#Rani Magnani
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derlift · 3 years ago
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BLUETENFLUT von Fraenzi Neuhaus in der Ausstellung «Dere schöne Aare naa»
Neigt sich der Tag dem Ende zu, so mag seit dem 8. Mai 2021 manch einer ein wundersames Phänomen am Brückenpfeiler gegenüber vom Amtshausquai in Olten beobachten. Denn mit der Dämmerung tritt dort anstelle des grauen Betons ein in Form und Farbe an Claude Monets Seerosenteiche erinnerndes Gewässer. Die über das Bild projizierte bewegte Wasseroberfläche erweckt dabei den Anschein einer Spiegelung und fügt das Werk zugleich in den ewigen Fluss der Aare ein.
Doch der Schein trügt. Was auf den ersten Blick wie ein natürliches Pflanzengeflecht erscheint, ist in Wirklichkeit durch und durch künstlich. Vielmehr handelt es sich um ein der Natur nachempfundenes Geflecht, geschaffen aus modernen, unseren Alltag prägenden Materialien. Mit dem Werk «BluetenFlut» setzt sich die Solothurner Künstlerin Fraenzi Neuhaus (*1957) mit eben diesen Gegensätzen von Natürlichkeit und Künstlichkeit, Stabilität und Fragilität, aber auch mit dem Raum als solchem sowie den darin geschaffenen lebendigen Strukturen auseinander.
Die Installation ist Teil der diesjährigen Sommerausstellung des Kunstmuseums Olten, welches ganz dem Titel «Dere schöne Aare naa» folgend, sein Display für die Sommermonate mit Kunstwerken rund um und in der Aare erweitert hat.
Parallel ist in den Innenräumen des Kunstmuseums Fraenzi Neuhaus‘ 8-teilige Fotoreihe «Reflections» zu sehen. Anhand der 2008 von der Oltner Komponistin Barbara Jost für das Werk geschaffenen Komposition BloossomBlood erfährt der Museumsbesucher weiter eine musikalische Unterstreichung der Arbeiten.
Fraenzi Neuhaus (*1957) BluetenFlut 2008 / 2021 Videoprojektion Loop: 1 min 22 sec. Leihgabe der Künstlerin
«Dere schöne Aare naa», Sommerausstellung im Innen- und Aussenbereich
8. Mai bis 1. August 2021
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Die Gegensätze von Künstlichkeit und Natürlichkeit haben schon grosse Denker wie Kant, Hegel oder Adorno bewegt. In ihren Diskursen über das Kunstschöne und das Naturschöne gingen sie wiederholt der Frage nach, wie sich das aus dem Geiste des Menschen Geborene der <rohen> Natur gegenüber bewerten lässt.
Fraenzi Neuhaus folgt einem anderen Ansatz. Ihre künstlerische Auseinandersetzung scheint nicht länger danach zu fragen, ob das von Menschenhand Geschaffene über der Natur steht, sondern wo überhaupt die Grenze zwischen Natur und der uns umgebenden künstlichen Welt gezogen werden kann. Ihre oft organisch amorph anmutenden Werke aus «Materialien unserer heutigen Zeit», wie sie es nennt, scheinen eine Aufforderung zur Hinterfragung unseres Selbstverständnisses von Materialität, Eigenschaft, Funktion und Bild der uns umgebenden Welt zu sein.
Die aktuell in der Innen- und Aussenausstellung des Kunstmuseums Olten gezeigten Bilder gehen auf die Installation «Blossoms» zurück, die die Künstlerin 2008 auf dem See der Parkanlage des Kopenhagener Møstings Hus zeigte.
Das in das Wasser eingelassene Objekt, bestehend aus 30 – 40 lose mit Kabelbindern zusammengefassten Teilen, fügte sich dabei leicht und in beinahe unscheinbarer Selbstverständlichkeit in die Parkanlage ein. Ein Umstand, der sich stark auf die Materialität des Ensembles zurückführen lässt. Erzeugt durch die rhythmischen Bewegungen des Wassers werden, so erklärt die Künstlerin, immer neue, mal dichtere, mal auseinandergezogene Strukturen gebildet, welche dem Geflecht eine dynamische Lebendigkeit verleiht und den Betrachter zu Assoziationen anregt. Handelt es sich um Blüten oder Seerosen, um ein Algengeflecht oder gar um eine noch nicht entdeckte Wasserpflanze? Entspricht das Gesehene keinem uns bekannten Pflanzenbild und wirkt doch so vertraut. Die Kabelbinder dienen dabei sowohl als verbindende als auch stilistische Komponente die an Wassergras erinnernd die Natürlichkeit weiter zu unterstreichen scheinen.
Zugleich verändert die, die Wasseroberfläche durchziehende Struktur das Landschaftsbild und somit die Wahrnehmung des Ortes. Sie lenkt den Blick auf das normalerweise Verborgene – die Wasseroberfläche. Insbesondere bei stillen Gewässern bleibt der Blick meist an dem sich im Wasser Befindlichen oder sich darin Spiegelnden hängen. Die Oberfläche als Verbindung zwischen innen und aussen tritt dahinter zurück. Ein Phänomen, welches sich auch im fotografischen Abbild des Werkes wiederholt. Denn, so stellte der Kultursoziologe Roland Barthes bereits in den 80-er Jahren in einem seiner Hauptwerke «Die helle Kammer» fest: «Das Foto [bleibt hinter dem Abbild] allemal unsichtbar».
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Fraenzi Neuhaus, Blossoms, in der Parkanlage des Møstings Hus Kopenhagen, 2008
Die örtlichen Gegebenheiten des Standorts in Olten sind etwas anders. Hier trifft man auf keine idyllische Parklandschaft, sondern blickt auf den Bahnhof nebst Ländiweg-Baustelle. Doch es ist ebendiese aus dem Chaos des Ortes entstehende besondere Stimmung, die dem Werk eine ganz neue Qualität verleiht. Mit «BluetenFlut» bringt Neuhaus das tiefe, dunkle und bedrohliche Gewässer der nächtlichen Aare mit dem hellen, leichten und lebendigen ihrer Lichtprojektion in Berührung, woraus wiederum eine „doppelte Reflexion“ zu entstehen vermag. Neben der reellen Spiegelung der Projektion im Wasser scheint sich auch umgekehrt die Aare im Bild widerzuspiegeln. Dieser Effekt wird durch die über das Lichtbild gelegte Videospur von Wasseraufnahmen des Kopenhagener Hafens erzeugt und verdeutlicht auch auf visueller Ebene den verbindenden Charakter von Wasser.
Mit der am Brückenpfeiler gezeigten Videoinstallation «BluetenFlut» schafft Fraenzi Neuhaus somit Raum für ein, «künstliches Wunder der Natur» und l��dt zusammen mit dem Kunstmuseum Olten Passant*innen dazu ein, nicht nur an lauen Sommerabenden innezuhalten und seinen Gedanken freien Lauf zu lassen.
Fraenzi Neuhaus (*1957) ist in Solothurn geboren, wo sie noch heute lebt und als freischaffende Künstlerin und Dozentin an der Pädagogischen Hochschule der FHNW tätig ist.
Dem Kunststudium vorausgehend erfolgte eine pädagogische Grund- und Weiterbildung sowie eine Ausbildung am Konservatorium für Musik in Basel. Als wissenschaftliche Zeichnerin absolvierte sie schliesslich die Kunstgewerbeschule in Bern und die Schule für Gestaltung in Zürich. Heute lassen sich ihre Werke in zahlreichen öffentlichen und privaten Sammlungen finden, während die Künstlerin seit Mitte der 1980er-Jahre regelmäßig in internationalen Einzel- und Gruppenausstellungen vertreten ist. Unter anderem wurde ihr Kunstschaffen mit dem Werkjahrbeitrag des Kantons Solothurn 2001 und dem Preis für dreidimensionales Schaffen des Kanton Solothurn 2016 ausgezeichnet.
2007 erhielt Neuhaus ein Atelierstipendium der Stadt Kopenhagen. Dort wurde 2008 in der Parkanlage des Møstings Hus erstmals die, dem Werk «BluetenFlut» zugrundeliegende Installation «Blossoms», gezeigt. Eine Wiederholung der Arbeit fand 2014 als «BluetenFlut» im Rahmen der Schweizerischen Skulpturausstellung JETZTKUNST N°4 im Marzillipark Bern statt.
In Olten stellt Fraenzi Neuhaus seit 2002 wiederholt aus und hat zuletzt mit Werken wie «Eingenistet 47,3519°/7.9077°» 2019 oder «FadenWerke» 2019 den Dienstraum am Bahnhof und die Räumlichkeiten des Kunstvereins Olten bespielt.
Text: Rani Magnani, Praktikantin Kunstmuseum Olten Veröffentlicht am: 19. Juli 2021
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derlift · 3 years ago
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Die Kunst und das Klima: Die «Klimaspuren»-Initiative trifft auf die Ausstellung «Dere schöne Aare naa»
Die «Klimaspuren»-Etappe Olten bis Langenbruck bot sich als ideale Gelegenheit, die Kunst im öffentlichen Raum in den Fokus der Klimathematik zu rücken. Folgender Beitrag entspringt einer Führung, in der die Kunsthistorikerin Rani Magnani die Klimaspuren-Gruppe zum Tagesauftakt zu einer Betrachtung ausgewählter Werke einlud. Grundlage dazu boten sowohl konstante Arbeiten des Oltner Stadtraums als auch Kunst der diesjährigen Sommerausstellung «Dere schöne Aare naa» (8. Mai bis 1. August 2021).
Ökologie ist seit den 1960er-Jahren Thema in der Kunst, und bis heute hat sie nichts an ihrer Bedeutung und Dringlichkeit verloren. So zeigt Kunst auf, sucht nach Lösungen oder präsentiert Alternativen. Vor allem spiegelt sie in ihren facettenreichen Strategien die grosse Bandbreite an Ursachen und Auswirkungen des Klimawandels wider.
Diese diverse Herangehensweise an die Thematik lässt sich aktuell auch in Olten nachvollziehen. Dort werden seit Mai die fest in den Kanon der öffentlichen Kunst der Stadt integrierten Werke durch temporäre Arbeiten der aktuellen Sommerausstellung des Kunstmuseums Olten ergänzt.
Als Kunst am Bau schmücken beispielsweise 11 Photovoltaik-Leuchtkästen das Gebäude der Alternativen Bank Schweiz (abs) am Amthausquai 21. Das vom Künstler Stefan Banz (1961–2021) geschaffene Werk richtet sich nach dem Verlauf der Sonne, sodass am Tagesende das Wort «Alternative» in grossen Lettern auf den Bahnhof gerichtet erkennbar wird. Hier ist der Name Programm und verweist sowohl auf den Inhaber des Gebäudes, als auch auf die alternativen Bau- und Energieformen, welche 2007 in dem im Einklang mit den Zielen der 200-Watt-Gesellschaft erfolgten Umbau der Bank zum Einsatz kamen.
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Stefan Banz (*1961 – 2021) Alternative, 2006 – 2009, Installation (Photovoltaik und Drehschrift) 11 Buchstaben je 60 x 90 cm, Alternative Bank Olten
Auch die Ende der 1960er-Jahre geschaffene Gewässerschutzplastik der Künstlerin Gillian White (*1939) gehört zum festen Stadtbild Oltens und dient als wichtiger ökologischer Zeitzeuge. Dabei geht ihre Entstehung auf den öffentlichen Wettbewerb von 1969 zurück, der zur Schaffung einer Erinnerungsplastik für die Lancierung des Schweizerischen Gewässerschutzgesetzes ausrief, das zwei Jahre später in Kraft trat.
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Gillian White (*1939) Gewässerschutzplastik, 1968 – 1970, Polyesterplastik (grün und blau), 600 x 270 x 50 cm, Schützmauer Ländiweg, Bahnhofquai Olten
Wiederum einen direkten Bezug zwischen Aare und Klimawandel schafft das temporäre Werk «Scholle» des Oltner Künstlers Male Wyss. Das in der Aare schwimmende, vier Meter lange Objekt lässt sich auf mehreren Ebenen verstehen. Einerseits fungiert sie als Verweis auf die beiden den Fluss speisenden Aaregletscher. Andererseits dient die entgegen der Realität wärmeresistente Scholle als Anstoss, sich Gedanken über die Konsequenzen der Eisschmelze im globalen Kontext, aber auch ganz im konkreten Falle der Aare als wasserreichster Fluss der Schweiz, zu machen.
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Male Wyss (*1955) Scholle, 2021, Styroporplastik mit Schutzdispersion, vor der Ländiweg-Baustelle Olten
Last but not least dient die Aare den Künstlern Michael Meier und Christoph Franz als Archetyp und Sinnbild für den Gestaltungsdrang des Menschen. Ihre aktuell im Museum gezeigte forschungsbasierte Arbeit «Armor Layer» setzt sich sowohl mit dem im Zusammenhang der Betonherstellung vorgenommenen Kiesabbau in Flussbetten auseinander, als auch mit den aus dem Abtrag dieser schützenden Geschiebeschichten erwachsenden ökologischen Folgen. So geht der Begriff «Armor Layer» (engl. Rüstung) auf die Nomenklatur der Hydrologie zurück, in der Armor die das Flussbett schützende Schicht aus Sand, Kies und Geschiebe bezeichnet.
Als Weiterführung ist eine gleichnamige Arbeit im Aussenbereich auf einer Insel inmitten der Aare geplant. Diese ist als ephemere Geschiebeskulptur aus gepressten Ziegeln des Kander-Delta Materials konzipiert, das im Verlauf Zeit von der Aare abgetragen und ihrem Flussbett zugefügt wird.
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Michael Meier & Christoph Franz (*1980/*1982) Armor Layer (Ausschnitt aus Konstruktionszeichnung), 2021 Gepresste Steine aus d Geschiebematerial des Kanderdeltas 207 x 295 x 100 cmm Leihgabe der Künstler / ephemer ©Meier&Franz
Am 12. Juli endeten zwar die «Klimaspuren», die Auseinandersetzung mit der Thematik wird uns jedoch noch alle weiter begleiten. Aus diesem Grunde lädt das Kunstmuseum Olten herzlich zu seiner für September geplanten Veranstaltung ein, bei der, vorausgesetzt der Wasserpegel erlaubt es, das Künstlerduo Meier&Franz gemeinsam mit dem Werkhof Olten und der Portioniere Olten ihre Geschiebeskupltur installieren wird.
Text und Fotografien: Rani Magnani, Praktikantin veröffentlicht am 29.07.2021
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derlift · 3 years ago
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ARMOR LAYER ein work in progress von Michael Meier & Christoph Franz zu sehen in der Ausstellung «Dere schöne Aare naa»
Aus Anlass unserer Ausstellung «Dere schöne Aare naa» (Kunstmuseum Olten, 8. Mai bis 1. August 2021) beschäftigt sich Kunsthistorikerin Rani Magnani in diesem Beitrag mit einer künstlerischen Recherchearbeit, die das Künstlerduo Michael Meier & Christoph Franz unter dem Titel «Armor Layer» schon seit mehreren Jahren vorantreibt. Ein 2017 aus dieser Recherche hervorgegangenes Werk ist in der Ausstellung im Kunstmuseum zu sehen. Im Aussenraum, auf einer Insel in der Aare, ensteht für den Outdoor-Teil der Ausstellung eine neue, ephemere Konkretisierung.
ARMOR LAYOR
Flüsse – Lebensquell, industrielle Schrittmacher und Experimentierfeld der Menschheit Für den Menschen waren Flüsse seit dem Beginn seiner Sesshaftigkeit von besonderer Bedeutung. Davon zeugen schon die ersten jungsteinzeitlichen Siedlungen. Ihre Bewohner*innen wussten die nährstoffreichen Böden in den Uferzonen ebenso zu nutzen wie die günstigen Transport- und Wasserwege. Auch der Wert der Flüsse als Baustofflieferanten wurde früh erkannt. Bereits den Römern diente seit dem 2. Jahrhundert v. Chr. Flussmaterial wie Sand, Kies und Wasser für die Herstellung des sogenannten «opus caementitum», einen Vorläufer des zeitgenössischen Betons. Auch heute noch sind Flüsse für den Menschen zentral. Sie dienen weiterhin als wichtige Baustoffquellen, wachsende Energielieferanten und essenzielle Wasserstrassen. Als Folge davon zählen sie jedoch auch zu den am stärksten regulierten Ökosystemen der Erde. Die Konsequenzen menschlicher Eingriffe in die Natur treten immer deutlicher zutage.
Der Fluss als archetypisches Forschungsfeld für die Kunst
Den Künstlern Michael Meier & Christoph Franz dient der Fluss als Archetyp und repräsentatives Sinnbild für den Gestaltungsdrang des Menschen. Mit ihrer Werkreihe ARMOR LAYER untersuchen sie die Auswirkungen und Dynamiken des anthropogenen Eingriffs in das komplexe Gefüge der Natur. Sie tun dies am Beispiel der Aare und Ihrer Zu- und Nebenflüsse. Als längster ganz in der Schweiz verlaufender und wasserreichster Fluss unseres Landes eignet sich die Aare besonders für ihre Betrachtungen. Diese führen etwa zu folgenden Fragen: Welchen Einfluss hat die Kanderkorrektion auf den Schweizer Grundwasserspiegel? Was hat ein Wasserkraftwerk an der Aare mit dem Artensterben zu tun? Und welche Auswirkungen haben Flusseingriffe in der Schweiz auf umliegende Länder, auf ganz Europa?
Von der Auseinandersetzung mit der Aare zum Kunstwerk in der Aare
Mit der Installation ARMOR LAYER, die Mitte Juli auf dem Aare-Inseli vor dem Chessiloch auf Oltner Stadtgebiet entsteht, findet die langjährige künstlerische Recherche von Michael Meier und Christoph Franz eine weitere Konkretisierung.
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Michael Meier & Christoph Franz (*1980/*1982) Armor Layer (Ausschnitt aus Konstruktionszeichnung), 2021 Gepresste Steine aus d Geschiebematerial des Kanderdeltas 207 x 295 x 100 cmm Leihgabe der Künstler / ephemer
Eine erste, 2017 zum selben Themenkomplex entstandene Arbeit ist in der Innenausstellung zu sehen. Im Unterschied zum aktuell neu entstehenden Werk, das einen menschlichen Eingriff ins Ökosystem der Aarelandschaft vorsieht und damit eine Parallelität zu den im Rahmen der Forschungsarbeit beobachteten Mechanismen kreiert, ist die Arbeit von 2017 eher in der Nähe dokumentarischer und beschreibender Techniken angesiedelt:
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Michael Meier & Christoph Franz Armor Layer (Detail), 2017 9 Schallplatten, bedruckt, PVC, Holz, Metall, Plattenspieler, Verstärker, Kopfhörer Variable Dimensionen Ausstellungsansicht Kunstmuseum Olten, 2021
Die auf die Platten aufgedruckten Fotografien sowie die auf ihnen konservierten Tonspuren mit Klängen und Interviews geben Einblick in die Vorgehensweise des Künstlerduos und beleuchten ihre inhaltlichen Interessen.
Diese beziehen sich – wie in ihrem Schaffen generell – auf die Auswirkungen baulicher Massnahmen sowie auf Normen und Materialien, welche die Gestaltung des öffentlichen Raums prägen. Insbesondere der seit einiger Zeit kontrovers diskutierte und in der Schweiz exzessiv eingesetzte Werkstoff Beton rückt dabei in den Fokus.
Was Beton mit der Aare zu tun hat
Beton ist ausserhalb des landwirtschaftlichen Sektors in allen Bereichen der meistverwendete Baustoff unserer Zeit. Die Schweiz hat dabei, einem SFR-Beitrag von 2013 zufolge, «den europaweit grössten Betonverbrauch pro Kopf». Kies – einer der Grundbestandteile der Betonherstellung – gilt nicht nur «als wichtigster Rohstoff» des Alpenlandes, sondern steht «als einziger in rauen Mengen zur Verfügung». Doch insbesondere der sogenannte Nassabbau in Flüssen und Seen stellt die Natur zunehmend vor Herausforderungen.
Ausgehend von diesen Facts beschäftigten sich die Künstler zunächst mit der Frage, welche Auswirkung der grossflächige Kiesabbau in den Alpen für das Gleichgewicht der Ökosysteme hat. Daraus erwuchs dann schnell ein weiter gefasstes Interesse an den Folgen von unterschiedlich motivierten gestalterischen Eingriffen in unsere Flüssen.
Armor Layer – Die Schallplattenserie
Die 2017 entstandene Arbeit ARMOR LAYER präsentiert weder Antworten noch fertige Lösungen. Vielmehr hat sie verweisenden und investigativen Charakter. Die neun auf einer Holzleiste platzierten Schallplatten zeigen den Betrachtenden die unterschiedlichen Gesichter zeitgenössischer Flussabschnitte der Schweiz und des grenznahen deutschen Gebiets. Beim Versuch, diese «Gesichter» zu deuten, erleben wir Überraschungen. So fordern die Künstler unsere Seh- und Interpretationsgewohnheiten heraus und rütteln an unserem Selbstverständnis in Bezug auf die Wahrnehmung von Orten und Landschaften, die von Menschenhand gestaltet sind. In den Abbildungen der Sense oder des Wasservogel-Schutzgebiets des Klingnauer Stausees etwa verschwimmt die klare Unterscheidung von natürlichem und künstlichem Gewässer, während wiederum andere Orte wie das Wasserkraftwerk in Iffezheim (DE) oder der Geschiebe-Umleitstollen des Solis unwirklich und brachial wirken. Zwecks auditiver Begleitung der visuellen Erfahrung wurden die Schallplatten mit Tonaufnahmen des jeweilig abgebildeten Geländes und/oder mit darauf Bezug nehmenden Interviews bespielt. Die Aufnahmen können in der Ausstellung auf dem bereitgestellten Plattenspieler abgespielt und via Kopfhörer gehört werden.
Armor Layer – «Rüstung» und Schutzschicht der Flüsse
Der Titel des Langzeitprojekts gibt uns einen Schlüssel zum Verständnis in die Hand. So geht der Begriff «Armor Layer» (engl. Rüstung) auf die Nomenklatur der Hydrologie zurück, in der Armor die das Flussbett schützende Schicht aus Sand, Kiesund Geschiebe bezeichnet. Diese sorgt dafür, dass das Wasser nicht ungehemmt eine tiefe Rinne in den Boden frisst – ein wichtiger ökologischer Faktor, denn erst Kies, Sand und Verschlickungen bieten beispielsweise den heimischen Flussfischen geeignete Laichplätze.
Diese Geschiebeschicht rückt nun in der geplanten Skulptur von Michael Meier & Christoph Franz auf dem Oltner Aareinseli ins Zentrum. Das treppenartige Werk wird aus ca. 1300 Ziegelsteinen aufgebaut, die von den Künstlern in den Werkhallen der Lemag AG in Brunnen aus Geschiebematerial des Kanderdeltas gepresste werden. Kaum aufgebaut, wird die ephemer angelegte Skulptur über einen ungewissen Zeitraum hinweg von der Aare wieder abgetragen und das Material so ihrem Flussbett wieder zugefügt werden. Dieser Prozess ist zugleich eine Anspielung auf das ursprüngliche Verhältnis der beiden Fliessgewässer, mündete doch die Kander und somit auch sein Geschiebematerial vor ihrer Umleitung in den Thunersee direkt in die Aare.
Kunst im Fluss
Der Prozess als solcher spielt in beiden besprochenen Kunstwerken eine sehr wichtige Rolle und dient stets einem besseren Verständnis unserer Umwelt. So ist auch die Installationsvorbereitung durchzogen von vielen Prozessen und Abläufen, die von der ersten Idee 2017 bis hin zu ihrer Realisierung 2021 durchlaufen werden mussten. Dass das Kunstmuseum Olten mit seiner aktuellen Sommerausstellung den Raum und die Möglichkeit zur Verwirklichung der schon über Jahre geplanten Skulptur bot, war, so die beiden Künstler, ein wirklicher Glücksfall. Auf Entwurf und Standortfestlegung folgte diesen Frühsommer die Produktion von Testziegeln in drei Chargen, um das richtige Mischverhältnis von Geschiebe und Lehm, sowie die Herstellungs- und Trocknungseigenschaften zu testen. Nun steht die finale Herstellung der Steine in den Startlöchern. Der Zeitpunkt des Skulpturaufbaus hängt dann vom Wasserstand der Aare ab und wird voraussichtlich im Juli stattfinden. Ein öffentlicher Anlass wird das neue Werka auf Zeit in Empfang nehmen. Wir sind gespannt und freuen uns sehr!
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Michael Meier & Christph Franz Vorbereitungen zu Armor Layer 2021
Michael Meier & Christoph Franz
Michael Meier (*1980 Wien) und Christoph Franz (*1982 Siegen) setzen sich in ihren Werken mit dem durch den Menschen geschaffenen und wahrgenommenen Raum auseinander. Ihre Arbeiten bewegen sich zwischen Skulptur, Architektur und Bild und hinterfragen die uns umgebenden urbanen, natürlichen und kulturellen Orte. Hierbei funktionieren die Künstler (re-)konstruktiv Bau- und Raumelemente um und fügen Altes in neuer Form in den ewigen Kreislauf des menschlichen Bau- und Gestaltungsdrangs ein. Die dadurch geschaffenen Transformationen dienen als Anstoss dazu, unser Sehen, unser Verständnis und auch die Selbstverständlichkeit, mit der wir unserer täglichen Umwelt begegnen, neu zu valideren.
Michael Meier und Christoph Franz studierten beide raum&designstrategien an der Kunstuniversität Linz und Fine Arts an der Zürcher Hochschule der Künste. Seit 2008 realisieren sie als Künstlerduo gemeinsame Werke und sind europaweit in Gruppen- und Einzelausstellungen vertreten. Bis heute gewannen sie mehrere Preise und Auszeichnungen. So durften sie 2013 den Helvetia Art Price entgegen nehmen, 2018 wurde ihre Publikation «Der Durchschnitt als Norm» im Wettbewerb Die schönsten Schweizer Bücher ausgezeichnet und bereits zweimal (2021 und 2020) erhielten sie einen Werkbeitrag des Kantons Zürich zugesprochen. Heute arbeiten sie überwiegend in ihrem gemeinsamen Atelier in Zürich.
Dem Kunstmuseum Olten sind die beiden Künstler schon seit vielen Jahren verbunden. Mit der Ausstellung «Aufmachen? Aufmachen!», in der Teile des Museumsraums kurzerhand in eine öffentliche Garage umfunktioniert wurden, richtete das Duo 2013 seine erste institutionelle Einzelausstellung in Olten ein. Eine im wahrsten Sinne des Wortes tragende Rolle nimmt die 2018 entstandene ortsbezogene Skulptur «Nach den aktuellen Regeln der Baukunst» im Foyer ein. Denn die beiden ehemaligen Fassadenfiguren der Zürcher Amtshäuser 3 und 5 sind nicht nur schön anzusehen, in erster Linie fungiert das Paar verbunden mit einem H-Eisenträger als Stützen und garantieren die zusätzlich benötigte Traglast des darüber liegenden Stockwerks.
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Michael Meier & Christoph Franz Nach den aktuellen Regeln der Baukunst, 2018 Ortsspezifische Installation mit Fassadenfiguren der Zürcher Amtshäuser III & V, Holzsockel, Stahlträger Kunstmuseum Olten, Inv. 2018.89 Foto: Susanne Hefti
Text: Rani Magnani, Praktikantin Kunstmuseum Olten Veröffentlicht am: 19. Juli 2021
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derlift · 3 years ago
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61 Fenster für das Solothurner Kunstschaffen Nr. 12 – EberliMantel
Aus Anlass der 37. Kantonalen Jahresausstellung der Solothurner Künstler*innen im Kunstmuseum Olten stellen wir Ihnen die beteiligten Kunstschaffenden und ihre Exponate vor.
Die Jahresausstellung der Solothurner Kunstschaffenden findet abwechselnd in Olten und Solothurn statt. 2021 wird sie vom Kunstverein Olten im Kunstmuseum Olten ausgerichtet.
Die Ausstellung gibt Einblick in die vielgestaltige und lebendige Solothurner Kunstszene und bietet eine wichtige Plattform für den Austausch mit und zwischen den Kunstschaffenden der Region.
EberliMantel Condensed 2
In ihrer neuen Serie gehen die beiden Künstlerinnen Simone Eberli (*1972) und Andrea Mantel (*1966) der Fragen nach dem Grossen im Kleinen nach. Zustände der Unübersichtlichkeit und Orientierungslosigkeit, Beharrlichkeit, Humor und der Blick in die Ferne sind dabei ausschlaggebende Elemente, die sich in den Bildern wiederfinden lassen. Die Attribute «nah» und «fern» bilden dabei keine Gegensätze, sondern sind, wie die Künstlerinnen es ausdrücken, «zwingende Ergänzungen im Suchprozess, um in Bewegung zu bleiben».
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Abb. 2 EberliMantel: Condensed 2, 2021 Digitalprint, 110 x 240 cm Ausstellungsansicht Kunstmuseum Olten 2021 Foto Kaspar Ruoff © Künstlerinnen
Als Grundlage der Reihe diente ihnen die «Exotische Landschaft mit Tiger und Jägern» (1907) des französischen Malers Henri J. F. Rousseau.
In ihrer Rousseau-Adaption sind Dschungel und Mond durchaus von symbolischem Charakter. «Der Mond», so das Duo, «zieht den Blick in die Ferne wie eine Anziehungskraft und repräsentiert das Unerreichbare, das durch Forschung erreichbar werden kann. Die fliegenden Objekte im Dschungelbild können stellvertretend für Eingebungen, Störungen, Humor und noch Namenloses gelesen werden.»
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Abb. 3 EberliMantel: Condensed 2 (Detail), 2021 Digitalprint, 110 x 240 cm Foto + © Künstlerinnen
Weitere Modifikationen entstehen durch das in die Länge ziehen einzelner Bildelemente wie des Blattwerkes oder der fliegenden Körper. Die mittels digitaler Bildbearbeitung entstandenen neuen Streifenbilder lassen sich dabei genauso als kleines Fragment, als Teil eines Ganzen, aber auch als Gegenüber, also als etwas Grosses, als eigenständiges Werk verstehen.
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Abb. 4 Atelier EberliMantel Foto + © Künstlerinnen
Biographisches
Das Künstlerinnen-Kollektiv besteht aus Simone Eberli und Andrea Mantel. Sie lernten sich 1993 während des Studiums an der Höheren Schule für Gestaltung in Zürich kennen und arbeiten seit 2000 als Duo in Zürich. Ihr Hauptinteresse gilt der Auseinandersetzung mit bekannten Kunstwerken, denen sie sich anhand variierender Medien annähern.
Beide Künstlerinnen treten jedoch auch mit Werken unter ihrem eigenen Namen auf. Solo und als Kollektiv verfolgen sie eine rege Ausstellungstätigkeit. In Olten waren sie zuletzt in der Jahresausstellung 2015 dabei.
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Abb. 5 Atelier EberliMantel Foto + © Künstlerinnen
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Website EberliMantel
EberliMantel bei artlog
EberliMantel bei sikart.ch
Abbildungen
Abb. 1 EberliMantel (*1972, *1966) Condensed 2, 2021 Digitalprint, 110 x 240 cm Ausstellungsansicht Kunstmuseum Olten 37. Jahresausstellung der Solothurner Künstler:innen, 2021
Abb. 2–5 Siehe Legenden unter den Abbildungen.
Ein Beitrag von Rani Magnani, Kunsthistorikerin Praktikantin Kunstmuseum Olten
Redaktion: Katja Herlach Kuratorin Kunstmuseum Olten
Veröffentlicht am 25.01.2022
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