#technische rathäuser
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fabiansteinhauer · 1 year ago
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Collini kann weg
1.
Bin ich denn der einzige, dem technische Rathäuser noch etwas bedeuten? Collini war das technische Rathaus von Mannheim. Das heißt, dass es dort im Zentrum des Centers eine mit dunkelgebeiztem und leicht gesplittertem Holz verkleidete Jägerstube gab, in der manJägerschnitzel und überhaupt Paniertes mit Sauce essen konnte.
Je mehr (Wasch-)Beton drumherum desto erstens sicherer, dass es im technischen Rathaus eine holzverkleidete Jägerstube gab und zweitens, dass die Leute dort alles andere als gejagt oder jagend erschienen. Dort herrschte inbrünstige Gemütlichkeit. Am Ende gab es Schnaps.
Im Collini gab es aber nicht nur das. Dort gab es ein Schwimmbad und ein Kino, was will man mehr? Vieles, und das gab es da auch noch. Für Freunde von Gary Larson gab es dort ein Wohnhochhaus, das an allen möglichen Stellen damit beschriftet war, dass es ein Wohnhochhaus ist. Für Freunde des Layouts war das sehr elegant beschriftet.
Für Leute wie mich gab es das Collini, um ein Ort für Fernwehstillungssimulation zu sein, und zwar im Winter, das ist äußerst selten, schon weil man im Winter ganz gerne daheim ist. Aber für alle Fälle des winterlichen Fernwehs gab es das Collini. Denn wenn man zu den Hochzeiten des Collini im Collini war, konnte man glauben, woanders zu sein, und zwar in Val Thorens oder einem der anderen Skiretortenorte der großen Atommacht Frankreich. Man konnte glauben, man sei nicht nur woanders, sondern auch wannanders, nämlich genau zu der Zeit, als PONG erfunden wurde und man noch nicht Fondue Chinoise, sondern immer noch Fondue Bourguignonne aß und es dazu als Beilage nichts Raffiniertes, aber Pommes, Ketchup und Mayo gab. Im Collini ist man in einem Denk-, Spiel- und Zeitraum, zu dem Zukunft noch ein maßloses Versprechen war. Man fühlt sich heute noch De Sede oder Ellesse dort und meint, die Italo Top Hits stünden einem erst noch bevor.
Das Collini stand am Necker, hallo? Es gab vom Collini aus ein Brücke über den Neckar, auf die man nur kam, wenn man zuerst ins Collini ging. Mein Herz hüpft heute noch, wenn ich daran denke. Es gab ein Filmfestival im Collini. Die ältesten Bewohner, die dort heute in dem zu Ehren Gary Larsons mit dem Wort Wohnhochhaus beschrifteten Wohnhochhaus wohnen, sagen heute, die ersten Bewohner des Collini seien alle schon tot, und das sei schade, aber so würden sie wenigstens nicht mitbekommen, dass das Collini weg kann.
2.
Collini kann weg, haben Halbverantwortliche entschieden, also diejenigen, die zwar für eine Entscheidung, aber nicht für ihre Folgen verantwortlich sind, ihnen wird nie der Kopf abgeschlagen.
Diejenigen, die sie sich rechts und (wert-)konservativ nennen, sind in ihren Ewigkeitslaunen äußerst unerträglich. 1992 hieß es bei denen, die damals DVU und heute AfD wählen, der Araber sei der einzige Freund des Deutschen im Kampf gegen das internationale Finanzjudentum. Dann gibt es ein diesen Gruppen eine Art unbemerkten Schluckauf und danach heißt es nicht, man habe sich vertan. Es heißt einfach mit glattem Übergang, der Jude sei der einzige Freund des Deutschen im Kampf gegen den Araber. Dann ist mal der Franzose der Erbfeind, dann mit einem tiefen und auf der Oberfläche doch glatt bleibendem Huch ist es dann nicht mehr der Franzose sondern irgendjemand anders, der einem gerade im Kopf rumspukt, zum Beispiel der Türke oder der Schwede. Heute dies und morgen das, Freunde heute mal hier, Feinde heute mal dort, immer alles ganz ganz tief verankert und unheimlich gründlich.
Ewig währt am längsten ist der älteste Kalauer, den ich kenne, und wenn der überhaupt noch witzig ist, dann lebt der von den Ewigkeitslaunen, die gegenwärtig gerade mal in diesem oder jenem Sinne für das Große und Unvergängliche kämpfen. Dass Hosenverkäufer einem bei beschissenen Hosen sagen, das trage man jetzt so, das akzeptiere ich noch, weil man den Laden leicht verlassen kann. Wenn Leute aber bei Architektur sagen, das wolle heute keiner mehr, dann tendiere ich zum Amoklauf.
Der Hang zur Gegenwärtigkeits- und Präsenzerpressung muss den Leuten von klein auf aberzogen werden, am besten lässt man sie bis zum Alter von 17 an keinen aktuellen Katalog von irgendwas.Da bin ich so streng wie der Suppennazi aus Seinfeld. Leute bauen das Collini und lassen es fünfzig Jahre später abreissen. Leute lassen das Collini abreissen und regen sich über Occupylager auf, wenn die grünes Gras zertrampeln oder wenn einer mal ne Skulptur besprüht und angeblich keinen Respekt vor der Geschichte hat. Dass das Collini weg kann, das ist mal ein Skandal. Das Collini ist 50 Jahre alt, also acht Jahre älter, als die Badehose, die ich zum Schwimmen trage und der Anorak, den ich zum Skifahren trage. Wenn ich in acht Jahren noch lebe, werde ich die immer noch nutzen. Collini kann weg, muss aber nicht weg.
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