einer Szene, die an holländische Genremalerei erinnert, schreibt Keyssner das Bild eines neuen Bildrechts herbei. Der Preis, den Wissenschaften für solche Reinigungen zahlt, ist die Erleichterung, und das ist in dem Fall ein Euphemismus für Plättung oder Bügelei. Was historisch komplex bearbeitet wurde, das kann da schon einmal zu Floskeln verflachen, von denen man glaubt, sie seien instrumentell nutzbar oder eben anwendbar.
2.
Sicher kennt Mantegna das Auge des Gesetzes, wenn er in der Capella Ovetari das Bild vom Auge des Richterkönigs malt, ein Auge, in das etwas geht, unter anderem ein Pfeil und ein Bild.
Mantegna malt das als Teil der Legende um den heiligen Christopherus, in der erzählt wird, dass die Pfeile, die auf ihn geschossen wurden, wundervoll abgelenkt wurden und denjenigen trafen, der das Martyrium anordnete. Das verhindert nicht das Martyrium und lässt die Opferung nicht irgendwie schlecht aussehen. Das führt (nur) dazu, dass der heilige Christopherus nicht erschossen, sondern geköpft wird, also quasi dem lieben Gott zum Verzehr nicht gerührt, sondern geschüttelt wird. Spätestens jetzt wird es reflexiv, komplex und zweischneidig (mitten durch den Augapfel reissend): Wer zur Umsetzung der Vorhersehung beiträgt, bleibt unversichert. Das Bild geht in Auge, aber nur wenn es trifft.
3.
Wie immer in solchen Fällen, gibt es zu diesem Bild Kommentare, die in der Rekursion stehen, als stünden sie knietief im Bodensatz der Gründe. Hans Belting schreibt nämlich, dass Alberti eine andere Deutung im Auge hätte. Gemeint ist die Pfeilmetapher. Zu ihr gibt es die Deutung, dass damit der Sehstrahl der Perspektive gemeint sei, der Maler treffe den Betrachter damit mitten ins Auge und sorge so für eine Blendung, nämlich den Umstand, dass der Betrachter das Bild für die reale Welt halte (eine These, die Klaus Röhl allgemein auf das Bild ausweitet, das er nämlich insoweit für verwechslungsanfälliger als Worte oder Begriffe hält).
Er sehe das Bild nicht, das ihn treffe. Und im Hinblick darauf spricht Belting von jener anderen Deutung, jener, die Alberti im Auge habe. Alberti wertet nach Belting das Zielen auf, er solle wissen, wie und worauf der die Perspektive anwendet, sonst sei er wie der Schütze, der vergeblich seinen Bogen spannen, wenn er nicht wüßte, worauf er zielt. Belting scheibt, dass Alberti mit dem isolierten Auge (gemeint ist Albertis Emblem) eine kühne Mimesis Gottes betreibe. Nicht jede Kultur und in jeder einzelnen Kultur für sich nicht jeder, assoziiert das Artifizielle, die Konstruktion, das Händische (den Eingriff) und das Subjektive mit einem Abfall von der Wahrheit. Es ist auch nur ein Gerücht (eines, das zum Beispiel von Eduardo Viveiros de Castro geteilt wird), dass man eine westliche Kultur an einer objektivierenden Epistemologie erkennen könnte, also an der Annahme, dass der Westen der Wahrheit näher zu kommen glaube, je mehr vom Subjektiven getilgt würde. Auf allen Seiten kommt alles vor, nur in anderen Reihenfolgen und an anderen Stellen, mit anderen Maßen, in anderen Richtungen, Mischungen und anderen Bewegungen. Das ist nicht das Ende der Unterscheidbarkeit, das ist der Ausgangspunkt.
Komplexe Bearbeitung meint unter anderem, dass man davon ausgeht Bild, Normativität oder Macht nicht auf Stellen ausruhen, die dem Bild, der Norm oder Macht reserviert wären. Komplexe Bearbeitung des Bildes heißt, hoffentlich einfacher gesagt, dass Bilder bestritten werden.
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