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inkognito-philosophin · 6 days ago
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Preis, Wert, Würde – Oder: Was kostet eigentlich ein Mensch?
Heute kennt man von allem den Preis, von nichts den Wert. Das bekannte kulturpessimistische Bonmot Oscar Wildes aus dem Drama Lady Windermeres Fächer, das 1892 uraufgeführt wurde, scheint sich heute, 120 Jahre später, in großer Deutlichkeit zu bewahrheiten.
Alle Lebensbereiche werden der ökonomischen Kontrolle unterworfen, auch die Bereiche, in denen Geld nicht die Hauptrolle spielt und der Markt nicht alles regeln sollte, weil das freie Spiel der Kräfte Ergebnisse hervorbringt, die dem Menschen nicht gerecht werden.
Kultur, Bildung, Gesundheit – in diesen Politikbereichen scheint in der Tat das Gefühl für Werte in dem Maße verloren gegangen zu sein, wie das Bewusstsein für Preise zunahm.
Die Preisfrage ist:
Was kostet der Mensch?
Sie lässt sich ganz unterschiedlich beantworten, je nach dem Bewertungsansatz, der zur Anwendung kommt. Gängige Verfahren (etwa die Analyse der Unfallverhütungskosten, die Berechnung von kompensatorischen Lohndifferenzialen, die Bewertung nach dem Humankapitalansatz oder auch Umfragen zur subjektiven Bewertung von Lebenszeit und zur Zahlungsbereitschaft für Sicherheitsmaßnahmen) führen zu mehr oder weniger konkreten Zahlen, zu Preisen für den „Wert eines statistischen Lebens“ (WSL).
4,5 Millionen Euro? – 7,4 Millionen Euro? – 5,3 Millionen Euro?
Die Preise für den WSL sind sowohl hinsichtlich des jeweils angewandten Verfahrens als auch in Bezug auf die Untersuchungsregion und die sozialen Merkmale der zugrundeliegenden konkreten Menschenleben höchst unterschiedlich. Hannes Spengler nennt in seiner Studie Kompensatorische Lohndifferentiale und der Wert eines statistischen Lebens in Deutschland (2004) einen WSL-Mittelwert von 4,5 Millionen Euro für Deutschland und für die USA von 7 Millionen Euro.
Zugleich berechnet Spengler selbst einen Mittelwert von 1,65 Millionen Euro für einen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und weist auf einen Unterschied bezüglich des Geschlechts hin:
Bei einem Mann beträgt der WSL 1,72 Millionen Euro, für eine Frau von 1,43 Millionen Euro – sowohl die Einkommensdifferenzen als auch die höhere Risikoaversion weiblicher Arbeitnehmer wirkt sich hier auf den je unterschiedlichen WSL aus.
Auch die Hautfarbe kann zu Unterschieden führen, wie eine US-Studie mit dem Titel Racial Differences in Labor Market. Values of a Statistical Life (2003) offenbart, die das Leben eines weißen Arbeitnehmers doppelt so hoch bewertet wie das eines schwarzen Arbeitnehmers.
Noch größere Differenzen zeigen sich in Umfragen, die auf die Zahlungsbereitschaft von Menschen abheben, tödliche Risiken von der Gemeinschaft abzuwenden, von denen sie nur mit einer bestimmten, sehr geringen Wahrscheinlichkeit selbst betroffen wären, oder die ganz konkret danach fragen, wie viel einem Menschen die Aufopferung eines Lebensjahres wert wäre bzw. umgekehrt, wie viel Lebenszeit sie für 1 Million Euro hergeben würden.
Andrea M. Leiter, Magdalena Thöni und Hannes Winner analysieren in Der „Wert“ des Menschen. Eine ökonomische Betrachtung (2010) fünf verschiedene WSL-Studien aus dem Zeitraum von 1986 bis 2007 und ermitteln so Werte zwischen 1,7 und 7,4 Millionen Euro; sie selbst kommen auf der Basis von Schmerzensgeldzahlungen auf durchschnittlich 1,7 Millionen Euro, bei einem Minimum von 0,6 und einem Maximum von 5,3 Millionen Euro. Sie summieren dabei die zugesprochenen Entschädigungen für den Verlust von Gliedmaßen und Organen auf, bis hin zu einem funktionsfähigen Körper.
Noch einen Schritt weiter in Richtung einer rein materialistischen Bewertung geht eine Analyse der Einzelpreise menschlicher Körpersubstanzen auf der molekularen Ebene.
Der Biochemiker Harold J. Morowitz berechnet für den durchschnittlichen Menschen von 75 Kilo und knapp 25 Kilo Trockenmasse einschließlich wertvoller Enzyme und Peptide einen Katalogpreis von 6 Millionen Dollar (etwa 5,3 Millionen Euro).
Über all diesen Verfahren, so unterschiedlich sie sein mögen, steht eine Grundsatzfrage:
Darf man das – den Menschen bewerten?
Ist der Mensch in diesem, im ökonomischen Sinne, überhaupt bewertbar?
Der Mensch hat doch Würde – und soll nun einen Preis bekommen. Wie passt das zusammen?
Die Frage der Bewertbarkeit von Menschenleben ist eine ethische und eine (grund)rechtliche. Sie soll nachfolgend erörtert werden.
Ethische Aspekte
„Was ist der Mensch, dass Du Dich seiner annimmst?“ (Psalm 8,5)
Die Frage richtet sich an Gott. Ihre Antwort findet sie in der Absolutheit der Würde, die dem Menschen eignet. Dies ist keineswegs nur religiös begründbar, sondern auch mit weltlicher Philosophie.
Moraltheologische Betrachtung
Judentum und Islam
Im Judentum und im Islam, die man für diese Frage zusammen behandeln kann, ist der schier unendliche Wert des Menschen ein unhintergehbares Postulat der religiösen Anthropologie. Im Talmud (Sanhedrin, 37a) finden wir: „Nur für diesen Zweck wurde der Mensch erschaffen: Zu lehren, wer eine einzige Seele zerstört, zerstört die ganze Welt. Und wer eine einzige Seele rettet, rettet die ganze Welt.“ Und im Koran (5:32) steht: „Wer einen Menschen tötet, für den soll es sein, als habe er die ganze Menschheit getötet.
Und wer einen Menschen rettet, für den soll es sein, als habe er die ganze Welt gerettet.“ Ein Menschenleben entspricht hier der Menschheit, der Welt, dem Ganzen. Auch hier wird ein Vergleich angestellt, der den Wert eines Menschen bestimmt, doch ist dieser nicht in Geldeinheiten auszudrücken, sondern unermesslich hoch.
Christentum
Die christliche Philosophie geht einen etwas anderen Weg, kommt aber zu einem ähnlichen Ergebnis. Sie verleiht dem Menschen – und das war völlig neu, als dieser Gedanke im Zuge der Ethik Jesu auftrat – eine unveräußerliche dignitas humana, die sich direkt aus der Geschöpflichkeit und Gottebenbildlichkeit des Menschen ergibt und in der Menschwerdung Gottes eine besondere Pointe erfährt.
Als Abbild des personalen Gottes ist dem Menschen personale Würde verliehen. In Christus bekräftigt Gott diese Würde des Menschen durch die größtmögliche Zuwendung des Schöpfers zum Geschöpf.
Gottebenbildlichkeit ist also keine Eigenschaft des Menschen, sondern seine Essenz. Sie besteht nicht in etwas, das der Mensch ist, sondern sie besteht, indem der Mensch ist. Damit ist die Würde des Menschen unveräußerlich, nicht von ihm zu trennen, weil die Gottebenbildlichkeit nicht von ihm zu trennen ist. Zugleich ist seine Würde eine dignitas aliena (Luther), eine „fremde Würde“, denn sie kommt von Gott. Auch das macht sie und damit den Menschen unermesslich.
Das Verhältnis von Freiheit und Abhängigkeit bei der Bestimmung des Wesens der Menschenwürde als Gottesgeschenk zeigt sich im berühmten Gleichnis vom verlorenen Sohn bzw. Gleichnis vom barmherzigen Vater.
Der Sohn hat in Verkennung der Abhängigkeit vom Vater die Freiheit seiner Sohnschaft nur im negativen Modus gelebt. Er kann schließlich seine Beziehung zum Vater nicht mehr auf seine eigene Sohnes-Würde bauen, denn diese hat er verloren. So bekennt er: „Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir; ich bin hinfort nicht mehr wert, daß ich dein Sohn heiße“ (Lukas 15,21).
Er muss hoffen, dass der Vater seinerseits die Beziehung neu aufbaut. Dies tut der Vater, in dem er von sich, von seiner Würde, von seinem Besitz gibt. So antwortet der Vater auf das Bekenntnis des Sohnes: „Holt schnell das beste Gewand, und zieht es ihm an, steckt ihm einen Ring an die Hand, und zieht ihm Schuhe an“ (Lukas 15,22).
Gewand, Ring und Schuhe sind Besitztümer des Vaters, auf die der Sohn eigentlich keinen Anspruch hat; er empfängt sie aus Gnade. Der evangelische Theologe Helmut Thielicke (Theologische Ethik, Tübingen 1972, S. 294) fasst dies eindrücklich zusammen: „Die Ebenbildlichkeit des verlorenen Sohnes beruht nicht auf der Eigenschaft des Sohnes, Sohn geblieben zu sein, sondern auf der des Vaters, Vater geblieben zu sein.“
Es ist klar, dass hier eine Würde angesprochen ist, die nicht nur unermesslichen Wert hat – jenseits jeden vorstellbaren Preises –, sondern die auch außerhalb unserer Verfügungsgewalt liegt, die nicht von uns (den „Söhnen“) bemessen werden kann, da sie letztlich im Gnadenerweis des „Vaters“ ihre Bewertung erfährt – und zwar mit dem Zahlwert der göttlichen Barmherzigkeit: unendlich.
Moralphilosophische Betrachtung
Auch in säkularen Konzepten der Menschenwürde geht es um das Verhältnis von Mensch und Menschheit. Doch gehen säkulare Konzepte der Menschenwürde im Ausgang von Immanuel Kant weg von der hetero- bzw. theonomen Begründung hin zur Autonomie und Selbstbestimmung des Individuums, das nicht die Gebote Gottes oder der Natur nachvollzieht, sondern sich selbst Gesetze gibt, die seine Identität und Integrität anerkennen und stärken sollen.
Damit erheben sie – wenn sie es denn ernst meinen mit der Würde – ebenso wie die religiösen Konzepte einen Anspruch auf Absolutheit und Unveräußerlichkeit, auf vorrechtliche Moralität, auf überpositive Verbindlichkeit der Würde, die den Staat und die Gemeinschaft bei allem, was sonst noch geregelt werden muss, unbedingt verpflichtet.
Wie es etwa das deutsche Grundgesetz ausdrückt, in Artikel 1 Absatz 1 Satz 1: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“
Und nur so verstanden kann die Würde im Rahmen der Rechtsordnung überhaupt einen Platz einnehmen, der sie als eigenständiges Konzept rechtfertigt, nur dann also, wenn sie den Menschen heraushebt aus den Verzweckungsmechanismen unserer Gesellschaft, seien sie politisch oder wirtschaftlich bedingt, nur dann, wenn der Begriff – religiös oder säkular begründet – über die Regelungsebene hinausweist und auf eine Ebene der Unverfügbarkeit deutet, die dem Menschen gerecht wird – als Wesen mit der Fähigkeit zur Selbsttranszendierung, auf eine Transzendenzentität, also auf Gott hin orientiert, oder auf eine Transzendentalsubjektivität hin, also auf ein im Menschen selbst gründendes Numinoses, wie es Kant denkt.
Also: Entweder die Würde ist absolut und unbedingt oder es lohnt sich nicht, den Begriff zu verwenden.
Kant schließt in seiner Grundlegung zur Metaphysik der Sitten jede Objektivierung des Subjekts, jede Instrumentalisierung des Menschen aus, dessen elementare Rechte nicht verrechnet werden d��rfen, auch nicht, um damit dem „guten Zweck“ zu dienen, einen größtmöglichen Gesamtnutzen zu identifizieren.
Ein solches Vorgehen ist für Kant unmoralisch. Die einschlägige Form seines Kategorischen Imperativ lautet:
„Handle so, daß du die Menschheit, sowohl in deiner Person als in der Person eines jeden anderen, jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchst“ (Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. Akademie-Ausgabe, Bd. IV, Berlin 1978, S. 429).
Der Mensch ist Zweck an sich selbst, er ist Selbstzweck. Das heißt umgekehrt jedoch, dass überall dort, wo der Mensch als Mittel zu einem vermeintlich höheren Zweck dient, seine Würde verletzt wird. Dieser Gedanke ist in das deutsche Verfassungsrecht eingegangen, in die so genannte „Objektformel“ Günter Dürigs, nach der die Würde des Menschen verletzt ist, „wenn der konkrete Mensch zum Objekt, zu einem bloßen Mittel, zur vertretbaren Größe herabgewürdigt wird“ (Kommentar zu Art. 1 Abs. 1 GG, in: Maunz, T. / Dürig, G.: Grundgesetz. Kommentar, München 1958, Rn. 28).
Kant spricht hier ebenfalls – wie das Judentum und der Islam – von der „Menschheit“, die im Menschen anzuerkennen sei. Er meint damit aber nicht die Summe aller empirischen Menschen, sondern das, was den einzelnen Menschen zum Menschen macht.
Doch im Ergebnis misst auch Kant damit dem einzelnen Menschen als Vertreter der Menschheit aufgrund seiner „Menschheit“ einen unermesslichen Wert bei, der sich nicht in Geldeinheiten ausdrücken lässt.
An andere Stelle wird er dazu deutlicher:
„Im Reiche der Zwecke hat alles entweder einen Preis, oder eine Würde. Was einen Preis hat, an dessen Stelle kann auch etwas anderes, als Äquivalent, gesetzt werden; was dagegen über allen Preis erhaben ist, mithin kein Äquivalent verstattet, das hat eine Würde.
Was sich auf die allgemeinen menschlichen Neigungen und Bedürfnisse bezieht, hat einen Marktpreis; das, was, auch ohne ein Bedürfnis vorauszusetzen, einem gewissen Geschmacke, d. i. einem Wohlgefallen am bloßen zwecklosen Spiel unserer Gemütskräfte, gemäß ist, einen Affektionspreis;
das aber, was die Bedingung ausmacht, unter der allein etwas Zweck an sich selbst sein kann, hat nicht bloß einen relativen Wert, d. i. einen Preis, sondern einen innern Wert, d. i. Würde.“ (a.a.O., S. 68; eigene Hervorhebung).
Das bedeutet: Die interpersonelle Verrechnung menschlichen Lebens ist nach Kant mit der Menschenwürde nicht vereinbar. Denn: Was eine Würde hat, kann nicht zugleich einen Preis haben und sich damit vergleichbar und verrechenbar machen.
Und genau das ist der Mensch:
Ein Wesen mit innerem Wert, ein Wesen, das fähig ist, Zwecke zu setzen und sich selbst zum Zweck zu erheben, das an sich selbst Zweck ist.
Die Frage ist, ob sich die Monetarisierung des Menschen, etwa im Rahmen von Schadensbewertungen und -analysen, mit dem Konzept der „Menschenwürde“ verträgt.
Kant würde dies verneinen, nicht nur wegen der offenkundigen Differenz von Würde und Preis, sondern auch wegen der im Menschen anzuerkennenden „Menschheit“.
Judentum und Islam verneinen diese Frage ebenso, weil sie Mensch und Menschheit letztlich gleichsetzen. Das Christentum muss die Frage verneinen, weil es dem Menschen nicht zusteht, sich selbst zu bewerten.
Seine Offenheit für Gott macht den Menschen prinzipiell unendlich wertvoll. Würde gilt also absolut, Achtung und der Schutz der Würde gilt ohne Limit. Soweit die Sichtweise religiöser und säkularer Moral.
Rechtliche Aspekte
Zu einer anderen Sichtweise gelangt man in der rechtsphilosophischen Betrachtung des Grundrechts auf Leben und des damit verbundenen Anspruchs auf Lebensschutz. Es zeigt sich dabei, dass Rechte unter den Bedingungen eines real existierenden Gemeinwesens immer nur relativ gelten können.
Dem Grundrecht auf Leben (in Deutschland: Artikel 2, Absatz 2 Grundgesetz) und dem damit verbundenen Anspruch auf Schutz steht der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entgegen, der wiederum vom Über- und Untermaßverbot bestimmt wird und im Falle von Maßnahmen des Katastrophenschutzes der Pflicht des Staates nach oben und nach unten Grenzen setzt, sodass im Ergebnis selbst das elementarste aller Menschenrechte, das Recht auf Leben, nicht bedingungslos geschützt werden muss.
Auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist in Deutschland Verfassungsrecht (Artikel 1, Absatz 3 Grundgesetz; analog etwa in der Schweiz: Artikel 5, Absatz 2 Bundesverfassung).
Er gilt freilich, vor allem im Sinne des Übermaßverbots, mit dem staatlichen Eingriffen in das Leben der Bürger Grenzen gesetzt werden.
Doch umgekehrt wirkt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als Untermaßverbot dort, wo der Staat gerade zu solchen Eingriffen verpflichtet ist. So sollen gleichermaßen Freiheit und Sicherheit gewährleistet werden.
Schlussbetrachtung
Wir erkennen einen Widerspruch zwischen Moral und Recht, eine Differenz, die Kant bereits markiert hat, indem er Moralität und Legalität unterschied.
Was erlaubt ist, ist noch längst nicht gut.
Was gut ist, kann noch längst nicht beansprucht werden.
Wunsch und Wirklichkeit, das Ideal der Würde und die Realität des Preises prallen aufeinander. Wie kann damit umgegangen werden?
Es ist unerlässlich, die Begriffe ernst zu nehmen: das statistische Leben, das empirische Leben, das Leben an sich.
Wir müssen unterscheiden zwischen dem „Menschen“ als statistische Größe, mit der kalkuliert wird, dem Menschen vor Ort, um den es konkret geht, und dem Menschen an sich.
Kant behandelt konzeptionell nur die beiden letzten, den homo phaenomenon und den homo noumenon. Gerechnet wird aber mit einem „homo statisticon“. Alle, die mit Bewertungsfragen zu tun haben, sollten dies wissen und es entsprechend kommunizieren.
Es geht eben nicht darum, der Würde des Menschen Grenzen aufzuerlegen, nur weil eben damit gerechnet werden muss, im Zweifelsfall das Leben des Menschen nicht grenzenlos schützen zu können.
Daraus, dass dies eben zugegeben wird, ist auch nach der „Objektformel“ kein Verstoß gegen die Menschenwürde abzuleiten, denn es wird nicht der konkrete Mensch bewertet (und damit „zur vertretbaren Größe herabgewürdigt“), sondern der „Wert eines statistischen Lebens“ ermittelt.
Das ist, nach all dem, was wir betrachtet haben, ein Unterschied.
Methoden der Bewertung müssen dabei so ausgelegt sein, dass sie konkret existierende Menschen nicht hinsichtlich ihres transzendentalen Menschseins, ihrer Würde als Menschen verletzen.
Das ist die unhintergehbare Bedingung aus ethischer Sicht. Sie muss sich im Rechtsrahmen entsprechend niederschlagen.
Am Ende noch mal eine ganz eigene Bewertung des Menschen. Der Wiener Kabarettisten Georg Franz Kreisler ließ sich in den 1950er Jahren vom Institut für Gerichtsmedizin in Wien errechnen, wie hoch der Materialwert eines Menschen sei. Das Institut kam damals auf eine Summe von 40 Schilling, schloss aber seine Antwort mit folgender Bemerkung, dass in den Zahlenangaben die Herstellungskosten des Menschen nicht enthalten seien.
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girltakecare · 2 months ago
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Der Mensch, das Fabelwesen
Wie unser Leben verläuft, hängt von vielem ab. Auch hängt es davon ab, wie du über die Menschen denkst und welche Schlüsse du damit ziehst. Bianca Marx Glaubst du, der Mensch ist böse und ziehst daraus den Schluss, ihn, also den Menschen, also auch dich selbst zu bekämpfen? Glaubst du, der Mensch ist gut und du ziehst daraus den Schluss, alles von ihm zu lernen und nie in Frage zu…
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cimoc · 4 months ago
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Trailer zum neuen Buch von Georg und Andreas von Westphalen - In ihrem außergewöhnlichen Wissenschaftscomic gehen die beiden Autoren den zentralen Fragen zur Natur des Menschen nach und liefern dazu überraschende Antworten. Ist der Mensch Egoist oder Altruist? Brauchen wir gesunde Konkurrenz als Anreiz oder motiviert uns eher Kooperation? Welches Verhalten stärkt individuelles Wohlbefinden und fördert gesellschaftliche Gesundheit? Eine liebevoll gezeichnete Graphic Novel, die uns mit klugen wie humorvollen Texten auf eine utopische Entdeckungsreise zur Natur des Menschen schickt.
Leseprobe: https://westendverlag.de/Hilfe-ich-bin-ein-Mensch/1590
Link zum Buch: https://www.buchkomplizen.de/hilfe-ich-bin-ein-mensch.html
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naometrius-blog · 1 year ago
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Und der Mensch heißt Mensch …Menschenbilder in der Freimaurerei
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philosophiesde · 2 years ago
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Zoomposium mit Prof. Dr. Dieter Birnbacher "Das Menschenbild der Neurowissenschaften"
Zoomposium mit Prof. Dr. Dieter Birnbacher “Das Menschenbild der Neurowissenschaften” In unserer Zoomposium-Interview-Reihe zum Thema “Bewusstsein” konnten wir diesmal den sehr bekannten deutschen Philosophen mit den Schwerpunkt Ethik Professor Dr. Dr. h. c. Dieter Birnbacher, geboren 1946 in Dortmund, gewinnen. Der Schwerpunkt des Interviews wird aber nicht nur auf ethischen Fragen zu den…
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fabiansteinhauer · 2 years ago
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Menschenbild
In seinen Aufsätzen hat Böckenförde wiederholt das Bild oder Menschenbild zum zentralen Gegenstand gemacht. Man kann sagen, dass das sehr kurze Texte sind. Er thematisiert zwei Seiten: einerseits die Vorstellungen (Bilder), die das Recht wahrnehmbar und 'aussübbar' macht, wenn das Recht sagt, als wer er anzusehen sei und was ihm zukomme, worin er zu schützen, was ihm zu ermöglichen und wovon er fernzuhalten sei. Dass er frei sei, würdebegabt, schuldfähig, dass er Verantwortung trage, dass er geboren sei (Eltern habe), dass der Mensch Geschlechter teile: das alles macht das Recht wahrnehmbar/ aussübbar, man möchte sagen, bestimmte Rechtsordnungen setzten das voraus oder sie würden solche Vorstellungen übernehmen. Anderseits reproduziert die Rechtsordnungen damit Bilder vom Menschen mit Folgen jenseits des Rechts.
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oestermann · 2 years ago
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Zukünfte (5): Der Mensch als Natur
Wie sieht sich der Mensch in seiner Beziehung zur Natur? Gehört er selbst zur Natur? Steht er der Natur gegenüber? Welche Verantwortung fällt ihm zu, wenn er seine eigenen Lebensbedingungen und die seiner Mitbewohner erhalten will?
“Wir wissen nicht mehr, wer wir sind,” meinte Markus Gabriel kürzlich im SWR2 Interview zu seinem neuen Buch mit dem Titel “Der Mensch als Tier”. Er möchte die geisteswissenschaftliche Entwicklung der letzten 50 Jahre zwischenbilanzieren und – ganz unbescheiden – ein neues Menschenbild beschreiben, das uns wieder Orientierung verleihen könne. Der Mensch ist dasjenige Lebewesen, das tun kann, was…
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wortzentriert · 2 years ago
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So bildet der Mensch eine Einheit der materiellen und geistigen Welt, einen Spiegel des Universums, (er ist) Verbindung, Kompendium, der Inbegriff der gesamten Natur, ein Mikrokosmos und aufgrund dessen Bild und Gleichnis Gottes, dessen Sohn und Erbe, ein göttliches Wesen im Kleinformat. Er ist der Prophet, der seine Exzellenz verkündigt; er ist der Priester, der sich selbst mit allem Geschaffenen Gott als Opfer weiht; er ist der König, der alle Dinge in Gerechtigkeit und Geradheit regiert. Herman Bavinck. Reformierte Dogmatik 2:562 Zitiert und übersetzt in "Eine Theologie des Lernens" Hanniel Strebel s. 228 @bullingerianer #christlicheBildung #christlichepädagogik #Keplerschule #christlicheschule.at #bavinck #biblischeBildung #LehrerJesus #anthropologie #Menschenbild #Kosmologie #christlichekosmologie #christlicheWeltanschauung https://www.instagram.com/p/CokVjbcryPS/?igshid=NGJjMDIxMWI=
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protopia23 · 2 years ago
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Kurz-Trip: Protopia
Protopia ist Ziel und Kompass für unsere gemeinsame Reise in diesem Buch. Zugegeben, das Wort ist ungewöhnlich und stammt auch nicht von uns. 
Das Wort ist eine Erfindung von Kevin Kelley, Gründer und Chefredakteur von "Wired", einer wichtigen Zeitschrift über Computer, Netzkultur, Design und Politik. Im Jahr 2011 stellt Kelley in einem Blog das neue Konzept "Protopia" vor.
Einleitend schickt er voraus:
“Jede Utopie ist eine Fiktion, mit notwendigen Mängeln, die verhindern, dass sie jemals Wirklichkeit wird. Ich glaube nicht an Utopien. Vor allem nicht an technologische Utopien. (...) Meine Abneigung gegen Utopien geht sogar noch tiefer. Mir ist noch keine Utopie begegnet, in der ich überhaupt leben möchte.” (Kevin Kelley)
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In diesem Zusammenhang entwickelte er – als Lösung jenseits von Utopie und ihrem Gegenteil, der Dystopie – das neue Konzept der “Protopie” vor und schlägt die Definition vor, die wir eingangs in unserem Buch zitieren. Sein Wunsch:
“Ich hoffe, dass unsere derzeitige Zukunftsblindheit nur eine vorübergehende Phase ist und dass wir wieder beginnen werden, plausible Visionen einer wünschenswerten Zukunft zu entwickeln, die etwas besser ist als die heutige. Diese protopischen Visionen werden nicht so aufregend sein wie Dystopien oder Utopien, aber sie könnten aufregend genug sein, um darauf hinzuarbeiten.” (Kevin Kelley)
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Auch wenn wir nicht mit allen Ideen und Vorstellungen von Kelley übereinstimmen und auch nicht alle Ausführungen teilen, die im Internet zu diesem neuen Konzept zu finden sind, so erscheint uns "Protopia" und seine ursprüngliche Definition als eine sehr passende Beschreibung von Kompass uns Ziel auf unserer Entdeckungsreise in die Natur des Menschen.
Weiterführende Links
https://kk.org/thetechnium/protopia/
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shi1498912 · 3 months ago
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Ich frag mich manchmal echt, was für ein Menschenbild der Hubertus Heil hat, wenn ich solche Nachrichten zum Bürgergeld lese. Nun gut, in Punkto Schwarzarbeit kann ich das verstehen, aber den Rest nicht, wenn doch Studie um Studie erwiesen hat, das UBI Empfänger durch die Bank weg produktiver, und v.a. auch glücklicher sind. Aber das will man in der deutschen Politik anscheinend nicht wahrhaben, und hält sich sowohl die Ohren zu, und schließt die Augen. Es wird, statt Art. 1 GG im wahrsten Sinne des Wortes mit einen UBI aufleben zu lassen lieber sanktioniert was das Zeug hält.
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unfug-bilder · 2 months ago
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Dieser Erklärbär macht es einfach und glaubt, damit das Niveau der Trump-Wählenden getroffen zu haben. Allerdings verstehen diese seine Aussage nicht*, sondern interpretieren den Tweet als Angriff auf ihren Gott.
Kein Wunder, dass es 5.800 Drukos binnen 12 Stunden gab.
Und wer von euch bisher nur Drukos von AfD, Identitären und Union gelesen hat, KANN da mal reingucken, um den Unterschied zu spüren.
x.com/TristanSnell/status/1855095264727474625
(*) was zu befürchten war
Wenn ihr vorher schon irgendwo gelesen habt, der durchschnittliche Trump-Wähler sei weiß, Fleisch essend, intelligenzmäßig auf der linken Seite der Gaußschen Normalverteilung angesiedelt und sonst nicht übermäßig mit Bildung ausgestattet, dann gebt euch gerne mit dieser sehr freundlichen Beschreibung zufrieden, OHNE die Drukos aufgesucht zu haben. Einem humanistischen Menschenbild ist die vorstehende Pauschalisierung deutlich zuträglicher als die Lektüre der dortigen Drukos.
Wenn ihr dennoch die Drukos (auch nur in Teilen) gelesen habt, dann vermeidet es bitte, andere Medien zum Wahlausgang in USA zu lesen. Dort steht nämlich immer wieder, es seien "die Wirtschaftsthemen" gewesen, die den Ausgang der Wahl beeinflußt haben. Nach Kenntnis der Drukos wißt ihr, WELCHE GENAU.
Nachtrag 18 Uhr:
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Dieses Meisterwerk mit noch viel mehr Drukos entdeckte ich erst später und auch nicht im Thread des oberen Tweets. Ich habe dann auch noch angefangen, in die Drukos zu gucken und gleich weit oben dieses großartige Kompetenz-Highlight gefunden.
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Bitte verzeiht mir, dass ich mir dessen Drukos nicht mehr angetan habe. Ich mag hartgesotten sein, aber alles hat Grenzen.
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shape · 1 year ago
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Banalisierung des Bösen
Neben der Bedrohung durch den Iran gibt es einen zweiten Grund, der viele Regime in der arabischen Welt insgeheim auf einen Sieg Israels im Gaza-Krieg hoffen lassen müsste. Es ist derselbe, aus dem sie den Judenstaat seit dem Beginn der Militäroffensive verdammen, nämlich die Tatsache, dass die Mehrheit in den meisten sunnitischen Staaten, exemplarisch seien die Wahlen in der Türkei oder die in Ägypten nach dem Sturz Mubaraks erwähnt, hinter der einen oder anderen Version der Moslembrüder und damit natürlich auch hinter der Hamas steht. Je erfolgreicher die Hamas ist, desto mehr Auftrieb gibt das den innenpolitischen Gegnern der Regime, die mit Israel offen oder de facto einen Friedensvertrag geschlossen haben, wogegen die totale Niederlage und die Zerstörung Gazas zwar für Empörung auf der Straße sorgen, aber die abschreckende Wirkung nicht verfehlen würde. Islamisten wollen, wie andere autoritäre Charaktere, stets auf der Seite der Sieger stehen, weswegen ihnen der 7. Oktober gewaltigen Auftrieb verschafft hat, den nur eine vernichtende Niederlage der Hamas einigermaßen bremsen könnte. Durchsetzen können sich die Regime nur, wenn der Krieg Gaza derart verheert, dass die Agenda der Moslembrüder den meisten Arabern als gefährlich erscheint und gleichzeitig die Kooperation mit Israel und den USA ökonomisch etwas abwirft, womit sie gegen die Islamisten eventuell punkten und vielleicht sogar gesellschaftliche Reformen umsetzen könnten. Der Ansatz jedoch, gegen die islamische Ideologie bloß auf wirtschaftlichen Aufschwung zu setzen, findet dort seine Grenzen, wo keine Militärmacht in Sicht ist, die die tatsächlichen und potentiellen Jihadisten unterdrückt, wie in Gaza, Syrien, Jemen und allen anderen sunnitischen Staaten ohne funktionelle Zentralgewalt. Die Idee, die Hamas werde schon sich mäßigen, wenn sie für ca. zwei Millionen Menschen, deren Lebensbedingungen und Zukunft die Verantwortung tragen müsse, war von Anfang an verrückt.
Ein derart technokratisch-ökonomistischer Ansatz, der sich darauf beruft, dass Menschen grundsätzlich auf finanzielle Anreize reagierten, dass, wer in Israel arbeitet, die Hand nicht abhackt, die ihn füttert, basiert auf einem Menschenbild, das den Grad der Barbarisierung der arabischen Welt und insbesondere des Mordkollektivs in Gaza und im Westjordanland verkennt. Und das nicht obwohl, sondern weil alles so offensichtlich ist: Die Permanenz, in der Abbas den Holocaust leugnet oder (anti-)semitische Rassenkunde betreibt, die Art, wie Kinder in Schulen, die nach besonders erfolgreichen Judenmördern benannt werden, zum Judenhass indoktriniert und zum Massenmord abgerichtet werden, die Eindeutigkeit, in der Hamas, Hisbollah und Iran permanent zur Zerstörung Israels aufrufen, werden gerade deswegen unterschätzt, weil dies in aller Öffentlichkeit stattfindet. Sich mit diesen abstoßenden Menschenstümpfen, ihren Worten und vor allem ihren Taten wie den am 7. Oktober begangenen überhaupt im Detail zu befassen, löst mehr Ekel aus, als einigermaßen vernünftige Menschen verkraften können. In Phasen relativer Ruhe besteht darum immer wieder die Versuchung, den Hass als bloßes Gerede abzutun oder sich damit zu beruhigen, dass selbst die größten Judenhasser an ihrer eigenen Zerstörung kein Interesse haben könnten. Diese Vermenschlichung der Unmenschlichkeit, diese Banalisierung des Bösen, die einem permanent aus allen Medien als Verständnis für die angeblich so verzweifelte Lage in Gaza, von der am 7. Oktober nichts zu sehen war, entgegenschallt, musste den sadistischen Antisemitismus des Jihadistenkollektivs der Palästinenser verkennen. Wer vor diesem Hintergrund von einer „Lösung“ des Konflikts oder gar der „Zweistaatenlösung“ redet, muss ein ausgemachter Europäer sein.
[...]
-- Tödliche Illusionen
Koexistenz mit der Hamas ist ebenso unmöglich wie Frieden mit den Palästinensern
In: Bahamas (Heft 93 / Winter 2024)
Zum Inhalt des Hefts Nr. 93, ausgewählten Online-Artikeln und Bestellung: redaktion-bahamas.org
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gulyas069 · 2 years ago
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in sämtlichen diskussionen über die aktuelle krise des westens wird irgendwie wenig darüber geredet, dass fundamental die allgemeine bevölkerung einfach nicht mehr an liberale ideologie glaubt. ein negatives menschenbild ist nicht vereinbar mit liberaler ideologie. ein bild einer realität die zu komplex ist, um sie zu analysieren, kategorisieren und politisch zu lenken ist einfach nicht liberal. das sind grundauf konservative gedankenmuster, die der großteil der westlichen bevölkerung komplett verinnerlicht hat. natürlich sind wir in einer krise des liberalismus, wenn keiner mehr liberale werte hat. natürlich glaubt keiner mehr an demokratischen prozess und liberale normative weltvorstellungen, wenn wir ein konservatives bild einer unergründlichen und dementsprechend nicht menschlich lenkbaren realität haben, und von menschen, die sich nicht durch die fähigkeit zu rationalität über den naturzustand erheben.
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lauragrandner · 1 day ago
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Letztlich gibt es nur wenige Vorstellungen, die die Welt so sehr beeinflussen wie unser Menschenbild. Was wir voneinander annehmen, ist das, was wir hervorrufen.
Aus: Im Grunde gut von Rutger Bregman (Rowohlt)
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ungeheuerliches · 8 days ago
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inkognito-philosophin · 27 days ago
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Fakten über das Gehirn – 10 Neuro-Mythen aufgeklärt
Seit vielen Jahren werden die Neurowissenschaften in der Öffentlichkeit gehypt. Überall ist es das Gehirn, das vielen Menschen als Schlüssel zum Bewusstsein gilt. Dabei gibt es gar keine einheitliche, wissenschaftliche Theorie zur Funktionsweise unseres Gehirns. Im Gegenteil: Weitverbreitete Vorstellungen entpuppen sich (wissenschaftlich betrachtet) als hartnäckige Mythen, die längst überholt sind.
Inhaltsverzeichnis:
Der 10%-Mythos
3-tlg. Gehirn Mythos
Gehirnhälften-Mythos
Lokalismus
Persönlichkeitstests
Neurotransmitter-Mythos
Männliches Gehirn vs. Weibliches Gehirn
Das Gehirn ist ein Computer
Das Libet-Experiment widerlegt Willensfreiheit
Das Ich als Illusion
Überschätzung der Neurowissenschaften
Die Hirnforschung ist seit mehreren Jahrzehnten Trendthema. Mittlerweile hat sie unser Menschenbild so weit geprägt, dass überall nicht mehr von einem Selbst oder Ich die Rede ist, sondern vom Gehirn. 
Überall finden sich Schlagzeilen, wie
"…Die negativen Schlagzeilen überfordern unser Gehirn" (Tagesspiegel 08.11.24),
“Emotionen: Wie das Gehirn Gefühle macht” (Spektrum, 01.0.823),
“Wie Putzen dem Gehirn guttut und sogar durch schwierige Zeiten helfen kann” (GEO, 01.09.24).
Dabei können die Neurowissenschaften bis heute vieles gar nicht erklären. Das hat mehrere Gründe. Einer der wichtigsten: die naturalistischen Vorurteile, dass die Psyche und das Verhalten des Menschen hauptsächlich oder einzig durch Biologie bestimmt seien.
Natürlich ist das Gehirn wichtig – das leugnet niemand – aber die Funktion des Gehirns wird überschätzt. Das Hirn benötigt den Körper, und der Körper ist auf die Umwelt angewiesen.
Die Behauptung „psychische Prozesse beruhen auf Gehirnprozessen" ist in dieser Kürze einfach falsch. Denn für unser Denken, Handeln und Fühlen sind noch viele andere Funktionen wie Atmung, Blutkreislauf und sogar Umweltfaktoren entscheidend.
Der 10-Prozent-Mythos:
Wir nutzen nur 10 % unseres Gehirns
Die Vorstellung, dass Menschen nur 10 % ihrer Gehirnkapazität nutzen und die restlichen 90 Prozent nicht, ist weit verbreitet. Untersuchungen zeigen, dass diese Behauptungen vor allem in populär-psychologischen Zeitschriften und Selbsthilfebüchern vertreten werden, insbesondere im Themenbereich positive Psychologie und anderen Pseudowissenschaften.
In der New-Age-Bewegung wurde diese Überzeugung so interpretiert, dass die Aktivierung der ungenutzten 90 Prozent sogar besondere psychische Fähigkeiten erweckt.
Diese Ansicht hört man auch häufiger von esoterisch interessierten Personen.
Fakten – Wie viel Gehirn nutzen wir wirklich?
Warum ist dieser Mythos heute noch aktuell? Weil er häufig wiederholt wird und sich so fest in unseren Köpfen verankert. Denn je häufiger wir eine Aussage hören oder lesen, desto glaubhafter wird sie. 
Was genau bedeutet eigentlich „Gehirnkapazität"? Der Begriff wird unscharf und sehr willkürlich genutzt. Doch je nach Autor und Fach werden damit unterschiedliche Prozesse oder Phänomene beschrieben. Darunter Gehirnvolumen, Intelligenz, Gedächtnisleistung, eine Art Leistungsfähigkeit des Gehirns.
Bildgebende Verfahren zeigen, dass alle Areale im Gehirn die ganze Zeit aktiv sind. Es gibt keine inaktiven Gehirnbereiche, außer bei massiven Hirnschädigungen.
Evolutionswissenschaftlich gesehen, hätte der Mensch diese 90 % ungenutzte Gehirnmasse abbauen müssen, da kleiner und effizienter für das Überleben. Überhaupt weiß die Medizin heute, dass Gehirnzellen, die inaktiv sind, schnell absterben. Wären 90 % ungenützt, würde sich das bei Autopsien in Form von degenerierten Gehirnbereichen deutlich zeigen. Die lassen sich aber nur bei Verstorbenen finden, die an neuronalen Erkrankungen litten.
Noch ein interessanter Fakt: Wenn eine Hirnregion tatsächlich ungenutzt bliebe, etwa weil sie nicht mehr von einem Sinnesorgan aktiviert wird, würde sie rasch neue Funktionen übernehmen. Wie zum Beispiel bei blinden Menschen, bei denen die Sehrinde häufig Tast- oder Hörsignale verarbeitet.
Der Triune-Brain-Mythos:
Menschen haben ein Reptiliengehirn
Das "Reptiliengehirn" des Menschen machte in den 1950er Jahren Furore. Die Bezeichnung stammt aus der Drei-Gehirn-Theorie von Paul MacLean. Er teilte das Organ in 3 Haupt-Bereiche: Reptiliengehirn (Basalganglien), limbisches System (Altsäugergehirn, Appetit, Leidenschaften) und Neocortex (Neusäugergehirn, rationale Kontrolle). Wissenschaftlich wurde die Theorie nicht ernst genommen.
Ein modernes Beispiel in diesem Kontext: Porges populärpsychologische Polyvagaltheorie, die ebenfalls nicht haltbar ist, doch weiterhin in Psychotherapie und Medien grassiert. Doch eigentlich ist die Idee von einem animalisch-autonomen Teil des Menschen sehr viel älter. Schon Platon (sowie viele vor und nach ihm) teilte die Seele zum Beispiel im Phaidros in einen intellektuellen und einen tierischen Teil. 
Fakten über das menschliche Gehirn
Der Begriff „reptilienartig“ weckt völlig falsche Vorstellungen, da der Mensch keine gemeinsamen Vorfahren mit Reptilien hat. 
Und bei der menschlichen Evolution ist nicht einfach der Neokortex “gewachsen”, vielmehr hat sich die gesamte Architektur des Gehirns verfeinert. Das sind hochkomplexe Systeme, die sich nicht in “primitive” oder “höher entwickelte” Strukturen aufspalten lassen.
Das menschliche Gehirn ist ein hoch entwickeltes Organ, das aus mehreren miteinander vernetzten und interagierenden Regionen besteht. Das sind aber keine getrennten Areale, sondern ein ineinander verschachteltes System, in dem Emotionen, Kognition und Verhalten miteinander verwoben sind.
Neuere Forschungen zeigen, dass Emotionen und soziale Interaktionen eine Unzahl neuronaler Prozesse umfassen, die in verschiedenen Hirnregionen stattfinden, einschließlich des limbischen Systems und der kortikalen Strukturen. Trotzdem werden bestimmte Gehirnaktivitäten, die mit Überlebensinstinkten assoziiert sind, dem Reptiliengehirn zugeschrieben. Diese Aktivitäten sind jedoch eigtl. Teil neuronaler Dynamiken, die viele andere Funktionen integrieren, wie Lernen, Gedächtnis und Entscheidungsfindung.
So legen moderne Studien nahe, dass das menschliche Gehirn als integriertes Ganzes zusammen mit dem Körper funktioniert.
Der Hirnhälften-Mythos :
Die rechte Gehirnhälfte ist kreativ, die linke logisch
Die Vorstellung von den 2 Gehirnhälften stammt ebenfalls aus den 1950er Jahren. Damals entdeckten Sperry und Gazzaniga, dass das Durchtrennen des Corpus epileptische Anfälle beseitigte. Sie untersuchten außerdem, wie die Kommunikation zwischen den Gehirnhälften nach der Callosotomie gestört war, was zur Entdeckung der „Konfabulation“ führte—einem Phänomen, bei dem das Gehirn Geschichten aus unvollständigen Informationen zu generieren scheint. 
Diese Erkenntnis ist mittlerweile wichtig für das Verständnis von Erkrankungen wie Alzheimer. Heute verstehen wir, dass Informationen, die wir über unsere Sinne aufnehmen — wie Sehen, Hören oder Fühlen — nicht nur von einer der beiden Hirnhälften verarbeitet werden. Stattdessen gelangen diese Informationen in beide Gehirnhälften.
Fakten zum Hemisphären-Modell
In den Wissenschaften hat dieses Konzept nie Anklang gefunden. Warum es trotzdem in den Köpfen der Menschen hängen blieb?
Weil die Idee ein Phänomen einfach erklärt bzw. ein Vorurteil stützt: Die eine Seite sei emotional und kreativ, während die andere rational und logisch ist.
Selbstverständlich werden Unterschiede festgestellt, wenn man das Gehirn eines Künstlers mit dem eines Wissenschaftlers vergleicht. Und auch, wenn man Musiker vergleicht, die jeweils ein anderes Instrument spielen. Doch das sagt nichts aus.
Es gibt keine Gehirnhälfte oder -Areale, die nur für bestimmte Aufgaben zuständig sind – alles ist vernetzt. Linkshänder sind also nicht per se kreativer als Rechtshänder.
Das große Missverständnis liegt bereits in der Grundlage: Wenn man nach Unterschieden sucht, werden diese auch gefunden. Kognitive Verzerrungen, wie Motivated Reasoning (Motivated Cognition, „motiviertes Denken“) oder der Bestätigungsfehler, kommen hier zum Tragen.
Der Struktur-Funktions-Mythos :
Bestimmte Gehirnareale sind für bestimmte Aufgaben zuständig
Diese Theorie nennt sich Lokalismus und ist in Psychologie und Psychiatrie weit verbreitet. Verständlich, denn auch dieses Konzept passt zu unserer Alltagsvorstellung: Der Magen verdaut, die Lunge atmet und das Gehirn steuert. 
Diese Theorie hat ihren Ursprung in der Phrenologie, einer pseudowissenschaftlichen Lehre, die im 19. Jahrhundert populär war. Die Annahme: Form und Struktur des Schädels geben Aufschluss über Persönlichkeit und Verhalten eines Menschen. Phrenologen glaubten, dass bestimmte Bereiche des Schädels mit spezifischen Charaktereigenschaften und Fähigkeiten verknüpft sind und untersuchten diese, indem sie die "Hügel" und "Gruben" auf der Kopfoberfläche ertasteten. 
Fakten über das Gehirn
Die Wissenschaft weiß heute, diese einfachen Vorstellungen sind nicht richtig. Denn die Verdauung beginnt bereits mit dem Speichel, die Atmung benötigt Mund- und Nasenraum zur Luftaufnahme, und das Gehirn agiert und reagiert zusammen mit dem gesamten Organismus.
Es ist eigentlich seit Langem bekannt, dass Struktur-Funktions-Zuordnungen unzulänglich sind. Zum Beispiel beim Sehen: Dabei sind über 30 verschiedene Hirnareale und rund 900 Verbindungswege beteiligt. Entsprechend haben Regionen wie der präfrontale Kortex viele verschiedene Aufgaben – darunter visuelle Wahrnehmung, Bewerten und Gedächtnisverarbeitung. 
Eine Ursache dieses Hirnmythos liegt in der Fehl-Interpretation von bildgebenden Verfahren: 
Im MRT sieht man keine Neuronen und auch keine elektrischen oder chemischen Signale. Man schließt vielmehr aus einem Muster, indem die Maschine Veränderungen im Blut-Sauerstoff in bestimmten Arealen misst. Daraus folgern Forscher dann, ob die Nervenzellen an gewissen Stellen aktiver sind.
Welche Bereiche farbig hervorgehoben werden, damit sie im Anschluss von Menschen interpretiert werden können, entscheidet ein Algorithmus. 
Der Persönlichkeits-Mythos 5:
Persönlichkeitstests sind aussagekräftig
Persönlichkeitstests sind beliebt – in Unternehmen und auch im Privatleben. Die Idee ist ebenfalls einfachen Vorstellungen geschuldet. Sie bieten einen scheinbar direkten Zugang zur Selbstreflexion und zur Einschätzung von Charaktereigenschaften. Im Grunde sind Persönlichkeitstests eine Art modernes Horoskop, nur eben mit weniger Sternzeichen und damit weniger Variabilität. 
Am populärsten ist der sogenannte Myers-Briggs-Persönlichkeitstest im Internet. Allerdings beruht dieser Test nicht auf fundierter wissenschaftlicher Psychologie, sondern auf Theorien von C. G. Jung. In seinen Konzepten flossen zudem auch Elemente der damaligen Astrologie und Alchemie mit ein.
In wissenschaftlichen Bereichen wird gerne der Big Five Persönlichkeitstest genutzt, weil man ihn für fundiert und empirisch belegt hält.
Fakten – methodische Fehler & Kontext
Die Bezeichnung “Test” suggeriert Wissenschaftlichkeit, doch der Myers-Briggs-Test ist definitionsgemäß kein Test. 
Erster Grund: Personen müssen über einen längeren Zeitraum mehrmals getestet werden, wenn man relativ zuverlässige Ergebnisse erzielen möchte. Ein mehrmaliger Persönlichkeitstest mit zeitlichen Abständen wird aber nicht gemacht.
Zweiter Grund: Verschiedene Personen müssten den Test auswerten. Nicht ein und dieselben Recruiter oder eine Privatperson selbst.
Auch das Big-Five-Modell ist nicht interdisziplinär anerkannt. Es hat Logikfehler und sein Konzept kann höchstens Teilaspekte der Persönlichkeit betrachten. Es ignoriert die Relevanz von individuellen Erfahrungen und beurteilt vermeintliche Eigenschaften positiv oder negativ.
Die Leistungsfähigkeit und Merkmale einer Person werden nicht nur durch ihren Charakter geprägt, sondern sind auch von den konkreten Lebensverhältnissen bzw. Umständen beeinflusst. 
Nehmen wir zum Beispiel eine junge Frau mit Eheproblemen. Die kann noch so gelassen sein und tolle Abschlüsse vorweisen, doch ihre stressigen Lebensumstände werden sich höchstwahrscheinlich negativ auf ihre Stimmungen, Empathiefähigkeit und Leistungen auswirken. Sowohl im beruflichen als auch im privaten Bereich.
Der Hormon-Mythos:
Serotonin macht glücklich, Dopamin berauscht
Sind wir von Hormonen gesteuert? Neurotransmitter spielen eine entscheidende Rolle im Organismus und sie beeinflussen unsere Stimmung, unser Verhalten und unsere Wahrnehmungen. Allgemein wird dabei Serotonin mit Glück, Dopamin mit Lust und Oxytocin mit Zuneigung assoziiert. Das erweckt den Eindruck, allein die Menge dieser Neurotransmitter in unserem Gehirn bestimme, wie wir uns fühlen und verhalten.
Ein typisches Beispiel: die Serotonin-Hypothese bei Depressionen. Antidepressiva sind oft Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, sie erhöhen also die Serotonin-Konzentration im synaptischen Spalt.
Ähnliches gilt für Dopamin. Die meisten von uns wissen mittlerweile, es wird beim Essen von Schokolade oder anderen Genüssen ausgeschüttet und hat etwas mit dem Belohnungsempfinden zu tun.
Fakten zu Neurotransmittern
Tatsache ist, dass wir nach wie vor nur ein extrem begrenztes Wissen über die genaue Chemie im Gehirn besitzen. Es bestehen keinerlei Indikatoren, die uns zeigen könnten, wie ein „ideales“ chemisches Gleichgewicht aussieht oder wie viel von einem bestimmten Neurotransmitter tatsächlich im Gehirn vorhanden sein muss.
Bzgl. ADs: die Wirkung von Serotonin auf das Wohlbefinden ist nicht so geradlinig, wie oft vermittelt wird. ADs beeinflussen auch andere Körperfunktionen, wie die Regulierung des Körpergewichts oder die Libido. Und es gibt viele Patienten, bei denen Serotonin-Pusher alles nur noch schlimmer machen oder überhaupt nichts bewirken.
Dopamin allein ist nicht für das Gefühl der Lust verantwortlich. Studien zeigen, dass auch andere Botenstoffe, wie Serotonin, Endorphine und Oxytocin, eine entscheidende Rolle einnehmen. Zudem ist in vielen Fällen die Erwartung einer Belohnung oder eines Genusses bedeutender als das Ereignis mitsamt Hormon-Ausschüttung selbst. 
Nicht zu vergessen: Korrelationen sind keine Kausalitäten. Nur weil sich eine bestimmte Hormon-Konzentration in bestimmten Gefühlslagen zeigt, ist das kein Ursache-Wirkungs-Zusammenhang.
Der Mythos vom weiblichen und männlichen Gehirn:
Gehirne von Mann & Frau unterscheiden sich
Dass Frauen besonders einfühlsam in zwischenmenschlichen Beziehungen und stark in Sprachen sind, während Männer hauptsächlich im analytischen und mathematischen Denken brillieren, ist ein bekannter Glaubenssatz. Diese Sichtweise ist jedoch mehr Vorurteilen geschuldet als wissenschaftlichen Erkenntnissen.
Zwar zeigen IQ-Tests, dass Männer oft in Mathe und Frauen in Sprachaufgaben besser abschneiden, aber diese Unterschiede spiegeln lediglich die Normen wider, die wir internalisiert haben – wie eine selbsterfüllende Prophezeiung.
Das wissen jedoch die wenigsten. Kein Wunder, in den Medien sind Unterschiede zwischen den Geschlechtern immer wieder Thema, beruhen allerdings auf Missdeutungen.
Fakten – keine biologischen Gehirnunterschiede
Es gibt keine eindeutigen biologischen Unterschiede zwischen Männer- und Frauengehirnen, da beide Geschlechter unterschiedlichen Lernumwelten ausgesetzt sind.
Bei Erwachsenen ist es oft schwierig festzustellen, ob festgestellte neuronale Unterschiede genetisch bedingt oder durch Umwelteinflüsse geprägt sind. Das Ergebnis ist wohl ein komplexes Zusammenspiel aus beiden Faktoren.
Unterschiede zwischen Probandengruppen werden mit höherer Wahrscheinlichkeit veröffentlicht als Studien ohne signifikante Befunde. Dieses Phänomen, bekannt als Publikationsbias, kann die Wahrnehmung von Geschlechterunterschieden verzerren. Insbesondere in der Geschlechterforschung ist dieser Publikationsbias besonders ausgeprägt, Ergebnisse werden übertrieben dargestellt.
Der Computer-Gehirn-Mythos: 
Das Gehirn ist wie eine Festplatte
Die Vorstellung, das Gehirn funktioniere wie ein Computer, ist ein weit verbreitetes Missverständnis. Entsprechend wäre das Gehirn die agierende Rechen- und Steuereinheit, welche Eingaben mithilfe eines Speichers in Ausgaben umwandelt. 
Diese Idee wird zum Beispiel durch KI-Technologien gestützt. Ein anschauliches Beispiel sind künstliche neuronale Netze: Die Knotenpunkte dieser Netze haben ähnlich wie Nervenzellen mehrere Eingänge, die ihre Aktivierung beeinflussen können. Durch die Bewertung der Verbindungen zwischen den Knoten können Lernprozesse nachvollzogen werden.
Vgl. Entmenschlichte Menschenbilder – Grenzen der Naturwissenschaft
Fakten – Ein Organ ist keine Maschine
Auch wenn Gehirn und Computer oberflächlich betrachtet ähnlich wirken, bestehen tiefgreifende Unterschiede. 
Zum Beispiel das Verständnis von Bedeutung: Computer verarbeiten quantitative Daten, sie verstehen nicht. 
Während ein Computer Informationen ohne Kontext speichert (außer wir geben diesen explizit an) integriert unser Geist jeden neuen Lerninhalt in ein komplexes Geflecht aus Erfahrungen.
Das Gehirn speichert nicht einfach Daten, sondern verknüpft Wissen und Bedeutung mit einer Vielzahl von Assoziationen, Körperempfindungen und Gefühlszuständen.
Überdies hat das menschliche Gehirn die beeindruckende Fähigkeit, seine Kapazität zu erweitern und nach Bedarf ganz neue Verbindungen zwischen den Neuronen zu bilden. Es ist ein dynamisches und lebendiges System, das sich ständig weiterentwickelt.
Trotz aller technologischen Fortschritte wissen wir kaum etwas Gesichertes über die Funktionsweise des Gehirns. Computer und Programme sind zwar komplex, doch grundsätzlich sind ihre Funktionen glasklar an den Aufbau gekoppelt – ihr Bauplan ist uns bekannt. 
Mythos vom determinierten Willen
Die Willensfreiheit ist eine Illusion
Hier geht es eigentlich um Determinismus, also die Vorstellung, dass zukünftige Ereignisse bereits durch gegenwärtige Bedingungen festgelegt sind. Und in der Philosophie diskutiert man seit Jahrhunderten, ob Denken und Handel durch Naturgesetze oder höhere Mächte bestimmt sind. 
Spezielle die Frage nach dem freien Willen bzw. wie sehr unser Unterbewusstsein unsere Entscheidungen beeinflusst, ist hoch interessant. Dass die Willensfreiheit widerlegt sei, wird oft mit dem Libet-Experiment begründet: 
In seinem Experiment 1983 entdeckte Libet, dass er bereits ein elektrisches Signal im Gehirn beobachten konnte, bevor die Teilnehmer überhaupt den Wunsch verspürten, sich zu bewegen etc. – das sogenannte Bereitschaftspotential. Ein ähnliches Experiment von 2008 führte sogar zum Ergebnis, dass die Entscheidung im Gehirn bis zu 10 Sekunden früher, also bevor sie ins Bewusstsein gelangte, fiel. 
Fakten zum Libet-Experiment
In der Diskussion wurde oft übersehen, dass Libet selbst und viele andere Forscher diese Interpretation nicht unterstützten. Und Libet untersuchte auch nicht die Willensfreiheit, sondern das Zeitfenster zwischen dem Bewusstseinserlebnis und motorischer Aktivierung.
Übrigens: Libet stellt fest, dass ein Bereitschaftssignal auch dann auftrat, wenn sich die Probanden gegen eine Bewegung entschieden. D. h. damit lässt sich nicht das Verhalten vorhersagen. 
Viele ähnliche Studien ignorieren, dass Menschen ihre Handlungen im Voraus planen oder diese auch mittendrin abbrechen können, eben je nach Situation und Umwelt – beides wurde in den Experimenten jedoch ausgeschlossen. Im Gegenteil, es gab keinerlei äußere Reize: Die Teilnehmer lauerten auf einen Drang, sich zu bewegen, weil konkrete Verhaltensregeln aufgestellt wurden, die so im Alltag gar nicht gelten. Das macht weder eine unbewusste noch eine freie Entscheidung möglich.
Vgl auch Geist und Gehirn, Mensch & Person – Ich ist nicht Gehirn
Mythos: Ich als Illusion
Es gibt kein Ich, nur das Gehirn
In den Neurowissenschaften wurde lange nach dem Ort gesucht, an dem sich unser Ich aufhält. Je nach Forscher gab es verschiedene Vorschläge, zum Beispiel der Präfrontalkortex oder das mediale Frontalhirn.
Es fanden sich jedoch auch viele Stimmen, die das Ich zur Illusion erklärten. Die Begründung: es gibt keine zentrale Region im Gehirn, von der alle anderen abhängen. 
Das erinnert nicht von ungefähr an den Homunkulus-Mythos aus dem 17. Jh. Denn auch hier wird eine Instanz vorausgesetzt, die im Gehirn als Zentraleinheit wahrnimmt, denkt und steuert.
Fakten zum Ich-Empfinden
In der Neurowissenschaft zeigen zahlreiche Studien, dass das Gefühl eines „Ichs“ aus einem komplexen Zusammenspiel vieler Gehirnareale resultiert, die miteinander kommunizieren und interagieren. 
Es existiert keine spezifische Region, die alle anderen kontrolliert oder die für unser Bewusstsein verantwortlich ist; vielmehr funktioniert das Gehirn als Netzwerk.
Tatsache ist, dass unser Selbstgefühl und unsere Identität aus einer dynamischen und fluiden Verbindung von Erfahrungen, Emotionen und kognitiven Prozessen hervorgehen, welche weit über die biologischen Gehirnfunktionen hinausgehen.
Fazit: Fakten über das Gehirn
Die Idee, den Menschen und all seine intellektuellen sowie kulturellen Leistungen lediglich auf sein Gehirn zu reduzieren, ist sehr abgehoben. In diesem vereinfachten Konzept wird der Mensch als Subjekt und Person in seiner komplexen Vielschichtigkeit nicht mehr wahrgenommen. 
Allerdings ist es immer die ganze Person, die Erfahrungen macht, nachdenkt, Entscheidungen trifft, fühlt oder Erinnerungen besitzt.
Quellen: 1) Wiwo: Diese Mythen ranken sich um unser Hirn 2) Kompetenzzentren für Nervensystem, Gehirn sowie seelisch-psychische Krankheiten 3) Wikipedia: Zehn-Prozent-Mythos 4) Wikipedia: Himisphärenmodell 5) Deutschlandfunk Nova: Hirntypen sind ein Mythos 6) Theodor Schaarschmidt: Gibt es Geschlechterunterschiede im Gehirn? (Spektrum der Wissenschaften) 7) Anna von Hopffgarten: 5 Irrtümer über unser Gehirn (Houman Resources) 8) Max-Planck-Gesellschaft: Das Gehirn von Frauen und Männern 9) Stephan Schleim: Mythen der Hirnforschung – Was stimmt wirklich?
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