#weihnachtenbolivien
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nonotravel-blog · 7 years ago
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Ein Weihnachtsgruss für Euch Zuhause
Es ist Weihnachten. 24. Dezember, Potosi, Bolivien.
Wir sind zwar noch in Uruguay mit unseren Blogberichten, doch für Weihnachten holen wir kurz setwas vor.
Es ist irgendwie merkwürdig. Ich dachte immer, Weihnachten hier so weit weg von Zuhause würde nichts Besonderes werden. Zuhause verpassen einem die Lichter in den Fenstern, die Geschenke, das Mailänderlibacken, das Zusammensein mit den wichtigsten Menschen und die Kälte schon Anfangs Dezember das richtige Feeling. Adventskalender, die grossen Feste, die Essen und die passenden Filme dazu - all das liebe ich an der Weihnachtszeit. Ich dachte, hier so weit weg von Zuhause, vom Schnee, von Familie und Freunden würde keine richtige Weihnachtsstimmung aufkommen. Ein Tag wie jeder andere, doch ich lag irgendwie ziemlich falsch.
Wir sind gerade in Potosi, einem kleinen Bergdorf auf etwa 4000 Meter Höhe in Bolivien. Die Höhe macht alles kalt, die Bewegungen anstrengend und verpasst uns latentes Kopfweh. Alte Kolonialgebäude, Steinkirchen und Berge um uns herum. Aber auch hier so weit weg von Zuhause wird Weihnachten gefeiert. Grosse Schnee- und Weihnachtsmänner aus Plastik stehen überall Parade, sogar ein Weihnachtsmarkt fehlt nicht und überall blinken bunte Lichter um die Wette. Man könnte meinen, Potosi habe von verschiedensten Orten aus aller Welt die Resten ihrer Leuchtketten bekommen und nun alles gegeben und alles durcheinander aufgehängt - Disco Weihnachten. Eine kleine arme Stadt von Minenarbeitern, die sagen will, was ihr könnt, können wir schon lange! Die traditionell in bunte Tücher gewickelten Frauen mit ihren langen Zöpfen verkaufen bolivianische Weihnachtsguetzli mit Dulce de Leche, Picana das traditionelle Weihnachtsessen mit verschiedenen Fleischsorten in würziger Soße und Panetones. Die italienischen Kuchen findet man gefüllt mit Erdbeercreme, Schokolade, mit getrockneten Früchten und mehr. Da scheint sich jede Bäckerei frei ausleben zu können und die meisten wissen wohl gar nicht, dass der Panetone eigentlich aus Italien kommt. Am Strassenrand stehen alte Männer oder Kinder, die auf Panflöten, kleinen elektrischen Keyboards oder einfach nur mit ihrer Stimme die passende Musik beitragen. Aus schlechten Lautsprechern ertönt Jingle Bells und Santa Baby. Sogar Schnee haben wir gestern gesehen in den Bergen um uns herum. Auf den ersten Blick alles so gleich wie Zuhause und irgendwie halt doch so anders. Es fehlt der Glühwein, die Guetzli von Zuhause, Lucy’s leuchten, die Geschenke. Und natürlich die Leute. Wir haben keinen Familienzmorgen hier, schmücken keinen Weihnachtsbaum und ich packe nichts ein ausser mich selbst in meine dicke Jacke. Es gibt keine Vorfreude auf ein Geschenk, kein Kochtag und ich sehe meine Familie nicht. Dafür sehen wir nebst oberflächlich schöner Weihnachtsdeko hier etliche Bettler auf der Strasse, für die dieser Tag wirklich ist wie jeder andere. Kinder die den ganzen Tag über in Flipflops an einem Stand stehen und Dinge verkaufen, anstatt Zuhause bei einem Weihnachtsbaum zu sitzen. Gestern besuchten wir eine Mine, in der Arbeiter tagein tagaus unter Extrem-Bedienungen unter tonnenweise einsturtzgefährdeten Felsen in engen staubigen Gängen arbeiten. Einer von ihnen war 16 Jahre alt und etwa jeden zweiten Tag stirbt ein Arbeiter aufgrund einer Explosion, eines Einsturzes oder der Folge einer Staublunge. Zu Weihnachten bekommen sie ein paar Tage frei, um sie mit der Familie zu verbringen. Als sie uns gestern nach der Arbeit entgegen kamen, schienen sie tatsächlich übermütig glücklich vor Vorfreude, wahrscheinlich sogar glücklicher als einige bei uns Zuhause mit so viel mehr. Feliz Navidad und ein Lächeln gab es für uns, den Fremden aus der reichen Welt.
Heute morgen standen wir auf, ich kramte warme Kleider aus meinem Rucksack und wir assen Frühstück an dem grossen Tisch in unserem Hostal. Melone, frischer Orangensaft, Banane und kleine Brötchen mit Honig. Das Hostal bietet Touren an, die gleichen wie jeden Tag und es ertönt hier nirgends Weihnachtsmusik. Nichts Besonderes. Doch trotzdem fühlt sich der Tag heute nicht wie jeder andere an. Wir haben keine Lust gross etwas zu unternehmen, schauen nach dem Frühstück den ersten Weihnachtsfilm und lassen uns von der Gemütlichkeit packen. Noemi und ich beschliessen schon am Morgen den Tag zu feiern, auch wenn nicht so wie gewohnt. Wir nehmen uns drei heisse Schokoladen mit Schlagrahm vor, frierend durch den Markt zu strolchen und den Flipflop Kindern Weihnachtsguetzli vorbei zu bringen. Obwohl wir vorher nicht gross in Weihnachtsstimmung waren, hat uns der Tag heute unvorbereitet emotional gepackt. Es ist komisch, dass Weihnachten eine solche Bedeutung hat, selbst wenn man sagen kann, es ist ein Tag wie jeder andere. Ist es eben doch nicht. 
Im Familienchat lese ich, wann die Feier am Abend los geht. Ich stelle mir vor, wie Zuhause wie wild gekocht und dekoriert wird. Saucen für Fondue Chinoise werden da jetzt zubereitet, irgendwo liegen sicher noch Guetzli herum, zu viele wie jedes Jahr und allen hangen sie schon aus dem Hals heraus, wie man so nett sagt. Brunsli, Mailänderli und vielleicht noch eine Sorte mehr. Ich glaube niemandem aus meiner Familie ist wirklich klar, warum wir immer die doppelte Menge des Guetzliteiges machen, aber wir machen’s trotzdem. Meme, die italienische Grossmutter hat diese Regel irgendwie in Stein gemeisselt, oder besser gesagt ins Wallholz und ich unterstütze es unerbittlich. Flo, little Sister ist jetzt wahrscheinlich schon bei den Eltern Zuhause, big brother Basil wohl eher noch etwas verpeilt bei sich und vielleicht noch in letzter Eile sein Geschenk in Gutscheinform am Ausdrucken. Seit letztem Jahr haben wir die Eingeschenk-Regel eingeführt, was alles etwas stressfreier macht. Ich hoffe, es läuft laut Trompetenmusik im Wohnzimmer, die mag ich immer am liebsten an diesem Tag und dass es bei Mam und Flo irgendwann in einer wilden Tanzsession ausartet. Der Truthahn den wir seit einigen Jahren am Weihnachtstag bei uns im Ofen hosten, wird diese Weihnachten Zuhause von einem Fondue Chinoise abgelöst - unser Kindheits-Traditionsessen vor dem grossen Vogel.
Schon beim Frühstück hier in Potosi drehen sich Noëmi’s und meine Gespräche um Weihnachten. Ich erzähle von meinem Vater, der dem Essen unserer Meinung nach immer viel zu lange Aufmerksamkeit erteilte, bevor wir endlich die Geschenke auspacken durften. Fleischstück nach Fleischstück tauchte er in die heisse Bouillon und trieb uns damit fast in den kompletten Wahnsinn. Danach hiess es Christchindli Eingang öffnen, kalte Luft reinkommen lassen und uns Kinder raus befördern. Irgendwie wurde es dann immer geschafft, das wir keinen blassen Schimmer hatten, wie die Kerzen angezündet wurden und die Geschenke unter dem Baum auftauchten - plötzlich ertönte einfach das Glöckli und man wusste, es ist endlich geschafft. Zurück ins Wohnzimmer, Geschenke sichten und wieder dem Wahnsinn verfallen, dieses mal vor Freude. Doch ein Aufreissen wie in den Hollywoodfilmen, gab’s bei uns nie. Eine Schleife nach der anderen wurde geöffnet, Papier um Papier weggezogen und jedes Geschenk von jedem und jeder bestaunt und begutachtet. Ich habe es geliebt. Unser Auspack-Länge-Rekord lag bei sage und schreibe über drei Stunden. Mam und Dad ihr den Tag immer zu Weihnachten gemacht! Sogar eine Pause zur Stärkung gab es dazwischen, wo man seinen eigentlich noch immer vollen Magen mit der Tiefkühltorte aus dem Supermarkt zu noch mehr Höchstleistung antrieb. Meringue, Erdbeerglace und Schlagrahm - es wäre heute noch mein favorite Desert, doch ich werde jedes Jahr überstimmt.
Noch nie habe ich Weihnachten nicht Zuhause verbracht und hier im Hostal scheinen wir die einzigen zu sein, die mit unseren kleinen Musikboxen und unserer Spotify Christmas Playlist allen anderen Weihnachtsgefühle aufzwingen. „I dont care about the presents“ singt Mariah Carey neben mir und ich muss ihr recht geben. Zwar sagt man ja sowieso immer, dass es nicht um die Geschenke und den Schnickschnack drumherum geht, doch so richtig bewusst wie jetzt war mir das noch nie. Noch mehr als Zuhause merken wir hier, ohne die gewohnten Weihnachtszutaten, dass es tatsächlich um die Leute geht. Die Menschen machen diesen Tag aus, selbst wenn sie nicht alle hier sind. Wir denken an Zuhause, an euch, daran wie ihr den Tag verbringt und müssen zugeben, dass wir heute etwas von Heimweh gepackt werden. 
Und da wir mit Geschenken dieses Weihnachten nicht aushelfen können, wollen wir uns wenigstens kurz bedanken. Dafür dass ihr alle immer da seid, dass ihr Teil unseres Lebens seid, uns unterstützt, alles mit uns durchmacht und einfach so seid wie ihr seid und unser Zuhause. Dad überiss dich bis zum Umfallen und erzähl den Witz von James Bond und Schmutz Lee, Mam lass dich nicht stressen, wenn etwas nicht pünktlich parat ist und ein kleines Chaos entsteht, alle lieben was du machst, so oder so! Basil trink einen mehr und geniess das Familientamtam, es wird auch wieder ruhiger werden. Flo sing doch mal ein Weihnachtslied, iss für mich Desert, vermiss mich, denk an mich, ich mach es genau gleich! Noémi feier schön und mit Tee zum Schluss, wo auch immer du gerade bist, ich schicke einen Kuss für die beste Gotte der Welt. Und Regina und Moritz gehört einfach weiterhin zur Familie, wie ihr es schon immer gemacht habt. Ihr seid alle die besten!
Und auch wenn man es ja eigentlich weiss und immer wieder hört: Geniesst das Fest Zuhause, schätzt was wir alles haben, die Leute hier haben es nicht so.
Vergesst uns nicht heute, auch wenn wir nicht da sind. Wir denken an euch, den ganzen Tag und feiern das schöne Fest zu zweit wie die Grossen!
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