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Jens Andersen: Astrid Lindgren. Ihr Leben.
Zweimal stellte der dänische Autor Jens Andersen im Rahmen der diesjährigen Buch Wien und der Lesefestwoche seine neue Biographie über Astrid Lindgren vor - einmal in der schwedischen Botschaft und das zweite Mal auf der ORF-Bühne der Buchmesse.
Jens Andersen ist zwar Skandinavier, kommt aber nicht wie Astrid Lindgren aus Schweden, sondern aus Dänemark. So ist es kaum verwunderlich, dass der mehrfach preisgekrönte Biograph zuvor bereits einen der bekanntesten dänischen Schriftsteller porträtierte - Hans Christian Andersen.
 Zu Beginn des Gesprächs wird angemerkt, die letzte Biographie über Astrid Lindgren sei in den 70er Jahren erschienen, was jedoch nicht der Wahrheit entspricht. Erst 2013 veröffentlichte zum Beispiel Birgit Dankert eine Astrid Lindgren Biographie, die sogar ähnlich angelegt ist wie Andersens neues Werk. Trotzdem war das Gespräch sehr interessant. Astrid Lindgren zählt zweifellos zu den berühmtesten Kinderbuchautoren der Welt. Die 2002 verstorbene Autorin hinterließ nicht nur eine Menge Bücher, in denen sie unvergessliche Figuren schuf, sondern schrieb ihr Leben lang Tagebuch und füllte unzählige Notizbücher mit Ideen und Gedanken (angeblich liegen in der Königlichen Bibliothek in Stockholm 675 von ihre beschriebene Stenoblocks). Ihr Leben ist zweifellos reich dokumentiert, weswegen Jens Andersen auch am Anfang gefragt wurde, welche neuen Sichtweisen er denn in die Biographie eingearbeitet habe. Der Biograph antwortete, im Leben Astrid Lindgrens werde stets ihre unbeschwerte, glückliche Kindheit hervorgehoben – und dies sei sicher ein Teil der Wahrheit. Er setze sich in seiner Biographie aber verstärkt mit den einsamen und melancholischen Seiten der Autorin auseinander, die sich sowohl in ihrem Leben als auch in ihrem Werk erkennen ließen. Die Einsamkeit, betonte Andersen, ziehe sich wie ein roter Faden durch seine Biographie. Und wenn man genau hinsehe, dann erkenne man auch in Lindgrens Büchern Charaktere, die einsam und nachdenklich sind.
Das trifft mit Sicherheit zu, denn wenn Astrid Lindgren nur Bücher geschrieben hätte, in denen Kinder unentwegt spielend durch den Sommer laufen, wäre sie wohl nicht so berühmt. Die Frage, ob sie die Charaktere – seien sie nun glücklich, melancholisch oder (wie meistens bei ihr) rotzfrech – nun wegen ihrer Biographie auf eine bestimmte Art erfunden hat, ist wieder eine andere … .
 Auf die Frage nach den Quellen, die er ausgewertet habe, gab Andersen an, er habe auch Zugang zu bisher unveröffentlichten Quellen gehabt. So habe er zum Beispiel Gespräche mit Astrid Lindgrens Tochter geführt und über 1 000 Briefe ausgewertet. Im Zuge seiner jahrelangen Arbeit sei ihm zu Gute gekommen, dass das Astrid Lindgren Archiv in der Königlichen Bibliothek in Stockholm zum hundertsten Geburtstag Lindgrens (2007) geöffnet wurde, was die Recherche erleichterte.
 Natürlich wurde auch über die von Astrid Lindgren erschaffenen Figuren geredet, die jeder kennt. Doch warum ist das so? Was begeistert Kinder – und auch Erwachsene – bis heute an Pippi Langstrumpf, Ronja Räubertochter oder den Kindern aus Bullerbü? Andersen versuchte diese ungebrochene Faszination am Beispiel Pippi Langstrumpfs zu erklären, einer Figur, die ausgerechnet 1945 das Licht der Welt erblickte. Laut Andersen hatte der Krieg großen Einfluss auf Pippi Langstrumpf. Er meinte, Astrid Lindgren wollte auch ihre Sicht der Dinge darstellten und gebrauchte in diesem Zusammenhang das Zitat: „Auf Pippis Frisur passt in der Tat kein Stahlhelm.“
 Jens Andersen ist nicht der Erste, der Astrid Lindgren zugesteht, sie habe die Kinderbuchbranche revolutioniert. Für eine Revolution reicht ein Buch wohl nicht aus, aber es ist nicht nur das starke Mädchen Pippi Langstrumpf, das besonders ist – es ist diese feine, schöne und einzigartige Erzählweise in all ihren Büchern, mit der sie nicht als Erwachsene auf die Kinder herabblickt, sondern diese selbst in den Mittelpunkt stellt. Damit einhergehend erwähnte Jens Andersen den Anfang des ersten Bullerbü Bandes, der die erste Ich-Erzählerin im Kinderbuchbereich sprechen lässt. Somit, erklärte Andersen, hob Astrid Lindgren das Kinderbuch auf die gleiche Stufe wie Literatur.
 Ein Artikel von Britta Birnbacher
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