#schlüsselbund
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Handmade jewelry
Mother of pearl bracelets, keychain and anklet
Joyeria artesanal
Llaveros, pulseras y tobillera de madreperla
Tienda 👇
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Nebenrolle, oder: wie geht der Text nochmal?
Der NPC im Videospiel,
der immer hier sein muss,
wenn der Player auftaucht
~
Der Mensch, der shoppen geht
und plötzlich singen
und tanzen muss,
weil sich im selben Laden
die Hauptpersonen
des Musicals treffen
~
Der eine alte Schlüssel
am Schlüsselbund,
der eben keine
Schlüsselrolle mehr erfüllt
~
Die Welt dreht sich,
wie er eben nicht im Schloss
~
Dafür wie
der Bürostuhl unter mir
und die Frage
in meinem Kopf:
Was bleibt am Ende
von mir?
---
Doktor Disko (2024-04-04)
#nebenrolle#montagsgedicht#vermächtnis#gedicht#deutsches gedicht#lyrik#deutsche lyrik#poesie#deutsche poesie#tintentropfen#schreiblr#doktor disko#08.04.2024
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Eine kleine Vorstellung, die mir gefällt: Mach Dir Stress, schwitze und mühe Dich für mich ab. Ich will Dich keuchen hören und beobachten wie die anderen Leute auf Dich reagieren. Dabei liege ich mit einem Cocktail am Strand, schaue Dir zu und lächele. Ich habe Deinen Schlüsselbund aufgemacht und all Deine Schlüssel in den Sand geworfen. Nun suchst Du sie und ich denke, dass dies vergebens ist. Beim Wurf habe ich weit ausgeholt und Du rackerst Dich gerade im falschen Areal ab. Zu köstlich.
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Antiquariat
Seine Schritte hallten über das kalte Kopfsteinpflaster, während er auf seinem Weg zur Arbeit war. Beim kleinen Laden angekommen kramte er in seinen Taschen, bis ein grosser klimpernder Schlüsselbund zum Vorschein kam. Eine solch grosse Ansammlung an Schlüsseln fand ich immer bemerkenswert. Freien Zutritt zu so vielen Räumlichkeiten zu haben, welche andere nie zu Gesicht bekommen werden, hat schon etwas Magisches. So viel Schlüssel werden einem nur zu Teil, wenn man bewiesen hat, gut auf sie und die Dinge, die sie aufschliessen, Acht zu geben. Er muss ein wichtiger Mann sein, wenn ihm so viel Verantwortung übertragen wurde.
Die Tür schwang auf und der Schlüssel klimperte dabei gegen das darin eingelassene Glas. Der Duft von altem Papier und muffigen Teppichen steigt einem sofort in die Nase, wenn man den Laden betritt. Unser alte Freund hier kannte den Geruch des Ladens nur zu gut, er wäre aber nach all der langen Zeit nicht mehr in der Lage gewesen, ihn zu beschreiben. Für ihn löst dieser Geruch einfach ein Wohlgefühl und ein bisschen Sentimentalität aus.
Seine routinierten Finger glitten im Dunkeln über die Wand neben dem Eingang und mit einem Klick wurde der Raum nach bis nach heller, als die alten Glühbirnen, eine nach der anderen zu glühen begannen. Er stellte seine Umhängetasche aus braunem abgewetztem Leder neben seinen Schreibtisch und strich sich mit den Fingern über den langen, mittlerweile graugewordenen, Bart. Etliche Jahre ging er jetzt schon seiner Leidenschaft des Büchersammelns hinterher. Doch war es viel mehr als nur eine Leidenschaft oder ein Zeitvertreib.
Es war seine Berufung, ja, gar seine Bestimmung, diese Schätze vor dem Tod zu bewahren und sie für die Nachwelt in Sicherheit zu wiegen. Er war Ladenbesitzer, Bibliothekar, Museumsdirektor und ein Kauz, alles in einem. Ein Kauz muss man dafür aber auch sein oder man wird es über die Jahre hinweg unweigerlich. Immer weniger Kundschaft besuchte den kleinen Laden, sodass der alte Mann immer mehr allein im Geschäft sass, umringt von Bergen aus Büchern. Wenn sich aber doch jemand zu ihm verirrte oder ihn auch ganz bewusst aufsuchte, so hatte er stets eine grosse Freude seine Begeisterung mit einem zu teilen.
Er wusste immer ganz genau, wo was zu finden war, wenn jemand etwas Bestimmtes suchte. Er verschwand dann nur für eine Sekunde, schwamm wie ein Olympionike geübt durch die Wogen aus Seiten und tauchte bald wieder mit dem gesuchten Manuskript auf. Man kann nicht sagen, dass er seinen Laden wie seine Westentasche kennt, eher kennen wir unsere Westentasche wie er seinen Laden kennt.
Solange er nur kann, wird er sich um diese Schätze kümmern. Solange er Wache hält, wird keinem seiner Kinder etwas geschehen. Was dann folgt, wissen nur die Götter. Aussterben werden die Bücher hoffentlich nie, erst wenn die letzten Menschen von dieser Welt gegangen sind und vielleicht selbst dann nicht.
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Montagmorgen, Spinnweben im Heimbürofenster, erster Wind des neuen Tages. Unsichtbare Bäume rauschen in der Straße, der Verkehr, der stadtwärts fließt, erwacht nur langsam, die Häuser in Sichtweite schlafen alle noch. Im Treppenhaus klappert ein Schlüsselbund, die Heizung rumpelt verstimmt. Immerhin. Somit zurück im Normal, zurück im Takt. Maschinen starten, Kommunikationen sichten. Zur Kenntnis nehmen, wie sich die Zahl loser Enden mit den Wochen merklich vergrößert hat. Noch emotionslos, vor dem ersten Kaffee. Netzwerke verbinden. Durchatmen, während die Dinge wieder ihren Schwung finden. Habt es mild heute!
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Das geht vor allem @weidli und @all-my-worlds-a-stage : was für einen Anhänger könnte Stedefreund an seinem Schlüsselbund haben? N Werder Emblem? Ne schwarze Billardkugel? N Flaschenöffner? Irgendwas ganz anderes? Pls tell me!
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2. August 2024
Jetzt weiß ich auch immer, wo mein Portemonnaie ist, und vielleicht bekomme ich deshalb weniger schnell graue Haare
Ich bin ziemlich sicher, dass ich das Portemonnaie vorhin beim Bäcker noch hatte. Ich habe zwar mit dem Handy bezahlt, aber als ich das Handy aus der Bauchtasche genommen habe, da war der Geldbeutel doch noch mit drin. Oder ob ich das Portemonnaie zusammen mit dem Handy rausgenommen und vielleicht auf den Tresen beim Bäcker gelegt habe? Aber warum sollte ich das tun? Na, zumindest ist es nicht da. Weg. Mit allen Karten und Personalausweis und Führerschein undsoweiter, sehr beunruhigend.
Vielleicht habe ich es aber auch einfach an irgendeinen “sicheren Ort” gelegt als ich vom Bäcker nach Hause kam, damit ich es nicht verliere. Ich brauche den Geldbeutel ja nicht so oft. Eigentlich nur selten, ich bezahle ja meist mit Handy. Oft nehme ich es gar nicht mit, wenn ich das Haus verlasse. Ich glaube, es gibt schon genug selbstironischen Spott von Menschen, die wichtige Dinge, die sie nicht verlieren wollen, an einen “sicheren Ort” legen und dort vor allem vor sich selber verstecken.
Egal. Das Portemonnaie findet sich etwas später natürlich doch wieder an, aber diese Suche, und die Unsicherheit, ob es vielleicht doch beim Bäcker liegen geblieben ist - da muss es doch technische Hilfen geben, um diesen Phasen die Dramatik und mir die Sorge zu nehmen!
Ich habe ja bereits meine Festplatte und ein Schlüsselbund mit einem AirTag versehen. Nun kaufe ich auch noch einen AirTag-Clon in Kreditkartengröße und stecke den ins Portemonnaie. Und ich beteilige mich bei Kickstarter an einem Projekt, das ein Portemonnaie mit eingebautem AirTag auf den Markt bringen will. Mal schauen, ob das was wird, es soll im September kommen. Falls nicht, bleibt die AirTag-Karte im Portemonnaie. Ich will diese Unsicherheit nicht mehr, nicht zu wissen, wo wichtige Sachen von mir sind. Es gibt genug Gründe für graue Haare; nicht zu wissen, ob ich den Geldbeutel beim Bäcker liegen gelassen habe, soll kein solcher Grund sein. Ich hoffe also, dass ich damit etwas von dieser Unsicherheit nehmen kann. Solange die Batterie der AirTags hält, zumindest. Oder ich daran denke, deren Akku zu laden.
Noch brauche ich ein Portemonnaie, bzw. dessen Inhalt: Selten genug, um es nicht immer griffbereit haben zu müssen, aber zu oft, als dass ich es in irgendeiner Schrankschublabe wegräumen könnte.
(Molinarius)
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Buchsicherungssituation [3/3]
Ich sitze in der Roten Bete mit Lukas Lerche und esse Kohlrabisuppe. Lukas Lerche ist Stellvertreter. Er ist stellvertretender Leiter der Universitätsbibliothek. Und die Rote Bete ist ein Restaurant über unserer Mensa. Bei Studierenden ist die Rote Bete vor allem beliebt, weil sie hier nicht für die Kohlrabisuppe bezahlen, sondern für die Schälchen, in denen die Kohlrabisuppe suppt. Man nimmt sich eine Schüssel, füllt hinein, was die Schüssel fasst, und stellt sein Tablett unter einen Scanner. Der Scanner erkennt die Teller und Tassen auf dem Tablett. Was da drin ist, ist dem Scanner egal. Manchmal reagiert er verlegen auf ein Schlüsselbund oder eine Geldbörse, die auf dem Tablett lungern und denen kein in der Scannerdatenbank hinterlegter Wert entspricht, da der Scanner ja nur Teller, Töpfe und Tassen kennt. An der Kasse sitzen keine Menschen. Hinter den Studierenden, die ihre Tabletts in das mit Tablettmarkierungen versehene Feld schieben, stehen meistens zwei Frauen, die vielleicht einmal Kassiererinnen waren und jetzt technische Angestellte sind. Wurde der Scanner von unbekannten Objekten in die Irre geführt, greifen sie ein, wischen und tippen über das Touchdisplay der Kassiervorrichtung und beseitigen so die temporäre Stockung im Selbstkassiervorgang. Wenn sich mal ein Studierender – Trinkers Blick ist lieblich eh er trinket – den Kohlrabisuppentopf zu voll gemacht hat, schaut die technische Angestellte den Studierenden sehr böse an. Neben der technischen Funktion hat sie auch eine moralische.
Lukas Lerche, der keine Kohlrabisuppe isst, erzählt mir, während ich Kohlrabisuppe esse, dass just an dem Tag, an dem die benachbarte Universität Dortmund das Gebäude ihrer Zentralbibliothek für ein auf Jahre angelegtes Sanierungsvorhaben schloss, die Gebäudeauslastung unserer Bibliothek in Bochum sprunghaft anstieg. Dortmunder Studierende strömten durch die Bochumer Buchsicherungstore und ließen sich wie die Kraniche auf Überwinterungsflug in den Lernlandschaften und auf den Lerninseln der UB nieder. Lukas Lerche weiß das, weil unsere Bibliothek über eine öffentlich einsehbare Anzeige des Belegungsgrads verfügt. Er weiß das auch, weil er nicht nur Stellvertreter, sondern auch Datenwissenschaftler ist. Er weiß das, weil er die Bochumer Daten mit den Dortmunder Daten verschiedener Lernorte an jenem Tag verglichen hat. Was die Dortmunder Studierenden an jenem Tag in Bochum gemacht haben, kann man nicht mit Sicherheit wissen. Eine Anzeige des Belesungsgrads gibt es nicht. Hier bewegen wir uns in einem Vagheitskorridor, müssen auf Mutmaßungen und Unterstellungen zurückgreifen. Wollte man Genaueres sagen, könnten man vielleicht, sagt Lukas Lerche, Infrarotsensoren an den Lernplätzen der UB installieren.
Zum Abschied frage ich Lukas Lerche nach seiner Lieblingsbibliothek. Er sagt: Freiburg. Die Freiburger Bibliothek habe eine imponierende Glasfassade. Und in den heißen Schwarzwaldsommern, wenn die Leute längst durch die Buchsicherungstore der UB gegangen sind und beim Bier sitzen, dann hängt die Sonne noch spät über dem Alleegarten, um langsam von der Rempartstraße in Richtung Milchstraße abzudrehen. Sie illuminiert die Verglasung des Bibliotheksgebäudes zu einer gigantischen Spiegelfläche. Vor der erleuchteten Bibliothek, so hört man, gibt es regelmäßig Autounfälle.
Fotos: [1] Hörsaalzentrum Ost [Fassade], Ruhr-Universität Bochum · Februar 2024 [2] Vorplatz der Universitätsbibliothek, Ruhr-Universität Bochum · Februar 2024 [3] Fachschaftsraum Astrophysik, Ruhr-Universität Bochum · März 2024 [4] Hörsaalzentrum Ost [Fassade], Ruhr-Universität Bochum · März 2024 [5] Hörsaalzentrum Ost, Ruhr-Universität Bochum · März 2024
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ooohhhh meine dwh buddies rebloggen Nostalgie-Posts 🥺💕
Leute, was, wenn ich euch sage, dass Torte jetzt gerade nicht schlafen kann und eigentlich feiern gehen wollte, aber dann doch keine Lust hatte. (Er lebt erst seit kurzem wieder zu Hause, das mit dem Studium war einfach nix und jetzt hängt er sehr in der Luft und bei seiner großen Schwester Helen im Gästezimmer rum.) Was, wenn er stattdessen ziellos durch sein Handy scrollt und sich irgendwie rastlos fühlt. Was, wenn er Trude auf Instagram posten sieht, sie ist noch wach, weil sie irgendein Handarbeits-Projekt fertig macht.
Und hey, ist nicht so, als wären Torte und Trude super eng oder so. So gar nicht. Trude ist eben die einzige, die auch noch hier in der Gegend wohnt, alle anderen sind in alle Himmelsrichtungen verteilt. Und sie sind ein- oder zweimal ineinander reingerannt, seit Torte hier wohnt, und Trude meinte immer, sie könnten ja mal auf nen Kaffee. Oder ein Bier. Falls Torte Lust hat.
Und plötzlich hat Torte ganz unbedingt Lust. Also. Naja. Halt einfach. Trude sehen. Jemanden von früher sehen. Nicht allein sein. Und ja okay, es ist zwanzig vor eins, aber hey, in ihrem Instapost sah Trude hellwach aus, also kann er's ja mal versuchen.
Ihr Handy klingelt nur zwei Mal, bevor sie abnimmt.
"Torte? Alles okay?" Ihre Stimme klingt ein wenig besorgt. Klar, bei so nem random Anruf um die Uhrzeit... kein Wunder.
Torte räuspert sich. "Ja ja, alles okay. Ich, äh. Du meintest doch, wenn ich mal Lust hätte auf'n Bier oder so..." Wieso ist er eigentlich so scheiß verlegen? Ist ja schließlich kein Booty Call oder so. Ehrlich gesagt wäre Torte wahrscheinlich weniger verlegen, wenn's einer wäre. Aber ne. Das hier ist Trude, und was ganz anderes.
Trude ist für einen langen Moment still. Dann: "Thorsten. Ist das hier 'n Booty Call?"
"Pffft", macht Torte. Er ist sich nicht ganz sicher, ob sie amüsiert klingt oder ob er das nur denkt. "In deinen Träumen, Bogolowski." Er schneidet eine stumme Grimasse, weil, bäh. Was soll denn der Spruch?! Ist ihm nur so rausgerutscht. Um das zu überspielen, schiebt er schnell nach: "Ne, also. Wirklich, einfach nur so." Und weil Trude immer noch verdächtig still ist, schiebt er hinterher: "Kann nicht schlafen."
Trude macht "hmm". Dann sagt sie schließlich: "Ich hab gar kein Bier hier."
Das klingt schon fast nach einem 'Ja'. Torte fällt ein kleiner Stein vom Herzen. "Macht nix, ich kann welches mitbringen. Ach ne, Mist, die Tanke hat auch schon zu. Warte mal." Er steht von Helens Gästebett auf, schleicht sich leise in die Küche - Helen hat Frühschicht und würde ihm die Gurgel umdrehen, wenn er sie wecken würde - und öffnet ein paar Schränke. "Hier ist Gin - ", er verzieht das Gesicht, er ist kein Fan, "und hm, irgendwelche staubigen Liköre und so, und, oh, das sieht gut aus." Er greift nach einer Flasche und dreht das Label so, dass er es im fahlen Licht lesen kann. "Pinot Grigio delle Venezie."
Trude gluckst amüsiert. Stimmt, sie kann Italienisch, und Tortes Aussprache ist sicher grottig.
"Grauburgunder, trocken", liest Torte weiter vor. "Das wär doch vielleicht was, oder?"
"Hmm", macht Trude noch einmal, und dann: "Von mir aus. Komm vorbei, bring den Wein mit. Ich muss noch meine Linoldrucke fertig machen, aber du kannst mir dabei gern Gesellschaft leisten. Wird eh ne Nachtschicht."
Torte ist sich nicht zu hundert Prozent sicher, was genau Linoldrucke sind, aber er freut sich plötzlich wie ein kleines Kind. Er ist schon wieder aus der Küche, zurück im Gästezimmer, wo er die Flasche Wein zusammen mit seinem Geldbeutel und seinem Schlüsselbund in einen Jutebeutel stopft, überlegt grade nochmal, wo er sich Trudes neue Adresse notiert hat oder ob er sie einfach nochmal danach fragen soll, da reißt sie ihn aus seinen Gedanken. "Hey, aber nur unter einer Bedingung, ja?" sagt sie, und er könnte wetten, dass er ein Grinsen in ihrer Stimme hört.
"Und die wäre?"
Und jetzt grinst Trude auf jeden Fall, garantiert. "Kein Booty Call, kapiert?"
#dwh#die wilden hühner#torte#trude#torte x trude#oh gott aber stellt euch vor...#diese prämisse und sie hängen danach super viel miteinander rum#weil sie gut viben und torte das grade braucht#und beide sind so 'ahaha als ob wir beide jemals was anfangen würden... bla bla nicht mal wenn wir die letzten Menschen auf der Erde bla'#und dann UPS passiert es doch#hilfe ich habe ein neues otp#my posts
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Das wird schon (auf AO3, 2/6, 6978 Wörter) Kapitel 2 "Ein Wochenende zu zweit" (4167 Wörter) eine Tatort Stuttgart Fanfic, in der Basti einen Freund hat
Sebastian und Noah verbringen mal wieder das Wochenende zusammen. Doch es ist nicht alles so rosarot und problemlos, wie Basti es sich gerne wünschte. Zum Glück stellt Noah oft die richtigen Fragen zur richtigen Zeit und Sebastian kann ihm sein Herz (oder zumindest einen kleinen Teil davon) ausschütten.
Es ist Freitagabend und Sebastians Herz und Magen sind voll. Die Schritte, die er direkt hinter sich im Treppenhaus hört, bringen ein verschmitztes Lächeln auf seine Lippen. Er kommt wieder nicht allein nach Hause. Und das macht ihn unglaublich glücklich.
Der Schlüsselbund klimpert, als Sebastian die Wohnungstür aufschließt. Er dreht sich zu Noah um und lässt ihn an sich vorbei in den Flur gehen. Noah nimmt seine Tasche von der Schulter, stellt sie vor die Garderobe und zieht sich die Schuhe aus. Der Anblick von Noah in Socken ist auf einmal sehr intim.
Mit klopfendem Herzen schließt Sebastian die Tür hinter sich und zieht sich auch Jacke und Schuhe aus. Als Noah seine Tasche ins Schlafzimmer trägt, guckt Sebastian ihm unauffällig nach. In letzter Zeit haben sie oft das Wochenende miteinander verbracht, und wie Noah da so selbstsicher sein Schlafzimmer betritt, wärmt sein Herz ungemein. Sie sind so schnell vertraut miteinander geworden.
Ein bisschen verliert sich Sebastian in seinen Gedanken und merkt erst gar nicht, dass Noah wieder vor ihm steht, die Hände auf der Hüfte.
„Bist du schon müde?“, fragt Noah und lehnt sich Sebastian entgegen, als dieser seine Arme um ihn schlingt.
„Nicht wirklich“, antwortet Sebastian und verschränkt seine Finger hinter Noahs Rücken. So sind ihre Gesichter ganz nah beieinander. „Wieso?“
„Wollen wir noch einen Film gucken?“
Sebastian küsst Noah. „Ja“, sagt er, zieht seine Arme wieder zurück und dreht sich in Richtung Küche. „Möchtest du auch noch ein Bier?“
„Gern“, antwortet Noah und macht sich schon einmal auf ins Wohnzimmer. So als wären es seine eigenen vier Wände, knipst er eine Stehlampe an und lässt sich auf das Sofa fallen.
Wenig später stellt Sebastian ein Bier auf dem Tisch vor ihm ab und hält sein eigenes hoch. „Auf das Wochenende“, sagt er und grinst.
Noah stößt an. „Auf uns“, sagt er. Sebastians Wangen werden ein bisschen rot, als er Noahs Blick trifft und dann die Flasche zu seinem Mund führt und trinkt. Mit jemandem auf dem Sofa zu sitzen in einer so aufgeladenen Zweisamkeit, das erinnert Sebastian an–
Nein. Er will nicht an Julia denken, nicht jetzt. Aber manchmal erwischt er sich eben dabei, seine jetzigen Gefühle mit denen von früher zu vergleichen.
„Woran denkst du gerade?“
Sebastians Kopf schnellt herum. „Hm?“
„Ich sehe doch, dass du gerade wieder über irgendwas grübelst. Was beschäftigt dich?“ Noah zieht sein rechtes Bein zu sich und dreht seinen Oberkörper zu Sebastian. Er pult an dem Label der Bierflasche.
„Ich–“, beginnt Sebastian und weiß nicht genau, ob er das überhaupt ansprechen soll. Nicht, dass er damit den Abend verdirbt. Wenn Noah von seinen Ex-Beziehungen erzählen würde, würde er das nämlich auch nicht so toll finden. „Nicht so wichtig.“
„Jetzt sag schon“, beharrt Noah und trinkt einen kleinen Schluck. „Du brauchst keine Geheimnisse vor mir zu haben, Basti.“
Sebastian seufzt. „Na gut. Ich, äh, musste gerade an Julia denken.“ Er schaut zu Noah um sicherzugehen, dass er sich an ihren Namen erinnert. Von seinem leichten Nicken zu urteilen, tut er das, also fährt Sebastian fort. „Ich saß jahrelang allein auf der Couch. Und plötzlich ist da wieder jemand. Jetzt bist du hier.“
„Jetzt bin ich hier“, wiederholt Noah und presst seine Lippen zusammen. Er stellt seine Bierflasche auf dem Tisch ab und verschränkt seine Hände im Schoß. „Ist das okay?“
Sebastian runzelt verwundert die Stirn. „Klar ist das okay. Mehr als okay.“ Noah lächelt. „Es fühlt sich richtig gut an hier mit dir. Ich hab das sehr vermisst.“
„Erik hat mich vor drei Jahren verlassen. Ich hab das auch vermisst“, antwortet Noah.
Bei der Erwähnung von Noahs Exfreund gefriert Sebastian das Blut in den Adern. Nicht etwa, weil er eifersüchtig ist, dass Erik Noah zuerst hatte, sondern weil das hier seine erste Beziehung mit einem Mann ist und Noah in der Hinsicht mehr Erfahrung hat. Er könnte sich selbst ohrfeigen, aber er fühlt sich manchmal nicht genug.
„Hey.“ Noahs Stimme holt ihn aus seinen Gedanken zurück. „Genug Gerede aus der Vergangenheit. Ich find’s schön, dass alles dazu geführt hat, dass wir hier jetzt sitzen.“
Jetzt werden Sebastians Wangen aber wirklich rot. „Finde ich auch.“
Noah lehnt sich zu Sebastian rüber, nimmt ihm die Bierflasche aus der Hand und stellt sie neben seine. Er legt seine Hand auf Sebastians Schulter und dreht ihn so, dass er kurz darauf der Länge nach auf dem Sofa liegt. Sebastians Herz pocht ihm sofort bis zum Hals und es kribbelt in seinem Bauch.
„Wie sieht’s aus mit dem Film?“, fragt Noah.
Sebastian dreht seinen Kopf und blickt zu dem schwarzen Bildschirm. Er seufzt und wendet sich dann wieder Noah zu. „Weiß nicht. Aber vielleicht wäre Ablenkung gut.“
„Ich wüsste da was.“ Noahs Blick wandert zu Sebastians Lippen.
Da muss Sebastian schmunzeln. In seinem Hemd ist ihm auf einmal ganz schön warm. „Ach ja?“
Noah hebt eine Augenbraue. „Schlafzimmer?“, fragt er. Sebastian holt einmal tief Luft und nickt. Dann wickeln sich Noahs Hände um seine Oberschenkel und heben ihn vom Sofa. Sebastian klammert seine Arme um Noahs Hals und er muss lachen. Das muss gerade ein Bild für die Götter sein.
„Willst du mich wirklich tragen?“
Noah geht etwas in die Knie und greift noch einmal nach. „Klar“, sagt er. Jeder Schritt, den er macht, wird etwas schneller und weniger wacklig. Sebastian ist beeindruckt.
Und so verliebt.
Das Bett quietscht, als Noah Sebastian darauf fallen lässt. Sebastian lässt seinen Blick kurz von Noahs Gesicht über seinen Bauch zu seinen Beinen wandern und schaut dann wieder hoch.
Noah macht einen Schritt vor und schiebt mit seinen Oberschenkeln Sebastians Beine auseinander. Er legt seine Hände auf Sebastians Oberkörper und drückt ihn nach hinten. Sebastian lässt sich sofort fallen. Bei dem Funkeln, das er gerade in Noahs Augen sieht, würde er alles machen.
Noah küsst ihn und Sebastian schließt seine Augen. Er legt eine Hand an Noahs Rücken, da, wo er sein Hemd in die Hose gesteckt hat. Er spürt, wie sich die Muskeln unter seinen Fingern bewegen, als Noah sich über ihm aufs Bett kniet.
„Alles okay?“
Sebastian öffnet seine Augen. Er sieht einen Hauch von Unsicherheit in Noahs Gesicht. „Ja, wieso?“
Noah legt ihm eine Hand an die Wange und vergräbt seine Fingerspitzen in Sebastians Haaren. „Du kommst mir ein bisschen ruhig vor.“
„Ruhig?“ Sebastian lacht leise auf. Zu gerne würde er sagen, dass das nur daran liegt, dass er die Nachbarn nicht stören will, aber das wäre nur die halbe Wahrheit. Er beißt sich auf die Lippe und lässt seinen Kopf aufs Bett fallen. „Entschuldige. Ich bin vielleicht immer noch ein bisschen nervös.“
Noahs andere Hand hat sich eben noch auf den Weg von Sebastians Hals zu seiner Gürtelschnalle gemacht, wo sie nun verharrt. „Ich merk das schon“, antwortet er und runzelt die Stirn. „Wenn du das hier nicht mehr willst, dann–“
Sebastian schüttelt den Kopf. „Nein, nein, das ist es nicht.“ Er schlingt seine Finger um Noahs Handgelenk, damit er nicht zurückzieht. „Es ist einfach nur lange her.“
„Mit einem Mann?“
Und da ist das Thema wieder, Hand in Hand mit diesem Gefühl von nicht genug. „Ehrlich gesagt hab ich vor dir noch nie–“ Sebastians Mund verschluckt die letzten Wörter. Auf einmal fühlt er sich wieder wie siebzehn, als er sich nach langem Weigern zum ersten Mal eingestanden hat, dass er auch Jungs mag.
„Verstehe“, sagt Noah. Er hebt seine Hand und legt sie auf Sebastians Brust. „Aber du willst das hier auch, oder?“
„Ja“, antwortet Sebastian schneller als sein Kopf nicken kann.
Noah lacht erleichtert auf. „Gut.“
Sebastian holt tief Luft. Vielleicht muss er das einfach noch besser erklären. „Ich meine nur, es ist lange her, dass ich Sex hatte. Seit Julia, da–“ Er stoppt wieder, findet nicht so ganz die richtigen Worte.
„Das heißt, du hast seit Jahren nicht–“
„Nein.“
„Auch nicht mal zum Spaß?“
„So einer war ich noch nie. Ich hatte schon genug mit Depressionen und so zu kämpfen, da hatte ich gar keinen Bock auf irgendwelche oberflächlichen Beziehungen. Und ich hab ja die hier.“ Er hält seine Hand in die Höhe.
Noahs Blick wandert zu der Hand. Sebastian schwört, dass seine Pupillen größer werden. Als sich ihre Blicke wieder treffen, grinst und zwinkert Noah. „Klingt heiß. Musst du mir irgendwann mal zeigen.“
Oh. Blut schießt in Sebastians Wangen und er nimmt die Hand schnell wieder runter und legt sie an Noahs Hüfte. Bei der Vorstellung, dass ihm jemand zuguckt, wird ihm ganz warm – noch wärmer, als ihm sowieso schon ist. „Aber nicht heute“, sagt er.
„Nein, nicht heute“, antwortet Noah. Er beugt sich runter und küsst Sebastian. „Heute will ich dich.“
Sebastian lächelt. „Ich dich auch.“ Er trifft Noahs Blick und wünscht, diesen Moment irgendwie permanent einfangen zu können. In Noahs Augen liegt ein Leuchten, das er darin erst einmal zuvor gesehen hat.
Als Noah sein Bein anwinkelt, schiebt sein Knie Sebastians Oberschenkel nach oben. Ein leises Wimmern entflieht Sebastians Lippen. Das Blut in Sebastians Adern scheint zu brennen.
Ach, denkt er sich. Scheiß auf die Nachbarn. Er hakt sein Bein um Noahs Hüfte, presst ihn an sich und fährt mit seinen Händen unter Noahs Hemd. Sein Stöhnen wird von dem nächsten Kuss erstickt.
Am nächsten Morgen wacht Sebastian in einem leeren Bett auf. Ein bisschen tut ihm der Rücken weh. In dem Kissen neben sich sieht er noch den Abdruck, den Noahs Kopf beim Aufstehen hinterlassen hat. Ein paar Sekunden genießt Sebastian noch die Wärme unter der Bettdecke und macht sich dann in Pyjamahose und T-Shirt auf ins Badezimmer.
Als er gerade seine Zähne putzen will, hört er das Öffnen der Wohnungstür. Mit einem Grinsen hält er seine Zahnbürste unters Wasser. Er hört, wie Noah sich die Schuhe auszieht und mit einem Rascheln in der Küche verschwindet, dicht gefolgt von dem Klimpern von Tellern und Besteck.
Die Geräusche wecken längst verdrängte Erinnerungen in Sebastian. Erinnerungen an Julia, die ihm sauer aufstoßen, weil er sie mit einer Vergangenheit verbindet, die ihm entrissen wurde. Und Erinnerungen an Maja und Henri, die keifend in ihren Hochstühlen saßen, ihre Gesichter vollgeschmiert mit Marmelade und Kakao. Im Spiegel trifft Sebastian den Blick des Mannes, dem das alles einst gehörte.
Vor dem Spiegel jedoch steht nun jemand ganz anderes. Da steht ein Mann, der grinsen muss wie ein verknallter Teenager, als er Noah in der Küche beim Radio mitsingen hört. Sebastian lehnt sich der Badezimmertür entgegen und schließt für einen kurzen Moment die Augen.
Als er sich wieder zum Waschbecken zurückdreht und weiter seine Zähne putzt, entdeckt er etwas anderes im Spiegel. Er beugt sich vor und dreht seinen Kopf, um einen besseren Blick auf seinen Hals zu bekommen.
In dem Moment betritt Noah das Badezimmer. Er fängt sofort an zu schmunzeln, als er Sebastians Hals anguckt.
„Dasch isch deine Schuld“, sagt Sebastian mit Zahnbürste im Mund und wirft Noahs Spiegelbild einen vorwurfsvollen Blick zu. Ohne Zahnbürste und Schaum wäre es effektiver gewesen.
„Entschuldige“, antwortet Noah, und seine Stimme zeigt, dass es ihm so gar nicht leid tut und er sich köstlich amüsiert. „Da ist es letzte Nacht wohl einfach mit mir durchgegangen. Kann ich ja nichts dafür, wenn du so gut aussiehst.“
Sebastian streicht mit seinem Zeigefinger über den Knutschfleck unter seinem Ohr. Der Druck ist nur minimal schmerzhaft. Er spült sich den Mund aus. „Dir ist schon klar, dass ich so am Montag zur Arbeit muss.“
Noah trifft seinen Blick im Spiegel und legt seine Arme von hinten um Sebastians Hüfte. „Wozu gibt’s Rollkragenpullover?“ Er beugt sich vor und küsst den Knutschfleck mit einem lauten Muah.
Sebastian lässt es über sich ergehen. „Warum hast du mich eigentlich nicht geweckt?“
Noah lässt seine Finger durch Sebastians Haare wandern. „Du sahst so friedlich aus, da wollte ich dich ein bisschen länger schlafen lassen. Also hab ich schnell allein Brötchen geholt.“ Er zwinkert Sebastian im Spiegel zu. „Und jetzt mach dich schnell fertig. Noch sind die Brötchen warm.“ Dann verlässt er das Badezimmer auch schon wieder.
Sebastian schaut ihm nach und stützt sich auf dem Waschbecken ab. Ihm wird erst jetzt bewusst, wie sehr er es vermisst hat, einen Menschen um sich herum zu haben und Dinge wie Frühstücken nicht mehr allein machen zu müssen. All die Jahre hat es sich eher wie eine Aufgabe angefühlt – altes Toastbrot aus dem Gefrierfach und ein zu bitterer Tee, weil er immer vergisst, den Teebeutel früh genug rauszunehmen – doch jetzt kann er das Frühstück an freien Tagen wieder so richtig genießen. Alles nur wegen Noah und diesem Brennen in seinem Herz, das Noah wieder entfacht hat.
Bevor er in die Küche geht, zieht er sich noch schnell um. Er schüttelt die Bettdecke aus und wirft sie so gut es geht über die gesamte Matratze. Die Klamotten von gestern, die überall auf dem Boden verstreut liegen, schmeißt er in den Wäschekorb.
Im Flur riecht es nach frischen Brötchen und Kaffee. In der Küche wird er schon von einem grinsenden Noah erwartet, der an seinem Platz am Frühstückstisch wartet.
Seinen Platz. Sebastian muss lächeln, als er realisiert, dass Noah so langsam seine feste Seite hat, auf dem Sofa, am Tisch und im Bett.
Als er sich hinsetzt, kneift Noah seine Augen zusammen. „Moment mal. Ist das mein Pullover?“
Sebastian hebt eine Augenbraue und zuckt mit den Schultern. „Vielleicht?“ Er greift nach einem Brötchen und dem Messer.
„Hm.“
„Findest du das nicht heiß?“ Sebastian wackelt gekonnt mit den Augenbrauen.
Noah reißt seine Augen auf und schaut demonstrativ auf den Teller vor sich. Seine Wangen werden ein klein wenig rot. „Oh, und wie. Bin froh, dass wir gerade beim Essen sind.“
Sebastian muss schmunzeln. Wenn er seinen Kopf nach unten neigt, kann er diesen Duft riechen, der unverkennbar Noah ist - das ist das gute an dem Pullover. Und dass es der weichste Pullover ist, den Sebastian je getragen hat, macht alles noch besser.
Der Kaffee ist heiß und verbrennt Sebastian beinahe den Gaumen, als er einen Schluck trinkt. Wärme macht sich sofort von innen breit und gibt ihm dieses kribbelige, angenehme Gefühl von Kopf bis Fuß.
Mit Noah vergeht die Zeit wie im Flug. Kaum haben sie sich mit frischen Brötchen gestärkt, schon ist das Frühstück vorbei und sie ziehen ihre Jacken an, um draußen spazieren zu gehen.
Es ist nicht allzu weit zu dem Park, in dem sie ständig spazieren gehen, da man dort Stunden verbringen kann und immer wieder neue Wege entdeckt. Sogar die Sonne zeigt sich, als sie sich hinter den Wolken hervorschiebt und die Gesichter aller Spaziergänger erwärmt. Es ist ein ziemlich perfekter Herbsttag.
Das Gespräch zwischen Sebastian und Noah springt von Stories aus der Kindheit zu Geschichten von der Arbeit, von Erinnerungen an die Grundschule bis hin zu Wünschen für die Zukunft.
Es fällt Sebastian so leicht, er selbst zu sein in Noahs Gegenwart. Er fühlt sich so schwerelos, so gemocht. Da ist nichts, das—
Noah greift nach seiner Hand. Sebastians Arm schnellt ruckartig nach hinten, als er suchende Fingerspitzen auf seiner Haut spürt. Sofort verlangsamt Noah seine Schritte und dreht seinen Kopf zu Sebastian um. Und Sebastian vergisst für einen Augenblick das Atmen.
„Sorry. Ich–“
„Nicht okay?“
Der gekränkte Ton in Noahs Stimme rammt sich wie ein Messer in Sebastians Herz. „So war das nicht gemeint. Ich hab mich nur erschrocken“, erklärt er und schaut zu seiner Hand runter, als ob er dort eine Wunde erwarten würde.
In Noahs Gesicht liegt dieses typische Lächeln, das dort immer erscheint, wenn er jemanden aufmuntern möchte. „Das ist nicht schlimm, Basti.“
Sebastian trifft seinen Blick. „Ich weiß, dass Händchenhalten nicht schlimm ist.“
Aber Noah schüttelt den Kopf. „Nein, das meine ich nicht. Es ist nicht schlimm, wenn du das einfach noch nicht willst.“ Er runzelt die Stirn und schaut in Sebastians Augen, damit er sichergehen kann, dass seine Worte bei ihm auch ankommen.
„Sorry“, murmelt Sebastian. Was soll er sonst dazu sagen?
„Ich hab dich trotzdem lieb. Das weißt du doch, oder?“
Sebastian nickt. „Mhm“, bejaht er und atmet einmal tief ein. „Ich schaff das bald, okay?“
„Mir musst du das nicht versprechen, Basti. Es soll auch dir gefallen.“
Mit einer etwas gedrückten Stimmung, wegen der Sebastian sich am liebsten wieder ohrfeigen würde, setzen sie ihren Spaziergang fort. Die meiste Zeit schweigen beide und schauen um sich her, beobachten die bunten Blätter, die täglich ihre Farbe zu ändern scheinen.
Zurück in seiner Wohnung schmeißt Sebastian den Wasserkocher an und stellt zwei Tassen bereit. In diese legt er je einen Beutel Pumpkin Chai, den er sich nie gekauft hätte, wenn Maja ihm den nicht so vehement ans Herz gelegt hätte. Als das kochende Wasser auf den Tee trifft, besänftigt der Duft sofort sein Gemüt.
Er trägt die Tassen ins Wohnzimmer, wo sich Noah schon auf seine Seite der Couch gesetzt hat. In seinem Schoß liegt ein Fotoalbum, bei dessen Ansicht es Sebastian kalt den Rücken runterläuft.
„Wo hast du das denn her?“, fragt er und nickt in Richtung Fotoalbum.
Noah nimmt mit einem „Oooh“ dankend seine Tasse entgegen. Er nippt einmal, bevor er den Tee zum Abkühlen auf den Tisch vor sich stellt. Dann hebt er das Fotoalbum an. „Das war in der Box hier unter dem Tisch. Darf ich mal reinschauen?“
Sebastian zuckt mit den Schultern. „Wenn du Fotos von meiner Exfrau sehen möchtest, dann ja.“
Noah legt seinen Kopf schief. „Ich möchte Fotos von dir sehen, Basti.“
Sebastian atmet kurz durch und macht über sein Handy leise Musik im Hintergrund an. Die Lautsprecher hat ihm Henri angedreht, weil die angeblich perfekt für iPhones sind.
„Ich kann’s auch gerne wieder weglegen“, sagt Noah, nachdem er Sebastian eine Weile von der Seite angeguckt hat. „Gar kein Problem.“
„Ach Quatsch, wir können gerne mal reingucken.“ Sebastian nimmt sich das Album von Noahs Schoß und streicht einmal über den Einband. Es ist eines dieser unglaublich hässlichen, aber irgendwie auch schönen Fotoalben aus den Neunzigern, die mit ihren schrillen Farben und Streifen wie eine optische Täuschung aussehen. Die Fotos waren damals sein kleines Heiligtum.
Während die Stimme von Bruce Springsteen durch das Wohnzimmer hallt, schlägt Sebastian die erste Seite auf.
Sofort wird er zurückkatapultiert in Majas und Henris Kindheit. Da ist ein Foto von Majas Einschulung. Stolz hält sie ihre große Schultüte in die Kamera, neben ihr ein kleiner Henri mit einer eigenen kleinen Schultüte, ohne die er sonst traurig gewesen wäre im Kindergarten. Auf dem nächsten Bild sind sie zu viert und Sebastians Herz schlägt einmal merklich doll, als er Julia anguckt, sein dreißigjähriges Ich so überglücklich neben ihr.
„Du hattest mal lange Haare?“ Noahs Stimme reißt Sebastian aus den Gedanken, wofür er gerade sehr dankbar ist. Er dreht das Album in Noahs Richtung und schiebt es wieder auf dessen Beine.
„Wenn du das lang nennst, dann ja.“
„Steht dir“, sagt Noah und grinst breit. Er guckt hoch vom Foto und trifft Sebastians Blick. „Ich meine, du siehst jetzt auch gut aus, aber–“ Er pfeift zwei Mal und schüttelt den Kopf. „Meine Güte. Hätte ich dich damals schon gekannt, dann–“
Sebastian zieht seine linke Augenbraue hoch. Jetzt muss er wieder grinsen. „Dann was?“
„Dann hätte ich früher realisiert, dass ich schwul bin. Und ich hätte bestimmt einen Grund gefunden, dir an den Haaren zu ziehen.“ Er zwinkert Sebastian zu. „Ganz zu deinen Gunsten, natürlich.“
Sebastian lacht. „Natürlich“, äfft er ihn nach.
„Deine kurzen Haare jetzt machen dich eher zu, naja, sagen wir mal einem DILF.“
„Ein was?“
Noah rutscht etwas auf dem Sofa hin und her und grinst. „Ich sag dir lieber nicht, was das heißt.“
Sebastian runzelt die Stirn. „Okay?“, murmelt er, halb Frage, halb Verwirrung.
Noah holt tief Luft. „Das heißt einfach, dass ich dich unglaublich attraktiv finde.“ Er hebt seine Hand und legt sie auf Sebastians Kopf. Mit den Fingerspitzen fährt er ein paar Mal durch die kurzen Haare. Sebastian würde am liebsten die Augen schließen, weil sich das so schön anfühlt.
Während sie durch das Album blättern, ist es bis auf die Musik still im Wohnzimmer. Die rhythmische Atmung von Noah beruhigt Sebastian ein wenig, als er damit beschäftigt ist, wegen Majas und Henris vergangener Kindheit nicht zu weinen. Er vermisst die beiden einfach extrem, und das wird ihm in diesem Moment wieder einmal klar.
Als sie auf der letzten Seite angekommen sind, schaut Noah den grinsenden Sebastian im Foto an und hebt dann seinen Kopf, um denselben Mann anzugucken. In zwei Jahrzenten kann sich vieles ändern.
„Darf ich dich nochmal etwas fragen?“ Noahs Stimme ist kaum mehr als ein Flüstern. „Ich mein‘s auch wirklich nicht böse.“
Sebastian runzelt die Stirn. Er schlägt das Album zu und verstaut es wieder in der Box unter dem Tisch und die Erinnerungen in der hintersten Ecke in seinem Kopf. „Was denn?“
Das Sofa gibt etwas nach, als Noah sich zu ihm umdreht. Seine Lippen sind leicht geöffnet, so als weiß er nicht ganz, wie er seine Gedanken formulieren soll. „Gibt es einen genauen Grund, warum du das hier mit uns noch verheimlichst vor deiner Familie? Und vor deinen Freunden und auf der Arbeit?“
Sebastian schweigt.
„Traust du dich noch nicht?“
„Nein“, lügt Sebastian.
Etwas Trauriges liegt in Noahs Blick, etwas, das so fremd in seinem Gesicht aussieht und da einfach nicht hingehört. „Ich möchte nicht, dass du leidest, nur weil ich mich in dich verliebt habe.“
Sebastian schüttelt sofort den Kopf. „Das hat nichts mit dir und deiner Liebe zu tun, Noah. Wirklich nicht. Ich–“ Von einer Sekunde auf die andere ringt er nach Luft genauso wie nach Worten. Beides entzieht sich ihm. Er legt eine Hand auf seine Brust in der Hoffnung, er könne so sein zu schnell klopfendes Herz beruhigen. Das Rauschen in seinen Ohren wird lauter als die Musik.
„Hey, hey, Basti“, sagt Noah und greift nach Sebastians anderer Hand. Seine Finger umschließen sie und drücken fest zu. „Schau mich mal an.“ Und noch fester.
Nur zögerlich hebt Sebastian seinen Kopf, so als würde er jegliche Kommunikation am liebsten meiden und sich in seinem eigenen Kopf verstecken.
Noah legt seine rechte Hand an Sebastians Wange und streicht sanft mit seinem Daumen über den Bart, immer und immer wieder. Er senkt seine Stimme. „Ich weiß, wie sich das alles anfühlt. Es ist einfach richtig scheiße. Mir ging es genau wie dir. Und das ist gar nicht mal so lange her.“
Anstatt irgendetwas zu antworten, starrt Sebastian einfach nur ins Leere. Zu mehr ist er im Moment nicht in der Lage.
„Hast du schon mal darüber nachgedacht, dich zu outen?“, fragt Noah nach einer Weile.
Er kann genau zusehen, wie die Wörter erst bei Sebastians Ohren und dann in seinem Kopf ankommen. Zuerst zucken die Augen, dann beginnt das Kinn langsam zu zittern.
Als die erste Träne über die Wange rollt, lehnt sich Noah sofort vor und wickelt seine Arme um Sebastian. Der versteckt sein Gesicht in Noahs Shirt und lässt den Tränen freien Lauf. Er hasst es, vor anderen Menschen zu weinen.
Mit all dem hat Sebastian gar nicht gerechnet. Er ist davon ausgegangen, alles Wichtige mit Noah schon lange besprochen und erfragt zu haben. Ist das deine erste Beziehung mit einem Mann? Wann wurde dir bewusst, dass du auf Männer stehst? Ist das dein erstes Date? Und so weiter.
Aber das hier? Das hat er immer fleißig vor sich hergeschoben. Alles, was mit Outing zu tun hat, und erstrecht, wenn es seine Kinder betrifft.
„Ich hab einfach scheiße Angst“, flüstert Sebastian in Noahs Halsbeuge.
Noahs Hände wandern ohne Pause Sebastians Rücken rauf und runter. „Ich möchte dir wirklich nichts vormachen. Das ist kein leichter Weg. Aber es ist auch so befreiend, Basti, glaub mir.“
Sebastian lehnt sich zurück und fährt sich mit seinem Ärmel übers Gesicht. Er zieht die Nase hoch. Es ist lange her, dass er geweint hat. „Das ist alles so–“ Er zuckt mit den Schultern. „Kompliziert.“
Mit ganz viel Liebe in seinem Blick schaut Noah ihn an und hört ihm einfach zu.
„Aber du hast recht. Ich merk ja selbst, dass das so nicht weitergehen kann.“ Sebastian senkt seinen Kopf und atmet einmal bewusst und lange aus. „Ich fang mit Thorsten an. Ich glaube, für Maja und Henri brauch ich noch ein bisschen mehr Zeit.“
Noah legt seine Hand an Sebastians Hinterkopf und zieht ihn zu sich. Er gibt ihm einen Kuss in das zerzauste Haar und sucht dann seinen Blick. „Mach dir nicht zu viele Sorgen.“
„Aber was, wenn sie mich hassen?“
„Sebastian.“ Noahs Stimme ist sanft und tief. „Und was, wenn sie dich weiterhin bedingungslos lieben?“
Das bringt den Konflikt in Sebastians Kopf und Herz auf den Punkt. Mit einem unterdrückten Seufzen lässt er seinen Kopf in Noahs Hand fallen und schmiegt sich an ihn. Er nickt – eine Zustimmung, eine Bestätigung, ein Nachdenken – und schließt die Augen als letzter Versuch, all das noch ein bisschen länger vor sich herzuschieben.
„Hey“, hört er Noah flüstern und spürt eine Hand an seinem Rücken, die ihn noch näher zieht. „Das wird schon. Versprochen“
Sebastian klammert sich an Noah fest und würde am liebsten nie wieder loslassen. Wie sein Leben ohne ihn ausgesehen hätte, möchte er sich gar nicht ausmalen.
Und vielleicht ist Liebe doch gar nicht so kompliziert. Vielleicht ist sie so einfach wie eine Umarmung und zwei Tassen vergessenen, lauwarmen Tee auf dem Wohnzimmertisch.
#bi Basti fic update!!!!!#tatort#tatort stuttgart#sebastian bootz#danke für die Namensgebung für Bastis Freund :) <3#I write#mehl stuff
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Der Kanzler, Der Mich Liebte
Jahrestage & die Zukunft
Liebe Freund:innen der bedenklichen Politischen-Satire, liebe Ritter der fragwürdigen Tafelrunde! Über ein Jahr ist ins Land gezogen seit unser Oberkasper Kurz sich (notgedrungen) aus der Politik zurückgezogen hat und mindestens genau so lange sitzt dieses letzte Projekt schon auf meinem Laptop, also präsentiere ich, ohne weitere Umschweife, wie immer einige Tage zu spät für den exakten Jahrestag, aber dafür pünktlichst als Nikolo-Geschenk, mein Opus Magnum, die vermutlich letzte politische Satire-Fic die je aus meiner Feder entspringen wird,
Der Kanzler, Der Mich Liebte
7. Oktober 2021, 3.22 Uhr
Es war bereits tintenschwarze Nacht als Gernot Blümels Handy auf seinem Nachttisch vibrierte. Der Finanzminister hatte nach den Vorgängen des Tages ohnehin nicht schlafen können und griff beinahe reflexartig nach dem Gerät. Als der Name seines geliebten Kanzlers auf dem Display aufleuchtete, atmete er auf. Er hatte seit vor Sebastians Auftritt in der ZiB2 nichts mehr von seinem Schatz gehört. Flugs entsperrte er sein Handy und öffnete den Chat.
Bitte, Gernot, ich brauch dich…
Ein Stich jagte durch das Herz des Finanzministers, als er die Worte las. Sein Basti brauchte ihn. Ohne auch nur eine Sekunde zu verschwenden und ohne die geringste Rücksicht auf seine Partnerin neben ihm, schwang er seine Beine aus dem Bett und machte sich in der Dunkelheit auf zu seinem Schrank. Vage hörte er protestierende, schlaftrunkene Geräusche aus der Richtung des Bettes, er musste zu hastig aufgestanden sein, doch er schenkte ihnen nicht viel Beachtung.
„Gernot? Es ist mitten in der Nacht, ist was passiert?“, fragte eine verschlafene Stimme, mehr aus Reflex als aus tatsächlichem Erwachen. Der Angesprochene hatte nicht den geringsten Nerv für ein nächtliches Verhör, also antwortete er so ruhig wie möglich mit den Worten, „Alles in Ordnung, Clivia. Geh wieder schlafen“, und schlüpfte mit einer Hand voll Kleidung aus der Tür. Im Vorraum traute er sich endlich das Licht einzuschalten und begutachtete, was er aus dem Kasten gezogen hatte. Gut, es war nicht das, was er normalerweise Anziehen würde, aber das tat jetzt nichts zur Sache. Schließlich brauchte ihn sein Basti. Gerade als eines seiner Kinder zu schreien begann, fiel hinter ihm die Tür ins Schloss.
So kam es, dass Gernot Blümel sich um halb vier Uhr morgens in ein Taxi setzte, um schnellstmöglich zu seinem Bundeskanzler zu kommen. Erst als er vor der Tür des Wohnhauses stand, fiel dem Finanzminister auf, dass er seinen Schlüsselbund, an dem sich auch ein Satz Schlüssel für Bastis Wohnung befand, bei sich zuhause liegen gelassen hatte. Er war kurz davor seinen Finger auf den Klingelknopf zu legen, als ihm einfiel, dass auch sein Basti eine Partnerin hatte, also griff er nach seinem Handy.
„Gernot?“, klang Sebastian Kurz‘ Stimme fahl aus dem Hörer. Ein Stich zog durch das Herz des Finanzministers. Er konnte kaum warten seinen Basti in den Armen zu halten. „Ich steh vor der Tür, ich hab meine Schlüssel nicht dabei und nicht gewusst ob die Susanne zuhause ist.“, antwortete er, sein Tonfall sanft. Gernot Blümel hörte leises Rascheln über das Telefon und schlussendlich erwiderte der junge Kanzler: „Die Susi ist bei ihren Eltern, ich hab sie weggeschickt. Dem Stress will ich sie nicht aussetzen, schon gar nicht in ihrem Zustand“, dann summte der Türöffner.
Gernot wusste genau was „in ihrem Zustand“ bedeutete, naja, es wusste ja seit einigen Monaten sogar ganz Österreich, aber er die Schwangerschaft hatte einen bitteren Beigeschmack für ihn. Natürlich war das eine ziemliche Doppelmoral, wenn man bedachte, dass der Finanzminister selbst zwei Kinder hatte, aber er konnte nicht anders als einen Stich der Eifersucht zu fühlen, als er durch das Stiegenhaus hinaufstapfte.
Jegliche Eifersucht verflüchtigte sich in dem Moment, in dem der Enddreißiger seinen Schatz im Türrahmen stehen sah. Sebastians Blick war müde, seine Augen stumpf und seine Haltung ganz und gar nicht die eines erfolgreichen jungen Politikers. Ohne zu zögern, griff Gernot nach Bastis Hand und zog ihn in eine feste Umarmung. Der Kanzler sank regelrecht gegen den anderen Mann, berechtigt, nach dem Kraftakt, den es gebraucht hatte, um den vorhergegangenen Tag zu überstehen.
In all den Krisen und Skandalen hatte es bisher nur wenige direkte Anschuldigungen an den jungen Politiker gegeben, vor allem wenige mit greifbaren Beweisen, also hatte es ihn zumeist nur peripher tangiert. Jetzt, da er selbst im Mittelpunkt eines so großen, vermeintlichen Skandals stand, war die Geschichte eine andere. Nach einigen Augenblicken löste sich Gernot genug von seinem Liebsten und hob dessen Kinn, sodass sich ihre Augen trafen. Ohne auch nur ein Wort zu wechseln, verstanden sie einander. Schweigend stolperten sie einige Schritte in die Wohnung und ließen die Tür hinter sich zufallen.
In dem Moment, in dem das Türschloss einrastete, trafen sich endlich ihre Lippen. Sie klammerten sich aneinander fest wie zwei Ertrinkende an einem Stück Treibholz, verschlangen einander als wären sie das Einzige, was sie am Leben hält, als wären sie einander Luft zum Atmen, Wasser zum Trinken und jegliches Nahrungsmittel, als gäbe es nur sie zwei. Und so war es auch. In diesem Moment gab es niemand anderen, die Welt außerhalb der Wohnung, außerhalb dieses Augenblicks, hörte auf zu existieren.
Dafür, dass sie beide in ihrem Berufsleben Männer vieler Worte waren, brauchten sie erstaunlich wenige davon, um miteinander zu kommunizieren. Nach über zehn Jahren kannten sich die beiden in und auswendig, Gernot konnte jeden von Sebastians Blicken deuten, selbst wenn er ihn nur quer durch das Parlament sehen konnte, Sebastian konnte Gernots Gemütszustand allein an den kleinsten Veränderungen in der Haltung seiner Schultern festmachen; sie kannten jede Bewegung, jedes Lächeln, jeden Tick des anderen. So wusste der Finanzminister in diesem Moment exakt, was sein Basti brauchte. Er brauchte Nähe, er brauchte Ablenkung, er brauchte ihn. Also würde er ihm geben, was er brauchte.
In einer schnellen Bewegung griff er nach Sebastians Oberschenkeln, um ihn hochzuheben und schnellstmöglich ins Schlafzimmer zu befördern. Ohne den Kuss zu unterbrechen beförderte Gernot sie beide aufs Bett und begann damit all die störenden Schichten zu entfernen.
„Gernot?“, fragte der Kanzler in die Dunkelheit. Sie beide atmeten schwer, Gliedmaßen ineinander und mit der schweißnassen Bettdecke verwirrt. Gernot brauchte einige Sekunden, um zu antworten. Er strich seine Hand über des anderen Wange und ließ sie in seinen Haaren zur Ruhe kommen, bevor er sprach: „Ja, Basti?“
„Ich muss zurücktreten.“
9. Oktober 2021, 19.47
Gernot hatte protestiert, sie hatten sich regelrecht gestritten. Sebastian, zurücktreten, der Gedanke war einfach nur lächerlich. Doch irgendwann hatte auch er einsehen müssen, dass der noch Kanzler recht hatte und so kam es, dass Gernot zwei Tage später steif vor einem Fernseher saß. Er hatte versucht Sebastian davon zu überzeugen Backstage bei der Pressekonferenz zu warten, doch der Jüngere hatte darauf bestanden, dass der Finanzminister nur im TV zusehen durfte, wie jeder andere Österreicher. Naja, nicht ganz wie jeder andere Österreicher, denn nicht jeder andere Österreicher saß mit einer frisch geöffneten Flasche Wein am Sofa des dahinscheidenden Kanzlers. Nach einer Rede, deren Inhalt Gernot als allererster erfahren hatte, wechselte das Bild wieder in das ORF Studio auf das Gesicht von Tobias Pötzelsberger, als er sagte: „Es ist 19.47 Uhr und dreißig Sekunden, heute am neunten Oktober 2021 und Sebastian Kurz ist nicht mehr Bundeskanzler…“ Was danach kam, hörte der Finanzminister nicht mehr, während er aufgebracht den Rest seines Weinglases leerte. Tobias Pötzelsberger, wenn er nur das Gesicht des Reporters sah, kochte in ihm die Wut. Wenn es nach ihm ginge, wäre der Rotschopf schon lange hochkant aus dem ORF geflogen. Wann immer ein Skandal um seinen Liebsten und seine eigene Person passierte, war er da, frisch und munter im ORF Studio, um Liveupdates zu geben.
Der Finanzminister schaltete den Fernseher aus, er konnte sich das Geschwafel keine Sekunde länger anhören, und griff nach seinem Handy, um seinen Schatz anzurufen, natürlich ohne Erfolg. In rascher Abfolge schickte er deshalb drei SMS:
Basti du hast das unglaublich gehandhabt.
Ich mag den Pötzelsberger nicht…
Ich warte mit einer Flasche Wein auf dich, komm bitte bald 😘
Es dauerte noch eine ganze halbe Stunde, bis eine Reaktion vom jüngsten Ex-Kanzler der zweiten Republik kam.
Bin noch in ein Gespräch verwickelt worden, jetzt am Weg
Gernot, der inzwischen beinahe die Hälfte der Weinflasche vernichtet hatte, stellte sein Glas auf den Wohnzimmertisch und machte sich auf den Weg ins Badezimmer, um sich vor dem Spiegel wieder salonfähig zu machen. Nicht, dass sie noch groß was vorhatten, doch Gernot wusste, dass Sebastian Ablenkung brauchen würde, die auch er dringend nötig hatte. Es passierte schließlich nicht alle Tage, dass sein engster Vertrauter und heimlicher Liebhaber von seinem Bundeskanzlerposten zurücktreten musste. Wieder wallte Wut in ihm hoch. Was fiel eigentlich der Staatsanwaltschaft ein das Kanzleramt durchsuchen zu lassen? Gerade als die er die Rage seine Kehle zuschnüren spürte, hörte er wie sich ein Schlüssel im Türschloss drehte. Er atmete einmal tief aus, straffte seine Schultern und trat aus dem gefliesten Raum in den Gang.
Aus Richtung der Tür kam ein fragendes „Gernot?“ und sein Herz verkrampfte sich in seiner Brust, als er die Schwere in der Stimme hörte. Mit schnellen Schritten näherte er sich dem Vorraum, wo er ihm endlich wieder gegenüberstand.
Sebastians Gesichtszüge waren hart. Und er sah alt aus, älter noch als ihn der Stress der letzten anderthalb Jahre hatte wirken lassen. Das ansonsten so jugendliche Gesicht des Politikers war eingefallen und die Besorgnis legte seine Stirn in tiefe Furchen. Instinktiv trat der Finanzminister näher an den anderen und hob seine Hand an sein Gesicht. Mit seinem Daumen glättete er die Sorgenfalten, während er seinem Schatz tief in die Augen blickte. Der Jüngere ließ ein verzweifelt klingendes Seufzen aus seinen Lungen und wollte gerade anfangen zu sprechen, als Gernot ihn abrupt näher an sich zog, sodass seine Lippen auf denen des Jüngeren landeten. Der Kuss war grob, Zähne und Lippen, die sich verfingen, bis sich der Geschmack von teurem Weißwein und Kaugummi sich mit dem metallischen Geschmack von Blut vermischte.
Das war es, das Sebastian aus seiner Trance. Er unterbrach den Kuss und blinzelte den anderen an. „Gernot, red mit mir“, sagte er, sein Blick nun besorgt. Gernots Kiefer verspannte sich sichtlich und er spie die folgenden Worte förmlich aus:
„Ich bin so wütend, Sebastian, auf die Staatsanwaltschaft, auf die Medien, auf das Parlament, auf die Volltrottel, die anscheinend vergessen haben, dass in unserem Land die Unschuldsvermutung gilt und auf das ganze restliche Universum. Es ist einfach nicht fair. Wir haben so viel zusammen durchgestanden und wo wäre dieses gottverdammte Land ohne dich, ohne uns, und jetzt soll das alles vorbei sein? Wegen ein paar blöden Textverläufen? Ich will und kann das alles einfach nicht glauben und am liebsten würde ich einfach nur schreien.“ Sebastian, Arme noch immer um Gernots Taille geschlungen, drückte ihn fester an sich. Seine blauen Augen hielten der lodernden Wut in den Augen seines Gegenübers stand, als er antwortete: „Ich doch auch, Gernot! Was glaubst du denn wie’s mir mit dem Ganzen geht? Glaubst du nicht, ich wär lieber weiter Kanzler, anstatt im Hintergrund den Schalli anzuleiten? Aber es ist jetzt nun einmal so und bis unsere Unschuld bewiesen ist…danach kann doch alles wieder zum Alten zurückkehren.“ Hoffentlich, fügte er noch im Stillen hinzu. Er war sich weit nicht so sicher, dass alles gut gehen würde, wie er es nach außen hin darstellte.
Die nächsten Küsse fielen weitaus sanfter aus und schlussendlich landeten sie beide auf der Couch, Gernot auf Sebastian, wie zwei Jugendliche, der Wein längst vergessen am Wohnzimmertisch. Erst als Sebastians Handy läutete, lösten sie sich voneinander. Der Ex-Kanzler blickte kurz auf das Display und nahm den Anruf an: „Susi? Ist alles okay?“ Als der Name von Sebastians Lebensgefährtin fiel, wollte Gernot am liebsten laut aufstöhnen. Nach all den Jahren hatte er es noch immer nicht geschafft seine Eifersucht in Griff zu kriegen. Susanne dies, Susi das, er wollte schreien. Basti war seines und seines allein. Wenn es ihre politischen Karrieren zulassen würden, wäre der Finanzminister schon längst in die Öffentlichkeit getreten, doch sie waren beide zu vernarrt in die machtvollen Positionen, die sie, zumindest bis vor kurzem, besetzten.
Das Telefongespräch war schnell beendet, ohne dass Gernot viel davon mitbekommen hätte, doch plötzlich begann Sebastian ihn von sich zu schieben. „Die Susi hat es nicht länger bei ihren Eltern ausgehalten, sie ist am Weg hierher, um nach mir zu schauen“, sagte er, einen Ticken zu trocken für den Geschmack des Finanzministers. Er sah seinen Liebsten an wie ein getretener Welpe, als er sich vom Sofa erhob. Ohne ein weiteres Wort ging er zum zweiten Mal an diesem Abend ins Badezimmer, um sich im Spiegel präsentabel zu machen und damit jeglichen Hinweis auf die vorhergegangene Knutscherei zu vernichten. Sobald das getan war, trat er zurück in den Wohnraum, sagte ein paar knappe Großworte zu Sebastian und holte sich seine Anzugjacke. Der Ex-Kanzler saß wie ein begossener Pudel auf der Couch. Er konnte kaum fassen, dass Gernot nach all den Jahren noch immer eifersüchtig war. Auf der einen Seite war das natürlich nicht ideal, aber irgendwie mochte Sebastian es, dass sein Liebster so besitzergreifend war, sehr sogar.
Um nicht mit so einer Missstimmung zwischen ihnen beiden auseinander zu gehen, hüpfte er von dem Sitzmöbel und folgte Gernot zur Tür. Er erwischte ihn am Handgelenk und zog ihn an sich. Gerade als sich ihre Augen trafen und Gernots Blick erweichte, wurde ein Schlüssel im Schloss gedreht. Wie vom Blitz getroffen sprangen die zwei auseinander, gerade noch rechtzeitig, bevor Susanne die Türe öffnete. Der Blick von Sebastians schwangerer Freundin blieb sofort am Finanzminister hängen. Zwar war er kein selten gesehener Gast, doch die beiden hatten sich noch nie wirklich füreinander erwärmt.
„Gernot.“
„Susanne.“
Dann trat Gernot zur Tür hinaus.
27. November 2021, 2.56 Uhr
Der Anruf kam in den frühen Morgenstunden. Eine vorangegangene SMS hatte der Finanzminister verschlafen, doch als schlussendlich sein Handy klingelte, riss es ihn aus dem Schlaf. Auch von der anderen Seite des Bettes kam ein Grummeln, doch ein Anruf genügte schon lange nicht mehr um Clivia um ihren Schlaf zu bringen, sonst hätte sie sich nie ein Bett mit Gernot Teilen können. Jener blinzelte auf sein Display und als er erkannte, dass der Anrufer sein Basti war, schälte er sich aus seiner Bettdecke und stolperte aus dem Schlafzimmer. Zwar war es nicht selten, dass Sebastian ihn mitten in der Nacht anrief, doch in letzter Zeit war ihre Beziehung etwas angespannt gewesen.
Die Schwangerschaft und Gernots darauf bezogene Eifersucht hatte ihr Verhältnis strapaziert und der Rücktritt hatte die Zeit, die sie berechtigt hinter verschlossenen Türen in Zweisamkeit verbringen konnten um einiges gekürzt.
Als Gernot endlich den Anruf annahm, machte sein Herz einen kleinen Satz: „Hallo? Sebastian?“ „Gernot, es ist passiert, ich bin Papa geworden, ich kann’s noch gar nicht glauben!“, tönte die Stimme des Ex-Kanzlers freudig aus dem Hörer. Der Finanzminister schluckte schwer. Natürlich freute er sich für seinen Basti, wusste er doch wie sehr er sich nach diesem Moment gesehnt hatte, aber er war und blieb nun mal eifersüchtig. Dennoch nahm er sich zusammen und antwortete mit nur teils falscher Freude: „Ich freu mich so für dich! Ist alles gut gelaufen?“ Nur weil er die Susanne nicht leiden konnte, war er noch lange kein Unmensch. Er hatte ja selbst miterlebt wie anstrengend so eine Geburt war und, zwangsweise, genügend Bücher über Schwangerschaft gelesen, um zu wissen mit wie vielen Risiken so etwas verbunden war. Die Antwort des Altkanzlers kam prompt: „Ja, keine Komplikationen, die Susi war so tapfer“, nach einer kurzen Pause fügte er hinzu, „Willst du ihn kennenlernen, den kleinen Konstantin?“
Am anderen Ende des Hörers schwieg Gernot Blümel für einige Sekunden, dann holte er tief Luft und sprach: „Ah, du, Sebastian wir sind mitten in einer Pandemie, die lassen mich doch nicht einmal durch die Tür, vor allem nicht mitten in der Nacht.“ Er hoffte, dass diese, faktisch korrekte, Ausrede genügen würde. Es war nicht so, als ob er den Nachwuchs seines Liebsten nicht sehen wollte, aber er musste auch nicht unbedingt um diese Uhrzeit am Krankenhausbett der Freundin seines Liebhabers stehen, wenn es sich vermeiden ließ. Doch er hatte nur mäßigen Erfolg dabei, sich aus der Sache herauszuwinden, denn Sebastians Ton wurde beinahe flehend, als er beinahe flüsterte: „Kannst du nicht wenigstens zum Krankenhaus kommen? Ich vermiss dich gerade ganz besonders. Schließlich bist du ja auch irgendwie Papa geworden.“ Mit diesen Worten schmolz jeglicher Rest von Widerstand in ihm. Sein Basti wusste einfach immer genau, was er sagen musste, um Gernot herumzukriegen. „Ich bin am Weg.“
Bald darauf fand sich der Finanzminister in novemberkalter Nacht vor einem Spital und wählte die Nummer des Altkanzlers. Warum musste bei den beiden eigentlich fast alles immer nachts passieren? Das war einfach nicht gut für Gernots Schlafrhythmus, mit vierzig war das alles schon kein Zuckerschlecken mehr. Aber wem wollte er was vormachen, für seinen Basti würde er stets zu jeder Tages- und Nachtzeit bereitstehen.
Der frisch gebackene Papa ließ nicht lange auf sich warten und trat mit erschöpfter aber zutiefst glücklicher Miene auf den anderen Mann zu. „Danke, dass du gekommen bist. Ich freu mich wirklich, dich zu sehen“, sagte er, um die Grußworte möglichst unscheinbar zu halten, nur für den Fall, dass jemand in Hörweite war. Mit seinen Augen deutete in Richtung eines Busches. Nachdem sie kurz sichergegangen waren, dass niemand sie beobachtete, verzogen sie sich hinter den provisorischen Sichtschutz und Sebastian attackierte Gernots Gesicht regelrecht. In dem Kuss steckte so viel Leidenschaft, dass Gernot fast vergaß zu atmen.
Was sie da taten, war leichtsinnig und im höchsten Maße riskant, doch für einige wenige Augenblicke war ihnen das egal. Das war der öffentlichste Kuss seit einer besonders wilden JVP-Partynacht, an der sie, nicht gerade nüchtern, hinter einem Pappaufsteller geknutscht hatten. Damals wären sie beinahe erwischt worden. Dieser Gedanke holte Gernot zurück in die Realität und er drückte Sebastian vorsichtig von sich. Dies stieß auf prompten Widerspruch von seinem Liebsten: „Gernot, warum genau schiebst du mich jetzt weg von dir?“ Sein Gesicht verzog sich wie das eines schmollenden Kleinkinds und das fand Gernot schon fast wieder süß. Dennoch wusste er, dass es eine gute Entscheidung war den Kuss zu unterbrechen. „Basti, du weißt genau so gut wie ich, dass das viel zu öffentlich ist. Unser Ruf…“ Kurz sah es so aus als wollte Sebastian widersprechen, doch er wusste, dass Gernot recht hatte.
Nach einem letzten, kleinen Kuss legte Sebastian seinem Schatz die Hand auf die Brust und lächelte sanft, als er sprach: „Du hast ja recht. Außerdem sollte ich wahrscheinlich wirklich wieder reingehen. Und du solltest dich auf den Heimweg machen, nicht dass du mir hier abfrierst. Mit diesen Worten trat er aus dem Sichtschutz. Der Finanzminister wartete ein paar Minuten in der Kälte, bevor auch er sich wieder auf den Weg machte. Ein kleiner Teil von ihm fragte sich, warum er für die wenigen Minuten überhaupt seine Wohnung verlassen hatte. Er ließ sich von Sebastian herumkommandieren wie ein hormoneller Teenager. Eigentlich sollte er wirklich damit aufhören, immer sofort zu springen, wenn sein Basti pfiff, doch die beiden hatten so wenig Zeit miteinander, sie mussten das Beste daraus machen.
Auf dem nach Hause Weg träumte der Finanzminister von einer anderen Welt, in der sie beide keine Politiker waren, in der sie frei von ihren Partnerinnen waren und sich gemeinsam ihren Kindern widmeten. Wenn er nur wüsste, dass zumindest Teile davon schon bald wahr werden würden.
2. Dezember 2021, 11.27
Die Minuten tickten viel zu langsam vorüber, als hätte man die ganze Welt in zähflüssigen Sirup getaucht. Wieder einmal sah Gernot Blümel gebannt auf einen Bildschirm, diesmal ein Wasserglas anstelle eines Weinglases in der Hand und in einem Zimmer in der ÖVP-Zentrale anstatt auf der Couch seines jungen Altkanzlers. Über die letzten Wochen hinweg hatte sich die Schlinge um ihren Hals immer enger gezogen und nun war es an der Zeit die Reißleine zu ziehen. Sebastian, sein Sebastian, war nicht mehr tragbar als Politiker, er musste das Handtuch werfen, zum Wohle der Partei.
Gernot wusste, dass das der einzige Weg war, der richtige Weg war, doch all das Wissen konnte nichts gegen den Knoten in seiner Magengegend ausrichten. Es war die zweite Rücktrittsrede innerhalb weniger Monate, die Sebastian und er gemeinsam bearbeitet hatten und Minister Blümel konnte und wollte darin nicht einen Fetzen Fairness erkennen.
Was die Öffentlichkeit zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste, war, dass auch Gernot Blümel innerhalb weniger Stunden seinen Rücktritt verkünden würde. Diesen Entschluss hatte er zwei Tage zuvor gefasst, als er neben Sebastian im Bett gelegen hatte. Susanne war seit der Geburt im Krankenhaus geblieben, sie und der kleine Konstantin sollten heute entlassen werden, also hatten Gernot uns Sebastian die Chance genutzt und ein paar Nächte zusammen verbracht. Seiner Frau hatte er einfach etwas von wegen Stress und viel Arbeit erzählt, was ja auch nicht falsch war.
Vor besagten zwei Tagen lagen die zwei nebeneinander, Gernot still und Sebastian über ihre Lage vor sich hin monologisierend. Die Brust des Finanzministers fühlte sich leer an, nein, mehr als leer, es fühlte sich an als läge in ihr ein schwarzes Loch, das alles um sich herum verschlang und ein schmerzhaftes Vakuum hinterließ. Seine Gedanken drehten sich im Kreis und er fühlte, wie sich seine Augen mit Tränen füllten. Er konnte es einfach nicht glauben, sein Sebastian, sein Liebling, würde sich komplett aus der Politik zurückziehen. Allein durch den Gedanken wurde ihm speiübel. Was sollte er machen ohne seinen Fels in der Brandung? Und das war der Moment, in dem es ihm klar wurde. Ohne Rücksicht auf Sebastians Selbstgespräch zu nehmen, kamen die Worte aus seinem Mund:
„Ich muss auch zurücktreten.“
Basti verstummte abrupt. Jeder Gedanke im Kopf des jungen Altkanzlers legte eine Vollbremsung hin. Er hatte gar nicht bemerkt gehabt, dass sein Gernot so mit seinen eigenen Sorgen beschäftigt gewesen war. „Warum das jetzt auf einmal?“, fragte der Jüngere und drehte sich mit einem skeptischen Blick zu seinem Liebling. Gernot drehte sich ebenfalls, um seinen Basti anzusehen und antwortete, Stimme leicht zitternd: „Ich hätte den Posten ohne dich ohnehin nicht bekommen, ich habe nicht die Kraft, ohne dich zu bleiben.“ Sebastians Herz flatterte. Das war die höchste Liebesbekenntnis, die ihm sein Schatz machen hätte können. Er wollte eine wichtige, mächtige politische Position aufgeben, nur für ihn. „Bist du dir sicher, Gernot?“, fragte der frisch gebackene Ex-Kanzler und stemmte sich mit beiden Armen nach hoch, um Gernot von oben herab ansehen zu können. Anstatt zu antworten, zog der noch Finanzminister seinen Schatz zu sich herunter, drehte sie so, dass er jetzt die Oberhand hatte und küsste ihn voller Inbrunst. Dieser Kuss, der eine regelrechte Attacke war, sagt mehr als tausend Worte. Für seinen Basti würde er alles tun.
So kam es, dass Gernot Blümel an diesem verhängnisvollen zweiten Dezember stoisch auf einen Flachbildschirm blickte, während Sebastian Kurz, der jüngste Kanzler der zweiten Republik, offiziell seinen Rückzug aus der Politik bekannt gab. Die ganze Rede ging an Gernot vorüber, als wäre die Welt aus Watte.
Das dumpfe Gefühl löste sich erst, als Sebastian ihm später in die Arme fiel, ganz offen vor einigen ÖVP-Parteimitgliedern. Ein riskanter Move, aber weniger riskant als er noch vor wenigen Tagen gewesen wäre. Es war fast geschafft. Alles, was jetzt noch blieb, war Gernots Rücktrittsvideo zu veröffentlichen, dann hätten sie es hinter sich, ein für alle Mal, doch den scheidenden Finanzminister sträubte es beim Gedanken daran, nicht weil er die Entscheidung zurückzutreten bereute, sondern weil es das Ende einer Ära bedeutete, eine Ära, auf die sie seit Jugendjahren hingearbeitet hatten, zuerst allein, später gemeinsam. Sie waren zusammen groß geworden, in der Partei, quasi Flaschenkinder der alten ÖVP, und doch wusste Gernot, dass er ohne Sebastian nie da hingekommen wäre, wo er war.
Sebastian hatte schon so früh großes Potential gezeigt und Gernot hatte das Glück gehabt, dass der Junge seit jeher einen Narren an ihm gefressen zu haben schien und so wurde er Nutznießer einer Beziehung, die ihm wichtiger werden sollte, als er sich das je vorstellen hätte können. Und jetzt? Jetzt war wenig von dem jungen, agilen und unglaublich charismatischen Mann übrig, der Sebastian Kurz einmal gewesen war, wie ein Götzenbild, das von Wind und Wetter schwer gezeichnet war und langsam aber sicher bröckelte, doch die Liebe war immer noch da, mehr noch als je zuvor, denn anders als in der Vergangenheit, war sich Gernot jetzt sicher, dass Basti seines war, ganz und gar, trotz Frau und Kind. Sie beide gehörten zusammen, wie Krapfen zu Fasching und Korruption zur österreichischen Politik.
Sebastian und Gernot, Sebastian Kurz und Gernot Blümel, Kurz und Blümel, oder auch einfach nur Kümel, gemacht für die Ewigkeit, auch wenn diese Ewigkeit jetzt anders aussah, als es geplant gewesen war.
Die Realität ihrer Situation lastete schwer auf Gernot Blümels Schultern. Sebastian saß bei ihm, als er sein eigenes Rücktrittsvideo hochlud, Arme um seinen Schatz geschlungen. Quälend langsam arbeitete der Ladebalken sich nach vorne, doch schlussendlich war es geschehen, das Video war öffentlich, Gernot Blümels Politikkarriere war offiziell vorüber.
Eine Leichtigkeit, wie er sie schon lange nicht mehr gespürt hatte, überkam ihn und er attackierte voller Enthusiasmus Sebastians Mund mit dem seinigen. Bis spät in die Nacht flüsterten sie einander Liebesbekenntnisse zu und träumten von einer Zukunft voller hochrangiger Jobs und vielen klandestinen Treffen. Auch als sie schon lange wieder bei ihren jeweiligen Familien zuhause waren, waren sie in Gedanken noch ganz beieinander.
Und wenn Thomas Schmid nicht wäre, liebten sie noch heute.
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Und weil ich’s nicht lassen kann, noch ein kurzes Nachwort. Ich weiß, es sieht vielleicht nicht nach viel aus, aber dieser Account und die fragwürdigen Inhalte darauf waren für mich über die letzten Jahre hinweg eine großartige Flucht aus der Realität und ein wichtiges Tool, meinen Unmut publik zu machen.
Ein herzliches Dankeschön an jeden, der an der Bubble auf tumblr beteiligt war und auch an jeden, der sich mit meinem Geschreibsel etwas Lebenszeit vertrieben hat.
Wie auch die letzten Jahre, war es mir ein Volksfest! Ciao, Kakao, für (wahrscheinlich) immer!
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Frohes Neues, ihr Luschen. Hat jemand meinen Haustürschlüssel gesehen? Glaube, den hab ich im Rausch verloren. Am Schlüsselbund befindet sich eine Fake-Handgranate und ein Notkondom. Wenn ihn mir jemand bringt, gibt's Finderlohn.
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Der alte Schlüsselbund
Könnte der alte Schlüsselbund sprechen,
was würde er wohl berichten?
Von Menschen und ihren Schwächen?
Ach könnte ich all dies nur verdichten.
Über Paare die verliebt,
und ihre ewigen Schwüre.
Der Schlüssel, den man übergibt,
für den Einlass des geliebten Menschen Türe.
Auch Dramen, wie das Leben so spielt,
hat er sicher reichlich gesehen.
Die Geheimnisse die er für sich behielt,
als wäre nie etwas geschehen.
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Dieses ist mein Beitrag zum
#lyrikjuni2023
#lyirkjuni23
#lyrikjuni von
@cleardance
Thema: #schlüssel
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2023/Juni26
#cleardance #instaquerkopf #gedichte #poetry #original #selbstgeschrieben #instalyrik #poetsoninsta #instapoetry #poetryisnotdead #deutschegedichte #deutschepoesie #deutschelyrik #selbstgelesen #gelesen #vorgetragen #antihasslyrik
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Samstagnacht
Eine kleine Fortsetzung hierzu, für alle, denen nicht so nach Feiern zumute ist.
Die Straße erstreckte sich dunkel vor Melanie. Die Straßenlaternen spendeten gerade genug Licht, um die Nässe auf dem Asphalt glänzen zu lassen. In der letzten halben Stunde hatte der Regen noch zugenommen und Melanies Mantel lag allmählich unangenehm schwer und feucht auf ihren Schultern. Zu warm war er auch, es war nicht einmal kalt genug, um sich richtig elend zu fühlen. Dennoch fror sie bis auf die Knochen.
Sie war froh, dass sie die Entschuldigung gehabt hatte, den letzten Bus nehmen zu müssen. Heiligabend bei der Familie gehörte dazu, aber spätestens mit der Schlafenszeit der Kinder war Melanies Stimmung auf den Tiefpunkt gesunken. Keine Sekunde länger hätte sie es ausgehalten, in dieser Wohnung, die schon früher viel zu klein für vier gewesen war – und die nun, mit dem Mann und den drei kleinen Kindern ihrer Schwester, noch weniger Platz bot. Ihr Vater war im Laufe des Abends immer unleidiger geworden. Ihrer Mutter hatte man die Anstrengung angesehen, den Abend zusammenhalten zu wollen. Ihre Schwester…nun ja, Melanie und sie hatten sich noch nie gut verstanden. Sie waren sich zu ähnlich, hatte Trude mal festgestellt, ruhig und scharfsinnig wie immer. Und Tanja wünschte sich manchmal Melanies Freiheit, so wie Melanie sich manchmal danach sehnte, nach der Arbeit nicht in eine leere Wohnung zu kommen.
Ihre Gedanken und Füße hatten sie bis vor die Haustür getragen. Halb blind vor Müdigkeit und Gefühlsleere fischte sie ihren Schlüsselbund aus der Manteltasche. Der Geruch von frischem Zigarettenrauch ließ sie aufsehen.
„Hey.“ Wilmas Gesicht lag in Rauch und Schatten verborgen, doch ihre Stimme war unverkennbar.
Melanie schnappte nach Luft, nahm die drei Stufen zur Tür hoch mit einem Satz und fiel ihr um den Hals. „Ich dachte, du arbeitest heute Abend!“
„Na ja, auch dort mussten sie mal ins Bett.“ Wilma löste sich von ihr und trat einen Schritt zurück, bis das Licht der Lampe an der Hauswand auf ihr Gesicht fiel. Ihre Wangen und Augenlider glitzerten noch immer, als sei sie direkt von der Aufführung in der Unterkunft hergekommen. Ein unsicheres Lächeln lag auf ihren Lippen. „Du freust dich also, mich zu sehen?“
„Ja.“ Melanie lächelte. „Ja, und wie. Schön, dass du da bist.“
Das Lächeln kippte ins Verwegene. „Willst du mich nicht hereinbitten?“
Melanie wollte.
🐔🐔🐔
„Mmmmm“, murmelte Melanie in ihre Halsbeuge. Wilma konnte die Vibration an ihrem Puls fühlen. „Hm?“
„Nichts.“ Melanie rückte noch ein Stück näher und rieb ihr Bein ein paarmal langsam an Wilmas.
Sie lagen schon eine Weile so da. Die stürmischen Küsse im Flur waren bald ruhiger geworden, intensiver. Melanie hatte Wilma sacht ins Bad bugsiert, ihr zärtlich den Glitzer von der Haut gewaschen, wie schon so oft. In Melanies Schrank lag seit geraumer Zeit ein kleiner Stapel an Kleidung, der Wilma gehörte. Sie hatte sich trotzdem eines von Melanies T-Shirts zum Schlafen stibitzt. Die waren weicher. Und sie rochen nach Melanies Rosenshampoo.
Sie waren beide zu erschöpft für mehr, doch es fühlte sich so gut an, aneinander gekuschelt dazuliegen, mit den Händen langsam über den weichen Stoff auf Armen und Rücken zu streicheln. Wilma strich mit leichtem Druck über Melanies Seite hoch, sodass sie die leichte Wölbung jeder einzelnen Rippe unter den Fingerspitzen spüren konnte. Melanies Wade drückte noch immer gegen ihren Unterschenkel, bis sie sich plötzlich anspannte.
„Du hast doch was.“
Melanie hob den Kopf und strich eine Locke beiseite, die quer über ihr Gesicht gerutscht war. „Ich hab dir dein Weihnachtsgeschenk noch gar nicht gegeben.“
Wilma seufzte leise. „Das reicht noch morgen.“
„Aber Heiligabend ist doch jetzt.“
„Ach, in England und so machen sie Bescherung auch erst am Fünfundzwanzigsten.“ Wilma beugte sich vor und presste ihre Lippen auf Melanies Hals, knapp unterhalb einer der roten Flecken, die endlich langsam verblassten, jetzt, da die Anspannung von ihrer Freundin gewichen war.
„Aber nicht zu spät“, protestierte Melanie schwach. „Wir gehen mit Trude frühstücken, vergiss das nicht.“
„Eben.“ Wilma küsste sich über Melanies Kiefer bis zu ihrem Mund. „Schlafenszeit, meine Schöne.“
Melanies Augen fielen zu, doch sie schob sich noch ein Stück näher, schmiegte sich an Wilma, weich und biegsam wie eine Katze. Und Wilma spürte das zufriedene Lächeln unter ihren Lippen.
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Puzzle aus Indizien führt zu Verurteilung eines Einbrechers
Bericht
Am letzten Dienstag musste ein Siegener Schöffengericht einige Puzzlestücke zusammensetzen, um einen 37-jährigen Deutschen in einem Indizienprozess zu verurteilen. Ende Januar dieses Jahres wurde das Fenster einer Wohnung in der Emilienstraße aufgehebelt. Der 51-jährige Bewohner verpasste den Einbrecher wohl nur knapp, als er dem Lärm auf den Grund gehen wollte.
Er musste feststellen, dass ihm eine Armbanduhr der Marke „Casio“ und seine Geldbörse aus einem Schrank in unmittelbarer Nähe des geöffneten Fensters gestohlen worden waren. Der Verlust all seiner Karten, seines Personalausweises und eines Fotos seiner Tochter wird ihn mit Sicherheit mehr geschmerzt haben als die 10 Euro Bargeld in der Börse oder der Verlust der Uhr, die neu gerade einmal 120 Euro wert ist. Keine drei Wochen später wurde die Terrassentür einer Erdgeschosswohnung in der Birlenbacher Straße aufgehebelt. Wie in der Emilienstraße schlug der Täter in den Mittagsstunden zu.
Er erbeutete ein iPhone 6, den Schlüsselbund einer jungen Frau samt dem Schlüssel zu ihrem „Toyota Aygo“ sowie den Ersatzschlüssel für den Wagen.
Als der Vater der 27-jährigen Toyota-Fahrerin nach Hause kam, musste er feststellen, dass der Wagen nicht wie erwartet an seinem Platz stand. Als er von seiner Tochter erfuhr, dass sie weder mit dem Fahrzeug unterwegs war noch es verliehen hatte, meldete er den Wagen als gestohlen.
Wohnungseinbruchdiebstahl nach § 244 StGB
Einige Stunden später fanden Polizisten auf Nachtstreife den Toyota vor einem Einfamilienhaus in der Straße „Am Hohen Rain“.
Die Bewohner dieses Hauses sind Bekannte des 37-jährigen Angeklagten. In ihrer polizeilichen Vernehmung sagte die Dame des Hauses aus, der 37-Jährige habe sie am Vortag um Staubsauger und Putzmittel gebeten, um das Fahrzeug zu reinigen. Er soll ihr angeblich gesagt haben, das Auto gehöre einem Bekannten. Ihrer Vernehmung als Zeugin vor Gericht blieb die Frau unentschuldigt fern. Auch ein Versuch, sie von der Polizei vorführen zu lassen, hatte keinen Erfolg. Vor Gericht sagte der 37-Jährige zunächst aus, das Auto „seines Freundes“ nur gefahren zu haben. Nach einer Spritztour habe er es seinem Kumpel sauber zurückgeben wollen. Der Angeklagte wurde aus der JVA Attendorn dem Richter vorgeführt, da er bereits eine Haftstrafe wegen ähnlich gelagerter Delikte verbüßt. Er betonte, dass er auch in der Vergangenheit zu einigen Diebstählen geständig war. An die angeklagten Taten wollte er sich jedoch nicht mehr erinnern können. Aufgrund einer Drogenabhängigkeit sammelte er in den letzten 20 Jahren bereits 15 Vorstrafen, fast alle für Diebstähle und Einbrüche. Der 37-Jährige stahl zwar meistens nur Kleinigkeiten wie Getränke, aber auch einen Audi nahm er nach einem Einbruch für eine Spritztour mit. Im Nachklang eines Diebstahls in einer Siegener Tedox-Filiale geriet er in den Fokus der Ermittlungen in den oben erwähnten Einbruchsdiebstählen. Als er nach dem Ladendiebstahl im Gewahrsam der Polizei landete, händigte er den Beamten den Schlüsselbund der jungen Frau aus der Birlenbacher Straße aus. Die befragten Zeugen konnten den Angeklagten nicht eindeutig als Täter identifizieren. Die Gestalt auf Überwachungsaufnahmen aus der Nähe der Tatorte war deutlich hagerer als der Mann auf der Anklagebank und trug zudem eine Mütze.
Bei einer Aufnahme aus der Nähe eines Tatortes räumte der Angeklagte jedoch ein, sich selbst zu erkennen. Aber er sei immer viel mit einem Rucksack in der Stadt unterwegs gewesen. Auch ein Augenzeuge, dem eine verdächtige Person am Auto seiner Nachbarn auffiel, konnte den Angeklagten in der Verhandlung nicht zweifelsfrei als Täter ausmachen. Er sähe ihm aber „sehr ähnlich“. Wie so oft sollten Kommissar Zufall und ein aufmerksamer Nachbar die Indizien liefern, die das Gericht schließlich von der Schuld des 37-Jährigen überzeugten. Der 55-jährige Zeuge konnte sich zunächst kaum vorstellen, dass seine Aussage zum Sachverhalt relevant sein könnte.
Er lebt ebenfalls „Am Hohen Rain“, nur zwei Häuser neben dem Pärchen, vor dessen Haus der Toyota gefunden wurde. Einige Wochen nach den angeklagten Einbrüchen fand er beim Reinigen seines Carports ein Ledermäppchen.
Darin befanden sich unter anderem Fahrzeugpapiere des Toyotas, aber auch die Bankkarte und der Personalausweis aus dem Einbruch in der Emilienstraße sowie weitere persönliche Dokumente von Geschädigten. Er brachte seinen Fund wenig später zur Polizei.
Er betonte, dass das Mäppchen mit Sicherheit nicht durch Unachtsamkeit an den Fundort, gute acht Meter entfernt vom Weg, gekommen sei. Zudem will er einige Tage vor dem Fund in diesem Bereich fremde Stimmen gehört haben. Der Angeklagte schilderte sein Leben als turbulent und vom Drogenkonsum geprägt. Aber er betonte seine Reue und seinen Wunsch, sich zu ändern. Bei dem Besitzer des Audis, den er damals stahl, entschuldigte er sich in einem Brief. „Ich werde mich auf meinen Hosenboden setzen, um dahin zurückzukommen, wo ich war!“, beteuerte er, nachdem er das Gericht bat, eine Strafe von höchstens zwei Jahren zu verhängen, um ihm eine schnellere Therapie zu ermöglichen. Die Staatsanwältin stellte in ihrem Plädoyer fest, dass es bemerkenswert sei, dass der Angeklagte in Punkten, die ohne Zweifel belegt sind, wie zum Beispiel, dass er mit dem gestohlenen Wagen fuhr, was durch ein DNA-Gutachten bewiesen ist, oder dass er den Wagen zum Reinigen zu Freunden brachte, redselig ist und sich gut erinnern konnte, während er in anderen Punkten scheinbar an Amnesie leidet. Es läge ein klarer Indizienprozess vor, aber einiges spreche gegen den Angeklagten. Der Schlüsselbund der Zeugin wurde von dieser eindeutig identifiziert, und er hatte diesen im Gewahrsam der Polizei bei sich. Dann die räumliche Nähe zum Fahrzeug, in der die Dokumente aus beiden Einbrüchen gefunden wurden, und eine DNA-Spur am Fenster in der Emilienstraße schließt ihn zusätzlich nicht eindeutig als Täter aus. Zudem räumte er selbst ein, in der Nähe gewesen zu sein. Die Staatsanwältin war von seiner Schuld überzeugt. Den Toyota habe der 37-Jährige ihrer Meinung nach nur gereinigt, um ihn besser verkaufen zu können. Sie rechnete ihm zugute, dass er zumindest in Teilen an der Aufklärung mitwirkte. Weil er jedoch ein Bewährungsversager mit einschlägigen Vorstrafen ist und sich die Einträge in seinem Bundeszentralregister „wie ein roter Faden“ durch sein Leben ziehen und ein Urteil aus dem Juni ins Strafmaß einfloss, forderte sie eine deutlich höhere Strafe als der 37-Jährige sich wünschte. 3 Jahre und 10 Monate Freiheitsstrafe. Selbst die Verteidigerin des 37-Jährigen musste nach der Beweisaufnahme einräumen, dass sie nicht mehr von seiner Unschuld überzeugt war. Ihr sei zusätzlich klar, dass die Vorgeschichte ihres Mandanten nur eine Freiheitsstrafe für die angeklagten Taten rechtfertige. Sie betonte: „Die Drogen sind das Hauptproblem meines Mandanten“ und dass dieser eine Therapie anstrebe. Das Strafmaß überließ sie dem Ermessen des Gerichts mit der Bitte, im Urteil seine Drogenabhängigkeit zu bescheinigen. In seinem letzten Wort wiederholte der 37-Jährige, sein Kumpel hätte ihm das Auto überlassen. Er bat das Gericht um ein mildes Urteil. Sein Antrag auf Therapie sei bereits gestellt, und in zwei bis drei Monaten könne es losgehen. „3 Jahre und 10 Monate spielt da nicht gerade in die Karten“, so der Angeklagte. Das Gericht verhängte schließlich eine Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 5 Monaten sowie die Einziehung von 150 Euro als Ersatz für das iPhone. In Gesamtschau der Indizien hatte das Gericht keine Zweifel an der Schuld des 37-Jährigen. Er war vor Ort, seine DNA wurde nicht ausgeschlossen, die bemerkenswerte räumliche Nähe, in der das Diebesgut gefunden wurde, und kein Zeuge will einen möglichen zweiten Täter gesehen haben.
Auch das Schöffengericht war überzeugt davon, dass der Angeklagte den Wagen bei seinen Bekannten reinigte, um ihn besser verkaufen zu können. Die Darstellung, der Drogensüchtige habe das Auto nach einer kurzen Spritztour grundreinigen wollen, bezeichnete der Vorsitzende als „absolut lebensfremd“. Auch dass sein Kumpel ihm für diese Spritztour nicht nur den Wagenschlüssel, sondern den gesamten Schlüsselbund samt eindeutig eher femininen Schmuckanhänger gegeben haben soll, passte für das Gericht „vorne und hinten nicht“. Man wertete seine Verzweiflung und Enthemmung durch sein Drogenproblem strafmildernd, ebenso dass er im Rahmen seiner Möglichkeiten versuchte, am Prozess mitzuwirken. Zu viel Milde ließen seine einschlägigen Vorstrafen und die erhebliche Rückfallgeschwindigkeit allerdings nicht zu, und auch die Kosten für eine neue Schließmechanik des Toyotas von circa 1.800 Euro waren in den Augen des Gerichts „kein Pappenstiel“. Ich kann nur mutmaßen, ob der 37-Jährige resigniert war oder eventuell nach einer nüchternen Konstruktion des Sachverhalts selbst von seiner Schuld überzeugt. Aber er verzichtete auf Rechtsmittel, und das Urteil wurde sofort rechtskräftig.
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