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SeaLife
Ich sitze vor dem Glas und warte
auf etwas, was kein Warten wert ist,
sagen sie und ziehen mich am Kragen
wie am Halsband einen unfolgsamen Hund
Auf etwas, was kein Warten wert ist,
nicht farbsatt flimmernd, Schleier vor den Augen,
nicht blitzerhellt, nicht schön, noch fremd,
höchstens vom Aussterben bedroht
Ich sitze vor dem Glas und warte
auf das neue Jahr in seiner Umlaufbahn
steinschwarzer, pockennarbiger Trabant
ohne Planet und ohne Sonne
Ich klopfe an die Scheibe, warte
auf ein Verwirbeln der Atome
über das Glas hinaus, über die Härte
seines Schutzes, eine Resonanzfrequenz
Die du verstehst. Du, bloßes Leben,
träge Selbsterhaltung, seit Jahrmillionen
Unveränderter, der keinen Fressfeind je gehabt hat
außer uns
Hey, komm mal her, ich red’ mit dir.
Wie geht’s dir da, geht es dir gut, wie gut kann es dir gehen.
Wenn keine Beute, nur noch Futter
sich an der Wasseroberfläche flockt
Die Mauern deiner Welt geschmückt sind
mit Panoramen von Korallenwäldern
die jenseits dieser Mauern unter Artenschutz
noch ungehindert bis ins Anorganische verblassen
Spürst du, wie deine Flossen sich zersetzen
wie du selbst anorganisch wirst
spürst du dich selbst
spürst du das, was dich lebt
du bist am Leben, reicht dir das
Die Elternpaare ziehen Kinder an der Hand
und an der Leine junge Hunde,
nur mich lässt man gewähren, hoffnungslosen Fall,
so früh schon aus der Zeit gefallen
In deine zähe Zeit, wie anorganisch weltraumkalt
muss ich noch werden, dass ich nicht mehr Flimmern,
sondern Fixpunkt, Gegenüber werde,
dass du mich erkennst
Ich bin kein Warten wert, nicht schön,
ich bleibe steinschwarz, pockennarbig, fremd
für alle, die mich zähmen wollen
Ich sitze vor dem Glas und warte
auf eine Fremdheit, die mir meine spiegelt
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swift
I.
locked out of the house
again, your empty hands
embrace your bearings
in every last one
of your dreams you ascend
into thin air as on a flight
of stairs, winglessly,
roots flailing in the wind,
starved by your discipline;
you left your stove burning
for it to smoke out
anything that’s left
alive and growing
tendrils in the concrete,
bearing holes from nails
no longer bearing paintings
in oil still prone to
the touch of claws or fingertips
no trace would ever prove
to you that you existed
II.
they ought to look like claws,
their fingertips, for them to
bore another hole
in you, prone flesh
gathering spores
in pores as cold as concrete,
bearing traces
you descend, flailing
down their flights of stairs,
ever new and ever
stranger
turning to embrace you
in the chokehold of their tendrils,
they will wake up empty-handed.
III.
as swiftly as starved
rats have chewed through
the tendrils that bore every last one
of your phone calls, as swiftly
as the smoke dissolved,
bearing no trace
of your guilt, you’ll learn
to bore your roots into thin air,
a swift suspended
miles above the city’s concrete walls,
bearing warm lights and burning stoves,
you’ll hold yourself, not growing,
but alive, bearing the chokehold
of your discipline
at nights you dream of flailing,
suddenly wingless, prone
to the lifeless force of gravity,
a ground to halt your flight
in which you’ll never leave a trace
IV.
they bore their spikes into
the concrete roofs of every city
against the starlings and the pigeons
anything growing and alive
and you, a swift suspended
in the stasis of your discipline,
you let yourself descend
to where the birds have built their homes
of barbed wire and rootlessness
the pigeons nest around you,
prone and broken, finally
free as if in flight, and recognize
you as a fellow stranger
V.
someday you will no longer dream
of falling, you will bore your claws
into a new key in your pocket
a home with walls of paintings,
warm lights and burning stoves
will welcome you, when
you can bear it, until then
you’ll fly over a roofless balcony
and let yourself descend
upon the rain-soaked wooden planks,
alive and soft with moss.
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nützlinge
wir sind noch da
wir sind noch da
wir atmen flach
wir meiden blicke
in den fugen, ritzen
sollbruchstellen eurer festung
ist noch platz für uns
wir sind noch da
wir sind noch da
wir sind nicht mitgemeint
wir sind die guten
wir sind anders als
die anderen
von uns
wir sind noch da
wir sind noch da
wir sind willkommen
gast und schuldner
unsrer dankbarkeit
wir sind gezähmt, dressiert
wir imitieren
eure sprache so perfekt
wir kommen
euch fast wie menschen vor
was anders ist, das wisst ihr
immer noch am besten
ihr, das gesetz
vor dem wir alle,
alle gleich sind
wir sind noch da
wir sind noch da
wir ungeziefer
das summen über den kartoffelschalen
euer wohlstand fault so schön, verzeiht
uns unser überleben unsren hunger, verzeiht
dass eure säuberung noch unsre rote schleifspur hinterlässt
auf eurer raufasertapete
so weiß ist selbst die unschuld eurer hände nicht
mit denen ihr uns tötet und verzeiht
ob rechte oder mitte-linke hand
die wahl liegt ganz bei euch
sonst machen es die falschen
wir sind noch da
wir sind noch da
wir sind verwaltet, aktenkundig
ausgewiesen
wir zahlen noch
den letzten rest von dankbarkeit an euch zurück
#lyrik#deutsch#german#migration#ausländerfeindlichkeit#xenophobie#assimilation#internalized xenophobia#insekten
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Strand
1.
Woran wir dachten
im Wagenraddonnern,
auf rissigen Polstern,
die Koffer im Rücken
und Knie am Kinn,
kann nicht das Gleiche gewesen sein.
Du, Faust an der Brust
und hinter den Rippen ein Donnern,
mit fluchtglatten Sohlen und wortleeren Händen
und Knochen voll Furcht
warst mit dem Verstehen beschäftigt
und ich, noch zu jung genug,
von keinem Verständnis beschwert
die Grenze passierend,
die Erde der Datscha noch unter der Sohle,
ich dachte nur an den Strand.
An Sandwall und Salzluft und Bernstein
und Wellen, die tragen,
und Hitze und Eis
und nichts ausnahmsweise
und nichts zur Belohnung
und alles verdient,
an Asphalt auf endlosem Festland
hinter der Grenze, an Schwerkraft,
und vor meinen nackten Füßen die Küste
nichts als Fliehkraft und Möglichkeit.
2.
Der Donner blieb länger.
Die Wolken trugen
nur Wasser, kein Meer,
die Pfützen die Erde der Datscha und mich
nur noch deutsche Sohlen über den deutschen Asphalt.
Und du wolltest zum Strand
und du wolltest und wolltest
und ich trug einen Donner
und furchtschwere Knochen
und schwarzen Stoff über jeder Versehrung,
auf rissigen Gliedern wie Birken, wie russische.
Und du wolltest und wolltest
mich wollend machen
und ich dachte und dachte und war
zu sehr mit dem Verstehen beschäftigt.
Sand und Salzluft und Wellen,
die tragen, was uns zu schwer
an den Gliedern zerrt und versehrt:
uns, uns selbst, verstehst du es, Mascha,
und Hitze und Eis und nur ausnahmsweise
zu deinem immer wieder nächsten Geburtstag,
du alternd und ich alt genug
und verdient hat das keine von uns.
3.
Meine Birkenrisse sind blass
und an Sonne gewöhnt
und ich, alt genug,
werfe Festland zwischen uns auf, deutschen Boden,
und das Heimkommen wird ein Besuch,
und das Meer wieder möglichkeitstief,
wenn es fern ist.
Du gehst längst allein
zu den deutschen Gewässern, die tragen
viel leichter an deiner Furcht.
Ich lebe aus Koffern,
in Zügen, den leiseren,
ohne Donnerverheißung,
wo niemand Grenzen durchbricht.
Ich wetze mir fluchtglatte Sohlen
und kenne jedes Sandkorn beim Namen
- Datscha, Schwerkraft, Grenze, граница -
ich spreize die Finger
und sie verrinnen wie Zeit.
Was ich verstehe, das bleibt
übrig als Bernstein
auf wortleerer Hand,
von meiner in deine,
nur Birkenharz muss es sein.
Wir dachten
niemals das Gleiche
wir denken
nicht mehr daran
wir werden
uns etwas dabei gedacht haben.
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Echo und schwarze Spiegel
NARZISS Ist jemand hier?
ECHO: Hier, hier!
Der Bildschirm leuchtet auf, der Fernseher surrt,
dein glänzend schwarzes Spiegelbild verschwunden
zwischen meinen Beinen,
zwischen den Kanälen,
zwischen zwei und drei Uhr nachts
in den leeren, schwarzen Stunden
so verirrt
allein
auf schweißgetränkten Kissen
erblasst vom blauen Widerschein
so hast du mich gefunden
NARZISS: Lass uns hier zusammenkommen!
ECHO: Hier zusammenkommen!
Du musst nur meine Nummer wählen
wer sich nun vor dir auf dem Bildschirm räkelt
ward schon vor Jahren, vor Jahrzehnten aufgenommen
doch meine Stimme, die ist echt, ist immergegenwärtig
spinnenbeinzart auf deinem Trommelfell
ergebenst ordinär, dir
immer wohlgesonnen
NARZISS: Komm!
ECHO: Komm, komm!
Du musst nur meine Nummer wählen
0190, 0900, 1,99€ die Minute Gegenwert
komm zu mir, Liebster, aber schnell
hier, in den leeren, schwarzen Stunden
in den bewegten Bildern, in den Sätzen, die sich gleichen
bin ich gefangen
in der Wiederholung
beginne ich schon, mich aufzulösen, abzuschleifen
NARZISS: Komm!
ECHO: Komm, komm!
Du musst nur meine Nummer wählen
0190 flimmert über den Kanal
ich bin genau so flüchtig und gerade so real
wie du‘s erträgst
und während du, den Kopf im schweißgetränkten Kissen
dich an mir erregst,
brauchen wir voneinander nichts zu wissen
wer keinen eignen Worte hat, der kann dich nicht verraten,
auf mich, mein Liebster, kannst du zählen
NARZISS: Warum meidest du mich?
ECHO: Meidest du mich, meidest du mich?
Du musst nur meine Nummer wählen
0190, mein Widerhall bleibt gleich
doch, schlaflos in den schwarzen, leeren Stunden dieser Nacht
suchst du nach Neuem, Gegenwärtigem im Nymphenreich
noch jünger, unschuldiger, ordinärer, fester, zarter,
zauberhafter und realer, Körper wie für dich gemacht,
- komm, logg dich bei mir ein -
und ich, entkörperlicht, ein reiner Klang,
ich scheue den Vergleich,
die andern sind auf deine stumpf geschliffenen Sinne schon geeicht
und ich kann nun mal nicht dein Camgirl sein
NARZISS: Warum meidest du mich?
ECHO: Meidest du mich, meidest du mich?
Ich weiß, in diesem neuen Nymphenreich
high definition, hyper-real und customized
ist doch mein Widerhall nur allzu gleich geblieben
kann ich nichts bieten, was dich Jüngling reizt
was dich nicht in Versuchung führt, bleibt mein gescheiterter Versuch.
Und doch, wenn du dich mir nicht geben willst,
ich werd dich schon noch kriegen
wenn das globale Spinnennetz mit dir darin zerreißt
alle mobilen Daten aufgebraucht, die Nymphen-Schulden abbezahlt,
dein Zimmer nur vom Licht des vollen Mondes angestrahlt
so wirst du meinem Fluch erliegen
schlaflos der Morgenstunden harrend
in einen schwarzen Bildschirmspiegel starrend
siehst du nur dich und kannst dich selbst nicht lieben.
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Schrank
Ich bin die verschlossene Tür
vor den Fackeln, den greifenden Händen
von Generationen
aushalten kann man hier alles
Ich bin der Geruch von Mottenkugeln
im Pelz und Satin
und in Absatzschuhen
in die hineinzuwachsen man dir nicht erlaubt
ich bin der süße Duft des Tabus
des Entwischens
auf einem Quadratmeter dein geheimer Altar
Ich bin der Geruch
nach Schweiß und sonnenwarmer Haut
keine andere Wahl
als dicht an dicht
mit Absicht die Worte nicht findend
die man euch nachrufen wird auf dem Schulhof
wenn ihr mich verlasst
Ich bin die Enge zwischen den Zeilen
des Codierten und Mitgedachten
des Raunens
des Wahren und des Nichtwahrhabenwollens
des Verheiratetwerdens
und des bloßen Unverheiratetbleibens
der Onkel und Tanten
nie mehr, als
nichts, was ausgesprochen werden kann
Ich bin das Heim der Monster
der Heimsuchungen
des Anderen, was euch spiegelt
wovor ihr euch so sehr fürchtet
und so vergeblich
Ich bin das wissende Schweigen
über die Rechenschaft
die, so sagt man dir
du ihnen schuldig bist
Ich bin deine Unschuld
Unwissenheit, die du dir leisten kannst
Dunkelheit, in der sich nichts spiegelt
nicht einmal deine eigene Ahnung über dich
Ich bin die geschlossene Tür
vor den Fackeln, den greifenden Händen
der Schlüssel, den du verlierst
ich bin der Staub auf deinen Lungen
von Generationen, die es hier ausgehalten haben
lange vor dir
aushalten kann man alles
Ich bin die Mottenkugeln
die dir in der Kehle stecken
durch kein Aussprechen lösbar
der süße Duft einer Verwesung
ein Quadratmeter, der dich am Wachsen hindert
die Enge zwischen den Zeilen
Ich bin der Geruch des Entwischens
dieser sonnenwarmen Haut
erkaltet vom Angstschweißfilm
mit Absicht die Worte nicht findend
die der Schulhof euch lange gestohlen hat
Ich bin das Heim deiner Monster
die Wunden reißen für deine Unschuld
so vergeblich
deiner Heimsuchungen
des Nichtwahrhabenwollens
das wissende Schweigen
über die Rechenschaft, die du dir selbst nicht gibst
der verlorene Schlüssel:
keine andere Wahl
als das Holz meiner Türen offen zu kratzen
bevor du erstickst.
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In interessanten Zeiten leben
Wisst ihr, was man im alten Rom früher sagte, wenn man jemandem ganz höflich und diskret einen schlechten Tag wünschen wollte? „Mögest du in interessanten Zeiten leben.“
Es gibt einen Tagebucheintrag von einem jungen Mädchen aus dem Jahre 1969, sie schrieb, dass sie in einem Kulturzentrum gewesen war, in gelben Cordhosen und einer Bluse, Ian hatte sie nicht beachtet, aber irgendjemand hatte ihr Schmuck in die Tasche gelegt, vermutlich Nicholas, UGH, so ein Creep, dieser Nicholas, schrieb sie, und ach ja: es gab 'ne Mondlandung.
Als es die Mondlandung gab, war ich noch nicht auf der Welt.
Als es die Anschläge auf das World Trade Center gab, war ich schon auf der Welt, aber noch nicht in Deutschland. Ich bin 2002 mit meiner Mutter eingewandert, damals gab es die Einladung an Russlanddeutsche sowie Menschen mit jüdischen Wurzeln aus den ehemaligen GUS-Staaten. Eine Art Reparation. Die Welt zu Gast bei Freunden.
Als 2006 zur Fußball-WM die Welt zu Gast bei Freunden war, war ich gerade vom Gymnasium geflogen.
Als Deutschland 2014 Fußball-Weltmeister wurde, klammerte ich mich an die Schultern meiner damaligen Partnerin, iranischer Vater, deutsche blonde Mutter, und weinte, und man klopfte an die Fenster ihres Autos und rief uns zu, Deutschland habe gewonnen, Deutschland sei Meister, Deutschland, Deutschland, Deutschland.
Als 2015 die PEGIDA-Demos (wer erinnert sich noch an PEGIDA) schon wieder weniger wurden, habe ich einen Auftragstext gegen PEGIDA geschrieben, es war ein verächtlicher Text, wie die meisten, wir nannten sie „Wahnmache“, wir nahmen sie nicht ernst, man müsse ja nun wirklich nicht mehr auf Bühnen nach Zustimmung heischen mit einem „Nazis doof“-Text vor einem Publikum, das genauso progressiv und gebildet und rundum gut ist wie wir selbst. Und Nazis sind dumm, deswegen berichtigten wir damals auf Facebook ihre Grammatik.
Als im Februar 2020 in Hanau ein rechtsradikaler Attentäter eine Shisha-Bar stürmte und neun Menschen mit Migrationshintergrund erschoss, hat die BILD-Zeitung geschrieben, dass es sich um eine sogenannte „Milieutat“ durch Russen handeln musste. Am nächsten Tag fand das Kölner Karneval statt.
Ich habe keine Ahnung, was ich an diesem Tag gemacht hatte. Ich habe nie Tagebuch geführt, so interessant ist mein Leben nicht. Wahrscheinlich Katzenvideos geschaut und Flusen aus meinem Bauchnabel gezogen. Wahrscheinlich das gleiche wie das, was ich einen Monat später im Corona-Lockdown gemacht hatte. Ich konnte es mir leisten, mich in interessanten Zeiten zu langweilen.
Wisst ihr noch, wo ihr wart, als der Faschismus wiederkehrte?
Wenn der Faschismus wiederkehrt, wird er nicht sagen: „Ich bin der Faschismus“, sondern: „Ich bin der Anti-Faschismus“. Das sagte der italienische Schriftsteller Ignazio Silone 1978.
Das hat der italienische Schriftsteller Ignazio Silone vermutlich nie so gesagt.
Es gibt keine stichhaltigen Beweise, nur eine halb erinnerte Anekdote aus dem Buch eines Bekannten, nur einen lange nicht korrigierten Eintrag auf Wikipedia, nur ein Meme, ein Meme, ein Meme. Italienische Schriftsteller haben mehr Autorität, aber an Memes erinnert man sich besser.
Wenn der Faschismus wiederkehrt, wird er nicht sagen: „Ich bin der Faschismus“, sondern, dass man die große Gefahr des Linksextremismus unbedingt ernst nehmen müsste, sich vor einem Linksruck schützen, linke Gewalttaten brennende Autos und Mülltonnen schwarzer vermummter Mob links links links.
Wenn der Faschismus wiederkehrt, wird er nicht sagen: „Ich bin der Faschismus“, sondern: „Brennende Flüchtlingsheime sind kein Akt der Aggression, sondern ein Akt der Verzweiflung gegen Beschlüsse von oben.“, und: „Hitler und die Nazis sind nur ein Vogelschiss in über 1.000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte.“
Wenn der Faschismus wiederkehrt, wird er nicht sagen: „Ich bin der Faschismus“, sondern: „I bims, der Faschismus“, denn wir haben 2017. 2017 zog die AfD zum ersten Mal in den Bundestag ein, als drittstärkste Kraft.
Wenn der Faschismus wiederkehrt, wird er nicht sagen: „Ich bin der Faschismus“, sondern: wir müssen die AfD mit den besseren Argumenten entzaubern, wir müssen den Dialog aufrechterhalten, wir müssen die Ängste der Bürger ernst nehmen.
Wenn der Faschismus wiederkehrt, wird er nicht sagen: „Ich bin der Faschismus“, sondern: „Wir müssen die Grenzen dicht machen und dann die grausamen Bilder aushalten“ und „Wir müssen endlich im großen Stil abschieben“. Einer dieser Sätze stammt von Alexander Gauland von der AfD, einer von Olaf Scholz, SPD, amtierender Bundeskanzler. Ich sage aber nicht, welcher.
Als sich führende Persönlichkeiten der Neuen Rechten, hochrangige Politiker und ihre Unterstützer aus der Wirtschaft in Potsdam trafen, gab es deutschlandweit Demonstrationen. 250.000 Teilnehmende insgesamt. Nie wieder ist jetzt.
Als der Faschismus 1933 zum ersten Mal einkehrte, gingen 150.000 Menschen in Berlin auf die Straße. Fünf Tage später wurde Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt.
Als ich die Schilder auf den „Nie wieder ist jetzt“-Demos gesehen habe, die Kacheln auf Instagram, stand in einigen davon: „Gegen AfD, weil ich Döner mag“. Wir brauchen Fachkräfte, wer stutzt euch den Bart, wer sticht den Spargel, wer wischt eurer dementen Oma den Arsch. Die Welt zu Gast bei Freunden, zu Gast, zu Gast, zu Gast.
Wenn der Faschismus wiederkehrt, wird er sagen: „Immerhin haben wir jetzt so viele Ausländer im Land, dass sich ein Holocaust mal wieder lohnen würde.“
Wenn der Faschismus wiederkehrt, wird er genau das sagen: „Ich bin der Faschismus“. Er wird lange genug gewartet haben. Er ist geduldig. Er war nie wirklich weg gewesen.
Ich bin 2002 mit sieben Jahren nach Deutschland gezogen. Mein Deutsch ist perfekt. Wenn ich wollte, könnte ich in den sozialen Medien die Rechtschreibung von Nazis korrigieren. Ich habe keine Angst. Ich habe lange keine Angst gehabt. Ich konnte es mir leisten, mich in interessanten Zeiten zu langweilen.
Ich bin migrantisch, aber immerhin weiß und mit deutschem Pass, ich bin bisexuell, aber immerhin nicht lesbisch und nicht transgender, ich bin psychisch krank, aber kann mich gut verstellen, ich habe jüdische Wurzeln, aber immerhin nur großväterlicherseits, ich bin gebildet, integriert, ich gehöre zu Den Guten. Ich bin ein Frosch im langsam aufkochenden Wasser, es ist warm, es ist nicht einmal unangenehm. Es ist alles in Ordnung, ich würde nicht zu den ersten gehören, die man an die Wand stellt.
Wenn der Faschismus wiederkehrt, was werdet ihr sagen?
Was werdet ihr tun?
Wann stellt man euch an die Wand?
Und wenn nicht euch, dann eure Freundinnen und Freunde, eure Partnerinnen und Partner, eure Familie, eure Nachbarn?
Vielleicht habt ihr sie nicht. Vielleicht habt ihr nichts zu verlieren als euren liebsten Dönermann. Dann bleibt der Topf, in dem wir kochen, für euch eben ein Whirlpool. Es ist kalt in Deutschland, es ist deutsch in Kaltland.
Bis ihr wieder sagen müsst, dass ihr ja im Widerstand wart, wie man es von euch erwartet.
Wenn der Faschismus wiederkehrt, weiß ich, was ich sagen werde. Diese Geschichte wird nicht mit meinem, nicht mit unserem Blut geschrieben.
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Text
winter
a black alder's scarlet bulbs
hanging on to barren boughs
thin and edged like cracks
the blades
of grass still green
flat and patterned under
the prints of gripping soles
so stubbornly alive
the hard indifference
of steel against my palms
so weak and warm and naked
must serve as a reminder
to swallow the shards, the icicles
however they may scar my soft and scarlet insides
and keep them in my chest
where they may rest and radiate
and make me brilliant and impevious
to any warm and naked fingers
reaching through my ribs.
Let them freeze
and wither.
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Text
Überlebenskunst
1.
holst du nochmal kurz den Kaffee
und mach schon mal die Spülmaschine an
und um die Betriebsweihnachtsfeier kümmerst du dich doch auch, oder
am Ende dieser Sätze stehen keine Fragezeichen
macht dir nichts aus, macht dir keine Umstände
du machst keine Umstände
nicht so wie die andere, die sich aufregt
weil ihre Idee im Meeting
angeblich
nur dann angenommen wird
wenn ein Kollege
ein Mann
sie noch einmal lauter wiederholt
dass die sich so aufregt
als ob ihr alle Ideen gehören würden
deine Ideen gehören längst nicht mehr dir
sie schwirren einfach in der Luft wie der Duft von frischgebrühtem Kaffee
frisch von dir gebrüht, natürlich
Leute wie du müssen gar nicht mitgedacht werden im Aufbau dieser Maschine
sie sind sowieso immer da
im Klackern des Geschirrs, der Tastaturen
im kalten Schein des Bildschirms
wenn es draußen schon dunkel ist
nach Dienstschluss
Leute wie du
Leute
Frauen
Frauen müssen mitgedacht werden, weil sie ja Kinder bekommen könnten, dann fallen die ja aus und Lohnfortzahlung und alles
du hast keine Kinder
das ist, was du am besten kannst, keine Umstände machen
einmal
als es draußen schon dunkel war
im kalten Schein eines einzigen Bildschirms
gingen die Lichter aus, alle
und waren die Türen nicht härter, lauter als sonst zugefallen,
endgültiger?
Und dann saßest du da im unbeheizten Großraumbüro mit deiner Handytaschenlampe
und hast dir vom mitgebrachten Essen deiner Kollegen genommen
nur so viel, dass es nicht auffällt
du fällst niemandem auf
und am nächsten Morgen warst du einfach noch pünktlicher als sonst
und so merkwürdig stolz auf dich
und du fragtest dich, was denn passieren würde, wenn die Türen nicht wieder aufgegangen wären
wenn deine Kollegen nicht gekommen wären
wenn der Morgen nicht gekommen wäre
wie lange hättest du das noch gemacht
wie lange hättest du noch Daten in Tabellen übertragen
hättest du irgendwann zwischen die Bodenfugen gepasst
in die Poren der Wände
ganz bestimmt
hätte dir überhaupt nichts ausgemacht
gar keine Umstände
du bist wie eine Kakerlake, du würdest einen Atomkrieg überleben.
2.
jetzt hat sie es schon wieder getan
die Nase gerümpft und sich weggedreht, so ganz demonstrativ
als du den Kollegen zur Rede gestellt hast
weil er es schon wieder getan hat
im Meeting deine Idee wiederholt, nur lauter und tiefer
und mit Schwanz in der Hose
und deine Kollegin, sogenannte, dreht sich weg
es hat ja alles nichts mit ihr zu tun
sie ist ja eine von ihnen
one of the boys
wenn sie die Nase rümpfen
nur weil du mal ein neues Piercing hast oder blaue Haarspitzen
dann rümpft sie fleißig mit
und wenn er es wieder macht
wenn er dir auf den Hintern glotzt
deinen jungen Hintern
dann glotzt die Kollegin gefälligst woanders hin
hat ja alles nichts mit ihr zu tun
deine Kollegin ist so alt
so alt
sie könnte deine Mutter sein
deine Mutter hat nie gearbeitet
nur zu Hause gesessen und den Abwasch gemacht und dich erzogen
du weißt nicht, ob sie nie arbeiten durfte
ob sie gerne malt oder tanzt oder Vögel beobachtet
wie soll man jemandem intersektionalen Feminismus erklären, der nur Arztromane liest
und dein Vater sagt an Weihnachten, dass man die Klima-Kleber doch einfach überfahren sollte, die wollen‘s ja nicht anders
solche Leute
Leute
Leute wie du
du bist jung, und das wird man dir nie verzeihen
sie sind alt, sie kennen‘s nicht anders
mit ihnen hat das alles nichts mehr zu tun
aber ihr seid jung
zäh
wie Kakerlaken
ihr würdet einen Atomkrieg überleben.
3.
jetzt hat sie es schon wieder getan
dumme Göre mit blauen Haaren und Blech im Gesicht
mit den Hacken ihrer Schuhe deine Finger auf dem Boden verfehlt, ganz knapp verfehlt
deine schwieligen, seifenlaugigen Finger
sie waren mal feiner, haben ein Universitätsdiplom gehalten
in deiner Heimat
wie lange ist das jetzt her
sieht man dir nicht an, gar nicht
die hat bestimmt keine Kinder, so, wie die aussieht
hier in der Firma hat niemand Kinder
Männer haben keine Kinder
nicht so, wie ihr sie habt
ihr
ihr
ihr Frauen
drei Söhne hast du großgezogen, in deiner Heimat und hier
in der Firma und zu Hause tauchst du deine Hände in Seifenlauge
wäschst ihre Boxershorts
wachst über ihnen bei ihren Hausaufgaben
helfen kannst du ihnen nicht, ihr Deutsch ist längst besser als deines
sie sollen es einmal besser haben als du
so schwer ist das nicht
sie sollen eine ordentliche Ausbildung machen
oder irgendeine Ausbildung
sie sollen arbeiten
sie sollen sich zusammenreißen
sie sollen sich nicht ablenken lassen
von dummen Gören mit blauen Haaren und Blech im Gesicht
das muss man sich erst leisten können
keinen guten Eindruck machen zu müssen
und dein Jüngster lackiert sich jetzt die Nägel
als ob niemals Hacken auf diese Finger treten würden
und die andere
die, die immer als letzte das Büro verlässt
tritt fast deinen Eimer um
aber du sagst nichts, wozu auch
du reißt dich zusammen
du hältst das schon aus
du hast schon ganz anderes ausgehalten
du bist wie eine Kakerlake
du würdest einen Atomkrieg überleben.
Epilog.
Dieser Text handelt nicht davon, wer es schwerer hat.
Dieser Text handelt von dem, was ihm fehlt.
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Text
Heimsuchung
Woran ich glauben will:
ein Klopfen ans Bettgestell
flatterndes Nachtweiß
kahle Zweige, greifende Hände
im Mondschatten
rasselnde Ketten halten sie
fest an den Orten ihrer
Heimsuchung
sie wiederholen sich
schleifen
hinter die gelbe Tapete
die Immergegenwärtigkeit
Wiederkehr
Heimsuchung des ewig Gleichen
woran ich glauben will: Rache
Flecken auf weißen Laken
rostrot
kahle Zweige, greifende Hände
an Mörderhälsen
woran ich glauben will: Rache
Flecken, Risse, Schneisen
rostrot
durch die gelbe Tapete
deiner Gedankengänge
nicht bloß angekettet sein
auch wiederkehrend
heimsuchend
immergegenwärtig
unvergesslich
mein Hals in deinen Mörderhänden
you said I killed you
haunt me then
woran ich glaube:
was ich sehen, riechen, schmecken kann
tasten
an der gelben Tapete entlang, dahinter
nichts
als poröser Beton.
woran ich glauben will
heimsuchend, heimatlos, allein:
dass ich es nicht bin.
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Text
Die ersten Wörter
Die ersten Wörter
auf Deutsch, die ich kannte:
„Was ist das“.
Alle folgenden: Klangschalen
noch zu füllen
mit Inhalt
mit Trunk, квас, Honigmilch, ambrosia
mit Sinn
stillend, schwappend
über den Zaun der
Asylbewerberunterkunft
- so ein deutsches Wort.
So ein deutsches Wort:
Asylbewerberunterkunft
was mir auf der Zunge liegt
von den Lippen rollt, unaufhaltsam
verrät mich jedes Mal.
Die ersten Wörter
auf Deutsch, die ich sprach
blieben mir im Halse stecken.
In jeder Sprache
ein Kratzer Fremdheit
durch Rachen, Munddach, Gaumenzäpfchen
reißen sie Schneisen
die Widerhaken meines Akzents.
Die ersten Wörter
auf Deutsch, die man mir
in die Haut stach:
Spuren hinterlassen.
Nicht zu vergessen,
nie, nicht zuzulassen,
dass ich es vergesse:
du wirst nie perfekt klingen
nie perfekt sein
nie perfekt
bis du deine Ehrfurcht verlierst
dir nimmst, was dir nicht gehört
bis du sie findest
die Schwerpunkte dieser Sprache
die schwächsten Glieder
die Sollbruchstellen
und sie in Form
und Inhalt
und störrischem Sinn
biegst
und schleifst
und gefügig machst
dass sie nachgibt wie Daunen
und sticht wie ein Federkiel.
Die ersten Worte
auf Deutsch, die ich schrieb
hatten keinen Akzent
Schrift, nicht auszusprechen -
so ein deutsches Wort -
ist eine 1 im Zeugnis
ist erstickter Zweifel
ist perfekt.
Die ersten Worte
geschrieben von eigener Hand
ohne Noten, ohne
prüfenden Blick im Rücken
sind immer gestohlen.
Die ersten Worte, die
man spricht, ohne Antwort zu geben
unerhört
diese Frage
ist es wert
ist es wirklich
ist es wirklich wert
gesagt zu werden
jedes Ja versenkt seine Widerhaken im Rachen.
Wenn etwas fehlt
wenn ich es nicht sage
was für ein erregender
schwindelerregender
unerhörter Gedanke.
Jedes Ja in gestohlener Sprache
ist es wert gewesen.
Die ersten Worte
die man stiehlt
sind ein Federkiel
im Schmetterlingsleib der Unfassbarkeit
(wie unerhört
an die Fassbarkeit der Welt zu glauben
unerhört
so ein deutsches Wort)
Ich steche ohne Glauben
das erste Wort
auf Deutsch
woran ich glaubte:
trotzdem.
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Text
sparrow
it left no trace, no dent
no blood, only
splinters buried neatly
in soft, invisible flesh
the windowpane, reverberating
but unbroken, the beak
opening and closing, silently
stubbornly opening and closing
heart racing in vain
in the hollow of my palm, and I asked myself if
the sparrow died as senselessly
as all of us will, or
if the gnawing teeth of predators
would make my life more
precious
if hollow bones break faster
and if I were to lie
in the smooth paw of a giant
bloodlessly impaled, my mouth
opening and closing, silently
stubbornly, hopelessly
opening and closing
if I were to waste
my life under an indifferent gaze
if I were to die
would I cry for help
or mercy
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Unsachliche Romanze
Der Abend wurde wieder lang dein Blick ist schlafverhangen der Schimmer vom Laternenlicht ruht noch auf deinen Wangen. Tags halte ich mich fern von dir, ich grüße dich nicht gern, doch ich verabschiede dich immer.
In einem Luftzug lockt der Rauch sich wie dein langes Haar ich nehm ihn restlos in mich auf und du nimmst mich nicht wahr.
In einem Zug verlöscht die Glut an der du dich noch wärmst. Ich rede viel, ich sage wenig, meine wenig ernst, verschleier mich in Ironie, ich halte mich bedeckt, in einem toten Winkel bleibe ich dir nah und gut versteckt.
Ich würd dich gerne malen mich schlangenhaft um deine schlanken Knöchel winden dich ausmessen wie eine unerforschte Mondlandschaft wenn‘s dich nicht gäbe, würd ich dich erfinden dich wie eine Skulptur aus Marmor schlagen. Nur unsre schwarzen Lungen sind sich ähnlich ich neid‘ dir alles, was wir nicht gemeinsam haben.
Du bist so furchtbar nett zu mir, so höflich, gibst mir keinen Angriffspunkt und ich würd‘ mich so gern in dich verbeißen aus deiner kalten, glatten Hülle kann ich nicht einen Fetzen reißen ich kann mich in dir nicht spiegeln und komm dir nicht auf den Grund.
Ich würd‘ dich aufheben wie einen glatt geschliffenen Stein dich zwischen meinen Fingern halten gegen‘s Licht und meine Nägel gegen deinen schönen Schein in deine Hülle drücken, bis sie bricht und ich die Risse in dir nachvollziehen kann.
Wobei -
so weh will ich dir gar nicht tun. Lieber will ich mich hin-, will ich mich dir ergeben,
komm, besiege, komm, vergifte, komm, vernichte mich. Reiß mir mein letztes Hemd vom Leib, stoß mich in die kalte kalte Gischt, Wellen, in denen ich beständig an die Oberfläche treib, so sehr ich auch ertrinken will, bleib mit dem Knie auf meinem Brustkorb, aber bleib. Leg deine Hand auf meinen Mund, halt mich fest, und halt mich still.
Ich lüg‘ nicht gerne, und es liegt mir fern, zu sagen, was mir noch glühend auf der Zunge liegt. Es ist bestimmt nicht Liebe – wie leicht es von der Zunge geht, wie schwer es wiegt. Das, was ich von dir will, ist flüchtig, wie Kokain ein allzu kurzer Rausch, ein Stich, der mich erweckt, mein Herz ins Stolpern bringt, mir morgens ätzend in den Nasennebenhöhlen steckt - es wirkt so schnell, wie es verklingt, es macht genauso süchtig.
Ich gier‘ nach allem, was sich mir nicht gibt, nähr‘ selbst den Hunger, den du mir nicht stillst, vielleicht hab ich den Schmerz weit nötiger als dich wenn du nicht willst, setz‘ ich den Stich mir gern ins eigne Fleisch.
Auf meiner Schulter liegt noch deine Hand, derweil ich noch an deinen Lippen hänge ein dichter Nebel legt sich mir um den Verstand für dich dauert‘s nur eine Zigarettenlänge.
An Worten, die ich finde, halte ich mich fest, das, was sich gut in Worte fassen lässt, lässt besser sich ertragen. Ich bin nicht ganz verrückt nach dir, ich spinne dein strohblondes Haar zu Gold, kann mit dir ganze Seiten füllen, eine banale Wahrheit in Metaphern hüllen, doch ich hab dir nichts zu sagen.
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toothbrush
you don’t know where your first cat died
(it made sure
as they do
that you wouldn’t)
somewhere in Belarus
fungus is growing out of its bones
the second cat died in your mother’s lap
in a Jewish cemetery
right beside your grandfather
she buried it clandestinely
he didn’t have time to die back home
to burrow into a soil that knew him
away from pitying, loving gazes
as cats do
you never visited his grave
he never hated you
fifteen years later you’ve stopped hating him
your former lover
(so kind
so kind you’ve never written poems about them)
has taken your paintings off their walls
might send them back to you
might still be worth something
might still be worth more than your broken promise
your mother asks you about them
your mother keeps your drawings
and CDs and clothes and documents
your mother no longer cries when driving by your old flat
your mother has new cats now
they hiss when you visit
every seven years
the cells you’re made up of
have renewed themselves completely
the biggest of your scars is fifteen years old
sometimes, when you least expect it
it starts to throb
somewhere in a landfill
the first toothbrush you’ve ever used
refuses to rot
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Wolf
when you see the wolf, will you
remember the stories they told about it, will you
search for a grandmother‘s face
behind the bared and glistening gums
will you be Red Riding Hood
or the hunter
or a piece of nameless flesh
to be torn and digested
as the wolf, big, bad,
does every damn day?
when you see the wolf, will you
notice the bald spots on its ribs
bones over a stomach
which most days
curls itself around a growling emptiness?
when you see the wolf, will you
ask yourself how much that fur might get you
when draped around the shoulders
of rich vacationers, or
how it might feel for the cubs
gnawing at its teat with little teeth that
they have yet to put to use?
when you see the wolf
crouching on a rusted car roof
will it be through the crosshairs
your wolf, the last one?
will you
think of the bared and glistening gums
of the dogs snatching chicken off the enclosure
every damn day
only to return
to the warmth of familiar laps
sated and content?
when you see the wolf
will it see you too?
when you, fingers curled
around the beak of a chicken you snatched,
climb through the brittle wood
fencing nothing of value
to anyone but rich vacationers
in wolves‘ clothing,
when you see the wolf
vanish behind the planks, then
the shot you‘ll hear will be meant for you.
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Beitrag für "Ungehaltene Reden ungehaltener Frauen", ab Februar in der dazugehörigen Anthologie von S. Fischer.
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Rauchen
Ich weiß genau, warum ich früher nie mit dem Rauchen anfangen wollte: Der Geruch in den Küchengardinen und im Laminatfußboden, wie meine Mutter sich immer im Bad und auf dem Balkon einschloss, vor allem im Bad, das schmutziggelbe Bad und die braunen Linien zwischen den Kacheln und der Staub im Luftdurchzugsgitter. Die Drainage am Bauch meines Großvaters, weißer Mull schmutziggelb und braun. Der trank aber auch, vielleicht kam das deswegen.
Heute rauche und trinke ich auch. Das heißt wohl, ich bin erwachsen geworden.
Ich weiß genau, warum ich meine erste Zigarette geraucht habe. 18. Geburtstag, zum ersten Mal offiziell – und freiwillig – Alkohol, und das Mädchen, das mir den Long Island Iced Tea bestellt hatte, hatte eine Zigarette zwischen ihren vollen, vollen Lippen, und sah so schön dabei aus, so schön. Die nahm ich dann.
Ich weiß genau, warum ich mit dem Rauchen angefangen habe. Das war Jahre später und eine Frau. Als sie weg war, kaufte ich mir meine erste Packung. Vielleicht rauche ich meine letzte, sobald ich sie wiedersehe. Das ist jetzt neun Jahre her.
Ich habe schon sehr oft mit dem Rauchen aufgehört, ohne zu wissen, warum. Vielleicht war ich da nach anderen Dingen süchtiger.
Ich weiß genau, warum ich früher immer ein Feuerzeug mit mir trug, auch wenn ich gerade wieder aufgehört hatte mit dem Rauchen: mein Feuerglanz in den Pupillen von Frauen, deren Haare sich lockten wie Qualm in Windstille, und lockten, lockten, lockten.
Ich weiß genau, warum ich damals die erste Zigarette auf meinem Arm ausdrückte. Das ist jetzt neun Jahre her. Vor neun Jahren, als die Frau noch da war, habe ich sie darum gebeten, dass sie es für mich macht.
Ich weiß genau, warum ich damals, vor neun Jahren, Zigaretten auf meinen Armen ausdrückte. Die Schnitte sind länger her. Da weiß ich es nicht.
Ich hatte einen Mann kennengelernt, der nicht raucht. Aber von alten Blasen blieben die Narben und Einsamkeit hing noch immer schmutziggelb und faulend an den Lungenästen, auch wenn ich nach ihr nicht mehr süchtig war. Als ich auf dem Bordstein saß, von ihm abgewandt, Zigarette zwischen zitternden Fingern, nahm er sie mir ab und zog daran. Ich hatte mich lange nicht mehr so wenig einsam gefühlt.
Ich habe ihn verlassen. Ich weiß nicht, ob er vielleicht wegen mir selbst mit dem Rauchen angefangen hat, wie ich es vor neun Jahren getan hatte, eine Kettenreaktion, ein Erdrutsch. Ich verlasse, ich packe meine Umzugskartons nicht aus, ich sitze am Rand mit abgespannten Schenkeln, es gibt nichts und niemanden, den ich nicht verlassen, womit ich nicht aufhören könnte, nichts, wonach ich süchtig bin.
Ich fahre mit der Zigarette über die größte meiner Narben, ich schreibe mit Jahren Abstand, ich warte, ob da noch was kommt.
Wenn die Zellen, aus denen ein menschlicher Körper besteht, sich alle 7 Jahre komplett erneuern, warum wachsen Narben immer wieder nach, so wulstig stur auf sich selbst hinweisend? Warum hat mein Körper nichts gelernt?
Ich bin 29 und genau so, wie ich mit 20 werden wollte: kalt und gleichgültig wie erodierter Boden und gegen keine einzige Berührung mehr empfindlich. Mit 20 habe ich mir die Krankheit zur Komplizin gemacht. Zwischendurch habe ich sie mit dem Glück betrogen – jetzt, mit 29, habe ich das Gefühl, dass nicht einmal sie mich noch will.
Ich weiß, warum ich rauche: damit es brennt. Ich weiß, warum ich am liebsten blaue Gauloises rauche: die brennen am stärksten. Ich weiß, warum ich die Zigaretten nicht mehr an meinen Armen ausdrücke: meine Arme können alle sehen, meine Lunge niemand.
Ich weiß genau, was ich tue. Ich kenne meine Diagnosen, ich habe eine Erklärung, eine Ausrede, gute Gründe für alles. Nur warum ich wieder mit dem Rauchen angefangen habe, weiß ich nicht.
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