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Neue Lieder von Hansi Dressler
Unser Ehrenmitglied Hansi Dreßler mit neuen Liedern
Das Engagement des Vereins Freiheit statt Angst e.V. für die Verteidigung der Menschenrechte und Menschenwürde, insbesondere bei der Aufklärung zu Überwachung durch Staat und Wirtschaft inspirierten den Musiker Hans-Jürgen Dreßler 2016, dem Verein eine Hymne zu schreiben. Der Text und die Musik zu unserem Song fanden bei unseren Mitgliedern so großen Anklang, dass sie beschlossen, Hans-Jürgen Dreßler zum Ehrenmitglied zu ernennen.
12 Jahre „Freiheit statt Angst e.V.“ nahm unser Ehrenmitglied Hansi Dreßler nun zum Anlass, dem Verein eine neue Version der Hymne sowie 3 weitere Songs zu übergeben. Er sorgte auch dafür, dass es nun auch eine gesungene englische Fassung der Hymne gibt.
Levampire hat das Lied singbar ins Englische übertragen und anschießend gesungen. Die auf der Liederseite daneben stehende deutsche Fassung ist dann die Rückübertragung der englischen Fassung.
Unsere Hymne findet sich auch mit einem einzigen Klick auf die Note oben rechts auf unserer Startseite.
So ist schließlich ist die kleine CD "Hansi Dreßler und Freunde" entstanden:
Hans-Jürgen Dreßler – Gesang, Bass, Gitarre, Piano Marlen und Miloš Kunzke, Andreas Furtner mit Hansi Dreßler – Chor - Titel 1 und 5 Peter Lucht – Schlagzeug Titel 1 und 5 Rainer Respondek - Schlagzeug Titel 2-4 Willi Borchert – Gesang Titel 2-4 Levampire - Gesang Titel 5
(1) Freiheit statt Angst (2) Politik (3) Verharzt (4) Leer (5) Freedom Not Fear
Alle diese neuen Songs von Hansi Dreßler sind auch in unserer Mediathek zu finden.
Zu unseren Ehrenmitgliedern https://www.aktion-freiheitstattangst.org/de/articles/2042-ehrenmitglieder.htm zu Seite über Hansi Dreßler https://aktion-freiheitstattangst.org/de/articles/2037-ehrenmitglied-hansi-dressler.htm und zu den Liedertexten https://www.aktion-freiheitstattangst.org/de/articles/5779-20161023-das-freiheit-statt-angst-lied.htm Link zu dieser Seite: https://www.aktion-freiheitstattangst.org/de/articles/7614-20210418-neue-lieder-von-hansi-dressler.htm
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Reisen nach Italien, Lob eines Lexikons, General Auburtin und zwei Vorkommnisse an einer Schule – Fünf E-Books von Freitag bis Freitag
Italien – das ist das Reiseziel von Waldtraud Lewin. Deren Reise- und Erlebnisbuch „Addio, Bradamante“ aus den achtziger Jahren des inzwischen vorigen Jahrhunderts ist der erste der fünf Deals der Woche, die im E-Book-Shop www.edition-digital.de eine Woche lang (Freitag, 09.02.18 – Freitag, 16.02.18) zu jeweils stark reduzierten Preisen zu haben sind. Jürgen Leskien, der Angola-Fahrer, berichtet in „Das Brot der Tropen“ wieder einmal aus diesem afrikanischen Land – und über seinen Großvater, der sich gut auskannte zumindest von A bis Atlantiden. Und diese Kennerschaft hatte einen ganz bestimmten Grund. In 18 Erzählungen unter dem Titel „Ihr wilder Mut“ stellt Heinz Kruschel Menschenschicksale aus dem 20. Jahrhundert vor. Eine Auswahl der schönsten Feuilletons & Geschichten des bekennenden Auburtinisten Jürgen Borchert präsentiert der Band „Spiel gegen sich selbst“, der in einer Art Selbstvorstellung auch das größte menschliche Vergnügen lobt – das Denken. Um das Denken sowie um grundsätzliche Fragen von Entwicklung und Erziehung, um menschliches Verhalten zwischen Routine und Revolution geht es in der Erzählung „Zugespitze Situation“ von Albrecht Franke. Eigentlich schade, dass wir nicht wissen, ob die damalige DDR-Volksbildungsministerin Margot Honecker dieses brisante Buch jemals zu Gesicht bekommen hat und was sie darüber gedacht hat oder zumindest haben könnte. Vielleicht haben Sie eine Idee, wenn Sie das letzte der aktuellen fünf E-Book-Angebote der Woche gelesen haben. „Addio, Bradamante“ – unter diesem Titel veröffentlichte Waldtraut Lewin erstmals 1986 im Kinderbuchverlag Berlin „Drei Geschichten aus Italien“: Die Autorin hat berühmte und sehr verschiedene italienische Landschaften und Städte besucht. In die Toskana, nach Rom und Sizilien führen die drei Erzählungen dieses Buches, Reisebericht und mitreißendes Erlebnis zugleich. Zahlreich sind die Stationen und die Begegnungen mit den Bewohnern des Landes. Die toskanische Schäferin Cincia, die mit der Besitzerin des alten romantischen Turmes in Fehde liegt, Fortunata, die Tänzerin in Rom, deren Traum vom Aufstieg zur Primaballerina zerbrochen ist, vor allem aber Bradamante, den alten Rittergeschichten entstiegen: sie alle und andere mehr sind lebendig, liebenswürdig in ihrem Temperament und interessant in den Fragen, die sie beschäftigen. Spannende Abenteuer lassen nicht auf sich warten, und Geheimnisse wollen gedeutet sein. Das Buch beginnt mit „Der Turm und der Ölbaum. Eine Geschichte aus der Toskana“: „Auf dem Lande wohnt man billiger als in der Stadt, hatte man mir gesagt. Außerdem sieht ein Hotel wie das andere aus. Ich aber wollte Dinge sehen und erleben, wie sie nicht jedem Touristen begegnen. Freunde hatten mir die kleine Herberge gleich an der Straße empfohlen, dort sei es preiswert, und man würde freundlich behandelt, als gehöre man zur Familie. Aber es war Wochenende, und wider Erwarten gab es kein freies Bett. „Das Wetter war so lange schlecht“, sagte der geschäftige Wirt, „nun haben die Leute die ersten schönen Tage zu einem größeren Ausflug genutzt. Von hier aus sind es ja nur zehn Minuten bis zum See, wissen Sie, und vielleicht kann man sogar schon baden.“ Das war für einen Italiener eine kühne Vermutung. Ende Mai geht man hier gemeinhin noch nicht ins Wasser. Ein Bad unter zwanzig Grad wird als Martyrium angesehen, und der Trasimeno-See, von dem der Wirt redete, hatte höchstens achtzehn Grad zu dieser Zeit. Aber wie dem auch sei, es war kein Zimmer zu haben. „Versuchen Sie es doch im Ort“, sagte der Wirt in Eile. Ein bisschen enttäuscht begab ich mich dorthin. Um diese Jahreszeit, so zwischen Frühling und Sommer, war es in der Toskana am schönsten, warm, aber nicht zu heiß, und das Grün der Landschaft noch nicht versengt von der glühenden Sonne des Juli und August. Ungefähr auf der „Wade“ des Stiefels Italien befand ich mich, an der Grenze der Provinzen Umbrien und Toskana. Hier gedeihen Wein und Oliven, die braunen Bauernhäuser liegen wie geometrische Figuren an die sanften Hügel geschmiegt, und die Zypressen säumen die Wege zu den Gehöften wie Ausrufezeichen. Es ist eine der schönsten Landschaften Italiens, die jedem etwas bietet: der große Trasimeno-See ist für alle, die gern am Wasser sind, die Ausläufer des Apennin mit dem Monte Amiata für die Freunde der Berge - man kann da sogar Ski laufen! Und wer sich für schöne Städte und Kunstschätze interessiert, für den sind von Florenz bis Assisi so viele da, dass einem der Kopf schwindeln kann. Weiter oben auf den Hügeln, wo keine Felder mehr sind, beginnt die Macchia, der Buschwald aus Eichen, Weißdorn, Stechpalmen, wilden Rosen, Thymianbüschen und Ginster. Von dorther kam mir mit Glockengeläut eine Schafherde entgegen. Zwei schwarze Hunde umkreisten sie, der Schäfer ging am Schluss. Als sie näher herankamen, sah ich, dass es eine Schäferin war, eine zierliche junge Frau. Sie trug derbe Schuhe, ein buntes Halstuch und einen Schäferstab in der Hand. Aus ihrer Schäfertasche, die ihr an Bändern über der Schulter hing, ragte ein dickes in Leder gebundenes Buch mit Goldschnitt hervor, das sie, als sie meiner ansichtig wurde, tiefer in die Tasche hineinstopfte. Um ihr gebräuntes Gesicht war blondes Haar gescheitelt, geflochten und aufgesteckt, dass es fast wie eine Krone aussah. Wie auf dem Lande üblich, grüßten wir einander freundlich. Die Schäferin blieb stehen, während ihre Herde rechts und links des Hohlweges das saftige Gras abzuweiden begann, und fragte: „Wollen Sie unser schönes Tal besuchen?“ „Ich wollte“, sagte ich, „aber es scheint, es gibt Probleme mit dem Quartier. Wenn ich im Ort nichts finde ...“ „Sie finden bestimmt etwas“, sagte die Schäferin lebhaft. „Fragen Sie nach einem Haus, das II Molino genannt wird. Es ist oft unbewohnt, weil ich im Sommer meist im Pferch bei meinen Schafen schlafe. Sie können hineingehen, es ist unverschlossen. Sagen Sie der Schwelle ein paar freundliche Worte.“ „Was soll ich tun?“, fragte ich verwirrt. Nur ein paar Jahre vor dem Italien-Buch von Waldtraut Lewin, erstmals 1982, veröffentlichte Jürgen Leskien ebenfalls im Kinderbuchverlag sein Afrika-Buch „Das Brot der Tropen“: Mit seinem Großvater fängt es an - das Buch, das der Schriftsteller Jürgen Leskien über Afrika geschrieben hat, genauer gesagt über die Volksrepublik Angola. Großvater, der eigentlich ein Kutscher war, wusste viel, weil er immer genau zuhörte und weil er ein Lexikon besaß – zwar nur einen Band von zwanzig Bänden. Aber immerhin. Band eins von A bis Atlantiden. Und seinem Enkel erklärte er manches von Afrika. Als der Jahre später wirklich in Afrika ist, in der Volksrepublik Angola, lernt er dort zum Beispiel die Hafenstadt Lobito kennen, trifft einen Wachsoldaten, der ihm mit seinem Seitengewehr eine Kokosnuss öffnet ��� eine Kokosnuss, die vielleicht aus Brasilien über das Meer nach Angola geschwommen war. Viel erfährt Leskien während seines Aufenthaltes über das Leben und die politische Entwicklung in Angola von der Kolonialzeit bis zum Befreiungskampf, er erfährt von den mehr als hundert Stämmen, die sich untereinander nur schwer verständigen können, von der ersten Militärparade der Soldaten der angolanischen Volksarmee am 4.Februar 1976 über die Magistrale der Hauptstadt Luanda und von der großen Bedeutung von Sprichwörtern in der Kultur dieses Landes. Und erzählt, wie er als Mitglied einer FDJ-Freundschaftsbrigade half, junge Angolaner in der Reparatur von Lastwagen zu unterweisen und mit ihnen gemeinsam die Autos in Gang zu halten. Jürgen Leskien berichtet, wie er in Angola Freunde, schwarze Freunde findet, aber er berichtet auch von den Tagen, da er sich nach seinem 9.000 Kilometer entfernten grünen Heimatland sehnt. Er sieht Affenbrotbäume und Maniokfelder – das Brot der Tropen – und leider keine Elefanten. Und irgendwie ist in Afrika immer auch sein Großvater mit dabei. Sein Großvater aus dem fernen Berlin. Und als er wieder nach Hause kommt, da stellt ihm der Großvater eine wichtige Frage. Aber bevor es soweit ist, dauert es noch ein bisschen. Wir sind schließlich erst ganz am Anfang und bei dem bereits erwähnten Großvater, der ein außergewöhnlicher Mann war, wie man gleich hören wird: „1. Kapitel Am besten ist, ich erzähle gleich von meinem Großvater, dann wisst ihr, woran ihr seid; und warum ich nach Afrika gefahren bin, ist leichter zu verstehen. Also, mein Großvater! Mein Großvater ist Berliner, schon immer. Damals wohnte er mit seiner Frau und seinem Sohn, der, wie richtig vermutet, mein Vater ist, in der Blumenstraße. Das ist die Gegend um den heutigen Ostbahnhof, aber mehr zum Alexanderplatz hin. Großvater, Großmutter und der Apfelschimmel Oskar betrieben zu dritt eine kleine Kohlenhandlung. Das war in der Zeit zwischen den beiden Kriegen. Wer die Blumenstraße heute sucht, bemüht sich vergebens. Die Blumenstraße ist im Winter neunzehnhundertvierundvierzig verbrannt. Was danach blieb, waren Berge verkohlten Gesteins, Menschen, die in den Trümmern nach Menschen suchten. Zu dieser Zeit war der Kohlenplatz schon lange ohne Kohlen, und Oskar lebte nicht mehr. Großvater hatte ihn, während ich mit Großmutter zitternd vor den Bomben im Hochbunker saß, mit der stumpfen Seite unserer alten Axt erschlagen und das Fleisch am gleichen Abend noch eingeweckt. Besser wäre gewesen, Großvater hätte unser Pferd an die Leute verteilt, die es kannten, an die Nachbarn zum Beispiel oder an die lange Schmidten von der gegenüberliegenden Straßenseite, die war immer auf Suche nach was Essbarem, die Schmidten hatte fünf Kinder. Aber nein, Großvater hatte eingeweckt. So kam es, dass vom toten Oskar so recht niemand etwas hatte. Die Einweckgläser standen nur drei Tage im Keller, am vierten Tag war das Haus darüber eingestürzt und mit ihm die ganze Blumenstraße. Ich selbst hatte von Oskar, den ich wirklich gut leiden konnte, nur drei Buletten gegessen, die Großmutter nicht einmal das. Aber vergessen, vergessen konnten wir den Apfelschimmel nicht. Im folgenden Sommer dann, eigentlich blühte man gerade der Frühling, quengelte Großvater und schimpfte. Er müsse raus, müsse sich kümmern, er käme hier um. Also an einem Frühlingstag fuhr Großvater mit dem Zug in Richtung Luckenwalde. Er wollte ein Pferd kaufen. Natürlich lachten alle, und die Soldaten des Kontrollpostens der Roten Armee am Stadtrand hörten sich ziemlich ungeduldig Großvaters Gerede an, aber dann lachten auch sie. Woher jetzt ein Pferd nehmen! Bevor der Krieg die Menschen verschlungen hatte, hatten die Menschen die Pferde geschlachtet! Die Panjepferde der Soldaten mit dem hochaufgewölbten Kummet, die? Die meinte er? Dass ihnen ein Deutscher ein Pferd der Roten Armee abhandeln wollte, das war den Soldaten noch nicht untergekommen. Aber Großvater ließ nicht locker. Die Soldaten wurden ärgerlich. Um ihn loszuwerden, setzten sie ihn auf ein Auto, das in Richtung Stadt den Kontrollpunkt passierte. Später fuhr der Großvater immer wieder mit dem Zug in Richtung Luckenwalde, und die Soldaten staunten nicht schlecht, als er eines Tages mit einem Pferd vor dem Schlagbaum stand. Und so hatte ich das Glück, nicht nur mit drei Brüdern, sondern auch mit einem Pferd aufzuwachsen. Und das mitten in Berlin! Doch das ist nun schon eine ganz andere Geschichte. Ihr versteht, was ich sagen will: hatte sich Großvater einmal etwas in den Kopf gesetzt, ließ er nicht davon ab. Diese Hartnäckigkeit hielt die Familie in schlimmen Zeiten zusammen, aber sie bescherte meiner Großmutter auch so manche schlaflose Nacht. Ja, was der Großvater wusste, dass wusste er! Leute, die diese Zeit von damals genauer kennen, werden sagen, na, mit dem Wissen kann es ja nicht weit her gewesen sein. Nun ja, wahr ist, Großvater hatte nur sechs Jahre die Schule besucht; das lag am deutschen Kaiser. In seinem Auftrag wurde dem Vater meines Großvaters eines Tages die Pickelhaube mit feldgrauem Überzug auf den Kopf gestülpt, und man hieß ihn in einen Militärwagen einsteigen. Der Zug, zu dem der Waggon gehörte, stand auf dem Wriezener Bahnhof, nicht weit weg von der Blumenstraße, und Großvater bekam aus diesem Anlass schulfrei. Doch schon am übernächsten Tag hatte er sich ganz und gar von der Schule verabschieden müssen, denn mit seinen zwölf Jahren war er recht kräftig und wurde in der Kohlenhandlung gebraucht. Dabei blieb es zeit seines Lebens - Arbeit auf dem Kohlenhof. Trotzdem - Großvater wusste viel. Er war in Berlin herumgekommen, kannte viele Leute, hörte immer genau hin, wenn sie sich in der Kutscherkneipe an der Warschauer Brücke ihre Geschichten erzählten. Und Großvater besaß ein Lexikon! Ja, ein Lexikon. Wie er zu dem kam, ist schnell erzählt. Ihr könnt euch denken, dass nicht immer Kohlen zu fahren waren, auch später dann, im Frieden, als es wieder welche gab, war es in dieser Hinsicht nicht anders. Aber Felix, so hieß Oskars Nachfolger, sollte nicht kalt stehen, nicht nur das Futter in sich hineinmampfen. Außerdem musste ja auch die Familie ernährt werden. Und so fuhr Großvater für die Leute vom Friedrichshain ab und zu Möbel, half beim Umziehen. Eines Morgens, nach einem solchen Umzug, fand der Großvater in der Futterkiste des Wagens ein Buch. Das Buch war dick und schwer, ein richtiger Wälzer. Weiß der Teufel, wie es in die Futterkiste gekommen war, auf jeden Fall hing das mit dem letzten Umzug zusammen. Mehrfach versuchten wir, den Leuten das Buch zurückzugeben, doch vergebens. Großvater brachte aus der Markthalle am Alexanderplatz Kistenbretter mit und baute für das Buch ein Regal. Das musste sein, denn es war ein schönes Buch, so meinte die Großmutter. Goldene Buchstaben zierten einen breiten Lederrücken. Es war auch ein nützliches Buch, wie sich aber bald herausstellte, leider nur eins von zwanzig. Es war der Kopf einer Bücherschlange mit zwanzig Gliedern. Aber immerhin der Kopf - Lexikon Band eins von A bis Atlantiden. Die Ausgabe war in Großvaters Geburtsjahr erschienen, und das deutete er als gutes Zeichen.“ Erstmals 2001 erschien im Geest-Verlag Ahlhorn das Buch „Ihr wilder Mut“ mit Erzählungen von Heinz Kruschel: 18 Erzählungen aus dem Jahre 2001 zeigen mit psychologischer Gründlichkeit Schicksale, Fehler und Schwächen, die Wünsche und Sehnsüchte von Menschen im 20. Jahrhundert auf: Die Erinnerung des Großvaters an ein Ereignis in der Kindheit, für das er sich noch immer schämt; die infame Intrige einer 13-Jährigen, die sich in ihren Lehrer verliebt hat; die teilnahmslose Anteilnahme einer Bäuerin am langsamen Sterben des ungeliebten Mannes; die Liebe eines einsamen Kindes zum Hund der Tante; die Flucht eines Jungen aus einem zerstrittenen Elternhaus; die rührende Anteilnahme eines Mädchens an einem Verwahrlosten, der aus der Weihnachtsmesse geworfen wurde; der grenzenlose Mut eines glücklich verliebten Mädchens; ein die Angst besiegendes Mädchen; das Verhältnis der Menschen zu den Tieren, zu andersartigen Menschen, zu Älteren und Sterbenden. Die Erzählungen sind so vielschichtig und spannend wie das Leben. Hier der Anfang der ersten Erzählung, in der es um eine beschämende Erinnerung geht: „Julitag in der Schulstraße Nach fünfzig Jahren sehe ich die Stadt wieder und wundere mich, wie klein manches ist, das ich viel größer in Erinnerung hatte. Ich gehe in die Schulstraße und zeige dem Enkel mein Geburtshaus: schmal steht es zwischen sieben Reihenhäusern, die der Schacht erbaut hatte. Die Zeit hat viele gelebte Jahre blass werden lassen, aber Bilder tauchen auf, die man vergessen hatte. Jede Straße hat eine Geschichte. Ich zeige dem Enkel die Ecke, wo der Kaufmann sein Geschäft hatte, in dem ich für einen Groschen bunten Puffreis kaufen konnte, und ich zeige ihm auch das Haus, wo der Jude Arend wohnte, der als Diener das Auto des Generaldirektors fuhr, und auch das Haus des Glasermeisters steht noch, der einen steifen Arm hatte und dessen Töchterchen vor der geöffneten Ofenklappe erstickt war. Jedes Haus hat auch eine Geschichte. Ich gehe durch die Straße, als erwartete ich, erkannt zu werden, und ich versuche, in alten Gesichtern die Freunde der Schulzeit zu erkennen, und ich erinnere mich, weiß aber nicht genau, ob das, woran ich mich zu erinnern glaube, mir nicht von anderen erzählt worden ist. Ich denke in dieser Straße an einen bestimmten Tag, und nichts von diesem Tag hat sich abgeschwächt, und ich sage laut zu meinem Enkel: „Ich schäme mich heute noch, wenn ich an einen bestimmten Tag in dieser Straße denke.“ Der Enkel sieht mich erstaunt an. Damals trugen wir die Ärmel hochgekrempelt, sodass man die festen Muskeln sah, und die Strümpfe runtergekrempelt, das war Mode in den vierziger Jahren. „Warum schämst du dich?“ „Das kannst du nicht verstehen.“ „Weil du es selber nicht verstehst, was? Erzähl einfach.“ Ich finde, dass die erzählte Erinnerung mich schwächen wird, und weiß nicht, ob sie für ihn wichtig ist. „Es war Krieg und ich war dreizehn Jahre alt.“ „So alt wie ich.“ „So alt wie du heute, ich war nur viel dümmer.“ „Stimmt das? Das sagst du bloß so.“ Ich hole ein vergilbtes Foto aus der Brusttasche und zeige es dem Enkel. Es zeigt das einst��ckige Schachterhaus, vor dem wir stehen. Aus den Fenstern im ersten Stock sehen Menschen herab. Eine Frau hält ein weißes Bündel im Arm. Die Frau ist meine Großmutter. Das Bündel soll ich sein. In der Schulstraße war nur morgens Betrieb, wenn die Kinder zur Schule gingen. Hier spielten wir nicht, man konnte sich in der Straße nicht verstecken. Zum Spielen gingen wir auf dem nahen Feuerwehrplatz an der Salzrinne, wo schmutzig gelbes Wasser aus der Fabrik abfloss. „Du wirst schon noch alles erzählen. Wer wohnte in dem Haus nebenan?“ „Die Hermanns. Er war Kommunist und sie eine ganz Strenge. Meine Großeltern trafen sich mit ihnen zum Skat. Die Hermanns wollten nicht, dass ihr Sohn die schwarze Kumalke heiratete.“ „Und warum nicht?“ „Die Kumalke verkaufte vom Karren herab grüne Heringe.“ „Na und, was ist schon dabei?“ Ich weiß nicht, warum das ihnen nicht passte, der alte Hermann hatte wohl einen Posten unter Tage, er vertrat den Steiger, wie soll man das alles heute einem Jungen erklären. Kommunisten hatten ihren eigenen Stolz. Hätte ich nur nicht gesagt, dass ich mich immer noch für einen ganz bestimmten Tag schäme, den ich vergessen hatte. „Es war sehr heiß an diesem Tage.“ „Und warum seid ihr dann nicht schwimmen gegangen? Bis zum Strandbad ist es doch nicht weit.“ „Wir hatten Dienst.“ „Was ist das, Dienst haben?“ „Wir mussten marschieren üben, wie man sich dreht und die Beine wirft.“ „Marschieren? Drehen? Beine werfen? Das haut mich um.“ Ich lache, aber mein Lachen klingt verlegen und etwas gequält. Ich finde mein Lachen sogar dumm. Wie erkläre ich denn, was „Linksum“ bedeutete oder was ein Fähnleinführer war, wie erklärt man das einem Dreizehnjährigen heute, und muss man das überhaupt erklären? „Es war ein Tag im Juli 1943.“ „Es war Krieg, stimmt’s?“ Der Enkel geht in die achte Klasse und weiß, von wann bis wann der Krieg gedauert hat, also muss mich die Feststellung nicht überraschen. Anderes müsste ich erklären: An die tausend Kilometer von der Schulstraße entfernt, nämlich in Italien, beschloss in eben diesem Sommer 43 ein Verwandter des italienischen Königs, vor den Engländern und Amerikanern die Waffen niederzulegen. Er sagte: Sollen doch die Deutschen allein weiterkämpfen, die gewinnen den Krieg sowieso so nicht mehr, das ist unser Krieg nicht länger. Das erzähle ich dem Enkel. „Wie hieß dieser Verwandte?“ Es war ein Marschall, und er hieß Badoglio.“ „Und was hat er mit der Schulstraße zu tun?“ „Gar nichts, oder doch? Wenigstens in meiner Fantasie.“ „Die Uroma, was deine Mutter ist, die sagt, dass du schon immer viel geträumt hast, Großvater. Du sollst sogar aus dem Bett gefallen sein.“ „Wenn sie das sagt, wird es vielleicht stimmen.“ „Wer vergisst, was schlimm war, der wird dumm, sagt Töffel.“ „Wer ist denn Töffel?“ „Na, Herr Krüger, den kennst du doch, der hat bei dir das Abi gebaut.“ Der Krüger also, denke ich, eine Leuchte war das nicht, aber mit dieser Bemerkung hat er was Kluges gesagt.“ Erstmals 1987 legte Jürgen Borchert im Mitteldeutschen Verlag Halle-Leipzig unter dem Titel „Spiel gegen sich selbst“ Feuilletons & Geschichten vor: Dieses Buch ist eine freundliche Einladung, eine Einladung zu Jürgen Borchert und zu seinen Texten. Das „Spiel gegen sich selbst“, das mit ebenso überraschend kombinierten wie lesenswerten „Auskünften zur Person“ eröffnet wird, versammelt seine schönsten Feuilletons, Geschichten und Miniaturen aus seinen Bänden „Klappersteine“ (1977), „Elefant auf der Briefwaage“ (1979) und „Efeu pflücken“ (1982) sowie bis dahin unveröffentlichte Texte und Arbeiten für regionale Publikationen. Das bringt Aufklärung über den Schriftsteller selbst und seine Art zu schreiben, über das Feuilleton und über die Kollegen, denen er sich verwandt fühlte. Dazu lese man vor allem seinen wunderbaren Text „Wie ich Auburtinist wurde“, in dem er auch erklärt, aus welchem persönlichen Gründen ihm Victor Auburtin schon ein Begriff war, ehe er auch nur ein einziges Feuilleton geschrieben hatte. Und noch immer bemerkenswert ist nicht zuletzt der Schluss seiner „Auskünfte zur Person“, in denen Jürgen Borchert in dem erstmals 1987 im Mitteldeutschen Verlag Halle-Leipzig erschienenen Auswahlband schrieb: „Ich bin alt genug, um zu wissen, wohin ich gehöre. Ich mag es nicht, wenn man mir erklärt, wie ich denken soll. Ich schätze Brecht nicht sonderlich, halte aber seinen Satz aus dem Galilei, dass das Denken das größte Vergnügen der menschlichen Rasse sei, für einen der wichtigsten Sätze, die in diesem Jahrhundert gesagt worden sind. Ich wünsche, dieses Vergnügen würde zu einem allgemeinen Bedürfnis.“ Das Jahrhundert, von dem bei Borchert die Rede, ist allerdings inzwischen das vorige Jahrhundert. Als eine erste Leseempfehlung hier eine weitere Selbsterläuterung des Autors, der wusste, was er konnte – und was (noch) nicht: „Wie ich Auburtinist wurde Noch kein einziges Feuilleton hatte ich geschrieben, ich wusste überhaupt nichts vom Feuilleton und kannte nicht einmal das Wort, hätte es auch, falls es mir bekannt gewesen wäre, weder richtig aussprechen noch richtig niederschreiben können, und doch war mir Victor Auburtin schon ein Begriff. Das kam so: Ich hatte eine Tante in Berlin, die hatte eine Freundin, wie sie Tanten ja zu haben pflegen, und diese Tante wurde von uns Kindern so geliebt, dass wir auch ihre Freundin in diese Liebe einbezogen und sie nach Art der Kinder ebenfalls und kurzerhand zur Tante erhoben. Jene Nenn-Tante nun, eine schwarzgewandete Diakonisse mit weißer Haube, nicht unbeträchtlichen Leibesumfanges, auch ständig schwankend zwischen der Würde der Gewandung und dem Humor des Herzens (sie neigte meist dem letzteren zu und flüchtete sich ins erste nur, wenn wir ihr Nervenkostüm allzusehr zerrüttet hatten), war eine Tochter von dem Bruder der Frau jenes besagten Victor Auburtin, eine sogenannte angeheiratete Nichte also des Schriftstellers mit dem französischen Namen. Wenn von Schriftstellern die Rede war, assoziierte ich: Aha, so einer wie der Onkel von der Tante G. Auch ein Buch dieses geheimnisvollen Mannes hatte ich bei der Tante gesehen, hatte sogar den Versuch gemacht, darin zu lesen, dies jedoch bald wieder aufgegeben. Wer wird von einem vierzehnjährigen Abenteuergierling verlangen, er möge Feuilletons interessant finden? Immerhin erinnere ich mich genau an das Aussehen des schmalen broschierten Bändchens: eine Katze schritt erhobenen Schwanzes durch eine Arkade maurischer Bögen. Das Buch hieß „Seifenblasen“. Erst viele Jahre später wies mich Heinz Knobloch, um feuilletonistischen Rat befragt, auf Auburtin hin, und da erst merkte ich, dass ich einen literarischen Lehrmeister, einen der „Kirchenväter des Feuilletons“, sozusagen in der Familie hatte. Mit ihm verbindet mich die „Kette der Händedrücke“, von der der „Einmenschdichter“ Eugen Roth geschrieben hat, und zwischen mir und Victor Auburtin steht nur ein einziges Zwischenglied: die dicke, gute, schwarze Tante G. Natürlich bemerkte ich die Armseligkeit meiner eigenen feuilletonistischen Bemühungen am Maßstab Auburtins sehr schnell. Seither benutzte ich den Meister als wirksames Dämpfungsmittel bei aufsteigender poetischer Euphorie. Man befördert eine Seite Manuskript leichteren Herzens in den Papierkorb, wenn man zuvor eine Seite Auburtinischer Prosa gelesen hat. Denn das ist eine Sprache, die über aller Grammatik zu schweben scheint wie Lerchengesang über dem Kohlfeld, eine disziplinierte Sprache, die kein Wort zu viel duldet und keine unnütze Silbe. Aus solcher Sprache webte Auburtin seine Netze und warf sie dem Bürger über den Kopf. Und dann die Pointen: Auf Katzenpfoten kommen sie einher, und bei der leisesten Berührung fahren sie messerscharfe Krallen aus. Auch heute noch haben sie nichts an Schärfe verloren. Fünfzig Jahre nach Auburtins Tod hat man sein Grab in Garmisch-Partenkirchen eingeebnet. Weder die verkappte Weißwurstmonarchie an der Isar noch die ach so reiche Republik am Rhein hatten die Mittel flüssig, es ferner zu erhalten. Das hat er nun davon. General hätte er werden sollen.“ Im selben Jahr 1987 wie die Feuilletons & Geschichten von Jürgen Borchert gelang es Albrecht Franke erstmals seine Erzählung „Zugespitzte Situation“ im Union Verlag Berlin herauszubringen: Ob er den Verlag ruinieren wolle, das wurde der Autor von verantwortlichen Personen des Union Verlages Berlin gefragt, als er dort das fast fertige Manuskript dieser Erzählung präsentierte. Denn Literatur, die sich im Rahmen des DDR-Bildungswesens ereignete, bot Konfliktpotenzial, war doch die Frau des mächtigsten Mannes des Landes die zuständige Ministerin. Konflikte entstanden tatsächlich, aber Außengutachten führten dazu, dass das Buch 1987 und 1989 sogar in zweiter Auflage erscheinen konnte. Rezensenten bemängelten den fehlenden Optimismus und die Nichtanwesenheit eines Parteisekretärs, der sich der zugespitzten Situation annahm. Diese entsteht, als der Lehrer Christian Dannenberg das Ausmaß der indolenten Bequemlichkeit begreift, die sich seiner bemächtigt hat. Einst mit Begeisterung in seinen Beruf gegangen, hat er sich eine Hornhaut zugelegt, ist ein routinierter Stoffvermittler und Zensurengeber geworden. Und nun der Sturz: Ein vierzehnjähriges Mädchen seiner Klasse hat versucht, sich die Pulsader aufzuschneiden. Nach dem ersten Schreck beginnt bei Dannenberg das Nachdenken: über sich, seine Ehe, die Kollegen und Bekannten und darüber, wie er sich jetzt verhalten soll. Die Sache des Mädchens wird zu seiner eigenen, und er muss sich eingestehen, dass der Zweifel am eigenen Verhalten umfassender ist. Das Schulsystem, die Lebensentwürfe, die den Hintergrund dieser Erzählung bilden, gibt es schon lange nicht mehr. Und dennoch: die Fragen, die darin gestellt werden nach dem eigenen Versagen, der Risikobereitschaft, dem Verantwortungsbewusstsein, der Bereitschaft, Konventionen zu dehnen und zu strecken und vorgegebene Muster aufzugeben, die sind geblieben und wollen immer wieder beantwortet werden. Autor Albrecht Franke hat seinem Buch eine bemerkenswerte Vorbemerkung vorangestellt: „Ich versichere, dass Ähnlichkeiten nicht ausgeschlossen und nicht beabsichtigt sind.“ Im Unterschied zu anderen Gelegenheiten stammt die Leseprobe diesmal nicht vom Anfang des spannenden Buches, sondern von ein paar Seiten weiter. Lehrer Dannenberg ahnt nichts Gutes: „Auf meinem Platz im Lehrerzimmer lag ein Zettel. Der Direktor ließ mir ausrichten, dass ich sofort zu ihm kommen solle. Die Aufforderung war rot unterstrichen. Ich nahm an, er hätte wegen der Aufsätze endgültig die Geduld verloren oder für meine Saumseligkeit einen Rüffel einstecken müssen, weil unsere Zensuren noch in der Statistik des Kreises fehlten. Wegen solcher Dinge waren wir uns in letzter Zeit immer öfter in die Haare geraten, an dem Tag legte ich mir ein paar Ausreden und Entschuldigungen zurecht – ich beharrte auf meiner frohen Stimmung. Im Vorzimmer saß Frau Welter, die Sekretärin, vor ihrem mit Papier übersäten Schreibtisch und tippte eifrig. Sie machte mir ein Zeichen, dass ich zum Chef durchgehen solle. Den schien der Ordner mit den korrigierten Arbeiten nicht zu interessieren, er nahm ihn mir zwar aus der Hand, legte ihn aber ohne Weiteres zur Seite. Ich war für Sekunden irritiert, denn sonst pflegte er solche Konvolute unverzüglich und mit hoffnungsvollem Eifer durchzublättern. Ohne auf meinen Gruß geantwortet zu haben, wies er mir, nur mit einer Handbewegung, einen Platz in der Besuchersitzecke an. Als ich saß, blickte er mich aufmerksam an, gleichzeitig herrschte für wenige Sekunden eine für ein Schulhaus ganz ungewöhnliche Stille. Seufzend sagte er dann, dass großer Ärger im Anzuge sei. Nur selten lässt er seinen Stimmungen so freien Lauf. In solchen Momenten, wenn er einmal nicht den überlegenen, stets optimistischen Pädagogen mimt, finde ich ihn sympathisch. Dass er mir einen saloppen Umgang mit Lehrplänen zum Vorwurf machte und mir nach seiner Meinung zu legere Umgangsformen ankreidete, war mir nicht nur einmal zugetragen worden. Während ich noch überlegte, was nun schon wieder gegen mich vorliegen könnte, war er längst offiziell geworden, hatte sich hinter seinem Schreibtisch zu gerader Haltung aufgerichtet und die Gummibandkrawatte zurechtgezerrt. Von zwei Vorkommnissen habe er mir Kenntnis zu geben. Ich befahl mir, ruhig zu bleiben, weil ich wusste, dass gleich die Wörter „Ihr Schüler“ oder „Ihre Schülerin“ fallen würden und dann Wut in mir aufstiege, weil diese Ausdrucksweise Mitschuld an zerbrochenen Fensterscheiben und bekritzelten Tischen unterstellt. Zu ähnlichen Gelegenheiten hatte ich schon Lust verspürt, ihm seine akkurat geordneten Signierstifte, mit denen er in pädagogischen Fachzeitschriften hervorhob, was er demnächst zitieren würde, vom Tisch zu fegen oder die Stundentafel, auf der ich von blauen Metallplättchen symbolisiert wurde, von der Wand zu reißen. Einmal hatte ich Eveline von meinen Anwandlungen erzählt. Sie war in Lachen ausgebrochen und hatte mir erwidert, dass man sich in Gerichtsverhandlungen noch ganz andere Sachen anhören und doch kaltes Blut bewahren müsse. Ich hatte mit der Frage die Oberhand behalten, ob kaltes Blut für einen Lehrer wünschenswert sei. Dass ich angesichts der Wichtigkeit seiner Mitteilungen Notizen zu machen hätte, gehörte noch zu den Vorausschickungen des Chefs. Ich hatte kein Schreibzeug mitgebracht. Mit einer Geste, die Missbilligung und Hoffnungslosigkeit ausdrücken sollte, schob er mir Papier und Kugelschreiber zu und eröffnete mir, dass eine meiner Schülerinnen während einer Discoveranstaltung in der Schule mit einem Jungen in einem dunklen Raum „zugange“ gewesen sei. Nur durch das zufällige Erscheinen der Pionierleiterin hätte das „Ärgste“ verhindert werden können, immerhin hätten die Wolldecken der jungen Sanitäter ausgebreitet auf dem Fußboden gelegen. Ich versuchte, mich zu erinnern, was wir am Vorabend für Wetter gehabt hatten, ob, wie häufig in letzter Zeit, ein Gewitter niedergegangen war, sodass die beiden keinen anderen Platz für ihre Knutschereien gefunden hatten. Es fiel mir aber nicht ein, ich hatte Stunde um Stunde über den Aufsätzen gebrütet, der ganze Tag war in diesem Moment weg. Wie gelöscht. Aber war das wichtig? Wetter hin, Wetter her. Er musste doch auch wissen, dass sich derartige Kussszenen an anderen Schulen jeden Tag während der Hofpausen abspielten und dort niemand daran dachte, sie zu schweren Disziplinverstößen aufzubauschen. Er aber tat, als lebten wir hier auf einer Insel. Was wollte er konservieren, wenn er immerfort davon sprach, „dass man den Anfängen zu wehren habe.“´ Um zum Schluss noch einmal auf die vielleicht mächtigste und wie manche Leute sagen meistgehasste Frau der DDR zurückzukommen, die für eine sehr lange Zeit von 1963 bis 1989 „Ministerin für Volksbildung“ war, so soll hier nur noch eine ziemlich bissige Bemerkung des berühmten Gesellschaftswissenschaftlers und Historikers Jürgen Kuczynski über die in Anspielung auf ihre bevorzugte Haarfarbe insgeheim oft als „Blaue Eminenz“ bezeichnete Margot Honecker und ihren Mann Erich Honecker zitiert werden, der (also Kuczynski natürlich, nicht Honecker) über das prominente Ehepaar sagte: „Sie war klüger als er, aber ein Biest“. Und offenbar hatte sie ihre ganz eigenen Vorstellungen von dem, was unter einer „allseitig und harmonisch entwickelten sozialistischen Persönlichkeit“ zu verstehen und wie dieses Ziel zu erreichen sei. Und nicht von ungefähr gehörte gerade die Volksbildung zu den wohl umstrittensten Bereichen der DDR-Gesellschaft. Manche dieser durchaus kritischen Gedanken gelangten aber auch in die Literatur. Siehe die Erzählung von Albrecht Franke. Spaß beim Lesen und Nachdenken über damalige und heutige Verhältnisse und bis demnächst. Und ein Wort zum Merken: Kussszenen. Weitere Informationen und Angaben finden Sie unter http://www.prseiten.de/pressefach/edition-digital/news/3905 sowie http://edition-digital.de/Specials/Preisaktion/. Über EDITION digital Pekrul & Sohn Gbr: EDITION digital wurde 1994 gegründet und gibt neben E-Books (vorwiegend von ehemaligen DDR-Autoren) Kinderbücher, Krimis, historische Romane, Fantasy, Zeitzeugenberichte und Sachbücher (NVA-, DDR-Geschichte) heraus. Ein weiterer Schwerpunkt sind Grafiken und Beschreibungen von historischen Handwerks- und Berufszeichen sowie Belletristik und Sachbücher über Mecklenburg-Vorpommern. Pressekontakt: EDITION digital Pekrul & Sohn GbR Gisela Pekrul Alte Dorfstr. 2 b 19065 Pinnow Deutschland 03860 505788 [email protected] http://www.edition-digital.de
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Efeu, Estland und eine sensationelle Thronrettungsmaschine – Sechs E-Books von Freitag bis Freitag zum Sonderpreis und ein Weihnachtsgeschenk
Nun sind es nur noch zwei Tage bis Weihnachten und daher hat auch der vorletzte Newsletter des Jahres ein Weihnachtsgeschenk im Gepäck. Mehr dazu ein paar Zeilen weiter unten. Zunächst einmal soll wie immer von den diesmal sechs Deals der Woche die Rede sein, die im E-Book-Shop www.edition-digital.de eine Woche lang (Freitag, 22.12.17 – Freitag, 29.12.17) zu jeweils stark reduzierten Preisen zu haben sind und sehr unterschiedliche Interessen bedienen. Den Anfang macht Jürgen Borchert mit Historischen Miniaturen. Von einer besonderen Urlaubsreise, die er und seine Familie im Sommer 2000 nach Estland unternommen hatten, erzählt Lutz Dettmann. Um einen mutigen Jungen im Chile nach dem Putsch von Pinochet geht es in dem Kinderbuch „Flucht über die Anden“ von Jan Flieger. Auf ihre ganz eigene Weise hat Christa Kožik ein wunderbares Märchen von Gisela und Bettina von Arnim wunderbar nach- und neu erzählt. Und darin kommt auch eine ganz besondere Maschine vor, eine Thronrettungsmaschine für einen ängstlichen König, die sich vielleicht auch heutige (geschäftsführend) Regierende manchmal wünschen würden. Aber zurück zu den aktuellen Deals der Woche, von denen noch zwei fehlen: Der SF-Autor Alexander Kröger lässt vor zwei Jahrtausenden Außerirdische auf der Erde landen, um die damals dort lebenden Menschen zu erkunden und zu entscheiden, ob man ihnen irgendwie helfen muss. Wiederum rund 2000 Jahre später spielt die Geschichte von Heinz Kruschel, in der junge Männer zur „Fahne“ müssen – also zur Armee, genauer gesagt zur NVA – der Nationalen Volksarmee der DDR. Und die Zeit dort geht für Jasper Schneidereit und Anke, sein Mädchen, nicht ohne Konflikte ab. Und wenn Sie bis hierher durchgehalten haben, dann sollen Sie jetzt auch erfahren, worum es sich bei dem Weihnachtsgeschenk der EDITION digital für treue Leser handelt: Zwischen dem 25. und 28. Dezember ist der Teil 1 der Zeitreisenden-Saga „Vom 22. Jahrhundert zurück in das antike Karthago“ von Hardy Manthey nicht etwa nur zu einem stark reduzierten Preis zu haben, sondern gänzlich kostenlos. Und hier sind die sechs Deals der Woche: 1982 erschienen im Mitteldeutschen Verlag Halle-Leipzig unter dem Titel „Efeu pflücken“ Historische Miniaturen von Jürgen Borchert: Efeu pflücken? Den Titel für seine historischen Miniaturen verdankt Jürgen Borchert der Gewohnheit eines Freundes, von Gräbern berühmter Menschen einen Efeuzweig zu pflücken, um sich so in seinem Garten eine immergrüne Autogrammsammlung anzulegen. Auch Borchert lässt Tote wieder lebendig werden. Die Liste der Leute, denen wir in seinen historischen Miniaturen begegnen, ist lang. Dazu gehören Bahnmeister Wilhelm Hansen, der ein spanischer Grande war, und Ritter vom Goldenen Vließ und Ritter der Georgsbrüder und Träger des Roten Adlerordens erster Klasse, ebenso wie der Präsident der Prignitz und Bethke, der unfromme Pastor und der verschwundene Professor Fritz Wachenhusen sowie auch Johann Sebastian Bach – jedenfalls beinahe. Außerdem ist von dem oft mit Wittenberg verwechselten Wittenberge die Rede, von den Türmen von Bautzen und nicht zuletzt von John Brinckman in Amerika. Und hinterher ist man bestimmt nicht nur schlauer als zuvor, sondern auch im besten Sinne des Wortes amüsiert. Als ein gutes Beispiel dafür möge der erste Beitrag des Borchert-Buches dienen, oder zumindest die Vorrede zu diesem ersten Beitrag, in dem es um einen gewissen Bahnmeister Wilhelm Hansen geht, auch Grande von Spanien, 1840, und um einen aufmerksamen Bürgermeister: „Ja, Sie haben recht gelesen. Und außerdem war er noch Ritter vom Goldenen Vließ und Ritter der Georgsbrüder und Träger des Roten Adlerordens erster Klasse und was weiß ich noch alles, und eigentlich war er doch nur ein kleiner Brauerbursch, der Wilhelm Hansen aus Wilsnack in Preußen. Wilsnack, in der westlichen Prignitz inmitten ausgedehnter Wälder gelegen, hat unsere Geschichte durch die bekannte Mär vom Wunderblut bereichert. Allhier, nach einem Brande der vormals hölzernen Dorfkirche, fand ein orthodoxer Eiferer irgendwann im Mittelalter drei Blutstropfen auf einer Hostie. Die Forscher glauben, dass das Altargemälde während des Brandes drei rote Farbtropfen ausschwitzte, die auf die heiligen Hostien fielen und also das Wunder bewirkten. Jedenfalls gab's landauf, landab für zweihundert Jahre ein groß Gedränge, weil alle Welt, die halbe und die ganze, des Segens teilhaftig werden wollte. Tatsächlich werden noch heute Krücken gezeigt, die irgendwelche gebrechlichen Pilger von sich warfen nach dem Anblick des Wunderbluts. Luther und Hus haben der Sache ihr verdientes Ende gesetzt. Heute trägt Wilsnack den stolzen Beinamen „Bad“, das macht, es kuriert mithilfe heilkräftiger Moore unsere Rheumatiker und Gichtkranken, und man sagt, ihre Wirkung auf den Organismus sei im Allgemeinen vorzüglich und im Besonderen unersetzlich. Bürgermeister Hinze, gottlob, findet ab und an neben seinen Alltagsgeschäften Zeit, in seinen Archiven zu kramen. Und da findet er nun eines Tages die Geschichte vom Bahnmeister Hansen, dem Ritter vom Goldenen Vließ, Granden von Spanien. Lieber B., schreibt Hinze, beiliegend sende ich Ihnen die Abschrift einer Geschichte, die ich ausgebuddelt habe. Vielleicht können Sie sie mal verwenden. Gruß Hinze. Da stimme ich vorderhand ein Lob an auf alle die Hinzes, die ab und an Zeit finden, in ihren Archiven zu kramen. Die Hinzes wissen, dass in diesen ihren Archiven, auf den staubigen Dachböden unserer Kleinstadtrathäuser, manches Menschenschicksal seinen Dornröschenschlaf schläft. Und wenn kein Hinze kommt und das Dornröschen wachküsst, wird nie ein Schreibermensch von einem solchen Leben erfahren. Hinzes Abschrift erweist sich bei näherem Hinsehen als die Abschrift von der Abschrift eines Zeitungsartikels, dessen Verfasser sich unter dem Deckmantel der Anonymität verbirgt - halten Sie es meiner Pedanterie zugute, wenn ich dem Beginn und dem Fortgang solche bibliografischen Hindernisse in den Weg lege. Ich muss es von vornherein sagen: ich stehe für nichts. Der Artikel, den Freund Hinze heranzieht, soll in einem Periodikum mit dem Namen „Bad Wilsnacker Zeitung“ am 30. September und am 3. Oktober 1931 in zwei Fortsetzungen erschienen sein, und es nimmt niemanden, höchstens die Bibliothekare, wunder, dass sich in keiner Bibliothek unseres sammelwütigen Ländchens davon ein Blatt erhalten hat. Sollten also unter den geneigten Lesern Personen sich befinden, die ein Original der zitierten Zeitung zu besitzen glauben, so bittet um gefällige Nachricht der Verfasser. Genug der Vorrede.“ Erstmals 2002 veröffentlichte Lutz Dettmann im damaligen Schweriner Verlag Stock & Stein seine Aufzeichnungen einer Reise „Sommertage in Estland“: Im Juli 2000 fährt der Autor mit Frau und beiden Kindern mit der Fähre nach Tallinn, um seinen estnischen Freund Valdur und dessen Familie zu besuchen. Er lernte Valdur als 13-jähriger Schüler kennen, als er bei einer DDR-Freundschaftsreise im Jahre 1974 dessen Familie als Gastfamilie zugeteilt bekam. Zwei Wochen Urlaub verleben beide Familien gemeinsam in Estland. Der Autor lässt uns teilhaben an der mehrtägigen Reise zur Ostseeinsel Hiiumaa, die sie intensiv durchstreifen. Zurück in Tallinn, wird das übrige Estland in Tagesausflügen erkundet: die Ordensburgen in Toolse und Rakvere, die Hermannsburg, Ivangorod, Narva, die Burg von Paide, Schloss Kadriorg, die Altstadt von Tallinn, die unter Denkmalschutz stehende Stadt Kohtla-Järve, die Mitte der 1950er Jahre erbaut wurde, … Die Reise ist zugleich ein Exkurs in die wechselvolle Geschichte des Landes. Sie führt den Leser zu den Spuren der dänischen, deutschen, russischen und sowjetischen Besatzung. Ordensburgen, Schlösser, estnische Dörfer, historische Altstädte, aber auch alte Bunkeranlagen und zahlreiche Reste sowjetischer Militäranlagen werden nacherlebbar beschrieben. Der Autor schildert die nahezu unberührte Natur und idyllische Dörfer, in denen das Leben scheinbar stehengeblieben ist, aber auch leerstehende Industriestandorte aus Sowjetzeiten und die beginnenden Veränderungen unter dem Einfluss des Westens. Und immer wieder die Gastfreundschaft und Wärme der befreundeten Familie, deren Verwandte und Freunde. Allerdings beginnt die Reise im Sommer 2000 nicht eben freundlich, zumindest wettertechnisch gesehen: „Freitag, 28. Juli 2000 Der Himmel ist wolkenverhangen. Seit Stunden gießt es wie aus Kübeln. Sommer 2000 - Oktoberwetter im Juli! „Na dann, schönen Urlaub. Und ihr wisst ja, wenn Engel reisen ...“ Der telefonische Gruß eines Freundes heute Morgen, mehr Ironie als ehrlicher Wunsch. Egal, wir haben Urlaub - 14 Tage nach Estland. Die erste Reise seit 1995. Freunde werden auf uns warten. Wir sind gespannt, wie sich das Land verändert hat, wissen, dass wir wieder viel erleben werden. Und da hat man gute Laune, auch wenn es in Strömen regnet. Die B104 ist voller Fahrzeuge. Ferienzeit gleich Reisezeit; Wohnmobile mit Elchaufklebern, Mützenfahrer, Urlauber mit fremden Kennzeichen, die sich die Gegend mit Tempo 80 ansehen. Mecklenburg ist sooo schön! Da muss man schauen und staunen und langsam fahren, denn die Eindrücke müssen sofort ausgewertet werden. Egal, wir haben Urlaub und viel Zeit, bis unsere Fähre von Rostock fährt. Es gießt noch immer. Also wird vorsichtiger gefahren, und der Polo ist sowieso schwer mit Koffern und vier Personen beladen. Er hat keinen Urlaub! Vor Brüel reißt einem BMW-Fahrer der Geduldsfaden. Er beginnt die Kolonne zu überholen. Natürlich kommt Gegenverkehr, und er muss wieder zurück in die Reihe. Und natürlich vor uns, wo auch sonst. Vollbremsung! Nicht aufregen, wir haben ja schließlich Urlaub. Hinter Brüel reißt die Wolkendecke kurzzeitig auf. Die Kolonne reißt auch - freie Fahrt für freie Bürger. Bis Sternberg, denn vor den Schranken ist ein Stau. Wir müssen halten. In affenartiger Geschwindigkeit laufen zwei Jugendliche über die Straße und verschwinden zwischen den Bäumen auf dem Judenberg. Seltsam! Warum die wohl so rennen müssen? Und auch einige Fahrer vor uns gestikulieren und sind aufgeregt. Da kommt auch schon die Ursache angeschnauft: Zwei etwas wohlbeleibte Justizbeamte jagen mit hochrotem Kopf an uns vorbei und haben die Verfolgung aufgenommen. Sommer 2000 irgendwo in Mecklenburg. Da kann man was erleben! Und wieder Regen! Bloß weg von hier! Aber die Europawetterkarte hat auch heute Morgen für Estland nicht besseres Wetter angesagt. Wie gesagt: Wenn Engel reisen! In Kavelstorf, bei den Schwiegereltern, werden die Koffer umgeladen. Nun hat auch unser Polo Urlaub. Stau! Wir stehen auf der Autobahn, die berühmte Jahresbaustelle vor Rostock. Aber wir haben noch so viel Zeit! Die Fähre fährt erst um 17.30 Uhr vom Seehafen. Im Radio wird von der Flucht der beiden berichtet. Ferienstau vor Rügen, Staus um Rostock. Das Übliche! Weg von hier, in die Ruhe, in die Einsamkeit. Im Regen laden wir unsere Koffer aus. Das freundliche Mädchen der Silja-Line übergibt uns die Bordkarten. Sie lächelt noch einmal und wünscht uns schönes Wetter für unseren Urlaub. Ihre Worte in Gottes Gehörgang, und wir sind gerettet und haben 14 Tage blauen Himmel. Kann der Himmel über Estland überhaupt so lange ohne Wolken sein? Erinnern können wir uns jedenfalls nicht. Völlig durchnässt schleppen wir unsere Sachen in das Zollterminal. 17.00 - Gedränge vor der Passkontrolle, aber kein Zöllner in Sicht. Wir leben ja im neuen Europa-Spiel und Reisen ohne Grenzen. Vor uns die Reihe der Shuttle-Busse. Pfützen auf dem Asphalt. Noch einmal Gedränge. Wir wuchten unsere Koffer die Gangway hoch. Hannes reißt der Henkel der Reisetasche. Noch einmal Stress. Ein Offizier begrüßt uns an Bord. Ein Blitzlicht flammt auf, denn der Bordfotograf muss auch leben. Die schweren Koffer müssen durch die engen Gänge gewuchtet werden. Schon wieder Gedränge, jemand schimpft - aber ich kann ihn nicht verstehen. Endlich, unsere Kabine. Mit Blick nach draußen! Regenschwerer Himmel und Herbstlicht. Wir verstauen die Koffer und lassen uns erst einmal auf die Betten fallen. Geschafft! Urlaub!“ Erstmals 1981 hatte Jan Flieger als Band 148 der beliebten Reihe „Die kleinen Trompeterbücher“ des Kinderbuchverlages Berlin sein Buch „Flucht über die Anden“ veröffentlicht: Paco, acht Jahre, wohnt im Chile unter Pinochet in der Hauptstadt Santiago. Wie viele andere muss er sich allein durchs Leben schlagen, da ihm die Militärs seine Eltern genommen haben. Paco bekommt einen Auftrag, einen gefährlichen Auftrag: Paco, der achtjährige Junge, soll einen Fremden über die Anden aus Chile nach Argentinien bringen. Der Fremde ist blind, weil man ihn im Gefängnis blind geschlagen hat. Jetzt braucht der Mann einen Lotsen, einen Jungen wie Paco, einen, der wenig auffällt, einen Jungen, klug und ohne Angst. Gemeinsam begeben sie sich auf die Flucht nach Argentinien. Paco muss sehr aufpassen, denn die beiden werden verfolgt. Und mehr als einmal droht die Flucht zu scheitern. Werden sie es trotzdem schaffen? Zunächst einmal lernen wir Paco kennen und erfahren, wie er zu seinem Auftrag kommt: „Der Hunger hat ihn wach gemacht, früher als sonst. Ich werde zum Barrio Alto gehen, zur Oberstadt, denkt der Junge, als er aus seiner Kiste klettert, in der er die Nacht verbringt. Der Junge heißt Paco. Er hat wild wachsende Haare, schwarz wie aus einer Teertonne. Die Augen sind braun und sehr wach. Der Himmel steht wolkenlos über Santiago, es gibt keinen Frühdunst wegen der trockenen Luft. Im Barrio Alto ist es noch still. Die Villen scheinen zu schlafen. Das Beste an diesem Viertel, denkt Paco, sind die Mülltonnen. Heute sind sie schon durchwühlt. Die Hunde waren da, sie kamen in Rudeln. Hungrig geht Paco zur Siedlung zurück. Sie ist eine von sechshundert in Santiago. Der Priester hatte es gesagt, bevor Guillermo ihn tot fand im Mapocho, dem schmutzigen Fluss. Die Menschen sind wach. Der Neger Guillermo sitzt vor seiner aus Kisten genagelten Hütte und kaut müde an einem Stück Holz. Sicher hat er in der Nacht vor der Fabrik gestanden — aber immer nur ein paar Männer bekommen Arbeit. Guillermo hat acht Kinder, darunter einen Sohn, den José, der so alt ist wie Paco. Paco schlendert vorbei an Luz Maria. Sie kocht etwas in einem alten Kanister und sieht nicht hoch. Ihre Kinder hocken nebeneinander, klein und zerlumpt. Paco bleibt vor der Hütte von Christian stehen. Sie ist die stabilste in der Siedlung und durch das Blechdach immer trocken. Christian war zur Zeit Präsident Allendes ein Pächter, lebte im Norden des Landes. Doch dann verkaufte der Gutsherr sein Land einem amerikanischen Konzern. Paco stand neben Guillermo, als Christian kam, auf dem Rücken ein Bündel, hinter sich seine Frau und die Kinder. Die Frau ist eine Indianerin und gibt Paco manchmal Maisbrei. Aber nur, wenn Christian ein paar Eskudos verdient. Selten genug. Wunder gibt es für keinen mehr in der Siedlung. Die Generale haben sie ihnen genommen. Die Generale haben auch Pacos Eltern geholt, in das große Stadion, wo sonst der Fußball rollte. Paco sah sie nie wieder. Auch Luz Maria weint um ihren Mann, und ihre Jüngste, Beatriz, wurde geboren, als er schon tot war. Der kleine Rico kommt angerannt. Seine Worte prasseln. Paco sieht an der Hütte der alten Franziska den Fremden stehen. Woher kennt Paco das Gesicht mit diesen schwarzen, tief liegenden Augen und den breiten Backenknochen, über die sich die Haut spannt wie braunes Leder? „Tag, Paco“, sagt der Mann. Paco kann sich nicht erinnern, ob es ein gutes Treffen war oder ein schlechtes. „Gehen wir ein Stück“, sagt der Mann, „willst du einen Apfel?“ Paco nickt und beißt in den Apfel. Der Fremde hat eine Narbe über dem Auge, die seine rechte Braue spaltet. Mit einem Mal weiß Paco auch, wer der Mann ist. Es war noch, als die Eltern lebten, er hatte Fieber und lag im Bett, der Mann holte Plakate vom Vater. Plakate mit dem Bild Allendes. Er klebte sie vor der Wahl an die Häuserwände. Der Vater rief ihn Julio. Kinder laufen vor ihnen her und jagen eine Ratte. Staub und Lärm füllen die Gasse. „Wie lebst du?“, fragt Julio. „Wie alle“, sagt Paco. Was soll er antworten auf solch eine Frage? „Wer ernährt dich?“ „Ich suche mir was.“ „Und heute?“, fragt Julio. Paco zeigt auf den Apfel. Sie verlassen die Siedlung. Die Straße führt zu einem Park. Er liegt wie ausgestorben, nur ein Bettler läuft an ihnen vorbei, er hat auf einer Bank geschlafen. „Ich habe dich beobachtet“, sagt Julio. Paco runzelt die Stirn. Was gibt es an ihm Besonderes? Ein Junge ohne Eltern. Tausende leben wie er in Santiago seit dem Tod Allendes. In Pacos Siedlung allein fünfzig. Vielleicht sogar mehr. Neue kommen hinzu; andere verschwinden, als hätte sie die Nacht verschluckt. „Wir müssen jemanden nach Argentinien bringen“, sagt Julio, „durch das Land und über die Anden, einen Freund deines Vaters. Er war im Gefängnis. Sie schlugen ihn blind. Es ist uns gelungen, ihn herauszuholen, und er braucht einen Lotsen, einen, der wenig auffällt, einen Jungen, klug und ohne Angst.“ Die Gedanken wirbeln in Pacos Kopf. „Überschlafe es“, sagt Julio, „wenn sie euch fassen …“ Paco nickt. „Ich komme morgen wieder“, sagt Julio. Paco sieht ihn ängstlich an. Wenn Julio nicht wiederkommt? Doch dessen Hand ruht schwer auf seiner Schulter, wie ein Versprechen. In dieser Nacht kann Paco kaum schlafen. Von riesigen Bergen träumt er, den Schneegipfeln der Anden. Bis in die Wolken sollen sie ragen, nicht mal ein Kondor fliegt so hoch. Wie können Menschen über diese Berge gehn, ein Junge und ein Blinder? Sehr früh ist Paco im Park bei den Pinien. Und plötzlich steht Julio hinter ihm. „Du hast es überschlafen?“ Paco nickt, aber ein Kloß sitzt in seinem Hals. Julio ahnt, was Paco denkt. „Du wirst Sardo kennenlernen“, sagt er, „den Blinden. Er entscheidet als Letzter. Sein Leben hängt von dir ab.“ Paco und Julio gehen in das Hafenviertel. Die Gassen kennt Paco nicht, eng und verwinkelt. Sie stehen in einem schmalen Flur. Dreimal klopft Julio. Eine Tür öffnet sich, und sie treten in einen niedrigen Raum, der nur ein winziges Fenster dicht unter der Decke hat. Paco sieht einen kleinen schmächtigen Mann mit einem faltigen, zernarbten Gesicht, So alt, wie er aussieht, wird er nicht sein, obwohl er schon grau ist und ihm Zähne fehlen, fast alle. Der Mann gibt ihm die Hand, ihr Druck ist fest und verrät Kraft.“ 1991 erschien beim Hoch-Verlag „Gritta von Rattenzuhausbeiuns - vom Rattenschloss“ von Christa Kožik, in dem die Autorin den Märchenroman „Das Leben der Hochgräfin Gritta von Rattenzuhausbeiuns“ von Gisela und Bettina von Arnim für junge Leser sehr frei nacherzählt: Gritta, Tochter des Hochgrafen Rattenzuhausbeiuns, wird von ihrer Stiefmutter in eine dunkle Klosterschule gesteckt. Zum Glück aber gelingt es der kleinen Gräfin, zusammen mit anderen Schülerinnen auszubrechen. Dass alles ein gutes Ende nimmt und dass auch die sensationelle Thronrettungsmaschine, die Grittas Vater erfunden hat, ein voller Erfolg wird, daran sind nicht zuletzt Grittas vierbeinige Freunde, die Ratten, beteiligt. Nach einem ebenfalls von Christa Kožik geschriebenen Drehbuch wurde das Buch von der DEFA verfilmt. Aber begeben wir uns doch gleichmal in das Erste Kapitel und in das Rattenschloss: „Es war einmal... Ja, es war wirklich einmal, hundert oder zweihundert Jahre ist es her, da lebte in dem alten Schloss der Grafen von Rattenzuhausbeiuns ein Mädchen. Sie hieß Gritta. Gritta lebte dort allein mit ihrem Vater, dem Hochgrafen Freiherr Julius Ortel von Rattenzuhausbeiuns und dem alten Diener Müffert, der aus Mitleid im Schloss geblieben war. Denn der Hochgraf Julius Ortel verarmte immer mehr. Regieren war nicht seine Stärke. Als er jung war, hatte ihn sein Vater auf einige Belehrungsreisen geschickt. Er sollte lernen, wie man seine Untertanen streng beherrscht. Aber diese Reisen waren umsonst gewesen. Hochgraf Julius Ortel brachte es einfach nicht übers Herz, die Bauern für sich arbeiten zu lassen und ihnen hohe Steuern abzupressen. Doch mit Lust hatte er das Maschinen-Werkwesen studiert, und auf diesem Gebiet brachte er es zu einigen Erfolgen. Er erfand zum Beispiel eine Haferschneidemaschine für seine Bauern, die ihm aus Dankbarkeit dafür zeitlebens den Hafer lieferten. Dann erfand er noch ein Fern Sprachgerät, genannt Bellophon, eine Wasseruhr, die leider tropfte und immer nachging, und ein hölzernes Fahrrad. Und seit sieben Jahren baute er an einer mächtig-gewaltigen Maschine: einer Thronrettungsmaschine für seinen König. Denn der König, im Volke König Gänserich genannt, bangte immerzu um sein Leben. Das hatte wohl seine Gründe, denn ein guter und gerechter König war er nicht, sondern eher faul, gefräßig und sehr ängstlich. Die Angst um sein Leben ließ ihn wenig Schlaf finden, und so hatte er im Lande ausrufen lassen, wer ihm eine Thronrettungsmaschine baut, der soll reich belohnt werden: mit dem Maschinenwerks-Orden erster Klasse und mit einem Sack Goldstücke. Hochgraf Julius Ortel baute nun schon das siebente Jahr an dieser merkwürdigen Rettungsmaschine. Dafür hatte er einen Teil der Möbel verkauft, die Teppiche, Pferde, Kutschen und das gute Porzellan. Andere Möbel wie Stühle, Tische, Bänke hatte er zersägt. Alles für diese, wie er sie selber nannte, mächtig-gewaltige Maschine. Das Schloss Rattenzuhausbeiuns, das hoch auf einem Berge lag, wie die meisten Schlösser, verfiel immer mehr. Die Türme wackelten, die Mauern bröckelten, die Säle und Zimmer waren voller Staub, so dass man immer niesen musste. Ging man durch die halbleeren Räume, konnte es sein, dass man über dürre Hühner, Mäuse und Ratten stolperte. Die Ratten waren aber von der ansehnlichen Sorte und sahen nicht hässlich oder gar ekelhaft aus. Nein, nein. Ihr dichtes Fell war bräunlich und schwarzweiß gescheckt. Zutraulich waren sie und von einer gewissen Klugheit und glichen freundlichen Mäusen oder Hamstern. In den Abendstunden, wenn die Berge vom matten Schimmer der untergehenden Sonne bestrahlt wurden, da regte sich ein seltsames Leben im Schloss. Es war ein Gewimmel von kleinen und großen Grauröcken. Sie balancierten munter auf den Dachbalken, den Säulen und Schränken herum, krochen in den Kamin oder versammelten sich auf der Fensterbank. Eine Rattenmutter mit sieben Kleinen lehrte ihre Kinder auf dem Seil zu tanzen, ein Rattenvater gab seinen Kindern Unterricht im Klettern. Kurzum, diese muntere Rattenschar belebte das Schloss auf gemütliche Art und Weise, und keiner der drei Bewohner fürchtete sich vor ihnen. Es waren wirklich freundliche Hausgenossen. Allerdings benagten sie alles, was ihnen vor die langen Zähne kam: Stoffe, Möbel, Papier und sogar das Familienwappen war vor ihnen nicht sicher. Die Leute in der Umgebung nannten das merkwürdige Schloss einfach das Rattenschloss. Aber sie sagten es mit freundlicher Zuneigung. Die Dienerschaft hatte nach und nach das Schloss verlassen, und so lebten dort oben nur noch der Hochgraf Julius Ortel, die kleine Gritta und der alte treue Diener Müffert in fröhlichem Einvernehmen miteinander. Der alte Müffert war, wie schon gesagt, aus Mitleid geblieben. Er diente als Koch und Leibdiener, als Turmwächter und Hofmeister. Nach dem Tode der jungen Gräfin Amalia kümmerte er sich herzlich um die kleine Gritta, die ohne Mutter aufwachsen musste. Gritta zählte jetzt zehn Jahre. Sie war ein fröhliches, anmutiges und sehr kluges Mädchen. Klug war sie durch die vielen Bücher geworden, die sie im Laufe ihres jungen Lebens schon gelesen hatte. Lesen war ihre Lieblingsbeschäftigung, und sie verbrachte ganze Tage und lange Abende in der Schlossbibliothek im Turm. Dort standen in den hohen Regalen, die man mit einer kleinen Leiter erreichen konnte, alte dicke Bücher, in Leder gebunden. Manche waren so groß, dass man die Buchseiten mit beiden Armen umschlagen musste. Blätterte man in den Büchern, stiegen Staubwolken auf, und allerlei kleines Getier, wie Motten, Mücken und Bücherwürmer aus dem vorigen Jahrhundert kamen ans Licht. Gritta las und las, und ihre Wangen röteten sich, und sie vergaß Zeit und Raum beim Lesen. Ja, sie verschlang die Bücher geradezu. Sie wirkten wie ein Zauber, und die Gestalten aus fernen Jahrhunderten rückten ganz in Grittas Nähe und wurden lebendig. Zum Beispiel die Gräfin Bärwalda, die vor Zeiten in diesem Schloss gewohnt hatte. Sie war ihrem Geliebten in den Krieg nachgezogen, weil sie ohne ihn nicht leben konnte. Sie wollte ihn retten und verkleidete sich als junger Mann. So ritt sie auf das Schloss des feindlichen Königs, und mit einer List sperrte sie diesen drei Tage in den Schrank ein und forderte, dass er den Krieg beende. So geschah es dann auch.“ Erstmals im Jahre 2000 erschien im Kröger-Vertrieb Cottbus der Science-Fiction-Roman „Saat des Himmels“ von Alexander Kröger. Dem E-Book liegt die 2. überarbeitete Auflage zugrunde, wie sie 2011 im Projekte-Verlag Cornelius Halle veröffentlicht worden war: Vor etwa 2000 Jahren landen Außerirdische im Nahen Osten auf der Erde und erforschen die „Zivilisierten“, die sie dort vorfinden. Sie sind sich uneins in der Frage, ob man auf diese Primitiven nicht doch ein wenig Einfluss nehmen sollte, um sie auf den rechten Weg in eine Welt des Friedens zu bringen. Die Expeditionsleitung hat jeden Eingriff strikt verboten. Aber drei von ihnen zeugen heimlich zwei von ihnen genmanipulierte Menschen. Joshua wird von einer Jungfrau geboren und ihr Mann Jossip erkennt den Sohn der Götter an. Und jetzt reisen wir einfach mal etwa 2000 Jahre zurück: „Der muss total übergeschnappt sein!“ Der 21.VomBergo stellte es ärgerlich fest. Beim heftigen, schrägen Aufsetzen des Landers war er, wie die 17.AusGarmi auch, trotz des Haltefeldes beinahe aus der Sitzmulde gerutscht. Nur bei ihm wirkte eine größere Masse, sodass die Sicherungsgurte mehrere Wülste aus seinem Körper pressten. Er glitt mühsam zurück, stülpte den Mund hervor und schlürfte hörbar Odem. Dann reckte er sich, fuhr den Sehkopf aus und äugte durch das Seitenfenster. „Gar kein Grund für das blöde Manöver; völlig eben das Gelände.“ „Auf meiner Seite stecken wir in einem - na, bizarren Gestrüpp, wahrscheinlich solche Biostationäre“, vermutete die 17.AusGarmi. „AmUlzo wird wohl absichtlich ..., um uns zu tarnen, möcht’ ich meinen.“ „Quatsch! Weswegen sollten wir uns verstecken? Hier gab es weit und breit keinerlei Rotreflexe. Von diesen Biomobilen keine Spur.“ „In der langen Zeit, die wir hier sind, werden natürlich welche auftauchen und den Lander entdecken.“ „Und, was glaubst du, könnten sie damit anfangen - meinst, das bisschen Gestrüpp schützte uns genügend?“ Er drehte den Sehkopf zum linken Fenster. „Wir müssten den Schild ...“ „Und die Energie ...?“ „Dann eben noch besser - die da draußen annullieren!“ „Das sähe dir ähnlich - immerhin sind Primaten darunter.“ „Na und? Primitivlinge!“ Durch die Röhre glitt, aus dem Leitstand kommend, der 16.AmUlzo, stabilisierte sich und sagte: „Da wären wir.“ „Das war eine ausgesprochene Glanzleistung“, brummte VomBergo. AmUlzo schüttelte den Sehkopf. „Ging nicht anders. Wir haben das Zeug erst im letzten Augenblick gesehen. Es ist nur eine kleine Fläche, eine Art Insel in der Öde.“ „Wir wären auch ohne dieses ... Ach, pfeif drauf!“ VomBergo reagierte nach wie vor gereizt. „Wir hatten Order.“ „Meinetwegen!“ VomBergo formte gleichgültiges Abwinken, schluckte Odem und fuhr den Sehtentakel ein. „Es wäre an der Zeit, dass ihr euch wieder vertragt“, mahnte AusGarmi. „Wir werden aufeinander angewiesen sein.“ Sie bekam keine Antwort. AmUlzo wedelte unbestimmt mit dem Sehtentakel. Aus der Zentrale kommend informierte die 8.VonEtali: „Befehl vom Allbevollmächtigten:“ Ihre Augen wandten sich AmUlzo zu. „Alle, die den Erkundungstrupps angehören, gehen feminin.“ „Warum denn das?“, fragte der Angesprochene ärgerlich überrascht. „Er meint, es wird strapaziös, und das Weibliche ist halt - belastungsfähiger.“ Sie lächelte. „Du liebe Zeit!“ „Die Temperatur draußen ist zwölf Strich über normal.“ AmUlzo sog schlürfend an seinem Odembehälter. „Sonst wäre ich ja ganz gern einmal feminin ...“, sagte er anzüglich, „aber nicht unbedingt wegen zwölf Strich über normal.“ „Mist“, fluchte VomBergo. Er lag apathisch in seiner Mulde und rührte sich nicht. „Schade um den Tag. Scheißwandlung!“ „Na“, beschwichtigte VonEtali, „du wirst es schon überstehen.“ „Du hast leicht reden, dich betrifft es ja nicht!“ „Diesmal nicht - vielleicht ... Vielleicht hast du Lust, eine Weile - feminin zu bleiben?“ Sie blinzelte ihn an. Aber VomBergo sah es nicht; er hielt die Augen geschlossen. „Gönnt einem aber rein gar nichts, der Alte, nicht?“, scherzte VonEtali. AmUlzo blickte verdutzt. „Es hätte ja sein können, dass wir beide ...“ „Ist ja noch nicht aller Tage Abend“, flachste AmUlzo zurück. „Schließlich wird er ja die Rückwandlung irgendwann gestatten müssen.“ „Und wenn ich dir zuvorkomme?“ „Das brächtest du fertig!“´ Zurück ins 20. Jahrhundert. Erstmals 1973 veröffentlichte der Militärverlag der Deutschen Demokratischen Republik Berlin „Die Schneidereits“ von Heinz Kruschel: Nie hätte Jasper Schneidereit geglaubt, dass er in eine Situation geraten könnte, aus der er nur einen Ausweg sah: aufgeben. Immer war ihm alles mit Leichtigkeit geglückt, stets hatte er mit seinem Elan andere mitgerissen. Plötzlich sollte das anders sein? Dabei schmeichelte die neue Aufgabe seinem Ehrgeiz: Kommandant einer Panzerbesatzung! Doch es gibt von Anfang an Schwierigkeiten in der Besatzung Schneidereit. Jasper kommt mit den Soldaten einfach nicht zurecht. Er leidet unter der bedrückenden Atmosphäre, grübelt über Ursachen, verrennt sich, wird ungerecht. Auch Anke, sein Mädchen, versteht ihn nicht mehr ... Erst nach und nach erkennt er: Verständnis lässt sich nicht erzwingen, und es ist schwerer, um den Menschen neben sich zu kämpfen als um die Note Eins auf der Übungsstrecke. Bevor es aber soweit ist, treffen wir den Helden des Buches und seine Anke auf einem Sammelplatz vor dem Bahnhof: „Jasper Schneidereit stand mit dem Rücken an die helle, sonnenbeschienene Mauer gelehnt und sah Anke an. Sie umspannte mit ihren festen Händen seinen Nacken und fragte: „Kommt Vater nicht?“ Es ging auf elf Uhr. Immer mehr Menschen kamen auf den Platz, junge Männer, die kleine Koffer trugen und von Müttern und Mädchen begleitet wurden; selten war ein älterer Mann zu sehen. Stimmengewirr erfüllte den Platz, von dem aus im Sommer die Ferienbusse der Kinder abfuhren. Die Menschen unterhielten sich lebhaft, eine Kapelle spielte von Zeit zu Zeit Märsche. Einige Kinder standen vor den Bläsern, anscheinend als einzige Zuschauer gefesselt von der lauten Musik, pressten die Fäuste gegen die Ohren, lockerten sie wieder, schlossen sie mit den Handflächen und freuten sich über den Effekt der auf- und abschwellenden Töne. Jasper antwortete: „Warum sollte er kommen? Ich habe mich zu Hause von ihm verabschiedet, meine Güte, ich fahre ja nur achtzig Kilometer weit, nicht wahr?“ „Für mich ist das weit, und es ist auch eine lange Zeit. Oder etwa nicht?“ Ihre Stimme klang rau. „Es ist nicht weit. Du hast zu tun. Und wir werden uns sehen. Werde nicht sentimental, Anke, das passt nicht zu dir.“ „Zu Befehl. Du weißt ja ganz genau, was zu mir passt.“ „Ja. genau.“ Er dachte: Mir fällt immer wieder auf, dass das Weiß um die grüne Iris ihrer Augen leicht bläulich schimmert, ohne jede rote Ader, ganz klar wie bei einem Kinde. „Und was passt zu mir?“ „Dein Haar und deine Stimme und deine Haut und dass wir heiraten und am Rande der Stadt in einem Hochhaus wohnen werden, wo du bei klarem Wetter die blauen Berge sehen kannst.“ „Gut. Und du wirst auch an der Hochschule studieren, wir werden beide in einem Betrieb an einem Projekt arbeiten. Das ist alles ganz klar, was?“ „Ja. Und du solltest von der Hochschule aus schon eine Wohnung anmelden.“ Einen Augenblick blieb sie still, als lauschte sie dem Klang seiner Worte nach. Dann küsste sie ihn. Das war der Abschied. Anke würde anschließend, gleich von hier aus, in die Hochschule gehen und sich still in die Vorlesung schmuggeln und wochenlang an den langen Winterabenden lernen, prüfen, rechnen und manchmal einen Brief schreiben und von ihm träumen. Wie viele Mädchen tun das. Wenn die Kapelle eine Pause einlegte, verschmolzen die Geräusche auf dem Bahnhofsvorplatz zu einem lauten Summen. Mal war ein Ruf zu hören: „Wo ist denn Finsterleben?“ Dann hob sich ein Schild aus der Menge und wurde geschwenkt. „Hier, Kumpel! Du fehlst uns noch in der Sammlung!“ Jasper erwiderte den Kuss. Die Finger seiner rechten Hand spielten mit ihrem offenen Haar. Neben ihnen stand ein breitschultriger Bursche mit blondem, langem Haarschopf und sagte zu einem Mann in Eisenbahneruniform: „Man müsste stoppen, wie lange die sich knutschen, Lotti wäre bestimmt auch gekommen, aber sie hat heute Schicht, Lotti ist schon in Ordnung ...“ „Klar“, sagte der Eisenbahner, „nun mach uns keine Schande, Franz, du bist ein Bolzer, du kannst, wenn du willst, das weißt du genau. Hau nicht über die Stränge, darin verstehen sie keinen Spaß bei der Fahne. Wir waren doch eine Truppe, die zusammenhielt und in der sich einer auf den anderen verlassen konnte, und du kommst wieder in eine Truppe, verstehst du, im Prinzip ist da kein Unterschied.“ „Ist ja gut“, sagte Franz. Er hörte nur halb zu. Der Brigadier könnte seine Belehrungen lassen oder wenigstens leiser agitieren. Anke machte sich los. Sie fing den Blick des Blonden auf und zwinkerte ihm zu. „Hast du gesehen?“, fragte Franz den Eisenbahner. „Du bist wütend, weil Lotti nicht da ist. Du bist wütend, weil du deine langen Haare bald los sein wirst. Du bist wütend, weil du dein Motorrad nicht mitnehmen darfst ...“ „Quatsch. Es könnte losgehen. Ist ja blöde, hier herumzustehen und zu warten. Vergiss nicht, meine Fische regelmäßig zu füttern, bloß nicht zu viel, sonst verdirbt das Wasser ...“ Die Gesichter der jungen Männer zeigten Erwartung. Alle kannten die Armee durch Freunde. Sie hatten Artikel gelesen, Reportagen im Fernsehen miterlebt, waren in der GST gewesen. Aber nun betraf es sie selbst, sie wurden einberufen, taten gleichgültig und waren es eigentlich gar nicht. Sie waren voller Erwartung: Der Freund hat übertrieben, die Reportagen waren vielleicht schöngefärbt — was erwartet uns?“ So, das wären die insgesamt sechs Angebote der aktuellen Deals der Woche, die bis zum 29. Dezember die im E-Book-Shop www.edition-digital.de eine Woche lang (Freitag, 22.12.17 – Freitag, 29.12.17) zu stark reduzierten Preisen zu haben sind. Und jetzt noch ein paar Informationen zu dem eingangs versprochenen Weihnachtsgeschenk, das vom 25. Dezember bis zum 28. Dezember kostenlos bestellt werden kann. Nur als E-Books und nur bei der EDITION digital sind die Bücher der Zeitreisenden-Reihe von Hardy Manthey zu haben, deren 1. Teil „Vom 22. Jahrhundert zurück in das antike Karthago“ zunächst 2011 in einer 1. Auflage und dann 2015 in einer 2., stark überarbeiteten Auflage erschien: Das E-Book beschreibt die atemberaubenden Abenteuer einer jungen Frau, die durch Raum und Zeit reist. Sie ist eine auffallend schöne, blonde und vor allem intelligente Schwedin, die in München erfolgreich Medizin studiert hat. Die blinde Liebe zu einem Mann stürzt sie in das Abenteuer ihres Lebens. Ihre Erlebnisse in diesem Roman und in seinen Fortsetzungen schildern beklemmend realistisch, was Frauen seit vielen tausend Jahren, zum Teil bis heute, erdulden und erleiden müssen. Maria Lindström überlebt als einzige einen Flug zum Pluto und landet sicher auf der Erde – allerdings 150 Jahre vor Christi Geburt. Als Aphrodite schließt sie sich Nomaden auf dem Weg nach Karthago an. In die noch unzerstörte antike Stadt zieht sie in Ketten ein und muss als begehrte Hure ihrem Herrn dienen. Aphrodite hat nicht nur das elende Sklavenleben zu erdulden, noch mehr Sorgen macht sie sich, ob sie den 3. Punischen Krieg und die Zerstörung Karthagos überleben wird. Doch genau dieses Wissen über die Zukunft der Stadt setzt sie für ihre Rettung ein. Wird es ihr gelingen, rechtzeitig Karthago zu verlassen und in das 22. Jahrhundert, aus dem sie als Maria startete, eine Botschaft zu übermitteln? Das Buch schildert die Ereignisse überaus spannend und macht süchtig auf die weiteren Teile. Der Autor hat mit der 2. Auflage sein Erstlingswerk sehr stark überarbeitet und die kritischen, trotzdem begeisterten Hinweise berücksichtigt. Nähere Aufschlüsse, wie es überhaupt zu diesen Geschichten kann, das lässt sich dem Vorwort zu dem ersten Teil der Zeitreisenden-Saga entnehmen, die sich längst zu einem Bestseller im Programm der EDITION digital entwickelt hat. Und hier ist es: „Vorwort Bevor ich dem geneigten Leser meinen Roman zumute, bedarf es wohl einiger klärender Worte zur Entstehung dieses spannenden Titels über die Zeitreisende. Denn der Anlass meines Buches ist nicht weniger abenteuerlich als die Geschichte, die ich Ihnen in meinem Roman erzählen werde. Alles begann mit jenem denkwürdigen Tage im Jahre 2004 direkt an der Cheopspyramide. Ich war bis zu diesem Zeitpunkt ein hoffentlich normaler Mann, der gerne spannende Romane las und sich brennend für Geschichte interessierte. Meine Vorliebe für die Vergangenheit hat mir nicht nur eine kleine Bibliothek beschert, sondern mich auch auf meinen zahlreichen Reisen an viele geschichtsträchtige Orte geführt. Bei allem Interesse für Geschichte und ihre oft dramatischen Ereignisse suchte ich, alles aus dem rationalen wissenschaftlichen Standpunkt zu betrachten und mir auch so zu erklären. Selbst die Religionen und Mythen des Altertums hatten nur wissenschaftlich betrachtet einen Platz in meiner Gedankenwelt. Die Idee, selbst Geschichten oder gar Romane zu schreiben, kam mir dabei nie. Lieber telefonierte ich, statt mühselig lange Briefe zu verfassen. Das alles stimmte bis zu diesem denkwürdigen Tag im September des Jahres 2004 auch. Nun also stand ich mit meiner Frau an diesem frühen Morgen vor der Cheopspyramide und war wie schon beim ersten Besuch von diesem Bauwerk ergriffen. Ich berührte einen dieser Quader und spürte ein Kribbeln in den Händen, gerade so, als seien sie eingeschlafen. Nun weiß ich nicht, ob das überhaupt hierher gehört. Das können Sie hinterher für sich selbst entscheiden. Ich schüttelte meine Hände, das Kribbeln ließ langsam nach und ich konnte meinen Spaziergang um die Pyramiden fortsetzen. Doch jetzt meldete sich in mir ganz aus der Tiefe eine weibliche Stimme, die mir sagte, dass ich von nun an einen Auftrag zu erfüllen hätte. Ich konterte, ja, wir Menschen müssen doch immer einen Auftrag erfüllen, und ignorierte einfach die immer schwächer werdende Stimme. Die Fahrt zurück zu unserem Hotel in Hurgada dauerte über sieben Stunden. Ich verfiel in eine Art Halbschlaf. Plötzlich tauchte vor mir eine wunderschöne Frau auf und plauderte munter drauf los. Sie brauche mich, behauptete sie kühn. Ich hätte den Auftrag, ihre Abenteuer niederzuschreiben. Sie duldete keinen Widerspruch und begann sofort, mir ihre Geschichte zu erzählen. Eine Vollbremsung holte mich zurück in die Realität. Etwas verdattert schaute ich mich um und dachte nur: „Wow, was für ein verrückter Traum!“ Vor allem konnte ich mich an jede Einzelheit klar erinnern. So etwas hatte ich zuvor noch nie erlebt. Meine Träume waren sonst bei mir nur undeutliche Erinnerungsfetzen. Für eine Stunde hielt ich mich wach. Als es draußen dunkel wurde, siegte erneut die Müdigkeit. Sobald ich die Augen schloss, war diese Frau wieder da und erzählte ihre Geschichte unbeirrt weiter. Ich protestierte und sagte ihr, dass ich als Mann doch nicht über eine Frau schreiben könne. „Das geht doch nicht!“ Sie erwiderte, gerade weil ich ein Mann sei, müsse ich ihre Erlebnisse niederschreiben. Ich müsse mich auch einfach nur an ihre Erzählung halten. Denn nur ein Mann habe den nötigen gesunden Abstand, der für ihre wahrlich abenteuerliche Geschichte notwendig sei. Sie behauptete, dass besonders Frauen gerne dazu neigen, sich einmal erlebte schlimme Dinge am Ende schönzureden. Das wolle sie aber nicht. „Ihr Männer seid dagegen oft schön brutal realistisch.“ Ich solle mich also nicht ständig herausreden und in Zukunft lieber aufmerksam zuhören, belehrte sie mich erneut. So gab ich mich geschlagen und wurde beinahe eins mit ihr. Denn diese Frau lässt mich bis heute nicht mehr los. Wenn ich jetzt schreibe, genügt etwas Konzentration und schon kann ich loslegen. Mit ihr bin ich in ferne Welten gereist und habe oft Raum und Zeit durchbrochen. Siebzehn dicke Bücher sind so schon bis heute entstanden. Ich weiß noch nicht, wann es ein Ende geben wird. Das werden Sie als Leser sicher auch mit entscheiden! Aber vielleicht ist sie eines Tages einfach weg. So weg, wie sie damals gekommen ist? Ich habe mich auch oft schon gefragt, warum es ausgerechnet eine Zeitreisende sein musste. Warum ist es kein Mann, der durch Raum und Zeit reisen kann? Ein Mann, ein wahrer Held, eben ein ganzer Kerl, der all diese Abenteuer bestehen muss. Ich habe diese Variante für mich auch schon durchgespielt. Schon allein aus Solidarität zu meinem Geschlecht. Was soll angeblich diese Frau besser können als ein Mann? Doch mein Wunschheld war schon an den ersten Abenteuern in der Antike kläglich gescheitert. Die Natur des Mannes erlaubt es in vielen Situationen einfach nicht, sich kampflos zu unterwerfen. Sich gar wie unsere Heldin oft ganz aufzugeben, fällt jedem Mann unglaublich schwer. Sich wie unsere Protagonistin unter Zwang zu prostituieren, ist doch die brutalste Form der Selbstaufgabe. Oder etwa nicht? Selbst die modernen Waffen könnten einen männlichen Helden nicht lange vor den Gefahren beschützen. Auch ein Recke braucht mal etwas Schlaf. Wenn ich also mit meiner Hauptfigur glaubwürdig bleiben wollte, müsste ich sie am Ende doch viel zu früh opfern. Schade, aber leider wahr. Meine Heldin dagegen hat wahrlich viele Fehler gemacht, aber nie wirklich um jeden Preis gekämpft. Ehre, Ruhm oder gar Macht waren ihr nie wichtig. Nur für die Liebe und für ihre Kinder kämpfte sie bis zur Erschöpfung. Das ist das Geheimnis ihres Erfolges bis heute, glaube ich. Das ist eben das Naturwunder Frau! Folgen Sie also dieser Frau auf ihren vielen Abenteuern durch Raum und Zeit. Ich wünsche Ihnen dabei gute Unterhaltung! Hardy Manthey“ Diesem Wunsch des Autors können wir uns nur anschließen und fügen noch ein herzliches „Fröhliche Weinachten!“ hinzu. Und hoffentlich finden Sie über die bevorstehenden Feiertage auch ein bisschen Zeit zum Lesen. Genügend Auswahl haben Sie ja … Und falls Ihnen aus irgendeinem Zufall die „Bad Wilsnacker Zeitung“ vom 30. September und vom 3. Oktober 1931 in die Hände fallen sollte, dann sagen Sie uns Bescheid. Man kann ja nie wissen, was alles passiert. Weitere Informationen und Angaben finden Sie unter http://www.prseiten.de/pressefach/edition-digital/news/3885 sowie http://edition-digital.de/Specials/Preisaktion/. Über EDITION digital Pekrul & Sohn Gbr: EDITION digital wurde 1994 gegründet und gibt neben E-Books Bücher über Mecklenburg-Vorpommern und von Autoren aus dem Bundesland heraus. Ein weiterer Schwerpunkt sind Grafiken und Beschreibungen von historischen Handwerks- und Berufszeichen. Pressekontakt: EDITION digital Pekrul & Sohn GbR Gisela Pekrul Alte Dorfstr. 2 b 19065 Pinnow Deutschland 03860 505788 [email protected] http://www.edition-digital.de
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Ein Landarzt mit Schlafstörungen, ein Eisenhändler als Sensenmann und ein Papagei sieht fern - Fünf E-Books von Freitag bis Freitag zum Sonderpreis
Weihnachten rückt immer näher. Und so steht an der Spitze der fünf Deals der Woche, die im E-Book-Shop www.edition-digital.de eine Woche lang (Freitag, 08.12.17 – Freitag, 15.12.17) zu jeweils stark reduzierten Preisen zu haben sind, wieder ein Weihnachtsbuch: Lutz Dettmann hat die darin enthaltenen mehr oder weniger kurzen Geschichten zunächst nur für die eigene Familie geschrieben und lässt jetzt auch andere Leserinnen und Leser daran teilhaben. Und mal ganz ehrlich, glauben Sie eigentlich noch an den Weihnachtsmann? Aljonna und Klaus Möckel laden uns ins Zauberland ein, wo diesmal jedoch eine große Katastrophe für die Smaragdenstadt droht. Gleich zwei Mal ermitteln kluge Köpfe und lösen selbst die schwierigsten Fälle. Kein Wunder, schließlich wissen der von Steffen Mohr erdachte Kommissar Gustav Merks und auch der von Jan Flieger erfundene Kommissar „Spürnase“ ihre kleinen grauen Zellen zu nutzen. Und von Tobias, also von Kommissar „Spürnase“, erfahren wir sogar, was er sonst noch tut, wenn er ganz intensiv denkt. Schließlich sind da noch insgesamt 40 ganz wunderbare Feuilletons von Jürgen Borchert zu haben. Und der ist ein Schriftsteller, der in dieser literarischen Disziplin einfach klasse war, vielleicht sogar Weltklasse. Aber überzeugen Sie sich am besten selbst und legen Sie einen Elefanten auf die Briefwaage. Vastehnsemarecht. Aber zurück zu Weihnachten. Es ist nur eine kurze Zeit her, eine ganz kurze Zeit, da hat die EDITION digital das Buch „Wer glaubt schon an den Weihnachtsmann?“ von Lutz Dettmann sowohl als gedruckte Ausgabe wie auch als E-Book herausgebracht: Weihnachten – Fest der Familie, strahlende Kinderaugen unter dem Weihnachtsbaum, Besinnlichkeit, für viele Menschen aber auch Symbol für Konsumterror, Völlerei und eine Zeit der Einsamkeit. Lutz Dettmann macht die Vielfalt der zahlreichen, oft widersprüchlichen Seiten der Weihnachtsfeiertage für den Leser erfahrbar. Die abwechslungsreichen Kurzgeschichten führen den Leser vom Mecklenburg der Gegenwart, in der ein erbarmungsloser Dekorationskrieg zweier Nachbarfamilien ein überraschendes Finale hat, bis in die Schützengräben von Flandern, wo er hautnah dabei ist, wie in der Heiligen Nacht des Jahres 1914 aus Feinden Freunde werden. Lutz Dettmanns Geschichten regen zum Nachdenken an und sind – genau wie die Vorweihnachtszeit – manchmal skurril oder auch trivial. Eines haben sie alle gemein: Sie vermitteln diese besondere Weihnachtsstimmung. Fast alle Weihnachtsgeschichten, über Jahre für die Familie geschrieben, finden in diesem Buch erstmals ihren Weg in die Öffentlichkeit. Dem Buch liegt außerdem eine DVD bei. Sie enthält den Kurzfilm „Fröhliche Weihnachten“ (Regie: Till Endemann), der nach der in diesem Band enthaltenen Erzählung „Alle Jahre wieder“ gedreht und 2010 im MDR erstausgestrahlt wurde. Dafür hatte Lutz Dettmann auch das Drehbuch geschrieben. Die Erzählung ist ebenfalls im E-Book enthalten. Aber nun erst mal eine kleine Kostprobe aus den mitunter recht ungewöhnlichen Weihnachtsgeschichten von Lutz Dettmann. Auch diese hier beginnt zunächst recht still und harmlos und fast gewöhnlich: „Stille Nacht Dr. Friedrich Christ war ein ruhiger und ausgeglichener Mann. Bis vor fünf Jahren hatte er in der Landeshauptstadt gewohnt und dort eine florierende Arztpraxis geführt. Doch als der Doktor fünfzig wurde, stellte er fest, dass er nun in einem Alter sei, in dem auch er zählte und nicht nur seine Patienten. Um es kurz zu machen: Als der Doktor einige Monate später in einer Ärztezeitung las, dass eine Landarztpraxis frei werden würde, setzte er sich in seinen alten DKW und fuhr hinaus aufs Land. Der alte Landarzt stutzte zwar, dass sein potenzieller Nachfolger gerade einmal 15 Jahre jünger sein würde als er. Doch er fand ihn sympathisch und beide wurden schnell handelseinig. Des Doktors Frau brauchte nicht lange überredet zu werden, denn sie hatte schon lange bemerkt, dass ihr Mann in der Großstadt nicht mehr glücklich war. So wurden die vielen Bücher eingepackt, der Tochter und dem Sohn ein langer Brief geschrieben und hinaus ging es aufs Land. Der alte und der neue Landarzt praktizierten noch eine kurze Zeit gemeinsam, denn ganz einfach ist es nicht auf dem Land für einen neuen Arzt, auch wenn er schon 50 ist. Aber der neue alte Doktor sprach Platt und bewies den Leuten auch, dass er was konnte, und irgendwie deckte er auch noch einen alten Zweig seines Stammbaumes auf, der dort in Bargeshagen vor 100 Jahren gelebt hatte. Der alte Arzt setzte sich beruhigt zur Ruhe und zog zu seiner Tochter nach Greifswald. Dr. Christ fühlte sich wohl, weitab vom Großstadttrubel in seiner kleinen Praxis, mit dem kleinen Häuschen und dem großen Garten. Und wenn er nicht einen Schnack mit den Nachbarn machte, verbrachte er seine Mußestunden im Garten, las und beobachtete seine Frau beim Jäten und Ernten. Am Sonntag saß Dr. Friedrich Christ inmitten seiner Gemeinde und machte seinem Namen alle Ehre. Eigentlich hätte er glücklich und zufrieden bis ins Rentenalter leben können. Doch – wie schon gesagt – unser Doktor war ein ausgeglichener Mann – war – bis vor einigen Monaten. Dann nahm das Unheil seinen Lauf. Unruhig wälzte sich Doktor Christ von der einen auf die andere Seite. Der Schlaf wollte einfach nicht wiederkommen – obwohl es erst fünf Uhr war. Fast schmerzhaft klang der Gong des alten Regulators aus dem Wohnzimmer herauf. Neben ihm schlief seine Frau den Schlaf der Gerechten. Fast war er wütend auf sie, obwohl sie doch nicht dafür konnte, dass er nicht schlief. Dafür konnte nur eine bestimmte Kreatur etwas, und diese schmetterte ihren Laut schon wieder in die dunkle Nacht, seit fast zwei Stunden. „Dieses Miststück von Hahn!“ Der Doktor vergrub seine Ohren in das tiefe Kissen. Doch gedämpft klang das KIKERIKI noch immer an seine Ohren, als ob die Hühnerfedern mit dem Hahn unter einer Decke steckten. „Heute gehe ich noch einmal rüber zu Lehmann und red mit ihm! Der Hahn muss weg. Das Vieh ist doch verrückt! Stockdunkel, von der Sonne nicht eine Spur und krähen tut das Aas wie im Sommer. Verdammt, wir haben Oktober! Oktober!“ Die Hand seiner nun erwachten Ehegattin ließ ihn verstummen. „Mann, versuch zu schlafen! Kein Wunder, dass du mit deiner schlechten Laune die Patienten zur Frau Doktor treibst.“ Da war es – das zweite Übel, dass ihn nicht ruhig schlafen ließ: Die junge Frau Doktor, die im Nachbardorf vor einigen Wochen eine Praxis eröffnet hatte. In Scharen liefen die alten Kerle mit dem kleinsten Zipperlein zu ihr und ließen vor ihr die Hosen runter! Wenn es so weitergehen würde, hätte er nur noch die alte Meyersche als Kundin. Die wog vier Zentner und konnte darum nicht in das Nachbardorf zur Konkurrenz gelangen. Doch mit der hübschen Doktorin konnte er leben. Der Hahn war das größere Übel. Die Frau Kollegin war ja noch nett zu ihm, aber der Lehmannsche Hahn war eine Ausgeburt der Hölle.“ Erstmals 2002 erschien bei der LeiV Buchhandels- und Verlagsanstalt als Band 7 der Nikolai-Bachnow-Bücher die Druckausgabe von „Der Hexer aus dem Kupferwald“ von Aljonna und Klaus Möckel: Im Kupferwald, wo es Aluminiumfinken, Goldschwanzaffen und Silberwölfe gibt, haust in seiner Hütte der finstere Hexer Kaligmo. Seine magischen Kräfte bezieht er von einem Strauch, dem er dafür sein Blut spenden muss. Kaligmo ist eingebildet und hält sich für den größten aller Zauberer. Als er bei einem Magierwettstreit in der Smaragdenstadt nur den dritten Platz belegt, schwört er schreckliche Rache. Er schickt schwarze Stachelmänner aus, die überall wildwachsende Dornenhecken und Kakteen pflanzen. Die Stadt soll zuwuchern und alles Leben darin erstickt werden. Eine Katastrophe droht, der Weise Scheuch, Prinzessin Betty und die anderen müssen etwas unternehmen. Vergeblich bemühen sie sich zunächst, den Urheber herauszufinden. Als der Hexer sich dann zu erkennen gibt, ist guter Rat teuer. Der Tapfere Löwe und Elefant Dickhaut, die Kaligmo aufsuchen, um ihn zur Rede zu stellen, werden in unzerbrechliche Glaskugeln gebannt; der Eiserne Holzfäller entkommt mit Not einem grässlichen Tod. Aber da der Scheuch, Betty, Jessica, Larry Katzenschreck und sogar der Storch Klapp sich zusammenschließen, wird der Zauberer am Ende doch noch gestoppt. Am Anfang des spannenden und sehr einfallsfreudigen Buches erfahren wir, worüber sich der finstere Hexer Kaligmo so sehr ärgert und wie abschreckend er aussieht: „Erster Teil: Die schwarzen Kaktusmänner Ein beleidigter Zauberer Ein Sirren lag in der Luft, ein Klang, als würden sanfte Hände über tausend Gitarrensaiten streichen. Es kam vom Wind, der mit den Zweigen des Kupferwaldes spielte. Mittagszeit. Die Goldschwanzaffen dösten in den Baumwipfeln; ab und zu huschte ein Aluminiumfink zum nächsten Strauch. Am Ende des Waldes, dort wo Dornenhecken und Stachelgestrüpp eine karge Ebene ankündigten, stand eine Hütte. Sie war stabil gebaut, aber ganz von Grünspan überzogen, denn ihre Wände bestanden aus Stämmen der Kupfereiche. Betrat man die Hütte, so schien sie nicht viel Raum zu bieten, doch der erste Eindruck täuschte. Eine geschickt in den Boden eingelassene Tür führte über eine Treppe nicht nur in einen Keller, sondern auch zu weiteren Wohnräumen. Sie waren mit Teppichen ausgelegt, möbliert und durch Leuchtsteine erhellt, wie es sie nur im Zauberland gab. Hier war das Reich des Hexers Kaligmo, eines mürrischen Mannes von unbeschreiblicher Hässlichkeit. Mit seiner schiefen Nase im eckigen Gesicht, mit abstehenden Ohren und einer Warze auf der Stirn, mit kurzen Beinen und langen dünnen Armen hätte er ohne weiteres einen nächtlichen Gruselgeist spielen können. Sein abschreckendes Äußeres war auch der Grund, weshalb er in dieser Einöde lebte. Doch Kaligmo hielt sich für einen bedeutenden Zauberer und Erfinder. Ganz unbegründet war das auch nicht, konnte er doch Wasser in Most verwandeln und Tiere zu Stein erstarren lassen. Außerdem experimentierte er mit Kräutern, Mineralien, Säften. Er rührte und mischte die verschiedensten Substanzen zu einem Gebräu oder Teig, mit dem er jegliches Leben nach seinen Wünschen verändern oder gar vernichten wollte. In diesen Tagen war Kaligmo besonders schlecht gelaunt – er musste sich irgendwie Luft verschaffen. Mit der Absicht, seine Wut an dem erstbesten Wesen auszulassen, das ihm über den Weg lief, verließ er seine Hütte. Die friedliche Landschaft draußen beruhigte ihn ein wenig und er begnügte sich zunächst damit, rechts und links blaue Blitze in die Büsche zu schleudern, so dass die Vögel kreischend aufflatterten. Als jedoch ein alter Wolf mit metallisch glänzendem Fell unglücklicherweise aus dem Gesträuch sprang, schrie der Hexer: „Bleib stehn, sonst verwandle ich dich in einen Hackstock!“ Der Wolf wusste, wie gefährlich Kaligmo war, und verharrte reglos am Fleck. Seine raue Stimme dämpfend, bat er: „Lass mich gehen, ich hab dir nichts getan. Wenn du willst, fange ich dir einen fetten Hasen zum Abendbrot.“ Das besänftigte den Zauberer etwas. „Heute und morgen einen Hasen“, befahl er, „übermorgen zwei Wachteln! Aber hüte dich, mich zu betrügen, wie es die Leute in dieser widerwärtigen Smaragdenstadt getan haben.“ „Man hat dich betrogen?“, fragte der Wolf. Er merkte, dass es am besten für ihn war, das Gespräch in Gang zu halten. „Betrogen ist gar kein Ausdruck. Dieser Scheuch und seine Bande sind nichts als Scharlatane, denen man das Handwerk legen muss. Was verstehen die schon von Zauberei. Erst schreiben sie einen Wettbewerb aus, bei dem man seine Kunst zeigen soll, dann urteilen sie nach ihrem lächerlichen Geschmack. Warum habe ich mich bloß herabgelassen, teilzunehmen?“ Der Wolf wusste nicht, was er erwidern sollte, begriff aber, dass Kaligmo einen Zuhörer brauchte. Dem Hexer war offenbar ein Unrecht geschehen oder er bildete sich das wenigstens ein. Jedenfalls musste er sich die Sache wohl von der Seele reden, zumal er sonst stets allein in seiner Hütte hockte. „Dabei habe ich ein so wunderbares Kunstwerk geschaffen“, erklärte Kaligmo. „Entschuldige, ich habe noch nicht genau verstanden, worum es bei dem Wettbewerb ging“, sagte der Vierbeiner. „Worum es ging? Wir sollten eine Festtafel nach unseren Vorstellungen gestalten. Mit unseren Wunderkräften natürlich. Alle Hexen und Feen des Zauberlandes waren versammelt, darunter so mancher Nichtskönner. Ich habe meine ganze Kunst entfaltet. Aber dann, bei der Preisverleihung ...“ „Sie haben dich übergangen“, wagte der Wolf den Satz zu vollenden. „O nein! Das haben sie sich nun doch nicht getraut. Aber der Scheuch, der sich weise nennt und den obersten Richter spielte, hat mir nur den dritten Preis zuerkannt, den dritten!“ Angesichts dieser Kränkung traten Kaligmo Tränen in die Augen. Der Wolf konnte den Schmerz nicht ganz nachempfinden. Er dachte, dass ein dritter Preis bei einem solch großen Wettbewerb durchaus eine Anerkennung sei. Aber er hütete sich, das kundzutun. „Was hattest du denn gezaubert, Großer Kaligmo?“, fragte er unterwürfig und trat ganz vorsichtig einen Schritt zurück. Der Hexer war zu sehr mit seiner Rede beschäftigt, um die Fluchtabsicht zu bemerken. Zudem fühlte er sich geschmeichelt. „Die wunderbarsten Gerichte aus den Höhlen meiner Kindheit. Blutegelsuppe und Mäuseschwanztorte. Drei fette Ratten in einer Ziegenhaut gebacken und mit Eulenfedern garniert. Das Ganze in einem Kranz grauer Sumpffrüchte. Über Kreuz angeordnete gehäutete Schlangen an beiden Enden der Tafel. Die besten Stücke mit Dornen gespickt. Genial, sage ich dir!“´ Irgendwie ziemlich genial sind auch die Ermittlungskünste von Kommissar Gustav Merks. 2012 legte Steffen Mohr bei der EDITION digital das E-Book „Rätselkrimis. Ein Kommissar für jede Jahreszeit“ vor: Wer hat den Tod des Artisten verschuldet? Womit verrät sich der Mörder des Postboten? Warum ist die Trauer der Öko-Bäuerin über den Tod ihrer Schwester geheuchelt? Wer wollte das Auto der Schlagersängerin in die Luft sprengen? Kommissar Gustav Merks ist den Tätern auf der Spur. Seinen legendären Ruf verdankt der gemütliche Sachse einer wirkungsvollen Waffe - seinen kleinen grauen Zellen. Wer die eigenen kriminalistischen Fähigkeiten unter Beweis stellen will, hat hier Gelegenheit: 77 Rätselkrimis versprechen Spaß und Spannung beim Lesen und Lösen. Wer aufgibt oder den falschen Täter dingfest macht, kann sich am Ende die Ermittlungsergebnisse des Gustav Merks ansehen. Als Einladung, sich selbst einmal als Ermittler zu versuchen, präsentiert der aktuelle Newsletter die ersten beiden Fälle von Kommissar Merks. Aber um es gleich hinzuzufügen, sie sind nicht ganz einfach zu lösen … „IM MÄRZEN DER BAUER BIS PFINGSTEN SCHLÄGT ZU 1. FRÜHLINGSSCHNEE Mit Anke und Karolin gab es in der Stadt zwei Stardiven, und das war einfach eine Diva zu viel. Zwar traten die beiden jungen Frauen gemeinsam in einem ständig ausverkauften Brettlprogramm auf. Doch als ruchbar wurde, dass die blonde Anke ihrer Kollegin den Lebenspartner weggeschnappt hatte, tickte die Bombe. Gerade jetzt stand Anke neben ihrem Auserwählten. Sie bückte sich in den Mercedes, mit dem sie als erste Gäste auf dem ländlichen Parkplatz gelandet waren. Der gutmütige Peter, Herr beider Künstlerinnen und einiger anhängender Musikanten und Tänzer, blickte mit großen blauen Augen in die Nachmittagssonne. Eben belud ihn die Braut mit mindestens sechs Blumensträußen. „Echtes Verlobungswetter, Schatz“, strahlte Peter. „Jetzt ist es gerade mal 17 Uhr“, bemerkte Anke kühl. „Bis Sieben trudeln die letzten Gäste ein, und dann wird es schon Nacht.“ Während sie neben ihrem Bräutigam auf den romantischen Landgasthof zustakste, meinte sie: „Gott sei Dank kommt mein alter Freund, der Kommissar. Und hoffentlich bleibt Karolin der Party fern.“ Der Weg über den Hof war mit Feldsteinen gepflastert. Der Schnee fiel quasi aus heiterem Himmel. Rasch überzogen die Flocken die weite Fläche des Parkplatzes mit einer dichten Decke. Es war kurz nach 19 Uhr, als Kommissar Gustav Merks seinen alten Audi neben die anderen Wagen stellte. Vorsichtig, um die für den Anlass frisch geputzten Schuhe nicht zu beschmutzen, balancierte er einen Riesenstrauß und seinen stattlichen Bauch über den Hof. Drinnen liefen bereits die musikalischen Verlobungsständchen. Als der Kommissar in der Tür erschien, steppte die mollige Karolin zu heißen Pianoklängen über das Parkett. Man konnte über die beiden Künstlerinnen denken, was man wollte - in diesem Augenblick, als die kühle Schönheit neben ihrem Bräutigam still sitzen musste, war Karolin die weitaus bezauberndere Person im Saal. Sie hatte einen witzigen Song über die rosige Zukunft verfasst und verführte damit selbst die anwesenden Brettlkollegen zu Beifallsstürmen. Als sie Anke gelbe Rosen und Peter ein Biedermeiersträußchen mit großer Silberdistel überreichte, beobachtete der Kommissar von der Tür aus die Mienen der Drei genau. „Wenn Blicke Stichwaffen wären“, dachte Merks. In diesem Moment schob sich Karolin an ihm vorbei nach draußen. Offenbar musste sie zur Toilette. Anke rief: „Oh, Gustav! Setz dich doch in Ermangelung eines Schwiegervaters an meine Seite!“ Merks gratulierte väterlich, und amüsiert verfolgte er die anschließende Darbietung des Hausballetts. Danach mischte sich eine völlig entspannte Karolin wieder unter die Gäste. Das Büffet wurde eröffnet. In einem günstigen Moment winkte Anke den Kommissar an ihre Seite. „Denk nicht, dass das, was ich dir anvertraue, bloß Theaterdonner ist. Karolin hat einem der Musiker erzählt, dass sie mich in die Luft sprengen will. Wörtlich! Von einer Autobombe war die Rede. Du hast doch Erfahrung mit so was. Könntest du bitte mal zu unserem Wagen gehen und nachschauen?“ Merks nickte stumm. Als er schon auf dem Hof war, stand die Braut plötzlich in der Eingangstür und winkte ihn aufgeregt zurück. „Entschuldige. Weißt du denn, welches Fahrzeug unseres ist?“ „Deinen Wagen“, meinte Merks, „finde ich auf Anhieb.“ - Weshalb? 2. NUR DIE KROKUSSE WAREN ZEUGE Bei Eisen-Lutz in der Gartenlaube lag eine Leiche. Kommissar Gustav Merks hatte die unverwechselbare, markante Stimme des invalidisierten Eisenhändlers am Telefon sofort erkannt. Mit Glas-Peter, seinem ebenfalls im Ruhestand lebenden Grundstücksnachbarn, befand sich der Alte im Dauerstreit. Mal wuchsen die Zweige der Pflaumenbäume von Eisen-Lutz zu weit über den Glas-Zaun, mal rannten Nachbars Hühner quer durch fremde Blumenbeete. Eisen-Lutz aber war als gewalttätig bekannt. Die Hühner von Glas-Peter erlegte er mit der Sense. Diesmal wahrscheinlich auch den ehemaligen Glaser selbst. Die ganze Woche hatte es Bindfäden geregnet. Dementsprechend war der Zustand der Wege im Gartenverein. Merks ließ sein Fahrzeug vor dem Torschild mit der Aufschrift „Märchenidyll“ stehen. Seinen massigen Körper mühsam bewegend, stapfte er durch den Schlamm. Irgendwie war trotzdem ein Auto bis zum Grundstück von Eisen-Lutz durchgekommen. Es parkte vorm Zaun. Merks erkannte den Nobelschlitten als den Manta von Glas-Peter. Jetzt musste ihm der Eisenhändler ein bisschen mehr erzählen als die drei Sätze am Telefon: „Der Glaser ist bei mich rein inne Laube. Hat mir angegriffen mit ne Waffe. Ich hab ihm mit de Sense 'n Kopp kürzer gemacht. Komm' Se doch ma vorbei, Herr Kommissar.“ In allen Farben des Frühlings leuchteten lieblich die Krokusse auf Eisen-Lutzens Beeten. Dazwischen, auf dem Weg zur Laube, erblickte der Polizist die tiefen Fußstapfen eines Mannes. Vom Manta aus führten sie direkt auf das Gartenhäuschen zu. Merks sah zu, dass er in die Spuren hineintrat, um nicht noch mehr Schlamm an seine Schuhe zu pappen. Glas-Peter lag auf den Dielen gleich hinter der Tür. Der als Graf Koks verschriene alte Kleinkapitalist, von dem man sich erzählte, sein Harem erledige alles im Gärtchen, sah im Designeranzug und den frisch gewienerten Markenschuhen, auf deren Sohlen noch das Preisschild klebte, auch im Tode noch ganz passabel aus. Mit einer kleinen Ausnahme: Sein blond getöntes Toupet und ein erhebliches Stück Kopfhaut befanden sich einige Schritte von ihrem natürlichen Sitz entfernt in der entgegengesetzten Ecke des Raumes. Blutspritzer bedeckten den Boden. Die Sense von Eisen-Lutz lag neben dem abgetrennten Kopfsegment. „Ich habe nullkommanischt verändert, Herr Kommissar.“ In seiner Pratze schwang der rotgesichtige Choleriker einen schwarzen Taser. „Mit diesem Elektroschocker hat das Schwein mir angegriffen. Latscht rein in meine Hütte, zieht das Ding und will mir betäuben! Nee, da hab ich mir gleich gewehrt. Und die Sense hat, wie Sie sehn, ganze Arbeit geleistet.“ „Und warum halten Sie jetzt den Scorpion 750 in der Hand?“ Merks schüttelte ärgerlich den Kopf. „Es war die reine Notwehr, Herr Kommissar!“ „Glas-Peter ist also direkt aus seinem Wagen in Ihre Laube gestürzt und mit dem Taser auf Sie los?“ „Was 'n sonst? Nu machn Se schon Ihre Tatortbildchen.“ „Nicht nötig. Wir müssen bei der Polizei jetzt auch mit Fotomaterial sparen. Außerdem bin ich fest überzeugt, dass sich die Tötung Ihres Gartennachbarn ganz anders abgespielt hat.“ - Wie? „Elefant auf der Briefwaage“ – unter diesem schönen Titel veröffentlichte Jürgen Borchert erstmals 1979 im Mitteldeutschen Verlag Halle-Leipzig 40 Feuilletons: Es sind Momentaufnahmen und viele andere Dinge, die der Feuilletonist Jürgen Borchert in diesem Band versammelt. Insgesamt 40 an der Zahl. Und der Bogen der Themen und Titel ist wie immer weit gespannt, reicht vom Nabel der Welt über Labyrinthe und Inkas im Ballon bis zu einer Frau im blauen Kleid und eben zu verschiedenen Momentaufnahmen. Und gleich am Anfang des Bandes mit 40 Feuilletons, die man am besten nicht gleich alle auf einmal, sondern Stück für Stück genießen sollte, gibt es eine bemerkenswerte Empfehlung des Autors an seine Kritiker: „Meinen Kritikern empfehle ich, sich eine Briefwaage, wo nicht schon vorhanden, unbedingt anzuschaffen. Sie können sie zum Abwägen meiner Feuilletons benutzen. So werden sie dann bestätigt finden, was sie schon immer behaupten: Diese Feuilletons sind einfach zu leicht. Wie ein Elefant. Vastehnsemarecht.“ Aber dazu muss man sie gelesen haben. Alle. Fangen wir doch einfach mit diesem hier an: „Fähre zu verkaufen Eines Tages steht eine Anzeige in der Zeitung; sie bietet eine Gierfähre feil, gut erhalten und in zugelassenem Zustande. Die Tragfähigkeit beträgt, wenn wir dem Anzeigentext glauben dürfen, 18 Tonnen. Über den Preis ist allerdings nichts ausgesagt, aber da eine Gierfähre nicht über einen Motor oder ähnliche technische Raffinessen verfügt, Zierleistenbei einem solchen Fahrzeug nicht vorhanden und andere preistreibende Extras nicht erwähnt sind, dürfen wir getrost meinen, die Gierfähre sei erheblich billiger zu haben als ein gebrauchter Wartburg. Also greifen Sie zu: so schnell kommen Sie nicht wieder zu einer Gierfähre, einem Gefährt, das zudem höchst umweltfreundlich ist, sich völlig lautlos bewegt und keinen Treibstoff benötigt, wenn man von einem gelegentlichen Schnaps für den Fährmann absieht: abends ist es manchmal kühl auf dem Wasser. Bevor nun aber alle Gierfähren ausverkauft und also von der Elbe verschwunden sein werden, bin ich schnell noch mit einer gefahren, um herauszufinden, wie denn so ein Gefährt eigentlich funktioniert, so ohne Motor und Treibstoff. Zunächst führt eine kleine Straße auf den Strom zu, geradenwegs ins Wasser hinein, um auf der anderen Seite weiterzugehen, als sei sie nicht durch einen halben Kilometer Elbe unterbrochen. Hier, zwischen den Straßenenden, pendelt die Gierfähre. Sie pendelt: das will sagen, sie bewegt sich lautlos und geheimnisvoll wie ein Pendel ohne sichtbaren Antrieb von Ufer zu Ufer hin und her. Nun ist die Fähre an unserer Seite angekommen, legt knirschend an, der Fährmann leiert die hölzerne Auffahrklappe hinunter und betrachtet uns einsame Fußgänger missbilligend: solche Touren lohnen sich nicht. Dann betätigt er zwei urige, ins Wasser hinabreichende Hebelgestänge, und wiederum lautlos und geisterlich entfernen wir uns auf diesem brettflachen, mit einer Holzbude für den Fährmann versehenen Vehikel, um schließlich am anderen Ufer zu landen. Während der Fahrt (sie dauert vielleicht drei Minuten) geht uns ein Licht auf; das Prinzip der Gierfähre offenbart sich: An einem langen Seil, ein paar Hundert Meter stromauf verankert, hängt der Fährprahm, dessen Bewegung von zwei am Schiffsboden befindlichen Seitenrudern erzeugt wird. Die Strömung der Elbe drückt also unseren Kahn je nach Stellung jener Ruder auf die eine oder andere Seite, ohne dass menschliche oder maschinelle Kraft vonnöten wäre. Diese Erfindung, genial in ihrer Primitivität, soll, wie ich mir habe sagen lassen, mehr als tausend Jahre alt sein. Der Fährmann, unsere noch beim Absteigen schafsdumm staunenden Gesichter betrachtend, grinst, stellt seine Hebel um und entschwindet zum jenseitigen Ufer, wo schon eine Autokolonne hupend seiner harrt, besseren Geschäften entgegen. Nun aber beginnt man, die Gierfähren zu verkaufen. Wozu, so frage ich Sie, sollen sie anderswo dienen? Wo die Strömung fehlt, kann sich die beste Gierfähre nicht vom Flecke rühren. Wo aber die Fähre fehlt, kann niemand mehr übersetzen.“ Und noch ein Kommissar – allerdings ein viel kleinerer und sicher nicht so schwergewichtig wie Gustav Merks. Aber auch schon ganz schön clever. Erstmals 1999 war im Arena Verlag Würzburg die Druckausgabe von „Der Kommissar in der Regentonne. Ein Fall für die Superspürnasen und andere Detektivgeschichten“ von Jan Flieger erschienen: Darauf muss man erst mal kommen. Aber die kleinen Detektive und Detektivinnen erweisen sich als Superspürnasen. Egal, ob es um gestohlene Papageien, um eine verschwundene Kuhherde, um einen scheinbar nicht zu fassenden Parfümdieb im Kaufhaus oder um einen seltsamen Weihnachtsmann geht. Am Ende geht es jedenfalls gut aus. Übrigens, Leo, die Nervensäge, ist ein Papagei, ein Gelbbrust-Ara. Und nicht jeder, der so aussieht, ist wirklich ein Weihnachtsmann. Und hier der Anfang der titelgebenden Detektivgeschichte, der uns auch gleich mit Tobias und seinen Freunden bekanntmacht, und mit Opa Lungwitz und natürlich mit Leo: „Der Kommissar in der Regentonne Tobias, Gökhan, Sophie und Nadine kommen aus der Schule. Sie schlendern langsam durch die Kleingartenanlage, vorbei am Vogelhaus von Opa Lungwitz. Eigentlich ist ja Opa Lungwitz gar kein Opa, sondern ein Mann im Vorruhestand. Aber die Kinder nennen ihn Opa, weil er so nett und gemütlich ist. Und er winkt ihnen immer zu, wenn er in seinem Garten oder im Vogelhaus arbeitet. Opa Lungwitz hat es selbst gebaut, aus Glas und Maschendraht. Es ist ein wunderschönes Vogelhaus. Und voller bunter Vögel. „Ach du dickes Ei“, staunt Tobias, denn vor dem Gartentor von Opa Lungwitz steht ein Karton. Und eine krächzende Stimme ist daraus zu hören: „Mahlzeit!“ Gökhan wirft einen forschenden Blick auf den Karton. „Klingt wie Leo“, stellt er fest. „Leo?“, fragt Sophie ungläubig. Leo ist nämlich ein Papagei, ein Gelbbrust-Ara. Diebe haben ihn zusammen mit zwei anderen Papageien gestohlen. Vor vier Monaten. „Renate, mach die Glotze an“, krächzt es aus dem Karton. Vorsichtig hebt Tobias den Deckel. „Es ist tatsächlich Leo“, sagt er. „Pass auf, er hackt nach deiner Hand“, warnt Gökhan. „Wer weiß, was er erlebt hat“, meint Tobias gelassen. „Renate, noch ’n Bier“, verlangt der Papagei. Die Kinder sehen sich an und lachen. „Das alles hat er noch nie gesagt“, meint Nadine kopfschüttelnd. „Guckt mal, da liegt ein Zettel im Karton“, ruft Sophie plötzlich. Vorsichtig greift sie in die Pappkiste. Aber Leos Schnabel trifft sie hart. „Aua, Leo“, schimpft Sophie zornig. Doch sie hat den Zettel schon in der Hand. Verwundert beginnt sie zu lesen: „Wir geben ihn zurück. Er ist eine Nervensäge.“ Tobias legt die Stirn in Falten. „Die müssen auch die anderen Papageien haben.“ Gökhan nickt. „Schon möglich, aber wie willst du herauskriegen, wo die Papageienräuber wohnen?“ „Ein Fall für unsere Spürnase“, sagt Nadine und blickt Tobias erwartungsvoll an. Tobias will nämlich zur Kriminalpolizei. Später. Jetzt ist er erst einmal Privatdetektiv. Und einige Fälle hat er schon gelöst. Er hat auch den Mann erwischt, der heimlich mit dem Luftgewehr nach Katzen geschossen hat. „Mmm“, macht Tobias. „Die kriegen wir.“ Die anderen blicken ihn zweifelnd an. „Und wie?“, rufen sie fast wie aus einem Mund. Tobias denkt noch immer nach. Detektive lösen viele Fälle nur dadurch, dass sie nachdenken. Er weiß das aus Filmen. „Ich hab’s“, meint er. „Du spinnst ja“, sagt Gökhan ungläubig. Aber Tobias macht ein überlegenes Gesicht. „Wir brauchen Leo nur zuzuhören. Dass er bei einer Renate war, wissen wir schon. Vielleicht verrät er auch ihren Familiennamen.“ „Total genial“, meint Gökhan bewundernd. „Aber erst mal müssen wir Leo zu Opa Lungwitz bringen.“ „Opa Lungwitz“, rufen sie durcheinander. Der kommt aus seiner Laube geschlurft. Nadine hebt triumphierend den Karton hoch. „Leo ist wieder da!“ Opa Lungwitz strahlt plötzlich über das ganze Gesicht. So schnell er kann, kommt er angelaufen. „Mein Leo, mein lieber Leo“, ruft er immer wieder aus und hebt den Vogel auf seine rechte Schulter. „Stinklangweiliges Programm“, schimpft Leo ihm ins Ohr. Tobias kombiniert: „Er muss bei Typen gewesen sein, die viel vor der Glotze saßen. In der Laube gibt Opa Lungwitz eine Runde Cola aus. Leo flattert durch den Raum, um sich dann auf der Lampe niederzulassen. „Helmholz, alter Esel“, krächzt er vergnügt von oben. Und er schaukelt mit der Lampe. Tobias steht plötzlich wie erstarrt. „Das ist der Name!“, platzt er los. „Helmholz, Renate Helmholz. Diese Renate und ihr Mann müssen die Papageien geklaut haben.“ „Ja, aber die Adresse?“, meint Sophie besorgt. „Wir haben nur den Namen.“ Tobias nimmt einen Schluck von der Cola, denkt wieder nach. Dabei knirscht er mit den Zähnen. Das tut er oft, wenn er nachdenkt.“ Hoffentlich hilft dieses Zähneknirschen auch diesmal, um den Papageiendieben auf die Spur zu kommen. Aber auch die anderen vier Angebote dieses Newsletters lohnen die Lektüre. Besonders zu empfehlen ist die Weihnachtsgeschichte von Lutz Dettmann, in der sich die beiden Nachbarfamilien einen regelrechten Dekorationskrieg liefern, an dessen Ende sie … - aber wir wollen hier nicht zu viel verraten. Viel Vergnügen beim selber Lesen und eine schöne Vorweihnachtszeit! Weitere Informationen und Angaben finden Sie unter http://www.prseiten.de/pressefach/edition-digital/news/3880 sowie http://edition-digital.de/Specials/Preisaktion/. Über EDITION digital Pekrul & Sohn Gbr: EDITION digital wurde 1994 gegründet und gibt neben E-Books Bücher über Mecklenburg-Vorpommern und von Autoren aus dem Bundesland heraus. Ein weiterer Schwerpunkt sind Grafiken und Beschreibungen von historischen Handwerks- und Berufszeichen. Pressekontakt: EDITION digital Pekrul & Sohn GbR Gisela Pekrul Alte Dorfstr. 2 b 19065 Pinnow Deutschland 03860 505788 [email protected] http://www.edition-digital.de
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Die Beatles, Jeans, die schönste Sache der Welt sowie Klappersteine und ein Vorschlag, ein Feuilleton über das Luftschiff zu schreiben – Sieben E-Books von Freitag bis Freitag zum Sonderpreis
Manchmal machen schon Vorschläge neugierig. So der „Vorschlag, ein Feuilleton über das Luftschiff zu schreiben“. Dieser stammt aus dem Debütband des später in der DDR sehr bekannten gewordenen und gern gelesenen Feuilletonisten Jürgen Borchert und gehört zu den insgesamt sieben Deals der Woche, die im E-Book-Shop www.edition-digital.de eine Woche lang (Freitag, 16.06. 17 – Freitag, 23.06. 17) zu jeweils stark reduzierten Preisen zu haben sind. Schauen Sie mal nach, was er aus seinem Vorschlag gemacht hat. Lesenswert wie auch seine anderen „Klappersteine“. Was Klappersteine sind? Und was sie mit Feuilletons gemeinsam haben? Weiterlesen. Dann wissen Sie bald mehr. Mehr Wissen und mehr Vergnügen bieten auch die anderen sechs Deals der Woche, egal ob sie nun über den unglaublichen Sommer 1976 oder von einem Schloss an der Nebel, von dem Versuch, den Mohrunger Johann Gottfried Herder zum Polen zu machen oder von einem berühmten deutschen Kaiser, der allerdings eher unter seinem italienischen Namen bekannt ist, oder von tödlichen Schüssen auf einen Finanzdezernenten handeln. Oder auch von einem astronomischen Dieb. Aber Achtung, letzteres Buch provoziert und produziert Heiterkeit – vielleicht nicht die schlechteste Art, das Leben und die Welt zu überstehen oder zumindest in die Tasche zu stecken … Erstmals 2004 erschien bei Langen Müller in der F. A. Herbig Verlagsbuchhandlung München „Wer die Beatles nicht kennt … Flegeljahre im Arbeiter- und Bauernstaat“ von Lutz Dettmann: Da ist er, der Tunnel, an dem er sich damals immer mit seinen Freunden getroffen hat, zum Rauchen und Klönen, zum Pläne schmieden und flirten. Und – Klaus Levitzow traut seinen Augen kaum – da ist auch noch die Inschrift, die Karsten damals angebracht hat: „Wer die Beatles nicht kennt ...“. Soviel hat sich in den 20 Jahren seither verändert in dieser Stadt, doch den Tunnel und die Inschrift gibt es noch. Sie wecken in Levitzow Erinnerungen an den Sommer 1976 und er verwandelt sich wieder in den Fünfzehnjährigen, der er damals gewesen ist. Er muss wieder das Klassenzimmer verlassen, weil er im Staatsbürgerkundeunterricht Kritik ge��bt hat und ärgert sich darüber, dass alle anderen schweigen. Ist er denn der Einzige, der unter den Verhältnissen leidet? In jedem Fall ist er nicht der Einzige, der es liebt, im intershop einzukaufen und Jeans aus dem Westen zu tragen, denn das ist Kult – genauso wie die Schallplatten all dieser coolen Bands aus dem Westen, Jethro Tull, Sweet,10 CC und natürlich der Beatles, zu deren Musik sie auf der Schuldisco tanzen. Nach all dem Ärger in der Schule sehnt Klaus die Ferien herbei. Er trifft sich mit seinen Freunden und Freundinnen am See und genießt die Natur und das Leben und vor allem den Anblick seiner knackigen Klassenkameradinnen. Dieser Sommer 1976 ist ein heißer Sommer, der unvergessliche Erlebnisse für ihn bereithält: Den ersten richtigen Rausch, Zusammenstöße mit den Hütern des Gesetzes, die erste Enttäuschung mit einem Mädchen, die Bekanntschaft mit dem Kriegsveteran Zigahn, der ihm Dinge über den Krieg erzählt, über die sonst niemand spricht, und schließlich seine erste große Liebe. Nach diesem Sommer hat er die Kindheit endgültig hinter sich gelassen. Lutz Dettmann lässt in diesem Buch die Zeit seiner Jugend, die 70er Jahre in der DDR, wieder auferstehen. Warmherzig und mit Witz erzählt er von den Erfahrungen, die der fünfzehnjährige Klaus auf dem Weg zum Erwachsenwerden macht. Der Autor selbst erklärte im Oktober 2003 über das Geschehen in seinem Buch: Die beschriebenen Charaktere sind eine Mischung aus Fiktion und Realität. Trotzdem sind eventuelle Ähnlichkeiten mit existierenden Personen rein zufällig und nicht gewollt. Die beschriebenen Orte sind Produkte meiner Erinnerung und meiner Fantasie. Ähnlichkeiten mit existierenden Orten sind also durchaus möglich. Und er stellte seinem Buch ein schönes Zitat von Ulrich Plenzdorf aus dessen berühmten Stück „Die neuen Leiden des jungen W.“ voran: „Für Jeans konnte ich überhaupt auf alles verzichten, außer der schönsten Sache vielleicht. Und außer Musik.“ Womit wir wieder bei den Beatles wären, unter anderem bei den Beatles. Und so liest sich das Buch von Lutz Dettmann: „Und da stand ich auch schon vor dem Haus meiner Großeltern, in dem ich mit meiner Familie zwanzig Jahre gewohnt hatte. Mir kamen im ersten Moment Zweifel, denn es hatte sich völlig verändert. Dort, wo einst unsere Wohnung gewesen war, glänzten jetzt große Ladenfenster. „Apotheke“ prangte auf einem riesigen Schild, das fast die ganze Höhe der Fassade einnahm. Die alte Haustür gab es nicht mehr. Ich ging durch den Torweg und schaute auf den Hof. Alles sah anders aus: Der Schauer, die Garage, das große Stallgebäude, sie waren verschwunden. Der kleine Ahornbaum, der vor der alten Hofmauer stand, hatte einem hohen Anbau weichen müssen. Der Hof wirkte kalt und ungemütlich. Und unser Holzschuppen, der sich in ein uneinnehmbares Fort verwandelt hatte, wenn wir von Indianern aus dem Nachbarhaus angegriffen wurden - wo hatte er überhaupt gestanden? Schlagartig wurde mir bewusst: Dies war nicht mehr mein Elternhaus, und ich würde dieses Haus nie wieder betreten. Ich sah es mir noch einmal an und nahm Abschied. Doch meine Neugier war jetzt geweckt! Wie sah es sonst hier aus? Die Bäckerei an der Ecke zur Schulstraße war zugemauert. Das Haus hatte keine Mieter mehr. Ich überquerte die Schulstraße und ging nun durch die neue Bäckerstraße, die als Sackgasse endet. Hier schien die Zeit völlig stehen geblieben zu sein. Die alten Paketbehälter - in einer der Boxen lag zum Weihnachtsfest immer ein von uns sehnlichst erwartetes Westpaket – waren entfernt worden. Aber sonst hatte sich nichts verändert. Am Ende der Straße lehnte ich mich über die Brüstung. Die Steine der Einfassung waren mit eingekratzten Buchstaben übersät. Hier, an der Treppe, die zur Lehmstraße hinunter führt, hatten wir uns immer getroffen, Musik aus unseren leiernden Rekordern gehört, geraucht und mit den Mädchen geflirtet. Alles kam mir so vertraut vor, und immer mehr Erinnerungen, jahrelang vergessen oder verdrängt, tauchten wieder aus dem Unterbewusstsein auf. Die Wände im Tunnel, der zum Spielplatz führte, waren dick mit Graffiti beschmiert. Ich musterte die Inschriften, konnte die Zeichen nicht entziffern und wollte schon weitergehen, doch ich stutzte. Inmitten der Sprühereien war eine Stelle freigelassen worden. Dort stand frisch mit Kreide nachgeschrieben: „Wer die Beatles nicht kennt, ist ...!“ Das letzte Wort war dick durchgestrichen worden, und jemand hatte „Idiot“ darüber gesprüht. Ich glaubte meinen Augen nicht zu trauen. Diese Inschrift kannte ich noch sehr gut. Dass sie alle diese Jahre nicht überschrieben worden war! Und da überfielen mich plötzlich die Erinnerungen und er war wieder da, der unvergleichliche Sommer 1976 ...“ Um Erinnerungen, um sehr persönliche Erinnerungen geht es auch in dem erstmals 2005 im Mauer Verlag Wilfried Kriese, Rottenburg a/N. erschienenen Buch von Uwe Berger „Pfade hinaus. Episoden der Erinnerung“: Darin gibt der Autor konzentrierte persönliche Erinnerungen wieder. Es sind authentische Erlebnisse, die das Gestern mit dem Heute und das Nahe mit dem Fernen verbinden. Die Gedanken wandern zwischen Literatur und Natur, setzen gegen erdrückende Diktatur lebendige Toleranz. Episodenhaft angedeutet sind Schicksale und Entwicklungen, und der Weg eines Hugenotten zum Weltbürger zeichnet sich ab. Greifen wir eine Episode aus diesen Erinnerungen heraus: „Verletzungen Als Vierzehnjähriger betrat ich zum ersten Mal polnischen Boden, den ebenen, lehmigen Boden zwischen Warthe und Weichsel, und ich spürte beklommen „die Stille, diese harte Stille, die von all dem Schreien nicht ausgefüllt werden konnte“. In Konin gestikulierte und kreischte ein hellbraun gekleideter Hanswurst vor evakuierten Kindern aus Berlin. Was er sagte, weiß ich nicht mehr; der Klang seiner Worte aber war gefährlich. In dem Dorf Kleczew nördlich von Konin lernte ich faschistisches Lagerleben kennen. Es war das Kriegsjahr 1943. Noch heute, wenn ich an den Ort denke, rieche ich Heu und Dung, schmecke ich Schuld und Angst. Dreieinhalb Jahrzehnte später, am 26. September 1980, saß ich östlich von Warschau im Kellergewölbe des von Wald und Finsternis umgebenen Landschlosses von Czarnolas. Dort trafen sich Literaten aus Polen und anderen europäischen Ländern. Mit Marian Pankowski, einem würdigen, weißhaarigen Mann von gewinnendem Wesen, kam ich ins Gespräch. Er hatte eine Professur für Slawistik an der Universität von Brüssel inne. Gebürtiger Pole, war er durch die Hölle von Auschwitz gegangen. Er sagte in fließendem Deutsch: „Die schlimmsten Kapos, die ich in Auschwitz kennenlernen musste, waren Polen.“ Das System pervertiere die Menschen. Zuvor hatten wir in der Kapelle des Schlosses eine mystisch inszenierte Lesung von Jan Kochanowskis „Treny“ erlebt, dem Liederzyklus auf den Tod seiner Tochter. Die rezitierenden Warschauer Studenten stellten eindringlich die polnische Schicksalsklage dar, gegen die sich der behauptende Wille des großen Renaissance-Poeten erhebt: Was ist wohl leichter: Sich im Schmerz zu winden oder hart mit der Natur zu ringen? Wo Kochanowski gelebt hatte, fühlte ich mich polnischer Geschichte, polnischem Wesen nahe. In Polen bin ich auch dem klassischen deutschen Geist und seinen Quellen begegnet. Als Mitglied einer Regierungsdelegation fuhr ich am 19. Oktober 1986 mit dem Polonisten Dr. Dietrich Scholze und der polnischen Journalistin Katarzyna Kielczewska von Warschau aus nach Morag in Masuren. Morag, zu deutsch Mohrungen, ist der Geburtsort von Johann Gottfried Herder. Weimarer und Warschauer Wissenschaftler hatten ein kleines Museum zum Gedenken an Herder neu gestaltet. Es sollte feierlich wiedereröffnet werden. In dem von einem polnischen Fahrer gesteuerten Polonez unterhielten wir uns angeregt in deutscher Sprache, die Katarzyna tadellos beherrschte. Als Scholze wieder eine seiner deutsch-nationalen Tiraden losließ und hinzufügte: „Na ja, da werdet ihr ja wieder gemeinsam den Kopf schütteln“, sah ich die neben mir sitzende Katarzyna verwundert an und erwiderte: „Sind wir denn so? Nein. Nicht wahr, wir sind tolerant.“ Scholze lächelte etwas gequält. Ich mochte Katarzynas lang gestrecktes Gesicht, ihre sanfte Klugheit. Bei einem Halt legte sie ihre Stirn gegen die weiße Rinde einer Birke. „Das macht man bei uns so. Das hilft gegen Kopfschmerzen.“ Wir fuhren durch dichte Wälder und vorbei an dunklen Seen. Dann tauchte das Städtchen Morag auf. Kirche und Rathaus, alte Backsteinbauten umgeben die Stelle, wo einst das Geburtshaus Herders stand. Das nahe gelegene Palais des Grafen von Dohna beherbergte das Herdermuseum sowie Ausstellungen alter niederländischer Porträts und der Landschaften eines modernen Niederländers. Als wir kamen, drängten sich schon viele Menschen. Zuerst sprach zu der stehenden Versammlung der örtliche Woiwode, dann ein polnischer, dann ein deutscher Wissenschaftler, dann der Gdansker DDR-KonsuI und schließlich ich. Eigentlich war es eine Komödie. Aber ich wollte bestimme Sätze loswerden. Katarzyna kannte sie bereits und übersetzte: „Im Gegensatz zu Schiller, der das Reich der Freiheit in die Kunst verlegt, fordert Herder die Einheit von Erkenntnis und Wirken. Schon 1772 hat Herder auf die Leistung der alten Griechen verwiesen, fremde Ideen in ihre eigene Natur zu verwandeln, und die Bedeutung der Wechselwirkung zwischen den Kulturen erkannt. In den ,Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit' rühmt Herder die geräuschlose, fleißige Gegenwart der slawischen Völker; und er wünscht ihnen, dass sie von ihren Sklavenketten befreit würden und ihre schönen Gegenden vom adriatischen Meer bis zum karpatischen Gebirge als Eigentum nutzen und ihre alten Feste des ruhigen Fleißes und Handels auf ihnen feiern dürften. In den ,Briefen zur Beförderung der Humanität' aber, jenem bedeutenden Werk, das unter dem Eindruck der Französischen Revolution entstand, verbindet sich der Gedanke der freien nationalen Entwicklung Deutschlands mit dem Gedanken der Freundschaft zu allen Völkern. Jede Nation müsse es als unangenehm empfinden, wenn eine andere Nation beschimpft und beleidigt wird ... Wir Deutschen haben besonderen Grund, uns daran zu erinnern.“ Wie mir Katarzyna auf meine Frage hin anvertraute, hatte der polnische Wissenschaftler durch pedantische Genealogie nachweisen wollen, dass Herder ja eigentlich eher Pole als Deutscher sei. Bei dem anschließenden Essen für ein paar Ehrengäste stand Scholze auf und brachte einen Toast aus. „Oh, er spricht ja polnisch“, bemerkte jemand bewundernd. „Und was hat er gesagt?“, fragte ich Katarzyna. „Dass sich der andere Teil der Delegation zurzeit in einer Chopin-Gedenkstätte aufhalte und dass Chopin ja eigentlich Deutscher sei." Erstmals 1991 brachte Brigitte Birnbaum bei der damaligen Landesverlags- und Druckgesellschaft mbH Mecklenburg & Co. KG. „Das Schloss an der Nebel“ heraus: Baugeschichten, Schlossgeschichten sind immer Menschengeschichten, denn jede Zeit hat ihre Schicksale und im Güstrower Schloss wohnten nicht nur die hochgeborenen Fürsten zu Wenden, die Grafen zu Schwerin, der Lande Rostock und Stargard Herren. Oder General Wallenstein. Auch Kinder, nicht nur adlige, lebten dort, wie das Wendenmädchen Ilsabe, „kleine Küchenschabe“ genannt, und der Fuerböter Jochim oder Bastian und Maria, die Kinder der eingefangenen Landstreicher. In kleinen, spannenden Erzählungen wird die mit dem Leben dieser Kinder verbundene Schlossgeschichte nahegebracht. Und so fangen diese Bau-, Schloss- und Menschengeschichten an: Wir lernen Ilsabe kennen. Wer Ilsabe ist? Einen Moment bitte: „Vorm Schloss wollten wir uns treffen. So war es vereinbart. Hier vor dem Fürstlichen Haus zu Güstrow. Ich finde, es sieht noch gar nicht so alt aus, wie es sein soll, auch nicht besonders prächtig. Eher einzigartig und riesig, obwohl von der Brücke aus niemand merkt, dass beinah schon die Hälfte fehlt. Noch immer wirkt es viel zu groß für die kleine Stadt. Ein Palazzo in Mecklenburg. Mir scheint es fremd in dieser Landschaft. Aber das macht wohl mein Ärger, weil ich warten muss. Wie ein Wachsoldat pendle ich vor dem Torhaus hin und her. Ist das eine Art, mich lauern zu lassen? Da hätte ich mich auch mit Wallenstein oder dem Herzog Ulrich verabreden können. Die Herren wären ebenso wenig erschienen. Und wenn? Ja, wenn! Was hätte ich dann gesagt? Wie müsste ich ihn ansprechen, den Herzog Ulrich zu Mecklenburg? Mindestens wohl mit „Von Gottes Gnaden Durchlauchtigster hochgeborener Fürst zu Wenden, Graf zu Schwerin, der Lande Rostock und Stargard Herr". Hätte er sich überhaupt ansprechen lassen? Von mir? Mitten auf der hölzernen Fallbrücke, die mit Ketten auf- und zugemacht wurde? Seine Leibgarde würde es mir schon gezeigt haben. Mit llsabe wär ich ins Gespräch gekommen, mit ihr bestimmt. Wenn ihr zum Schwatzen auch selten Zeit bleibt. Eben hat sie die Borsten aus dem gebrühten Ferkel puhlen müssen, und es liegen noch ein halbes Dutzend geschlachteter Hühner zum Rupfen. „Späl nich rümmer!", wird sie vermahnt. Die Frau des Obersten Herzoglichen Kochs und Küchenschreibers keift gern, hält aber sofort die Hand über llsabe, wenn einer glaubt, der Kleinen etwas am Zeug flicken zu müssen. Und als sie bemerkt, wie eine der älteren Mägde schadenfroh feixt, der unangenehmen Rupferei zu entkommen, packt die Frau die Elfjährige am Arm und schiebt sie zur Tür. „Geh und sieh nach, ob der Herr Bildschneider und seine Gesellen aufgegessen haben.“ Das lässt sich Ilsabe nicht zweimal sagen. Die Finger an der groben Schürze abwischend, hüpft sie hinaus in den leichten Mairegen und über den Schlosshof ins Nige Hus. Die eichene Wendeltreppe im Turm steigt sie langsamer nach oben. Fröstelnd bewegt sie die Schultern. In der Küche war es heiß. Auf der Treppe zieht es aus allen Luken. Fertig ist das Nige Hus noch immer nicht, obwohl daran gemauert und gezimmert und Ziegelsteine aus einem abgebrochenen Kloster herangefahren werden, seit llsabe denken kann. Im August jenes Sommers, in dem sie hier geboren wurde, also Anno 1557, wie man ihr erzählte, hatte dieser Teil der alten Burg eines Tages aus heiterem Himmel in Flammen gestanden. Kein Blitz entfachte das Feuer, keine unbeaufsichtigte Fackel, kein Funken aus dem Kamin. Herzog Ulrich fragte seltsamer Weise gar nicht danach. Er war verreist, als das Unglück geschah und brachte bei seiner Rückkehr gleich den Baumeister für das neue Haus mit, einen gebürtigen Italiener namens Franciscus de Pario de Bizone oder deutscher: Franz Parr. Des Herzogs königliche dänische Schwiegereltern gaben Geld, damit ihre Tochter Elisabeth nicht in einer Ruine hausen musste. Parr sollte bauen, wie es in Italien schon lange Mode war und wie es Ulrich in Süddeutschland, wo er aufwuchs und studierte, gesehen hatte: mit großen Fenstern in einer Reihe, Verbindungsgängen im Inneren des Hauses; mit Schornsteinen und Kachelöfen; Glasscheiben in den Fenstern und Loggien, von Säulen getragen. Franz Parr versuchte, die Wünsche des Herzogs zu erfüllen. Er baute in die Breite und fünf Etagen hoch, überzog die plastisch geformten, roten Backsteine mit hellem Mörtel und fasste sie farbig. Aber was schert solches llsabe, zumal Franz Parr nicht mehr im Lande weilt. Längst ist das dänische Geld vermauert, so wurde in der Küche geflüstert, und Parr hatte sich einem anderen Herrn verdingen müssen. Geblieben war sein Bruder Christoph, der Bildschneider, und zu ihm ist das Mädchen geschickt. llsabe tritt aus dem Turm auf die Galerie, stemmt sich gleich gegen die erste Tür. Sie ist verschlossen. Das Mädchen läuft unter den beiden Fenstern vorbei zur zweiten Doppeltür, an der ihr die Wache den Eintritt versperrt. Der Soldat tut's nur zum Scherz, denn er kennt natürlich die kleine Küchenschabe, und will er's nicht mit der Frau vom Oberhofkoch verderben, lässt er sie besser in Frieden und hinein.“ Sein Debüt als Feuilletonist legte Jürgen Borchert 1977 im Mitteldeutschen Verlag Halle-Leipzig vor – „Klappersteine“, so der neugierig machende Titel: „Zu den vergnüglichsten Texten in diesem Debütband mit Feuilletons des damals 36-jährigen Schriftstellers Jürgen Borchert gehört der mit dem wahrlich feuilletonistischen Titel „Vorschlag, ein Feuilleton über das Luftschiff zu schreiben“. Gewidmet hatte Borchert dieses Feuilleton seinem Lehrer, Mentor und späteren Freund Heinz Knobloch, der viel dafür getan hat, dass sich dieses journalistisch-literarische Genre in der DDR ausbreiten durfte und viel dafür, dass sich auch Leute fanden, die Feuilletons schreiben konnten – wie eben Jürgen Borchert. Schon in seinem Debütband zeigt der noch junge Feuilletonist, dass er sein Handwerk versteht, blickt auf seinen eigenen Balkon, auf allerhand Leute und Landschaften, auf das eintönige Leben und auf die Relativitätstheorie sowie in Familienpapiere. Manches von dem, was er später und manchmal noch ausführlicher veröffentlicht, wird hier vorbereitet. Außerdem beantwortet Jürgen Borchert in dem gleichnamigen und titelgebenden Feuilleton die Frage, was denn überhaupt Klappersteine sind: „Rund sind sie, meist hühnereigroß, schwarz, mit weißen und grauen Einsprengseln und Löchern, und hier und da führen winzige, weiß umrandete Gänge in das geheimnisvolle Innere der Feuersteinknolle. Wenn man sie leicht schüttelt, klappert es in ihrem schwarzen Bauch. Da staunt man, wiegt die Steinknolle prüfend in der Hand, schüttelt erst den Kopf und dann noch einmal den Stein - kein Zweifel, es klappert, wider alle Logik. Ein Klapperstein.“ Und was haben sie mit Feuilletons gemeinsam? Auch die muss man ein wenig schütteln, um alles zu hören … Jürgen Borchert war ein gebürtiger Perleberger. Und daher soll hier als Reverenz und Einladung zum Jürgen Borchert das Feuilleton „Kindersegen“ über einen fruchtbaren Perleberg stehen. Und man achte neben vielen anderen Dingen vor allem auf den Schluss dieses typisch Borchertschen Textes: Hier wird erzählt von Mathias Hasse, Bürgermeister der Stadt Perleberg von 1659 bis 1689, Sohn des Bürgermeisters Joachim Hasse und seiner Ehegemahlin Elisabeth, geborener Krusemarckin. Es wird erzählt von seiner erstaunlichen Manneskraft, die ihn befähigte, im Laufe von vierzig Jahren, nämlich von 1645 bis 1685, einundzwanzig Kinder zu zeugen, deren sieben älteste ihm zu seinen Lebzeiten vierundzwanzig teils tot, teils lebend geborene Enkel schenkten. Dass er dazu nur zwei Frauen hatte, nacheinander, versteht sich, und nicht dreihundert wie angeblich der starke August von Sachsen, spricht für ihn. Auch war er seinen Kindern ein guter Vater, was in jenen schweren Zeiten nach dem Dreißigjährigen Kriege sicher mancherlei Opfer verlangte. Seine Töchter verheiratete er vorteilhaft, seine Söhne protegierte er in ebenso vorteilhafte Stellungen, und als seine erste Frau, Margaretha Vogels, Anno 1662 das Zeitliche segnete, erst vierunddreißig Jahre alt, bei der Geburt ihres zehnten Kindes, bewarb sich ihr ältester Sohn Joachim bereits um die Stelle des Ratsverwalters zu Havelberg. Bald darauf heiratete die Schwester Elisabeth den reichen Bäcker Theodori, wurde Georgius Verwalter beim Freiherrn von Nettelbeck, Mathias jr. hingegen Pastor zu Lenzen und Andreas Apotheker zu Seehausen, Anna des Lenzener Bürgermeisters Ehweib; Margareten gab er einem Ruppiner Handelsherrn und verlobte Marien dem Wusterhausener Bürgermeister. Auf diese Weise überzog er Prignitz und Altmark mit seinem Geschlecht, war er doch nicht umsonst der „Priegnizischen und Alte Märckischen Stätte Schuldenwercksverordneter“. Über den Tod seiner ersten Frau tröstete ihn die zweite bald hinweg, die er 1663, nach strikter Einhaltung des gebührlichen Trauerjahres, ehelichte: Anna, geborene Ratjen, nur zwei Jahre älter als sein ältester Sohn. Auch Anna war fruchtbar, ja schlug noch den Rekord ihrer bedauernswerten Vorgängerin. Sie schenkte dem Bürgermeister elf Kinder, von denen Daniel, das Jüngste, 1685 das Licht der Welt erblickte, nur vier Jahre vor dem Tode des Vaters, der 1689 starb, „66 Jar, 7 Wochen und 3 Tage alt“, damals ein biblisches Alter. Kurz vor seinem Tode jedoch ließ er, ein Denkmal zu setzen, sich und seine Familie malen: Er selbst in der unteren Mitte des ovalen Riesenbildes, links die erste, rechts die zweite Frau, und dann nach links und rechts aufsteigend die jeweiligen Kinder, der Vollständigkeit halber auch die Totgeburten, kleine, zierlich in Steckkissen gebundene Leichen mit stereotypen Puppengesichtern in winzigen Särgen anstelle des Porträts. Oben, wiederum in der Mitte, treffen sich die Kinderreihen, die auf die Äste eines genealogischen Baumes gereihten Medaillons, und umrahmen so, von Joachimus bis zu Daniel, dem vierzig Jahre jüngeren Bruder, eine im Zentrum des Ovals befindliche Kreuztragungsszene; denn das Bild war für die Kirche bestimmt. Warum Mathias Hasse, der generöse Stifter, ausgerechnet eine Kreuztragung bestellte, mag symbolische Gründe gehabt haben, immerhin, bei einundzwanzig Kindern. Erheben sich nun im Hintergrunde der Szene die Türme und Zinnen Jerusalems, der hochgebauten Stadt? Mitnichten; Perlebergs Türme sind es, die da in die biblische Landschaft ragen, und recht klein ist dies Mitteloval, wenn man den Platz für die Familie dagegen hält: Allzu viel Gottesfurcht kann da nicht im Spiele gewesen sein. Das Bild, drei zu zwei Meter groß, in riesigem Eichenrahmen, zentnerschwer, hängt im Museum. Neulich stand eine junge Frau davor, die, Ursache, Wirkung und gewisse Errungenschaften der Neuzeit bedenkend, die staunenswerte Nachkommenschaft des barocken Bürgermeisters interessiert betrachtete, während ihr Mann eilig (Nun komm schon von dem ollen Bild weg!) der unverfänglicheren Frühgeschichte zustrebte. Unten, ganz klein, steht Jesaja 8; 18: Siehe hier bin ich und die Kinder, die mir der Herr gegeben hat. Nur ein paar Jahre zuvor hatte Gerhard Branstner im Verlag Das Neue Leben Berlin ein im besten Sinne des Wortes merkwürdiges Buch veröffentlicht: „Der astronomische Dieb. Utopische Anekdoten um den erfindungsreichen Mechanikus Fränki und seinen ihm anhängenden Freund Joschka“: Hier werden utopische Spiele geboten. Hauptakteur Fränki, dessen Auftritte kauzig, töricht oder gönnerhaft sein können, kennt kein Faulbett. Mit seinem Freund Joschka knüpft er Einfälle und Begebenheiten zu Anekdoten. Schelmischer Eigensinn rückt dabei manches Abenteuer in die Nähe eines skurrilen Spaßes. Einmal jagen sie durchs Weltall und narren mit listigen Manövern unangemessene Ansprüche ferner Sternenbewohner, dann wieder sind sie in heimischer Umgebung und probieren die halbe Unsterblichkeit aus. Das Inventar ihrer Spiele sorgt für Abwechslungen: Energieprobleme scheint ein Sonnenmobil vergessen zu machen, eine Ehrenkompanie lässt sich auf ganz andere Art abschreiten, Ärgernisse des Alltags werden durch schrille Signaltöne unüberhörbar gemacht. Der Roboter stellt sich in gelungener Vervollkommnung vor. Schreibern von Kriminalromanen wird ein guter Rat für alle Zeiten und Gelegenheiten gegeben. Das alles geschieht mit astronomischer Sicherheit. Also pünktlich und fast immer reibungslos. Und haben Fränki und Joschka mal ein etwas problematisches Abenteuer zu bestehen, gelingt ihnen ein witziger und das heißt hier rettender Einfall. Die utopische Anekdote stellt sich als Spiel mit fantastischen Apparaturen und gedanklichen Verstiegenheiten vor. Bei aller Kuriosität, die auch von singenden Blumen und einem Dirigenten, dem selbst bei größter Hitze kein Stirnschweiß perlt, zu berichten weiß, gehen in Branstners Anekdoten Gemütlichkeit und stimmungsvolle Heiterkeit nicht verloren. Wollen Sie noch mehr erfahren? Hier der Prolog zum „Astronomischen Dieb“: Als Fränki, damals noch keine fünf Jahre alt, einen Hampelmann geschenkt bekam, hing er ihn mit der Hinterseite nach vorn auf, denn er wollte sehen, auf welche Weise Arme und Beine bewegt wurden, wenn man an der Schnur zog. Wenig später hing eine Unzahl selbst gefertigter Hampelmänner in Fränkis Kinderzimmer. Mechanische Gliederpuppen, mit Triebfedern versehen, gesellten sich hinzu. Und bald hatte sich Fränki eine eigene Welt geschaffen, klein zwar, aber mit vielen lustigen Gestalten bevölkert, geheimnisvoll in ihrer äußeren Erscheinung, doch durchschaubar in ihrem inneren Mechanismus, eine Welt des Spiels nur und doch von tieferer Wirklichkeit, denn im Spiel erkannte Fränki, dass nur das Spiel mit der Welt sie uns heimisch macht. So nimmt es nicht wunder, dass Fränki, das Studium der mechanischen Künste hinter sich und in die Welt der Wirklichkeit versetzt, auch sie durch das Spiel mit ihr sich zu eigen machen wollte. Doch stellte er bald fest, dass diese Welt darauf nicht eingerichtet war. Also machte Fränki sich daran, sie zum Zwecke der spielerischen Handhabung einzurichten, denn nur in dieser Form, so pflegte er zu sagen, erfüllt sie ihren menschlichen Sinn. Darin nun war Fränki seiner Zeit ein wenig voraus und unversehens in die Zukunft geraten, und er sah sich allein und ohne Mitspieler. Ein solcher aber war ihm wichtiger als das Spiel selbst. Ohne Gesellschaft, davon war Fränki überzeugt, ist der Mensch das bedauernswerteste Geschöpf unter der Sonne. So ist es nur verständlich, dass er, als er eines Tages Joschka kennenlernte und in ihm einen gleich gesinnten Menschen fand, sich diesen zum Freunde machte und rief: „Wenn wir beide ausziehen, um unser Spiel mit der Welt zu treiben, haben wir die Welt schon so gut wie in der Tasche! Und den Spaß haben wir dazu!“ Ein gutes Jahrzehnt nach dem „Astronomischen Dieb“ von Gerhard Branster erschien im selben Verlag Neues Leben Berlin der Roman „Federico“ von Waldtraut Lewin, der einem eine große historische Persönlichkeit auf äußerst kunstvolle Weise näher bringt: Kaiser Friedrich II. von Hohenstaufen, in seinem wahren Heimatland Italien Federico genannt, ist eine fast legendäre Persönlichkeit des Mittelalters, eine schillernde Gestalt zwischen Genialität und Machtwillen, Grausamkeit und Liebesfähigkeit. Ein Leben voller Erfolge und Höhepunkte, aber auch voller bitterer Niederlagen. Der Mann, der seiner Zeit weit voraus war, wird hier durch die Augen einer Frau gesehen: Der Zeitzeugin Truda, die sich ein Bild von diesem Herrscher machen will, dem sie gedient hat ... Auch die Sprache dieses Buches ist etwas ganz Besonderes, wie der folgende Auszug beweisen mag: „Ankunft Wieder schwamm eine Lichtinsel auf mich zu. Etwas legte sich kissengleich unter meine Füße, ich begann zu gleiten, als segelte ich über eine Eisfläche. Watte schien in meine Ohren zu dringen, kein Ton kam jetzt mehr an. „Zu sagen weiß ich nicht, wie’s zugegangen. Dass ich so weit den rechten Weg verlor/So tief war damals ich in Schlaf befangen.“ In einer Hand das Salzkorn, in der anderen das Brot, fuhr ich dahin, es stand nicht mehr bei mir; wer bis hierher gekommen war, wurde abgeholt. Ich wusste nicht, was mich erwartete, nur eins schien sicher zu sein: Dass für mich das Ziel ganz anders aussehen würde als jene Reiche, in denen Orpheus, in denen Dante geweilt hatten. Jeder schuf seine Welten aufs Neue, jedem öffneten die Träume andere Weiten nach seinem Bild. Mein Schlaf war wohl tief genug, um hinzugelangen. Die Münze unter meiner Zunge schmeckte kalt und bitter. Obgleich ich bewegt wurde, lief ich weiter. Ich wollte nicht auf einem Leitstrahl hingelangen. Ich wollte selbst unterwegs sein, solange es nur ging. Wie lange es ging, war nicht abzusehen. Die Erde trieb Blasen. Kuppeln wölbten sich auf, allmählich nahmen die Auswüchse Gestalt an. Auf einem kahlen Hügel erhob sich die wohlbekannte Krone, das Achteck von Castello del Monte, im Helldunkel erkannte ich die von der Sonne verbrannte Erde, die abbröckelnden Mauern, das zu Schutt zermahlene Tor, die fast ausgelöschten Zierate. Es waren die Trümmer von heute, nicht das herrliche Schloss von einst. Mit all meiner verbliebenen Kraft stemmte ich die Hacken in das Wolken- oder Luftkissen unter meinen Füßen, versuchte, mich zurückzuhalten. Das wollte ich nicht, nein! Das kannte ich. Die Trümmerwelt von Federicos Taten war mir nur allzu vertraut. Die waldreiche Landschaft war Wüste geworden, die Bauwerke Steinbrüche für die Nachwelt, sein Italien erst kein Land und dann eins des Chaos, sein Frieden den Räubern zur Beute, seiner Göttin Gerechtigkeit hatte man Nase und Hände abgehauen, und sie, die nicht blind gewesen war, sah nun augenlos in die verdorrte Terra di Lavoro von damals. Wo alles geblieben war, wollte ich wissen, das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit. „Er lebt und lebt nicht“, hatten sie nach seinem Tode geschrieben, als seine Unruhe noch durch die Völker geisterte und sie auf der Nordseite der Alpen auf ihn und seine Herrschaft warteten, so sehnsüchtig, wie je ein Volk auf seinen Erlöser gewartet hat. Sie warteten — je mehr man sie drückte, um so sehnsüchtiger. Er war wacher als alle, als ich noch mit ihm zusammen war. Er konnte vierundzwanzig Stunden zu Pferde sitzen und einen Gerichtstag abhalten danach, ohne gegessen und getrunken zu haben, oder eine Schlacht schlagen. Oder jemanden ein Gedicht vortragen lassen oder auch ihm mit einem Tritt seiner sporenbewehrten Stiefel den Leib aufreißen ... Zu wem will ich da eigentlich? Ich will es wissen. Ich habe nur einmal gedient. Wem habe ich gedient? Ich presse die Finger zu Fäusten. Ja, es ist wieder fort. Die Erdhügel nahmen jetzt bekannte Formen an. Hallen, Gassen, die zerbrochenen Glasscheiben alter Gewächshäuser. Fahrzeugwracks. Fuhr ich etwa zurück in die ungestalte Wildnis hinter meinem Stall? Ein schneidender Wind kam auf und ließ das alles unter meinen Füßen zerflattern. Es war auf eine helle Art dunkel. Meine Ohren schmerzten vom Nicht-Hören. Ich war da. Zurück in die Gegenwart, in die Zeit kurz nach der Wende. 1994 veröffentlichte Erik Neutsch im Dingsda-Verlag Cornelia Jahns. Querfurt seinen Roman „Totschlag“, der auf Wunsch des Autors nicht auf neue Rechtschreibung umgestellt wurde: Ist es Mord, ist es Totschlag? Der allseits geachtete Facharbeiter Manfred Gütlein erschießt den Finanzdezernenten der Stadt, in der er wohnt, da er um seine Existenz fürchtet, auch um das Haus, das er sich zeitlebens erträumt und, unter Mühen, erbaut hat. Gewiss ist er der Täter, aber ist er nicht zugleich auch ein Opfer des Zusammenpralls zweier sich bisher feindlich gegenübergestandenen Gesellschaftsentwürfe? Erik Neutsch, der in der DDR zu den meistgelesenen Schriftstellern gehörte, weil er in seinen Büchern die Intentionen vieler Menschen traf, geht in diesem Roman den Ursachen nach, die zu dieser Tat Gütleins führten. Mit weitgehend dokumentarischem Stil, ohne auf das Innenleben seiner Figuren zu verzichten. „Totschlag“ ist eine erste Abrechnung mit dem, was - offenbar im Gegensatz zu ihm - andere als eine „geglückte“ Vereinigung beider deutscher Staaten betrachten. Kritisch war er schon immer. Er bleibt dabei. Es gibt in diesem Roman keinen Bruch zwischen dem Autor Neutsch und seinen früheren Werken. Nach einer Zeit des Bedenkens und - wie er sagt - des „bewussten Schweigens“ legte er in seinem erstmals 1994 erschienenen Roman wiederum ein Zeugnis seines erzählerischen Könnens vor. Und genau wie der Autor des ersten Deals dieser Woche, Lutz Dettmann, hat Erik Neutsch seinem Roman einen wichtigen Hinweis vorangestellt: Dieses Buch möchte als Mär verstanden werden, allerdings als eine deutsche: Nichts ist wahr oder alles. Personen und Handlung sind selbstredend frei erfunden. Sollten sich trotzdem Ähnlichkeiten mit der Wirklichkeit ergeben, so wäre es rein zufällig und bleibt Vermutung.“ – so Erik Neutsch. Und nun ein Blick in das 1. Kapitel dieses ungewöhnlichen und eminent politischen Romans – ein echter Neutsch eben: „Eines Tages, das war vorauszusehen - sofern man aufmerksam, nüchtern zwar, doch nicht ohne Anteilnahme, vor allem den Wandel der sozialen Verhältnisse in den neuen Bundesländern seit der Vereinigung beobachtete - hatte es zu einer solchen Bluttat kommen müssen, und zu hoffen blieb nur, daß sie nicht noch Schule machte! Sie war das Werk eines einzelnen, ja, eines Einzelgängers, lag also, obwohl durchaus vergleichbar, anders als ein Jahr zuvor der Fall Rohwedder, des damaligen Treuhandchefs, dessen Ermordung, wie bis heute vermutet, von einer extremistischen Terrorgruppe geplant und ausgeführt wurde, lag anders auch deshalb, weil sie nicht in einer Nacht-und-Nebel-Aktion erfolgte, sondern geradezu im klassischen Gewande, demonstrativ in aller Öffentlichkeit, sich abspielte. So gibt es auch wenig zu recherchieren, zu enträtseln schon gar nicht, lediglich nachzuvollziehen, denn die Fakten liegen ebenfalls offen, vor aller Augen ausgebreitet und sind von Geheimnissen kaum umwittert. Dafür sorgte bereits die SATZ, die aus einem früheren SED-Organ hervorgegangene, mittlerweile von einem westdeutschen Medienkonzern aufgekaufte und gesteuerte Tageszeitung der Region, indem sie unentwegt berichtete. Zu Widersprüchen, eher Ungereimtheiten neigte sie nur in ihren Kommentaren, was jedoch dem ziemlich willkürlichen Ermessen der Redakteure überlassen blieb, etwa dann, wenn sie über die Motive des Täters nachzudenken versuchten. Übereinstimmung hingegen, und zwar total wie sonst selten auf ihren rund dreißig Seiten täglich, herrschte stets, sobald der Hergang und wohl auch die Genesis der Tat beschrieben wurden. Weitere Quellen, woraus zu schöpfen sich anbietet, sind natürlich die Akten in Vorbereitung des Prozesses, soweit man an sie herankam und Einblick nehmen konnte, wobei kaum von Belang sein dürfte, daß Anklagevertretung und Verteidigung sich zumindest in einem Punkte frontal gegenüberstanden, sich nämlich jene auf Mord und diese auf Totschlag zu plädieren einrichtete, denn dergleichen Kontroversen sind ja allgemein üblich. Nicht üblich allerdings - und das zeigte sich hier ebenso wie in den Kommentaren der SATZ - war, wie das Motiv der Tat zu beurteilen sei. Das war neu. Bisher unbekannt, da in der deutschen, man muß genauer sagen: bürgerlichen Gerichtsbarkeit noch nie zuvor verhandelt, weshalb um Verständnis gebeten wird, wenn hier und dort - um der Gerechtigkeit zu dienen – auch Fiktives in den Zeugenstand gerufen wird. Denkbar ist zweifellos, daß sich ein ähnlicher Fall, ob nun aus anderem Anlaß und mit anderem sozialen Hintergrund oder nicht, im Osten Deutschlands hätte zutragen können (oder noch zutrüge). Wäre das Motiv dasselbe, würde er sich zu dem hier geschilderten vollkommen kongruent verhalten, bis hin zur blutigen Katastrophe. Denn was zusammenprallte, war eine unterschiedliche Vergangenheit von über vierzig Jahren, eingeschlossen ein unterschiedliches Rechtsempfinden, sowohl beim Täter als auch beim Opfer, nach einem Leben beider auf dem Boden unterschiedlicher Gesetze.“ Falls Sie sich übrigens für die Erinnerungen von Uwe Berger entscheiden, in denen auch von dem Besuch in Morag/Mohrungen und dem dortigen Herder-Museum die Rede ist, dann ist das vielleicht eine gute Gelegenheit, sich wieder einmal mit Johann Gottfried Herder zu beschäftigen – und vielleicht einmal das Museum in seiner Geburtsstadt besuchen. Auf einer informativen Internet-Seite heißt es beispielsweise dazu: Herder, dessen „Stimmen der Völker in Liedern“ nicht unbeträchtlich zum Erwachen eines nationalen Bewusstseins vor allem bei Polen und Litauern beitrug, wird im Mohrunger Museum gebührend gewürdigt. Das Museum befindet sich im Pałac Dohnów/Dohna-Palais, dem barocken Stadtschloss der Dohnas, das auf einem Teil der mittelalterlichen Stadtmauer steht. Das „Dohna-Schlösschen“ genannte Stadtpalais der in Schlobitten residierenden Familie Dohna wurde auf einem Grundstück erbaut, das Achatius von Dohna 1561 erworben hatte. Es beinhaltete Teile der Stadtmauer und der Basteien, auf denen der Grundbau errichtet wurde. Sein Nachfahr Fabian zu Dohna zum „Dohna-Schlösschen“ erweiterte. Dem großen Stadtbrand von 1697 fiel auch das Dohna-Palais zum Opfer. Erst 1717 begann der Wiederaufbau – nun als barocke Residenz – unter dem Baumeister Johann Caspar Hindestein. In den letzten beiden Jahrhunderten diente der Bau als Landratsamt mit Wohnung für den Landrat. Im Jahr 1928 verkauft Alexander zu Dohna-Schlobitten das Dohna-Schlösschen dem damaligen Landkreis Mohrungen. Im Zweiten Weltkrieg wurde der Bau stark beschädigt. Der Wiederaufbau in der Gestalt des 18. Jahrhunderts dauerte mit einigen Pausen von 1976 bis 1985. Zentralelement des heutigen Dohna-Schlösschens ist der Turm von dem etwas abgeknickt der rechte und linke Flügel abgehen. Nach der Fertigstellung zog 1986 die Außenstelle Morąg des Muzeum Warmii i Mazur (Olsztyn/Allenstein) ein und richtete dort das Herder-Museum ein. Neben der Ausstellung zu Herders Leben und Werk gibt es dort noch eine Sammlung niederländischer Malerei, eine Portrait- und Epitaphsammlung im Ballsaal zu sehen. Dazu kommen historische Räume wie den Biedermeiersalon und den Barocksaal mit vielen Einrichtungsgegenständen aus dem Dohna-Besitz. Das Muzeum Warmii i Mazur befindet sich im unübersehbaren Pałac Dohnów an der Straße ul. Dąbrowskiego 54.“ Auch so gesehen dürfte Morag/Mohrungen eine Reise wert sein … Weitere Informationen und Angaben finden Sie unter http://www.prseiten.de/pressefach/edition-digital/news/3795 sowie http://edition-digital.de/Specials/Preisaktion/. Über EDITION digital Pekrul & Sohn Gbr: EDITION digital wurde 1994 gegründet und gibt neben E-Books Bücher über Mecklenburg-Vorpommern und von Autoren aus dem Bundesland heraus. Ein weiterer Schwerpunkt sind Grafiken und Beschreibungen von historischen Handwerks- und Berufszeichen. Firmenkontakt: EDITION digital Pekrul & Sohn Gbr Godern Alte Dorfstr. 2 b 19065 Pinnow Deutschland 03860 505788 [email protected] http://www.edition-digital.de Pressekontakt: EDITION digital Pekrul & Sohn GbR Gisela Pekrul Alte Dorfstr. 2 b 19065 Pinnow Deutschland 03860 505788 [email protected] http://www.edition-digital.de
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Der schwere Traum von König Nebukadnezar und andere historische und gegenwärtige Geschichten - Fünf E-Books von Montag bis Freitag zum Sonderpreis
Mitunter sind geschichtliche Ereignisse weit weg. Sie rücken aber nahe an den Leser heran, wenn sie gut erzählt werden - wie in vier von fünf Deals der Woche, die im E-Book-Shop www.edition-digital.de fünf Tage lang (Freitag, 14.04. 17 - Freitag, 21.04. 17) zu jeweils stark reduzierten Preisen zu haben sind. Zwei dieser Texte steuert Hans Bentzien bei, der von Thomas Müntzer erzählt, der den Fürsten (vergeblich) über einen schweren Traum von König Nebukadnezar predigt, und von dem preußischen Staatskanzler und Reformer von Hardenberg. Jürgen Borchert macht deutsche Geschichte aus einem Schuhkarton lebendig, und Uwe Berger blickt auf die Jahre vor und nach 1945 zurück und darauf, was einem Mann und zwei Frauen in diesen Zeiten passiert. Nicht um die große Geschichte, sondern um ein kleines, schwieriges Leben eines Jungen geht es in dem berührenden Buch von Brigitte Birnbaum. Und ehe Sie jetzt anfangen, sich diese Bücher zu besorgen und anfangen zu lesen, soll hier nur darauf hingewiesen werden, dass diesmal alle Autorennamen mit dem Buchstaben B beginnen. B wie Buch oder B wie Berührung. Lassen Sie sich berühren von Thomas Müntzer, von Hardenberg, von Martha und von John, aber auch von Bert, dem Einzelgänger. Es sind alles Menschengeschichten. Der erste Autor mit einem B am Anfang seines Nachnamens ist Hans Bentzien. Von ihm erschien erstmals 1989 im Kinderbuchverlag das Buch „Im Zeichen des Regenbogens. Aus dem Leben von Thomas Müntzer“: Am 13.Juli 1524 sitzen der sächsische Herzog Johann und sein Sohn in der Kapelle des Allstedter Schlosses. Sie wollen Thomas Müntzer predigen hören, um herauszufinden, wie gefährlich er ist für sie. Thomas weiß, dass von dieser Predigt sein weiteres Schicksal abhängt. Um den Fürsten seine Gedanken klarzumachen, hat er für die Predigt einen Abschnitt aus der Bibel, aus dem Buch Daniel gewählt. Er erzählt von König Nebukadnezar, den einmal ein schwerer Traum gequält hatte. Die besten Denker seines Landes sollten den Traum deuten. Doch der König konnte ihnen nicht sagen, was ihm im Schlaf erschienen war. Nur Daniel besaß soviel Weisheit, den Wunsch des Königs zu erfüllen. Er sprach zu Nebukadnezar: „Du König, hattest einen Traum, und siehe, ein großes und hohes und hell glänzendes Bild stand vor dir, das war schrecklich anzusehen. Das Haupt dieses Bildes war von feinem Gold, seine Brust und seine Arme waren von Silber, sein Bauch und seine Lenden waren von Kupfer, seine Schenkel waren von Eisen, seine Füße waren teils von Eisen und teils von Ton.“ Plötzlich wäre ein Stein vom Himmel gefallen, erzählte Daniel weiter, und er hätte die tönernen Füße des Standbildes zerschlagen. Dieser Stein von großer Kraft wuchs und wuchs und bedeckte bald die ganze Erde. „Da wurden miteinander zermalmt Eisen, Ton, Kupfer, Silber und Gold und wurden wie Spreu auf der Sommertenne, und der Wind verwehte sie, dass man sie nirgends mehr finden konnte.“ Werden die Fürsten verstehen, dass mit dem Koloss auf tönernen Füßen ihr eigenes Reich gemeint war? Das Gold bezeichnet den Adel, das Silber die reichen Patrizier und Bankiers, das Kupfer die Handwerker, das Eisen die Lohnarbeiter und der Ton die Bauern. Werden sie erkennen, wie alles kommen wird in der Zukunft? Thomas sagt es ihnen, sollen sie ihr Handeln darauf einrichten: Ergreift den Hammer und zerschlagt den Koloss, diese ungerechte Welt, in der alles auf den Schultern der Bauern ruht! Wenn ihr jedoch die euch gegebene Macht missbraucht, dann wird auch euer Reich zerschlagen. Dann wird euch das Schwert genommen und dem Volk gegeben. Als Thomas seine Predigt beendet hat, verlassen die Herren ohne ein Wort die Kapelle. Ihr Urteil steht fest. Ein knappes Jahr später, nach der Schlacht bei Frankenhausen, wird Thomas Müntzer, der Feldprediger des geschlagenen Bauernheeres, enthauptet. Sein Kopf wird aufgespießt und als Mahnung zur Schau gestellt. Hans Bentzien erzählt in seinem Buch vom Leben und Sterben Thomas Müntzers, der in den armen Leuten aus Stadt und Land die Hoffnung auf ein besseres Leben erweckte und ihr Führer wurde im Großen Deutschen Bauernkrieg. Und wir erfahren viele Details aus dem Leben dieses mutigen Mannes: „In Quedlinburg besuchte Thomas eine Lateinschule. Diese Sprache musste man damals unbedingt lernen, wenn man etwas werden wollte. Latein war die Grundlage für alle Fachrichtungen an den Universitäten. In Latein las man die Schriften der Kirchenväter und die frommen Geschichten über das Leben der Heiligen. Vielleicht gab es hin und wieder auch etwas Rechnen und Gesang, aber davon nur die Grundbegriffe. Die Methode, wie man etwas erlernte, bestand damals im Nachsagen vorgesagter Texte. Die Lehrsätze wurden immer und immer wiederholt. Man musste sie sich einprägen, sie auswendig lernen, wenn man nicht mit dem Rohrstock verprügelt werden wollte, und Prügeln als Erziehungsmittel war überall verbreitet, in der Familie, in der Schule, im Leben der Bauern. In der Schule hatte es Thomas nicht besser und nicht schlechter als die anderen Kinder. Über diese Jahre wissen wir nicht viel, dürfen wegen seiner späteren Leistungen aber annehmen, dass er leicht lernte und den Stoff ohne besondere Schwierigkeiten bewältigte. Da es damals üblich war, die Kinder auf bessere Schulen nach außerhalb zu geben, wenn sie dort bei Verwandten billig wohnen konnten - auch manche Lehrer nahmen Kinder in ihr Haus auf und verdienten sich damit ein paar Groschen nebenbei -, ist es wohl möglich, dass Thomas auch in anderen Orten gewesen ist. Doch als er sich an die Universität nach Leipzig aufmachte, kam er aus Quedlinburg. In der Eintragungsliste der Universität aus dem Jahre 1506 erfahren wir, dass er sechs Groschen bezahlt hat, um aufgenommen zu werden. Der Rektor, Herr Martin Meyendorn von Hirschberg, trägt ihn danach unter die sächsischen Studenten ein.“ Ein gutes Jahrzehnt später setzte sich Hans Bentzien in seinem erstmals im Westkreuz-Verlag GmbH Berlin/Bonn erschienenen Buch „Überhaupt zeige man Charakter!“ mit dem Leben und Werk des preußischen Staatskanzlers und Reformers Karl August Fürst von Hardenberg auseinander. Hardenberg? Wer war eigentlich Hardenberg? Karl August Fürst von Hardenberg (1750-1822), von 1804 bis 1806 preußischer Außenminister und von 1810 bis 1822 Staatskanzler, kämpfte zeit seines Lebens in Preußen um grundlegende Reformen und um eine Stellung, die ihm das in direkter Absprache mit dem König Friedrich Wilhelm III. ermöglichte. Sein Hauptziel, die Einführung einer Verfassung und die Mitsprache des Bürgertums hat er nicht erreicht. Trotz vieler Niederlagen, z. B. musste er auf Drängen Napoleons 1806 als Außenminister zurücktreten, gab er nicht auf und erhielt erst im höheren Alter die verdiente Anerkennung. Mit hohem diplomatischem Geschick führte er Friedensverhandlungen mit England, Frankreich, Österreich und Russland und erreichte auf dem Wiener Kongress 1815 erheblichen Gebietszuwachs für Preußen. Er war maßgeblich an der Gewerbefreiheit, der Bauernbefreiung und der Emanzipation der Juden in Preußen beteiligt. Hans Bentzien schildert in seinem Buch sehr fundiert und interessant Leben und Arbeit Hardenbergs und gibt gleichzeitig einen guten Einblick in die Geschichte Preußens im 18./19.Jahrhundert. Seine Annäherung an seinen Helden beginnt Bentzien mit einer Annäherung an ein Schloss und an dessen Schlossherrn: „Das Anwesen muss jeden Betrachter entzücken, der an den Rand des Oderbruchs kommt. Eine solche architektonische Kostbarkeit in dieser abgelegenen Gegend? Ungewöhnlich ist es nicht, um nur einige Beispiele zu nennen: Schloss Steinhöfel bei Fürstenwalde, ein bedeutendes Werk David Gillys, mit einem der ersten englischen Parks von Eyserbeck und in der Nähe Alt Madlitz mit seinem Gutshaus in stattlichem Spätbarock, unweit von Tempelberg, dem ersten Wohnsitz Karl August von Hardenbergs in Preußen oder die dreiflügelige Schlossanlage aus dem Ende des 17. Jahrhunderts in Heinersdorf sowie nördlich davon, in Prötzel, das imposante Schloss des Grafen Kameke, nach einer Idee von Andreas Schlüter. Man muss nur den Landstreifen zwischen Berlin und Küstrin unter die Wanderschuhe nehmen, und man hat ein überzeugendes Beispiel für die preußische Art, Staatsdiener fürstlich zu belohnen. Das alte Wort von Friedrich Wilhelm I. „Hat Geld, soll bauen!“ findet hier seine Ausprägung. Die fürstliche Dotation umfasste eines der größten Besitztümer in Deutschland „zum Andenken unseres Staatskanzlers Herrn Fürsten von Hardenberg“, und es sollte den Namen Neuhardenberg führen, wie es in der Verleihungsurkunde König Friedrich Wilhelms III. vom 11. November 1814 heißt. Zwischen der Verleihung und der tatsächlichen Inbesitznahme liegen fast acht Jahre. Das Schloss musste umgebaut werden und war jetzt der als Alterssitz eines Fürsten gedachte zentrale Ort einer Ansammlung von Gütern, Wäldern, Teichen, Mühlen, Schäfereien, Brauereien und Schnapsbrennereien. Über die Einwohner war Karl August Fürst von Hardenberg jetzt der Patronats- und Gerichtsherr und konnte hier seine Reformen durchführen, soweit sie auf die Landbevölkerung anzuwenden waren. Die Bauabnahme erfolgte wahrscheinlich kurz vor seinem 72. Geburtstag, zu Pfingsten 1822. Er notiert, dass Schinkel angekommen sei und Neubart, der Maurermeister, von Schinkel Zeichnungen bekommen habe. Beide seien wieder abgefahren und Pückler, der an der Gestaltung des englischen Parks beteiligt war, sei eingetroffen. Aber der Besuch des Schwiegersohns galt wohl eher dem Jubilar. Weitere Gäste waren zur Feier aus Berlin gekommen. Im Juli und August fährt er noch einige Mal von Berlin nach Neuhardenberg, trifft sich auch noch einmal am 13. und 14. Juli mit Schinkel und Pückler und vier Wochen später verlässt er Neuhardenberg für immer. Sollte es ein Symbol für sein Wirken sein, so wäre es bestimmt nicht dieses Schloss, sondern eine Kutsche. Er hat Europa unermüdlich bereist, es gibt Berechnungen darüber. Einen großen Teil seines Lebens verbrachte er arbeitend in einer Kutsche auf staubigen Straßen, allein oder in großer Kolonne.“ Bereits 1984 legte Jürgen Borchert beim Mitteldeutschen Verlag Halle - Leipzig mit seinem Buch „Die Papiere meiner Tante“ eine sehr persönliche Geschichtsbetrachtung vor: „Um Jahrhundert rum“ hat August Angerburg das ostpreußische Pferdeknechtleben satt und zieht mit seiner jungen Frau Amalie „ins Reich“. Sie wird schon bald die ostpreußische Witwentracht anziehen müssen, denn der Kaiser hat bei seinem Feldzug auf den breitschultrigen August nicht verzichten wollen. Nun steht sie da mit ihren Fünfen. Die werden sich ihre Wege suchen, jeder nach seiner Art. Anna heiratet einen Tausendsassa und hält nicht viel vom Denken. Minna wählt die Diakonissentracht. Fritz geht zur Reichswehr und schießt sich eine Kugel in den Kopf. Karl versucht es mit den Braunen, avanciert schließlich zum Kriegsgefangenen und muss umdenken. Und Martha, versierte Gehilfin eines jüdischen Rechtsanwalts, sammelt die Zeugnisse von der Existenz der Familie in ihrem Schuhkarton. Fotos und Schulzeugnisse, Abschiedsbriefe und Zeitungsanzeigen, das Hiobstelegramm von 1915 und Großmutters abgewertetes Sparbuch. Aus diesen Lebensspuren rekonstruiert der Autor die Geschichte (s)einer Familie. Der Feuilletonist verleugnet sich nicht, er löst sein Jahrhundert ins Episodische auf und bietet auf diese Weise Geschichte aus dem Schuhkarton. Aber fangen wir mit dem Anfang an, oder fast mit dem Anfang: „Die Auflösung des Haushaltes unserer Tante war eine wenig aufwendige Angelegenheit. Ein paar Stücke alten Porzellans, einige nostalgische Objekte, ein blaubemalter Schmalztopf, den Großmutter vor achtzig Jahren aus Ostpreußen mitgebracht hatte, ein bisschen Silber, drei Stapel Bücher, die ängstlich gehütete Bettwäsche, die uralten selbstgewebten Handtücher konnten mit einer Taxifuhre weggeschafft werden. Eine Nachbarin holte ein paar Möbel ab, eine Gartenleiter, vier Dutzend Weckgläser. Kleider und Wäsche wurden in die Lumpen gegeben, wer wohl sollte die Sachen der Neunundsiebzigjährigen noch tragen wollen, die sich in den letzten Jahren ohnehin kein neues Stück mehr gekauft hatte. Der Rest war Gerümpel: ein Waschgeschirr aus Steingut, ein Volksempfänger, der nicht mehr spielte, eine Lampenkrone mit Stoffschirmchen, ein Kleiderhaken, abgelebter Küchenkram. Ein Wecker, der seit dreißig Jahren stillstand. Mein Bruder wog ihn in der Hand. „Den schenken wir Frau Schoepke!“, sagte er und warf ihn über den Zaun auf den Schutthaufen, wo er, durch den Aufprall aus seinem Jahrzehnteschlaf gerissen, ein letztes Mal grell zu klingeln begann und, leiser werdend, kläglich pingelnd verendete. Da erschraken wir doch. Zuletzt blieb ein Schuhkarton voller vergilbter Fotos und Papiere: Briefe, Urkunden, Ausweise, Zeitungsausschnitte. „Das nehme ich mit“, sagte ich. „Von mir aus“, sagte mein Bruder.“ Und der schreibende Bruder machte daraus eine großartige Geschichte, eine Geschichte wie gesagt aus dem Schuhkarton. 2013 brachte Uwe Berger in der EDITION digital seinen Roman „Suche nach mehr“ als E-Book heraus: Die Handlung entwickelt sich vor und nach 1945. Schauplätze sind Berlin, Dresden und Paris. Der Ingenieur John steht zwischen zwei Frauen, der mit ihm verheirateten lasziven Helene, die nazifreundlich ist, und der attraktiven Carola, die in seinem AEG-Betrieb als Sekretärin arbeitet und einer linken Gruppe angehört. John verbirgt sie vor der Gestapo. Carola kann nach Frankreich fliehen. John bleibt und hat Kontakt zu einem Mitglied der verschwörerischen Teegesellschaft. Von Helene geschieden, versucht John nach dem Krieg in Ostberlin mit der aus der Résistance selbstsicher zurückgekehrten Carola zu leben. Er, den die lauernde Gewalttätigkeit Helenes abgestoßen hat, erträgt auch die intolerante Starrheit Carolas nicht. Er sucht nach mehr. Am Grabmal von Walther Rathenau erkennt er, wie sehr er mit den Verhältnissen in Ostberlin kollidiert, wie einsam er ist, und erliegt bald darauf einem Herzversagen. Doch auch Carola hat ihre Schwierigkeiten und versöhnt sich nach dem Tod von John mit Helene. Das Leben lehrt sie, über sich selbst zu entscheiden. Und so lernen wir zu Beginn des Romans John kennen - kurz bevor das Telefon klingelt: „Er fürchtete nicht so sehr den Alltag des Krieges, der ihn jeden Tag an die Front holen konnte, der sich jetzt auch im Osten maßlos ausbreitete und mit nächtlichen Fliegerangriffen nach Berlin langte - ein wenig freilich fürchtete er das alles schon. Doch mehr beherrschte ihn eine namenlose Angst vor dem Ungewissen, vor dem Morgen, vor dem Menschen nebenan. Dabei war er kein Feigling; einer unausweichlichen Gefahr vermochte er gelassen ins Auge zu sehen. Vielleicht lag es an Helene. Vor Kurzem hatte es eine jener Auseinandersetzungen gegeben, die ihn mit Schauder erfüllten. Sie schlug ihm die Brille vom Gesicht. Als er die vor Wut Schäumende an den Armen packte und sie sich mit festem Griff vom Leibe hielt, biss sie ihn in die Hand. Sie stieß Worte des hemmungslosen Hasses hervor. Umbringen sollte man dich! Konnte er sie noch lieben? John stieg die kahle, steinerne, von einem Eisengeländer begleitete Treppe hinauf. Er öffnete eine grau gestrichene Stahltür mit dem Schildchen ING. BREHMER. Der Raum, den er betrat, war fast so nüchtern und hässlich wie die Treppe. Spärliches Licht fiel auf einen zerkratzten Schreibtisch, einen hölzernen Stuhl, einen Schrank mit Schubfächern und einem verschließbaren Rollladen. Eine zweite Tür, die mit einer Glasscheibe versehen war, führte in die Montagehalle. Dort waren Elektromotoren aufgereiht, über die sich Männer in blauer Arbeitskleidung beugten. John nahm Pläne und Zeichnungen aus dem Schrank, warf einen Blick darauf und schickte sich dann zu einem Rundgang an. Das Telefon klingelte. Der wissenschaftliche Direktor ließ bitten. John ging hinüber in das benachbarte Gebäude. Im Vorzimmer des Chefs saß Fräulein Rathmann, die Sekretärin, eine schlanke Person mit dunklen Augen. „Worum geht's?“, erkundigte er sich, „Fragen Sie ihn selbst.“ „Ich frag aber Sie, Carola.“ „Es geht um Sie und was man Ihnen zutrauen kann.“ „Ein neuer Auftrag?“ „Ich muss Sie jetzt anmelden.“ Carola stand auf. „Warten Sie noch einen Augenblick ...“ Sie kam hinter ihrem Tisch hervor, wandte den Kopf zu ihm hin und sah ihn an. „Meinen Sie“, fuhr John fort, „dass die AEG wieder Leute einsparen will und dass ich die Uk-Stellung von dem einen oder anderen aufheben soll? Würden Sie das verantworten wollen?“ „Ich glaube kaum. Aber Sie müssen entscheiden.“ „Danke.“ Warum stelle ich der jungen Frau solche Fragen, dachte John. Sie ist scheu und zurückhaltend. Zwingt man sie aber zur Antwort, hat sie eine unerwartete Sicherheit. Carola öffnete die Tür zum Zimmer des Chefs. Mit einem Lächeln in den Mundwinkeln ging John an ihr vorüber. Hinter einem großen, dunkelgebeizten Schreibtisch saß Potter, der Mann, der hier in allen wichtigen Fragen das letzte Wort hatte. Er verstand es jedoch, nicht nur zu befehlen, sondern auch anzuregen und den Erfolg zu organisieren. Seine grauen Haare waren kurz geschoren. Prüfend sah er durch die Brille auf den Eintretenden. „Herr Brehmer, ich hab Sie hergebeten, um mit Ihnen was Neues zu besprechen. Der Auftrag kommt von ganz oben.“ Während des anschließenden Gesprächs ging Potter gleich ins Detail. Er konnte in wenigen Sätzen Wesentliches sagen. John blickte auf das Parteiabzeichen am Jackett seines Gegenübers und dachte: Bist Nazi, aber wohl kein verbohrter, hängst dein Mäntelchen nach dem Wind, um deinen Posten zwischen Aufsichtsrat und Praxis zu behalten. Ich brauch so was nicht, kann mir selbst treu bleiben. Ingenieur bin ich und nichts weiter. Die besten Ingenieure sind die, die nichts weiter sein wollen; und die finden immer ihr Auskommen ... „Also“, fasste Potter zusammen, „wir haben es mit hochgespanntem Gleichstrom zu tun. Dafür müssen wir entsprechende Schalter konstruieren. Ihre Aufgabe.“ Aus heutiger Sicht liegt gar nicht so viel Zeit zwischen 1945 und 1962, lediglich 17 Jahre. 1962 veröffentlichte Brigitte Birnbaum erstmals im Kinderbuchverlag Berlin ihr Buch „Bert, der Einzelgänger“: Der vaterlos aufwachsende Bert verliert durch eine tückische Krankheit auch seine Mutter und soll nun zur Großmutter, die er noch nie gesehen hat. Die alte, vom Leben gebeutelte Frau will den Jungen nicht. Erst als sie erfährt, wer ihn dann bei sich aufnehmen würde, sagt sie zu. Die beiden haben es schwer miteinander, verstehen sich nicht. Das Dorf ist Bert fremd, seine bisherigen Freunde leben in der Stadt und in der neuen Schule gibt es nur Schwierigkeiten. Warum und wie sich das Blatt für den einsamen Jungen wendet, erzählt das Buch. Lesen wir einmal kurz hinein in das Buch, als Bert Schlimmes passiert: „Im Schlafzimmer sah die Nachbarin, dass Frau Hörber in hohem Fieber fantasierte. Sie sprach die Kranke an, doch sie stöhnte nur. Bert stand zähneklappernd am Bett seiner Mutter. Das Schlafzimmer war ungeheizt. In diesen Minuten hatte Bert furchtbare Angst. „Marsch! Kriech in die Federn, sonst erkältest du dich auch noch!“, befahl ihm die Nachbarin und deckte ihn gut zu. „Ich glaube, es ist das Beste, wenn ich nach einem Arzt telefoniere. Ich komme gleich zurück.“ Sie strich Bert übers Haar und eilte hinaus. Bert hockte mit angezogenen Beinen im Bett und umklammerte krampfhaft mit den Armen seine Knie. Er starrte zu seiner Mutter hinüber. Jeder Atemzug schien ihr Qual zu bereiten. Der Mond guckte noch immer durch den Spalt ins Zimmer. Bert sah ihn nicht mehr. Er sah nur hinüber in das andere Bett und lauschte auf Schritte im Treppenhaus, aber es blieb alles still. Auf der Straße hörte er ein Auto. Es fuhr vorüber. Spät kam die Nachbarin mit dem Arzt. Bert kannte ihn. Er hatte ihm im vergangenen Sommer das arg aufgeschlagene Knie wieder zusammengeflickt. Die Nachbarin legte Bert Muttis Bademantel über, half ihm in seine Hausschuhe und brachte ihn ins Wohnzimmer. Im Schlafzimmer untersuchte der Arzt Mutti. Als er wieder herauskam, reichte er der Nachbarin einen weißen Zettel. „Die Überweisung in das Krankenhaus. Eine Lungenentzündung, damit ist nicht zu spaßen“, sagte er und wandte sich dann an den Jungen: „Na, was macht dein Knie?“ „Ist heil!“, stieß Bert hervor und dachte, wenn er das noch weiß, hat er auch nicht vergessen, wie ich dabei geheult habe. „Siehst du, und deine Mutti machen wir ebenfalls wieder gesund!“ Die Nachbarin aber fragte er leiser: „Kann das Krankenhaus sich an Sie wenden, falls es ernst wird?“ Die Nachbarin erblasste und nickte nur. Lauter sagte er dann: „Und der Junge? Wer kümmert sich um ihn?“ „Er bleibt bei uns, Herr Doktor!“, antwortete die Frau, „das ist doch selbstverständlich.“ „Nun gut.“ Der Arzt gab der Nachbarin die Hand. „Ich schicke sofort das Krankenauto.“ Nur wenige Zeit verstrich. Unten stoppte ein Krankenwagen seine schnelle Fahrt. Zwei Männer in weißen Kitteln kamen herauf, legten Frau Hörber auf eine Tragbahre, wickelten sie in warme Decken und trugen sie hinunter. Bis auf die Treppe lief ihnen Bert nach. Als die Haustür ins Schloss fiel und Bert das Auto anfahren hörte, lehnte er den Kopf gegen das Treppengeländer. Er schluchzte.“ Aber wie wir schon erfahren haben, wird sich das Blatt für Bert wenden. Wie gesagt, lassen Sie sich berühren. Von diesem wie von allen anderen Deals der Woche. Weitere Informationen und Angaben finden Sie unter http://www.prseiten.de/pressefach/edition-digital/news/3767 sowie http://www.edition-digital.de/Specials/Preisaktion/. Über EDITION digital Pekrul & Sohn Gbr: EDITION digital wurde 1994 gegründet und gibt neben E-Books Bücher über Mecklenburg-Vorpommern und von Autoren aus dem Bundesland heraus. Ein weiterer Schwerpunkt sind Grafiken und Beschreibungen von historischen Handwerks- und Berufszeichen. Pressekontakt: EDITION digital Pekrul & Sohn GbR Gisela Pekrul Alte Dorfstr. 2 b 19065 Pinnow Deutschland 03860 505788 [email protected] http://www.edition-digital.de
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