#mstart.de
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2001
Der Startseitengenerator
Vor einigen Tagen schrieb Kilian seine Nutzergraphie zu trovu.net. Als Entwickler davon mag ich nun etwas zu dessen Genese und seines Vorläufers schreiben.
2001. Obwohl es schon DSL gibt, ist das Internet an manchen Orten noch langsam. Unsere WG hat das Pech, im Glasfaser-Tal-der-Ahnungslosen Berlin-Friedrichshain (Südkiez) zu wohnen: Dort wurden ganz früh schon die modernsten Leitungen gelegt, über die es irgendwann mal ganz schnelles Internet geben wird – aktuell gibt es aber noch keinen Anbieter dafür, und die Kupferkabel, die das DSL braucht, haben wir nicht mehr.
Wir sind also über ISDN im Internet. Bei 6 Leuten kann das langsam werden, also suche ich, wie noch zu Modemzeiten, nach jedem Optimierungspotenzial.
Mir fällt auf, dass ich für Google-Suchen und GMX-Login immer zwei Aufrufe habe:
einmal, um die Startseite mit dem Suchformular zu öffnen,
und dann, um nach dem Ausfüllen der Felder die Ergebnisseite zu laden.
Was allerdings geht: Ich kann mir im Browser eine Startseite definieren. Mache ich ein neues Fenster auf, so wird zuerst diese geladen.
Ich kann mir also Google oder GMX als Startseite festlegen – aber nur eine von beiden. Und die wird oft auch noch neu geladen!
Und so wird mstart.de geboren, ein Startseitengenerator: ich kann mir einmal einstellen, was ich alles haben möchte: Google, Altavista, dmoz, GMX [1], dann generiert er eine Seite mit allen Formularen, und diese kann ich mir auch lokal abspeichern.
Das Schöne ist, dass das sogar ohne Nutzerdatenbank funktioniert (ein Ansatz, den ich fast 20 Jahre später wieder bei trovu.net haben werde): Die Nutzer klicken sich die gewünschten Formulare zusammen, das generiert dann einen Aufruf mit vielen GET-Parametern (etwa: mstart.de/?google=1&gmx=1&…), und diese Information reicht dem PHP-Skript, um die persönliche Startseite zu generieren.
Mit mstart.de habe ich nun also meine wichtigsten Suchformulare griffbereit, ohne extra Ladezeit stehen alle untereinander auf einer Seite und ich kann mit TAB oder Maus hinnavigieren und sofort lossuchen. Eine schöne Verbesserung.
In den folgenden Monaten und Jahren nutze ich meine Startseite – und frage mich irgendwann: Ständig erst ein paar Mal TAB drücken oder mausklicken, um im richtigen Formular zu sein – geht das nicht einfacher?
Damit keimt die Idee zu Serchilo, um das es in meinem nächsten Artikel gehen soll.
[1] Ja, einen GMX-Login anzubieten und Nutzern zu sagen, sie sollen ihr Email-Passwort auf unserer Seite eingeben, war natürlich sicherheitstechnisch keine gute Idee.
(Georg Jähnig)
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2005
Von generierten Formularen zur Kommandozeile
In meinem vorigen Artikel schrieb ich von mstart.de, einem der mehreren Vorläufer des heutigen trovu.net, das zuvor Kilian aus seiner Nutzersicht beschrieb. Hier geht die Geschichte nun weiter: wie aus dem Startseitengenerator eine Kommandozeile fürs Web wird.
Mit mstart habe ich also alle meine häufigen Suchformulare auf einer (lokal heruntergeladenen) Webseite zusammengefasst. Für eine Google-Suche muss ich nur ins entsprechende Feld klicken; Infoseek und Aktiensuchen sind ebenfalls leicht zugänglich. Trotzdem benötige ich mehrere Klicks oder Tastenanschläge, und aufgrund des Platzbedarfs ist nur eine begrenzte Anzahl an Diensten verfügbar.
Zeitgleich kenne ich vom Browser Opera eine tolle Funktion: Kürzel für bestimmte Websuchen festzulegen. So kann ich “g” für Google einstellen und einfach “g berlin” eingeben, um das Google-Suchergebnis für “berlin” zu sehen.
Was leider nicht geht: ein Kürzel mit mehreren Argumenten definieren, also dass zB “db Berlin, Hamburg” die Bahn-Verbindungssuche aufrufen würde. Auch geht es nicht, die eigenen Kürzel schnell auf einem anderen Rechner nutzbar zu machen (dazu muss ich die Browser-Konfiguration migrieren), oder auf die Kürzel und deren Wartung anderer Nutzer zugreifen. Und genau dafür entwickele ich 2005 Serchilo: Es gibt nur noch ein Eingabefeld, und dort kann ich wie bei Opera “g berlin” eingeben, aber auch “db berlin hamburg” – und kommt direkt zu den entsprechenden Ergebnisseiten. Die Kürzel-Datenbank ist dabei online gespeichert: alle Kürzel sind also an jedem neuen Rechner verfügbar, ich brauche nur serchilo.net aufzurufen (oder als Standardsuche des Browsers einzustellen).Der Name kommt übrigens aus dem Esperanto (bedeutet „Suchwerkzeug“) und liegt an meiner damaligen (und heutigen) Begeisterung für die Sprache: sie zu lernen, nach Englisch und Französisch in der Schule, ist vergleichbar mit auf Python zu stoßen, wenn man bislang nur C++ kannte. Ich bin auch nicht der einzige mit der Kommandozeilen-Idee: Alternativen heißen YubNub, Yeah Way, Yahoo Open shortcuts, Sugarcodes, Dozomo und DuckDuckGo Bangs.
Als Datenbank und Oberfläche für die Pflege der Kürzel nutze ich MediaWiki (womit auch die zu diesem Zeitpunkt neue Wikipedia läuft): da sind bereits Nutzermanagement und Versionskontrolle drin. Dennoch ist das Anlegen eines neuen Kürzels recht kompliziert: Für jedes muss man eine eigene Wiki-Seite anlegen, und anfangs sogar Reguläre Ausdrücke kennen. So sah zB. das Google-Kommando aus:
query: /^g([\w]{2})? (.*)$/url: http://www.google.com/search?hl=$subdomain&lr=lang_$1&q=$2&ie=utf-8
Das ist vermutlich anfangs vor allem ein Flaschenhals, durch den es nur Programmierer schaffen, aber die Serchilo-Art zu suchen ist ja eh deren Stil.
Über die nächsten fast 20 Jahre entwickele ich dann immer wieder daran weiter, es wird zu meinem Haupt-Hobbyprojekt: Das Anlegen neuer Kürzel wird einfacher, nutzerspezifische Kommandos werden möglich, es kommt Internationalisierung hinzu (ein deutscher Nutzer will ja eine andere Wikipedia aufrufen als ein französischer), und später auch Firefox-Erweiterung und Android-App.
Serchilo wird meine Spielwiese zum Ausprobieren neuer Technologien:
nach Mediawiki implementiere ich es 2011 in Ruby on Rails (ohne je damit live zu gehen, weil es mir dann doch nicht gefällt)
2012 in Drupal, weil damit meine Freunde freelancen, was ich auch will
2014 nochmal in Drupal, aber besser, mit all meinen gelernten Erfahrungen, und dann quelloffen
2015 ändere ich auch den Namen FindFind.it, um etwas leichter Schreib- und Merkbares zu haben – aber so richtig gefallen wird mir der nie.
Rückblickend war da viel Shiny-Object-Syndrome und leider weniger Nutzer-Kommunikation: So manche Umstellung stößt manche vor den Kopf, Nutzerzahlen stagnieren, und erst später gewöhne ich mir an, auf Anfragen schnell zu reagieren.
Und es kommt auch ein Verantwortungsgefühl auf: Für viele Nutzer, so berichten sie mir, wird es zur essentiellen Browserkonfiguration: Ohne Serchilo können sie das Internet nicht mehr bedienen. Insofern kommt Abschalten für mich nie in Frage, die Quelloffenlegung ist auch damit motiviert, dass es ohne mich überleben kann.
Eine Umstellung muss es dann aber doch geben: Dass alle Suchanfragen aller Nutzer über meinen Server gehen – das finde ich sicherheitstechnisch irgendwann nicht mehr akzeptabel. Spannenderweise erfahre ich 2018 davon, dass man Parameter an eine URL auch hinter dem Hash senden kann (example.com/#query=Suche) – und diese nur lokal verarbeitet werden. Und so entsteht die Idee zum heutigen trovu.net, um das es im nächsten und letzten Artikel gehen soll.
(Georg Jähnig)
#Georg Jähnig#Suchmaschine#suchen#Tastaturkürzel#mstart#Serchilo#FindFind.it#trovu.net#Wiki#MediaWiki
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