#Warburgs Formeln
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High Speed
1.
Ich arbeite in Hochgeschwindigkeit, hoffentlich verlieren die Redaktion und die Drucker heute nicht noch die Geduld. Ich schreibe für die "Sozialen Systeme" einen Aufsatz über Warburgs Formeln, die Pathosformeln. Das ist unter anderem ein Beitrag zur Geschichte und Theorie von Referenzen, die Wendungen sind und bleiben, sich insofern nicht inwendig auf der Seite der Selbstreferenz und nicht auswendig auf der Seite der Fremdreferenz halten können. Sie wechseln sogar windig zwischen dem Selbst und dem Fremden, verwechseln Systeme mit anderen Systemen, mit Umwelten und mit völlig unsystematischem Zeugs. Damit spielen sie für Kulturtechniken eine wichtige Rolle, sie reagieren auf eine und reagieren mit einer Rigidität des Unverbindlichen.
Warburgs Formeln sind auch Teil von kalkulierbaren Formen, dabei aber sollen sie mit Unbeständigkeit, Meteorologie und Polarität umgehen, denn von allem dem sind sie auch gezeichnet, sie zeichnen es nicht nur. Text ist fertig, Fußnotenapparat noch nicht, im Laufe des Tages wird es werden. Diese Formeln taugen nur phasen- und stellenweise für eine Theorie der Selbstreferenz, denn sie formulieren und formatieren regende Wendereferenzen. Kleiner Teaser für besonders hungrige Mäuler, der Anfang:
2.
"Das Folgende ist ein Beitrag aus derjenigen Kulturtechnikforschung, die Bild- und Rechtswissenschaft ist. Wir, das ist eine informelle, kleine Gruppierung am Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte und Rechtstheorie, gehen in Thesen davon aus, dass es soziale Systeme und Zeitschriften gibt. Wir gehen aber auch davon aus, dass es beides durch Schein und zum Schein gibt. Das ist ein Schein, den wir auch als vis und visio (das sind beides wahrnehmbare und ausübbare Effekte) begreifen. Er ist Teil von Wissen, das technisch auch auf ungesicherter Grundlage reproduziert wird und dabei andere Episteme übersetzt, zum Beispiel Glauben, Meinen, Träumen, Phantasieren oder Ahnen, auch von Delirien und Phantasma wird so etwas gewußt.
Man kann und soll diese mehr oder weniger sichern epistemischen Weisen unterscheiden, weil man auch ein Auge auf solche Übersetzungen haben soll – und das soll man, weil sie sich durchsetzen und durchsetzt sind. Rein kommen sie nicht vor. Wir gehen also davon aus, dass es soziale Systeme und Zeitschriften auch dann gibt, wenn dafür gesicherte Gründe fehlen oder dasjenige was in ihnen geschrieben wird, überhaupt nicht feststeht. Darüber hinaus begreifen wir diesen, trotz allem gebenden oder vorkommenden Schein als etwas, das im Namen von Wissenschaft, Meinung und Glauben der Gesellschaft so wichtig ist, dass sie wiederum alles dasjenige davon, was richtig sein soll, aufwendig schützt und verteidigt und alles dasjenige davon, was falsch sein sollen, aufwendig bekämpft.
Noch einmal anders gesagt gehen wir davon aus, dass es Dogmatik gab, gibt und geben wird, und dass das der Gesellschaft viel Wert und viel Kampf wert ist. Dogmatik ist in dem Sinne die kulturtechnische Reproduktion desjenigen Wissens, das als und mit vis/visio gemeint wird und über wahrnehmbare und ausübbare Effekte zur Erscheinung gebracht wird. Den Begriff den Dogmas verstehen wir als Begriff für das Wissen, das technisch (artifiziell) zur Erscheinung gebracht wahrnehmbar und ausübbar wird. Warum es Dogmatik gibt, soll hier nicht geklärt werden.[ii] Für Dogmatik braucht man keine Juristen und Theologen, nicht unbedingt Anwälte, Gesetzgeber, Richter und Polizisten, auch keine akademisch qualifizierten Wissenschaftler und Experten, auch wenn die sicher alle Hilfe anbieten. Man braucht dafür Kulturtechniken, die Wissen artifiziell, also durch Technik erscheinen lassen, wahrnehmbar und ausübbar machen. Solche Kulturtechniken formulieren, formieren und formatieren Wissen, durch Form, die mit Information und Noise einhergeht. Die Kulturtechniken händeln und bestreiten Wissen, sie operationalisieren Differenz, tilgen, löschen oder vernichten Differenz aber nicht und stellen sie auch nicht ab. Weil sie Differenz operationalisieren, sind sie per definitionem normativ. Sie werden selten als dogmatisch beschrieben, oft aber (nämlich wenn sie nur dem Recht eigen sein sollen) als juristisch, manchmal (wenn sie nicht nur dem Recht eigen sein sollen und dem Recht auch fremd sein können) als juridisch.
Die Rigidität des Unverbindlichen interessiert uns also im Kontext solcher Kulturtechniken. Dazu möchten wir Aby Warburg als einen Rechtswissenschaftler, genauer gesagt als Rechtshistoriker und Rechtstheoretiker vorstellen. Ein zentraler Begriff bei Warburg lautet dort zwar nicht Form, aber meint eine Formel und das ist auch Form, die wiederholt und wiederholend sein soll, er nennt sie Pathosformel und versteht sie als ein Element solcher Kulturtechniken.
Eine Pathosformel zeichnet auch Unterscheidungen, also auch Distinktionen, auch Distinktes (also zum Beispiel auch Heiliges und Sakrales, aber auch Dämonisches) und zeichnet so etwas auch ab. Eine Pathosformel zieht, das heißt kontrahiert und distrahiert, trägt, verträgt, überträgt und trainiert in diesem Sinne so etwas auch, lässt es tragen, betrachten und trachten (also damit zielführend planen). Alles, was entweder steht oder sich bewegt kann sie in dem Sinne formieren, formulieren und formatieren, immer wird dann dadurch Regung gehen, die Warburg gesteigert als Pathos, passioniert und pathologisch versteht.
3.
Die Gruppe, in der ich zwar arbeite und aus der heraus ich diesen Text geschrieben habe, für die ich aber nicht Sprecher bin, ist unter der Begriff Theoriemosaik von Marietta Auer, im Rahmen der Forschung zur Privatrechtstheorie und multidisziplinären Rechtstheorie zusammengestellt und wird mit den Mitteln des Leibniz-Preises von Marietta Auer finanziert. Der Text kommt, wie wir sagen, aus Auerhaus, einem selten zu treffenden, aus luxuriösem und großzügigem, aber scharf streitenden Forum. Kollegen bezeichnen das als Rückzugort und Elfenbeinturm, dass sie das schätzen, das ist mehr oder weniger wahrscheinlich.
We strike back, alle diejenigen, die behaupten, dass Kulturtechnikforschung keinen Sinn macht, keine Rechtswissenschaft und nicht auf der Höhe der Zeit, irrelevant und qualitätszersetzend für deutsche Fakultäten und Fachbereiche sei, also zum Beispiel die Beispiele, die man nicht nennen soll. Wir sind Juristen geworden, um Streit führen zu können und zurückschlagen zu können.
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Nie wieder Käthe Kollwitz
Immer wieder vogue und vague. Nie wieder krieg' ich das aus dem Kopf. Warburgs Ikonologie liefert Geschichte und Theorie normativer und kooperativer Rekursion, anders gesagt: rekursiver und kooperativer Normen, anders gesagt: normativer und rekursiver Kooperation. Bilder sind aus Bildern gemacht und Worte aus Worten. Warburg ist dabei zwar auch an engsten Stellen, Phobien, interessiert, die als Selbstreferenz für den Bestand einstehen sollen, bei aller Variation also sichern sollen, dass man es immer noch mit dem Bild zu tun hat, auch wenn alle Details bereits ausgetauscht wurden oder dass man es auch dann noch mit Recht zu tun hat, wenn alle Details bereits ausgetauscht wurden. Zu diesen Stellen weist er aber keine Referenz mit fester Größe aus. Zu den Stellen weist er Referenzen aus, die pendeln, zum Beispiel 'Bilderfahrzeuge' oder Pathosformeln.
Die Querela, das (Klage-) Begehren aus den Stanzen ist keine Urform der Pathosformel, die Warburg als begehrende, verkehrende und verzehrende Pathosformel und damit selbst als Pathosformel einer vaguen und voguen Gabe, eines untergründlichen aber immerhin situativen, polaren und meteorologischen Opfers sichtet und greifbar macht. Sie ist eine Episode, eine Stelle, eine Passage, die protokollarisch datiert und lokalisiert werden kann und darin zu ihrer Präzision findet. Die ukrainische Kämpferin, die den linken Arm oder den rechten Arm nicht mehr zur Anzeige des Opfers hebt und mit dem anderen Arm nicht mehr die Geste vollzieht, die Ripa in seiner Iconologia als Keuscheitsgeste gedeutet hat, die nicht beide Arme hebt wie Giottos Spes oder die kleine Figur auf der rechten Seite der Tafel, die dort für antisemitische Propaganda einstehen soll,weil ihr Verzehren des Opfers eine Schändung sein soll, sondern die nun lässig, durch und durch lässig, durch den Schlafraum der Kaserne, Tracht über die Schulter geworfen, zieht und damit noch einen meteorologischen Schauer und Schweif von Soldaten hinter sich her zieht, ist keine Endfigur dieser Pathosformeln. Später können die Arme wieder hochgehen, die Geste auch wieder keusch werden. Nie wieder ist jetzt wieder vogue und das wird die Pathosformel weiter verkehren lassen. Weil nie wieder jetzt wieder Vogue ist, verkehren doch die Formeln und bleiben nicht in sich. Warburgs Ikonologie ist vergleichende Meteorologie und Polarforschung.
Vogue Ukraine cover
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Regung
1.
Aby Warburgs Rechtswissenschaft ist keine allgemeine Rechtswissenschaft, das ist eine besondere Rechtswissenschaft. Aby Warburg weiß etwas von einem Recht, das man Regime, Regie, Regierung, Regel, Regulierung oder aber auch nur Regung oder Regen nennen kann und dessen Aufgabe darin liegt, die Regung (das ist Bewegung/ Animation und 'Verursachung`im Sinne einer Annahme von Gründen und damit Haftung') zu operationalisieren, die operationalisiert werden soll, weil sie unbeständig und meteorologisch (schwebend, vergehend und vorübergehend situiert) ist und weil durch diese Regung weiter, auch außerhalb der Regung Unbeständigkeit und Meteorologie erscheint.
Das mag ein bisschen kompliziert sein, aber nicht total kompliziert.
2.
Diese unbeständige Regung regt auch Unbeständigkeit an, die meteorologische Regung regt Meteorologie (schwebende Situationen) an. Sie ist ansteckend, anstossend, anstössig, affizierend, sie passiert - und lässt sich passioniert erfahren oder auch erleiden, sie ist für Warburg ein Problem.
Diese Regung soll nach Warburg operationalisiert werden, das heißt: ein Umgang mit ihr soll möglich werden, sie soll händelbar oder bestreitbar, handhabbar, sie soll tragbar, wahrnehmbar und ausübbar werden, es sollen Routinen, Protokolle, Akte, Formeln, Formulare oder Formate entwickelt werden, die institutierend sein sollen: man soll mit allem dem die Regung durchhalten und ihr auch etwas entgegenhalten können.
Dasjenige an der Regung, das nach Operationalisierung ruft oder drängt, also die Unbeständigkeit und Meteorologie der Bewegung soll nicht getilgt oder abgestellt werden, die Bewegung oder Regung soll nicht stillgestellt werden, das soll alles wie gesagt operationalisiert werden, händelbar und bestreitbar gemacht werden. Was an der Unbeständigkeit und der Meteorologie ungewiss, unsicher, unkontrollierbar, ungreifbar, unsichtbar oder unerhört ist, auch das soll nicht nicht vernichtet werden. Routinen und Protokolle sollen einen Umgang - und eine Kooperation ermöglichen, die Warburg im Begriff des Distanzschaffens fasst und als Kulturtechnik begreift.
Man soll, man muss Warburgs Geschichte und Theorie des Distanzschaffens als Beitrag zu einer Wissenschaft von symbolischen, normativen, juridischen und juristischen Kulturtechniken begreifen, als Beitrag zu dem, was Ihering Scheidekunst nennt, was Luhmann als eine Zug der Distinktion begreift, was Vismann als Linienzug und Referenzstruktur begreift und was ich als Scheiden, Schichten und Mustern begreife.
3.
Die Kooperation ist ein Mitmachen, das ist unter anderem auch Pathos, Passion, Passivität (Erleiden/ Leidenschaft) - aber keine Unterwerfung, keine Fatalität, keine Ergebenheit ins Schicksal. In der Operationalisierung durch ein Distanzschaffen, das für Warburg dazu da ist, der Bewegung oder Regung und in der Bewegung oder Regung Wort und Bild geben zu können, Orientierung und Handlung zu ermöglichen und einen Denkraum zu gestalten, soll eine Leistung liegen, in der man zu der Bewegung oder Regung auch Nein sagen kann, ihr gegenüber widerständig und insistierend bleiben kann und Abstand wahren kann, aber eben auch Ja sagen kann.
Warburgs Rechtwissenschaft nimmt ihren Ausgangspunkt nicht direkt im Eigentum, nicht in Totem und Tabu, nicht im Verbot oder dem Gebot, nicht in den Regeln zur Tötung oder zur Unzucht, zu dem Mord und zu dem Inzest. Er fängt nicht bei den typischen anthropologischen oder psychoanalytischen Elementen an. Noch einmal: Sie nimmt ihren Ausgangspunkt in derjenigen Regung, die unbeständig und meteorologisch ist und insoweit mit auf einer Seite mit Unsicherheit, Ungewissheit, Ohnmacht oder Unkontrollierbarkeit einhergeht. Konkret fängt er mit dem Wechselgeschäft an, der kommt er schließlich her.
4.
Diese Regung nennt Warburg polar, er bescheibt sie unter anderem als Schwingung oder Pendeln, zeigt sie unter anderem als Drehung, Rotierung, Verkehrung, Verschlingen, Schlängeln, Tanzen.
Wo er die Regung polar zeigt, zeigt er sie oft über zwei Gebärden, von denen eine auf ekstatische Weise erregt ist, wähend die andere besonnen ruht. Sowohl die Ekstase als auch die Besonnenheit lassen erkennen, dass Warburg das Polare unter anderem mit den Eigenschaften der Sonne assoziiert und mit dem, was von der Sonne ausgeht, d.i. Energie, die wandelbar und dabei unter anderem als Schub und Hemmung vorkommt
Die Ekstase und die Besonnenheit assoziiert Warburg mit der Melancholie (der 'Bipolarität'), mit der Phobie und konzipiert die Phobie damit als etwas, was der Furcht oder Angst noch vorausliegt und eine Energie der Affekte ist, mit der die Affekte Formen annehmen, die erst in der Annahme der Form zur Furcht/ Angst, zur Liebe oder Wut, Trauer oder Euphorie werden. Jemand hat sich dem Thema gewidmet, dazu ist viel zu sagen. Die Phobie ist vague, sie ist wellenweise wie die leuchtenden und dämmernden Lichtstrahlen, und geht der Form der Affekte voraus. Die Phobie ist nicht die Furcht, die Phobie ist das Vague der Affekte und Affektionen, das in Form zur Furcht, aber auch zur großen Freude werden kann. Die Phobie sind die tragenden trachtenden Wellenlinien, die in Formation kuratiert und darin erst dasjenige annehmen, dem als Affekt Wort und Bild gegeben werden kann, dann etwa Angst oder Liebe heißt.
Warburg entfaltet das implizit, stumm: durch Anordungen von Objekten und Bildern und er entfaltet es auch explizit. Dabei ist er nach 30 Jahren Arbeit erst am Anfang seiner Arbeit. Meine Deutung der Warburgschen Wissenschaft nimmt ihn ernst, nimmt sein Material ernst, nimmt jedes Detail ernst. Ich insistiere zum Beispiel darauf, dass die kleinen Verfälschungen seinen Materials in zukünftigen Editionen dringend korrigiert werden müssen. In der Edition der "grundlegenden Bruchstücke" muss dringend etwas korrigiert werden: er spricht 1896 mit dem Anwalt Melchior über die mancipatio, nicht eine municipatio (die es nicht gibt), er hat das sorgfältig auf seinen Zetteln notiert und dieses Detail ist mehr als wichtig, denn die mancipatio ist ein Regung, mit der eine Unbeständigkeit operationalisiert werden soll, nämlich der Umstand, dass ein Sklave in der römischen Gesellschaft seine Position wechselt, seinen Eigentümer wechselt. Possession erscheint hier unbeständig. Die römische Gesellschaft fusst unter anderem auf dem Herrschaftsverhältnis, das patronal ist, in dem der pater familias der Eigentümer anderen Menschen ist und sie teilweise sogar nicht seine Personen, sondern seine Dinge sind. Das Herrschaftsverhältnis und die Ordnung basieren immer auch darauf, dass nichts verwechselt wird. Und doch wechselt der Sklave seinen Herrn und der Herr seine Sklaven. Wenn plötzlich an dieser Bindung, die wir Eigentum, die Engländer aber besser possession nennen, etwas aufgelöst und an anderer Stelle wieder eingehakt wird, dann setzt nach Gaius das römische Recht eine Pathosformel in Gang, die Institutionen investieren für diesen Vorgang die Pathosformel, die man mancipatio nennt. Ein Sklave wechselt den Eigentümer, die römische Gesellschaft versteht das als venditio, das ist zwar als Verkauf übersetzbar, aber auch als Wirbel, als Gebläse, Wind und Windung. Da wirbelt etwas auf, das soll operationalisiert werden, dafür ist die mancipatio da: die gibt dem Wirbel Form, übersetzt das Vague und die Phobie in Form, macht die Form wahrnehmbar und ausübbar, wenn man so will: in relativ geordneten Bahnen, aber nicht total geordneten Bahnen.
3.
Also: ich nehme Warburgs Material ernst, aber das heißt auch, dass man einen Abstand zu Warburg haben muss. Und insofern ist seine Wissenschaft 1929 immer noch erst am Anfang. Viele Widersprüche, die gar nicht verschwinden sollen, stehen noch auf eine Weise da, die mir hinderlich erscheint, natürlich nicht mir persönlich, sondern dafür, zu sehen, wie weit Warburg in seinen rechtswissenschaftlichen Ansprüchen geht.
Insofern geht meine Deutung über Warburgs Explikationenm teilweise hinaus, aber nicht über seine Implikationen. Man kann Warburg mit Warburg widersprechen, unter anderem seinem launischen Umgang mit der Figur der Fortschrittes. Das ist ein polarer Umgang mit dieser Figur, ein melancholischer oder manisch-depressiver Umgang mit der Idee des Voran - und stünde Warburg vor einem, müsste man es ihm sagen dass er gerade mal wieder arg in eine Richtung ausschlägt, wenn er entweder von der ewigen Wiederkehr der Bestie Mensch spricht oder aber glaubt, die Kirche habe in der Geschichte des Opfers es geschafft, irgendeine Realität des Opfers zu überwinden oder loszuwerden.
4.
Gestern war Antrittsvorlesung von Marietta Auer, und nach einem langen Vorspann, der freundlich didaktisch war (und mir scheint, dass er an ein sehr allgemeines Publikum adressiert war) ging es ab der Halbzeit richtig zur Sache, in dem Fall: zu Harmonie und zu Zahlen, Da wurde der Vortrag in den Passagen zu Bodin gerade zu warburgesk, in Passagen zu Pico della Mirandola und Leon Battista Alberti - und dann zu Details der Geometrie, Arithmetik und Harmonik wurde es richtig feurig: Auer legte Formular und Formate für ein Recht bloß, das in dem Fall die Kunst oder Technik der Vergütung oder Gutmachung, der Veredelung ist und in Zahlen, durch Zahlen operiert (man soll zählen und zahlen, damit etwas gut gemacht wird). Sie hat die Geschichte von Kulturtechniken bloßgelegt, die als Mathematik und Musik (und in ihrem Einsatz in juristischen Texten von Bodin oder della Mirandola) auch Illusionen sind, aber das Illusorische daran eben auch Formular und Format ist, unter dem Reales passiert, passieren kann und passieren soll.
Marietta Auer hat das feierlich und aufwendig gemacht (das Malion Quartett hat sie engagiert und Hörsaal 3 scheint mir akustisch perfekt für Streichquartette zu sein, jede Artikulation und Nuancierung bleibt scharf und nirgends entsteht Echobrei oder verläuft sich etwas, bevor es ins Ohr ging: man sitzt dort wie mit teuren Kopfhörern und doch im Saal mit Saalklang, ein Wunder.
Eine große Anzahl von Leuten ist gekommen, akademische Familienfeier hat Onkel Kadelbach das genannt, war es auch. Es war super und nicht nur sie hat gestrahlt. Die vielen Gespräche danach, die später im sogenannten Niddasack fortgesetzt wurden, bis in die Nacht sich zogen - und damit auch diesen langen, langen Zettel wiederangestoßen haben sind Effekte davon, sind Folgen der Antrittsvorlesung, sind Folgen des Umstandes, dass Marietta Auer das Talent hat, Verhältnisse zu eröfnnen, in denen gedacht, gewußt, überlegt, konzipiert, verworfen, gezweifelt, wahrgenommen und geübt werden kann. Manchmal wird scharf geschossen, manchmal herzlich gelacht, immer geht es ziemlich zack zack. Auer hat auch ein bisschen Münchner Glamour hach Frankfurt gedacht, man dachte kurz, Hubert Burda säße im Publikum, war aber nur ein Doppelgänger oder entfernter Verwandter. Manche im Publikum hatten auch einfach ihre Brille nicht auf, und sie verwechselten dann in leicht beschwingter Euphorie andere im Publikum mit anderen, noch glamouröseren Leuten.
Am Rande hat mich ein Kollege auf Patricia Seed aufmerksam gemacht: Irre, kannte ich gar nicht! Muss ich natürlich kennen, gehört quasi zum Kanon dessen, wozu ich arbeite - und ich hatte nie von gehört! Das ist auch der Sinn von Luxus, der Überfülle ist, um Überfülle händeln zu können: man trifft sich am Buffet an gegrillten Hühnerspießen, kurz hinter den Sektgläsern und stellt dann plötzlich fest, dass man mitten im Kanon eine klaffende Bildungslücke hat.
We are alle possessed, wir gebärden uns, so what?
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Brasilia, oder: Wo Pflugzeug war soll Flugzeug werden
1.
Heute habe ich die Ehre, auf Einladung von Marcelo Neves an der juristischen Fakultät in Brasilia meine Forschung zu juridischen Kulturtechniken vorzustellen, insbesondere das Projekt zu Aby Warburg. Mich ehrt besonders, dass Ricardo Spindola mit mir debattieren wird.
2.
Brasilia ist eine Hauptstadt der Moderne. Brasilia ist, so sagt man, auf dem Reißbrett entstanden, ist also das, was auch manche Fäden in der Moderne sein sollen: gerissen. Diese Hauptstadt (eine Kapitale) lässt mit ihrer Gerissenheit in der Moderne noch einmal Antike nachleben, genauer gesagt den Akt, mit Linien Städte oder Staaten zu gründen, wo vorher keine gewesen sein sollen.
Mit demjenigen Zeug, das man Pflug nennt, sowie einem Ochsen und einer Kuh hat man das einmal gemacht, Leon Battista Alberti erzählt davon noch in seinem Lehrbuch von der Sache der Gebäude. Die Erbauer von Brasilia haben, noch einmal 500 Jahre nach Alberti, Antike nachleben lassen, gleichzeitig aber das Imaginäre der Gründung gleichzeitig mit dem Flug, dem Abheben und dem Take-Off assoziiert, wie man das in der Moderne und unter dem Dogma großer Trennung so gemacht hat:
Lá onde arar era, avião devo devir, where planalto was, plane shall became Wo Pflugzeug war soll Flugzeug werden
Vielleicht war das ein Versprechen, eventuell sogar von der Art, wie sie auch Aby Warburg zu machen pflegte. Das hieße dann, dass dieses Versprechen verbindlich gewesen wäre und doch den mal witzigen, mal dämonischen Untergründen solcher Versprechen aufsaß.
Der frühe Entwurf des Stadtplans, den Lucio Costa zeichnete, wurde unter anderem als Form eines Flugzeuges interpretiert, woraufhin er irritiert reagiert haben soll, weil er wohl an ein diplomatisches Wesen, nämlich einen Falter gedacht haben soll. Das eine schließt das andere allerdings nicht aus, nicht in der Welt des Traum, des Witzes und damit auch jener Versprechen, zu deren größten Kennern Aby Warburg zählte: Mitten in der Moderne, mitten im technischen Gerät sitzt ein Insekt, mitten im Menschwerk das Animal. Warum denn nicht? Andere sagen das doch auch. Als Lúcio Costa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich auf dem Hochland in einen ungeheuren Stadtfalter verwandelt. Oder aber so: Als Lucio Costa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich auf dem Planalto in einen ungeheuren Piloten verwandelt. Was und wie auch immer, den Wettbewerb hat er gewonnen.
Idea vincit, das kann man wohl so übersetzen: das Bild siegt (vincio) oder bindet (vinco), auch wenn das Bild ein Bau und der Bau eine Puppe ist.
2.
Rechtstheoretisch macht der Akt, der dank und durch Linien etwas gründet, dasjenige, was George Spencer-Brown zu einer Art Gebot des Kalküls der Formen erhob: er zeichnet eine Unterscheidung, draws a distinction. Das ist nicht nur mathematisches Kalkül, kann nicht nur juristische Methode sein, es kann auch eine juridische Kulturtechnik sein.
Zwischen 1990 und 2000 gab es an den deutschen Rechtsfakultäten zwei interessante, herausragende Positionen, die zu solchen Zeichnungen/ Drawings Ausführliches zu sagen hatten: Das waren (erstens) Gunther Teubner, in dessen Buch von 1990 das Formenkalkül von Spencer-Brown (wie Luhmann) in einer Theorie ausdifferenzierter sozialer Systeme auftauchte. Er eröffnete mit dem einem Zug eine Rechtstheorie des Zuges, der zügigen Form und schließlich von Formeln, die er in einer Kette von förmlichen (!) Anregungen, die über Luhmann zu Warburg führen, später dann auch Transzendenz-, Konsistenz- und Kontingenzformeln nannte. Zweitens war das eine Position, die sich selbst erst in den 10 Jahren abzeicjneze, dann aber umso erstaunlicher, sonderbarer und anregender: Cornelia Vismann. Ihre Arbeiten zu gründlichen Linien, die man auch als Fäden, Furchen oder Falten verstehen kann, markieren den Ausgangspunkt zur Geschichte und Theorie juridischer Kulturtechniken, wie sie inzwischen, zwar vereinzelt und doch international gesammelt, hier und entsteht.
Beide, Teubner und Vismann haben das Zeichnen (so will ich den Zug übersetzen) rekursiv verstanden. Das heißt, dass man Linien aus dem macht, was man bereits hat, um zu bekommen, was man noch nicht hat. Rekursion bedeutet: man kommuniziert Kommunikation, man spricht das Sprechen, schreibt das Schreiben, zählt die Zahlen. Während Teubner die Idee der Rekursion im Rahmen einer Theorie ausdifferenzierter, autopoietischer Systeme und Selbstreferenz verortete, verortete Vismann die Idee der Rekursion in einer Archäologie des Begehrens.
Teubners Rekursion hält sich in der Aktualität laufender Kommunikation auf, er bewahrt darin etwas von der Moderne und dem Ideal der Moderne. Vismanns Idee der Rekursion kommt im Vergleich zu den Abstraktionen und Systembildung, den Codes und Reflexionen bei Teubner verschlammt und staubig daher: die Rekursion sitzt auf, darum forscht Vismann archäologisch.
Mir geht es heute nicht darum, zwei hochgeschätzte, geliebte Kollegen gegeneinander auszuspielen oder ihre Vorzüge und ich Nachteile so zusammenzusetzen, dass eine dritte, nun perfektionierte Theorie dabei herauskäme. Ich will nicht die Mängel Teubners mit der Fülle Vismanns stopfen und nicht die Mängel Vismann mit der Fülle Teubners; auch will ich die Exzesse Teubners nicht mit einer Vismanndiät in Maß bringen oder die Exzesse Vismanns durch Teubneraskese zügeln. Die beiden haben nur eins gemeinsam: das sind die Probleme, die sie teilen. Ich will auf das Problem hin orientieren: es ist das Problem gründlicher Linien oder zügiger Formen, das sind Formen, durch die Regung geht.
Meine These lautet: will man über die Moderne oder über Multiplizität nachdenken, dann kommt man nicht drum herum, über gründliche Linien und zügige Formen nachzudenken, seien das nun wie bei Teubner Kommunikationen oder technisch und operativ gedacht Züge oder aber (objektorientiert und nach Vismann gedacht) Fäden/ threads, Falten/ foldings oder Furchen/ furrows. Man wird wie immer darüber nachdenken müssen, wie man Unterscheidungen zeichnet, das heißt auch: wie man Unterscheidungen wahrnimmt oder ausübt. Wenn man also darüber nachdenkt, kommt man in Bezug auf die Geschichte der Rechtswissenschaft im 20. Jahrhundert an einer weiteren Figur nicht vorbei: Das ist Aby Warburg. Seinen Beitrag will ich vorstellen und zur Diskussion stellen. Ich werde dazu kurz seine beiden 'Staatstafeln' vorstellen, erläutern, welche Rolle gründliche Linien dort spielen und schließlich darauf eingehen wie er so die Rechte aus den Lateranverträge wahrnehmen lässt. Die These lautet, dass Aby Warburg mit den beiden Tafeln das Manual und die Summa einer Rechtsgeschichte und Rechtstheorie vorgelegt hat, die - apophatisch gesagt - nicht allgemein, nicht universal, nicht ausdifferenziert und weder kontrafaktisch stabilisiert noch kontrafaktisch stabilisierend sein soll. Positiv ausgedrückt: er liefert eine besonderer Geschichte und eine besondere Theorie für das Recht, nämlich ein Recht, das unbeständig und polar sein soll- und dessen Rationalität darin liegt, Bewegungen und Regungen händeln zu können, die schwer berechenbar bis notorisch unkalkuierbar sind.
#Brasilia#wo pflugzeug war soll flugzeug werden#la onde arar era aviao devo devir#where planalto was plane shall became
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Warburgs Staatstafeln
Meine Forschung gilt grundsätzlich dem Verhältnis zwischen Recht und Bild. Die Methode, derer ich mich bediene wird als Kulturtechnikforschung (Steinhauer, 2015) bezeichnet. In einem Teilprojekt dieser Forschung befasse ich mich im Momentmit einer Schlüsselfigur der Moderne im Übergang zwischen dem späten 19. Jahrhundert und dem frühen 20. Jahrhundert: Aby Warburg. Der war nicht nur Kunsthistoriker, Kultur- und Bildwissenschaftler. Er war auch ein Banker, ein Rechtswissenschaftler und ‚Polarforscher‘ - alle Berufe hängen bei ihm dicht zusammen und formieren einen eigenen wissenschaftlichen Gegenstand. Warburg erfüllte nicht die gesetzlichen Voraussetzungen, um einen den klassischen Berufe eines Juristen ausübern zu können. Er war aber zum Rechtswissenschaftler berufen - und hat mehr als 30 Jahre lang an einer Geschichte und Theorie von einem Recht geforscht, dass er von der Regung (Bewegung) her gedacht hat, sogar einer besonderen Regung her, nämlich einer polaren Regung.
Das Projekt beschäftigt sich darum mit den sonderbaren und bisher noch nicht umfassend gewürdgten Berufen Warburgs, dem Juristen und Polarforscher Warburg. Es beschäftigt sich weiter mit dem daraus entwickelten Gegenstand der Warburgschen der sowohl als Recht als auch als Bild bezeichnet werden kann .Die These lautet, dass, was den Gegenstand dieser sonderbaren Warburgschen Wissenschaft betrifft, die Begriffe Recht und Bild Synonyme bilden können. Warburg ist im 20. Jahrhundert nicht der einzige, der Bild als Recht und Recht als Bild betrachtet. Pierre Legendre ist ebenfalls ein moderner Bildrechtswissenschaftler. Warburg ist derjenige, der mit seinem kunsthistorischen und bildwissenschaftliche Denken am bekanntesten ist - dessen rechtswissenschaftliche Beiträge aber weitgehendunterschätzt werden. Warburg ist nicht nur eine Gegenfigur zu Pierre Legendre, sondern auch ein Kritiker dessen, was man abgleitet von Jack Goody das Dogma der großen Trennung nennen kann und zu dem die Vorstellung gehört, dass ein 'westliches Recht' sich exklusiv durch Ausdifferenzierung und erfolgreicher Trennung von anderen, zum Beispiel vergangenen und 'niedrigeren' normativen Erscheinungen abheben auszeichnen würde. Für das Forschungsprojekt ist warburg vor allem deswegen wichtig, weil er sowohl das Recht als auch das Bild in Bezug auf Unbeständigkeit, Meteorologie und Polarität denkt.
Zwischen 1896 und 1929 entsteht in mehreren Schüben eine Wissenschaft vom Recht und vom Bild, in der Recht und Bild weder ausdifferenziert noch stabil oder stabilisierend ist. Warburg interessiert sich für ein polares und polarisiertes Recht, also ein Recht, durch das eine Regung geht, in der Kehren, Kippen, Wendungen und Drehungen vorkommen – und das in Form von Bildern erscheint. Recht heißt in dem Sinne auch Regung oder Regen, also auch regendes Bild Warburg rekonstruiert die Geschichte des Rechts nicht als Geschichte der Dogmatik, der Gesetzbücher, Verträge oder Entscheidungen, sondern als Geschichte der Kalender, Akte(n), Formeln, Protokolle, derjenigen Kulturtechnik, die er ‚Distanzschaffen‘ nennt und zu der präzise Vorstellungen über Symbolisierungen entwickelt.
Warburgs Begriff des Distanzschaffens erinnert an Ihrerings Idee der Rechtswissenschaft als einer Scheidekunst. Warburg verbindet damit aber keine Theorie der Abstraktion, der Isolierung und einer fortschreitenden Differenzierung, sondern eine Theorie unbeständigen oder meteorologischen Rechts. 1929 legt Warburg mit zwei Tafeln aus dem Bildatlas, an dem er seit 1924 arbeitet, eine Summe seiner Forschung. Diese Tafel gelten den Lateranverträgen, Mussolinis Versuchen, internationale Kreditwürdigkeit zu erlangen und den Ambiguitäten der Verträge. Das Projekt stellt die Geschichte und Theorie dieser Tafeln vor und entwickelt die These, dass diese Tafeln sowohl die Summa als auch ein Manual von Warburgs Bild- und Rechtswissenschaft sind.
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Was ist Performanz?
1.
Ich lache mich tot: das Weltgericht fragt mich nach den Gründen nicht. Was für ein Scheibenkleister!
Das Protokoll, das einen alles mit allem verbinden lässt, was für ein Scheibenkleister. Heinrich von Kleist schreibt doch grimmig vom Weltgericht und einem Tod, der geschlagen werden soll (nicht geschossen). Totschlagen soll man nach Kleist diejenigen, die nicht deutlich, sondern frank sprechen. Und dann kommt Tarantino und macht Witze darüber, natürlich in einer Kellerbar und mit Deutschen, famen und infamen Figuren an einem Tisch. Na toll, Treppenwitze der Geschichtenwelt.
Drei unerbittliche Gläser richten die Situation, wegen einer Geste, die falsch sein soll, weil sie fremdzählt und einem kontrafaktischen deutschen Offizier seine Täuschung heimzahlt. Die ganze Menschheit, notiert Aby Warburg in seinen Notizen, sei schizoid.
2.
Die Schize fällt dem Warburg auf, weil er ein melancholisches Talent hat, also alles mit allem verbinden kann, alles von allem unterscheiden kann, alles mit allem austauschen kann, nur nicht immer mit dem selben Schub und der selben Hemmung. Bei ihm sind die Tropen auch mal traurig, auch mal fröhlich, er selber auch mal der wütende Pedant, der donnernde Direktor und drängende Familienvater, der unnachgiebig nervende Bruder seiner Brüder und Schwestern, die ab und zu ihn bitten müssen, er solle doch jetzt mal nicht auf den Kösterberg kommen, sondern lieber mal in der Heilwigstraße bleiben, es sei gerade alles etwas zu viel. Dann wieder wird er von Lob überschüttet, weil er so ein witziger und herzlicher Gastgeber ist. Dem Warburg fällt auf, dass die ganze Welt schizoid ist - und ein Teil der Welt bedankt sich dafür, dass er die Diagnose erhält, er sei schizoid. Er kommt ins Asyl, die Welt soll draußen bleiben.
3.
Wie, hat der Tarantino Martin Schongauer studiert und Heinrich von Kleist? Hat er die Gesten der Weltenrichter studiert, hat er Derrida gelesen? Kann sein, muss aber nicht sein. Alles mit Norm und Form belegt, wenn es passiert ist.
Die Bilder und die Begriffe kursieren auch ohne Autorisierung - und dadurch verschwinden nicht einmal die Subjekte, nicht die Objekte. Dadurch sind sie frequentierbar, messbar, missbar, musterbar, schichtbar, scheidbar. Science at the bar, die Zugänge und Ausgänge trainiert, so stelle ich mir die Kulturtechnikforschung vor. Es ist strittig, wie sie sich entwickelt haben soll. Angeblich, so lauten Thesen, habe Vismann und der Kittlerkreis das Subjekt fallen lassen, so lese ich sie nicht, ich lese sie aber so, dass sie fruchtbar werden. Ich lese mich ein. Man kann jede Stelle dooflesen und schlaulesen. Glaubt man wirklich, der Robert Alexy wissen nichts von der wilden Welt, wenn er seine abstrakten Formeln schreibt? Glaubt man wirklich, der Habermas wissen nur mit halbem Maß, wie limitiert die Rationalität sei? Sie schreiben alles in Details, die kontrahieren und distrahieren. Darum ist Kant Systemtheoretiker und Dekonstruktrivist, darum kann der Diskurs, der sich bei Gunther Teuber auf polare Weise entspannt, systematisch und dekonstruktiv weitergeführt werden, die Transzendenzformeln sind schon Pathosformeln, wie die Kontigenz- und Konsistenzformeln vor ihnen und nach ihnen welche sind. Die Form passiert und aktiviert, die Norm passiert und aktiviert, beide sitzen einen achronologisch geschichten Material auf, einem sedimentären und aufrührbaren Geschichte.
So ist Tarantinos Szene ein kleines, brachiales, brachyologisches Courtroomdrama und der Versuch, freie (bare) Assoziation/ bar association gelingen, glücken zu lassen, wenigstens langen und lingen, schwungvoll kippen zu lassen. Jedes Details der Szene ist wohlinformiert, weil es rauscht. Dass hier der Weltenrichter aufgrund minderwertiger Mimesis (Nachahmung mit kurzer Haltbarkeit ) zum Affen wird (der deutlich Deutsche durchschaut ihn und sagt, es sei ihm genug mit dem Affentheater), dass der durchauende Deuter und bald durchlöchert verschlungene Laokoon dann die Walther zieht und mit der Walther auf die Testikeln zieht, das zieht die rhetorica ad herennium (in der die Hoden eines sündigen Bockes das Beispiel eines starken und forensischen Bildes bilden) aus dem Gedächtnis, den Walter Benjamin und sein finalen Witz (nur eine Pointe, nur eine Pointe!) im Umgang mit Gesetz und Gewalt auch.
Die Walther ist gerichtet, der Witz gerettet. Die Humorlosen können auch so die Faust ballen, es ist eh alles too much, too soon und dazu noch zu spät, die Katastrophe ist gelaufen und im übrigen im Gange. Die Szene aus Inglorious Bastards kann genial erscheinen, jedes Detail scheint dann zu passen, weil es passiert - und weil es einem achronologisch geschichteten Material aufsitzt, dem man triebhaft verflochten sein kann. Die Szene ist bastardisch, in Tardes Sinne kreist die Mimesis hier exzessiv auf und ab, in hohen Tiefsinn und mindere platte Kalauer. Man kann inspiriert sein, muss es aber nicht. Das schließt nicht aus, dass man die Szene langweilig, doof, platt, banal, zynisch und total daneben finden kann. Man kann sie als dichte Szene und als pathologische Spielerei mit Geschichte sehen. Diese Szene ist ambigue, weil sie am Biegen ist und damit wie ein Weltenrichter auf einem Bogen sitzt, oder aber wie ein Witzbold unter einem Tonnengewölbe, wie der Dionysus. Das Tragische der Szene kann thrakisch belacht werden. Diese Szene kann als Beitrag zu einer juridischen Ikonographie gelesen werden. Man könnte ein ganzes Semester nur an dieser Szene aufhängen, um eine Anfängerübung zu Geschichte und Theorie des Rechts daran zu entfalten oder ein Forschungskolloqium zur Bild- und Rechtswissenschaft. Cogito aktualisiert flugs sich, das Subjekt, das Objekt und dazu noch sein Händeln und Handeln, sein Trachten und Tragen.
Glaubt man wirklich zweifelsfrei daran, dass man sich darin erschöpfen würde, immer wieder über uneinige Probleme mit reflexivem Recht oder über Derrida, Luhmann, Steinhauer, über Regeln und Fiktionen, Kontrafakturen und kontrafaktische Stabilisierung und Warburg zu schreiben? Glaubt man wirklich zweifelsfrei daran, man würde nihilistisch und mihilistisch etwas zu Kulturtechniken schreiben und dabei nicht an die Verbindlichkeiten und Limits des Rechts glauben? Man glaubt an den ganzen Scheibenkleister inklusive seines unerbittlichen Glases, seiner Durchschaubarkeit, die das Begehren und den Verkehr nicht stillen. Sie stillen ja nicht einmal das Gesättigte, Saturierte und Satyrische.
4.
Eduard Buzila hat im Kontext seiner an Hannah Arendt entwickelten Geschichte und Theorie des Flüchtigen/Flüchtlings passend darauf hingewiesen, dass Kompetenz Performanz und Performanz eine Rolle und ein Rollen, ein laufender Manteltausch sein kann, der über die Bühne geht. Der hat Recht und Kulturtechnik studiert. Die kontrafaktische Stabilisierung ist eine perfor(m)ierte Kleidung, auf porös löchernde Weise sittlich und kleidsam. Die Iurisprudenz darin ist ein Scherz und Ernst. Meine Forderung an Studentinnen und Studenten: Jede(r) soll einen Zettelkasten von der Größe von Blumenbergs oder von Luhmanns Zettelkasten haben, aber nicht jeder soll ihn wie Luhmann oder Blumenberg verwenden.
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8. Salon
Klein und kurz: Die Ausstellung, die Roberto Ohrt, Axel Heil, Kurt Schmid, Conrad Hübbe und ich im achten Salon aufgebaut haben. Das war auch Anlass, meine Forschungsergebnisse zu WarburgscStaatstafeln das erste mal öffentlich in Hamburg vorzustellen. Ich durfte 3 Stunden reden, vielen waren nicht da, aber die da waren, die waren sehr großügig und hilfreich. Wenn ich mich nicht irre, haben sie große Augen und weite Ohren gemacht.
Warburgs Rechtswissenschaft beginnt 1896 mit Gesprächen, die er aufgrund einer anthropologischen Lehre bei den Hopi, mit einem nicht großen, aber kleinen Anderen, nämlich mit dem Juristen Sally George Melchior über Symbole geführt hat. Die anthropologische Lehre sagt ihm nicht, dass woanders alles anders ist.Sie lässt die Fremde kaum entdecken. Sie sagt, dass alles das was hier vorkommt auch da vorkommt, nur in anderer Reihenfolge, anders geschichtet und anders assoziiert, anders verkettet zum Beispiel. Sein Interesse an dem, was wir Bild nennen, passt insofern nur teilweise in die Einrichtungen der Kunstgeschichte und gar nicht in einer Geschichte der Ausdifferenzierung oder großen Trennung. Warburg fragt darum einen Juristen, welche Bildgeschichte das römische Recht hat. Beide unterhalten sich auf einem Schiff über die mancipatio, das ist ein Akt, eine Formel, ein Protokoll, eine symbolische Rechtshandlung - Gaius nennt sie einen bildlichen Verkauf, oder, wenn man das Wort venditio in der Übersetzung voll ausschöpft, ein bildliches Getöse oder Bildgebläse, ein 'eroberndes' oder zumindest aus und zur Oberfläche kommendes Wirbeln. Ein Verkauf im modernen Sinne ist die mancipatio nicht, sie ist zum Beispiel kein Vertrag, kein synallagma (und bleibt insoweit eher eine einseitige Handlung und Erklärung). Die mancipatio ist eine 'Pathosformel' unter den Institutionen des römischen Rechts. Nicht immer dann, wenn sich etwas in oder an der römischen Gesellschaft bewegt kommt sie zum Einsatz. Nur wenn wichtige, ernsthafte, oberste, quiritische, quasi pathetische Dinge bewegt werden, wenn sie ihre Position wechseln, weil ihre Zugehörigkeit oder aber das Eigentum an ihnen gewechselt wird, kommt sie zum Einsatz. Einen Sack Bohnen kann man ohne mancipatio erwerben, Stroh, Wasser, Dinge das täglichen Verbrauchs kann man ohne mancipatio erwerben. Dinge, die die römische Ordnung reproduzieren und die darum grundsätzlichen ihren Platz oder ihre Stelle halten sollen, die kann man nur mit Hilfe der mancipatio erwerben. Sie zähmt, züchtet, sanktioniert und kanalisiert eine Bewegung, wenn man so will: sie reguliert sie, wenn auch so, wie die Hopi reign the rain and let the reign rain. Alles was darin regiert, regt (sich) auch.
Aus der Beschäftigung mit der mancipatio wird bei Warburg von 1896 bis 1929 in mehreren Stationen eine Rechtswissenschaft, die gleichzeitig als Polarforschung betrieben wird. Aus dem Wechselgeschäft kommend sieht Warburg nämlich auf ein Recht, an dem alles wechselbar ist, an dem und in dem und durch das sich was regt. Das Recht mag eine Scheidekunst sein (Ihering), bei Warburg läuft die Kulturtechnik des Distanzschaffens selbstverständlich auch im Recht und durch das Recht mit. Das Recht legt darin zwar auch etwas fest, aber Warburg interessiert sich für das, was es bewegt, wie es auf Bewegung reagiert und wie es bewegt ist - und dass es unbeständig bleibt. Er entwickelt die Rechtswissenschaft nicht am Gesetz und nicht an Sätzen, nicht an Werten oder Entscheidungen, sondern an dem Akt und den Akten, an den Formeln, Protokollen, Listen und Tabellen: an allem dem, was am Recht eingesetzt wird, um Bewegungen zu operationalisieren, die schwer berechenbar sind und ungesichert bleiben, die also meteorologisch sind. Das ist Rechtswissenschaft aus dem Geist des Kalenders, einer Zeitmessung und Raumplanung, deren Sicherung immer ungestillt und unerfüllt bleibt. Der Mensch tracht und Gott lacht.
Die Staatstafeln bilden die Summe dieser Rechtswissenschaft. Die kleinste Einheit (anders gesagt: das Ding oder Objekt) dieser Wissenschaft ist zwar auch eine Norm oder normativ (denn sie ist Effekt einer anderen Scheidekunst: des Distanzschaffens). Bei Warburg ist so eine Einheit aber eine Norm, die zugleich ein (choreo-)graphischer Akt ist, choreographisch deswegen, weil der Körper immer schon mimetisch agiert und reagiert, also aus den Körpern schöpft.
Beide Staatstafeln in der Größe, wie sie aus und für Warburgs (Choreo-)Graphien entstanden, also ,Originalgröße'. Warburg ist 1,63 m groß, also so groß wie ich. Die Tafeln sind Warburgs Gegenüber: jede ist ein Objekt, das gehändelt werden soll und an dem neben dem Sehen und Zeigen auch das Hantieren zum Protokoll der Nutzung gehört. Die Tafel haben einen Bezug zu Warburgs Körpergröße und sogar zur Größe seiner Hände, die Körpergröße der abgebildeten Figuren entspricht maximal der aufgespannten Hand von Warburg. Das Bild, das Mussolini beim Handschlag vor dem Lateranpalast zeigt, macht das deutlich.
Dazu hatte ich Bildmaterial zur römischen Kanzleikultur, zur niederen Bildgeschichte des römischen Rechts und zu Warburgs Arbeitsmaterialen aus dem Februar 1929 mitgebracht: Pancirolis Ausgabe der notitia dignitatum mit ihren Protokollen, Tabellen, Tafeln und Listen, Bilder des Münchner Codex der notitia dignitatum, Bilder von Fotos, die Warburg in Rom sammelte oder dorthin mitbrachte (das Bild vom Umriss des neues Staates und dasjenige von Carl Melchior sowie die Protokollskizze vom 10.2. 29). Dazu haben wir Tafel C, die mit den Polobjekten, Tafel 77, 6 und 41 (zur Fortuna) gezeigt. Kurt Schmid hat Material aus Kreuzlingen und zum Schlangenritual mitgebracht. Ohrt hat gefunkt und gefunkelt, der achte Salon ist eine Institution, weil Ohrt eine Institution ist. Im Zentrum der Ausstellung: ein Modell des Moskauer Funkturms. Was will man mehr? Wunderbarer Einstieg in die Herbstsaison und das Wintersemester.
Allmählich ballt sich eine Expertise zur Ausstellung juridischer Objekte.
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Anfängerübung
1.
Von Anfang an anfangen und von Anfang an anfänglich sein: Ab heute unterrichte ich an der Bucerius Law School. Ich lehre zu forschen - und zwar anfänglich. Ich mache das, um Kontakt zu den Leuten zu bekommen, die um 2005 herum geboren wurden und jetzt anfangen, Rechtswissenschaft zu studieren. Das heißt, dass eine Kombination aus Pygmalion-Komplex und Zombieness mich antreibt: Man will Leute formen und ihre Frischheit anzapfen. Das ist der Deal, dafür gibt es Credit Points.
Die Bucerius Law School zahlt bescheiden, weniger als ein Viertel von dem, was man in der Schweiz für einen Lehrauftrag bekommt. Die deutschen Juristen sind die Weber des 21. Jahrhunderts. Vielleicht sind Textilmetaphern in der Branche deswegen so populär, weil sie Trost spenden sollen. Wenn man schon wie die Weber bezahlt wird, soll man sich wenigstens einreden, es seien Texte, die man macht.
Gut, dass ich genug Geld anderswo verdiene und so großherzig bin, nicht wahr?
2.
Grundlagenforschung kann auch heißen, avanciert und ohne Rückendeckung zu arbeiten. Man muss nicht am und im Kanon arbeiten, nicht 'anschlussfähig' sein und nicht im Agendasetting miteilen. Die Adressaten der Arbeit müssen nicht die Alphatierchen-Silberrücken des Wissenschaftsbetriebes sein.
Rechtstheorie und Rechtsgeschichte kann man auch betreiben, in dem man sich mit stummen Routinen, Objekten und Bildern, mit Außenseitern und Unerschlossenem befasst. Das Material, das man erforscht, muss keine Rechtsquelle sein, die Autoren müssen nicht juristisch qualifiziert sein. Man kann auch andere Fragen als die nach der Geltung des Rechts stellen.
Inhaltlich befassen wir uns mit Warburgs Staatstafeln, also mit Bild- und Rechtswissenschaft sowie der Forschung zu juridischen Kulturtechniken. Die Teilnehmer sollen lesen, schreiben und denken (Markus Krajewski), fragen und recherchieren lernen. Sie sollen vor allem von Anfang an ihren (wissenschaftlichen) Apparat aufbauen.
Man muss nicht luxuriös studieren, kann das aber tun.
3.
Tafel 58 betitelt Gertrude Bing mit der kurzen Anmerkung: Kosmologie bei Dürer. Natürlich taucht der Sol Iusitiae dort auf - und Tafeln, die Polarforschung unter anderem als Forschung zu Formeln und Symbolen betreiben, die pendeln und in deren Bewegungen dann Kehren, Kippen und Wenden vorkommen (etwa, weil sie wiederkehren oder ihre Bedeutung umkehren). Polarforschung findet man hier auch als Forschung zur Geschichte und Theorie der Melancholie - und auf dem Bild Melencolia I gleich eine Reihe von Polobjekten.
#Anfängerübung#Bucerius Law School#Polarforschung#Polobjekte#Kosmologie bei Dürer#Kosmologie#Albrecht Dürer#Tafel 58
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Pathosformeln und Mancipationen
hunc ego hominem ex iure quiritum meum esse aio isque mihi emptus esto hoc aere aeneaque libra.
Auf Tafel 7 des Atlasses, der Tafel, die Bing mit dem Siegerpathos assoziiert, findet sich eine Abbildung aus dem Chronographen von 354, dem sog. Kalender des Filocalus. Der Kalender des Filocalus ist stammt aus der römischen Verwaltung und, wie die notitia dignitatum, ist ein Teil 'römischen Verwaltungsrechtes'. Gleichzeitig handelt es sich bei beiden Quellen um ein niederes und schwaches Material, das unterhalb der Schicht derjenigen Codices kursiert, die später als Bücher des römischen Recht oder Gesezbücher verstanden werden. Das ist Aktenmaterial, das sind Mittel der Sekretariate, nicht der Gesetzgeber, Richter, Autoren und großen Redner. Im Kalender wird die Zeit gemessen und planbar, er besteht weitgehend aus Tabellen und Listen. Beide Quellen werden offensichtlich schnell oder bald hoch geschätzt, sie müssen schon früh auch prunkhaft kursiert sein - und ihre Attraktivität sichert ihnen ihre Kopie, allerdings führt das auch dazu, dass der Schlüsselkodex der notitia dignitatum im Übergang zum Buchdruck verschwindet - zuviele Begehrlichkeiten. Trotzdem handelt es sich um niederes und schwaches Material: Das Material hat und braucht keinen Autor, keine große Referenz, keine große Trennung. Das ist unbeständiges Material, laufend wechselt der Bestand - bis hin zu den Verwechslungen, mit denen noch bei Goodrich und Legendre die Vorstellung sich bildete, Alciatus sei ein Autor von Textpassagen der notitia dignitatum. Das ist also niederes Material, weil die große Referenz in ihm nicht vorkommt, und es ist schwaches Material, weil es leicht (ver-)wechselbar ist, schnell also auch sein kann, was es eben nicht war - plötzlich kein Recht mehr, sondern Religion oder Magie oder Dada. Dafür müssen beide Quellen nicht einmal etwas an ihren Formen austauschen.
Warburg wählt ein Bild aus dem Kalender, das den Bildern in der notitia dignitatum verwandt ist (dort etwa den Darstellungen der Comes oder aber der Darstellung der Roma). Das ist das Bild der Stadt Trier, der Kolonie Augusta Trevorum. Warburg wählt es u.a. wegen der Geste, dem Griff. Dieses Bild zeigt keine mancipatio, und doch ist es, was die mancipatio ist. Man kann beides so assoziieren, das etwas daran eins ist - und durch diese eine assozierte Stelle die Kontraktionen und Distraktionen der Deutung ziehen. Man könnte diese Beschreibung abmildern und sagen, der Einsatz der Hand in der mancipatio und der Einatz der Hand auf diesem Bild, die Bilder seien doch nur vergleichbar, nur ähnlich - und man dürfe keine Differenz dazwischen unterschlagen. Man kann aber keine Differenz unterschlagen, Differenz geht vor und wirkt weiter, dieses scheinbar sorgfältige Hinweischen darauf, dass man keine Differenz unterschlagen dürfe, stammt meist ja ohnehin aus eingerichteten Stübchen. Da sehe ich für Milde keinen Grund. Auch auf Tafel 7 ein römischer Akt, eine römische Formel, römisches Recht, eine Pathosformel und eine mancipatio, ein Bild, eine symbolische Handlung. Die Kontrationen und Distraktionen gehen durch, durchgehend: also rücken sie auch an eine Stelle, in der dann eins das andere ist.
Gaius schildert die Spruchformel, die ein Teil der ganzen Formel ist, man sagt, das sei ein Zitat (s.o.). Und weil Gaius dort nur einen Menschen erwähnt, nur von einem Menschen spricht, der erworben sei, sagen manche, er schreibe nur ein Beispiel dieses Satzes. Das konterkariert seltsam mit er Aussage, die mancipatio sei formal äußerst strikt gewesen. Und was muss ich sagen, wenn ich eine eein Grundstück am Tiber kaufe? Wieso liefert Gaius keine Liste der Formeln für alle Mancipiumsachen? Der liebe Gaius ist ein bisschen damit belastet, selbst zur großen Referenz geworden zu sein. Er ist darüber ein bisschen lückenhaft und ungenau geworden.
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Akten
Nächste Deadline: Warburgs Akten. In dem Aufsatz, der in einem Sammelband zur Geschichte und Theorie der Akten erscheint, schreibe ich zur Frage, inwiefern Aby Warburgs Tafeln Akten sind.
Im November 2022 hatte ich dazu in Wien einen Vortrag gehalten; im Wiener Staatsarchiv und im Militär- bzw. Kriegsarchiv Archiv hatte ich gleichzeitig zu einer der vielen Herkunftslegenden, man kann sagen: der ursprünglichen Legenden über Warburgs Tafeln geforscht, nämlich zu der Behauptung von Gombrich, dass Warburg diese Tafeln von Fritz Saxl, der wiederum von der österreichischen Armee übernommen hätte. Es gibt einige Vorbilder für die Tafeln.
Das sind also zum Beispiel die Tafeln, die Saxl als Ausbilder u.a. für die Artillerie, wo er im ersten Weltkrieg hochdekoriert eingesetzt wurde und von denen ich nach Studium der Personalakten Saxls mir spekulativ vorstellen kann, dass er dort auch Graphen für Projektile und andere Geschosse oder aber mathematische Formeln zeichnete, deren Ernst und deren Bedeutsamkeit für den Einsatz im Krieg (man zielt damit auf die Richtigen, nicht auf die Falschen) es auch rechtfertigt, diese mathematischen Formeln Pathosformeln zu nennen, zeichnete. Saxl war guter Mathematiker, das half ihm nicht nur für seine kunsthistorische Expertise, die insbesondere Rembrandt, aber auch der astrologischen und astronomischen Literatur und Bildgeschichte galt. Der konnte Kurven und Ellipsen berechnen, egal ob das jetzt Planeten oder Meteore oder Granaten waren. Saxls Tafeln können dem Warburg ein gutes Vorbild gewese sein. Dann gibt es, besonder gut erläutert, dasjenige Vorbild, das Thomas Hensel nach ein Vorbild für Warburgs Tafeln war, nämlich ein Klapptisch, eine Art Reißbrett. Auch das kann dem Warburg ein gutes Vorbild gewesen sein, fantastisch auch die Beweisführung, die Thomas Hensel quasi auf den Tisch gelegt hat und die ich seitdem nicht mehr ignorieren, quasi aus dem Blick wieder löschen kann.
Ich gehe davoon, dass Vorbilder Referenzen sind, die vague oder vogue sind, die also vagabundieren und pendeln können. Für Warburgs Tafeln kommt ein Vorbild in Betracht, das durch heterogene Objekte gewandert ist, das also durch seinen Tisch und Saxls Tafeln gewandert sein kann. das Vorbild kann auch durch die Einrichtung in den Räumen der Warburgs gewandert sein, die römisch tabulinum oder tablinum genannt wird und zwischen privater und öffentlicher Sphäre einen Arbeitsraum, ein 'home office', ein Sekretariat, ein Büro oder eine Kanzlei bildet. Dort standen bei den Warburgs Tische und Regale (also horizontale und vertikale Tafeln) und an den Wänden hingen noch einmal vertikale Tafeln und Tabellen. Weiter noch kann das Vorbild auch durch römische Akten gewandert sein, durch den Kalender des Filocalus von 354, den Warburg im Atlas verwendet und der ein Modell derjenigen Akten ist, die primär kalendarisch, zeitmessend, zeitgliedernd und zeitverwaltend arbeiten. Als zweites wichtiges Vorbild kommt die notitia dignitatum in Betracht: das Vorbild der Akten, mit denen auch Körperschaften gliedern und gegliedert werden. Dort finden sich auch Bilder von Tafeln, auf denen Tafeln stehen.
Soll man von einem Vorbild oder von Vorbildern für Warburgs Tafeln sprechen? Weil die Voraussetzungen, von denen ich ausgehe, differenztheoretisch genannt werden (ich nämlich davon ausgehen, dass alles das, was vorgeht und immer wieder nachrückt Differenz ist und Identität insofern Differenz aufsitzt und sekundär ist) ziehe ich den Singular vor, spreche also von einem Vorbild, nur eben von einem, das wandert und dessen Form vague und vogue assoziiert bleibt. Die differenztheoretischen Annahmen sollen die Frage nach dem Selben nämlich schärfen, nicht entschärfen. Sie sollen die Frage nach den Übersetzungen und Verstellungen, nach dem Artifiziellen und dem Stellvertretenden, die nach Assoziationen und ihrem Unbeständigen (das weder leer ist noch einer Leere aufsitzt) schärfen und nicht entschärfen.
Mir scheint, dass die Verwendung des Plurals eine Reaktion darauf ist, dass einige den auf Knopfdruck spielen oder aber die große Trennung (man müsse doch unterscheiden!) wie auf Knopfdruck schon bei leichtesten Problemstellungen zücken und anderen darum ebenso leicht als Replik den Plural verwenden. Sagt jemand, warum jemand anderes eigentlich immer vom Recht spreche, das Recht sei doch so unterschiedlich und Wissenschaftler hätten inzwischen mehr als 146 Rechtsbegriffe gezählt, jeden Tag würden Juristen mit neuen Rechtsbegriff aus der Tasche Zaubern und suggerieren, das sei alles Recht, immer wieder das Recht, was ein erlaubter, aber auch billiger Trick, eben Nominalismus auf Knopfdruck ist, dann zücken andere den Pluralisierungsjoker und sagen, das wüssten sie auch alles und sähen es auch als Problem an und würden darum sorgfältig von der Vermehrung und Vervielfältigung der Rechte sprechen. Da kann man auch beim Singular bleiben.
2.
Ich würde von einem Vorbild für Warburgs Tafeln sprechen. Das ist jene Akte, die ein minores Objekt ist und insofern Bilder, Wort und Schrift, Speisen und Getränke, Körper und Geistergeschichte tragen und tragen lassen kann, trachten und trachten lassen kann.
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Pathosformel
Unter anderem diesen Künstler erwähnt Warburg in seinem Vortrag über Dürer und die Antike, um zu erläutern, was er unter einer Pathosformel versteht.
Die These lautet, dass er schon 1896 auch zu Formeln und Akten forscht, die man als Pathosformel begreifen soll, nämlich zu mancipatio.
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Anna Beckers
1.
Super! Super! Super! Wenn man alles das abzieht, was in der Teubnerschule (die darin eben Rechtsschule ist) unverzichtbar ist, nämlich der künstlich verknappte Aufbau von Sparringpartnern oder Pappkameraden, die die Welt nicht hinreichend gründlich betrachten, denen angeblich irgendetwas fehlt und die angeblich nicht komplex genug denken, zu mittelmäßig vorgehen oder sonstwie der Ausdifferenzierung und ihren Höhen der Zeit nicht gerecht werden sollen, wenn man also den Stil des lange angeleiteten forensischen Schreibens mit seiner Schriftsatzlogik und seiner Aufstellung von unterlegenen Rivalen zwar nicht ignoriert, sondern einfach mal hinnimmt und sich nur auf die wichtigen Stellen in diesem Buch konzentriert, dann ist das ein fantastisches Buch, eine scharfe Leistung. Das, das entsetzlich Schriftsätzliche, kommt alles in diesem Buch auch nur in winzigen Dosen vor, Anna Beckers hat mitgeschrieben, vielleicht hat sie es abgemildert.
2.
Das Cover zeigt ein Bild vom Max Ernst, auf der rechten Seite eine Kette von Lettern, das sind minore Objekte, die etwas lassen: Sie sind ausgelassen und lassen aus. Beckers und Teubner beschreiben auch am Anfang des Textes die Letter, greifen dabei auf die Arbeiten des Bildwissenschaftlers Ralph Ubl (wichtig, super! Spezialist für Falten und Furchen!!) und der Kunsthistorikerin Anna Huber zurück.
Diese Hinweise, am Anfang eines Buches, halten wir, das ist eine kleine Gruppe von Kulturtechnikforschern, die Bild- und Rechtswissenschaft betreiben, für ausserordentlich wichtig. Wir halten Anfänge für ausserordentlich wichtig, unter anderem darum die Cover von Büchern, die Anfänge der Texte und die kleinen minoren Objekte, mit denen das Schreiben anfängt, als läge ihm etwas zugrunde, die Buchstaben oder Letter.
Beckers und Teubner deuten Max Ernst und seine Letter vor dem Hintergrund einer protestantisch zugespitzen Kosmologie, für die es eine schriftliche 'Pathosformel' gibt, das ist die Formel creatio ex nihilo. Sie beziehen die Letter auf die Idee einer Produktion oder Reproduktion, die Schöpfung sein und aus dem Nichts kommen soll. Das ist keine allgemeine Vorstellung über Letter, Produktion und Reproduktion, das ist eine geographisch und historisch bestimmte Vorstellung; Beckers und Teubner haben Rechte, sie zu haben. Die Aufgabe der Forschung unser kleinen Gruppe ist es unter anderem zu klären, wie Letttern wandern oder pendeln und wie sie dabei gedeutet werden, welche Assoziationen und welcher Austausch bei diesen Deutungen stattfindet. Die dunkle, kreisförmiger Stelle im oberen rechten Teil des Bildes deuten Beckers und Teubner als Sol (wie in Sol iustitiae), als Sonne (als planetarisches Objekt) und beschreiben es als Gefahr:
And, the most threatening situation arises, as symbolised in Max Ernst’s dark sun, in the dangerous exposure of human beings to an opaque algorithmic environment that remains uncontrollable.
Das Objekt, das sie dunkle Sonne nennen, ist bei Beckers und Teubner phobisch und melancholisch besetzt, sie greifen eine Ikonologie auf, in der Antike nachlebt. Das Apollinische der Sonne wird dort verschoben und mit Opakheit und bleibender, restlicher Unkontrollierbarkeit assoziiert. Weiter wird diese Stelle im Bild mit einem Superlativ assoziiert, das ist nach einer Passage in Warburgs Denken (der dabei auf Hermann Osthoff zurückgreift) ein Indiz, dass man es mit einer Pathosformel zu tun hat: im Superlativ, einem Ausdruck größter Intensität oder intensivster Regung, sollen Leute auf entfernte, nach Warburg antike Formeln zurückgreifen - die dunkle Sonne ist ein antike Pathosformel.
3.
Warum nehmen wir Anfänge, Lettern und solche 'randständigen' Passagen so wichtig, warum suchen wir das Gespräch mit Leuten wie Teubner und Beckers, um mehr über den Einsatz solcher Bild- und Schreibtechniken zu erfahren? Das ist einfach: wir wollen wie immer etwas über jene Umwegigkeit erfahren, die man Technik oder Dogmatik nennt. Man kann Technik oder Dogmatik nicht widerlegen, man kann sie aber relativieren - und an den Relationen sind wir in Form von Assoziationen und Wechseln interessiert. Wir glauben, dass an solchen Stellen, wie dem Cover eines Buches und dem Anfang eines Textes besonders, nämlich auf rege Weise, zeigt, was ein juristisches Subjekt und eine natürliche Person, die man Autor nennt, begehrt, verkehrt und verzehrt. Dort zeigt sich auch das auf besonders rege Weise das, was man Position nennen kann. Verbindlichkeit zeigt sich dort auf die Weise vaguer und voguer Assoziation, kurz gesagt: Das sind klamme Stellen und an ihnen zeigt sich Normativität auf regsame Weise lebend und nachlebend, das Leben und den Tod oder das Nichts verhäkelnd. Dort zeigen sich die Letter, und das minore Objekte, die etwas lassen (zum Beispiel annehmen lassen), indem sie auslassen und ausgelassen sind.
Der Ernst und die ambuigen, biegsamen, allzu biegsamen Figuren lassen sich auch anders deuten, das ist trivial gesagt, denn Figuren sind Regerlein, sie kommen aus der Regung und ermöglichen Regung, die bewegen Deutung. Es ist aber wichtig zu sehen, welchen Wert Beckers und Teubner auf die creatio ex nihilo und auf das Neue legen - sogar so, dass die bereit sind, Altes zu kaschieren und dafür an einer Stelle die Trennung hervorzuheben und den Austausch in den Hintergrund treten zu lassen, die Selbstreferenz ins Licht und die Fremdreferenz ins Dunkle zu rücken. Sie sind dafür sogar bereit, dem Alphabet Absolution zu erteilen und stellen die Buchstaben in einem frühen Zustand so dar, als ob sie dort noch unschuldig gewesen wären. prds von mir aus, aber bevor prds durch das gelobte Land zog, kamen alle vier Buchstaben aus dem wilden Osten, machten unter anderem im heutigen Iran halt. Dass Buchstaben unverschuldet blieben, halten wir für ein Dogma. Wir interessieren uns für Reproduktion und Übersetzung, dafür zum Beispiel, wie Normativität in Normativität, wie etwa Religion in Rechtswissenschaft und Glauben in Wissen übersetzt wird und wie dabei Techniken eingesetzt werden, diese Übersetzung so zu leisten, dass der Text danach als nichtreligiöser oder zumindest säkularer Text erscheinen kann und wie danach die Leser glauben können, sie seien jetzt neue Menschen und keine alten Menschen mehr, sie seien jetzt frei und nicht mehr gebunden. Das ist Kulturtechnik, sie erhält Verbindlichkeiten durch den normativen Zug des Kontrafaktischen.
Unsere These ist unter anderem, dass die Bilder, die Beckers und Teubner verwenden, nicht als Ausweis dessen gesehen werden sollen, was man gemeinhin einen iconic turn nennt. Natürlich drehen diese Bilder etwas, Bilder regen immer etwas, auch in der Weise einer Drehung. Aber allgemein versteht man unter iconic turn ein neues, historisches und bewußtes Auftauchen von Bildern, die vorher nicht dagewesen oder nicht bewußt gewesen sein sollen, danach genau das aber sein sollen. Wir widersprechen.
Die Bilder sind immer da, immer da gewesen, sie sind aber auch immer nur halbe Sachen, halbgeschrieben zum Beispiel oder partly truth and partly fiction, always walking contradiction, wie Pilger das sind. Beckers und Teubners Bilder sind keine modernen oder gar postmodernen Neulinge in der Welt des Rechts, sie sind Teil dessen, was man in römischen Institutionen mit dem Begriff des Musters oder der Musterung, mit dem Begriff decorum assoziiert. Anders gesagt: das Buch zu artificial intelligence und den Haftungen dafür ist mit römischen, juridischen Kulturtechniken geschrieben, das Buch ist auf gründlichen römischen Linien geschrieben.
Die Herrnhuter haben in Gestalt von Vater und Sohn Roentgen schon einen großen Beitrag zur Geschichte künstlicher Intelligenz geleistet, das ist eine These, die ich von Markus Krajewski übernommen haben. Sie haben unter anderem Tische und Sekretäre gebaut, die das Wissen routiniert mobilisieren und platzieren oder präzise rotieren lassen. Mit dem Herrnhuter Teubner gibt es jetzt einen zweiten wichtigen Beitrag dieser Rückbindungsgemeinschaft zur Geschichte und Theorie der beiden Letter A und I, oder wie es in den Spiegeln heißt: I und A.
#anna beckers#gunther teubner#der normative zug des kontrafaktischen#judge a book by its cover#sol iustitiae#dunkle sonne
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Pathosformeln und Manzipationen
1.
Meine These lautet, dass sich Melchior und Warburg 1896 nicht nur über römisches Recht unterhalten.
Sie unterhalten sich auf der kleinen Seereise über die mancipatio, die ist ein Akt, und eine Formel. Sie ist auch ein Protokoll. Sicher ist die mancipatio römisches Recht, aber die mancipatio ist nicht nur römisches Recht. Alles das, was an ihr und in ihr und durch sie vorkommt, kommt auch außerhalb des römischen Rechts vor. Sie ist sogar eine Pathosformel. Schon für Gaius lebt in ihr etwas altes nach. Auch die Antike hatte ihre Antike, wenn man so will lebt für Gaius in der mancipatio die Antike der Antike nach, eine entfernte Zeit.
Warburg wird den Begriff der Pathosformel erst ab 1905, erst mit dem berühmten Dürervortrag verwenden. Im Rückblick tauchen aber schon Formeln auf, die dem Muster der Pathosformel entsprechen, das sogar schon in Warburgs Dissertation zu Botticelli. Die berühmte ninfa fiorentiona, die Warburg 1900 im Entwurf eines Briefes, eines fiktiven Gespräches erwähnt und auf Figur ganz rechts im Bild Ghirlandaios bezieht, die ist eine Pathosformel. Meine These lautet, dass auch die mancipatio eine Pathosformel und dass die Magd, die rechts ins Bild rauscht und das Bild verrauschen lässt, eine mancipatio ist. Man könnte die These abmildern und sagen, das eine sei wie das andere, sie seien vergleichbar, ähnlich oder in vielem gleich. Aber ehrlich gesagt sehr ich keinen Grund, milde zu sein.
Sie (sowohl die Magd als auch die mancipatio) lässt starren, sie fängt eine Bewegung ein, die sowohl Bewegung von Körpern und Tafeln als auch von dem ist, was wir Seele zu nennen gewohnt sind. Sie organisiert einen Übergang oder eine Übergehung, sie lässt das Bild kreisen, und zwar im Sinne von vagire (kreischen). Sie lässt das Bild verschlingen, und zwar im Sinne von phagein. Sie macht ganz schön Welle, sie lässt das Bild vague assozieren. Sie lässt das Bild verkehren, begehren und verzehren.
2.
Dafür gibt es einen Anlaß: Es ist Mittsommernacht, als sie das Bild verrauschen lässt, es ist Johannisnacht, oder aber: Hexensabbat. Das Bild zeigt einen Raum aber auch einen Zeitpunkt, und zwar einen, der einem den Boden unter den Füßen wegziehen kann. Vieles steht in diesem Bild, aber dieses Bild zeigt, wie etwas anfängt zu tanzen. Das Bild zeigt und zeugt Unruhe. Wenn das Recht, wie Luhmann behauptet hatte, kontrafaktisch stabilisierte Verhaltenswerwartung wäre, dann wäre dieses Bild Unrecht, ich glaube allerdings, dass Luhmann mit seiner Idee nicht recht hatte. Ob das, was wir hier sehen, gut gehen wird? Das ist unsicher und es bleibt unsicher. Für Johannes selbst geht die Geschichte nicht unbedingt gut aus, ein Tanz wird ihm den Kopf kosten, der wird auf einer Obstschale enden. Johannis ist nicht Venus im Pelz, er ist der Heilige im Pelz, eine Figur der Transgression.
Wenn Melchior dem Warburg etwas über die mancipatio erzählt, kann es sehr gut sein, dass Warburg das mit den Frauenfiguren assoziiert, über die er promoviert hatte, also mit Figuren, die einen Rausch oder ein Rauschen nicht unbedingt einrichten, aber unbedingt ausrichten. Diese Figuren bleiben exzessiv. Warburg wird Melchiors Hinweise auf die mancipatio auf jeden Fall mit seiner Fragestellung assoziert haben, und das ist eine meteorologische Fragestellung. Warburg fragt nach bewegten und bewegenden Symbolen - weil er (wie die Hopi) eine Regung regieren will. Besser gesagt: er will für meteorologische Bewegungen Routinen entwickeln. Warburg wants to reign the rain and therefore he lets the reign rain. Warburg stellt seine Fragen aus einem Interesse an Unbeständigkeit heraus.
3.
Gaius beschreibt die mancipatio unter anderem so:
Est autem mancipatio supra quoque diximus, imaginaria quedam venditio; quod et ipsum ius proprium civium romanorum est.
Ulrich Manthe übersetzt diesen Satz aus Gaius' Insitutionen wie folgt:
Und zwar ist die Manzipation, wie auch schon gesagt, eine Art symbolischen Verkaufs, und gerade dieses Rechtsinstitut ist Sonderrecht der römischen Bürger.
Die Übersetzung ist verständlich und sie ist ein Kompromiß, sie kommt uns entgehen. Sicher unterschlägt Manthe dabei etwas, verzerrt er etwas. Was ist an dem Akt symbolisch? Er findet ja wirklich statt, nicht nur zum Schein. Man könnte die mancipatio auch einen imaginären, bildlichen Akt oder eine bildliche venditio nennen. Was ist an dieser venditio ein Verkauf? Die mancipatio ist kein Vertrag, kein Synallagma. Einer ergreift etwas, nimmt es sich und behauptet, dass ein Mensch seiner sei. Es ist ein Ergreifen, ein Behaupten, eine einseitige Aktion. Wenn Gaius hier das Wort imaginarius/imaginaria verwendet, dann ist das mit einem besondere Bildbegriff, einem besonderer Begriff für etwas, was Manthe dann symbolisch nennt, verbunden.
Meine These, die an andere Stelle weiter entwickelt wird lautet, dass dieser Begriff mit Bild im Sinne einer Bildung und mit Bildung im Sinne einer Wendung, also eine formalisierten Bewegung und einer bewegten Form verbunden ist. Er ist dem Begriff der figura oder dem Begriff des schemas verwandt, vor allem insoweit auch diese beiden Begriffe Begriffe für formalisierte Bewegung und bewegte Form sind. Venditio ist auch dem deutschen Wort Wendung verwandt, das ist auch dem englischen went verwandt. Wohin die Verwandtschaft führt weiss man nie, nur, dass sie zieht und trachtet, das weiss man. Die vendito entfernt, sie schafft Distanz, sie ist symbolisch, sie dazu noch bildlich zu nennen ist doppelt gemoppelt (und gut gesagt), wenn der Bildbegriff auf die Form und ihre Bewegung abhebt. Die mancipatio ist so gesagtein bildliches Bewegungsbild. Die Aktion/ der Akt ist bildlich, nicht weil alles nur zum Schein stattfindet. Weil es eine Wahrnehmung einfängt, weil es in der Form Wahrnehmung ausübbar und Übung wahrnehmbar macht, darum ist das bildlich. Weil die Formel eindringlich Entfernung vollzieht, bildet sie.
Die Formel ist auch stellvertretend, vor allem aber nicht, weil siefür etwas anderes steht, sondern weil die bewegte Form und die formalisierte Bewegung die Verstellung, die Umstellung einfängt. Der Akt ist stellvertretend, weil er zieht, weil er verstellt, weil er einen Schritt macht. Hier wechselt ein wichtiges Objekt seine Stellung in der römischen Gesellschaft, ein Sklave oder eine Sklavin, die bis heute geheimnisvollen Manzipiumsachen wechseln die Stellung in der römischen Gesellschaft, das wird in der mancipatio eingefangen oder kanalisiert Da wechselt etwas den Bestand. Die mancipatio fängt eine Unbeständigkeit ein oder kanalisiert sie (was ihren Druck auch erhöhen kann). Das Geschäft muss nur dann in der mancipatio formalisiert werden, wenn nach römischer Vorstellung mit dem Geschäft die römische Gesellschaft selbst in Unruhe gerät, wenn etwa dasjenige seine Position wechselt, an dem die Reproduktion der römischen Gesellschaft hängt.
Venditio ist nicht nur mit Verkauf zu übersetzen. Venditio, c'est le vent, le cri (mit Morricone gesprochen). Das ist auch mit Wende, Wendung, Austausch, Getöse, Gebläse, mit Posaunen oder mit Preisung oder von mir aus mit Bohei zu übersetzen (je nachdem, wie intensiv die venditio wahrgenommen wird). In venditio steckt der Austausch einer Wende und eines Windes. Das man Händler und Verkäufer für windige, unruhige Gestalten hält, das ist insoweit richtig, they are vending. Cicero etwa 'verwendet' venditio sowohl im Sinne eines Verkaufs als auch im Sinne von Schrei (wie Marktfrauen schreien und wie es da, wo etwas vogue sind, einen letzten Schrei geben soll). Die venditio wälzt um, sie ventiliert. Die Römer wollen die Regung regieren, sie lassen starren, davon erzählt die kleine Passage bei Gaius.
Sicher sagt man, dass venditio eigentlich Verkauf und uneigentlich, also im nur übertragenen Sinne das Getöse oder Gebläse um den Verkauf herum meine. Eigentlich meine das Wort seinen Inhalt, uneigentlich hänge es am Äußeren. Aber das sagt man so, weil alle festen Boden unter den Füßen und niemand im Wahnsinn leben will. Ob nicht anders herum ein Wirbeln der Anlaß war, von venditio zu sprechen und man danach den Begriff auf dasjenige übertrug, was wir Verauf nennen ist nicht sicher. Ob Zeichen zuerst Begriff und denn Metapher sind, ob die Dinge zuerst gut und im Griff liegen und dann ausufern oder oder aus dem Ruder laufen, das ist ungewiss. es kann auch anders herum sein. Wenn der Begriff venditio polar und vague ist, dann umfasst er ohnehin Bedeutungen, die aus dem Eigentlichen herausragen, ins Entfremdete und Verfremdete, in alles das, was auch ohne Handlung fremd bleibt.
4.
Man treibt einen Aufwand, macht eine Show, wenn an der römischen Gesellschaft etwas verstellt wird. Die mancipatio lässt diejenige Assoziation, die wir Gesellschaft nennen (und die bis in die Köpfe, Herzen, Fuß-, Haar- und Fingerspitzen der Menschen reicht) starren. Mit dem bildlichen an der manicipatio kann das starrende gemeint sein, der Einfang einer Bewegung oder der Einfang eines Reizes. Die mancipatio hat es etwas phobisches, nicht unbedingt ängstliches, aber leuchtend-starrendes. Das Phobisch daran kann klamm sein und die Klamm kann ein bindender Kanal sein, eine Attraktion. Eine Tracht, einen Zug hat die Phobie.
Vom Rechtsinstitut ist bei Gaius keine Rede, nicht explizit, der Begriff fällt nicht extra in dem Satz (alles in Gaius Insitutionen ist freilich Rechtsinstitution- Ulrich Manthe zieht in seiner Übersetzung etwas vom Allgemeinen in den besonderen Satz ein). In diesem Satz ist vom ius proprium die Rede und proprium ist eine der möglichen Synonyme für decorum (manchmal tauschen Texte beide Wörte aus). Ich würde die manicpatio nicht unbedingt das Sonderrecht oder eigene Recht der Römer nennen, weil die mancipatio Eigentumspositionen in Bewegung bringt, Eigentum also nimmt und Eigentum gibt, weil sie Eigentum verstellt und insofern Eigentum 'verfremdet', 'entfremdet' oder fremdgehen lässt.
Das ius prorprium kann ein musterhaftes Recht oder ein musterndes Recht sein. Es kann ein schmuckes oder schmückendes Recht sein, es kann ein Recht sein, das aus der Kosmologie nicht ausgestiegen ist. Wenn prorpium auf decorum bezogen ist, kann es nicht nur musterhaft, es kann ein passendes, passierendes oder durchgehendes Recht sein. Ius proprium: vielleicht ist es (wieder) an der Zeit, diesen Begriff mit trachtendem Recht oder mit Trachtrecht zu übersetzen. Es kann gut sein, dass einige der Kollegen mich wegen dieser Übersetzung für bekloppt halten. Ich meine das mit den Übersetzungvorschlägen dennoch ernst, weil ich denke, dass die Polarität und das Vague, wie es Warburg entwirft, auch im Distanzschaffen des Rechts gefunden werden kann. Dass die mancipatio zähmt, was sie züchtet und ihre Sanktion Rom treiben lässt kann einen Polarforscher wie Warburg nicht überraschen.
Axel Heil hat nach dem Vortrag in Hamburg übrigens spontan die These vertreten, dass die fünf Zeugen ebenfalls auf die Hand bezogen bleiben, ihre Anzahl sich nämlich aus der Anzahl der Finger einer Hand ableiten könnte. Das klingt nach einer gute These.
35.
Die ninfa fiorentina macht, was die mancipatio macht. Die verkauft, wendet das Bild, sie lässt es windend oder windig erscheinen. Das Bild, das Warburg in dem Brief erwähnt, wurde im Zusammenhang mit den Untersuchungen eines juristischen Falls zu Warburgs Studienobjekt (ich habe das, etwas oberflächlich in Das eigene Bild erzählt). Ghirlandaios Bild entsteht über einen Konflikt um die Patronatsrechte in St. Maria Novella hinweg, so lauteten schon Vasaris Thesen, Warburg aktualisiert und präzisiert sie um 1900. Dieses Bild berührt Fragen des Eigenen, des Eigentums. Aber dieses Bild berührt auch schon jene Dimension des Rechts, für die Warburg ab 1912 berühmt wird, nämlich für die Ordnung der Zeit und die Verwaltung des Kalendarischen, also die Bedeutung darin, die Bewegungen in Zeit und Raum zu ordnen. Das ist das Bild von der Geburt Johannis des Täufers. Das ist ein Mittsommernachtsbild. Das ist das Bild (so eine Art Kalenderblatt) einer Zeit, in der alle Linien entweder porös werden oder aber alle Linien zu tanzen beginnen. Es kann sein, dass Ghirlandaio dieses Bild schon als Selbstbild eines Zeitalters, nämlich seiner Zeit entwirft, derjenigen Zeit, die wir heute Renaissance nennen. Es ist ein Geburtsbild. Das ist eine Kehrzeit - und die ninfa fiorentina formalisiert darin, was in dieser Zeit übergeht. Sie formalisiert die Bewegung des Übergangs oder der Übergehung und bewegt die Form des Übergangs oder der Übergehung.
6.
Meine These, dass sich Warburg und Melchior 1896 über Pathosformeln unterhalten, stelle ich nicht auf, um zu sagen, dass Warburgs Pathosformel einen juristischen Ursprung habe. Diese These stelle ich auch nicht auf um zu behaupten, dass die mancipatio ihren Grund und ihr Wesen als Bild entfaltet oder das im Bild die eigentlich Kraft läge.
Ich stelle diese These im Rahmen einer Kritik der großen Trennung auf, also im Rahmen einer Kritik an Geschichten und Theorien der Ausdifferenzierung und im Rahmen einer Kritik an spezifischen Modellen der Geschichte. Ich stelle sie im Interesse einer Archäologie und einer Wissenschaft sedimentärer Geschichte auf. Warburgs Rechtsgeschichte und seine Rechtstheorie ist nicht an kontrafaktischer Stabilisierung interessiert, nicht an Gleichgewichten. Das mag so scheinen, weil auch Warburg etwas in den Griff kriegen, technisch machen oder routiniert machen will. Aber auf die Details kommt es an. Und da muss man sagen: Warburg will Unbeständigkeit mitmachen können. Zum Esstisch, zu einer schlangenartige Tafelgesellschaft (sTability), dazu will Warburg einen Umgang, auch mit Umgehungsmöglichkeiten, schaffen.
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Vortrag in São Paulo I
Immer dann, wenn etwas anfängt, dann fängt auch Recht an. Immer dann, wenn etwas erscheint, dann erscheint auch das Recht. Immer dann, wenn etwas begründet oder gegründet wird, dann gründet das Recht mit. Immer wenn etwas vernünftig wird, macht das Recht auch das noch mit.
Aby Warburg ist das Beispiel einer rechtswissenschaftlichen Forschung, die nicht davon ausgeht, dass dem Recht etwas eigen, etwas reserviert oder dass so ein Recht unersetzbar, unverwechselbar, unübersetzbar oder nicht austauschbar wäre. Ganz im Gegenteil. Seine Rechtswissenschaft nimmt ihren Ausgang in Formeln und Akten, die aus der Unbeständigkeit kommen, unbeständig bleiben, die etwas austauschen und wechseln. Ihre Gründlichkeit schliesst nicht aus, dass diese Wechsel auch Verwechslungen sein können.
2.
Warburg ist auch ein Beispiel für eine Forschung zu den juridischen Kulturtechniken. Die Idee, dass man die Geschichte und Theorie das Rechts nicht an die Unterscheidung zwischen System und Umwelt oder zwischen Form und Inhalt sondern an Formen und Relationen anhängen kann und dass diese Geschichte und Theorie insoweit ihren Ausgangspunkt in choreographischen Akten findet, die kann man aus Warburgs Arbeiten extrahieren. Dass das Recht aber aus choreographischen Akten besteht, diese Idee findet man nicht nur bei Warburg. Man findet sie bei Cornelia Vismann, bei Bruno Latour, in der notitia dignitatum, im Kalender des Filocalus, im islamischen Recht (Scharia lässt sich als Schreiten, Gang, Zug übersetzen). Man findet das also an unterschiedlichen Stellen, die durch nichts zusammengehalten ausser Formen und Relationen und denn mitlaufenden Assoziationstechniken.
3.
Im ersten Vortrag in São Paulo habe ich versucht, nicht mit dem System, nicht mit dem Konzept, nicht mit einem allgemeinen Begriff, nicht mit der Sekundärliteratur zu beginnen. Ich wollte nicht unterstelllen, dass es eine Diskussion, einen Diskurs, eine Gemeinschaft der Kulturtechnikforscher gibt (dann kommt nämlich auch manchmal die Idee auf, da gäbe es wiederum eine Mehrheit und eine Minderheit und die einen seien eher am Staat, die anderen eher an der Gesellschaft orientiert).
Von unten beginnen, das wollte ich. Das heisst unter anderem, dass man mit Warburgs Schreibgründen und seiner Praxis im Alltag anfängt, also mit seinem Schreibtisch in Rom im Februar 1929. Ich habe im CEBRAP den Schreibtisch vorgestellt, wie ihn Warburg im Februar 1929 hat sortieren können. Da steht sein Zettelkasten mit dem Bild von Carl Melchior, da liegt das Tagebuch der KBW mit den Notizen von Warburgs Kinobesuch eine Woche nach Unterzeichnung der Lateranverträge, da liegt das gleiche Tagebuch mit der Skzze, die er am Vorabend angfertigt hat, um Protokoll zu üben. Aus solcher einem Sortiment heraus entstehen später im Sommer dann die Staatstafeln, aus einer privaten Praxis öffentlicher Dinge heraus.
4.
Linien sind nie alleine. Eine kommt nicht alleine, eine Linie bleibt nicht alleine. Linien machen Linien nach, sie haben Formeln und sind Formeln, darum sind sie auch Akte, Akte im Sinne des römischen Rechts, Akte im Sinne von Gaius` Institutionen, im Sinne der legis actio, im Sinne einer mancipatio ( das ist eine Choreographie zur Bewegung von Eigentum, nämlich zu seiner Übertragung). Linien kommen aus einem Chor, darum ist Zeichnen, Bezeichnen oder Unterzeichnen ein choreographischer Akt.
Morgen dann: zweiter Vortrag, diesmal in USP.
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Vague Assoziationen
1.
Die normative Kraft des Kontrafaktischen muss nicht stabilisierend sein. Das Ziel des Distanzschaffens und der Formeln, Akte, Protokolle muss nicht sein, Verhaltenserwartungen zu stabilisieren. Gesellschaft muss nicht im Gleichgewicht sein, kein Gleichgewicht haben. Der einzelne muss nicht im Gleichgewicht sein und Gleichgewicht haben.
Gleichzeitigkeit ist ohnehin ein Gerücht, immerhin zwar normatives Material, aber gleichzeitig sieht man, wie die Kubisten treffend sagen, nichts, alles nur voreinander und nacheinander, denn das Sehen braucht und verbraucht Zeit. Würden Zeiten nicht durch Räume und Räume nicht durch Zeiten gehen, müsste man keine Worte darum machen, keine Tempel und Städte bauen, keine Gerichte und keine Parlamente. Nicht nur der Kopf ist rund, damit dass Denken die Richtung wechseln kann. Die Erde ist auch rund, damit sie sich besser drehen kann.
Was für Niklas Luhmann ein Problem ist, das ist auch für Aby Warburg ein Problem, nur reagieren beide unterschiedlich. Trivial zu sagen, aber nicht trivial zu verstehen. Auf seinen Zetteln, die sich mit dem Gleichgewicht befassen und die insofern Referenzen zu Seneca, Lipsius und Alberti sein können (dafür muss man sie assoziieren) prägt Niklas Luhmann den Begriff der vaguen Assoziation. Er benutzt diesen Begriff so, wie man den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht. Für Luhmann ist das ein Begriff, der nichts begreift. Darum meint er, müsse man aus vaguen Assoziationen Assoziationen machen, die nicht vague sind.So feilt er an seiner Systemtheorie.
2.
Das macht Warburg anders. Der assoziiert vague. Wie sein Bruder, der von dem Historiker Vagts gefragt wurde, ob die Warburgs bereit seien, die SPD zu unterstützen, um gegen die Nazis vorzugehen, auf diese Frage angeblich damit reagierte, dass er Segeln ging, reagierte Aby Warburg auf seinen Kontakt mit dem Schlangenritual, dass er eine Kreuzfahrt machte mit dem Juristen Melchior. Der machte das Selbe, aber nicht Gleiche, denn er machte das Selbe verkehrt oder umgekehrt. Et vice versa: und die Sünde wie vollbracht, und die Laster verkehrt, aber auch ok. Der Bruder von Aby sagt nicht nein, nicht ja. Das heißt nicht, dass er nicht gegen die Nationalsozialisten oder für die SPD war. Der hat vague reagiert, sogar implizit und explizit, der hat wortwörtlich vague reagiert und bildlich vague reagiert, als er mit seinem Boot auf das Wasser ging und den Sozialdemokraten Vagts stehen liess.
Das ist bei Aby das Selbe, auch wenn es nicht das Gleiche ist. Vague Assoziation ist nicht unbestimmt, ist nicht leer. Wenn sie Negation ist, dann in Adolf Reinachs Sinne; ein Akt der Verhandlung, der sich zur Handlung so verhält, wie ein Versprechen zum Sprechen. Diese Negation spricht man vielleicht besser englisch als deutsch aus, um das beweglich, das Mobile der Aktion und der Reaktion zu verstehen. Das ist nicht die Leere, nicht das Nichts. Was ist das dann? Man kommt mit dem Versprechen wie mit der Verhandlung auf eine schräge, transversale, diagonale oder quere Bahn. Was in Handlung und Sprechen eine Richtung hat, bekommt in Verhandlung und Versprechen mehr und weniger als eine Richtung. Differenz muss im Sprechen und im Handeln operationalisiert werden, wie im Versprechen und im Verhandeln. Man kann auch sagen, ob eines mehrdeutiger oder eindeutiger ist. als das andere, in allen Techniken ist aber beides möglich und in allen Techniken ist das nur möglich, weil Differenz operationalisiert wurde, nicht weil sie erzeugt oder beseitigt wurde. Differenz nimmt nicht zu, nicht ab, wie der Mond. Das Sichtbare und das Unsichtbare schieben ihre Linien vor. Im Versprechen und im Verhandeln sind die Richtungen anders als im Sprechen oder Handeln. Im Versprechen und Verhandeln können diese Richtungen vague, polar sein: sie verkehren, sie verzehren.
2.
Wenn die Warburgs vague assoziieren und wenn Aby Warburgs Bild- und Rechtswissenschaft nicht auf ein Recht oder auf ein Bild zielt, das kontrafaktisch stabilisiert und nicht kontrafaktisch stabilisierend ist, dann sind das keine Einzelfälle.
Die Verhandlung ist Technik, das Versprechen ist Technik. In Adolf Reinachs Sinn und in Sigmund Freuds Sinn sind Verhandlungen und Versprecher keine Handlungen und kein Sprechen, aber nur in einen bestimmnten Sinn, nämlich, dass sie das nicht ganz sind, nicht vollständig. Sie kreuzen etwas im Sprechen, wechseln die Bahnen im Sprechen oder wechseln die Züge der Hände. In Stücken handeln die doch, in Stücken sprechen sie doch. In Akten sprechen und handeln sie doch, auch wenn der Akt ein Stück und in Stücken ist.
Aby Warburgs Expertise entwickelt sich nicht an Theorien und Geschichten der Fragmentierung, nicht an einem Verlust oder einem Gewinn der Eindeutigkeit. Sie entwickelt sich am Verlust und Gewinn jeder Deutung und das in doppelter Buchführung. Seine Expertise entwickelt sich an Fragen der Zeitmessung, an der Astrologie und der Astronomie. Das ist Bild- und Rechtswissenschaft aus dem Geist der Kanzleikultur, die nicht an großen Referenz hängt, nicht eingangsfixiert ist (man kommt nie rein, weil man nie raus kommt und immer rein, weil man immer raus kommt) und nicht am Eigentum festhält. Eigentum ist in dem Sinne das Übertragbare, das Teilbare, das Wechsel- und Verwechselbare, das Durchgehende oder das Reproduzierbare. Das Eigene wird gar nicht als Festhaltung begriffen. Diese Kultur wechselt, wechselt aus und ersetzt, stellt von hier nach da. Die sortiert immer, aber das sie eine symbolische Ordnung habe oder sei, dass sie die Ordnung sei oder in Ordnung sei, das wäre zuviel gesagt, wenn man sie an auch nur an einer Referenz festhalten wollte.
Die Frage nach dem Akt und seinen Fähigkeiten, nach dem Sprechen und Handeln und deren Fähigkeiten stellt Warburg im Hinblick auf Bewegungen, der er als polar versteht. Insofern nenne ich ihn einen Polarforscher, der forscht an polaren Bewegungen, also solchen, die kippen, wenden, winden, drehen, falten, kehren. Das ist aber auch eine Geschichte der vaguen Assoziationen, in der der Begriff des Vague dem Begriff phagein, dem Begriff des Verschlingens verwandt ist - und der Geschichte eines Wissens, das explizit wendig, drehend, kreisend sein soll, schon weil sein Gegenstand das sein soll. Luhmann sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht: Er sieht nicht die reiche Geschichte, in denen Assoziation ist, was Welle machen kann. Wenn er so an Stabilisierung und Gleichgewicht interssiert ist, muss er das nicht unbedingt sehen. Es sei denn, dass die Frage nach dem Gleichgewicht sich auf einem Ungleichgewicht heraus stellt. Und das sollte sie, zumindest auch. wenn Luhmann den Wald vor lauter Bäumen nicht sah und keine Theorie vaguer Assoziation, sondern Systemtheorie entwickelte und alles gut ging, dann ist gut. Dann hat er eventuell Glück gehabt. Vorsorglich sollte man vorbauen, für Fälle in denen es nicht gut geht, wenn man nicht vague assoziiert.
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Tafeln
1.
Tafeln ist eine juridische Kulturtechnik, die mit dem Teilen und Übertragen zu tun hat. Daniel Damler behauptet, dass Speisevorschriften erste Gesetze gewesen seien und macht die These paradiesisch plausibel, also fûr das Paradies und mit dem Paradies glaubhaft.
Wer tafelt, soll teilen. Wer tafelt, soll übertragen, also eine Weise des Tragens und/oder Trachtens ausüben, die manche (darum vielleicht das Präfix über) mit einem Dritten assoziieren. Manche sagen sogar, der Dritte sei Dritter, weil er ein höheres Wesen sei. Höhere Wesen befahlen, höhere Zahlen zu verwenden, es gibt Leute, die das glauben. Etwas zu übertragen soll danach nicht mindestens zwei, sondern mindestens drei Teile oder Personen involvieren. Der eine gibt, der andere nimmt, der Dritte soll überwachen und garantieren, dass dieser Vorgang trägt und hält, dass er verbindlich, gültig und gründlich erfolgt. Dem Medium, einer Norm oder einer Referenz wird von einigen Autoren die dritte Stelle zugewiesen.
Das (alles daran) ist strittig, was aber nicht heißt, dass Fragen dazu nicht beantwortet werden können oder nicht beantwortet werden sollen. Eher das Gegenteil ist der Fall: darum sollen und können Fragen beantwortet werden. Sie müssen dabei bestritten und gehändelt werden, am besten antwortet man technisch, denn das geht, wie Bruno Latour hervorhebt, mit detour einher, also mit einer Umwegigkeit, die solche Antworten sowohl umgänglich als auch umgehbar macht. Technische Antworten werden geäußert und bleiben äußerlich. Sie sind artifiziell: kunstvoll zimmern sie künstliche Welten, die einen auch draußen lassen können. Hauptsache man hat Fragen und gibt Antworten.
2.
Auf der Wissenswallfahrt nach Aschaffenburg sind wir an einer der besten Gemäldegalerien des Bundeslandes Bayern und des Frankenlandes Franken vorbei gekommen, der meisterhaft renovierten und neu präsentierten Sammlung im Johannisschloss. Dort gibt es eine große Anzahl von Bildern des Rembrandtschülers de Gelder, der insbesondere das burleske, kabarettistische und theatralische Erbe seines Meisters pflegte. Er ist damit der Komödie näher als der Tragik, vielleicht den Leuten näher als den Souveränen, denn wir definieren Leute als diejenigen, an denen immer etwas lustig oder lustvoll absteht, zum Beispiel Fäden oder Haare, und Souveräne definieren wir als diejenigen, an denen und durch die alles glatt gehen soll. Leute sind die, nach denen man ab und zu mal schauen muss, wie der Laokoon das macht. Leute sind die, denen man nachschaut, sie sind mindestens leicht auffällig. Leute rufen Polizei hervor, auch wenn sie selbst nicht die Polizei rufen. Souveräne haben Polizisten oder sie sind Polizisten. Pole sie sie beide, denn beide kommen auf Warburgs Tafeln vor.
De Gelder malt ein letztes Abendmahl, also die Gründungsszene der römisch-katholischen Kirche, die im Februar 1929 auch während des Abschlusses der Lateranverträge nachgestellt wurde und Warburg die Gelegenheit gab, seine Überlegungen zu juristischen Formeln, Akten und Protokollen auch als Kommentar zu den Kulturtechniken des Verzehrens (Bing) oder Verschlingens anzulegen. De Gelder macht in seiner Malerei darauf aufmerksam, worauf auch Didi-Huberman hinweist. Eine Tafel muss kein Tisch sein. Es gibt auch niedere und schwache Tafeln, also Tafeln, die erstens dem Subtilen, Frivolen, dem Durchgehenden und dem Nichtmanifesten affin sind und die leicht verwechselbar und austauschbar mit dem sind, was nicht Tafel ist. De Gelder malt das letzte Abendmahl als Gesellschaft auf einem und an einem Tuch, wie Picknickdecken das sind , auch sous la plage, also auch unter dem Gesetz und unter Palmen. De Gelder, der ist ja nicht dumm, malt eine Treppenszene, deutet das Teilen als wohl auch als Träumen und das Verzehren als Begehren. Im oben erwähnten Streit lässt de Gelder eine scharfe Antwort geben: Das Teilen verlangt keinen Dritten, der höher wäre. Man kommt beim Teilen auch ohne höhere Dritte aus, denn im Traum gilt das Gesetz des Dritten nicht, nicht seine Ausschlüsse. Der Traum entscheidet nicht, auch wenn er Distanz schafft und scheidet.
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