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ADHS und Haushalt
Wo fange ich an, die Struggles eines Menschen mit ADHS und dem Haushalt zu beschreiben. Vielleicht beginne ich in der Kindheit. Da es sich bei ADHS um eine „Entwicklungsstörung“ handelt, die bereits im Kindesalter vorhanden sein muss, sind hier oft die Grundlagenprobleme zu erkennen. Es beginnt mit dem Aufräumen. Natürlich räumen viele Kinder nicht gerne und viel auf, aber Kinder mit ADHS können es einfach nicht! Sie sind nicht in der Lage, selbst die Schritte zu einem aufgeräumten Zimmer zu planen und dann abzuarbeiten. Es ist nicht so, dass sie es nicht wollen, sie können es einfach nicht. Und das liegt auch nicht daran, dass niemals jemand versucht hätte, es ihnen beizubringen. Wenn ein Kind mit ADHS sein Zimmer aufräumen soll, dann ist das eine Tätigkeit, die einfach kein Dopamin zur Verfügung stellt, was das Gehirn tatsächlich verlangsamt. Wenn dann auch noch ein interessantes Spielzeug in die Hände fällt, vergisst das Kind, dass es aufräumen sollte. Es ist weder faul, noch macht es das „mit Absicht“. Ich selber habe entsprechende Situationen in meinem Tagebuch aus der vierten Klasse mehrfach beschrieben (was in der Diagnostik auch recht hilfreich war). Ebenso die Verzweiflung, wenn meine Mutter mir nicht glaubte und die Ablenkung als „sich drücken“ bezeichnete. Solche Situationen sorgen dafür, dass das Kind mit Aufräumen nur negative Gefühle verknüpft; besonders das Gefühl zu versagen.
Auch wenn wir erwachsen werden, bleiben die Gefühle länger vorhanden, als die Erinnerungen an die Erlebnisse von früher. Aufräumen ist für die meisten ADHSler nach wie vor ein Grauen. Noch immer können wir es nicht und wenn wir nicht für uns akzeptieren, dass wir andere Methoden und Wege als neurotypische Menschen brauchen, werden wir es nie schaffen. Das Chaos zu beseitigen, ohne permanent von anderen Dingen abgelenkt zu werden, ist für Menschen wie mich extrem schwierig.
Hilfestellungen wie „bringe als erstes alle Dinge in die Küche, die dorthin gehören“, klingen sinnvoll und sind besonders aus hygienischen Gründen zu beachten. Doch es sind so viel mehr Dinge, die sortiert werden müssen. Ich habe für mich noch immer kein System gefunden, wie ich mein Büro aufräumen kann. In anderen Räumen hilft mir die Methode des Bodydoublings.
Dabei kann entweder mit einer anderen Person gemeinsam gearbeitet werden, oder die andere Person ist einfach nur anwesend (und arbeitet vielleicht an etwas ganz anderem). Es klingt merkwürdig, aber es kann schon helfen, wenn man beim Aufräumen nicht allein ist. Ein Teil der Aufmerksamkeit ist dann bei der anderen Person und wird weniger schnell von etwas, was einem zufällig in die Hände fällt, abgelenkt. Ich habe schon von jemandem gehört, der es nur beim Telefonat mit den Eltern schafft, die Wäsche zu bügeln – und sie reden nicht während dessen über das Bügeln. Das Bügeln ist eine Tätigkeit nebenbei, die nur dazu da ist, den Bewegungsdrang beim Telefonieren zu befriedigen.
„Wenn man kein Chaos will, muss man einfach die benutzten Dinge anschließend wieder zurück an ihren Ort legen“, ist einer der Sätze, die nur von neurotypischen Personen kommen können. Natürlich hat die Person recht, doch das Wort „einfach“ in der Aussage verursacht sicherlich nicht nur mir heftige emotionale Schmerzen. Denn es ist NICHT EINFACH. In der Physik heißt es im zweiten Hauptsatz zur Thermodynamik: „Die Entropie (Unordnung) nimmt in einem geschlossenen System immer zu.“ Es ist ein Naturgesetz!
Tatsächlich liegt es beim Chaos in der Küche oder auf dem Schreibtisch auch daran, dass wir teilweise schon beim Benutzen der Gegenstände vergessen, dass wir sie zurückstellen könnten. Da unser Gehirn oft vieles gleichzeitig denkt, wird dieser eine Gedanke übersehen oder wir sind gedanklich schon so viel weiter im Geschehen, dass das Wegräumen irrelevant wird. Das bezieht sich nicht nur auf dreckige Dinge, oder Dinge, die nicht mehr an dem Ort benötigt werden. Jeder ADHSler hat sich schon einen Tee oder Kaffee gemacht und die volle Tasse dann irgendwo stehen lassen und vergessen. Erst Stunden später denkt man wieder an das Warmgetränk, das natürlich jetzt kalt ist (wenn man die Tasse überhaupt wiederfindet, weil sie vielleicht auf dem Weg zum Schreibtisch neben dem Katzenklo stehen gelassen wurde, was gerade dreckig war und schnell gereinigt werden musste).
Wobei wir beim nächsten Problem wären, was ADHSlern das Führen eines Haushaltes erschwert. Wir sind ablenkbar in wirklich Allem, was wir tun. Nicht selten können weit unangenehmere Konsequenzen aus dieser Tatsache folgen, als eine Tasse mit sauer gewordener Milch. Ich habe zum Beispiel bereits Kartoffeln und sogar Eier (mit Schale) anbrennen lassen, weil ich einfach vergessen hatte, dass sie auf dem Herd standen und als das Wasser ganz verkocht war, und die Schalen jeweils schmorten, roch ich es dann… Zum Glück war ich beide Male zuhause. Nach solchen oder ähnlichen Ereignissen ist es verständlich, dass Zwangsstörungen eine häufige Komorbidität bei ADHS sind. Das zwanghafte Kontrollieren des Herdes kann unter Umständen eine Strategie sein, die im Zweifelsfalle sogar Leben rettet. Ich kontrollieren beim Verlassen der Wohnung bis zu 10 Mal, ob ich alles dabei habe. Schon als Jugendliche hatte ich ein Mantra "Handy, Portemonnaie, Schlüssel", das ich aufsagte, ehe ich die Tür hinter mir schloss.
Im Haushalt fallen verschiedene Aufgaben an, die sich in unterschiedlichen Intervallen wiederholen. Für ein ADHS Gehirn sind sich wiederholende Aktivitäten noch schlimmer, als für ein neurotypisches. Wir haben teilweise so heftige Blockaden, dass bestimmte Dinge einfach gar nicht, oder nur unter extremem Druck funktionieren. Der Frust, dass der Geschirrspüler ja eh gleich wieder voll sein wird, oder dass in drei Tagen eh wieder Staub auf der Badoberflächen liegen wird, ist nicht einfacher Frust. Es ist tatsächlich, als müssten wir in einem löchrigen Eimer Wasser tragen. Da passiert es, dass manche hinschmeißen und Wochenlang von Papptellern essen oder den Kaffee unterwegs to go im Einwegbecher kaufen. Dass solch ein Verhalten weder für Geldbeutel noch Umwelt toll ist, steht außer Frage. Jedoch geht Selbstschutz da vor Umweltschutz! Wer es sich leisten kann (und eine Fachkraft findet haha), übergibt diese Aufgaben an eine andere Person. Eine Haushaltshilfe kann eine enorme Erleichterung sein. Auch wenn sie zum Beispiel fürs regelmäßige Putzen in die Wohnung kommt und das ausreichend Druck verursacht, dass man es zuvor schafft, endlich mal aufzuräumen. Denn unter dem richtigen Anreiz, schaffen wir tatsächlich Einiges. Ähnlich funktionieren auch angekündigte Besuche. Wenn unsere Freundin zu Besuch kommt, wird vermutlich das erste Mal seit Monaten gewischt!
Wäsche ist ein weiterer Bereich, der viele ADHSler verzweifeln lässt. Durch ihre Vergesslichkeit lassen sie die nasse Wäsche in der Maschine bis sie wieder stinkt. Oder sie schaffen es gar nicht erst alles einzusammeln und in die Maschine zu stecken. Bei uns klappt das, da meine Frau sehr regelmäßig Wäsche macht (egal, ob nötig oder nicht). Und da sonntags gewaschen wird und unsere Maschine massiv nervige Pieptöne von sich gibt, wenn sie fertig ist, ist bei uns selten etwas in der Trommel geblieben. Das Zusammenlegen und Einräumen hingegen läuft bei mir/uns recht ADHSig ab. Die Wäsche bleibt eine Woche hängen, bis die nächste Wäsche schon unterwegs ist und der Platz auf der Leine benötigt wird. Während der Woche ziehen wir die Kleidung oft direkt von dort an, was dafür sorgt, dass weniger gefaltet und in den Schrank gebracht werden muss. Wenn dann aber doch was in die Schränke muss, schaffe ich es oft nicht, die Dinge an die Stellen zu sortieren, wo ich sie haben will. Da es mir einfach kein Dopamin verschafft etwas einzuräumen, nur damit ich es in den nächsten Tagen eh wieder raushole, landet der Stapel gewaschener Wäsche nicht selten einfach VOR dem Schrank. Das wiederholt sich so lange, bis es mir vor meiner Frau peinlich wird und ich dann die Motivation zum Einräumen finde.
Wenn die Kleidung vor dem Schrank liegt, oder im Badezimmer auf dem Wäscheständer ist, hat das für mein ADHS Gehirn noch einen Vorteil. Ich sehe die Kleidung und dadurch existiert sie. Es klingt komisch, aber fast alle Menschen mit ADHS haben das „Aus den Augen, aus dem Sinn“ Problem. Wenn wir etwas nicht direkt vor Augen haben, können wir uns nicht einfach so daran erinnern, dass es da ist. Natürlich weiß ich, dass ich einen schwarzen Pullover mit einer Rose besitze, wenn man mich direkt danach fragt, aber wenn ich ihn nicht sehe, käme ich nie auf die Idee, ihn anzuziehen. Ähnlich sieht es bei allen anderen Sachen aus. Wenn die Vorräte im Schrank nicht so stehen, dass ich sie alle sofort und übersichtlich sehe, existieren sie für mich nicht. Es gab mal eine Zeit, in der wir 7 Dosen Kichererbsen hatten, weil sie im Schrank immer irgendwie nach hinten gerutscht waren und ich so vergessen hatte, dass wir sie hatten.
Das „Aus den Augen…“ Thema macht leider auch nicht vor Rechnungen und anderen Briefen halt. Wenn wir, wie es scheinbar viele neurotypische Personen haben, nur eine „zu erledigen“ Ablage hätten, würden wir unsere Rechnungen nie bezahlen! Die Erinnerungen müssen sichtbar und am Besten noch mit Geräuschen unterlegt sein, damit sie nicht in dem Moment vergessen werden, wo sie aus der Hand gelegt werden. Denn dass Rechnungen kein Dopamin ausschütten, sollte jedem klar sein. Seit ich meine Bankgeschäfte mit dem Handy erledigen kann, ist es für mich einfacher geworden. Meine Methode ist, dass ich einen Brief aus dem Briefkasten noch im Flur stehend öffne, ohne die Schuhe oder Jacke abgelegt zu haben. Handelt es sich um einen Zahlungsauftrag, wird dieser sofort erledigt, noch ehe alles andere passiert. Erst wenn es getan ist, lege ich die Rechnung auf meinen (gigantischen) „Abheften“ Stapel und ziehe mir Schuhe und Jacke aus. Meine Methode heißt also, die Rechnung nicht aus der Hand zu legen, ehe sie bezahlt wurde.
Vermutlich könnte ich gerade über das Thema „eigener Haushalt“ noch sehr viel mehr schreiben. Vielleicht mache ich noch einen Teil 2. Aber zum Schluss möchte ich auf jeden Fall erwähnen, dass all diese Probleme extrem schambehaftet sind. Viele von uns laden keine Gäste ein oder lassen niemanden in ihre Wohnungen aus Angst, für ihr Chaos verurteilt zu werden. Das Gefühl der Unfähigkeit schmerzt uns angesichts dessen, was wir täglich nicht schaffen und auch sehen.
#neurodiversity#neurodivergent#neurodivers#adhs#soziales#überforderung#sozialstress#aufräumen#adhs leben#adhs gehirn
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Autofahren mit ADHS (für mich)
Autofahren ist für viele Menschen mit ADHS eine große Herausforderung. Nicht wenige haben keinen Führerschein oder trauen sich selbst nicht, auch wenn sie die Prüfungen geschafft haben. Einige Statistiken besagen, dass Menschen mit ADHS doppelt so häufig der Führerschein entzogen wird, wie neurotypischen Personen.
Die grundlegenden Probleme liegen in den drei Hauptsymptomen der ADHS begründet.
Aufmerksamkeitsdefizit oder erhöhte Ablenkbarkeit machen das Autofahren logischerweise recht kompliziert. Wer sein Leben lang trainiert hat, in Situationen, in denen es drauf ankommt, fokussiert zu bleiben, schafft das im Auto auch (oft), es kostet dann eben nur enorm viel Energie. Es ist vergleichbar mit einer Fliege, die die ganze Zeit einen furchtbaren Song grölend um deinen Kopf fliegt und gleichzeitig versucht, dir einen sehr interessanten Sachverhalt zu erklären, während sie immer wieder kurz auf deinem Gesicht landet. Diese Fliege zu ignorieren und sich voll und ganz auf die Straße und die anderen Verkehrsteilnehmer zu konzentrieren, entspricht in etwa der Anstrengung, die ein Mensch mit erhöhter Ablenkbarkeit aufbringen muss. Für Menschen mit ADHS ist es natürlich keine Fliege (auch wenn eine solche im Auto sehr sehr unangenehm sein kann), sondern einfach jeder Eindruck. Kommt jetzt noch eine Reizfilterschwäche dazu, herzlichen Glückwunsch. Dann sind die bunten Blätter der Bäume neben der Straße genauso präsent wie der Vogel, der gerade recht tief über die Straße geflogen ist. Gleichzeitig bemerken wir aber auch den Aufkleber auf dem Auto vor uns und den nicht ganz abgewischten Vogelschiss auf der Windschutzscheibe. Wenn ich an den Tag besonders gestresst bin, kann ich zusätzlich die winzige Berührung meines Schlüssels an meinem Bein nicht ertragen und muss den Autoschlüssel vom Bund lösen.
Wenn etwas Unvorhersehbares passiert, z.B. man ein frisches Eichenprozessionsspinnernest am Wegesrand, können die Gedanken von der Fahrbahn abgelenkt werden. Hier retten einen oft die vielen Assistenten, die manche Autos eingebaut haben und z.B. beim Überqueren der Mittellinie mit Vibration die Aufmerksamkeit der fahrzeugführenden Person zurück zum Geschehen bringt. Wer so etwas nicht hat, wird vielleicht erst durch das Hupen eines anderen Autos oder die extreme Nähe zum Nachbarauto wieder zurückgeholt. Da rettet die Menschen mit ADHS auch der springende Blick. Denn auch wenn wir nicht dauerhaft auf die Fahrbahn fixiert sind, bemerken wir sehr viel – wenn auch unterbewusst.
Jetzt müsste man ja meinen, dass es unter solchen Voraussetzungen am einfachsten wäre, wenn eine bekannte Strecke gefahren wird, ohne dass es andere Reize als den relevanten gibt. Das das ist falsch! Denn unser Gehirn ist zwar schnell überstimuliert, kann aber mit Unterstimulation so gar nicht umgehen. Wenn eine Strecke bekannt ist und keine neuen, interessanten Inputs mehr folgen, wird es uns langweilig! Unser Gehirn sucht sich dann andere Inputs, welche unter Umständen (auch weil vielleicht gerade nichts anderes zur Verfügung steht) in Grübelein und „Zerdenken“ enden. Das kann dann jedoch schnell zu intensiv werden und wiederum vom Fahren ablenken. Es ist wichtig, das richtige Maß an Zusatz-Stimulation zu finden, was mir persönlich durch das Hören von Podcasts oder Hörbüchern gelingt. Ich fahre jeden Tag dieselbe Strecke und schaffe es dank der selbstgewählten „Zusatzablenkung“, meinen Hauptfokus auf das Fahren zu legen. Alle anderen Gedanken werden durch den auditiven Input überlagert und können mich dadurch weniger ablenken. Wenn ich nicht allein fahre, hilft es mir auch, mich gut zu unterhalten. Die Strategie der Hörspiele wählte ich tatsächlich bereits in der Schulzeit. Ich erinnere mich noch sehr genau daran, dass ich einmal ein neues Hörspiel hatte und dieses so spannend wurde, dass es zu viel Aufmerksamkeit forderte. Ich musste am Straßenrand anhalten, um die spannende Szene zu hören. Heute bin ich dankbar, dass ich gemerkt habe, wie es mich zu viel ablenkte. Es war so prägend, dass ich mich ganz genau an die Stelle, den Seitenstreifen, das Wetter und die Hörspielszene erinnere! Auch heute muss ich an Fahrstrecken, die besonders viel Aufmerksamkeit erfordern (unbekannte Innenstädte, unübersichtliche Verkehrsführungen, enge Parklücken, Dämmerung) die auditive Stimulation beenden. Ich weiß, wie einmal jemand darüber lachte, dass ich nicht einparken konnte, solange das Radio lief – dieser Mensch musste neurotypisch sein.
Das zweite Hauptmerkmal der ADHS ist die Impulsivität. Diese sorgt bei vielen Betroffenen dafür, dass wir sehr große Probleme mit Geduld haben, was wiederum zu häufigen Übertretungen der Geschwindigkeit führt. Es gibt ADHSler, die regelmäßig geblitzt werden, weil sie die Langsamkeit in einer 30er Zone einfach nicht ertragen. Ich persönlich bin da recht dankbar, dass ich extrem regelhörig bin und daher zwar gerne schneller fahren würde, es aber nicht mache, da es ja verboten ist (und Gesetze meiner Meinung nach einzuhalten sind). Dafür rege ich mich sehr über alle Autofahrer auf, die das nicht tun, unbedacht rasen, überholen oder drängeln. Auch nicht gerade konzentrationssteigernd. Denn aggressive Verhaltensweisen gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern gehören auch zu typischen Auswirkungen der Impulsivität. Zu ruckartiges Aufreißen der Fahrertür, dass einen Radfahrer fast umhaut oder ein anderes Fahrzeug beschädigt ist genauso üblich wie spontanes Slalomfahren, weil es lustig sein könnte. Aber die Impulsivität kann auch dazu führen, dass ein ADHSler z.B. „spontan“ die Spur wechselt oder plötzlich doch abbiegt, ohne daran zu denken, dass man damit jemand anderem im Weg sein könnte.
Die Hyperaktivität als drittes Kernsymptom passt sich in die Schlange der möglichen Probleme ein. So ist diese bei Erwachsenen oft primär in den Gedanken, was wiederum zu fehlendem Fokus auf den Verkehr führen kann. Aber auch körperlich sind die Symptome bei den ADHSlern mit Führerschein nicht zwingend verschwunden. Da die Beine durch die feste Position auf Gas/Bremse und Kupplung von spontanen Bewegungen ausgenommen sind, bewege ich z.B. sehr viel meine Finger. Besonders bewege ich meine Daumen. Ich streiche bei unserem Auto schnell und intensiv über die Naht auf der Rückseite des Lenkers. Es befriedigt nicht nur meinen Drang zur Bewegung (zumindest temporär) sonders gibt mir durch die raue Naht auch noch einen sensorischen Reiz. Es ist meine Art, während des Fahrens zu stimmen. Bin ich alleine, bewege ich auch meinen Oberkörper viel.
Nicht direkt das Fahren betreffen uns auch die anderen Symptome der ADHS. So sind wir sehr vergesslich. Selbst wenn ich beim Einparken noch daran denke, dass ich unbedingt die Parkscheibe auslegen muss, habe ich dies beim Abschnallen schon vergessen. Das liegt an den sprunghaften Gedanken und der Hyperaktivität in diesen. Gedanklich bin ich nämlich längst im Laden und packe die Zitronen ein, dich ich wirklich dringend brauche (und vermutlich am Ende auch vergessen habe). Die Parkscheibe bleibt unberührt in der Fahrertür liegen und das Zettelchen an der Windschutzscheibe ist vorprogrammiert. Ich habe inzwischen eine digitale Parkscheibe mit Straßenzulassung, die sobald sich das Fahrzeug nicht mehr bewegt automatisch die Einparkzeit dokumentiert. Das Geld für dieses Gerät habe ich so schnell drin! Außerdem kommt mir jetzt nicht mehr im Laden plötzlich der Gedanke an die vergessene Parkscheibe, der mir dann jede Kapazität zum Abarbeiten der Einkaufsliste raubt.
Jetzt kommt noch dazu, dass es zu den Behandlungen der schwereren Formen von ADHS gehört, dass Medikamente verschrieben werden, die allgemein nicht gerne im Straßenverkehr gesehen werden. Da sind die Stoffe, die als „Stimulanzien“ gelten und unter das Betäubungsmittelgesetz fallen. Man darf zwar mit einem entsprechenden Rezept (oder einem ADHS-Ausweis mit Bestätigung des Arztes) unter Medikamenten ein Fahrzeug führen, ist aber bei einer Kontrolle positiv auf Amphetamine! Sollte es zu einem Verkehrsunfall kommen (egal ob selbst verschuldet oder nicht) und der Wirkstoff im Blut nachgewiesen werden, wird ein Strafermittlungsverfahren eingeleitet bei dem dann genau festzustellen ist, inwiefern das Medikament an dem Unfall „mitschuld“ ist. Wie das untersucht wird, konnte ich nicht herausbekommen. Es geht wohl auch darum, dass es nicht überdosiert genommen wurde und man sich nicht gerade z.B. im Rebound befindet, wenn man fährt. Aber es ist schon irgendwie verwirrend. Denn mit Medikament fahre ich besser als ohne, aber ohne Medikament verliere ich im Falle eines Unfalls weniger schnell den Führerschein bzw. mache mich strafbar – Verrückte Welt.
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So ist einkaufen mit ADHS (für mich)
Für Menschen ohne ADHS ist es einfach nicht zu begreifen, warum ein einfacher Einkauf im Supermarkt so viel Energie kosten kann. Kein Wunder, sie erleben es ganz anders!
Sie bemerken die Musik aus den Lautsprechern, das flackernde Licht, die piepsenden Geräte, die Dauerwerbesendung auf dem Bildschirm, die glänzenden, nicht zueinander passenden Bodenfliesen und die Unterhaltungen der anderen Kunden meistens gar nicht. Es ist kein offizielles Diagnosekriterium, jedoch ist die Reizfilterschwäche – oder wie in meiner Diagnose steht „Reizoffenheit“, ziemlich oft bei ADHS. Wir nehmen alles intensiv wahr und haben große Probleme Reize abzuschirmen oder zu priorisieren. Da ist die Verkäuferin an der Theke genauso präsent wie das Quietschen der Schuhe des Mannes zwei Gänge weiter oder der Geruch des gerade ausgepackten Tilsitters an der Theke nebenan. Sich auf etwas zu fokussieren ist sehr fordernd und kostet Kraft.
Neurotypische Menschen haben meist keine Angst, anderen im Weg zu stehen, weswegen sie auch nicht in Daueranspannung wie vor einem Startschuss im Sport stehen. Die RSD – die Rejection Sensitive Dysphoria (deutsch: Zurückweisungsempfindlichkeit) ist ebenfalls extrem häufig (bis zu 99% wird in der Literatur dazu angegeben) bei ADHS zu finden. Dabei empfindet der/die Betroffene übertriebe emotionale Schmerzen bei erlebter Zurückweisung / Kritik / Enttäuschung anderer (dabei kann es sich um Familie aber auch um völlig Fremde handeln). Um dieser zu entgehen, werden viele ADHSler zu „People Pleasern“, die versuchen, es allen Recht zumachen und dabei auch gegen die eigenen Bedürfnisse angehen. So habe ich zum Beispiel in Geschäften oft weder Geräusch unterdrückende Kopfhörer noch eine Sonnenbrille getragen. Beides hätte es mir so viel leichter gemacht, doch ich hatte Sorge, dass ich überhöre, wenn mich jemand anspricht oder dass man mich abschätzig ansieht, wenn ich eine Sonnenbrille im Gebäude trage (dabei ist die Lichtempfindlichkeit bei mir ebenfalls diagnostiziert und ich selber würde niemanden dafür verurteilen).
Der Blick von neurotypischen Menschen springt nicht, sondern sucht die Regalreihe nach dem gewünschten Produkt ab. Wir vergessen beim Suchen oft, was wir eigentlich suchen, weil uns so vieles ablenkt und nein – ein Einkaufszettel hilft nicht, weil wir eine Sekunde nachdem wir darauf etwas gelesen haben, wieder abgelenkt werden.
Wenn ich dann in der Reihe mit den Nudeln angekommen bin, habe ich das nächste Problem. Ich habe große Probleme Entscheidungen zu treffen. Wenn ich Spaghetti kaufen will, dann sehe ich drei verschiedene Sorten und muss sie gegeneinander abwägen. Hier ist es ja noch einfach: die ohne Ei, weil ich vegan lebe, und dann die günstigsten, weil ich nicht verstehe für das Gleiche mehr auszugeben. Schwieriger wird es, wenn ich sowas wie „Aufschnitt“ oder nur „Nudeln“ auf der Liste habe. Dann kommt es im hyperaktiven Gehirn eines ADHSlers schnell zum „Overthinking“ und wir zerdenken die Entscheidung. Es kann im Extremfall zur „Analyse-paralyse“ kommen, wo dann keine Entscheidung möglich wird und lieber gar nichts gekauft wird, aus Sorge, das falsche Produkt zu kaufen.
Im Anschluss kommt dann noch der brutale Part mit der Impulsivität. Natürlich machen auch „Normalos“ Impulskäufe – jedoch nicht ständig und immer wieder. Wenn ein ADHSler losgeht, um Milch zu kaufen, kann es sein, dass eine Tüte der neuen Chipssorte, ein interessantes buntes Getränk, ein witziges (aber unnützes) Küchenutensil und Annanas im Einkaufswagen landen, die Milch jedoch vergessen wird! Beim Einkaufen werden alle drei Hauptsymptome der ADHS getriggert: Aufmerksamkeitsdefizit, Hyperaktivität (im Kopf) und Impulsivität
Dazu kommen die Probleme in den exekutiven Funktionen, heißt in Planung und Durchführung. Dazu gehört nicht nur der Einkaufszettel. Ich nutze inzwischen eine Handyapp, so vergesse ich ihn nicht mehr zuhause. Außerdem kann ich noch auf dem Klo sitzend notieren, dass neues Klopapier benötigt werde, da ich es sonst vergesse zu notieren. Auch kann meine Frau auch auf die App zugreifen, so dass sie Dinge aufschreiben kann, wann immer sie ihr auffallen.
Aber nicht nur das Erstellen der Liste ist schwer, sondern auch deren logische Abarbeitung. So beginnen fast alle Supermärkte mit einer Obst- und Gemüseabteilung. Also wäre es logisch mit diesen Produkten auch den Einkauf zu beginnen. Wenn ich jedoch nicht alle entsprechenden Lebensmittel zusammen auf der Liste stehen habe, werde ich immer wieder durch den Laden zurücklaufen, weil ich kurz vor der Kasse sehe, dass ich noch Zitronen brauche. Wenn ich die Liste abarbeite, dann muss ich erledigtes wegstreichen (was in meiner App zum Glück auch geht und die Produkte verschwinden dann von der Liste), sonst verliere ich den Überblick. Die Leute haben mich früher oft belächelt, wenn ich im Laden auf meinem Zettel rumgekrakelt habe.
Beim Zahlen wird es dann noch einmal richtig unangenehm. Je nach Ausprägung der ADHS und deren Komorbiditäten (ASD, Reizoffenheit, …) muss hier noch einmal die Maske aufgezogen werden. Da muss alles aufs Band gelegt werden – das sich vielleicht schneller bewegt, als man aufpacken kann. Außerdem muss man in Kontakt mit der kassierenden Person kommen, lächeln, freundlich grüßen und je nach dörflichkeit des Geschäfts, sogar kurz Smaltalk halten. Ich jedenfalls habe es noch nie geschafft, an der Kasse nicht die Kopfhörer abzuziehen, weil ich nicht unhöflich wirken wollte. Dann das Einräumen der Waren in einem von anderen vorgegebenem Tempo, stresst ebenfalls. Wenn es irgendwie möglich ist, nutze ich daher Selbstscanner-Kassen oder noch besser: Scanner, die während des Einkaufs bereits alles scannen und ich schon unterwegs alles so in meine Einkaufskiste packen kann, wie ich will!
Ist es da verwunderlich, dass ein „einfacher“ Einkauf von vielen ADHSlern als mega anstrengend empfunden wird?
#neurodiversity#neurodivergent#neurodivers#adhs#soziales#überforderung#sozialstress#einkaufen#adhd problems#adhs gehirn#adhs leben
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Tag 3: Arbeiten unter ADHS Medis
Die Medis lösen nicht alle Probleme, aber sie machen sie erträglicher.
Nach der Einnahme habe ich heute das erste Mal unter Medis unterrichtet! Ich habe den Unterricht wie geplant durchziehen können (und sogar daran gedacht, vorher noch das richtige Arbeitsblatt zu kopieren). Ich verhedderte mich nicht, als die Technik versagte und schwenkte einfach um. Ich weiß nicht, ob es den SuS aufgefallen ist, aber ich war total zufrieden und ungestresst.
Auch verweigernde und "oppositionelle" Kinder konnte ich gut händeln, ohne es zu nah an mich zu lassen. Ähnlich war es auch beim Telefonat mit dem Jugendamt wegen eines Schülers. Es kostete mich so wenig Energie! Und meine Aussagen zu dem Kind waren strukturiert und ohne Sprünge.
In der Pausenaufsicht bemerkte ich schnell, dass es mir zu hell war (wie immer, nur merke ich es oft erst, wenn die Pause vorbei war und der Kopf schmerzt) und änderte meine Position (in den Schatten und die Sonne im Rücken). Die 500 lärmenden Kinder stessten zwar, aber nicht zu sehr. Ich fand sogar die Aufmerksamkeit, zwei Kinder aus der 6 für ihr sportliches Talent am Klettergerüst zu loben.
Ab 13.30 ging es mir schlechter, was auch an Dingen lag, die mich mit Ungerechtigkeit konfrontierten. Die kann ich grundsätzlich nur schwer ertragen und dieses Mal betraf es mich selber.
Auf dem Weg heim (14.00 Uhr) wältze ich die Wut über das Thema und bekam etwas Kopfschmerzen. Den Einkauf ertrug ich nur mit Sonnenbrille und activ Noise Cancelling. Ich war mir sicher, die Wirkung sei vorbei.
Zuhause bemerkte ich, dass ich total unterzuckert war. Ich hatte bisher nur ein Brötchen gefrühstückt und zuckerfreie Getränke getrunken. Nachdem ich etwas gegessen hatte, kehrte die Wirkung zurück. Ich entspannte und fuhr sogar noch zum Kindergeburtstag meines Neffen.
Was mich sonst massiv Kraft gekostet hätte, ertrug ich nun viel besser: die vielen Leute und Gespräche und dass ich keinen "festen" Platz am Tisch draußen hatte, dass das neue Spielzeug blinkte und piepste, der Hund bellte und das Baby schrie! Ich konnte mich auf kurze Gespräche besser konzentrieren und bekam nicht alles um mich genauso intensiv mit. Okay, ich verstehe nach wie vor nicht, was Smalltalk bringen soll oder warum man sich nach Dingen erkundigt, die einen nicht interessieren, aber es war ok, sich anzupassen und zu maskieren.
Quintessenz: Spätestens nach 6 Stunden sollte ich etwas essen, damit die Wirkung nicht verschwindet.
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Tag 2 – Gehirndoping mit gleichzeitiger Entspannungsdroge
Ich bin heute den zweiten Tag auf ADHS-Medis und ich fühle mich „normal“. Wenn ich nicht mit den Tagen, Wochen, Monaten, Jahren vorher vergleiche, ist alles einfach „normal“. Aber wenn ich realistisch bin und daran denke, wie ich noch Freitag drauf war – Himmel, was für eine Veränderung.
Heute früh war ich wieder typisch. Ich war früh wach, kam aber stundenlang daddelnd nicht aus dem Bett. Ich muss jetzt echt lachen, denn im Moment würde ich vermutlich nach einem Video das Handy weg legen, weil es mir einfach nichts bringt.
Nach dem Frühstück nahm ich um 9 Uhr brav meine Tablette. Genau wie gestern konnte ich nicht genau sagen, wann sie zu wirken begann, aber als ich 30 Minuten später in die Küche ging, räumte ich nebenbei einige Dinge weg!
Ich hatte einige Arbeit liegen gelassen und musste sie heute erledigen, also ging ich in mein Büro und startete den Computer. Ich erledigte die beiden Bestellungen, um die meine Frau mich gebeten hatte und legte anschließend sofort mit der Arbeit für die Schule los (ohne Handypause oder anderen Dopaminboost!). Fast zwei Stunden korrigierte ich ohne Murren die Hefte meiner Schüler:innen und schrieb unter jedes Heft einige Sätze. Anschließend erwähnte meine Frau beim Wäscheaufhängen, dass sie Lust auf was Süßes hätte. Ich schaute auf die Uhr, sah, dass unser Bäcker noch offen haben müsste. Ich beendete die Aufgabe und zog mir die Schuhe an. Ich war keine drei Minuten später unterwegs! Für manche Menschen müsste das „normal“ klingen, aber für mich ist es das nicht. Da „zum Bäcker gehen um Kuchen zu kaufen um damit ein Bedürfnis nach was Süßem zu stillen“ ein komplexer Vorgang ist, hätte er meine spontane Planungsfähigkeit vielleicht gesprengt – Stichwort „Desorganisation und Probelme mit den exekutiven Funktionen“. Ich hätte die Entscheidung erst zerdacht, dann völlig chaotisch meine Handtasche gepackt (oder wäre ohne Portemonnaie los gegangen) um dann mindestens drei Minuten vor dem Schuhschrank zu stehen, um dort eine Wahl zu treffen. So aber ging ich los, steckte mir unterwegs meine Kopfhörer in die Ohren (an die ich gedacht hatte!) und blieb gelassen. Beim Bäcker entschied ich mich recht schnell, obwohl sie das, was ich eigentlich hätte kaufen wollen, nicht hatten (!) und machte mich völlig entspannt auf den Rückweg. WTF das hätte mich an einem anderen Tag sämtliche Löffel gekostet!
Daheim aßen wir Kuchen und tranken einen Kaffee, ehe ich wieder an meine Arbeit ging. Ohne große Probleme arbeitete ich weiter – und es stresste mich nicht!
Jetzt ist es 15.19 Uhr und ich spüre langsam eine gewisse Hektik wiederkommen. Das wären 6 Stunden Wirkdauer auch wenn ich noch nicht wieder ganz runter bin. Naja, die Tabletten werden auch oft morgens und mittags genommen. Daher muss ich mal abwarten, wie sich die Wirkung die nächsten Tage so entwickelt. Vielleicht ist der Doc ja bei der Kontrolle in zwei Wochen damit einverstanden, dass ich bei Bedarf (wie Elternsprechtagen und Konferenzen) mittags eine Dosis nachnehme.
Ich nutze den Schwung noch etwas. Ach ja, ich trinke zu wenig!
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Tag 1 auf Medis oder „ich hab' geweint vor Glück“
Mein Arzt hatte mir geraten, mit den ADHS Medis am Wochenende zu beginnen, damit ich im Falle von unangenehmen Nebenwirkungen nicht auf der Arbeit damit stünde.
Also hatte ich die erste Dosis für Samstag geplant. Da wir früh im Bett gewesen waren, waren wir beiden schon um 5 Uhr wach und relativ ausgeschlafen. Meine Frau ging in ihr Büro, um sich dort ihren Hobbys zu widmen und ich verfiel in die alltbekannte Paralyse/Prokrastination. Auf der Jagd nach Dopamin daddelte ich fast zwei Stunden sinnlos auf Tiktok rum und spürte zwar, dass ich aufstehen sollte, schaffte es aber einfach nicht – vermutlich etwas, was neurotypische Menschen kaum nachvollziehen können, denn es war wirklich nicht schaffen und nicht nicht wollen. Erst ein schon schmerzhaftes körperliches Bedürfnis zwang mich gegen kurz vor 7 Uhr endlich ins Bad zu gehen. Völlig verpeilt zog ich mich an und machte mich dann auf den Weg zum Aldi, wo ich heute unser Frühstück holen wollte (hatte Freitag natürlich vergessen, einzukaufen).
Zum Glück ist im Aldi um kurz nach 7 Uhr am Samstag nichts los und still. Ich schaffte es fast alles auf der Einkaufsliste zu besorgen. Leider musste ich anschließend noch kurz im REWE auf dem Weg heim anhalten, da ich natürlich doch etwas vergessen hatte, worauf sich meine Frau gefreut hatte. Im REWE war es zwar auch noch leer, aber Musik dudelte, die Lichter flackerten, aus den Werbeaufstellern laberte eine Dauerwerbesendung, die Scanner der Einräumenden piepsten und ich war sofort überreizt. Trotz maximal 5 Minuten im Laden, war ich fertig mit der Welt, als ich wieder im stillen Auto saß.
Nach dem ausgiebigen Frühstück nahm ich die kleine fliederfabende Kapsel.
Online hatten einige Leute geschrieben, dass die Wirkung 15 bis 45 Minuten danach einsetzen würde. Ich war echt nervös – vor Allem auch, weil ich den Fehler gemacht hatte, in die Nebenwirkungen zu sehen. Als weder Herzrasen noch Bluthochdruck oder Psychosen auftraten, war ich erst mal erleichtert. Etwas anderes bemerkte ich nicht. Also räumte ich in Ruhe den Tisch ab und die Küche auf. Ich erledigte es ohne Unterbrechung und ohne die sonst zwingend erforderliche Zusatzstimulation in Form von Podcasts oder Musik.
Erst als meine Frau und ich gegen 9 Uhr zum Blumenladen aufbrechen wollten, fiel mir auf, was passiert war und was in meinem Kopf war. Es war still! Ich konnte einfach meine Aufgabe erledigen, ohne an tausend zusätzliche Pflichten oder Dinge zu denken. Ich zögerte nicht bei Entscheidungen (erst Geschirrspüler ausräumen oder erst Marmeladen in den Schrank stellen), sondern tat einfach eines davon und dann das andere. Ich schaute nicht ein einziges Mal in mein Handy oder grübelte über etwas nach. Es war irre!
Der Einkauf im Gartencenter war anschließend ebenfalls gelassen. Da wir zu selten dort sind, kann ich keinen direkten Vergleich nennen, aber es stresste mich rein gar nicht (es war aber auch nicht voll). Anschließend haben wir es uns im absolut ruhigen Garten gemütlich gemacht. Es war nicht zu warm, leise, neblig (also nicht zu hell) und … entspannt. Ich spürte die Ruhe, den Frieden und entspannte, wie ich es seit … keine Ahnung, ewig nicht mehr gekonnt hatte. Die Stille in meinem Kopf war nicht, als wäre alles in Watte gepackt, sondern, als wäre es normal, dass nicht 16 Gedanken gleichzeitig um Aufmerksamkeit kämpfen. Ich konnte, wenn ich es wollte, klar und logisch denken. Ich konnte es aber auch lassen und einfach genießen – und oh mein Gott, was habe ich es genossen.
Nach 2 Stunden hatte ich einen Grad der emotionalen Erholung erreicht, als hätte ich 6 Wochen Urlaub hinter mir. Als ich realisierte, dass es so für neurotypische Menschen sein muss, weinte ich. Ich war glücklich und traurig zugleich. Zu begreifen, dass ich mein Leben lang von meinem Gehirn am Entspannen gehindert worden war, war fast so bewegend, wie die Erkenntnis, dass es vermutlich eine Erlösung gibt.
Ich genoss auch die weiteren Stunden und kann tatsächlich nicht sagen, wann genau der Effekt vorbei war. Gegen späteren Nachmittag spürte ich, dass ich wieder begann an meiner Haut zu knibbeln und zu stimmen. Das hatte ich vorher auch nur noch wenig gemacht, wie mir da erst auffiel. Zudem hatte ich wieder mehr Tabs offen – beginnend mit einem Ohrwurm 😉
Doch selbst am Abend schaffte ich es noch wesentlich besser, der Sendung im Fernsehen zu folgen, als sonst. Am Ende hatte ich jedoch wieder nebenbei das Handy in der Hand.
Geschlafen habe ich danach gut. Keine Nebenwirkungen, kein Rebound… ich bin so gespannt, wie es weiter geht.
#neurodiversity#neurodivergent#neurodivers#adhs#soziales#adhd things#adhs medis#actually adhd#entspannung
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Ableismus oder übertrieben?
Ich kann seit einigen Stunden eine Situation von der Arbeit nicht vergessen. Fast mehr als die Szene selbst beschäftigt mich die Frage nach der Bewertung der Situation. Denn ich habe es als absolut ableistisch empfunden, mag die Kollegin aber so sehr, dass ich sie nicht so nennen mag - nicht einmal in Gedanken.
Zur Situation: Nach der letzten Unterrichtsstunde wurde im Lehrerzimmer noch vereinzelt gequatscht und ein Kollege beschwerte sich, dass auf seinem Platz Zeug abgelegt wurde, was nichts mit ihm zu tun hatte. Er war recht "groß gestig" und "hampelte" etwas hektisch dabei, seine Tasche für die Heimfahrt zu packen.
Eine Kollegin -die ich echt sehr mag- reagierte mit: "Hast du ADHS oder was?" Auch wenn darauf in den folgenden Augenblicken nicht mehr drauf eingegangen wurde und sich auch besagter Kollege nicht angegriffen gab, fühlte ich mich wie geschlagen!
Es war vielleicht nicht beabsichtigt, jemanden zu verletzen, doch die Tonlage und Formulierung der Frage machte ziemlich deutlich, dass ADHS als etwas Negatives dargestellt wurde.
Ich setzte es gedanklich mit so Sprüchen wie "das sieht voll schwul aus", "du läufst wie ein Mädchen", "bist du dumm" oder "hast du sie noch alle" gleich!
Dass zappeln, impulsiv handeln und große Gesten machen bei Neurotypischen auffällt, ist verständlich - mir fällt ja auch auf, wie anders sie sind - aber dass dann eine mögliche Ursache der Symptome als negative Frage gestellt wird, machte mich fertig. Ich bin froh, dass nicht darauf eingegangen wurde. Hätte der Kollege es "panisch" abgewehrt? Oder was, wenn er einfach "Es geht dich zwar nichts an, aber ja" geantwortet hätte? Ich hätte ihn vermutlich gefeiert!!!
Je länger ich daran denke, umso mehr danke ich dem Umstand so dringend aufs Klo gemusst zu haben, dass ich nicht dem Impuls nachgegeben habe, die Kollegin direkt anzusprechen. Denn die Frage bleibt:
War der Spruch ableistisch oder nur dumm oder beides?
Oder übertriebe ich?
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Mamas Nichtreaktion Teil 2
„Ich habe nur bis dahin (S.40) gelesen. Aber so wie das da steht, hat das ja jede Zweite!“ Und dann war das alles, was sie dazu gesagt hat.
Und irgendwie hat sie ja sogar recht. Die Symptome sind nicht, was nicht auch jede Zweite mal im Leben hat. Dinge verlegen, Termine vergessen, Sachen verlieren, nicht aufräumen können, reizüberflutet sein, genervt von Gefühlen sein, … .
Aber im Gegensatz zu jeder Zweiten passiert mir das nicht nur manchmal – sondern jeden gottverdammten Tag.
Ich bin jeden Tag geschafft von der Scheiße, die mir mein Hirn verpasst. Wenn ich die Schule hinter mir habe, habe ich mich so lange angestrengt, dass mir die Kraft für den Alltag fehlt. Ich kämpfe jeden Tag, dass ich die Küche aufräume, den Geschirrspüler ein- und ausräume. Die Schultasche bleibt oft im Flur stehen und es kostet mir so unglaublich viel Kraft, die Brotdose rauszuholen und sauber zu machen. Größere Hausarbeiten, wie Wischen oder Aufräumen bleiben liegen. Wenn ich etwas für die Schule tun muss, dann muss ich das an Tagen tun, an denen weniger los ist. Zum Beispiel am Wochenende oder in den Ferien.
So wie meine Kollegen das teilweise machen – den Unterricht am Nachmittag vorbereiten – schaffe ich nicht. Dass sie das schaffen, erschien mir schon immer unglaublich – jetzt weiß ich, dass sie vormittags einfach viel weniger Energie verbrauchen. Sie müssen sich nicht so krass anstrengen, wenn sie versuchen, den Faden nicht zu verlieren oder sich auf eine Aufgabe zu konzentrieren. Sie können in den Pausen tatsächlich abschalten und Kraft tanken, während ich im Lärm des Lehrerzimmers nur noch viel mehr Input bekomme und anstatt dass ich einige Taps in meinem Gehirn schließen kann, öffnen sich 6 neue. Sie können Aufgaben im Kopf behalten und müssen nicht permanent ihr kleines Notizbuch bemühen, wenn sie jemand um irgendetwas bittet oder drei Handyerinnerungen stellen, damit sie den neuen Schülerbüchereitermin nicht vergessen…
Manchmal wünsche ich mir, dass ich noch andere Symptome hätte. Irgendwas, was diese neurotypischen Leute nicht haben – blutende Augen, oder so… fuck, ich hätte lieber blutende Augen, als dass die ganzen Leute… - meine Mutter – denken, dass ich nur eine etwas übertriebene jede Zweite wäre!
Morgen habe ich den ersten Termin für die Medikation. Nach dem Rotz jetzt, habe ich so Angst, dass sie gar nicht wirken und ich am Ende doch nur ein Hypochonder bin… Aber ich muss warten. Immerhin bin ich ab morgen in der letzten Zykluswoche und da wirken die Medis bei verdammt vielen Frauen fast gar nicht.
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Was möglich ist (1)
"Der Berg der Dinge, die sich auf ihrem Schreibtisch stapelten, und ihn somit seiner eigentlichen Bestimmung enthoben, war gigantisch. Es war nichts Neues, dass ihr Schreibtisch so aussah. Es war auch nichts Neues, dass sie all diese Dinge vermutlich nur zur Seite schieben würde, um die Tastatur darunter wieder zu finden. Aber es war etwas Neues, dass sie es nicht mit Selbsthass tat.
Es war Neu, dass sie das Mädchen, das sie einmal gewesen war, nicht innerlich als Looser und Versagerin anschrie, weil das Chaos nur verschoben und nicht beseitigt wurde. Zum ersten Mal traute sie sich, die Dinge einfach weg zu schieben, und sich wirklich der Aufgabe zu widmen, anstatt sich zu verurteilen und zu hassen.
Dadurch entstand ein Gefühl, das sie so an ihrem Schreibtisch schon lange nicht mehr hatte, und das es ihr sehr viel leichter machte, die bevorstehende Aufgabe auch wirklich zu bewältigen. Der Mangel an Selbsthass bedeutete, dass ausreichend Energie für die Aufgabe vorhanden war und sie dabei sogar lächelte.
Achja, der Schreibtisch ist noch immer totales Chaos. Aber die Aufgabe ist erledigt.
Früher hätte das anders ausgesehen. Früher hätte sie sich so gehasst und verurteilt, dass für die Aufgabe keine Kraft mehr übriggeblieben wäre. Jetzt ist sogar noch etwas Kraft da, tatsächlich das ein oder andere Ding vom Schreibtisch an seinen wirklichen Ort zu räumen. Natürlich nicht alles, aber da sie sich heute für die zwei aufgeräumten Dinge so gelobt und gefeiert hat, könnte sie sich vorstellen, es morgen vielleicht genauso zu machen.
Was ist heute anders? Ganz einfach: Eine Autoritätsperson (hier Fachärztin) hat ihr bestätigt, dass sie ein Gehirn hat, in dem die exekutiven Funktionen anders funktionieren. Diese Person hat ihr gesagt, dass sie kein schlechter / fauler Mensch ist und hat ihr geglaubt, dass sie das nicht absichtlich macht. Diese Erinnerungen daran überdeckt langsam die Stimmen, die ihr ein Leben lang etwas anderes erzählt haben – auch wenn es schwer ist, die Aussagen der eigenen Familie im Unterbewusstsein mit dem Stempel „falsch“ zu versehen."
Heilen ist ein Prozess, der bei mir gerade erst begonnen hat. Ich konnte den Text oben z.B. nicht in der ersten Person schreiben, auch wenn er mir exakt so passiert ist. Aber das wird schon noch!
An all die anderen frisch- oder noch un- diagnostizierten ADHS Menschen da draußen: Haltet durch!
Wir sind okay und wenn wir diesen Gedanken zulassen, passieren krasse Sachen.
p.s. Ich habe gerade aus Langeweile den Geschirrspüler ausgeräumt 😉
#neurodiversity#neurodivergent#neurodivers#adhs#selbstliebe#aufräumen#selbstzweifel#überforderung#soziales
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Erste Reaktion – Mutter
Heute war ich bei meinen Eltern zum Mittagessen. Es war entspannt, und während meine Mutter und ich zusammen kochten, berichtete ich ihr von meiner ADHS-Diagnose.
„Das kann ich mir gar nicht bei dir vorstellen“, war eine nicht ganz unerwartete Reaktion. Sicher war sie nicht auf die Idee gekommen, denn sonst hätte sie mich als Kind ja überprüfen lassen. Dennoch schwankt in diesem Satz etwas Unglauben mit, was mich ärgert.
„Als Kind habe ich nie sowas bemerkt“, war eine andere Aussage. Ich muss wieder daran denken, dass meine Mutter ja zu einer Zeit groß wurde und Lehrerin war, in der ADHS „typisch anstrengende Jungen“ war. So etwas hat sie bei mir angeblich nie erlebt. Dass sich ADHS bei Mädchen anders zeigt, fand sie logisch, hatte sich aber noch nie damit auseinander gesetzt. Ich erzählte ihr, dass die Zeugnisse und die Infos, die sie über mich in mein Babybuch geschrieben hatte, ausreichten, um die Anzeichen in der Kindheit zu bestätigen. Dass besonders mein unaufhörliches Reden ein Zeichen früher Hyperaktivität war, ließ sie nur stumm nicken.
Als ich ihr einige aktuelle Symptome nannte, fielen öfter Kommentare wie „das kenne ich von mir“ (z.B. bei einem Film nicht einfach nur zuschauen können sondern dabei noch am Handy daddeln) oder „das macht Papa auch immer so“ (z.B. Briefe noch im Stehen öffnen und Rechnungen sofort zu bezahlen, da sie sonst vergessen werden). Da die Forschung von ca. 70% Vererbung ausgeht, ist es nicht ungewöhnlich, dass sich einzelne neurodivergente Anzeichen auch bei den Eltern zeigen.
Natürlich fragte sie, wie ich darauf gekommen sei. Ich konnte ihr berichten, dass ich mich ursprünglich über ADHS bei Mädchen informiert hatte, da ich einige diagnostizierte Schülerinnen hatte. Ebenfalls berichtete ich ihr, dass ich mich in diesen wiedergefunden hatte und bei der Recherche immer wieder überrascht gedacht hatte - ja, genau so ist es!
„Dafür hast du es aber weit geschafft“, sagte meine Mutter, nachdem ich ihr sogar die offizielle Diagnose der Psychiaterin mit der defizitorientierten Symptomauflistung gezeigt hatte. Dass meine Intelligenz im Zuge der Diagnostik auf überdurchschnittlich eingeschätzt wurde, ließ Mama schmunzeln. „Schon dein Klassenlehrer in der 4 sagte immer, dass du eines der wenigen Kinder wärst, die richtig denken können.“
Was die „erschwerte Teilhabe an öffentlichen und sozialen Veranstaltungen“ angeht, war Mama jedoch verwirrt. Sie konnte (und wollte) es nicht sehen. Es ist ja auch wirklich eine heftige Aussage. Ich versuchte die Reizoffenheit und Probleme bei der Priorisierung von Wahrnehmungen anzuführen, doch damit stieß ich bei ihr an einige Grenzen. Ich hoffe, dass ihr später das genauer klar wird, wenn sie mir explizitere Fragen stellt – wenn sie es denn irgendwann tut.
Da ich leider in meiner Erwartung bestätigt wurde, dass meine Mutter kaum Fragen zu dem Thema hat (was einfach an ihrer Art der Kommunikation liegt und nicht an Desinteresse), habe ich ihr das Buch mitgebracht, was bei mir den Stein ins Rollen gebracht hatte. In diesem Buch habe ich so viele Stellen angemarkert. Da sie es gerne zum Lesen dabehalten wollte, habe ich durch die Markierungen etwas die Hoffnung, dass sie mich darin eher findet, als ohne. Denn natürlich ist es für sie komisch, so etwas zu erfahren. Ich hoffe ehrlich, dass sie durch das Lesen des Buches, in dem es speziell um ADHS bei Frauen geht, Grundlagen für ein Gespräch mit mir findet. Denn ich würde es gerne genauer besprechen. Aber vielleicht muss sie es erst einmal sacken lassen. Immerhin ist es ja bestätigt, dass es seit der Kindheit vorliegt und sie es somit übersehen hat!
Zum Glück war keinerlei Ablehnung zu erkennen, als ich sagte, dass ich es demnächst mal mit den Medikamenten versuchen möchte. Sie hat ja selber als Lehrerin erfahren, wie sehr diese Kindern helfen konnten – vorausgesetzt, sie waren richtig dosiert. Auch erwähnte sie, das Ritalin in den USA angeblich frei verkäuflich wäre…
Meinem Vater habe ich es nicht erzählt – auch weil ich einfach nicht wirklich eine ruhige Gesprächssituation mit ihm hatte. Ich hoffe irgendwie, es auf Mama abschieben zu können, und dass sie es ihm gegenüber erwähnt. Vielleicht, nachdem die etwas in dem Buch gelesen hat.
Ich hoffe sehr, dass das Thema nicht einfach totgeschwiegen wird, wie die psychische Krankheit meiner Tante. Es ist ein Teil meines Lebens und ich würde so gerne so vieles unter diesem Licht neu betrachten. Da wäre ihre Unterstützung schon nett. Allerdings wäre diese Art von Gespräch - bei dem es um die Emotionen geht - eher etwas neues bei uns. Schade.
#neurodiversity#neurodivergent#neurodivers#adhs#soziales#diagnostics#diagnose#eltern#outing#adhd problems#adhd
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Perspektivwechsel
Es ist mega spannend. Fast, als würde ich mich plötzlich ganz anders wahrnehmen. Seit meine Psychiaterin gesagt hat, dass die Hyperaktivität in meiner ADHS eine große Rolle spielt, bin ich innerlich ruhiger geworden. Die permanenten inneren Spannungen, die nicht selten in Muskelverspannungen und hypochondrischen Schmerzen führten, haben seit der Diagnose viel stärkeren zu meinem Äußeren gefunden. Ich zappel einfach mit Händen und Füßen und lächle darüber. So bin ich eben! Ich lasse Masken fallen, die mir gar nicht bewusst waren. Und es ist erst Tag 3 😁.
Ich freue mich darauf, mich nach 42 Jahren endlich so kennenzulernen, wie ich wirklich bin.
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Ich habe die Diagnose!
Auch wenn ich dachte, mir sicher gewesen zu sein, sind mir tausend Steine vom Herzen gefallen.
Jetzt muss ich das erst einmal verarbeiten.
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Autismus Aktion des Tages
Ich poste im Status ein Bild der Butterhanne, einer Figur in Goslar, die sich beim Butterstampfen, am Hintern kratzt. Untertitel: die Butterhanne
Mein Schwager reagiert mit: "Weil sie ihren "Butt" zeigt? 😅"
Ich habe bereits die Antwort mit Erklärung, dass die Frau Hanne hieß und Butter gestampft hat, formuliert... und gerade noch geschaft, sie wieder zu löschen. Ich schätze, dass die Reaktion ein Witz sein sollte und keine echte Frage. Darauf deutet doch auch der Smiley hin... oder? Außerdem sind solche verbalen Flachwitze typisch für ihn. Gut, dass ich es noch geschafft habe, bevor ich es abgeschickt hatte.
Er hätte es sicher gelesen, die Hand vor den Kopf geschlagen und sich gedacht, dass ich ja mal so gar keinen Spaß verstehe. Dabei finde ich den Witz gar nicht schlecht... nur, dass es eine Frage war, macht mich fertig. Fragen stellt man doch, um Antworten zu bekommen... oder?
#neurodiversity#neurodivergent#neurodivers#soziales#autism#autistic adult#autismus#unverstanden#unverständnis#kommunikation
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Streiten und verstehen
Ich liebe meine Frau! Gerade sind wir zusammen im Urlaub und ich feier es. Jeden Tag erleben wir neue Dinge, sind unterwegs und immer nur, was uns gefällt. Klar ist das nicht immer das Gleiche, was es etwas kompliziert macht, aber wir ticken recht ähnlich.
Jetzt haben wir gestern, weil es regnete und wir körperlich echt mal ne Pause brauchten, den Nachmittag in der Ferienwohnung auf dem überdachten Balkon verbracht. Dort spielten wir ein Krimispiel. So eins, bei dem man die Fallakte hat und dann aufgrund der Infos dort und mit etwas online Recherche den Täter finden muss. Ziemlich genial!
Allerdings ticken auch zwei neurodivergente Gehirne unterschiedlich! Was zur Folge hatte, dass wir uns stritten... naja, anpampten passt besser, da wir beide einfach nicht streiten können! Könnten wir es, wäre das sicher ausgeartet! Sie wollte, dass ich ihr die Telefonprotokolle gebe, da sie einen Verdacht überprüfen wollte; ich verglich jedoch gerade die Handschriften (auf amderen Dokumenten) und konzentrierte mich darauf. Sie fragte mehrfach, ob ich ihr das gewünschte bitte reiche, ich muss wohl mehrfach "gleich" oder "einen Moment" oder so gesagt haben und sie damit echt in der Luft hängen lassen. (Wir hatten es so um uns aufgebaut, dass sie es nicht alleine greifen konnte.) Schließlich änderte sie die Tonlage zu genervt und ich (wütend, dass ich schon wieder aus meiner Konzentration und dem Denkfluss gerissen wurde) reagierte mit schimpfen! Ich legte die Handschriften weg und sagte, dann kann sie das ja auch gleich noch mitmachen! Ich reichte ihr die gewünschten Unterlagen. Doch sie: "Ne, in so einem Ton, mache ich das nicht mit."
Erst machte mich das noch wütender. Denn immerhin hatte sie mich immer wieder aus dem Denkfluss gerissen und mir metaphorisch immer wieder Steine vor/auf die Füße geworfen, was zu meinem Meckern geführt hatte. Wäre die räumliche Situation nicht so gewesen, dass sie nicht weg konnte (nicht ohne viel Aufwand jedenfalls), wäre sie sicher gegangen, "bis ich mich beruhigt hätte", was mich noch wütender gemacht hätte...
So pamptem wir uns jedoch "nur" kurz an.
Dank der vielen Informationen, die ich inzwischen tu ADHS gesammelt habe, konnte ich erkennen, was mich so sauer gemacht hat und ich habe auch eine Ahnung, wie es ihr damit ging. Ich teilte ihr mit, warum ich so pampig war. Es machte es nur etwas besser... aber immerhin haben wir weiter gespielt und den Fall gelöst.
Dennoch passieren solche Situationen immer wieder, gerade im Urlaub. Hier verbringen wir ja wirklich 24/7 miteinander. Und da merke ich immer wieder, dass es nicht so einfach ist, sein Leben mit jemandem zu teilen.
Aber das ist in Ordnung! Wir lernen ja immer mehr dazu und unsere Psychen (A(u)DHS und PTBS) müssen einander akzeptieren und immer wieder neu verstehen lernen. Das ist auch nach 14 Jahren Beziehung immer wieder eine Aufgabe.
#neurodiversity#neurodivergent#neurodivers#adhs#überforderung#autism#sozialstress#love is love#adhd problems#partnerschaft
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Physik, Momo und die Zeit
In der Physik heißt es, dass Zeit von der Gravitation beeinflusst wird. Je größer das Gravitationsfeld, um so langsamer verläuft die Zeit... witziger Weise heißt das, dass man subjektiv bei einem Fall auf ein ultimatives schwarzes Loch, niemals ankommt... und auch, dass es vor dem Urknall dem zu Folge auch keine Zeit gab - weil es Masse/Energie nur an einem Punkt gab und für Gravitation zwei Dinge zueinander stehen müssen. Der Raum existiert ja auch erst seit seiner Expansion, was die kosmische Hintergrundstrahlung beweist, die überall gleich stark ist und seine Quelle damit überall hat...
Okay, ich schweife schon wieder ab. Aber Astronomie und Astrophysik faszinieren mich nun einmal seit meiner Kindheit.
Und die Tatsache, dass Zeit von den sie umgebenden Faktoren abhängig ist, beruhigt mich. Ich weiß nämlich oft nicht, wie ich mit Zeit umgehen soll. Schon als Schülerin habe ich mir sehr gewünscht, Zeit wie in "Momo" materiell abfüllen zu können. Natürlich wurden die Menschen in "Momo" beraubt - aber es gab einige Zeiten, die ich ohne weiteres an einen "grauen Herren" abgegeben hätte. Besonders, wenn ich auf meinen Schulbus wartete, war die empfundene Wartezeit sehr unangenehm. (Wenn man bedenkt, dass ich noch ohne Handy und Smartphone zur Schule ging...) Die dreivirtel Stunde im Bus habe ich dann genutzt: Lesen, Hausaufgaben oder auch ein Nickerchen.
Nach der Schule hatte ich viele Termine: Schwimmverein, Konfirmandenunterricht und später Jugendgruppe, Chor, Theater, später auch Fahrschule, ...
Ich wollte nach der Schule keine "freie Zeit", denn Leerlauf war einfach nichts für mich. Zeit musste gefüllt werden, und da meine Schulfreunde alle in einer anderen Stadt lebten (auch wenn ich erst ab der 11 echte Freunde hatte), musste ich mich anders beschäftigen. Leider lebten wir nicht nahe genug an einem Fitnesscenter, dass eine Anmeldung dort in Frage kam. Abgesehen davon, dass meine Eltern es nicht verstanden hätten... Dafür merkte ich, dass Essen und die Zubereitung dessen die Zeit mit etwas ausfüllen konnte, was nicht nur lebensnotwendig, sondern auch Dopamin gebend war. Die Folge: wenn ich "freie Zeit" hatte, war Essen ein toller Zeitvertreib... Damit konnte man auch kleinere "Leerläufe" füllen. 15 Minuten, bis ich los muss: für ne Stulle mit Käse reicht die Zeit; für eine Runde Sport mit umziehen und Duschen eher nicht!
Und warum denke ich da gerade jetzt dran? Ich habe gerade "Freizeit" und kann damit nichts anfangen. Ich saß mit einem Stück Kuchen und einem großen Kaffee auf dem Balkon und hörte einen Podcast. Doch sobald das Essen vorbei war, reichte es mir nicht mehr. Ich spielte nebenbei auf dem Handy, doch die Werbung nervte mich. Aber nur Podcast hören, reicht mir nicht an Beschäftigung. Ich könnte nebenbei den Haushalt machen,... Doch dann ist es ja nicht "Freizeit". In der kann/darf ich doch nicht arbeiten. Ich muss da doch was für mich tun, etwas, was mir gefällt und wo ich später sagen kann: "Das war eine gute Zeit!" Aber was tue ich für eine "gute Zeit"? Morgen kann es sein, dass ich unbedingt lesen will, aber das macht dann morgen eine "gute Zeit" aus. Heute stimmen die Faktoren nicht, dafür, dass die Zeit "nur" mit Lesen gut wird... Heute ist ein "Momo-Tag"! Ich würde die Stunden, in denen ich hier nur rumhänge, gerne abfüllen (heute also jetzt beenden) und bei Bedarf entkorken.
#neurodiversity#neurodivergent#neurodivers#adhs#soziales#überforderung#autism#autistic adult#autismus#Zeit#freizeit
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Dopaminkater
Angst, dass etwas Perfektes getrübt wird... zum Beispiel durch diese Angst!
Ich komme gerade voll nicht mit meinen Gefühlen klar. Seit 2 Stunden sitze ich auf dem Balkon und sehe mir Tiktok an, damit die Zeit vergeht und der Tag, der bisher so toll war, vorbei geht. Denn ich weiß nichts gutes mehr zu tun und darüber nachzudenken, wird den Tag schlecht machen. Das will ich nicht. Daher soll der Rest des Tage verschwinden, damit der ganze Tag gut war und nicht nur ein bestimmter %Satz.
Ich will auch einfach gar nichts. Es war toll und es darf/soll nicht schlecht werden. Also bitte Zeit, vergehe....
Scheiße, bin ich wirklich alleine so bescheuert, oder gibt es noch mehr Menschen, die lieber ein perfektes Wochenende abkürzen würden, als es mit irgendeinem nicht perfekten (aber nicht schlechtem) Rest zu füllen?
Manchmal hasse ich mein Gehirn!
Nachdem der Tag dann mit einem tollen Carcassonne Spiel (eigene Regeln) endete, kann ich den Tag nachträglich noch als echt super abspeichern.
Und ich habe gecheckt, dass mein Gefühl aller Wahrscheinlichkeit nach ein krasser Dopaminkater ist/war. Das Wochenende war so super, dass der folgende Dopaminschwund so intensiv war, dass es gewaltig weh tat. Es ergibt Sinn... mega krass.
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Wut – oder der hilfelose Versuch die eigenen Emotionen zu begreifen.
Mangelnde Kontrolle und spontane Emotionsschwankungen sind ein Merkmal, welches sowohl bei ADHS als auch bei Autismus nicht selten vorkommen. Ich dachte eine ganze Zeit, dass das eines der Merkmale sei, die bei mir nicht ausgeprägt sind. Dann jedoch fielen mir die Vergleiche meiner Schwester auf, in denen sie sagte, ihre Tochter sei genau wie ich früher. Ich erinnerte mich an Wutausbrüche aufgrund von „Kleinigkeiten“, die mir wie der Weltuntergang vorkamen. Oft weil ich irgendwas wichtiges nicht finden konnte – ADHS lässt grüßen – und einfach nicht mit Alternativen klar kam (meiner Familie nach, nicht klar kommen wollte). Das konnten bestimmte Plüschtiere, Kleidungsstücke oder aus Stifte sein. Ebenfalls rastete ich aus, wenn ich mit den Gefühlen in mir nicht klar kann, wenn sich etwas veränderte, ohne dass ich davon wusste. Oder wenn für mich etwas nicht logisch war bzw. die Erklärung mir dafür nicht ausreichte. Ich hatte viel Wut in mir, als ich ein Kind / eine Jugendliche war. Ich habe es jedoch irgendwann gelernt nach innen zu richten und zu maskieren. Ein gutes Mädchen wird nicht aggressiv! Ich habe Plüschtiere an die Wand meine eigenen Zimmers geworfen, anstelle von Tellern im Esszimmer. Ich habe mir selbst in den Arm gekrallt, bis ich blaue Flecken hatte, um ja keinem anderen Gewalt anzutun und meine Wut dennoch raus zu lassen. Ich habe extrem laute und aggressive Musik angemacht, in der die Sänger für mich die Wut rausgeschrien haben (black und death metal). Nur ganz selten habe ich die Dinge anderer zerstört. Einmal habe ich vor Wut eine Seite im Lieblingsbuch meiner Schwester zerschnitten - eine Tatsache, für die ich mich noch heute unendlich schäme. Aber ich konnte mich nicht zurückhalten. Ich hatte immer große Angst, den Menschen, die ich liebte, weh zu tun. Ich habe mich daher so gut es ging immer in mein Reich zurückgezogen und dort meine Verzweiflung über meine Gefühle in Selbsthass verwandelt. Als ich später alleine im Auto zur Schule gefahren bin, habe ich in diesem regelmäßig laut geschrien, bis mir der Hals weh tat. Niemand hört dich schreien, wenn du alleine im Auto bist und fährst!
All diese Erinnerungen kamen wieder hoch, als meine Schwester mein Verhalten in unserer Kindheit mit den Emotionsausbrüchen ihrer Tochter verglich, die mir auch in anderen Bereichen sehr ähnelt – ich bin mir relativ sicher, dass sie auch irgendwo im neurodivergenten Bereich angesiedelt ist.
Zudem erlebte ich am Wochenende ebenfalls wieder eine Situation der absoluten Wut – und dem verzweifelten Gefühl, nicht zu wissen, wohin damit: Ich hatte am Vormittag überlegt, dass es nett wäre, mal wieder Sushi zu machen. Meine Frau fand die Idee toll und ich schoss mich darauf ein. Als ich dann anfangen wollte, stellte ich fest, dass ich keine Noriblätter mehr hatte. Dabei war ich mir sicher, dass es noch welche gab, da ich mich genau erinnern konnte, sie gekauft und nicht verbraucht zu haben. Allerdings konnte ich sie nicht im Schrank finden. Anfangs nutzte ich die Gelegenheit, den Vorratsschrank gleich mal auszumisten. Dann würde es schon wiederauftauchen. Als sich immer mehr herausstellte, dass ich keine Noriblätter finden würde, setzte in mir der Selbsthass ein „Ich Idiot habe die garantiert irgendwo hin gepackt, wo ich die niemals finde. Warum bin ich nur so unordentlich? Wie scheiße kann man eigentlich sein?...“ Noch dazu wurde ich hungrig - Der Begriff "hangry" wurde für mich erfunden!
Als mir dann auch noch klar wurde, dass mein Plan, Sushi zu machen, ohne Nori nicht umsetzbar war, brach eine zweite Welle negativer Gefühle über mich herein. Etwas, was in meinem Hirn durch Vorfreude bereits „Vorschussdopamin“ ausgelöst hatte, würde nicht passieren. Ich könnte kein Sushi machen. (Und es ging ums Machen, nicht darum, es zu essen. Da hätten wir trotz Feiertag sicherlich was bestellen können.)
Da ich mit Veränderungen – gerade wenn sie bedeuten, dass etwas, worauf ich mich echt gereut habe, nicht stattfindet – nicht klar komme und mir zudem auch noch klar war, dass niemand anderes, als ich selber dafür verantwortlich bin, war die Hilflosigkeit und Wut gigantisch. Ich konnte mit dem Gefühl nicht umgehen. Wäre es Trauer, hätte ich versuchen können, mich von meiner Frau trösten zu lassen; zu weinen, oder sonst wie es auszuleben. Aber Wut? Ich habe nie gelernt mit Hass und Wut konstruktiv umzugehen.
Auch wenn ich durch Zufall einige Stunden später noch die Noriblätter gefunden und das Sushimachen nachgemacht habe, hat mich diese heftige Emotion doch fertig gemacht. Ich war so müde und erschöpft, dass viel Erholung des Wochenendes verloren war.
Tja… nur mal ein kleiner Auszug aus dem Leben einer neurodivergenten Person, die nie gelernt hat, mit Emotionen umzugehen. (Weil neurotypische Menschen, das offenbar „nebenbei“ lernen.)
#neurodiversity#neurodivergent#neurodivers#adhs#überforderung#autism#angry#autistic adult#self diagnosed autism#emotions
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