#LiteraTourDHorizon
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Keine gewöhnliche Entdeckung: Orakel zum Welttag des Buches
Ein Orakel offenbart Antworten auf Fragen, die in aller Regel die Zukunft betreffen. Das das braucht auch nicht gleich das Orakel von Delphi oder der altĂ€gyptische König der Götter Amun zu sein, BĂŒcher können das nĂ€mlich auch! Zum heutigen Welttag des Buches eine Anregung:
Man nehme ein beliebiges Buch, schlage Seite 5 auf und lese den 5. Satz. Ganz Ă€hnlich wie berĂŒhmte OrakelsprĂŒche werden Fragen beantwortet und der Raum fĂŒr Interpretationen (und weitere Fragen) geöffnet. Zum Beispiel:
1. Wie wird sich die Liebe entwickeln?
«Dies war keine gewöhnliche Entdeckung.» 1
2. Wie wird sich meine Gesundheit entwickeln?
«Genaugenommen wohnte Konrad Lang nicht in der Villa, sondern in einem PförtnerhÀuschen, einem kalten, feuchten Maueranbau im Schatten des PinienwÀldchens, das die Einfahrt sÀumte.» 2
3. Welche Aussichten habe ich im Beruf?
«Der hoffnungsvolle Dichter schrieb unter der Bank gerade sein achtes Gedicht, Lehrer OndrĂĄĆĄ erwischte ihn dabei, nahm das Heft an sich, schlug es Hugo um den Kopf, ĂŒberlas flĂŒchtig die Verse seines SchĂŒlers und sagte: [...]» 3
4. Wie werden sich meine Finanzen entwickeln?
«Sie mĂŒssen mir aufmerksam zuhören.» 4
5. Wie wird meine Zukunft ganz generell aussehen?
«Diese Nacht, diese Worte, dann die gestellten Fragen und die Antwort auf diese Fragen â nun wird sich alles fĂŒr alle Menschen so sehr Ă€ndern, dass sie sich selber nicht wiedererkennen werden, aber vorerst Ă€ndert sich nichts; alles bleibt so ruhig, so aussergewöhnlich ruhig ĂŒber dem Wasser mit der nahenden DĂ€mmerung, und vor ihrer schönen weissen Farbe raucht der Kamin eines grossen Schiffes, das man nicht sieht.» 5
Die BĂŒcher
1 «Das Tagebuch von Edward dem Hamster, 1990 â 1990», von Miriam Elia & Ezra Elia, Fischer Taschenbibliothek 2017
2 «Small World» von Martin Suter; Diogenes Taschenbuch, 1999
3 «Maiandacht» von Ota Filip, Fischer Taschenbuchverlag, 1980
4 «Die Zeitmaschine» von H. G. Wells, Diogenes, 1974
5 «Sturz in die Sonne» von C. F. Ramuz, Limmat Verlag, 2023
#Welttag des Buches#menschmeyertext#schreiben#menschmeyer#amwriting#amreading#booklover#orakel#literatourdhorizon
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LiteraTour dâHorizon | Zehn SĂ€tze aus zehn BĂŒchern
Neulich bei Twitter: «Lesesafari â Schlage in zehn beliebigen BĂŒchern aus deinem Regal S. 126 auf und lies den ersten kompletten Satz. Was hast du Spannendes entdeckt?»
Entdeckt habe ich dabei mehr als Spannendes, viele schöne SĂ€tze zum Beispiel, pure Poesie im Nachschlagewerk, MerkwĂŒrdigkeiten in der «Erziehungskunst» und eine ĂŒber einhundert Jahre alte Widmung.
So wanderten und ritten sie etwa eine Meile. Geoffrey Trease â Die Reise nach Varna (1996)
Aber die Traurigkeit stieg höher und erreichte seine Knie. RĂ©gis de SĂĄ Moreira â Das geheime Leben der BĂŒcher (2004)
Die Wolken wichen schneller, als wir zu hoffen wagten. Walter Heuer, Max FlĂŒckiger, Peter Gallmann â Richtiges Deutsch; VollstĂ€ndige Grammatik und Rechtschreiblehre unter BerĂŒcksichtigung der aktuellen Rechtschreibreform; Kapitel «Die Konkjunktion» (2004, 26. Auflage)
ErfahrungsgemĂ€ss wirkt auf junge SĂŒnder dieser Art oft heilend, somit heilsam, wenn sie in Sorge, Kreuz, schwere BemĂŒhungen kommen, welche ihr ganzes Sinnen und Denken gewaltsam in Anspruch nehmen. Alban Stolz â Erziehungskunst (1921)
Ist dir, JĂŒngling! denn bei dem Beschauen der Landschaften alter Meister nicht ganz wunderbarlich zu Mute geworden? E.T.A. Hoffmann â NachstĂŒcke. Erster Teil; Die Jesuitenkirche in G. (1817; in der Reclam-Ausgabe von 1999)
Die Archivmappe ergab, dass es in Kymenlaakso noch mindestens zwei Personen mit Selbstmordabsichten lebten. Arto Paasilinna â Der wunderbare Massenselbstmord (2002)
«Und wie war das mit diesem eigenartigen Menschen, dem GĂ€rtner?» erkundigte sich Mr. Hitchcock. Alfred Hitchcock â Die ??? und der weinende Sarg (1988) (Die Seite 126 ist ĂŒbrigens die letzte Seite dieses Buches.)
Der Anruf meiner Frau erreichte mich im Nachbarort. Roland Gallusser â Die Einsamkeit des Landarztes; ErzĂ€hlungen (1978)
Er liess sich eine tĂŒchtige Mauleselin anschirren, versah sich mit Geld, Kleinodien und einigen Lebensmitteln, und nachdem er seinen Leuten gesagt hatte, er wolle ganz allein auf ein paar Tage verreisen, ritt er fort. Dalziels illustrierte «Tausend und eine Nacht» (nicht nach 1893; Widmung von Hand: «FĂŒr Hermann Haagen zu Weihnachten 1893 von Gotthard Keller»)
Derweil lag Gian die Brughi auf seiner RuhestĂ€tte, die struppigen roten Haare voller trockener BlĂ€tter hingen ihm ĂŒber die Stirn, die grĂŒnen Augen röteten sich durch die Anstrengung, und so las er und las, wĂ€hrend er die Kinnbacken beim eifrigen Buchstabieren bewegte und einen mit Spucke benetzten Finger in die Höhe hielt, um gleich die nĂ€chste Seite umwenden zu können. Italo Calvino â Der Baron auf den BĂ€umen (1984)
LiteraTour dâHorizon | Was ist das?
«LiteraTour dâHorizon»: Was ist das? Tour dâHorizon bedeutet so viel wie «Ăberblick, Blickfeld», und die Literatour ist eine Wortschöpfung aus der Literatur und â eben â der Tour.
In loser Folge erscheinen in der LiteraTour dâHorizon Buchbesprechungen, meist von Wiederentdeckungen, hin und wieder auch von Neuerscheinungen und -entdeckungen. Dabei geht es mir nicht darum, brillante Verrisse zu schreiben, sondern das, woran ich Gefallen finde, zu erzĂ€hlen. FĂŒr die Besprechung der Werke werde ich nicht bezahlt und auch sonst in keiner Weise unterstĂŒtzt. Die LiteraTour dâHorizon ist vielmehr ein Liebhaberprojekt und der Versuch, schöne Werke aus den BĂŒcherkisten zu holen und zugĂ€nglich zu machen.
Lese- und Besprechungstipps nehme ich allerdings gerne entgegen. Wer mag, darf mir auch Leseexemplare schicken, wobei ich mir ausdrĂŒcklich vorbehalte, von einer Besprechung abzusehen.
Kontakt: [email protected]
#LiteraTourDHorizon#Literatour#Literatur#AmReading#Lesen#MenschMeyerText#Geoffrey Trease#Regis de Sa Moreira#Walter Heuer#Alban Stolz#ETA Hoffmann#Arto Paasilinna#Hitchcock#Roland Gallusser#1001 nights#Italo Calvino#AmWriting
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Nationalbibliothek, wir kommen!
Gleich zwei Antworten hatte Umberto Eco parat, wenn man ihn fragte, ob er die BĂŒcher in seinen Bibliotheken alle gelesen hatte. NĂ€mlich: «Nein, es sind nur die, die ich bis nĂ€chste Woche lesen muss.» Und: «Ich habe Keines gelesen. Warum sollte ich sie sonst hier aufbewahren?»
Eine Aufgabe der Schweizerischen Nationalbibliothek ist genau das: Das Aufbewahren und Konservieren von SchriftstĂŒcken. Oder wie es auf der Website heisst: «Die Schweizerische Nationalbibliothek sammelt, erschliesst, erhĂ€lt und vermittelt Informationen ĂŒber die Schweiz.» Dass wir von der Nationalbibliothek nun angefragt wurden, zwei unserer Buchprojekte dem Bestand zu ĂŒberlassen, ist uns Ehre und Freude gleichermassen â und so sind die beiden BĂŒcher per Post auf dem Weg nach Bern. đ„ł
Ăber die BĂŒcher
Die «Encyclopaedia Fantastica» versammelt phantastische Familienangelegenheiten, will heissen: In ihr finden sich Illustrationen und LexikoneintrĂ€ge zu den verschiedensten Gestalten, Wesen und SprĂŒchen, die seit vielen Jahren in der Familie zum Standardrepertoire gehören. ISBN: 978-3-033-08288-5
Zu «Das ist Kunst!» haben wir geschrieben: «Warum ein Buch? Und warum ein Buch mit Tautogrammen? Ganz einfach: Weil wirs können. Und weils Spass macht. Die Tautogramme sollen anregen zum Schmunzeln, aber auch zum Weiterdenken: Was ist genau gemeint? Warum ist es gemeint? Und ist es ĂŒberhaupt möglich, von einem einzelnen Buchstaben ausgehend eine ganze Geschichte zu erzĂ€hlen? Soviel vorweg: Ist es, aber nicht ohne EinschrĂ€nkungen und gleichzeitig nicht ohne grösstmögliche Freiheit.» ISBN: 978-3-033-07638-9
Auszug aus der Encyclopaedia Fantastica: Bogomil
BegriffsklÀrung Der Hausgeist Bogomil ist ein liebenswerter, etwas schelmischer Mitbewohner, der mit Menschen unter einem Dach wohnt.
Merkmale Der Hausgeist Bogomil ist ein familientreuer Schutzgeist, das heisst er bleibt stets mit den gleichen Menschen zusammen. Bisher hat noch kein Mensch den Hausgeist zu Gesicht bekommen. Die Abbildung (als Gespenst) auf der linken Seite lehnt an historische Darstellungen des Hausgeistes an. Man ging lange davon aus, dass sich Haus- und andere Geister in Bettlaken kleideten. Heute herrscht allerdings Einigkeit darĂŒber, dass Geistwesen grundsĂ€tzlich unsichtbar sind. Die Vorstellung vom Bettlaken, ist auf die schweren VorhĂ€nge in den alten Burgen (und deren bisweilen Ă€usserst aberglĂ€ubische Bewohner) zurĂŒckzufĂŒhren. So haben sich die VorhĂ€nge in kaum merkbaren LuftzĂŒgen bewegt, der Burg damit eine unheimliche AtmosphĂ€re verliehen und die schreckhaften Burgbewohner verĂ€ngstigt.
Auszug aus Das ist Kunst!
«C»halbsbrodworscht Chefs choched Chlöpfer, Chabis, Cholrabi, Chalbsbrodworscht. Chreis-Cheib-Chunde chömed, cheredi. «ChĂ€s-Chnöpfli, ChĂ€sgipfeli â choge chalt!» chreied Chunde, cheibe Chefs chalbered. Chemifeger chunt, chlotzt chum, chafled, chiflet: «ChĂ€s-ChĂŒechli choge chnuschprig! » Chefs chĂ€rĂ€d: «Chemifeger! Cherum!» Chemifeger chnorzet: «Chnuschtis, ChĂ€s-Chlumpe chocheder. ChrĂŒzsatan!» Chefs chĂŒĂŒchĂ€d. Chemifeger chertum. Chrampfendi Chefs choched chlobigi ChĂ€s-Chalbs-Choscht â Chranki Cheibe chlaued ChlĂ€pf, Chaschper-Cops chillets.
Haben wollen?
Die BĂŒcher sind im Rahmen des Schreibprojekts «Edition Unik» entstanden und können erworben werden. Sie sind in der Schweiz gedruckt und in Leinen gebunden. Da sie «customized» sind, also auf individuellen Wunsch angefertigt werden und nicht in grösserer Auflage erscheinen, ist der StĂŒckpreis nicht mit der WĂŒhlkistenware im Supermarkt vergleichbar. Der etwas höhere Preis lohnt sich aber durchaus.
Der langen Rede kurzer Sinn: Melden Sie sich bei Interesse! [email protected]
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LiteraTour dâHorizon | Der Tunnel
Neunzehnuhrsiebenundzwanzig. Dann soll der Zug in der Stadt anhalten, in der der VierundzwanzigjÀhrige studiert und ein Seminar besuchen soll, das «zu schwÀnzen er schon entschlossen» ist.
Friedrich DĂŒrrenmatt beschreibt in seiner surrealen Kurzgeschichte «Der Tunnel» von 1952 eine Zugreise ins Ungewisse. Protagonist ist der namenlose «VierundzwanzigjĂ€hrige, fett, damit das Schreckliche hinter den Kulissen, welches er sah (das war seine FĂ€higkeit, vielleicht seine einzige), nicht allzu nah an ihn herankomme ...». Der Tunnel ist nur schon darum eine gute Geschichte, weil sie zeitlos ist. NatĂŒrlich, heutzutage gibt es in den ZĂŒgen keine dritte Klasse mehr, das Rauchen ist unpopulĂ€r geworden und die «höchstens hundertfĂŒnf» Stundenkilometer, die der Zug erreicht hat, sind lĂ€ngst nicht mehr rekordverdĂ€chtig. Die zugelassene Höchstgeschwindigkeit auf dem Schweizer Fernverkehrsnetz betrĂ€gt inzwischen ĂŒblicherweise 160km/h, in einigen Tunnels, etwa im Gotthardbasistunnel, sind es sogar 250km/h. Auch serviert man im Speisewagen heuer eher mal GrĂŒnes Thai-Curry mit Poulet oder in Plastik abgepackte KĂ€seplĂ€ttchen statt «Wienerschitzel mit Reis». Der Protagonist durchquert den Speisesaal aber auch nur, um mit ZugfĂŒhrer Keller in den Maschinenraum zu klettern.
Zeitlos ist die Geschichte, weil sie als Metapher fĂŒr das Leben an sich gelesen werden kann. Es ist ein ganz normaler Sonntagnachmittag, als der Protagonist in den «gewohnten Zug, Abfahrt siebzehnuhrfĂŒnfzig, Ankunft neunzehnuhrsiebenundzwanzig» steigt, um zu seinen «nebulösen Studien» zurĂŒckzukehren. Wie ĂŒblich fĂ€hrt der Zug durch einen kurzen Tunnel, der an diesem Sonntagnachmittag aber nicht enden will. Der Zug auf seinen Schienen stellt das geordnete Leben dar, der Tunnel symbolisiert das Unvorhergesehene, das Unerwartete, das Ungewisse. Den oft erst im Nachhinein wahrgenommenen Anzeichen einer VerĂ€nderung Ă€hnlich, hat der VierundzwanzigjĂ€hrige dem Tunnel zuvor nie wirklich Beachtung geschenkt. Und Ă€rgert sich jetzt ein bisschen darĂŒber. «Gespenstisch heiter» bleibt er trotzdem.
Am 26.7.2020 wurde ein Asteroid nach Friedrich DĂŒrrenmatt benannt. Der Autor selbst wurde am 5.1.1921 geboren und starb am 14.12.1990.
Geschichte gelesen in: «FĂŒnfzig Geschichten aus fĂŒnfzig Jahren». Diogenes Verlag. ZĂŒrich. 2002.
LiteraTour dâHorizon von Mensch Meyer
«LiteraTour dâHorizon»: Was ist das? Tour dâHorizon bedeutet so viel wie «Ăberblick, Blickfeld», und die Literatour ist eine Wortschöpfung aus der Literatur und â eben â der Tour.
In loser Folge erscheinen in der LiteraTour dâHorizon Buchbesprechungen, meist von Wiederentdeckungen, hin und wieder auch von Neuerscheinungen und -entdeckungen. Dabei geht es mir nicht darum, brillante Verrisse zu schreiben, sondern das, woran ich Gefallen finde, zu erzĂ€hlen. FĂŒr die Besprechung der Werke werde ich nicht bezahlt und auch sonst in keiner Weise unterstĂŒtzt. Die LiteraTour dâHorizon ist vielmehr ein Liebhaberprojekt und der Versuch, schöne Werke aus den BĂŒcherkisten zu holen und zugĂ€nglich zu machen.
Lese- und Besprechungstipps nehme ich allerdings gerne entgegen. Wer mag, darf mir auch Leseexemplare schicken, wobei ich mir ausdrĂŒcklich vorbehalte, von einer Besprechung abzusehen.
Kontakt: [email protected]
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LiteraTour dâHorizon | Der Schatz des Bucoleon
«Da liess sich Watkins vernehmen: âčIch auch, Eure Lordschaft. Wahrhaftig, das will ich. Wenn Sie mir noch ein Glas Whisky geben, bin ich imstande, gegen sie alle aufzukommen. Jawohl. Ich kann ein Eisen noch schwingen, auch wenn ich eins auf den Kopf bekommen habe. Lassen Sie mich mithalten, meine Herren. Das ist alles, worum ich Sie bitte.âș»
Ein Held bricht auf in eine fremde, gefĂ€hrliche Welt, lernt exotische Orte kennen und trifft auf finstere MĂ€chte. Dabei kann er aber immer auf die Hilfe seiner Getreuen zĂ€hlen und findet erst noch Hilfe an Orten, an denen er sie nicht erwartet. Und am Ende seiner Reise wartet vielleicht sogar ein Schatz. «Der Schatz des Bucoleon» von Howden Smith hat alles, was es fĂŒr eine typische Abenteuergeschichte braucht. Held Hugh Chesby will eigentlich nichts weiter als nach dem Krieg an der Wallstreet viel Geld zu verdienen und «glĂŒcklich werden, reich, zufrieden und fett». Deshalb kam er mit seinem Freund «Jack herĂŒber nach New York, anstatt zu Hause zu bleiben und mich mit meinem Onkel herumzuraufen.» Dieser Onkel allerdings telegraphiert gleich zu Beginn der Geschichte und kĂŒndigt seine baldige Ankunft in New York an, und zwar mit dem Hinweis, er habe endlich das RĂ€tsel um den Schatz gelöst. Der Schatz ist eine Familienlegende der Chesbys, in dem alten englischen Herrenhaus gibt es dutzende Hinweise darauf. Seit Generationen allerdings ist es den Chesbys nicht gelungen, das RĂ€tsel zu lösen. Und nun will also Hughs Onkel James das RĂ€tsel endlich gelöst haben. Hugh glaubt nicht so recht daran und will eigentlich mit der ganzen Geschichte nichts zu tun haben. Sein Freund Jack und seine Cousine Betty hingegen finden die Sache Ă€usserst spannend und wĂŒrden am liebsten gleich abreisen, Hugh wehrt aber ab. Noch. Denn Onkel James wird kurz nach seiner Ankunft in New York ermordet â und Hugh sieht sich gezwungen, sich der Familienangelegenheit anzunehmen. Seine Reise fĂŒhrt ihn von Amerika erst zum Familienwohnsitz nach England und dann bis nach Konstantinopel zum berĂŒhmten «Bucoleon», einem Palast am Marmarameer. Begleitet wird er dabei von seinen Freunden Jack und Nikka, seiner Cousine Betty, deren Vater und Watkins, dem Diener von Onkel James.
Die Abenteuergeschichte ist kurzweilig, bisweilen einfach gestrickt, aber durchaus unterhaltsam. ErzĂ€hlt wird sie aus der Sicht von Jack, der als Ich-ErzĂ€hler nahe am Geschehen ist und seine EindrĂŒcke schildert. Die Sprache ist eine altmodische. So beschreibt Jack den Diener Watkins etwa als: «Plump, recht solide gebaut, mit dem maskenhaften Gesicht eines englischen Faktotums.» Hin und wieder gibt es Ăbersetzungsfehler, zum Beispiel als etwas auf dem «MantelstĂŒck» stehen soll. Damit ist das Kaminsims gemeint, das im Englischen «mantlepiece» heisst.
Aber âŠ
⊠man muss die Geschichte in ihrer Zeit lesen, will heissen: Sie ist nicht frei von kritischer Haltung. So gibt es zum Beispiel den Freund «Nikka, den Zigeunerviolinisten». Ăberhaupt sind bestimmte Beschreibungen aus heutiger Sicht mindestens gewöhnungsbedĂŒrftig, wenn nicht gar untragbar. Erschienen ist das Original in den 1920ern, wahrscheinlich 1923. Allerdings hĂ€tte man, hĂ€tte der Autor Howden Smith, auch schon vor fast 100 Jahren wissen können, dass man allen Menschen mit Respekt begegnen sollte. Gerade einem jungen Mann in den Vereinigten Staaten von Amerika, in dem die (formelle) Abschaffung der Sklaverei kaum drei Jahrzehnte zurĂŒcklag â der 13. Zusatzartikel der Verfassung war 1865 in Kraft getreten, Smith 1887 oder 1888 geboren â hĂ€tte es besser wissen können. Ăber die Persönlichkeit des Autors ist nicht viel bekannt, er soll aus einer alten «New England»-Familie stammen, introvertiert, eher klein und schmĂ€chtig gewesen sein und im Alter von 17 Jahren beschlossen haben, Journalist zu werden. Zeitlebens eine grosse Inspiration soll ihm sein Verwandter Montreville Howden Smith gewesen sein, «British Vice Counsel to Zanzibar and an Africa expert, representative to several importing companies» wie das Real-Estate-Magazin «Brownstoner» mit Sitz in Brooklyn in einem Beitrag von 2014 schreibt. Montreville soll 1901 verantwortlich gewesen sein fĂŒr die grösste Elfenbeinlieferung von Sansibar in die Vereinigten Staaten, eine Fotografie zeigt ihn wohl auf dem Haufen Elfenbein umgeben von Sklaven. Es scheint nicht unbedingt wahrscheinlich, dass man sich im Hause Smith kritisch mit bestehenden Vorurteilen auseinander gesetzt hatte. Ganz im Gegenteil: Howden Smith selbst hat sich mit etwa 20 Jahren selbst in fremde LĂ€nder aufgemacht, und zwar in den Balkan. «Like foreign journalists before and after him, Howden Smith wanted to experience war and adventure firsthand as a newspaper correspondent. He traveled across the Balkans and embedded himself with a group of expat Bulgarians who called themselves âčChetniksâș», heisst es im Brownstoner-Beitrag. Klingt nun auch nicht besonders â nun ja â ĂŒberlegt. 1907 schloss er sich dann einer bulgarischen Untergrundorganisation an, die gegen das Osmanische Reich kĂ€mpfte. Nur ein Jahr spĂ€ter kehrte er allerdings nach New York zurĂŒck, wo er seine Erlebnisse im Buch «Fighting the Turks in the Balkan» niederschrieb. Ausserdem war die Zeit damals reif fĂŒr Abenteuergeschichten, die BlĂŒtezeit der «Pulp Fiction» hatte begonnen.
ZurĂŒck zum «Schatz des Bucoleon»: NatĂŒrlich dĂŒrfen Charaktere so dargestellt werden, dass man sie als Leserin nicht mag, wenn sich dahinter aber eine grundsĂ€tzlich abwertende Haltung verbirgt, so ist das schwierig bis nicht zu ertragen. Howden Smith dĂŒrfte den damals gĂ€ngigen Vorurteilen und Stereotypen gegenĂŒber durchaus unkritisch gegenĂŒber gestanden haben. Allerdings liest sich aus dem Abenteuerroman auch immer wieder Bewunderung heraus. So ist in der deutschen Ăbersetzung zwar von «Zigeunern» die Rede, aber in der Beschreibung des Onkels von Freund Nikka zum Beispiel liegt auch Respekt fĂŒr dessen WillensstĂ€rke und Schlauheit. Alles in allem ist die Frage, ob das Buch heute noch gelesen werden sollte, nicht einfach und allgemeingĂŒltig zu beantworten. Versteht man es als Zeitzeugnis und trĂ€gt beim Lesen die richtige Brille, so ist der «Schatz des Bucoleon» eine unterhaltsame Geschichte, die aber eben auch zum Nachdenken ĂŒber bis heute vorherrschende Stereotypen und Denkmuster anregt. Kaum jemand ist frei davon, problematische Begriffe oder Muster zu reproduzieren. Davon können wir uns nur befreien, wenn wir uns immer wieder damit auseinandersetzen und unser Bewusstsein dafĂŒr schĂ€rfen. Und das kann auch die LektĂŒre alter Geschichten leisten sofern wir willens sind, uns entsprechend damit auseinanderzusetzen.
Howden Smith: «Der Schatz des Bucoleon», Neufeld & Henius, Berlin, vermutlich 1928
LiteraTour dâHorizon | Was ist das?
«LiteraTour dâHorizon»: Was ist das? Tour dâHorizon bedeutet so viel wie «Ăberblick, Blickfeld», und die Literatour ist eine Wortschöpfung aus der Literatur und â eben â der Tour.
In loser Folge erscheinen in der LiteraTour dâHorizon Buchbesprechungen, meist von Wiederentdeckungen, hin und wieder auch von Neuerscheinungen und -entdeckungen. Dabei geht es mir nicht darum, brillante Verrisse zu schreiben, sondern das, woran ich Gefallen finde, zu erzĂ€hlen. FĂŒr die Besprechung der Werke werde ich nicht bezahlt und auch sonst in keiner Weise unterstĂŒtzt. Die LiteraTour dâHorizon ist vielmehr ein Liebhaberprojekt und der Versuch, schöne Werke aus den BĂŒcherkisten zu holen und zugĂ€nglich zu machen.
Lese- und Besprechungstipps nehme ich allerdings gerne entgegen. Wer mag, darf mir auch Leseexemplare schicken, wobei ich mir ausdrĂŒcklich vorbehalte, von einer Besprechung abzusehen.
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LiteraTour dâHorizon | Das Verhör des Harry Wind
Wer macht Meinungen? Der Schweizer Schriftsteller Walter Matthias Diggelmann hat schon 1962 die «MĂ€nner in den ReklamebĂŒros» als Drahtzieher entlarvt, davon handelt auch sein «Verhör des Harry Wind».
«Ich weiss nicht, wie die Russen zu dieser Denkschrift gekommen sind», sage ich, «aber wenn sie sie wirklich besitzen, und wir haben keinen Anlass, daran zu zweifeln, dann heisst das noch lange nicht, dass ich sie ihnen in die HĂ€nde gespielt habe. Ich finde die Haltung, die die Bundespolizei jetzt einnimmt, falsch. Die Bundesbehörde sollte den Leitartikel der âčPrawdaâș als dummdreistes Propagandamanöver abtun, sollte behaupten, die Denkschrift, von der die Rede ist, sei von den Russen angefertigt, meinetwegen erfunden worden. Aber ich fĂŒrchte, dafĂŒr ist es jetzt zu spĂ€t, obgleich die Bundespolizei nichts anderes in den HĂ€nden hat als diesen Leitartikel, nicht einmal die Fotokopie der Denkschrift, und nachdem sich die Amerikaner geweigert haben âŠÂ» Rappold unterbricht mich: «Sie sind gut unterrichtet.»
Protagonist Harry Wind sitzt in Untersuchungshaft und soll fĂŒr Inspektor Rappold seinen Lebensbericht verfassen. Harry Wind ist ein GeschichtenerzĂ€hler, spĂ€testens seit er als kleiner Junge gelernt hat, das gut erzĂ€hlte LĂŒgen lieber geglaubt werden als die langweilige, weil erwartete, Wahrheit. Und aus diesen «Windgeschichten» schlĂ€gt er Kapital, nicht mal wenig. Er wohnt in der ZĂŒrcher «Eierbrecht», wo Nachbar Heniger in den vergangenen Jahren drei RenditehĂ€user gebaut hat. Die nach Harry Winds Meinung ĂŒberzogene Miete von 720 Franken pro Monat lĂ€sst schon erahnen, dass die Geschichte nicht mehr ganz neu ist. In der Tat hat der Schweizer Schriftsteller Walter Matthias Diggelmann den Roman 1962 geschrieben. Die Geschichte von Harry Wind und seinem Verhör ist dennoch eine Zeitlose: Der Protagonist ist ein einigermassen skrupelloser, intelligenter, zynischer Typ, der heute sozusagen zum Standardinventar der Teppichetagen gehört. Das Grundthema des Romans, die Fragen nach der Wahrheit im öffentlichen Diskurs, aber auch in der eigenen LebensrealitĂ€t â hat nichts von seiner GĂŒltigkeit verloren.
Bevor er das «BĂŒro Harry Wind» in ZĂŒrich aufbaut, verkauft er sehr erfolgreich Gartenzwerge. Und zwar in den USA, kurz nach dem zweiten Weltkrieg. In der Bar «La Vie en Rose» in Grennick Village erzĂ€hlt er Journalisten erstmals von der Besessenheit, mit der Frau und Herr Schweizer angeblich Gartenzwerge hegten und pflegten. «Es ist ausgeschlossen, dass wir unsere Gartenzwerge missachten. Stellten wir sie auf den Estrich zum Beispiel, hĂ€tten wir schlaflose NĂ€chte. Die Gartenzwerge wĂŒrden umhergehen, ohne Unterlass umhergehen, und sperrten wir sie in die Keller, wie die Geranien zwischen Herbst und FrĂŒhling, wĂŒrden sie an den Mauern kratzen und nagen, Tag und Nacht, und sie wĂŒrden anfangen zu singen mit ihren röhrenden Stimmen, und schlössen wir sie ein in die Safes unserer BankhĂ€user, dann wĂŒrden sie sich aufblasen, wie Frösche aufblasen und die Safes sprengen! Gartenzwerge wollen geliebt sein, meine Herren.â An das eine hatte ich nicht gedacht: Dass sie meine Geschichte ĂŒber die Gartenzwerge auch wirklich drucken wĂŒrden.»
Die Geschichte wird gedruckt, Harry Wind beginnt, Gartenzwerge in die USA zu importieren und wird damit reich, so reich, dass er «dem SchrotthĂ€ndler eine betrĂ€chtliche Anzahlung an meine hundert Flugzeuge leisten konnte.» SpĂ€ter grĂŒndet er in ZĂŒrich eben jenes BĂŒro, von wo aus er militĂ€rische und politische Meinungsmache betreibt. Auch wenn er das selbst so nicht sagt: «Eine Reklameagentur? Ein ziviles GeneralstabsbĂŒro fĂŒr politische Aktionen? Dann sagen sie, ich sei ein Meinungsschieber. Und offen gestanden, es fiele mir sehr schwer, wenn ich sagen mĂŒsste, was ich wirklich bin und treibe. Von mir aus gesehen: Ich versuche.»
Nun sitzt Harry Wind also in Untersuchungshaft, weil er als Major und GeneralsekretÀr der schweizerischen Wehrmachtgesellschaft Geheimdokumente an die Sowjetunion weitergereicht haben soll.
Ob er das wirklich getan hat und ob er aus der Haft entlassen werden wird? Diese Frage beantwortet sich (fast) von selbst beim Lesen des Romans đ
Das Verhör des Harry Wind von Walter Matthias Diggelmann. Berechtigte Lizenzausgabe fĂŒr den Buchclub Ex Libris ZĂŒrich. Benziger Verlag 1962. Ein PDF ist hier verfĂŒgbar: PDFslide.net
Mehr von Walter Matthias Diggelmann? Hörspiel «Wenn TrĂ€ume wahr werden» von 1975, verfĂŒgbar bei SRF.
Mehr zu Propaganda, PR und politischer Kommunikation? Politische Kommunikation, internationale PR, moderne Propaganda, «creating of consent»? Stories of Conflict von Arte hat da mal was zusammengestellt.
LiteraTour dâHorizon von Mensch Meyer
«LiteraTour dâHorizon»: Was ist das? Tour dâHorizon bedeutet so viel wie «Ăberblick, Blickfeld», und die Literatour ist eine Wortschöpfung aus der Literatur und â eben â der Tour.
In loser Folge erscheinen in der LiteraTour dâHorizon Buchbesprechungen, meist von Wiederentdeckungen, hin und wieder auch von Neuerscheinungen und -entdeckungen. Dabei geht es mir nicht darum, brillante Verrisse zu schreiben, sondern das, woran ich Gefallen finde, zu erzĂ€hlen. FĂŒr die Besprechung der Werke werde ich nicht bezahlt und auch sonst in keiner Weise unterstĂŒtzt. Die LiteraTour dâHorizon ist vielmehr ein Liebhaberprojekt und der Versuch, schöne Werke aus den BĂŒcherkisten zu holen und zugĂ€nglich zu machen.
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LiteraTour dâHorizon | Was ist das?
«LiteraTour dâHorizon»: Was ist das? Tour dâHorizon bedeutet so viel wie «Ăberblick, Blickfeld», und die Literatour ist eine Wortschöpfung aus der Literatur und â eben â der Tour.
In loser Folge erscheinen in der LiteraTour dâHorizon Buchbesprechungen, meist von Wiederentdeckungen, hin und wieder auch von Neuerscheinungen und -entdeckungen. Dabei geht es mir nicht darum, brillante Verrisse zu schreiben, sondern das, woran ich Gefallen finde, zu erzĂ€hlen. FĂŒr die Besprechung der Werke werde ich nicht bezahlt und auch sonst in keiner Weise unterstĂŒtzt. Die LiteraTour dâHorizon ist vielmehr ein Liebhaberprojekt und der Versuch, schöne Werke aus den BĂŒcherkisten zu holen und zugĂ€nglich zu machen.
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Bemerkenswerte SĂ€tze
«Geschichten haben nÀmlich den Vorteil, dass sie nicht kaputtgehen oder aus der Mode kommen.»
Aus: Der Adventskalender â 24 Tage im Weihnachtsland, Die drei Fragezeichen Kids, Kosmos, 2016
Was sind schon NĂŒssli und Schöggeli im Adventskalender, wenn man auch Geschichten haben kann?
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Zwei alte Frauen
In der kalten Jahreszeit erforderte das Jagen mehr Kraft als gewöhnlich. Deshalb bekamen die JĂ€ger zuerst zu essen, denn ihr Geschick war es, von dem das Leben des Volkes abhing. Doch da so viele MĂ€uler zu stopfen waren, war der Vorrat an Nahrung sehr schnell erschöpft. [âŠ] In diesem Nomadenverbund lebten auch zwei alte Frauen, um die sich das Volk jahrelang gekĂŒmmert hatte. [âŠ] An diesem Tag lag etwas Schwereres als nur die KĂ€lte in der Luft, wĂ€hrend das Volk um die wenigen flackernden Feuer versammelt war und dem HĂ€uptling zuhörte. [âŠ] Dann machte er plötzlich eine AnkĂŒndigung: «Wir werden Alten zurĂŒcklassen mĂŒssen.»
Zwei alte Frauen von Velma Wallis ist eine Sage vom Volk der Gwichâin, einem indigenen Volk am Polarkreis in Alaska. Und es ist eine Legende, die von Verrat und Tapferkeit erzĂ€hlt, eine Legende, die heute nichts an AktualitĂ€t verloren hat, ganz im Gegenteil: Sie erzĂ€hlt vom Zusammenhalt in schwierigen Zeiten und KrĂ€ften, die nur gemeinsam mobilisiert werden können.
Velma Wallis hat die Geschichte aufgeschrieben, die ihre Mutter ihr in der Sprache der Gwichâin erzĂ€hlt hat. Es geht um die beiden alten Frauen Saâ und Châidzigyaak, die wĂ€hrend eines besonders harten Winters von ihrem Stamm zurĂŒckgelassen werden. Die Alten sind in Zeiten der Hungersnot nichts weiter als eine BĂŒrde, die es zusĂ€tzlich zu den jungen, gesunden Menschen zu ernĂ€hren gilt. Die Legende ist schon viele hundert Jahre alt, aber sie ist heute so wichtig und richtig wie einst: Es geht um Respekt, um WĂŒrde und darum, dass eine Gemeinschaft nur dann funktioniert, wenn auch die SchwĂ€chsten gestĂ€rkt werden.
Die deutsche Ăbersetzung von Christel Dormagen ist lebendig, kurzweilig und berĂŒhrend. Die bittere, unausweichliche KĂ€lte wird spĂŒrbar in SĂ€tzen wie: «Hin und wieder war ein StĂŒck blauer Himmel zu sehen, doch die meiste Zeit nahmen die Frauen nur ihren eigenen gefrorenen Atem wahr, der sich in dichten Wirbeln vor ihren Augen sammelte.» In anderen Szenen spĂŒrt man den Schmerz der Frauen, aber auch die Kraft, den Lebensmut, der manchmal zu brechen droht, aber am Ende doch allen Widrigkeiten trotzt: «âčWir werden ihnen beweisen, dass sie beide unrecht haben! Das Volk. Und der Tod!âș Sie schĂŒttelte den Kopf und wies in die Luft. âčSicher, er wartet auf uns, dieser Tod. Bereit, in dem Augenblick nach uns zu greifen, da wir unsere schwachen Stellen zeigen. Ich fĂŒrchte diese Art Tod mehr als alles Leiden, das wir, du und ich, durchstehen mĂŒssen. Wenn wir dennoch sterben, so lass uns handelnd sterben!âș [âŠ] Und so lĂ€chelte sie denn, anstatt Trauer darĂŒber zu empfinden, dass es nichts weiter zu tun und zu sagen gab.» Bezaubernde Bilder von Heinke Both illustrieren die Geschichte eindrĂŒcklich und einfĂŒhlsam.
Velma Wallis: Zwei alte Frauen â Eine Legende von Verrat und Tapferkeit, 11. Aufl. 1998, Wilhelm Heyne Verlag MĂŒnchen.
Velma Wallis (*1960) ist Schriftstellerin. Der Bestseller Zwei alte Frauen wurde 1993 mit dem Western States Book Award ausgezeichnet und ist seit dem Erscheinen in 17 Sprachen ĂŒbersetzt worden.
Christel Dormagen (*1943) ist Ăbersetzerin fĂŒr angelsĂ€chsische Literatur und Journalistin.
Heinke Both (*1964) ist KĂŒnstlerin, sie werkt und wirkt in Hamburg.
Das Volk der Gwichâin lebt im Grenzgebiet zwischen Kanada und Alaska und gehört den Athabasken-StĂ€mmen an. Nach der mĂŒndlichen Ăberlieferung lebt das Volk schon seit grauer Vorzeit zwischen Porcupine- und Yukon-River und folgt den Karibus in dieser Gegend. Im Alaska Native Language Archive der UniversitĂ€t von Alaska, Fairbanks, finden sich diverse Ăbersetzungen von und in die Sprache der Gwichâin.
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Bemerkenswerte SĂ€tze
«The boy hit the wall. âI donât want to be a knight! I want to be a great sorcerer! I want to slay demons and walk with the godsâ â âDâyou think I want to be a lady?â his sister asked. ââWalk slowly, Alanna,ââ she said primly. ââSit still, Alanna. Shoulders back, Alanna.â As if thatâs all I can do with myself!â She paced the floor. âThere has to be another way.â»
Aus: Alanna â The First Adventure, Tamora Pierce, Simon Pulse Publishers, 1983
And â of course â there is another way. Quite another way...
Tamora Pierce hat mit ihrer Welt «Tortall» ein unvergleichliches Universum kreiert und erzĂ€hlt im Quartett «Song of the Lioness» eine wunderbare Geschichte von Mut, Willen und kleineren und grösseren Tricksereien. Aber seien wir ehrlich: Wenn man sich als rothaariges MĂ€dchen mit violetten Augen acht Jahre lang als Junge ausgeben muss, um Ritter(in) zu werden zu dĂŒrfen, da dĂŒrfte man schon auch mal tricksen dĂŒrfen ;-)
Als Tamora-Pierce-Fan versteht man diese 13 Punkte ĂŒbrigens sehr gut: «Being in love with crow-dude»
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Bemerkenswerte erste SĂ€tze
«Ding Dong.»
Aus: Die KĂ€nguru-Chroniken, Marc-Uwe Kling, Ullstein, 2012
Und weiter gehts in herrlichem Tempo:
«Es klingelt. Ich gehe zur TĂŒr, öffne und stehe einem KĂ€nguru gegenĂŒber. Ich blinzle, kucke hinter mich, schaue die Treppe runter, dann die Treppe rauf. Kucke geradeaus. Das KĂ€nguru ist immer noch da.»
Marc-Uwe Kling schreibt fĂŒrs Hören. Wolf Schneider hĂ€tte (oder hat?) seine Freude dran, denn er rĂ€t: «Der ideale Text fĂŒr Hörer wie fĂŒr Leser ist an die gesprochene Sprache angelehnt, durch Niederschrift diszipliniert und fĂŒr die Ohren geschrieben. [âŠ] Die Basis fĂŒr alles, was wir schreiben, sei unsere natĂŒrliche Rede. Wir sollten dann nur
unsere SĂ€tze zu einem grammatisch korrekten Ende bringen;
von unseren Wörtern die flapsigen wÀgen, die vulgÀren tilgen und das treffendste noch suchen;
auf Wiederholungen verzichten (falls sie nicht zur «schönen Redundanz» gehören);
das mutmassliche Ăbermass an FĂŒllwörtern beseitigen.»
Weiter lesen in: Wolf Schneider, Deutsch fĂŒr junge Profis, Rowohlt, 2011, S. 135-138
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Bemerkenswerte SĂ€tze
«Ich las und war ein Schiff auf Reisen.»
Aus: Das BlĂŒtenstaubzimmer, ZoĂ« Jenny, btb, 1999
Wie ein Schiff auf Reisen fĂŒhlt sich die Protagonistin, wĂ€hrend Sie die von Hand geschriebenen Namen auf Couverts liest: «In den Schulferien arbeitete ich auf der Post und sortierte Briefe. Bei den von Hand geschriebenen Briefen las ich die Namen, und in meinem Kopf tauchten Personen auf, die miteinander zu reden begannen, wĂ€hrend ich unsichtbar dabei sass und zuhören konnte, und in diesen Momenten war mir, als ob ich einen geheimen Zugang zu dem Leben fremder Menschen erfunden hĂ€tte, die mich nicht kannten, die aber ihrerseits, da ich ihre Namen und ihre Handschrift in meinen HĂ€nden hielt, in mir Platz nahmen und wohnten und sich ausbreiteten, als wĂ€re ich das Haus ihrer Geheimnisse.»
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Bemerkenswerte erste SĂ€tze
«Um sieben Uhr wĂŒrden sie kommen.»
Aus: SpÀtholz, Walter Kauer, Rowohlt, 1997
Der erste Satz ist entscheidend, das wissen wir nicht erst seit Francks Aufmerksamkeitsökonomie und dem Platzen verschiedener Blasen. Walter Kauer ist es in seiner dĂŒsteren ErzĂ€hlung «SpĂ€tholz» wunderbar gelungen, die Leser mit dem ersten Satz vor dem raschen Abspringen zu bewahren und spĂ€testens mit dem zweiten und dritten Satz gelingt es ihm, die Leser so richtig festzunageln:
«Sie kommen immer am frĂŒhen Morgen, wenn sie etwas Ungutes vorhaben. Im Morgengrauen werden Verurteilte abgeholt.»
Und dann, wenn man schon meint, mit dem Bergbauern Rocco ginge es gleich zu Beginn zu Ende, kommt man in den Genuss von SĂ€tzen wie: «Kein Terzoner Bauer, mit Ausnahme von Rocco Canonica, rĂŒhrte Pilze auch nur an, geschweige dass er davon gegessen hĂ€tte. Pilze galten als Ausgeburten der Hölle, als Wesen, die sich von giftigem Erdreich ernĂ€hrten, von Abfall und Verwesung.»
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Bemerkenswerte SĂ€tze
«Aton? Sagtest du tatsÀchlich Aton?»
Aus: Die Prophezeiung, Ueberreuter, Wolfgang und Heike Hohlbein, 1993
Eine wahrlich phantastische Geschichte aus dem alten Ăgypten. Petach, Schöpfer- und Schutzgott der alten Ăgypter, hat genug vom ewigen Leben und will endlich sterben dĂŒrfen. Aton aber, dessen «Alter» ĂŒbrigens nicht zu geizig fĂŒr das N war, hat etwas, das Petach dafĂŒr braucht. Und so findet sich der 15-jĂ€hrige Aton plötzlich im Land am Nil der Götterwelt gegenĂŒberstehend. Ein kurzweiliges LesevergnĂŒgen.
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Bemerkenswerte erste SĂ€tze
«Eines Morgens im SpĂ€tsommer 1930 entdeckten der Besitzer und mehrere GĂ€ste des Hotels Union in Crestcrego, Texas, zu ihrem Ărger, dass auf der Löschunterlage des Hotelschreibtisches frischgeschriebene BibelsprĂŒche prangten.»
Aus: Dem Himmel bin ich auserkoren von Thornton Wilder, Ăbersetzung Herberth E. Herlitschka, Fischer BĂŒcherei KG, 1960, erstmals erschienen mit dem Titel Heavenâs My Destination.
Thornton Wilders Geschichte um George Marvin Brush, der in verschiedenen Staaten versucht, Seelen zu retten und ein guter Mensch zu sein, ist ein zauberhaftes Gleichnis ĂŒber uns Tun und Werken, ĂŒber unser Sein und Schein, ĂŒber unser Menschsein. Die LektĂŒre lohnt sich!
Ăbrigens: Der Spiegel hat sich 1948 mit Thornton Wilder unterhalten: Das Feuer darf nicht verlöschen.
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Bemerkenswerte SĂ€tze
«Thomas wusste, dass dies nicht ĂŒberall so war.
âčAber glaube mir, draussen auf dem Land und in den StĂ€dten, sogar in anderen Klöstern, geht es bei der Fastenzeit nicht so ruhig zu wie bei uns. Der Erzbischof und KurfĂŒrst von Trier hat erst kĂŒrzlich verlautbaren lassen: âșIst ein Priester so betrunken, dass er die Psalmen nur noch lallt, soll er zwölf Tage von Brot und Wasser leben. Ist ein Mönch so voll, dass er speit, soll er 30 Tage Busse tun. Ist ein Bischof so besoffen, dass er in die Hostie kotzt, muss er 90 Tage bĂŒssen. Dieser Spruch hat schnell die Runde durch das ganze Reich gemacht und ist etwas dran!âș»
Aus: Der Bierzauberer von GĂŒnther Thömmes, Gmeiner Original, 2008.
«Thomas war auch hier nicht um eine Antwort verlegen: âčEine der Ă€ltesten Regeln unseres Klosterlebens ist âșliquida non frangunt ieuneum â FlĂŒssiges bricht das Fasten nicht.âč Das hat uns Brauer immer beliebt gemacht.âș Und gefastet wurde viel im Kloster.»
«âčEin böses Weib, ein saures Bier, behĂŒtâ der Himmel uns dafĂŒr.âș Das hĂ€ngte Niklas ins Sudhaus seiner Brauerei.»
Der «Bierzauberer» GĂŒnther Thömmes liefert mit seinem gleichnamigen Roman eine kurzweilig-informative Geschichte zur Entstehung des Bieres und der Braukultur. Er lĂ€sst den jungen Niklas das Brauen erlernen und vor allem perfektionieren, und zwar auf allen Ebenen.
Mehr zu GĂŒnther Thömmes auch bei den «Hopfenhelden»: http://www.hopfenhelden.de/bierzauberei/
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