#auch aus Mein vielbewegtes Leben
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mutantenfisch · 8 years ago
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„Eben komme ich von einem einsamen Spaziergange aus dem Tiergarten zurück, wo ich Moose und Flechten und Schwämme suchte, deren Sommer jetzt gekommen ist. Wie traurig so allein herumzuwandern! Doch hat auch, von einer anderen Seite betrachtet, dies Einsame in der Beschäftigung mit der Natur, etwas Anziehendes. So ganz im Genuss der reinsten, unschuldigsten Freude, von tausenden von Geschöpfen umringt, die sich (seliger Gedanke der Leibnizischen Philosophie!) ihres Daseins freuen, das Herz zu dem erhoben, der wie Petrarca sagt, uove le stelle e loro viaggio torto, e da vita alle erbe, a i musci, alle pietre … [die Sterne bewegt und ihre gekrümmte Bahn, und Leben in den Kräutern, den Moosen und den Steinen]. Solche Betrachtungen, lieber Bruder, versetzen einen in eine süße Schwermut! Mein Freund Willdenow ist noch der Einzige, der dieses mit mir empfindet. Aber seine und meine Geschäfte hindern uns oft, Hand in Hand in den großen Tempel der Natur zu treten. Solltest Du glauben, dass unter den anderen 145 000 Menschen in Berlin kaum vier zu zählen sind, die diesen Teil der Naturlehre auch nur zu ihrem Nebenstudium, nie nur zur Erholung kultivierten. Und wie viele sollte nicht ihr Beruf darauf leiten, Ärzte und vor allen das elende Kameralisten-Volk. Je mehr die Menschenzahl und mit ihr die Preise der Lebensmittel steigen, je mehr die Völker die Last zerrütteter Finanzen fühlen müssen, desto mehr sollte man darauf sinnen, neue Nahrungsquellen gegen den von allen Seiten einreißenden Mangel zu eröffnen. Wie viele, unübersehbar viele Kräfte liegen in der Natur ungenutzt, deren Entwicklung tausenden von Menschen Nahrung oder Beschäftigung geben könnte. Viele Produkte, die wir von fremden Weltteilen haben, treten wir in unserem Lande mit Füßen – bis nach vielen Jahrzehnten ein Zufall sie entdeckt, ein anderer die Entdeckung vergräbt oder, was seltener der Fall ist, ausbreitet. Die meisten Menschen betrachten die Botanik als eine Wissenschaft, die für Nichtärzte nur zum Vergnügen oder allenfalls (ein Nutzen, der selbst wenigen erst einleuchtet) zur subjektiven Bildung des Verstandes dient. Ich halte sie für eins von den Studien, von denen sich die menschliche Gesellschaft am meisten zu versprechen hat. Welch ein schiefes Urteil zu meinen, dass die paar Pflanzen, welche wir bauen, (ich sage ein paar gegen die 20 000, welche unseren Erdball bedecken) alle Kräfte enthalten, die die gütige Natur zur Befriedigung unserer Bedürfnisse in das Pflanzenreich legte. Überall sehe ich den menschlichen Verstand in einerlei Irrtümern versenkt, überall glaubt er, die Wahrheit gefunden zu haben, und wähnt, dass ihm nichts zu verbessern, zu entdecken übrig bleibe. Er scheut die Untersuchung, weil er denkt, dass schon alles untersucht sei. So in der Religion, so in der Politik, so überall, wo der gemeine Haufen sein Wesen treibt. Was ich von er Botanik gesagt habe, gründet sich aber nicht bloß auf Schlüsse a priori. Nein, die großen Entdeckungen, die ich selbst in den Schriften der ältesten Pflanzenkenner vergraben finde und die in neueren Zeiten von gelehrten Chemikern oder Technologen geprüft worden sind, haben diese Betrachtungen in mir veranlasst. Was helfen alle Entdeckungen, wenn es keine Mittel gibt, sie exoterisch zu machen?
25. Februar 1789 – der 19-Jährige Alexander von Humboldt an seinen Freund Wilhelm Gabriel Wegener
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