Tumgik
noexpertblog · 11 years
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Über Abschied und Ankunft | About departure and arrival
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English translation below
Über meine allerletzten Wochen in Ghana gibt es im Prinzip nicht mehr so viel zu erzählen.
Ich bestieg den höchsten Berg des Landes, der mit 885m allerdings eher ein Spaziergang ist und duschte danach unter einem dreißig Meter hohen Wasserfall.
Dann war ich noch für eine gute Woche Surfen in Busua zusammen mit einigen anderen Freiwilligen. Schließlich fuhr ich wieder zurück nach Accra, wo ich die letzten Tage mit spannenden Dingen wie Zimmer aufräumen und packen verbrachte.
Wie schon bei der Abfahrt von Deutschland nach Ghana brauchte ich wieder lange, um zu realisieren, dass ich das Land verlassen würde. Ghana war einfach so real und Deutschland so weit weg. Die letzten Wochen waren zu einem verwaschenen Klumpen Zeit zusammengeschmolzen, mit dem mein Bewusstsein nicht mithalten konnte.
Erst als ich die Kinder am Dienstagabend umarmte und mit dem Bus ein letztes Mal durch die mir so vertrauten Straßen fuhr, realisierte ich erst meinen nahenden Abflug und wie viel ich vermissen würde.
Der Flug von Accra nach Istanbul mit Turkish Airlines war wenig ereignisreich, schlafen konnte ich aber trotzdem überhaupt nicht. Immerhin hatte ich einen schönen Blick auf Tripolis bei Nacht und einen tollen Sonnenaufgang über dem Mittelmeer. Außerdem könnte Turkish Airlines meine Lieblingsfluggesellschaft sein, weil es Ayran auf dem Getränkewagen gibt.
Im Transit in Istanbul warteten Flo und ich zusammen, bis er schließlich nach Wien weiterflog und ich nach Frankfurt. Ich meinte zu ihm, dass ich irgendwie noch erwarten würde, dass hinter einer Ecke ein Clown hervorspringt, der uns mitteilt, dass wir Opfer eines Streichs geworden sein und noch gar nicht der 11. September ist. Der kam aber nicht.
Schließlich kam ich um 14:10 in Frankfurt an und ich musste grinsen, weil es so viele merkwürdige Dinge gibt: Die Passagiere sprangen sofort auf, sobald das Anschnallzeichen erlosch, obwohl die Tür noch gar nicht geöffnet war. Als sich schließlich doch die Tür öffnete, eilten sie durch Flure nach draußen, die so leer aufgeräumt und sauber waren, dass ich kein Problem damit hätte, ohne Teller darauf zu essen. Wer macht sich denn die Mühe, das alles aufzuräumen?
Im Flughafen entfernte ich mich einmal fünfzig Meter von meinem Koffer, wahrscheinlich weil mein einziger Schlaf seit 31 Stunden ein kurzes Nickerchen auf einer Flughafenbank in IST gewesen war. Prompt wurde ich ausgerufen. Die eine Dame am Schalter erklärte, dass sie bereits den Sicherheitsdienst gerufen habe und gab mir einen Blick, der verriet, dass es ihr mindestens den heutigen Tag versauen würde, dass sie den jetzt zurückrufen musste. Die andere Dame fragte mich, wieso ich den Koffer dort stehen gelassen habe.Als ich meinte, dass ich ihn wahrscheinlich einfach aus Übermüdung dort stehen gelassen habe, gab sie mir einen mitleidigen Blick, als ob ich ihr erzählt hätte, dass ein kleiner Wurm langsam mein Gehirn von innen auffrisst. In Ghana hätte ich ein „Don't worry.“ oder „No problem.“ erwartet. In Deutschland muss man funktionieren.
Nun fahre ich direkt vom Flughafen mit der Bahn zu dem Rückkehrerseminar des ICJA. Voraussichtlich komme ich am Sonntag, dem 15.9., abends in München an.
Die Bahn ist übrigens beeindruckend komfortabel. Als ich meinen Koffer und meine zwei Rucksäcke in die zweite Klasse hiefte, und dann die Beinfreiheit sah, in der man in Ghana sicherlich noch zwei Ziegen oder einen Röhrenfernseher und ein Kind untergebracht hätte, stieg ich sicherheitshalber noch einmal aus, um nachzuschauen, ob ich nicht aus Versehen in der ersten Klasse gelandet bin.
Ich glaube, ich bediene gerade einige Klischees und mein Sarkasmus ist mit mir durchgebrannt. Ganz so stimmen meine Wertungen wohl auch nicht. Momentan hoffe ich, dass mein Magen Milchprodukte und glutenhaltige Kohlenhydrate nicht vollkommen verweigert. Ich komme schon irgendwann wieder klar mit Deutschland. So schlimm ist das Land ja jetzt auch nicht :-)
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There isn't that much to be told about my very last weeks in Ghana..
I climbed the country's highest mountain, but regarding its altitude of 885m/2904ft, that's rather a nice little walk. Afterwards, I took a shower under a hundred-foot-waterfall.
Then I spend one and a half weeks surfing in Busua together with a bunch of other volunteers. In the end, I drove back to Accra where I spent my last days with exciting things such as tidying up the room and packing my things.
As I already experienced when I left from Germany to Ghana, it took me a long time again to grasp that I would leave the country. Ghana just was so real and Germany so far away. The last weeks kind of melt together to a blurred chunk of time that my conscience couldn't keep up with it.
It was after hugging the kids on tuesday night and driving through those familiar streets one last time, that I finally realized how close my departure was and how many things I would miss.
There was hardly any remarkable events on our flight with Turkish Airlines from Accra to Istanbul but I couldn't sleep anyway. At least, I had a beautiful view on Tripolis at night and a great sunrise over the Mediterranean sea. Furthermore, Turkish Airlines might be my favorite airline as they serve Ayran among their drinks.
Flo and I waited together in the transit area in Istanbul until he left for Vienna and I went to Frankfurt. I told him, that I was somehow expecting a clown to jump out behind some corner telling as that we had become the victims of a prank and that it wasn't September 11 yet.
In the end, I arrived in Frankfurt at 14:10 and I started grinning because there is such a lot of weird things: The passengers jumped up immediately as soon as the seat belt sign were switched off even though the doors weren't open yet. As soon as the door finally opened, they hurried out through hallways that were so clean that I would seriously consider eating from it without a plate. Who cares for cleaning all this up?
At the airport, I walked away from my bag about fifty yards from my suitcase, probably because my only sleep within the last 31 hours had been a short nap on an airport bench in IST. I was called via loudspeaker immediately. One lady at the counter told me that she had already called the airport security. The way she glanced at me expressed that calling back the security would ruin at least today. The other lady asked why I had left my suitcase over there. When I explained that I probably forgot it because I was really tired, she gave me a compassionate look as if I had told her that a small worm was eating my brain from the inside. In Ghana, I would have expected something like “Don't worry.” or “No problem.” In Germany, you've got to function.
Now I am going from the airport straight to ICJA's return camp by train. I am expecting to return to Munich Sunday night (September 15).
By the way, German trains are impressively comfortable. After I managed heaving my suitcase and my to backpacks into the second class compartment, I was really surprised about the legroom that would surely have been enough to store two goats or a CRT tv and child in Ghana. I got off the train one more time to make sure that I hadn't accidentally gone to the first class compartment.
I guess, I am using quite a bunch of clichées right now and my sarcasm is a little out of control. My judgments are probably not entirely true. At the moment, I am hoping that my stomach won't totally refuse dairy products and carbohydrates with gluten. I will eventually get along with Germany again. After all, the country isn't that bad :-)
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noexpertblog · 11 years
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Mein Abschlussbericht
Dies ist mein Abschlussbericht, den ich für meine Freiwilligendienstorganisation verfasst habe.
Am Dienstagabend in weniger als vier Wochen fliege ich aus Ghana zurück nach Deutschland, womit mein Freiwilligendienst endet. Freiwilligendienst ist ein interessantes Wort. Was genau ist eigentlich der Dienst, den ich freiwillig geleistet habe?
Vordergründig ist das natürlich erst einmal die freiwillige Arbeit, die ich in meinem Projekt Echoing Hills Village Ghana geleistet habe. In meinem Halbjahresbericht habe ich die Arbeit in diesem Heim für Menschen mit geistigen und körperlichen Behinderung und für Waisen ausführlich beschrieben. An meinem normalen Arbeitsablauf hat sich in der zweiten Hälfte nichts Wesentliches geändert. Für die letzten Monate waren meine einzigen Mitfreiwilligen Sam und Flo und es ist ein weiterer ghanaischer Pfleger ins Projekt gekommen, Christian.
Um die Halbzeit hatte ich einen starken Durchhänger in Sachen Motivation. Obwohl ich die Kinder nach wie vor sehr gerne mochte, war ich unzufrieden mit dem was ich tat. Ich hatte das Gefühl, dass ich faul sei und nichts erreichen würde. Dieses Gefühl hielt noch eine ganze Weile während der zweiten Hälfte an, legte sich dann aber nach und nach.
Jetzt habe ich das Gefühl, dass dieses Motivationstief ein Mentalitätskonflikt war, der in mir herrschte. Ich versuchte meine Arbeit in Echoing Hills mit irgendwelchen greifbaren Symbolen zu beschreiben, um auszudrücken, was ich tat.
Jedoch war das nur schwer möglich, da meine Arbeit wesentlich darauf beruhte, die Bewohner kennenzulernen, mit ihnen zu leben und eine freundschaftliche Beziehung zu ihnen aufzubauen. Das alles sind Bestandteile, die sich schwer mit „Meilensteinen“ beschreiben lassen. Erst als ich diesen Wunsch nach greifbaren Symbolen ablegte und die Dinge spontaner auf mich zukommen ließ, füllte sich das Motivationsloch.
Ein weiteres Problem, dass ich zu der Zeit hatte, war, dass mir die Arbeit wenig abwechslungsreich vorkam.
Auch wenn der Tagesablauf für den Rest des Jahres grundsätzlich der selbe blieb, fand ich doch einige Aktivitäten, die mir Abwechslung verschafften. Ich fand einige englische Kinderbücher, wie z.B. Dr. Seuss-Bände, die einfach an das selber lesen heranführten und animierte die Kinder dazu, selber zu lesen. Selbst die Kinder, die in die Schule gehen, haben häufig Probleme, Wörter zu lesen, die sie zwar schon verbal verwenden, aber noch nie gelesen haben. Ich habe das Gefühl, dass ihre Schule mehr Wert darauflegt, den Kindern buchstabieren beizubringen, als darauf, unbekannte Wörter zu lesen.
Ab und zu machten wir nachmittags Spaziergänge durch die Nachbarschaft mit den Bewohnern. Dabei amüsierte mich immer, dass ganz viele Leute aus der Umgebung Okoe, einen der Bewohner kannten. Wenn wir durch die Straßen liefen, schauten die Mechaniker, Handwerker, Bäcker oder Verkäufer von ihrer Arbeit auf und riefen: „Okoe, how are you?“
Okoe ist mit 48 Jahren einer der ältesten Bewohner von Echoing Hills. Als er jünger war, war die Umgebung noch weniger ausgebaut und es gab weniger Verkehr, sodass Okoe häufig alleine Spaziergänge in der Nachbarschaft machte. Anscheinend haben ihn immer noch viele Leute in Erinnerung behalten.
Am Wochenende machten wir manchmal Ausflüge mit einigen der Bewohner. Wir gingen an den Strand oder ins Kino. Mich freute es immer sehr zu sehen, wie gut das den Kindern gefiel und wie dankbar sie für solche Ausflüge waren. Natürlich mussten wir immer sehr vorsichtig sein, da die meisten Bewohner wie allgemein viele Menschen in Ghana nicht schwimmen konnten.
Ich erinnere mich noch gut an Amis ersten Ausflug an den Strand. Auf der Fahrt dahin erzählte sie, dass sie ganz sicher keine Angst vor dem Wasser haben werde. Als wir dann über eine Hügelkuppe gingen und auf einmal den Ozean waren, blieb aber ihr Mund offen stehen und sie machte erstmal einen Schritt zurück. Schon nach wenigen Minuten überwand sie aber ihre Angst und ging ins Wasser, was ihr sichtlich viel Spaß machte.
Häufig lieh ich nachmittags Joanita meinen Computer und half ihr, auf Facebook zu gehen. Joanita sitzt im Rollstuhl und kann weder selbst essen noch ihrer Körperpflege nachgehen und kann auch nicht sprechen. Sie ist jedoch geistig gar nicht oder nur sehr wenig eingeschränkt und sie kann mittels Kopfschütteln und Kopfnicken Fragen beantworten. Die Freiwilligen, die vor mir in Echoing Hills waren, haben ihr einen Facebook-Account eingerichtet, womit Joanita mit ehemaligen Freiwilligen, Freunden und Familie in Kontakt bleibt. Es ist ihr sogar wichtig, Menschen zu schreiben, die sie schon seit Jahren nicht gesehen hat. Manchmal schrieb sie selbst, indem sie mit einem Stift im Mund die Tastatur bediente, manchmal versuchte ich durch Fragen herauszufinden, was sie schreiben möchte und tippte für sie.
Neben der Arbeit, die man verrichtet, leistet man während dem Freiwilligendienst jedoch noch einen anderen Dienst, nämlich den interkulturellen Austausch. Während meine eigentliche Arbeit voraussichtlich kaum nachhaltige Effekte haben wird, erwarte ich, dass die Effekte des interkulturellen Austauschs noch lange anhalten werden.
Insbesondere am Anfang dieses Freiwilligendienstes war ich erstaunt darüber, wie stark negative Aspekte des Lebens in Afrika in Deutschland überspitzt werden.
Während Malaria in Deutschland von vielen Menschen als äußerst gefährliche Krankheit angesehen wird, nehmen die meisten Ghanaer Malaria zwar ernst, aber sind auch gewiss, dass sie sich mit rechtzeitiger Behandlung innerhalb von einem Tag nach dem Fieberbeginn schon deutlich besser fühlen werden und nach zwei oder drei Tagen schon wieder arbeiten können. Vermutlich hatte ich auch einmal Malaria, ich bin jedoch nicht einmal ins Krankenhaus gegangen. Als ich an einem Abend vierzig Grad Fieber hatte, redete ich einfach mit der Frau des Pastors in Echoing Hills, die Krankenschwester ist. Sie meinte, nachdem ich ihr meine Symptome beschrieb, dass es Malaria sein könnte und ich einfach ein Malariamedikament nehmen sollte, das sie mir gab. Damit konnte ich schon drei Tage später wieder arbeiten.
Mit den anderen Lebensumständen hatte ich schon anfangs nie Probleme. Es hat mich nie gestört, dass ab und zu der Strom ausfällt und ich dann in der Trockenzeit schwer einschlafen kann, weil der Ventilator nicht läuft oder ich gerade nicht ins Internet kann, weil der Laptopakku leer ist.
Auch dass in meinem Projekt manchmal das Geld knapp ist, um alle Wassertanks auf einmal aufzufüllen und wir dann nur noch zwei oder drei Mal am Tag die Toilette spülen, weil man dafür Wassereimer von draußen hereinbringen muss, hat mich eigentlich auch nie besonders gekümmert.
Die stets kalten Duschen mit kleinen Eimern statt mit einer Brause fand ich eigentlich immer eher erfrischend als zu kalt.
Auf den meisten Trotro-Statíonen liegt viel Müll auf dem Boden. Klar, das ist irgendwie unschön, aber es hat mich noch nie davon abgehalten Trotro zu fahren.
Im Trotro ist es manchmal eng und wenn es Stau gibt, dann gibt es kaum noch Fahrtwind, wodurch es auch heiß werden kann, aber da ich gern herumreiste, nahm ich das immer ohne Weiteres in Kauf. Nur bei Fahrten über fünfeinhalb Stunden Fahrtzeit entschied ich mich meist für einen der größeren Busse mit Klimaanlage.
Ironischerweise fiel bei einer sechsstündigen Fahrt mit einem der großen Busse einmal die Klimaanlage aus, wodurch es trotz der geräumigen Sitze sehr unbequem wurde, weil sich im Gegensatz zum Trotro in diesem modernen Bus keine Fenster öffnen ließen und es deshalb stickig und heiß wurde.
Ich möchte mit diesen Beispielen ausdrücken, dass ich der Meinung bin, dass man, wenn man zum ersten Mal nach Ghana reist und zuvor noch nie in Westafrika war, durchaus vorbereitet sein sollte, dass die Lebensbedingungen ungewohnt sein können. Dies sollten einen aber meines Erachtens auf keinen Fall davon abhalten, nach Ghana zu kommen.
Angst vor dem Land Ghana ist meiner Meinung nach unbegründet, da die Bedrohungen, von denen man in Deutschland hört, bewältigbar sind: Ich habe mit gesundem Menschenverstand aber ohne übertriebene Vorsicht Kriminalität vollständig umgangen und bin trotzdem manchmal die ganze Nacht in der Stadt geblieben. Malaria lässt sich meist vermeiden und wenn man sich doch ansteckt, kann der Störfaktor auf ein Minimum reduziert werden, wenn innerhalb eines Tages Medikamente einnimmt, die es in den allermeisten Apotheken gibt. Und davor, dass man sich in der ungewohnten Umgebung nicht zurechtfindet oder das Transportsystem nicht versteht, muss man sich auch nicht fürchten, da die meisten Ghanaer in dieser Hinsicht hilfsbereit sind. Allerdings empfiehlt es sich, mehrere Ghanaer nach der Richtung zu fragen, wenn man sich nicht auskennt, da manche einem eine zufällige Richtung sagen, wenn sie es selber nicht wissen oder einen nicht genau verstehen. Ich denke nicht, dass sie das aus Bösartigkeit tun, sondern eher, weil sie einem trotzdem helfen möchten und es ihnen vielleicht peinlich ist, dass sie einem nicht die Richtung sagen können.
Neben den unterschiedlichen Vorurteilen über Gefahren in Afrika ist mir in diesem Jahr noch ein weiteres Vorurteil richtig vor Augen geführt worden, dass meines Erachtens großen Schaden in Ghana und vermutlich auch vielen anderen afrikanischen Ländern anrichtet, obwohl es im ersten Moment fast harmlos klingt: Viele Deutsche sind der Meinung, dass Afrika so sehr an Armut leidet, dass man dem Kontinent mit materieller Hilfe zur Seite stehen muss. Deshalb werden Güter und Geld an viele Länder auf dem afrikanischen Kontinent gespendet, wodurch eine große Abhängigkeit hergestellt wird.
Bei Geldspenden müsste meines Erachtens sehr genau kontrolliert werden, wohin das Geld geht und wie viel Geld fließt. Ich finde, dass diese großen, anonymen Geldströme deutlich mehr Korruption verursachen können als marktwirtschaftliche Geschäfte, da auf dem Weg zum geplanten Empfänger häufig zu viele Instanzen sind, die sich mit irgendeinem Vorwand einen Teil abzweigen können, während in einem gewinnorientierten Wirtschaftsthema es meist eine genaue Kontrolle des Geldverbleibs gibt. Durch diese Aufteilung der SPenden wird zum Einen der geplante Empfänger um einen Teil der Spende beraubt. Wenn es sich hierbei um Kinder handelt, werden die häufig nur unzureichend informiert, wie genau und woher Spenden an sie gelangen, weshalb die Kinder die Korruption meist gar nicht bemerken. Zum Anderen werden die Zwischeninstanzen teilweise zur Faulheit erzogen, da sie sich ohne eine strikte Kontrolle auf die Spenden verlassen können, statt selbst arbeiten zu müssen.
Auch Sachspenden und gebrauchte Güter können wirtschaftlichen Schaden anrichten. Es fällt mir auf, dass viele gebrauchte Gegenstände aus Deutschland in Ghana weiterverwendet werden. Trotros tragen häufig die Namen und Adressen deutscher Handwerker, da sie ehemalige Lieferwagen sind. Auf dem Markt findet man gebrauchte Kühlschränke und und andere Elektrogeräte, die dort verkauft werden. Schrott, der dann nicht mehr zu verwenden ist, landet in Werkstätten, die Geräte ausschlachten, oder am Ende in den Slums.
Am Stärksten fällt mir aber die Problematik der Sachspenden beim Thema Kleidung auf: Auf dem Markt kann man Kleiderspenden kaufen, die eindeutig unter anderem aus Deutschland stammen. Menschen tragen nicht nur Original-Marken-T-Shirts, die neu gekauft weit über ihrem Budget lägen, sondern auch T-Shirts von Festivals und sogar alte Abiturshirts.
Durch solche Sachspenden und günstige Gebrauchtwaren werden die ghanaischen Unternehmen, die in den jeweiligen Sektoren arbeiten, stark in die Ecke gedrängt, da beim Kauf gespendeter Güter der Preis natürlich beliebig tief gesenkt werden kann. Sicherlich gibt es auf jedem Markt Schneider, die zu wirklich akzeptablen Preisen maßgeschneiderte ghanaische Kleidung verkaufen, aber deren Preise liegen dennoch deutlich über den „Kleiderspenden“-Preisen.
Mein Ansichten zum Thema Spenden mögen auf manche übertrieben und vorlaut wirken und sicherlich habe ich in den vorhergehenden Absätzen teilweise verallgemeinert und manche Gedankengänge nicht von Anfang bis Ende vollständig durchdacht. Mein wesentliches Interesse ist jedoch nicht, eine vollständige Beschreibung der Situation zu erstellen, sondern lediglich aufzuzeigen, dass Spenden für die Empfängerseite keinesfalls nur positiv sind und eine zu optimistische Einstellung zum Thema Spenden großen wirtschaftlichen Schaden anrichten kann.
Während ich in diesem Austauschjahr viel über Deutschland und Ghana gelernt habe und dies mich und meine Ansichten sicherlich verändert hat, habe ich das Gefühl, dass mein nachhaltiger Effekt in Ghana nur sehr klein war. Ich habe jedoch auch nichts anderes erwartet, weil es bei meiner Veränderung nur um die Veränderung einer Person durch ein ganzes Land ging, während es in Ghanas Fall um die Veränderung eines ganzen Landes durch nur eine Person ging, was ja praktisch unmöglich ist.
Eine Sache, die mir stets negativ auffiel, war Schlagen als Bestrafung oder Disziplinarmaßnahme. Die hier üblichen dünnen, elastischen Stöcke werden sowohl in Schulen und sozialen Einrichtungen als auch manchmal von der Polizei eingesetzt. Mehr als die Tatsache, dass geschlagen wird, irritierte mich aber die Einstellung der Menschen zu dem Thema. Lehrer scheinen häufig eher willkürlich und impulsiv zu schlagen, statt als Strafe, die aus einem klar definierten Regelbruch resultiert.
In unserem Projekt ist mir aufgefallen, dass die anderen Bewohner meist eher amüsiert sind, wenn jemand geschlagen oder anderweitig bestraft – z.B. für einige Zeit eingesperrt – wird. In meinem Gymnasium in Deutschland war es dagegen meist so, dass die Klasse fast immer zusammenhielt, wenn ein Mitschüler irgendwie bestraft wurde.
Außerdem kommt mir der Effekt der Bestrafung durch Schlagen klein vor, da viele sich langfristig an den Schmerz gewöhnen und die Strafe wissentlich in Kauf nehmen, oder aber schon kurz nach der Bestrafung durch ihre Wut auf die Autoritätsperson stur werden und die Regeln daraufhin nochmal brechen, um sich zu „rächen“.
Trotz der negativen Erfahrungen, die sie mit Schlagen in ihrer Kindheit gemacht haben, sehen viele Jugendliche und Erwachsene diese Art der Bestrafung positiv an, da sie ihrer Meinung nach zwar kurzfristig Schmerz hervorruft, aber die Person langfristig erzieht.
Als Flo, Sam und ich Augustus, den Besitzer einer Bar, in die wir häufig gingen, auf das Thema ansprachen, meinte er, dass er in dem Internat, auf das er ging, häufig geschlagen wurde, aber dass er jetzt dafür dankbar ist, da er jetzt diszipliniert und fleißig ist und selbst am Wochenende stets früh aufsteht um produktiv zu sein, egal wie lange er in der Nacht zuvor in seiner Bar gearbeitet hat.
Sprich: Bevor das Schlagen als Bestrafung aus dem ghanaischen Alltag verschwindet, muss zuerst ein allgemeiner Mentalitätswandel stattfinden. Ich finde aber, dass man den nicht von außen erzwingen kann, sondern dass das von innen heraus geschehen muss, damit der Wandel nachhaltig ist. Das Einzige was ich machen konnte, war, mich so zu verhalten, wie ich es für richtig erachte und zu hoffen, dass einige Menschen ihre Einstellung zu dieser Art der Strafe überdenken.
Als ich den Halbjahresbericht schrieb, fiel mir auch auf, wie viel Müll in Ghana auf den Boden und in die Abwasserkanäle geworfen wird und wie viele Abfälle einfach zwischen den Häusern verbrannt werden. Inzwischen ist mir jedoch klar geworden, dass das eher nicht an der Mentalität liegt. Ich denke, dass viele Ghanaer sich durchaus bewusst sind, dass sie damit zur Verschmutzung von Stadt und Umwelt beitragen. Sie müssen es jedoch trotzdem machen, da es in den größten Teilen der Stadt überhaupt keine Mülleimer gibt und die Müllabfuhr auch nur kleine Teile der Stadt befährt.
Obwohl man überall auf dem Markt Leute sieht, die Müll auf den Boden werfen, wurden meine Mitfreiwilligen und ich manchmal getadelt, wenn wir es solchen Leuten mangels Mülleimern nachtaten. Wenn man die Menschen dann aber fragte, was man denn stattdessen machen sollte, wussten die meist auch keine Antwort. Das Bewusstsein, dass durch Müll die Umgebung verschmutzt und die Lebensqualität verschlechtert wird, scheint es zu geben, aber es fehlt vielerorts eine Alternative zur Müllverbrennung und der Entsorgung auf der Straße.
Was mich als weißen Menschen wahrscheinlich am Meisten betraf, war das Verhalten der Ghanaer gegenüber Weißen. Selbstverständlich weiß ich von vielen Menschen nicht, was sie über Weiße denken, aber das war mir aufgefallen ist, möchte ich doch wiedergeben.
Wenn ich draußen herumlaufe, höre ich stets einige Leute, die „Obruni“ („Weiße/r“) rufen. Manchmal wir das dann gefolgt von einem „Give me one Cedi.“ oder „Take me to America.“ Daran sieht man ein Klischee, dass einige Menschen hier verinnerlicht haben: Weiße haben Geld und in den Ländern aus denen sie kommen, kann man mit Leichtigkeit Geld verdienen. Sicherlich ist das Durchschnittseinkommen von Weißen höher als das von Ghanaern, aber einige Menschen scheinen sich nicht bewusst zu sein, dass auch das Geld von Weißen beschränkt ist und in den Ländern, in denen Weiße wohnen, nicht nur die Löhne, sondern auch die Preise höher sind, sodass das größere Einkommen viele Weiße nur in Ghana reich aussehen lässt.
Einige Ghanaer nehmen auch an, dass Weiße empfindlicher als Schwarze sind und weniger fähig sind, körperliche Arbeit zu verrichten. Ich vermute, dass das eine Verallgemeinerung der Tatsache ist, dass weiße Haut sonnenempfindlicher ist als schwarze.
Einmal ging ich mit Christian, einem Pfleger in Echoing Hills in die Kirche. Da viele ghanaische Gottesdienste ziemlich laut sind, nahm ich Ohrenstöpsel mit, weil meine Ohren recht empfindlich gegen Lärm sind.
Als ich das Christian erzählte, meinte er: „You white people always protect yourself.“
Ich habe in diesem Jahr noch einige weitere Vorurteile über Weiße gehört, einige davon merkwürdig und unverständlich, aber die, die ich gerade genannt habe, sind die größten.
Ich habe stets versucht, den Menschen in Ghana zu zeigen, dass der Unterschied zwischen Weißen und Schwarzen lediglich in der Hautfarbe besteht und das alles andere nur kulturell bedingt ist. Ich habe meine Wäsche mit meinen eigenen Händen gewaschen (obwohl die davon am Anfang immer wund wurden, weil ich noch keine Hornhaut an den Knöcheln hatte), habe alles ghanaische Essen, das ich gerne mochte, häufig gegessen, habe kurze Strecken meist zu Fuß zurückgelegt und habe mir normalerweise nichts abnehmen lassen, wenn ich etwas Schweres trug. Hinsichtlich des Geldes habe ich häufig versucht, zu zeigen, dass auch Weiße keine unbegrenzten Mengen an Geld haben, indem ich, wenn mir etwas zu teuer war, dass auch artikulierte. Ich nahm, wenn möglich, eher den Trotro als ein Taxi und wenn ich doch einmal Taxi fuhr, versuchte ich stets, den Preis so weit herunterzuhandeln, wie es ein Ghanaer tun würde.
Wenn mich Leute fragten, ob ich sie mit nach Deutschland nehmen könnte, fragte ich sie häufig nach dem Grund. Meist kam nach einer kurzen Unterhaltung dann die Antwort, dass Ghana schlecht sei. Daraufhin versuchte ich stets zu erklären, dass auch in Deutschland wie überall auf der Welt auch nicht alles perfekt sei und ich der Meinung bin, dass Ghana durchaus auf dem richtigen Weg ist. Ich sagte das nicht, weil ich so konservativ bin, dass ich keine Ghanaer in Deutschland sehen möchte, sondern weil ich glaube, dass es der Entwicklung Ghanas nicht zuträglich ist, wenn viele Bewohner eine derart negative Grundeinstellung haben. Ich habe trotz allen negativen Aspekten das Gefühl, dass Ghana sich in die richtige Richtung entwickelt.
Einige Ghanaer scheinen zum Beispiel der Auffassung zu sein, dass ghanaische Produkte weniger Qualität haben, als ausländische. Ich war stets enttäuscht, wenn der einzige tropische Fruchtsaft in einer Bar der Don Simon-Saft aus Spanien war. In weniger Bars fand man den Frutelli-Saft, der in Accra hergestellt wird, oder den noch besseren frisch gepressten Blue Skies aus Nsawam bei Accra. Bei vielen anderen Produkten bemerkte ich, dass sich die ausländischen Produkte meist besser verkaufen.
Aber bei den meisten negativen Dingen, die ich in Ghana gesehen habe, ist eben ein Mentalitätswandel nötig, um diese zu verbessern. Einen solchen Wandel kann und darf ich als Ausländer nicht erzwingen, der muss aus dem Land selbst kommen. Ich kann lediglich hoffen, dass meine Anwesenheit und mein Auftreten bei manchen Menschen einen Eindruck gemacht haben und Andere – metaphorisch gesprochen – diese Senfkörner vielleicht keimen lassen.
Ghana hat mich mehr verändert, als ich es verändert habe, aber ich bin dankbar für alle Erfahrungen, die ich hier gemacht habe.
Ich bin in diesem Jahr geduldiger geworden, weil es bei Kommunikationsproblemen mit den Menschen hier und bei den Staus auf den Straßen notwendig ist. Ich bin selbstbewusster geworden, weil ich mich ungewohnten und neuen Situationen stellen musste und dabei doch ich selbst bleiben wollte. Ich habe gelernt, die Meinungen anderer über mich mit großer Apathie zu behandeln, solange ich meine Handlungen mit meinem eigenen Gewissen vereinbaren kann. Ich habe das Gefühl, dass Ghanaer sich gegenseitig weniger nach dem Aussehen bewerten als Deutsche, was mir half, das zu lernen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass politische Korrektheit in Worten weitaus weniger wichtig ist, als gerecht und tolerant zu handeln, weil Handlungen schwerer wiegen.
Obwohl es in diesem Jahr einige Durststrecken gab, kann ich doch insgesamt auf ein großartiges und lehrreiches Jahr zurückblicken. Ich würde keinen Tag früher zurückfliegen, allein schon weil die Zahl 365 so schön ist und aus vielen anderen wichtigeren Gründen, die ich bereits genannt habe oder nicht artikulieren kann.
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noexpertblog · 11 years
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Über die letzten Wochen
Ab heute habe ich nur noch drei Wochen und vier Tage in Ghana. Schon in den letzten Wochen neigte sich alles immer mehr dem Ende zu.
Am Donnerstag, dem 25. Juli flog mein Mitbewohner Sam zurück in die USA. Am nächsten Tag fuhren Flo und ich ins End Camp des ICYE Ghana in Kumasi. Das Programm des Camps war nichts Besonderes, aber es war schön, alle anderen Freiwilligen wiederzusehen und noch einige neue Freiwillige kennenzulernen, die im Januar oder Februar nach Ghana gekommen waren.
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In der Woche nach dem End Camp (vom 29.7. bis zum 2.8.) gab es in Echoing Hills ein Camp für die Kinder, dass von Missionaren aus Pennsylvania organisiert worden war. Meist war ich in diesem Jahr etwas skeptisch gegenüber amerikanischen Missionarsbesuchen in unserem Projekt, da die Missionare – hatte ich das Gefühl – die Wirklichkeit in Ghana vor allem durch ein projektiertes Bild wahrnahmen und nicht als Reaktion auf die Realität handelten, sondern eher als Reaktion auf ihre Projektion der Realität.
Dieses Team war aber echt gut, sie waren schon mehrmals in unserem Projekt gewesen und versuchten, individuell auf die Bewohner einzugehen und persönliche Beziehungen zu ihnen aufzubauen. Auch nach dieser Woche redeten die Bewohner noch häufig über ihre amerikanischen Freunde.
Das Team organisierte Bastelaktionen, Spiele, Wasserbombenschlachten und einen Tag am Strand mit jedem einzelnen Bewohner von Echoing Hills. Das freute mich besonders, da Sam und ich über das Jahr hinweg einige Male gefragt hatten, ob wir einige der stärker behinderten Kinder mit an den Strand nehmen könnten, was uns aber nicht erlaubt wurde. Anscheinend brauchte es dazu erst amerikanische Missionare, damit das erlaubt wurde, aber ich werde mich nicht darüber beschweren, weil der Tag einfach zu schön dafür war.
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Gestern und heute sind dann die Bewohner, die noch Familie haben, für einen knappen Monat nach Hause gefahren, sodass ich die wahrscheinlich gar nicht mehr wiedersehen werde, weil ich ja auch schon in weniger als einem Monat fliege.
Außerdem musste ich jetzt meinen Abschlussbericht über meinen Freiwilligendienst beim ICJA Freiwilligenaustausch weltweit e.V. abgeben, den ich separat auf Tumblr hochladen werde, damit ihr ihn lesen könnt.
In den letzten Wochen werde ich wahrscheinlich nicht mehr zu groß verreisen, wahrscheinlich noch ein paar Tage an den Strand. Wenn die Zeit weiter so rast, bin ich gefühlt übermorgen in Deutschland. Am 10. September fliegen Flo und ich zusammen zurück nach Istanbul und von da aus jeweils nach Hause.
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noexpertblog · 11 years
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Über Lagos, Cotonou und Lomé
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Vor anderthalb Wochen bin ich mit Sam und Flo von einer zweiwöchigen Reise nach Lagos in Nigeria, nach Cotonou im Bénin und nach Lomé in Togo zurückgekehrt. Die drei Städte liegen von Accra aus praktisch in einer Linie nach Osten, sodass sich diese Route anbot.
Sam, der nun schon in wenigen Tagen zurück in die USA fliegt, war im Frühling bereits für drei Wochen nach Côte d'Ivoire, Liberia und Sierra Leone verbracht. Damals hatte ich mich gefragt, wieso er so sehr daran interessiert war, andere Länder zu sehen, weil ich damit rechnete, das die meisten westafrikanischen Länder recht ähnlich sind. Er meinte aber, dass es schon interessante Unterschiede zwischen den Ländern gibt und es den Besuch definitiv wert ist. Nun muss ich sagen, dass ich ihn verstehen kann. Auch wenn es eine durchgehende westafrikanische Linie gibt, gibt es doch viele spezifische Besonderheiten zu sehen.
Am Samstag, dem 29. Juni 2013, nahmen wir einen Bus nach Lagos. Von Accra aus muss man sowohl Togo als auch Bénin der Breite nach durchqueren, um nach Nigeria zu gelangen. Da die Ost-West-Ausdehnung der beiden Länder aber recht klein ist (von der ghanaischen Grenze bis zur Grenze mit dem Bénin fährt man vielleicht anderthalb Stunden durch Togo), lässt sich diese Strecke in einem Tag zurücklegen, obwohl man durch vier verschiedene Länder fährt.
Wegen einer Verspätung bei der Abfahrt fuhren wir aber doch erst um elf Uhr abends in die Stadt ein, als der Busfahrer alle Leselampen ausschaltete, aus Sicherheitsgründen.
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Lagos zählt zu den drei größten Städten Afrikas, ist aber nicht mehr Nigerias Hauptstadt. Wie auch das Land in dem Lagos liegt, hat die Stadt in vielen Ländern der Welt einen eher schlechten Ruf: groß, hektisch, überbevölkert mit viel Kriminalität.
Andererseits hat Nigeria aber einen großen kulturellen Einfluss auf Westafrika und Lagos ist eines der kulturellen Zentren des Landes. In ghanaischen Bars hört man auch viel nigerianische Musik und im Fernsehen sieht man viele nigerianische Filme (wobei ich mit den Filmen nicht so viel anfangen kann).
Momentan gibt es bewaffnete Konflikte im Nordosten des Landes, sodass das Auswärtige Amt davon abrät, in diese Regionen Nigerias zu reisen, aber da Lagos ganz im momentan problemlosen Südwesten liegt, gibt es keine Reisewarnung für Lagos.
Die erste Nacht verbrachten wir bei einem Nigerianer, den wir über couchsurfing.org kennengelernt hatten. Er hatte uns sehr damit geholfen, indem er uns einen Einladungsbrief schrieb, den man für das nigerianische Visum braucht. Als wir aber am Sonntagmorgen aufwachten, verstanden wir, dass wir zwar in Lagos waren, aber leider sehr weit im Norden der Stadt, entfernt vom Stadtzentrum.
Deshalb entschieden wir uns, von Sonntagabend bis Freitagmorgen in einem Hotel in Lagos Island zu bleiben.
Lagos liegt an einer Lagune, die durch eine Halbinsel von dem Atlantik getrennt ist. An einer Stelle ist die Lagune jedoch mit dem Ozean verbunden und in diesem Zufluss liegt Lagos Island. Die Insel ist über Brücken mit dem Festland und der Halbinsel verbunden.
Lagos Stadtbild war anders als das von Accra und wir verbrachten viel Zeit damit, einfach durch die Stadt zu laufen, ohne ein besonderes Ziel anzusteuern, einfach nur um die Atmosphäre zu erleben.
Auf Lagos Island gibt es viele Hochhäuser, was es in Accra nur sporadisch gibt. Auch gibt es in Lagos deutlich mehr grün als im braun-grauen Accra. Gerade das und die deutlich besser organisierte Müllabfuhr tragen erheblich dazu bei, dass Lagos auf den ersten Blick schöner als Accra aussieht.
Man hat allerdings gemerkt, dass Lagos unsicherer als Accra sein muss. Viele Bars schließen deutlich früher als in Accra und nachts sieht man dann kaum noch Menschen auf der Straße. Wenn wir abends mit dem Taxi herumfuhren, sahen wir nicht nur Polizeikontrollen, sondern auch Straßenkontrollen von, soweit ich es verstehe, einer freiwilligen Bürgerpolizei. Das sieht schon recht zwielichtig aus, wenn die Straße von zwei mit Machete und Kalaschnikow bewaffneten Privatpersonen kontrolliert wird.
Vielleicht weil wir es vorsichtig angingen, vielleicht weil wir noch relativ jung sind und daher nicht so reich aussehen, vielleicht weil wir uns nach zehn Monaten in Ghana einigermaßen natürlich in Westafrika bewegen können, höchstwahrscheinlich aber auch, weil die Mehrheit der Menschen nicht bösartig ist, hatten wir jedoch in diesen zwei Wochen nie Probleme mit Kriminalität.
Der öffentliche Transport in Lagos hatte zwei praktische Ergänzungen zu den bewährten Verkehrsmitteln in Ghana: Neben den Minibussen gab es noch große öffentliche Nahverkehrsbusse und neben den normalen Taxis gab es kleine, gelbe Dreiräder, die Napep heißen.
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Das nigerianische Essen hat durchaus Ähnlichkeiten mit dem Essen in Ghana, sodass wir zur Abwechslung ein paar Mal ausländisches Essen aßen, weil das in Accra eher teuer ist.
Was mir sehr gut gefiel, waren die kleinen kulturellen Perlen, die mir in Accra manchmal fehlen. An einem Tag fanden wir zum Beispiel einen kleinen Park, den Freedom Park, der auf dem Standort eines ehemaligen Gefängnisses geschaffen worden war, in dem es neben verschiedenen Restaurants (unter anderem einem veganen, keine Selbstverständlichkeit in Westafrika) eine kleine Galerie gab, die schöne, bunte Gemälde von nigerianischen Künstlern ausstellte. Der Kurator war ein in New York lebender Nigerianer. Wir hatten eine sehr interessante Unterhaltung mit ihm. Als Flo ihm erzählte, dass er aus Österreich kommt, meinte der Kurator, dass einer seiner Lieblingsregisseure Österreicher ist und zeigte uns den Film Paradies Liebe. In dem Spielfilm ging es um das merkwürdige bis peinliche Verhalten von einigen (Sex-)Touristen in Kenia. Der Film war im Stil einer Dokumentation gemacht und manchmal so authentisch, dass man fast vergaß, dass es keine Doku war und vor lauter Fremdschämen mit den Zähnen knirschen musste.
An einem anderen Tag fanden wir einen Buchladen, dessen Bücher weitestgehend uninteressant waren, mit Ausnahme von der schönen Abteilung mit nigerianischen und afrikanischen Büchern. Ich kaufte dort das Buch Purple Hibiscus von Chimamanda Agizie. Es beeindruckt mich, wie genau ich mir auf einmal die Umgebung vorstellen kann, die die Autorin beschreibt. Gerade Details, über die ich ohne meine Zeit in Ghana wahrscheinlich einfach hinweggelesen hätte, springen mir jetzt ins Auge, sodass ich mir vorstellen könnte, dass die Familie, um die es in dem Roman geht, direkt um die Ecke lebt.
Am Mittwochabend lernten wir drei Kamerunerinnen kennen, die uns fragten, ob wir mit ihnen Tanzen gehen wollen, was wir natürlich unschwer ablehnen konnten. Die Musik in den Nachtklubs war dem, was man in Ghana hört durchaus ähnlich, wie gesagt wird auch viel nigerianischer Pop in Ghana gespielt.
Praktischerweise kannten die drei einen Beamten eines nigerianischen Ministeriums, der ein Auto hatte. Obwohl wir uns alle zusammen in dessen Auto quetschten (also insgesamt zu siebt in dem Fünfsitzer waren), hatten wir wegen der Position des Fahrers nie Probleme durch Polizeikontrollen zu kommen.
Für unseren letzten Abend gingen wir in ein Hotel auf dem Festland in Ikeja. An diesem Freitagabend besuchten wir den New Afrika Shrine. Der ursprüngliche Afrika Shrine war einer der Ausgangsorte des Afrobeat von Fela Kuti und wir hofften, das wir live Afrobeat hören könnten. Leider waren wir jedoch am falschen Wochentag da und es wurde zu Musik vom Band getanzt. Trotzdem war die Atmosphäre aber sehr beeindruckend: Wir saßen auf einem Balkon und tranken Palmwein, während unter uns in der großen, hohen Halle eine Menschenmasse tanzte. Die Szene schien mit Leben zu pulsieren.
Leider hatte ich manchmal Skrupel, in Lagos meine Kamera herauszuholen oder gar mitzunehmen. Ich weiß nicht, ob ich zu vorsichtig war, jedenfalls habe ich nicht so viele Fotos in Lagos gemacht.
Am Samstagmorgen, also dem 6. Juli, fuhren wir dann mit dem Bus nach Cotonou.
Cotonou ist das Zentrum des Bénin, nicht jedoch die offizielle Hauptstadt. Es ist zwar die größte Stadt des Landes, aber damit trotzdem nicht so riesig und hat die sehr entspannte Atmosphäre einer kleinen Küstenstadt. Mir hat es immer sehr gefallen gemacht, mich mit den sehr günstigen Motorradtaxis durch die Stadt zu bewegen. Es ist so praktisch und gibt einem gleichzeitig ein tolles Gefühl, sich mit Wind im Haar durch die Stadt zu bewegen.
Bénin ist wie auch Togo ein frankophones Land. Obwohl oder gerade weil mein Schulfranzösisch schon etwas eingeschlafen war, hatte ich viel Spaß dabei, mich mit den Leuten auf Französisch zu unterhalten.
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Wieder hatten wir jemanden über couchsurfing.org gefunden und dieses Mal passte alles so gut, dass wir unseren ganzen Aufenthalt über bei ihm blieben. Kelvin war, wie sich herausstellte, ein Nigerianer, der aber schon seit einiger Zeit im Bénin lebte und daher gut französisch sprechen konnte. Wenn man eine Unterkunft über couchsurfing.org findet, würde man eigentlich erwarten, dass man bei einer Privatperson kostenlos übernachten kann. Kelvin zeigte uns jedoch auch in der Stadt herum und nahm uns in Bars mit, in die er gern ging.
Als er in Nigeria lebte, hat er in einer Bank gearbeitet und muss dort anscheinend gut Geld verdient haben, jedenfalls hatte er ein eigenes Auto mit Fahrer (!), der uns manchmal mitnahm.
Manchmal waren wir so überwältigt von Kelvins Gastfreundschaft, dass wir witzelten, wie verwöhnt und arrogant wir geworden wären, wenn wir das ganze Jahr in Ghana über so behandelt worden wären.
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Das Essen in Togo und Bénin hat größere Unterschiede mit der ghanaischen Küche und ist eindeutig französisch angehaucht. In Ghana ist zum Beispiel weiches Weißbrot das einzige Brot, das man kaufen kann (von ein paar teuren Supermärkten abgesehen). In den frankophonen Ländern gibt es dagegen großartiges Baguette, Croissants und andere Blätterteigwaren. Auch Salate sind deutlich einfacher zu finden als in Ghana. Mein persönliches Lieblingsgericht war aber Achéké: Es erinnert an kalten Couscous, wird aber aus Kassava statt aus Weizenmehl hergestellt und zusammen mit klein geschnittenen Tomaten und Zwiebeln, Mayonnaise und gebratenem Fisch gegessen, wobei Tilapia eindeutig der beste Fisch ist. Natürlich ist man das alles mit den Händen. Es ist kein kompliziertes Gericht, aber ich fand es so gut, dass ich es fast täglich gegessen habe.
Kelvin hat seinen Job in der Bank aufgegeben und arbeitet jetzt als Sänger und Rapper. An einem Abend nahm er Sam und mich zu einer Probe mit. In einem Hinterhof trafen wir den kongolesischen Rastafari Joshua, zwei Gitarristen und einen Trommler, die dann zusammen Reggae spielten. Die Probe war sehr improvisiert, aber genau das gefällt mir immer sehr gut: wenn Musik mitten aus dem Leben kommt.
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Am Dienstag, dem 9. Juli, sind wir drei zusammen nach Ganvié gefahren. Ganvié liegt in einem See nördlich von Cotonou.
Es ist das größte von dreizehn Pfahldörfern, die in der Mitte eines großen, aber nur 1,5 Meter tiefen Sees liegen. Es wurde ursprünglich von Flüchtlingen eines Krieges errichtet; Ganvié bedeutet “Wir sind gerettet” in einer Sprache des Benin.
Ein Fremdenführer zeigte uns mit einem motorisierten länglichen Holzboot das Dorf. Er erzählte uns, das die Wasserhöhe des flachen Sees zu einem Zeitpunkt des Jahres bis auf vier Meter ansteigen kann und man dann über andere Seen und Sümpfe mit dem Boot zur noch etwa 70 Kilometer Luftlinie entfernten nigerianischen Grenze fahren kann.
Sehr interessant fand ich die Art und Weise, wie die Fischer von Ganvié Fisch “anbauen”: Zuerst stecken sie ein Feld aus Palmwedeln in den See. Darin siedeln sich dann Fische an, die die Palmwedel fressen und dabei natürlich wachsen. Nach etwas acht Monaten wird das Feld mit großen Netzen umzäunt, und dann werden die Palmwedel entfernt, wahrend gleichzeitig die Umzäunung enger und enger gezogen wird.
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Obwohl das Leben in dem Dorf aus vielen europäischen Betrachtungsaspekten heraus als “arm” bezeichnet werden könnte, kam mir das Leben dort durchaus nicht unglücklich vor. Kinder lernen mit vier Jahren schon schwimmen und tauchen. Statt Martkständen gibt es fahrende Marktboote. Seit neuestem gibt es in dem Dorf nicht nur eine Grundschule, sondern sogar auch eine weiterführende Schule, die auf einer kleinen, aus Lehm aufgeschütteten Insel gebaut wurde. In einer der “Straßen” des Dorfes treffen sich abends die Liebespaare in Booten.
Unser Fremdenführer selbst ging in eine Schule auf dem Festland, wohnte aber in Ganvié und kam stets während dem Wochenende dorthin zurück.
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Am Mittwochmorgen fuhren wir dann nach Togo.
Auf dem Weg dorthin stoppten wir zur Mittagspause einmal kurz in Ouidah (noch im Bénin). Die kleine Stadt ist bekannt dafür, eines der Zentren der Voodoo-Kultur im Bénin zu sein. Natürlich haben wir keine menschlichen Schrumpfköpfe und Voodoo-Puppen-Abbilder unserer selbst gesehen, wohl aber eine große Auswahl an getrockneten Tieren und Tierteilen (Entenschnäbel über Kobras bis zu Krokodilköpfen) sowie Flaschen, mit denen man böse Geister fangen kann.
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Die letzten Tage verbrachten wir entspannt am Strand etwas außerhalb von Togos Hauptstadt Lomé und genossen noch etwas das neue Essen und die Mentalität der Leute. In Togo und im Bénin haben weiße Menschen aus irgendeinem Grund viel weniger Aufmerksamkeit als in Ghana, wo man fast ständig von neugierigen Blicken und „Obruni“-Rufen verfolgt wird.
An einem Nachmittag liefen Sam und ich durch Lomé, als wir plötzlich an einen langen Zaun kamen, der in Sichtweite kein Ende hatte. Ich brauchte ein paar Momente, bis ich verstand, was ich da sah: die ghanaische Grenze. Lomé liegt so nah an Ghana, dass man aus Versehen vom Stadtzentrum bis zur Grenze schlendern kann.
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Am Samstagabend, dem 13. Juli, kamen wir dann wieder in Accra an. Obwohl es schade war, dass die abwechslungsreiche Reise vorbei war, ist auch schön, wieder in Ghana zu sein, wo ich viele Preise genau kenne und daher wieder gut verhandeln kann und wo ich immer weiß, wo ich hinfahre.
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noexpertblog · 11 years
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Über Steven
Steven ist ein vielleicht zehn Jahre alter Junge, der bereits in Echoing Hills lebte, als ich hierher kam. Sein ghanaischer Name ist Atsu.
Manchmal werden Kinder, die ihre Eltern vorübergehend oder dauerhaft verloren haben, von der Polizei oder dem Department of Social Welfare nach Echoing Hills gebracht, bis entweder deren Eltern wiedergefunden werden oder ein Platz in einem Heim organisiert wird, in dem die Kinder dauerhaft bleiben können. Zwar ist Echoing Hills eine nichtstaatliche Organisation, jedoch wird das trotzdem gemacht, da Echoing Hills recht nah an der Polizeistation Madina Market liegt.
Steven war eines dieser Kinder.
In den ersten Wochen, in denen ich hier war, fand das Department of Social Welfare tatsächlich Stevens Eltern wieder. Steven wurde abgeholt, um zu seinen Eltern gebracht zu werden. Einen oder zwei Tage später war er aber wieder zurück in Echoing Hills: Als Steven dort ankam, wo die Eltern von der Social Welfare gefunden worden waren, waren die Eltern verschwunden.
Jetzt war Steven natürlich geschockt. Weitere Versuche der Social Welfare, die Eltern zu finden, ergaben wieder, dass die Eltern anscheinend vor ihrer Verantwortung wegliefen.
Vielleicht eine Woche nachdem er wieder in Echoing Hills war, hatte Steven eines Nachmittags einen Streit mit einem anderen Kind in Echoing Hills, sie schlugen sich gegenseitig. Zwar war Steven nicht körperlich verletzt, jedoch löste dieser Streit in Kombination mit seinem fragilen emotionalen Zustand einen Schreikrampf aus, der lange anhielt. Steven war von niemandem zu beruhigen.
Am selben Abend war Steven plötzlich verschwunden. Er war weggelaufen.
Hin und wieder fragten Sam und ich uns, wo Steven denn jetzt sei und wie es ihm gehe. Es fällt mir schwer, das Gefühl zu beschreiben, das ich hatte. Es war wie in einer riesigen Bibliothek aus fliegenden Büchern. Ein Buch flattert heran und streift dich, du schlägst eine Seite auf, aber nach wenigen Absätzen verschwindet das Buch wieder im diffusen Halbdunkel der Bibliothek und du fragst dich, wie die Geschichte weitergeht. Der kleine Ausschnitt sagt fast nichts über die Vergangenheit und noch weniger über die Zukunft. Du fragst dich, ob du jemals noch etwas über die Geschichte hören wirst.
Diesen Donnerstag musste Sam zur Post gehen. Am frühen Nachmittag rief er mich aus der Stadt an und erzählte mir, dass er auf der Rückfahrt Steven gesehen habe. Das war sehr überraschend für mich, hatte ich doch seit Monaten nichts mehr von ihm gehört. Steven erzählte Sam, dass er jetzt in einem Haus in der Nähe des Ortes, wo sie sich gesehen hatten, wohne.
Am Freitagmorgen saßen wir mit den Kindern in Echoing Hills und spielten ein Spiel, als plötzlich Steven erschien. Er erzählte, dass er, als er weggelaufen war, von einer Frau gefunden worden war, die ihn zur Polizei brachte. Die Polizei meinte aber aus irgendeinem Grund, dass er einfach bei der Frau bleiben solle, die ihn gefunden hatte und die Frau nahm ihn auf.
An jenem Freitag war er mit der Frau zum Markt von Madina gegangen. Vielleicht ausgelöst davon, dass er am Vortag Sam getroffen hatte, beschloss er, während die Frau ihre Einkäufe erledigte, nach Ogbojo zu laufen und seine Freunde in Echoing Hills zu besuchen und dann nachmittags wieder zurückzufahren.
Man merkte ihm an, dass er einerseits fröhlich war, seine Freunde wieder zu sehen, aber es ihm andererseits komisch vorkam, zu dem Ort zurückzukehren, aus dem er vor so langer Zeit weggelaufen war. Die Kinder freuten sich ihn zu sehen; von den Leuten, die ihn Echoing Hills arbeiten, wurde er im ersten Moment etwas merkwürdig und ruppig behandelt, was mir mir nicht gefiel. Ich glaube, dass das daran lag, das Steven herumdruckste, als er erzählte, weshalb er hierhergekommen war und sie daher vor dem Hintergrund seiner Vorgeschichte nicht sicher waren, was er eigentlich wollte. Steven blieb einige Stunden und lief dann nachmittags wieder zum Markt zurück.
Wie die Geschichte weitergeht, werde ich vielleicht nie erfahren. Es freut mich jedoch, dass es nicht bei dem vorläufigen Ende geblieben ist, dass die Geschichte noch vier Tagen hatte.
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noexpertblog · 11 years
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Über Busua und den Black Star Surf Shop
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Gestern Abend hatte ich Muskelkater in den Armen, meine Oberschenkel waren wundgerieben und meine Knie und Rippen fühlten sich an, als ob ich mehrmals darauf gefallen wäre. Mit anderen Worten, mir ging es einfach großartig.
Nachdem ich das schon lange vorhatte, habe ich es am Samstagmorgen endlich geschafft, die sieben Stunden Fahrt nach Busua an der Westküste Ghanas auf mich zu nehmen. Dort gibt es den Black Star Surf Shop, den Einzigen seiner Art in Ghana.
Meine Ankunft war einfach so perfekt, dass es schon fast lächerlich klingt. Ich kam etwa um ein Uhr mittags an und legte meine Sachen in der kleinen, günstigen Herberge ab. Der Ort ist kompakt genug, dass alles in unmittelbarer Gehentfernung liegt. Also holte ich mir einen frisch gebratenen Schoko-Bananen-Pfannkuchen und traf dort auf Frank the Juice Man, von dem ich einen Orangen-Ananas-Bananen-Saft kaufte. Dann ging ich über die Straße und zwischen zwei Häusern auf den Strand, der natürlich wunderschön ist: Oranger, weicher Sand zwischen etwa drei Kilometer voneinander entfernten Halbinseln, die eine Art Bucht bilden mit Palmen, klarem, grünen Wasser und blablabla...
Ich traf Peter, den sehr herzlichen Besitzer des Surfgeschäfts, mit dem ich ein paar Tage zuvor schon telefoniert hatte. Ich schilderte ihm, dass ich vor einem Jahr einmal zwei Anfängersurfstunden hatte und am liebsten jetzt einfach mit einem Brett ins Wasser gehen und herumprobieren möchte.
Also ging ich ins Wasser. Die Flut hatte gerade begonnen, sodass die Wellen noch klein waren und sich der Schwierigkeitsgrad langsam steigerte. Anfangs war ich ganz allein im Wasser. Die erste Welle, bei der ich auf das Brett stieg, stand ich.
Später kamen mehr Leute ins Wasser, sowohl einige Jungs aus Busua als auch Touristen, vor allem Männer. Es waren jedoch nie mehr als zehn Leute im Line Up. Ab und zu kam auch Peter ins Wasser, einfach nur um selbst zu surfen.
Ich blieb die ganze Flut über im Wasser, bis zum Sonnenuntergang. Dann ging ich kurz in die Herberge zum Duschen und danach in eines der teureren Hotels, um das deutsche Champions League Finale anzuschauen.
Am Sonntagmorgen wollte ich früh aufstehen, um noch für den Rest der Morgenflut ins Wasser zu gehen. Als ich dann aber um 5:30AM nach draußen ging, dachte ich mir: „Nee, eigentlich bin ich zu müde.“ Ich drehte mich um, ging wieder hinein und schlief noch eine Runde.
Angenehmerweise werden Feiertage in Ghana am Montag nachgeholt, falls sie auf das Wochenende fallen. Am Samstag war nämlich African Union Day, soweit ich das verstanden habe. Daher fragte ich Sam, ob wir am Montag frei haben würden, was tatsächlich der Fall war. Also konnte ich nochmal für die Nachmittagsflut am Sonntag ins Wasser gehen und dann erst mit einem Nachtbus nach Accra zurückkehren. An diesem Nachmittag tat ich mir jedoch schwerer als an dem zuvor, da die Wellen größer und stärker waren. Dennoch machte es mir Spaß.
Am Abend fuhr ich dann wieder nach Accra zurück. Als ich um Mitternacht in Accra ankam, fiel mir auf, dass Folgendes erzählenswert sein könnte, was mir bis jetzt gar nicht so aufgefallen ist, weil es hier normal ist: Nachts gibt es auf den Straßen Polizeibarrieren, die Fahrzeuge kontrollieren. Normalerweise leuchten die Polizisten nur einmal kurz mit einer Taschenlampe hinein, und winken einen dann weiter. Einmal ist es aber auch schon vorgekommen, dass ich von dem Polizisten aus dem Auto gebeten und auf Waffen kontrolliert wurde. Ich frage mich, ob diese Kontrollen tatsächlich zur nächtlichen Sicherheit beitragen, da wie gesagt normalerweise nur einmal kurz in den Wagen geleuchtet wird.
Was mir an Busua insgesamt sehr gut gefiel, war, dass es trotz der Touristen ein sehr ghanaisches Dorf geblieben ist, mit kleinen Ständen, Chop Bars und einem Gemeindeleben. Oft besteht ja die Gefahr, dass sich ein kleiner Ort zu stark verändert, wenn er Touristen anzieht, und damit der ursprüngliche Charme verloren geht. Deshalb gefiel es mir so gut, zu sehen, dass auch Kinder aus dem Dorf das Surfen ausprobieren und auf dem Strand noch die Fischerboote liegen und Fischer ihre Netze auswerfen. Busua, so scheint es mir, wird durch den Tourismus gefördert und nicht verdrängt.
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noexpertblog · 11 years
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Beautiful Onyinye - P-Square feat. Rick Ross. Ein auch in Ghana sehr beliebtes nigerianisches Lied. Viele nigerianische Filme und Lieder sind in Ghana bekannt und beliebt.
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noexpertblog · 11 years
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Auntie Martha - E.L.
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noexpertblog · 11 years
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Ein Highlife-Mix, allerdings ein eher klassischer, was ich hier weniger mitbekomme. Das was man in Taxis und Trotros hört, driftet eher in Richtung Gospel.
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noexpertblog · 11 years
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Sweetio - Ein Pop-Song von Raquel und Sarkodie. Das Video finde ich mehr als albern, ich wollte euch bloß das Lied zeigen.
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noexpertblog · 11 years
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Azonto Ghost - Ein sehr bekanntes Azonto-Lied, das ursprünglich von einem ghanaischen Film gleichen Namens kommt. Den Film habe ich aber nicht gesehen. Die Zeichnung auf dem Cover stellt eine Azonto-Pose dar.
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noexpertblog · 11 years
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Über Musik
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Ich habe schon eine ganze Weile nicht mehr geschrieben, aus dem einfachen Grund, dass nichts Besonderes passiert ist; die einzigen Sachen, die mir einfallen, sind folgende: Ich habe von Maame gelernt, wie man das Spiel Oware spielt. Das ist dieses Spiel mit mehreren Versenkungen auf einem länglichen Brett, zwischen denen man Spielsteine umherbewegt. Gibt es glaube ich auch in Deutschland, heißt da aber anders. Außerdem weiß ich jetzt aus welchen Zutaten man den Pfefferdip macht, der so gut mit Banku (Teigball aus fermentiertem Mais und Kassava) zusammenpasst: Grüne ghanaische Pfefferschoten, Tomaten, Zwiebeln und Salz einfach in den Mixer geworfen.
Außerdem haben wir mit Sam, Flo und Christian jetzt eine geniale und doch simple Regel ausgemacht, wer unsere Teller abwaschen muss, nämlich der, der nach dem Essen das ghanaische Kartenspiel Spar verliert.
Sam und mir ist aufgefallen, wie gut es den Bewohnern von Echoing Hills gefällt, kleine wissenschaftliche Unterrichtseinheiten über Dinge wie Schwimmen und Sinken, Geographie oder Verdauung zu hören.
Zuletzt hat jetzt die Regenzeit eingesetzt, was allerdings nicht bedeutet, dass es jeden Tag regnet.
  Ich möchte heute einmal über Musik schreiben.
Musik verfolgt mich in Ghana auf Schritt und Tritt: Manche Stände auf dem Markt haben Lautsprecher aufgestellt, in den Taxis und Trotros läuft das Radio und in Spots (ghanaischen Bars) und Klubs spielt sowieso Musik. Immer wieder tagsüber hört man aus der Ferne einen Muezzin singen und die Kirche am Sonntag besteht auch zu einem großen Teil aus Gesang und Tanz.
Eine eher klassische ghanaische Musikrichtung ist der Highlife, ein fröhlicher, an Reggae erinnernder Stil, mit mehreren Gitarren und Percussion. Dieses Genre bemerke vor allem in öffentlichen Verkehrsmitteln oder im Radio. Das Radio ist ein sehr wichtiges Medium in Ghana, viele Menschen haben kleine Handradios auf denen sie Musik, Nachrichten, Talkshows, politische Diskussionen und religiöse Sendungen hören.
In der Kirche, zumindest in der von unserem Projekt, werden viele ghanaische Lieder auf ghanaischen Sprachen, v.a. Twi, gesungen. Meist wird mit Trommeln und ab und zu mit Keyboard begleitet. Die ghanaischen Lieder sind meist recht kurz und ausgelassen und haben einen einfachen Text, werden dafür aber oft wiederholt. Viele Menschen kennen die Lieder auswendig. Ab und zu werden aber auch baptistische Kirchenlieder auf Englisch gesungen.
An den Stränden sowie in Bars, in die viele Rastafarians gehen, wird häufig auch Reggae gespielt.
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Klassische Musik im europäischen Sinn hat im Ghana kaum ein Fundament. Es gibt zwar das Ghana National Symphony Orchestra, bei dem ich mal ein Konzert besucht habe, jedoch war ich von der Qualität enttäuscht: Allgemein herrsche rhythmische Unsicherheit, die Streicher spielten in hohen Tonlagen die Töne nur ungenau und die Bläser waren in solistischen Stellen sehr schwammig. Ich möchte aber nicht beschweren, da es wie gesagt für dieses Genre kaum Unterbau gibt und es daher für Musiker sehr schwer sein muss, Weiterbildung zu finden.
Das beliebteste Genre ist wohl Hip-life, eine Mischung aus Highlife und eher westlichen Klängen aus Hiphop und Pop. Die Songs aus dem Genre werden wirklich überall gespielt, auf dem Markt, in Klubs und Spots, auf Handys und im öffentlichen Verkehr. Viele der Lieder gefielen mir anfangs wirklich gut. Leider verändert sich aber in dem Genre nicht so viel, es gibt nur wenig neue Lieder, sodass mir nach sechs Monaten diese gefühlten fünfzehn Titel in Dauerschleife wirklich zum Hals heraushingen. Das habe ich dann damit gelöst, dass ich für wenige Wochen radikal nicht mehr abends ausgegangen bin, inzwischen stören mich die Lieder wieder nicht mehr so sehr. 
Etwas, dass mir hier in Ghana auffällt, ist, wie eng Musik und Tanz hier verbunden sind. Nicht nur in Klubs wird getanzt, sondern auch in Spots stehen Leute auf und tanzen. Manchmal sieht man auch Leute auf der Straße einfach tanzen. Viele Völker/Dörfer/Stämme haben ihren eigenen Tanz, der für die Kultur des Dorfes steht.
Der momentan populärste Tanz ist Azonto, der meist zusammen mit Hip-life-Liedern getanzt wird: Ein Fuß dreht auf dem Boden, als ob man eine Zigarette austreten würde, während mit den Händen pantomimisch-tänzerisch alltägliche Aktivitäten wie z.B. Wäsche waschen und Telefonieren dargestellt werden. Das sieht etwas albern und lustig aus, aber das ist, was gerade den Unterhaltungswert des Azonto ausmacht.
Wenn jemand ein Handy herausholt und Musik abspielt und einige Kinder dabei sind, tanzen die meist auch mit. Viele von den Kindern tanzen schon sehr gut.
Der eine oder andere Europäer würde jetzt vielleicht sagen: „Ja, die Afrikaner haben ja eh alle Rhythmus im Blut.“ Ich halte das für eine ziemlich rassistische Behauptung, aber ich kann nicht abtun, dass viele Ghanaer sehr gut tanzen können.
Meines Erachtens ist der Grund dafür aber ein erzieherischer bzw. kultureller: Während Tanz zumindest in Deutschland meist als peinlich  („schwul!“) erachtet wird, wenn er aus einem sehr bestimmten Kontext herausgelöst ist, ist Tanz in Ghana wie gesagt etwas sehr natürliches. Keiner ärgert sich darüber, wenn kleine Kinder tanzen oder sagt ihnen, dass das peinlich ist. Im Gegenteil, die meisten Jugendlichen und Erwachsenen sind amüsiert oder begeistert, wenn Kinder gut tanzen können. Dadurch tanzen die Kinder einfach mehr und viele von ihnen können deshalb einfach schon früh sehr gut tanzen, wenn auch selbstverständlich nicht alle.
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noexpertblog · 11 years
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Über Black Stars, graue Elefanten und weiße Geldautomatenquittungen
Über Palmsonntag und Ostern sind viele der Bewohner von Echoing Hills noch einmal zu ihren Familien gefahren, was ich zum Anlass nahm, um für ein paar Tage durch das Land zu reisen.
Johan, der schwedische Freiwillige in Echoing Hills (der insgesamt nur zwei Monate blieb und vorgestern abgefahren ist), und ich hatten gehört, dass in Kumasi am Palmsonntag das Fußball-WM-Qualifikationsspiel Ghana gegen Sudan sei. Deshalb war Kumasi die erste Etappe meiner Reise. Als wir am Samstag nach fünf Stunden in Kumasi ankamen, besorgten wir uns „VIP-Tickets“ für das Spiel für 20 Ghana Cedi (etwa 8€). Dann versuchten wir etwas zum Essen zu finden, eine Aufgabe, die in Accra etwa fünf Minuten dauert, weil es in fast jeder Straße eine Chop Bar gibt, ein kleines Restaurant mit ghanaischer Küche. Obwohl wir relativ zentral waren, brauchten wir jedoch gefühlte eineinhalb Stunden, bis wir endlich etwas fanden.
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Danach liefen wir etwas durch die Stadt und am späten Nachmittag begaben wir uns in das Labyrinth des riesigen Marktes in Kumasi, das ich bei meinem ersten Besuch in Kumasi nur kurz gestreift hatte. Da kaum Lärm von außerhalb des Marktes in die kleinen Gassen zwischen den Ständen und Läden dringt, hat der Markt diese besondere Atmosphäre, als ob er eine eigene Stadt in der Mitte von Kumasi sei.
An einer Stelle verkauften besonders viele Stände die verschiedensten Mehlsorten von Weizen- und Maismehl bis zu etwas, dass roch, als ob es Erdnussmehl sei. Inmitten dieser Schüsseln mit Mehl saß eine Verkäuferin, die von Kopf bis Fuß mit Mehl bedeckt war. Genau in dem Moment, als Johan seine Kamera herausnahm, um ein Foto von der Szene zu machen, waren alle Verkäufer um uns aufgebracht. Wir zogen den Kopf ein und eilten in eine zufällige Richtung.
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Das Spiel begann am Sonntagnachmittag um vier, aber Johan und ich waren schon um zwölf Uhr am Stadion. Das war aber nicht viel zu früh. Trommelnde und singende Gruppen zogen um das Stadion und man konnte Essen und Getränke sowie Fanartikel in den Farben Ghanas kaufen. Fan-Trotros fuhren am Stadion vorbei. Ein Hardcorefan hatte sich lediglich mit Unterhosen bekleidet und mit rot-gelb-grüner Farbe auf dem ganzen Körper auf das Dach eines Taxis binden lassen und fuhr so zum Stadion.
Ein Verkäufer wollte mir ein „originales“ Ghana-Trikot für 15 Ghana Cedi (etwa 6€) verkaufen. Ich brauchte zwanzig Minuten, um ihn auf zehn Cedi herunterzuhandeln. Das Verhandeln lief schleppend, da mir beim Anprobieren ein kleiner Blutfleck von einem Kratzer auf meiner Stirn auf das Trikot gekommen war und ich deshalb niemals wirklich sagen konnte, dass ich es bei dem Preis einfach nicht nehme.
Wenig später trafen wir Christian, den dänischen Freiwilligen aus Echoing Hills, und dessen Vater.
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„VIP-Ticket“ schien vor allem zu bedeuten, dass wir auf der überdachten Haupttribüne saßen. Wir konnten sowohl Spielfeld und Stadion von dort aus sehr gut überblicken, auch wenn wir natürlich an den verrückten Fanclubs nicht zu nah dran waren. Es war interessant, aus der Ferne zu sehen, wie verschiedene Fangruppen sich durch einheitliche Kleidungsfarben und teilweise eigene Choreographien von dem Rest der Masse abhoben. Das Stadion brauchte eine Weile, um sich aufzufüllen, aber um vier Uhr sah es ausverkauft aus.
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Das Spiel selbst war für Ghana mehr als erfreulich und jedes der vier Tore war für das Publikum eine Party. Die schon anfangs gute Stimmung hielt über das ganze Spiel hinweg an, und das, obwohl das Spiel ja eher unwichtig war. Ich habe keine Lust, Sportreporter zu spielen und über das Spiel selbst einen sprachlich bezaubernden Bericht zu schreiben, deswegen tue ich das auch nicht. Das Spiel endete also 4-0 und war meines Erachtens ein faires Spiel.
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Nach dem Spiel ritt ein Reiter im Galopp über die Tartanbahn. Wieso er das tat, weiß ich nicht.
Am nächsten Morgen nahm ich alleine einen Bus nach Tamale, eine Fahrt, die sechseinhalb Stunden dauerte. Eigentlich wollte ich mich dort mit Flo treffen, der aber schon ein paar Tage dort war und die Erfahrung gemacht hatte, dass alles doch etwas teurer war als erwartet. Daher trafen wir uns nur kurz in Tamale. Er wollte am selben Nachmittag zurück nach Accra fahren. Das kurze Treffen half mir sehr, da ich mit Flos Hilfe innerhalb von einer guten Stunde einen Bus finden konnte, der mich direkt zum Mole National Park bringen würde.
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Diese Fahrt dauerte weitere vier Stunden und war eher holperig. Als ich abends im Nationalpark am Mole Motel ankam, war es schon dunkel. Mich faszinierte, wie nah die Tiere an das Motel herankamen. Auf dem Weg zur Rezeption leuchtete der Schaffner des Busses einmal mit der Taschenlampe vom Weg herunter, wo wir nur fünf Meter von uns entfernt eine Antilope sahen, die im Licht der Taschenlampe wie versteinert war.
Als ich am nächsten Morgen aus dem Zimmer ging, sah ich drei Warzenschweine, die direkt am Gebäude frühstückten. Ich entschied mich, morgens eine zu Fuß geführte Safari durch den Park zu machen.
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Der Ranger sah wirklich wie ein Ranger aus und führte uns zuerst einmal zu einem Wasserloch, das man von der Anhöhe, auf der das Motel steht, sehen kann. Bis auf zwei Krokodile war dort aber noch nichts los. Dann gingen wir etwas tiefer in die Savanne hinein. Unter Savanne habe ich mir stets ein Meer aus trockenem Gras bis zum Horizont vorgestellt. Diese Savanne war allerdings mit relativ vielen Büschen und niedrigen Bäumen bewachsen, die aufgrund eines Regengusses, den es vor einigen Tagen gegeben hatte, auch ziemlich grün waren.
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Auf einer Freifläche zwischen den Büschen sahen wir Wasserböcke, die man laut Ranger nicht Antilopen nennen darf und Antilopen mit verschiedenen Namen, die ich alle vergessen habe. Außerdem waren da diese kleinen weißen Vögel, die auf Englisch cattleegret heißen und sich anscheinend immer genau dort herumtreiben, wo auch andere Tiere sind. Interessant fand ich auch die Elefantenspuren, die durch das Austrocknen des Bodens noch zu sehen waren, obwohl sie schon ziemlich alt waren.
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Als wir dann zum Wasserloch zurückkehrten, schwammen sieben Elefanten in dem Wasser. Mich beeindruckte die Stille, die diese großen Tiere umgab, die nur gelegentlich von dem Schnaufen eines aus dem Wasser auftauchenden Rüssels unterbrochen wurde. Besonders im Gedächtnis blieb mir, dass einer der Elefanten seine Ohren langsam auffächerte und wieder anlegte, was dem ganzen Bild etwas pulsierendes gab. Ein etwas jüngerer Elefant versuchte ab und zu, auf die Rücken der anderen Elefanten hinaufzuklettern und fiel dann wieder ins Wasser. Da die Elefanten aber keinerlei Anstalten machten, aus dem Wasser kommen, (wer sollte es ihnen bei dem heißen Wetter verdenken,) versprach uns der Ranger, nach dem Frühstück noch einmal mit uns herunterzukommen, was wir auch taten.
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Die Elefanten hatten sich inzwischen in ein kleines Wäldchen nahe des Wasserlochs begeben, um dort zu frühstücken. Es war uns möglich, bis auf zwanzig Meter an die Elefanten heranzukommen. Wieder diese besondere Stille, während sie mit ihren Rüsseln Blätter von den Bäumen pflückten. Als ich diese Tiere von so nah sah, wie sie sich halb von Bäumen bedeckt langsam bewegten, musste ich aus irgendeinem Grund daran denken, wie ich das erste Mal Avatar – Aufbruch nach Pandora in 3D im Kino gesehen hatte.
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Mittags tat ich es den Elefanten nach und schwamm im kleinen Pool des Motels. Nachmittags wollte ich eine Jeep Tour machen. Ich saß mit einigen anderen Gästen auf dem Dach des Jeeps. Im Wesentlichen sahen wir die gleichen Tiere wie auf der Tour am morgen, aber es war interessant, tiefer in den Park hineinzufahren. Am Anfang der Tour sahen wir allerdings einige baboons, die sich relativ nah an dem Dorf neben dem Motel herumtrieben. Der Jeep verlangsamte stets, wenn wir uns Tieren näherten, damit wir sie besser sehen konnten.
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Einmal hielt der Jeep an und wir versuchten zu sehen, wegen welchem Tier der Fahrer angehalten hatte. Wir konnten aber nichts erkennen. Daraufhin stieg der Fahrer aus und deutete in die Ferne. In etwa sechshundert Metern Entfernung war eine Schneise in den Bäumen, aus der der Rücken eines Elefanten herausragte. Alle im Auto waren recht beeindruckt, dass der Ranger das gesehen hatte. Der männliche Elefant stand anscheinend Wache, da in dieser Gegend die Weibchen mit ihren Jungen weilten.
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Abends rief ich dann einen Motorroller aus dem nahegelegenen Dorf Larabanga, weil ich die zweite Nacht nicht im eher teuren Motel verbringen wollte. Stattdessen schlief in der Herberge der Salia Brothers, oder vielmehr auf dem Dach derselben, da die Zimmer von der Sonne überheizt waren und die sehr freundlichen Brüder daher erlauben, dass man seine Matratze auf das Dach legt. Einer der Brüder zeigte uns Übernachtungsgästen noch einen magischen Stein, der am Rand des Dorfes liegt und relativ normal aussieht und eine eher außergewöhnliche weißgewaschene Moschee aus Lehm. Obwohl ich für den Bus zurück nach Tamale am Mittwochmorgen um vier Uhr aufstehen musste, war diese windgekühlte Nacht unter Sternen eine sehr entspannende. Der Bus fiel übrigens aus, weil er einen kaputten Bus in eine andere Richtung ersetzen musste. Stattdessen nahm uns ein Lkw auf der Ladefläche mit, was die wie gesagt eh schon holperige Fahrt zu einem Erlebnis der besonderen Art machte. In Tamale wollte ich einen Nachtbus nach Accra nehmen. Bis zu dessen Abfahrt trieb ich mich mir die Zeit auf dem kleinen verwinkelten Markt herum. Wegen der muslimischen Mehrheit in Tamale kann man auf dem Markt viele Kolanüsse kaufen. Da Tamale weit weg von der Küste ist, gibt es statt des vielen Fischs auf Accras Märkten mehr Fleisch. Im Gegensatz zu den Geschmäckern in Deutschland kann man hier jeden erdenklichen Teil des Tieres kaufen, ich habe auf dem Markt Organe gesehen, die ich vorher noch nie gesehen hatte. Der Nachtbus hatte zwar recht komfortable Sitze, aber schlafen konnte ich trotzdem nicht wirklich. Mein Sitz war direkt unter einem Fernseher, der lautstark übertrieben dramatische nigerianische Filme abspielte – die ganze Nacht. In diesen nigerianischen Filmen, die sie hier zeigen, geht es fast immer um moralischen Verfall, Ehebruch und gebrochene Familienehren, weshalb eigentlich die ganze Zeit über geschrien wird. Als ich um vier Uhr am Donnerstagmorgen in Accra angekommen war, war ich überrascht, das schon um diese frühe Uhrzeit Trotros herumfuhren. Am Freitag habe ich eine ehemalige Freiwillige getroffen, die mir meine neuen Bankkarten aus Deutschland mitgebracht hatte; die alten hatte ich ja verloren. Am Abend ging ich mit Flo, Johan und Christian in die Stadt und wollte zum ersten Mal meine neue EC-Karte verwenden. Als Erstes fiel mir aber ein, dass ich meine neue PIN nicht nachgeschaut hatte. Da ich nicht nochmal nach Hause fahren wollte, rief ich meine Mutter an, um sie zu fragen. Der erste Geldautomat funktionierte dann aber nicht, der zweite und dritte akzeptierten kein Maestro. Der vierte nahm dann endlich meine Karte. Ehe ich aber meine PIN eingeben konnte, erschien folgende Meldung auf dem Bildschirm: „Your card has been retained.“ Ich kam mir vor wie in einem Film. Statt meiner Karte kroch langsam eine weiße Quittung aus dem Automaten, die mir die gleiche Meldung mitteilte. Ein paar Augenblicke stand ich einfach nur fassungslos vor dem Automat und suchte nach einer Erklärung, bis es mir plötzlich wie Schuppen von den Augen fiel: Für die Dauer des Transports von Deutschland nach Ghana hatte ich die Karte vorübergehend sperren lassen und das vollkommen vergessen. Ich schrie auf offener Straße auf wegen so viel Blödheit und Kurzsichtigkeit und musste gleichzeitig wegen der Ironie lachen. Ich hatte eine Stunde gebraucht, bis ich meine PIN hatte und einen Automaten fand, der meine Karte nahm und dann schluckte dieser sie einfach. Ich hatte meine Karte für nicht einmal fünf Stunden gehabt und schon wieder verloren. Ich befürchtete wirklich, dass ich meine Karte nicht wieder bekommen würde. Als ich am nächsten Morgen mein Problem bei Google eingab, verfestigten sich meine Befürchtung noch. Ich vermutete, dass die Bank die Karte vielleicht sogar zurück nach Deutschland schicken müsste, was so ironisch, ja beinahe albern wäre. Dennoch ging ich zum Büro der Bank, welches glücklicherweise am Samstag geöffnet war. Falls sie das nicht durften, wussten sie das nicht, denn sie gaben mir die Karte innerhalb von einer Viertelstunde ohne Widerrede zurück. Ich war vielleicht unglaublich kurzsichtig, aber ich hatte noch mehr Glück.
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noexpertblog · 12 years
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Nicht über, sondern genau sechs Monate in Ghana
Heute vor genau sechs Monaten bin ich in Ghana angekommen.
Emotional ist das gerade diese Mischung aus „Hui, das ging aber schnell.“ und vielen Gedanken und Fragen, was ich noch besser machen könnte.
Da dieses Zahlenereignis aber auf einen Wochentag fällt, habe ich das nicht groß gefeiert, sondern lediglich mit Sam und Flo, die hier ebenfalls seit sechs Monaten sind, in einem Spot mit Kuja darauf angestoßen. Kuja ist ein Gemisch auf Pfefferschoten und Mahagoni (oder so ähnlich), die in einen mir unbekannten Alkohol – vermutlich Gin – eingelegt wurden. Aus irgendeinem Grund hatten wir dieses Getränk ausgewählt, vielleicht wegen seiner Ungewöhnlichkeit.
Die Hinfahrt zu dem Spot hatten wir mit einigen Bekannten zu siebt (inklusive Fahrer) in einem für fünf Leute ausgelegten, normalen Taxi zurücklegt. Ich habe mich gefragt, wie viele Leute man in so einem Auto unterbringen könnte, wenn es nötig wäre. Das haben wir aber nicht ausprobiert.
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noexpertblog · 12 years
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Über den Unabhängigkeitstag
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Heute ist die Republik Ghana 56 Jahre alt geworden.
Auf dem Independence Square in Accra gibt es am Unabhängigkeitstag eine Militärparade. Christian, Johan, Barbara und ich wollten diese gerne sehen. Da uns aber gesagt wurde, dass die Parade schon um sieben Uhr morgens beginnt, brachen Barbara und ich hier schon um sechs Uhr morgens auf. Christian und Johan waren ausgegangen und hatten sich dann kurzfristig entschieden, einfach die Nacht durchzumachen und direkt vom Nachtklubviertel Osu zum Independence Square zu fahren.
Als wir nach einer knappen Stunde mit Trotro und Taxi am Independence Square ankamen, hatte die Parade noch nicht richtig angefangen. Die Fahrt hatte deutlich kürzer gedauert, als wir erwartet hatten, da der Feiertag die Straßen leergefegt hatte. Die Atmosphäre war sehr angenehm. Der Independence Square wurde zusammen mit Tribünen für Paraden sowie dem Independence Arch direkt an den Ozean gebaut, sodass eine angenehm kühle Brise weht. Es herrschte eine friedliche, ungezwungene Volksfeststimmung. Neben und auf den Tribünen wurden Essen und Getränke sowie diverse Kleidungs- und Schmuckstücke in rot, gelb und grün verkauft.
Als wir ankamen, waren bereits die Fahrzeuge von Militär, Polizei und Feuerwehr zur Präsentation auf den Paradeplatz gefahren. Daraufhin marschierte eine Blaskapelle auf, während in schwarzen Autos mit Motorradeskorte der Präsident John Mahama vorgefahren wurde.
Nach eine Weile marschierten diverse Gruppen in bunten Uniformen auf den Platz, sowohl Soldaten als auch die Schüler einiger ausgewählter Schulen.
Der Präsident fuhr dann in einem offenen Wagen zwischen den Reihen hindurch.
Nach einer auf unsere Tribüne unverständlichen Rede des Präsidenten präsentierten sich im Laufschritt einige ausgerüstete und bewaffnete Einheiten von Polizei und Militär.
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Direkt darauf fuhren die oben erwähnten Einsatzfahrzeuge eine Parade. Diese wurden aber dicht gefolgt von einem mit Menschen vollgestopften LKW, der die Presse transportierte, was diesem Teil der Parade eine gewisse Komik verlieh.
Zuletzt flogen dicht über den Paradeplatz noch zwei Hubschrauber und ein Flugzeug hinüber.
Dann fuhr der Präsident winkend an den Tribünen vorbei (sogar ziemlich dicht an uns) und verließ den Paradeplatz.
Anscheinend gehen danach viele Menschen direkt zum Ozean hinter dem Independence Square um dort am Strand weiter zu feiern. Wir sind dann aber schon nach Hause gegangen.
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Insgesamt finde ich es toll zu sehen, wie stolz die Ghanaer auf ihre Demokratie und ihre Unabhängigkeit sind, auch wenn eine Parade zur Feier für mich aus irgendeinem Grund etwas absurd wirkt.
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noexpertblog · 12 years
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Über einen verlorenen Geldbeutel
Am letzten Freitag bin ich mit allen Freiwilligen aus Echoing Hills und einer Besucherin aus Österreich nach Elmina gefahren. Diese Stadt, die das älteste von Europäern gebaute Gebäude in Westafrika birgt, liegt westlich von Cape Coast an der Küste Ghanas.
Auf dem Weg dahin gab es aber schon am Nkrumah Circle in Accra ein Problem. Als ich von einem Trotro direkt in den nächsten umstieg und dann meinen Geldbeutel zücken wollte, um den Mate zu bezahlen, scheiterte dieses Vorhaben an der Auffindbarkeit des Geldbeutels. Einfacher ausgedrückt: Ich hatte meinen Geldbeutel verloren. Ich vermute stark, dass ich nach dem Bezahlen im vorhergehenden Trotro vergessen hatte, ihn wieder in die Tasche zu stecken und er dann beim Aussteigen auf den Sitz rutschte.
Dennoch machte ich mich dann weiter auf den Weg nach Elmina und rief die Kreditkartensperrung auf dem Weg dorthin an. Statt der erwarteten vierzig Minuten Gesprächszeit war das Guthaben jedoch schon nach knapp zwei Minuten mitten im Gespräch aufgebraucht. Anscheinend reichte es aber trotzdem für die Sperrung aus.
Meine Mutter konnte dann für mich auch meine Girokontokarte sperren und am Montag darauf eine neue beantragen. Ich konnte im Laufe der Woche auch eine neue Kreditkarte beantragen.
Gestern bekam ich aber dann einen Anruf vom ICYE, dass sie angerufen worden wären, weil mein Portemonnaie gefunden wurde. Heute Mittag habe ich dann den Geldbeutel bei der Hot FM Radiostation in Adabraka abgeholt.
Der Moderator, der ihn hatte, brachte dann etwas Licht ins Dunkle, sofern man ihm glauben kann: Der Finder brachte den Geldbeutel zu der Radiostation und bezahlte mit meinem Bargeld eine Radiodurchsage für den Fund. Als das aber nichts brachte, fanden sie in dem Portemonnaie meine Volunteer ID und riefen die Telefonnummer des ICYE, die ich dort eingetragen hatte, an.
Das Ärgerliche an der Sache ist, dass ich bereits die neuen Karten beantragt habe und somit die alten Karten wertlos sind. Also muss ich trotzdem durch den zeitaufwändigen und eventuell teuren Prozess gehen, die Karten nach Ghana zu bringen.
Das Bargeld kriege ich nicht natürlich auch nicht wieder.
Laut Kojo vom ICYE hatte er schon am Sonntag versucht, mich anzurufen, als die neuen Karten noch nicht beantragt waren, aber aus irgendeinem mir nicht ganz verständlichen Grund konnte er mich nicht erreichen. In Abwandlung der Redewendung kann man hier also durchaus von Unglück im Glück sprechen.
Vielleicht lassen sich meine gemischten Gefühle zwischen einem sarkastisch-amüsierten Blick auf das Ganze und Verärgerung ganz gut mit einem Meme ausdrücken.
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noexpertblog · 12 years
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Halbjahresbericht
Ein bisschen verfrüht habe ich vor einigen Wochen eine E-Mail vom ICJA mit der Bitte um einen Halbjahresbericht bekommen, den ich dann am letzten Freitag fertiggestellt habe. Ich dachte, dass der vielleicht in meinem Blog ganz interessant sein könnte. Da ich aber auch ein paar negative Anmerkungen mache, obwohl mein Projekt im Großen und Ganzen großartig finde und ich vermeiden möchte, dass diese eventuell übertrieben aufgefasst werden, habe ich einige Namen durch zufällige Buchstaben ersetzt. Der Bericht ist deutlich länger als vom ICJA angefordert und fühlt sich trotzdem längst nicht vollständig an, aber er ist ein schöner Einblick.
Viertel nach sechs. Mein neuer Mitbewohner Flo, dem mein anderer Mitbewohner Sam den Spitznamen Gentle Giant verliehen hat, weckt mich auf und fragt mich, ob ich ihm Kleingeld für die Trotrofahrt zu der Schule, in der er arbeitet, leihen kann, da man sich, wenn man die etwa 70 Pesewas Fahrtpreis mit einem Zwanzig-Cedi-Schein bezahlt, schon wie ein reicher weißer Tourist vorkommt und ziemlich schräg angeschaut wird. Also schlüpfe ich unter meinem Moskitonetz hervor und gebe ihm einen gelben Zwei-Cedi-Schein. Ich lege mich wieder hin und will mich noch für ein paar Minuten entspannen. Wenig später kommt Samiala ins Zimmer und fragt mich, ob ich ihm bei seinen Hausaufgaben helfen könnte, die er für den heutigen Schultag braucht. Wieso hat er die nicht gestern gemacht? Naja, dann stehe ich also endgültig auf und helfe ihm. Etwas, das mir schon vor einiger Zeit aufgefallen ist, sticht mir wieder ins Auge: Viele ghanaische Kinder können zwar hervorragend buchstabieren, aber wenn sie ein vom Hören bekanntes Wort zum ersten Mal geschrieben sehen, haben sie sehr große Schwierigkeiten, das Wort abzulesen. Ich frage mich, ob ich daran etwas ändern kann, bisher haben meine Versuche nicht gefruchtet. Dennoch bin ich sehr froh, dass Samiala jetzt mit vierzehn Jahren endlich erstmals in die Schule geht. Bei manchen Waisen verzögert sich der Schulbeginn aus verschiedenen denkbaren Gründen eben.
Als wir fertig sind, ziehe ich mich an und gehe in das Gebäude für die Frauen, um mit dem Frühstück zu helfen, aber vielleicht sollte ich davor erst einmal erklären, wo ich bin und was ich hier mache.
Seit Anfang September mache ich mit dem ICJA Freiwilligenaustausch weltweit e.V. einen ein Jahr dauernden Freiwilligendienst in Ghana. Ich arbeite hier für die Organisation Handi Vangelism Ministries in einem Projekt namens Echoing Hills Village. Dieses Heim für Menschen mit geistigen und körperlichen Behinderungen liegt am Stadtrand der ghanaischen Hauptstadt Accra nahe dem Madina Market. Es ist ein recht großes, weitläufiges Gelände mit zwei Schlafgebäuden für die männlichen und weiblichen Bewohner, einer Küche, in der für die Bewohner gekocht wird, einem offenen Pavillon (die Summer Hut), in dem manche Aktivitäten stattfinden und einer Halle, die als Kirche verwendet wird, neben der einige der Freiwilligen sowie von Zeit zu Zeit auch Besucher wohnen. Ich wohne direkt im Projekt, was ich sehr schätze, weil ich dadurch eine sehr persönliche Beziehung zu den Bewohnern von Echoing Hills aufbauen kann. Ich arbeite vor allen Dingen mit den geistig behinderten Bewohnern sowie einigen Kindern, die hier leben. Außerdem wohnen hier aber noch einige Taubstumme und Blinde.
Es gibt hier momentan recht viele andere Freiwillige, allerdings die meisten nur für eine kürzere Zeitspanne. Ich teile mir mein Zimmer mit Sam aus den USA und Flo aus Österreich. Mit Sam bin ich hier seit September und auch Flo kenne ich schon genauso lange, allerdings hat Flo erst vor kurzem in dieses Projekt gewechselt und arbeitet auch nicht die ganze Zeit hier. Dann gibt es noch Christian aus Dänemark, Johan aus Schweden, Barbara aus Österreich sowie Prince aus Ghana, der allerdings nicht hier wohnt und auch nicht über den ICYE an die Stelle gekommen ist.
Direkt zusammen arbeite ich hier noch mit Naomi und Joseph, die hier angestellt sind und sich viel um die Tagespflege kümmern. Meine „Chefs“ sind A., deren Position man vielleicht am ehesten mit Aufseherin beschreiben kann und B., der der Direktor von Echoing Hills ist. Nicht immer ist morgens schon so viel los, allerdings kommt es doch ab und zu vor, dass Kinder morgens hereinkommen und mich nach ihren Medikamenten fragen, wenn sie krank waren, mich um Hilfe bei den Hausaufgaben bitten oder mir vorschlagen, ich solle Telefonguthaben für sie kaufen.
Auf jeden Fall stehe ich aber dann kurz vor sieben auf und gehe in das Gebäude, wo die Mädchen und Frauen wohnen, in dem der Raum ist, wo alle Bewohner essen. Dort helfe ich dann mit, den Bewohnern das Frühstück zu bringen. Zum Frühstück gibt es meistens Weißbrot mit Tee oder einem ghanaischen Porridge. Manchmal füttere ich Joanita, die nicht alleine essen kann. Sie sitzt im Rollstuhl und kann nicht sprechen, weshalb ich anfangs falsch schloss, sie sei nicht so intelligent, was aber falsch ist: Sie kann mit einem Stift im Mund Addition und Subtraktion aufschreiben und versteht vier Sprachen: Englisch, Ga, Twi und die ghanaische Gebärdensprache. Wenn man mit ihr redet muss man eben jede Frage in eine Ja-Nein-Frage umwandeln, damit sie sie mit Kopfnicken oder Kopfschütteln beantworten kann.
Am Anfang des Freiwilligendienstes habe ich noch nicht beim Frühstück mitgeholfen; ich habe allerdings dann angefangen, als ich herausfand, dass das von Barbara erwartet wird. Das liegt daran, dass Joanita als Einzige nicht fähig ist, sich morgens zu waschen, weshalb Barbara schon früh aufstehen muss. Da sie dann schon wach ist, hilft sie dann mit dem Frühstück.
Auch wenn ich das Gefühl habe, dass die Gleichberechtigung von Frauen und Männern auf einem guten Weg ist, nehme ich doch wahr, dass es einige Geschlechterrollen gibt, die relativ festgefahren sind. Während ich das Tablett mit den Tellern für die Bewohner auf meinen Kopf hebe, sagt die Köchin in Echoing Hills manchmal, dass das eigentlich die Mädchen machen sollten. Oder die Berufe, die ich auf der Straße sehe: Das meiste Essen auf der Straße wird von Frauen verkauft, wohingegen Taxis und Trotros vor allem von Männern gefahren werden.
Nach dem Frühstück gehe ich dann selbst in die Küche und hole mir etwas zum Essen; manchmal habe ich sogar noch eine paar Minuten Zeit etwas zu lesen, bevor es um acht Uhr mit der Devotion weitergeht: Das ist eine kleine Morgenandacht, die vor allem aus Singen besteht. Einige der Lieder kann ich inzwischen mitsingen, auch wenn ich nicht alle Texte verstehe, da viele auf Twi sind.
Nach einer guten halben Stunde fangen wir dann mit Unterricht an. Natürlich ist das kein echter Schulunterricht. Mit den anderen Freiwilligen und Pflegern wechseln wir ab, wer wen unterrichtet. Je nachdem, wen ich unterrichte, besteht der Unterricht mal aus Bilder ausmalen und Perlen auffädeln, Steinchen zählen und Buchstaben abmalen oder Addition und Subtraktion von großen Zahlen sowie einfachen englischen Wörtern. Die meisten Bewohner von Echoing Hills lernen recht langsam und manche überhaupt nicht, sodass der Unterricht manchmal viel Geduld erfordert. Mit den wenigen Kindern, die hier wohnen und in eine öffentliche Schule gehen, gehe ich auch ab und zu die Hausaufgaben durch. Der Schulunterricht wechselt nämlich alle zwei Wochen zwischen Vormittags- und Nachmittagsunterricht, da die Schule die große Anzahl Schüler nicht zur selben Zeit unterrichten kann, sodass manchmal die Schulkinder nach dem Frühstück noch zuhause sind.
Um zwölf Uhr gibt es dann Mittagessen. Wir helfen zusammen die Teller aus der Küche in den Speisesaal zu bringen und verteilen die Portionen dann an die Bewohner. Dann holt jemand Wasser aus dem Kühlschrank und bringt es den Bewohnern, während jemand anderes Joanita füttert. Trinkwasser gibt es in Ghana vor allem als Pure Water, das sind verschweißte 500ml-Plastikbeutel, die mit gereinigtem Trinkwasser gefüllt sind und je nach Qualität unterschiedlich gut schmecken.
Nach dem Mittagessen legen sich einige der Bewohner hin und wir haben eine gute Stunde Mittagspause. Ich esse an vielen Tagen das gleiche Essen wir die Bewohner von Echoing Hills, an einigen Tagen macht die Küche aber etwas anderes für uns. Mit der Schärfe des Essens habe ich inzwischen keine Probleme mehr, im Gegenteil: Ich finde das Essen sehr gut.
Nachmittags spielen wir dann häufig Spiele in der Summer Hut oder auf dem weitläufigen Gelände von Echoing Hills. Meistens spielen wir allerdings Spiele, die die Bewohner schon kennen. Es fällt mir relativ schwer, neue Spiele einzubringen, da die Komplexität der Spiele relativ gering sein muss. Vor Weihnachten hatten wir mit den Bewohnern nachmittags oft für ein Krippenspiel geübt, im neuen Jahr haben wir bis jetzt aber noch kein Theater gespielt. Abends um fünf Uhr gibt es dann schon Abendessen, was im Wesentlichen genauso abläuft wie das Mittagessen. Danach habe ich für den Rest des Abends frei.
Ich konnte mich nach meiner Ankunft recht schnell in das Projekt eingewöhnen. Der geordnete Tagesablauf war dabei sicherlich eine Hilfe und hat mir relativ zügig das Gefühl eines Alltags gegeben. Die größte Herausforderung für mich war wahrscheinlich das Arbeiten mit behinderten Menschen, was ich vorher noch nie gemacht hatte. Ich hatte vor der Einreise erwartet, dass es sich um ein Waisenheim mit einigen behinderten Kindern handelt, was sich dann als falsch herausstellte: Die Organisation, die Echoing Hills betreibt (Handi Vangelism) hat auch noch ein Waisenheim, aber das ist nicht das selbe Projekt. Schnell fand ich aber Spaß an der Arbeit und gewann die Bewohner lieb, deren Herzlichkeit mir schon anfangs ein Gefühl des Willkommenseins gab. Anfangs war ich mir nicht ganz sicher, ob mich A. und B. mögen, da beide relativ wenig Emotionen zeigen, das hat sich aber inzwischen gelegt und meist halte ich die Zusammenarbeit für gut.
In anstrengenden Momenten der Arbeit hilft mir Humor meist weiter; ja, oft kommt mir Echoing Hills fast vor wie ein Live-Sitcom. Andererseits haben diese schnelle Eingewöhnung und die eingeschränkten Fähigkeiten der Menschen mit denen ich arbeite dazu beigetragen, dass ich Schwierigkeiten habe, neue Ideen einzubringen. Manchmal mache ich mir selbst deswegen Vorwürfe und frage mich, ob ich zu passiv bin oder ob das in der Natur des Projekts liegt. Während ich anfangs natürlich viel dazugelernt habe, stagniert das jetzt. Zwar arbeite ich nach wie vor durchgehend und ich halte mich für einen auf meine Weise bedeutenden Mitarbeiter im Projekt, aber dennoch habe ich stets dieses unangenehme Gefühl, dass ich zwar mehr tun könnte, aber nicht weiß wie.
Während meiner Vorbereitungen in Deutschland hatte ich stets vor, mir möglichst wenige Vorstellungen von Ghana zu machen, was natürlich ein praktisch unmögliches Vorhaben ist.
Besonders der Darstellung der Malaria als eine große, häufig lebensgefährliche Bedrohung kann man nur sehr schwer entgehen. Als ich hierher kam, war ich anfangs noch sehr davon beeinflusst: Ich spannte selbst im nur eine Woche dauernden Orientation Camp mein Mückennetz auf (was mir den freundlichen Spitznamen „Princess“ einbrachte) , nahm prophylaktische Malariamedikamente , zog mir abends stets imprägnierte lange Kleidung an und schmierte die freien Körperpartien mit Mückenschutz ein.
Das Moskitonetz über dem Bett halte ich nach wie vor für sinnvoll, aber es ist nicht so schlimm wenn ich es auf Reisen mal an einem Tag nicht habe. Mückenschutz für die Haut verwende ich nur an den Abenden, an denen ich merke, dass mich viele Mücken angreifen. Lange Kleidung verwende ich noch seltener und ich frage mich wirklich, wer es geschafft hat, mir einzureden, dass ich meine Kleidung auch noch imprägnieren sollte. Nach etwa zwei Monaten in Ghana entschied ich mich auch, dass ich die Malariamedikamente absetze, da ich plötzlich doch Verdauungsprobleme davon hatte. Außerdem sah ich in Echoing Hills, wie die Malaria verläuft, was mit rechtzeitiger Behandlung ein sanfteren Krankheitsverlauf hat als eine schwere Grippe. Daraufhin hatte ich keine Motivation mehr, meinen Körper einem einjährigen chemischen Bombardement auszusetzen. Während der Weihnachtsferien hatte ich noch einmal Prophylaxe genommen, da ich dann gerade keine Malaria bekommen wollte, aber ansonsten nehme ich keine Medikamente mehr. Häufig hört man in Deutschland auch Warnungen vor Verdauungsproblemen und damit einhergeht geht der Spruch: „Cook it, peel it or forget it.“ Tatsächlich habe ich vom Essen in Echoing Hills genau einmal Probleme gehabt, und zwar als Corned Beef aus der Dose in der Soße war. Auch das Essen auf der Straße, unabhängig davon, ob Frittiertes oder frisch aufgeschnittenes Obst kann ich problemlos essen. Ich wähle natürlich immer Stände, die gut aussehen, aber lasse keine besondere Vorsicht walten. Das andere Mal als ich eher starke Verdauungsprobleme hatte, war, als ich in einem eher teuren Pizza-Restaurant zu viel Pizza aß.
Eine weitere negative Vorstellung von afrikanischen Ländern, die in Deutschland verbreitet ist, ist eine hohe Kriminalitätsrate. Zwar hatte ich nicht wirklich ein Vorurteil darüber, als ich in den Flieger nach Ghana stieg, dennoch war ich aber recht erstaunt zu sehen, wie wenig Kriminalität es in Ghana gibt. Ich bin bis jetzt weder ein Opfer von Taschendiebstahl geschweige denn Raubüberfall gewesen, obwohl ich mich sowohl an dichtgedrängten wie Märkten oder Busstationen aufhalte, als auch abends in Nebenstraßen spazieren gehe. Natürlich sollte man nicht mit seinem offen gezeigten Geld spazieren gehen und vielleicht nicht nachts in sehr zwielichtig aussehende Straßen gehen, aber das versteht sich irgendwie von selbst. Wenn ich am Wochenende spät abends unter Sternen nach Hause gehe, überkommt mich manchmal ein Gefühl der Dankbarkeit für diese Friedlichkeit, die es mir ermöglicht, am Wochenende auch mal mit Freunden abends auszugehen, ohne mich zu sorgen, wann ich nach Hause muss. Allerdings ist es etwas lästig, dass abends stets das Tor von Echoing Hills abgesperrt wird und wir stets darum bitten müssen, dass das Tor offen bleibt, wenn wir abends ausgehen.
Hinsichtlich der Kultur hätte ich erwartet, dass ich relativ zügig eine der ghanaischen Sprachen lerne. Tatsächlich beherrsche ich bis jetzt aber nur sehr wenige einfache Phrasen in Twi. Ich bedaure das einerseits und weiß andererseits nicht genau, wie ich das ändern kann. Ist lediglich meine eigene Faulheit die der Grund ist oder ist es vielmehr, dass es nicht nötig ist, da ich mich mit den allermeisten Menschen hier auf Englisch verständigen kann?
Außerdem hätte ich erwartet, dass ich viele Freundschaften mit Ghanaern mache, aber auch das passiert so gut wie überhaupt nicht. Ich habe zwar viele gute Bekannte, aber fast alle davon habe ich im Rahmen meines Projektes gemacht. Keine dieser Bekanntschaften ist allerdings so eng, dass ich sie als echte Freundschaft bezeichnen kann. Es fällt mir sehr schwer, einzuschätzen, woran das liegt. Ist es eine zu großer kultureller Unterschied? Falls das der Grund wäre, fände ich das sehr deprimierend. Oder ist es eine gewisse Beziehungsscheue meinerseits, weil mich viele Ghanaer nach einer kurzen Unterhaltung stets nach Geld fragen?
Das erste Mal, dass ich das Gefühl hatte, ich sei richtig in Ghana angekommen, war, als ich das öffentliche Verkehrssystem verstanden hatte. Es besteht vor allem aus sogenannten Trotros, Minibussen, die einen für aus meiner Sicht sehr gute Preise zur praktisch jedem Ort bringen, wenn man denn den jeweiligen Trotro findet. Anfangs sah es für mich verwirrend und kompliziert aus, wie überall in der Stadt Trotros an mir vorbeifuhren und scheinbar überall hinfuhren, aber nach einer Weile verstand ich endlich das System dahinter: Man geht zu einer der großen öffentlichen Trotrostationen und fragt nach der Position des Trotros zu dem Ort zu dem man möchte. Dann betritt man diesen Trotro, der erst abfährt, wenn jeder Platz belegt ist. Bedeutend ist, dass es neben dem Fahrer noch den Mate gibt, der sowohl für das Einsammeln des Beförderungspreises zuständig ist als auch Passanten mitteilt, wohin der Trotro fährt. An dem System gefällt mir besonders gut, dass die Kommunikation mit den Mitmenschen ein wesentliche Rolle spielt und dass es ohne eine übergreifende Ordnungsinstanz erstaunlich gut funktioniert.
Auch wenn es nicht wirklich überraschend kam, hätte ich bei meinen Vorbereitungen in Deutschland nicht erwartet, dass ich im Alltagsleben so stark auffalle. Auf der Straße ruft man mir stets Obruni hinterher und häufig hupen die Taxifahrer mich an. Auch einfache Höflichkeiten wie wenn ich auf der Straße mit „Welcome to Ghana!“ begrüßt werde, gehen mir inzwischen manchmal auf die Nerven. Ich kann in der Öffentlichkeit nicht untertauchen. Ich hatte während der Rassismus-Einheit des Vorbereitungsseminars nicht erwartet, dass diese mich darauf vorbereitet, obwohl ich sie sehr interessant fand. In der Einheit ging es mehr um das Verhalten gegenüber Ausländern in Deutschland. Gerade das hat mir aber dann in Ghana doch etwas geholfen, da es im Prinzip doch das Gleiche wie im Seminar ist, wenn auch mit vertauschten Rollen.
Eine Anekdote über Alltagsrassismus möchte ich hier kurz erzählen: Ich wartete mit Sam und Flo schon eine ganze Weile auf einen Trotro und als dieser endlich kam, waren wir drei die Letzten, die in den Trotro einstiegen, sodass Flo sich auf den Sitz setzen musste, der normalerweise für den Mate reserviert war. Das ist aber durchaus nicht unüblich, und häufig kommt es vor, dass der Mate für einen Teil der Fahrt steht oder sich den Sitz mit einem der Passagiere teilt. Der Mate forderte Flo aber vorwurfsvoll auf, er solle statt dem regulären Fahrtpreis von 80 Pesewas das Doppelte zahlen. Noch recht gutmütig gab Flo ihm einfach alle Münzen, die er mit sich hatte, was 90 Pesewas ergab. Als Sam dann allerdings mit einem Zwei-Cedi-Schein für sich selbst und mich zahlte, gab der Mate Sam während der fast einstündigen Fahrt nicht das Wechselgeld zurück. Während den letzten fünf Minuten saßen wir nur noch zu dritt mit dem Mate und dem Fahrer im Trotro und ich sprach ihn nochmal auf das Wechselgeld an. Er sagte, dass er möchte, dass Sam für Flo besonderen Sitzplatz bezahlt. Die Diskussion ging einer Weile hin und her, bis er sich schließlich wegdrehte und aus dem Fenster schaute. Ich tippte in energisch an der Schulter an und fragte nochmals nach dem Wechselgeld, woraufhin er sich umdrehte und mich anschrie, wieso ich ihn denn schlagen würde. Im Endeffekt haben wir das Wechselgeld zwar bekommen, aber dennoch bleibt mir dieses Gefühl hilfloser Wut besonders im Gedächtnis. Es geht ja nicht wirklich um das Wechselgeld, sondern vielmehr um den Wunsch, gleichberechtigt zu werden.
Meist ist die Kommunikation im Projekt kein Problem, auch wenn ich nicht eine bestimmte Ansprechperson habe, sondern je nach Frage entweder zu A., B. oder dem Sozialarbeiter C. gehe. Vor etwa einem Monat gab es aber einen Vorfall bei dem die Kommunikation eher schlecht war. Sam, Barbara und ich (damals waren wir noch nur zu dritt) besuchten Lotta, die im Waisenheim von Handi Vangelism arbeitet. Einige kleine Stressfaktoren kamen zusammen und plötzlich war B. wütend auf Sam, Lotta und mich, sprach sich darüber jedoch nur gegenüber Lotta aus. Zusammen entschieden wir Freiwilligen uns für die sinnvollste Lösung, nämlich höflich abwarten. Nach einigen Tagen besserte sich die Stimmung. In der selben Woche kam A. während einer Mittagspause um etwa halb drei aufgebracht ins Zimmer von Sam und mir und fragte, wieso wir nicht arbeiten. Ich erklärte ihr darauf aufrichtig, dass ich bisher immer dachte, dass die Mittagspause um drei Uhr endet, woraufhin A. entgegnete, dass sie schon um zwei Uhr endet. Natürlich haben Sam und ich uns jetzt daran angepasst, aber da ich in den ersten vier Monaten stets um drei Uhr wieder anfing zu arbeiten, frage ich mich ernsthaft, wieso mir das nicht schon sehr viel früher kommuniziert wurde.
Ein weiteres Problem, dass immer mal wieder aufkommt, auch wenn es eher lästig als wirklich schlimm ist, ist die Tatsache, dass wir die Projektleiter vorher informieren müssen, falls wir Besuch haben. Gerade heute wurden wir sogar gebeten, keine Mädchen mehr bei uns übernachten zu lassen. Das ist nicht zu dramatisch, aber mal sehen, ob das in Zukunft einen schwerwiegenderen Effekt hat.
Manchmal habe ich das Gefühl, das jemand auf uns wütend ist, aber nicht artikuliert, warum. Meist ist das aber nicht der Fall und Konflikte werden zügig durch ein Gespräch beendet.
Ich bin auch dankbar dafür, dass ich zwar in unserem sehr christlichen Projekt in die Kirche gehen kann, aber nicht muss, wenn ich nicht möchte oder am Sonntagmorgen andere Pläne habe.
Während ich vor etwas zwei Monaten ein sehr zufriedenes Hochgefühl hatte, hat sich jetzt ein Gefühl ein gestellt, das ich für mich selbst als Phase der zweiten Ernüchterung bezeichnet habe. Das Gefühl der Entwicklung im Projekt stagniert und obwohl ich den ganzen Tag etwas tue, zweifle manchmal an mir selbst und frage mich, ob ich nicht faul oder passiv bin, weil ich keine neuen Ideen einbringe. Einige Dinge im Projekt fallen mir auf, die ich merkwürdig finde und ich stelle mir Fragen wie die folgenden: Darf eines der wenigen muslimischen Kinder hier, Samiala, nicht in die Moschee gehen oder möchte er nicht? Was ist die Einstellung des Projekts zum Thema Zahnhygiene der Bewohner? Kann man den Kindern vielleicht doch noch irgendwie Lesen und nicht nur Buchstabieren beibringen? Weshalb schlafen manche der Bewohner auf Matten auf dem Boden und andere in Betten, obwohl es genügend Matratzen gibt? Kann man etwas daran ändern, dass die meisten Ghanaer ihren Müll einfach auf den Boden oder in den Abwasserkanal werfen oder auf der Straße verbrennen?
Auch gibt es ein paar Sachen, die ich gerne lernen würde, aber ich weiß nicht wie, wo oder wann: Twi, wie bereits gesagt. Trommeln. Ghanaisch kochen. Surfen, was trotz guter Wellen in Accra mangels Surfshop unmöglich ist. Mehr ghanaische Lieder. Traditionelle ghanaische Tänze.
Zum Abschluss muss ich aber jetzt noch einige Sachen klarstellen: Trotz aller Wünsche und Unsicherheiten halte ich es nach wie vor für eine großartige Entscheidung nach Ghana gekommen zu sein. Gerade bei so einfachen Erfahrungen wie dem ersten Biss in eine Mango oder dem Sonnenuntergang oder Trommelklängen aus der Ferne bin ich sehr dankbar hier zu sein und genieße es. Viele Einstellungen der Ghanaer färben auf mich ab und ich bin – denke ich – geduldiger, dankbarer, gelassener und großzügiger geworden. Obwohl ich nie vollständig in der Masse untertauchen kann, da die Hautfarbe der Menschen als Einziges nicht auf mich abfärbt, bewege ich mich jetzt doch unauffälliger und natürlicher durch die Straßen, zumindest wenn ich das möchte.
Ich glaube, dass die Tatsache, dass ich so viel über das Leben der Menschen hier lerne, ein viel nachhaltigerer Effekt des Freiwilligendienstes ist als die Arbeit selbst. Mein Bild über Afrika im Allgemeinen und Ghana im Speziellen ist kritischer und vielschichtiger geworden und viele europäische Medienberichte kommen mir zu simpel oder einseitig vor. Auch mein Bild über Alltagsrassismus hat sich gewandelt: Während ich rückblickend bei manchen Dingen wie zum Beispiel sprachlichen Feinheiten früher zu akribisch auf politische Korrektheit bedacht war, kommt mir das Ansprechen von auffallend fremden Leuten auf deren Herkunft jetzt eher als belästigend und leicht rassistisch vor.
Sicherlich ist nicht alles toll in Ghana, aber das ist es in Deutschland auch nicht. Ich bin begeistert hinsichtlich der Herausforderung, meine Meinungen, Einstellungen und Gewohnheiten einmal neu orientieren zu müssen und genieße es, dass so vieles neu ist. Ich bin gespannt, was die zweite Halbzeit bringt.
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