#scheiß Shakespeare hyperfixation vonn 2022
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DIE THEATERSOMMERPAUSE IST VORBEI! FICK JA!
Ich bedanke mich herzlich beim DNT Weimar dafür, dass Sie die Vor-Spielzeit mit Ihrem Sommertheater einläuten, denn nach anderthalb Monaten Theaterpause hat mein Körper dann doch langsam Entzugserscheinungen entwickelt.
An dieser Stelle hauen wir uns mal alles mit einem kräftigen "So!' auf die Knie und schauen uns an was das DNT denn so mit "Hamelt, Prinz von Dänemark" fabriziert hat.
Hamlet! Hamlet im Sommertheater? Hamelt im Sommertheater! Muss das denn sein? Ja, es muss! Denn mit dieser Inszenierung wurde mir bewiesen das Sommertheater zwar durchaus simpler, aber nicht gleich super flach und niveaulos sein muss.
Inszeniert von Jan Neumann, der wohl vor zwei Jahren auch schon Schillers 'Die Räuber' erfolgreich auf die Sommertheaterbühne des DNT gebracht hat, folgt das Stück aktgenau seiner Vorlage und verzichtet dem (teilweise) theaterunbekanntem Publikum zuliebe an große, emotionale Neuinterpreatationen - was jedoch nicht heißt das die Adaption komplett frei von kreativen Einwürfen ist - später dazu mehr.
Gespielt wird ganz klassisch, wenn auch mit ein bisschen Ironie, nach der wortreichen August-Schlegel-Übersetzung, gespickt mit ein paar modernen, hier und da eingeworfenen Spitzen zur allgemeinen Erheiterung ("Hamelt, du bist recht spät." - "Der Zug aus Wittenberg hatte Verspätung."). Generell konzentriert sich die Adaption, wie fürs Sommertheater zu erwarten, eher auf die humoristischen Teile des Stücks und hebt diese - bis zum dramatischen Umschwung im letzten Akt - hervor, was für eine lockere, gute Stimmung sorgt. Ich selber bin ja durchaus Fan von ganz klassischen Shakespeare-Adaptionen, weshalb ich großen Spaß mit dieser Produktion hatte.
Nahuel Häfliger als Hamlet, für den man die Zeile "Er (Claudius) gleicht meinen Vater, wie Ich dem Herkules" aus dem Stück streichen musste, war ein absolutes Träumchen. Mit einer Performance irgendwo zwischen unterhaltsamen Spaßmacher und trotzigem Nicht-Teenager voller selbstgerechter Wut definitiv ein Highlight.
Weiterhin sehr gefallen hat mir Sebastian Kowski als Queen Carmilla äh meine furchtbare Tante aus Westdeutschland äh Königin Gertrud mit absurder blonden Perücke und einer fahrlässigen Gemächlichkeit. Und natürlich auch ziemlich super: Krunoslav Šebrek als Dänemark-Fähnchen-verteilender Polonius, mit einem Vibe irgendwo zwischen 'Schmieriger FDP-Politiker' und 'Irrer Staubsaugerverkäufer der Nachts in mein Haus eingebrochen ist und sich weigert zu gehen bevor ich nicht mindestens zwei Staubsauger gekauft habe'.
Als Spielort wird das großflächige Außengelände des E-Werks Weimar genutzt. So wird der vor den Zuschauertribünen befindliche Kiesplatz irgendwo zwischen einem alten Fabrikbau und einem Stückchen Wald zur Bühne - mit einer großen Pfütze. Die Pfütze was a paid actor btw. And so was the random Katze, die sich am Anfang des Stücks aufs Gelände verirrte und dann erst mal begeistert zwischen den Requisiten rumgeturnt ist.
Sowohl Set- als auch Kostümdesign waren recht minimalistisch gehalten und wirkten ein bisschen so als hätte man alles was optisch vage an 'Hamlet' erinnert aus dem Kostüm- und Requisitenfundus zusammengeklaubt und auf einen Haufen geworfen, was definitiv zum allgemeinen Vibe des Stückes gepasst hat. Kostümwechsel und Requistenumbau fanden grundsätzlich immer live statt, während drum herum das Stück weitergespielt wurde. Mein persönliches Kostümhighlight war definitiv Claudius' Königsmantel - ein Kleidungsstück aus augenscheinlich super billigem Polyesterstoff, mit einer absurd langen Schleppe, die sich einmal quer über den ganzen Platz spannte.
Weitere Dinge die ich großartig fand, zumindest vage chronologisch geordnet: (Nicht spoilerfrei)
- Allein für die Anfangsszene könnte ich jemanden knutschen. Unter lautem Motorengetöse fahren sämtliche Schauspieler, Bühnenarbeiter, Kostüme und Requisiten mittels verschiedenster Fahrzeuge auf dem Bühnenplatz ein. Hamlet und Horatio treffen auf alten Mofas ein, Rosencrantz und Guildenstern/Die Wachen folgen auf einem klapprigen Tandemfahrrad, das Königspaar lässt sich natürlich in einem blankgeputzem Mercedes vorfahren und so weiter und so weiter und sofort - viel Schönes dabei! Hätt ich mir nochmal anschauen können, allein um die zu den verschiedenen Fahrzeuge zu runteranalysieren, die wirklich gut zu den einzelnen Charakteren gepasst haben.
- Hamelt darf kurz Gitarre spielen und durch die Pfütze hüpfen. Fucking Emokind.
- Der Geist von Hamlet Sr. (der zumindest Anfangs vom selben Schauspieler gespielt wurde wie Claudius - which is peak Bildsprache) war - wie sich das für eine Hamlet Inszenierung gehört - ein großer Nebelmaschienenentusiast und wurde in seinem komplett absurden Plastikfolien-Geist-Kostüm die ganze Zeit von einem Bühnentechniker begleitet, der ihn von oben bis unten eingenebelt hat.
- Kurze, sehr cute Horatio und Hamlet-Interaktion a la "Pass auf dich auf." - "Ich werd' schon nicht sterben!" - allgemeines, unangenehmes Raunen geht durch die Zuschauerreihen.
- Während Hamlets ersten, großen Monologs sieht man Claudius im Hintergrund bei den Kleiderstangen der Kostümecke stehen und eine Banane essen. Peak Comedy.
- Hamlet wird mit dem Geist seiner Vaters konfrontiert, bevor dieser in seinem ansurden Plastikfolienkostüm im FUCKING SPRINT nach hinten weg die Bühne verlässt.
- Laertes darf sich offiziell nach Frankreich verpissen! Und läd deshalb n massiv cuntigen Leopardenmuster-Koffer in sein noch cuntigeres Schrott-Cabrio. Außerdem wird er von seinem Vater darauf hingewiesen das er keine Schulden machen soll - "Nicht schon wieder."
- Probs dafür das man sich an die Regieanweisung von Akt1Szene5 gehalten hat und den Geist von unter der Tribüne grusligen Shit hat murmeln lassen. Hat mir sehr gefallen und war gut umgesetzt.
- Die absolut nutzlose Szene mit Reynaldo und Polonius wurde nicht gecuttet! Sie hat auch nirgendwo hin geführt, aber sie wurde drin gelassen! Yay!
- Hamlet benutzt sein Schwert als Pogostick. Polonius, der sich mit ihm unterhalten will, ist von der Situation überfordert und hüpft neben ihm her - ohne Schwert oder Pogostick.
- Rosencrantz und Guildenstern treten auf! Ma bois! Optisch irgendwo an die Oslenbande erinnernd und mit einem fucking Quietscheentchen. Das Quitscheentchen wurde immer gedrückt wenn einer von beiden (I'm honestly not 100% sure wer jetzt genau wer war) aufgeregt war. Das Quitscheentchen wurde sehr, sehr oft gedrückt. Es ist jedoch ein Verbrechen gegen mich das die "Geh mal Flöte spielen"-Interaktion gestrichen wurde.
- Die fahrenden Schauspieler treffen ein! Yippie! Die absolut nervraubende Stelle aus dem Original (Akt 2 Szene 2) die einfach nur mehrseitiger Only-True-1600s-Kids-will-understand-this elisabethanischer Theaterbeef ist, wurde eingekürzt und gegen einen Schuss gegens eigene Theater und die anstehenden Sanierungsarbeiten ausgetauscht. So muss ne Modernisierung eines klassischen Textes aussehen! Bravo!
- Im Hintergrund spielen Claudius und Gertrud im übrigen Golf.
- Hamlet hat btw zwischendurch eine (von vielen) Sinnkriese (sein wir ehrlich, sein ganzes Leben ist eine Sinnkriese) und hat sich seine Haare blond gefärbt - aka ne absurde Perücke aufgesetzt.
- Jetzt kommen wir zu meinem persönlichen Highlight des Abends: Hamlet schnappt sich an dieser Stelle einen abgewrackten Renault (und die Soufleuse) für eine kleine Spritztour von der einen Ecke des Geländes, zur anderen. Ok, er steigt aus dem Auto aus. Was will er denn jetzt mit dem Hula-Hoop-Reifen? ....OH GOTT ES IST KEIN HULA-HOOP-REIFEN ES IST EIN FUCKING SCHLAUCH. Jap. Und dann hatten wir da auf der Mitte des Platzes auf einmal einen fucking erweiterten Suizidversuch mittels Renaults, der für sehr unangenehme zwei bis drei Minuten von innen heraus zunebelte. Holyfuckingshit. Hamlet steigt dann doch noch aus und setzt sich, den altbekannten "Sein oder Nicht-Sein"-Monolog haltend, auf die Motorhaube des vor sich hin dampfenden Fahrzeuges, während ich mir denke: Auf ner Nicht-Sommertheaterbühne wäre das jetzt das absolute, unübertroffene, für den weiteren Spielverlauf tonangebende Highlight des Abends gewesen. Hier geht das aber irgendwie ein bisschen in der Leichtigkeit der Adaption unter.
- Die darauffolgende "Geh ins Kloster"-Szene zwischen Ophelia und Hamlet fand ich persönlich n bisschen unspektakulär. Da hätte ich mir n Müh' mehr Emotionen von Ophelias Seite gewünscht.
- Bin immer noch insane über die Renault-Selbstmordversuch-Szene.
- Anyway! Das Theaterstück im Theaterstück wird auf der provisorisch aufgebauten Bühne auf der Bühne aufgeführt. Claudius darf wieder seinen absurd langen Polyestermantel anziehen, der sich einmal quer die Zuschauertribühnen hinaufspannt, und Carmilla Gertrud bekommt einen extrem hässlichen Hut. Das Stück im Stück wird abgebrochen, denn Claudius findets gar nicht so cool auf der Bühne zu sehen wie er seinen Bruder ermodert. "Wir dürfen nicht weiterspielen. Dem König hats wohl nicht gefallen." - "Komisch. In Sangershausen wars ein voller Erfolg." Allgeimes Gelächter. Pause.
- Die Pause nutze ich im übrigen dazu um endlich einen Mitarbeiter zu finden der Programmhefte verkauft und um einen Aperol auf ex zu trinken, denn das Konzept von "Ihr dürft Getränke mit zum Platz nehmen" finde ich immer noch sehr suspekt. Die Programmhefte sind im übrigen klein, aber fein und ordnen das Stück sowohl geschichtlich ein und geben einen schönen Umriss des Plots ab.
- Stück geht weiter! Claudius versucht zu beten! Betonung liegt bei 'versucht', denn in klassischer Slapstick-Action schafft er es nicht mal sich richtig hinzuknien. Das ist alles in allem zwar ein bisschen arg flach, optisch aber eine sehr effektive Art seine korrupte Seele darzustellen
- Hamlet ersticht recht unspektakulär den Polonius. Gertrud ist damit so überfordert das sie sich erstmal auf dem lokalen Dixiklo einsperrt. Peak Comedy. Nach einiger Diskussion erklärt sie sich dann doch bereit - sehr gemächlich natürlich - mit anzupacken und den im Vorhang eingewickelten Polonius auf einen Handkarren zum Abtransport zu verladen.
- "Hamlet hat den Polonius umgebracht." wirft Gertrud Claudius schon fast gleichgültig entgegenzunehmen trottet dann lustlos von der Bühne. Ihr ist das jetzt wohl doch alles zu viel und so richtig Bock scheint sie auf ihren aktuellen Mann auch nicht mehr zu haben
- Polonius Wurmparty kam inhaltlich zumindest bei einem Teil des Publikums gut an
- Auf dem Weg ins Fanstsialand nach England zum Softeis essen um defintiv nicht auf geheiß seines Onkels umgebracht zu werden rennen unser Protsgonist und Rosencrantz und Guildenstern in die norwegische Armee hinein! Richtig! Akt 4 Szene 4 und damit eine meiner Lieblingsszenen wurde auch drin gelassen! Mein Gott hab ich mich darüber gefreut. Allein visuell, die schwedischen Statistentruppen haben sich in der uhrzeitbedingten Dunkelheit mit Maschinenpistolen und Taschenlampen bewaffnet einmal über das nach hinten offene Feld nach vorne zum Kiesplatz geschlichen, absolut schön anzusehen. Das gab dem ganzen eine gruselige, ja schon fast hetzjagdmäßige Stimmung - was ja durchaus zu Hamlets übereilter Abreise aus Dänemark passt.
- Laertes und sein scheiß cunty Cabrio sind zurück! Und er ist pissig weil sein Vater tot ist. Deshalb hat er auch gleich Verstärkung mitgebracht um Claudius gegebenfalls aufs Maul hauen zu können - in Form des Publikums! Schön gelöst, Umsetzung gefällt mir. Ophelia liegt im übrigen derweile im Hintergrund auf dem Karren rum auf dem ihr Vater weggeschafft wurde und wird wahnsinnig
- Speaking of Ophelia: Die darf jetzt, nunmehr vollkommen wahnsinnig, Blümchen verteilen! Nur das sie keine Blümchen verteilt, sondern random Säbel und Messer! Ahhh, die gute Bildsprache!
- Totengräberszene! Der Totengräber hat..... EINEN BAGGER (und in meinem Kopf ruft eine entrüstet Christine Hoppe "WARUM STEHT DA EIN BAGGER IN UNSEREM VORGARTEN") und buddelt damit ein Loch für Ophelias Grab, denn die ist zwischendurch Offscreen Hopps gegangen. Der Totengräberdialog wurde fast vollständig modernisiert und durch aktuellere Thematiken ersetzt, was ich absolut verstehen kann, denn der Originaltext ist für modernes Publikum n bisschen irrelevant.
- Hamlet ist back! Das hatte er vorher per Eilpost angekündigt, aber irgendwie ist das in der Hektik n bisschen untergegangen. Er hat seinen scheiß Renault dabei!
- Yorics Schädel wird einmal quer über den Platz geyeeted und er wird als "Verrückter Hurensohn" bezeichnet
- Naja. Erstmal wird sich auf Ophelias Grab geprügelt! Echt schöne Kampfszene an dieser Stelle
- Osric wurde auch nicht rausgestrichen! ....aber ihm wurde im Gegenteil zu Gertrud kein hässlicher Hut gegeben. Ich finde das ist ein Verbrechen gegen die Menschheit!
- Nachdem Hamlet beiläufig erwähnt das er die Olsenbande Rosencrantz und Guildenstern hat hinrichten lassen verpisst sich Horatio ein bisschen disgusted und heartbroken in den Hintergrund und bleibt dort deprimiert bis zum Ende sitzen
- Dann kommen wir zum Showdown, zum letzten Akt, zum großen Finale! Und ganz ehrlich: So geil ich es finde einem einzigen Typen zuzusehen wie er die komplette letzte Szene ne halbe Stunde lang alleine vorträgt - es macht halt auch Spaß zuzuschauen wie sich zwei Leute mit ner richtig guten Kampfchoreografie aufs Maul hauen. Man war das schön anzusehen! Das hat richtig Spaß gemacht. Hamlets Reaktion als er die vergiftete Klinge von Laertes bemerkt, Gertrud die sich gemächlich und beiläufig nebenbei vergiftet, Claudius der in der FUCKING PFÜTZE verreckt, Hamlets und Horatios letzte Interaktion? Geil. 10/10. Das war ne richtig gute, action-, emotions- und dramageladene Abschluss-Szene. So hab ich mir das vorgestellt. Keine Ergänzungen. Schönes Ende.
- Nur das es nicht so endet, ne? Denn die norwegische Armee unter Fortinbras fährt spontan noch mit einem Armee-Lkw vor (die Autos die für die Vorstellung genutzt wurden waren wirklich 10/10) und naja. Fortinbras war einfach nur... n random Kind in nem übergroßen Fellmantel? ICH LEBE FÜR DIESE INTERPRETATION. Hab mir den Kerl bisher immer als militärischen Mittzwanziger vorgestellt, von daher kam das überraschend unerwartet. Feuerwerk wird abgefackelt! Yay
- Und der Rest ist Schweigen
Alles in allem viel Schönes dabei und ein gelungener Einstieg in die neue Spielzeit!
Habe gerade noch festgestellt das man 70% der von mir beschriebenen Szenen ausschnittsweise im Backstage-Reel auf der Instagramseite des DNT bestaunen kann. Huppala.
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