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Grisande Silberblatt - Teil 4: Der Anfang
Einige Nächte später steht die dünne Sichel des Neumondes über der geschundenen Landschaft des ehemaligen Königreiches von Lordaeron. In einem kleinen, schwer zugänglichen Tal liegt das Lager der Geißel-Armee in fast völliger Dunkelheit.
Grisande erwacht davon, dass ihr jemand die Spitze eines Dolchs an den Hals drückt. Eine raue Stimme flüstert sehr nahe an ihrem Ohr "Nicht schreien." "Schon gut, Maeven. Ich bin wach." "Gut. Wir müssen los."
Grisande wartet bis der Druck der Dolchspitze nachlässt und setzt sich dann auf. Maeven ist in den letzten Wochen zu einer guten Freundin geworden, doch ihre Art ist manchmal ... beunruhigend.
Sie breitet ihre Decke über ein paar Äste, die sie am Tag zuvor gesammelt hat und begutachtet ihr Werk. Nicht sehr glaubwürdig aber es muss reichen. Dann nimmt sie ihren Stab und folgt Maeven leise. Die beiden Frauen ducken sich hinter einen Karren und nutzen einen Moment, in dem die Wache in eine andere Richtung schaut, um zur nächsten Deckung zu gelangen.
Auch an anderen Stellen des Lagers erheben sich einzelne Untote und bewegen sich im Schutz der Dunkelheit in Richtung des westlichen Ausgangs des kleinen Tals.
Am Rand des Lagers führt ein schmaler Pfad zu einer verlassenen Scheune, in deren Schatten sich der Rest ihrer Gruppe bereits versammelt hat. Zu ihrem Erstaunen sieht Grisande auch einen abwesend wirkenden Priester, der still in einer Ecke steht. Leise flüstert sie Maeven zu "Arvael scheint sich doch nicht komplett aufgegeben zu haben." Die zuckt gleichgültig mit den Schultern. "Gut für ihn."
In der Mitte der Gruppe steht eine selbst für eine Untote wild aussehende Kriegerin. Ihre nach allen Seiten abstehenden Haare sind giftgrün und ihr blasses Gesicht wird von zwei gekreuzten Lederbändern zusammengehalten. "Grisande, Maeven, da seid ihr ja. Dann sind wir vollständig." Ihre ruhige Stimme strahlt Zuversicht aus. "So, nun kommt der spannende Teil. Es gibt nur einen Weg aus dem Tal hinaus und der wird gut bewacht." Sie wirft Maeven einen Blick zu. "Ein offener Kampf würde zu viel Lärm machen." Maeven nickt kurz. "Verstehe." Eindringlich fährt die Kriegerin fort. "Sobald die Wachen ausgeschaltet sind, laufen wir los. Denkt daran, wir müssen uns beeilen aber wir dürfen auf keinen Fall Lärm machen." Sie sieht allen der Reihe nach in die Augen. "Viel Glück. Möge die dunkle Fürstin uns schützen."
Maeven gibt einem schmächtigen Untoten ein Zeichen und die beiden verschwinden wortlos in der Dunkelheit am Rand des Weges. Der Rest der Gruppe folgt ihnen leise, bis sie die Wachen am Ausgang des Tals sehen können. Als diese in sich zusammensacken, eilt die Gruppe von Schatten zu Schatten lautlos voran, bis die nächste Wache in Sichtweite kommt. Erst als auch diese in einen plötzlichen Schlaf zu fallen scheint, hasten sie weiter.
Konzentriert arbeitet sich die Gruppe voran und schließlich erreichen die Untoten die hinter dem Tal liegende Ebene. Ein brauner Schleier liegt wie ein Pesthauch über dem einst fruchtbaren Gebiet. Hohe Nadelbäume werfen ihre Schatten auf seltsame große Pilze, die an vielen Stellen wuchern.
Die Gruppe versammelt sich unter einem der Bäume, wo die beiden Kundschafter bereits auf sie warten. Maeven zählt die ankommenden Untoten mit prüfendem Blick durch. "Wo ist Arvael? Habt ihr ihn verloren?"
Grisande runzelt die Stirn "Er war noch da, nachdem wir an der letzten Wache vorbei sind." Sie schaut zurück zum Tal und sieht zu ihrem Entsetzen den Lich zwischen den hohen Bäumen eines kleinen Wäldchens auf die Gruppe zu schweben. Ein schriller Ruf zerreißt die nächtliche Stille. "Da sind sie! Seht doch, Meister! Dort sind die Verräter!"
"Arvael! Dieser verdammte Idiot!" Maeven zieht ihre Dolche und verschwindet im Schatten der Bäume, um einen Moment später lautlos hinter Arvael wieder aufzutauchen. Sie rammt ihre Klingen in den Leib des überrumpelten Priesters, der ein Wimmern von sich gibt. "Meister, helft mir!"
Der Lich würdigt den Priester keines Blickes und schwebt weiter auf die Gruppe zu. Grisande fühlt mehr als sie hört, wie die kalte Stimme versucht, sie wieder in ihren Bann zu ziehen. Eine Eisschicht scheint sich auf dem verdorrten Boden zu bilden und die seltsamen, riesigen Pilze zu überziehen. Ein eisiger Hauch streift ihre Robe und legt sich wie ein Band um ihren Leib, scheint sie fortziehen zu wollen, hinab ins dunkle Eis, ins Vergessen.
Doch das Training der letzten Wochen zeigt Wirkung. Wie an einem Anker hält sich Grisande am Bild des knisternden Kaminfeuers in der Studierstube ihrer Eltern fest. Sie hört das Knacken der Holzscheite und fühlt die Wärme auf ihrer Haut. Sie sieht die alten Bücher, die überall verstreuten, dicht beschriebenen Pergamentrollen. Sie riecht den Duft der Silberblüten, der durch das geöffnete Fenster hineinweht.
"Das ist dein Ende, Lich!" Die Stimme der alten Priesterin klingt hart und entschlossen.
Grisande zieht ihren Stab und formt einen Feuerball in ihrer Hand. Auch die anderen ziehen ihre Waffen und gehen in Kampfhaltung. Der Lich stutzt einen Moment. Mit Widerstand hat er nicht gerechnet.
Mit einem wilden Schrei stürmt die Kriegerin auf den Lich zu und stößt ihm ihre Schwerter in die Seite während ein anderer Krieger Axt und Schild gezogen hat und mit einem höhnischen Ruf die Aufmerksamkeit des Zauberers auf sich zieht. Grisande schleudert einen Feuerball auf den Lich und formt bereits einen weiteren, während neben ihr eine Hexe mit schneidender Stimme Flüche und Verwünschungen ausspricht. Die alte Priesterin murmelt einige Worte und ein schillernder Schutzschild erscheint um den Krieger, gerade rechtzeitig bevor ein mächtiger Frostzauber des Lichs ihn trifft.
Verbissen kämpfen die Untoten gegen den Lich, der ihrem geballten Zorn seine mächtigen Frostzauber entgegen wirft. Doch die erfahrene Priesterin vermag die Gruppe mit ihren Heilzaubern immer wieder zu schützen und schließlich schwindet die Kraft des Lichs, bis sich seine Gestalt endlich mit einem hässlichen Zischen aufzulösen scheint. An der Stelle, an der er einen Moment vorher noch schwebte, erscheint sein Phylakterium.
Grisande starrt das Gefäß hasserfüllt an.
"Auf drei." Ihre Stimme klingt kalt.
"Eins." Maevens Augen verengen sich zu Schlitzen und sie zieht ihre Dolche.
"Zwei." Grisande formt einen Feuerball.
"Drei." Die alte Priesterin hat ihre Hände erhoben und ein heller Lichtstrahl trifft das Seelengefäß zeitgleich mit einem Feuerball, einem Schattenblitz und den Klingen der Nahkämpfer.
Das Phylakterium zerspringt klirrend in viele kleine Stücke.
Erleichtert dreht sich Maeven zu Grisande um. "Alles in Ordnung bei dir?" "Ja, nur der hier hat es nicht überlebt." Grisande hält betrübt ihren Stab hoch. Der Citrin, der an der Spitze befestigt war, ist zersprungen und der Stab selbst ist halb verbrannt. "Der Lich hat einen Feuerball reflektiert." Maeven grinst. "Mach dir nichts draus. Wir finden etwas Neues für dich."
„Was ist mit Arvael?“ Die Kriegerin schaut sich suchend nach dem Verräter um. Maeven antwortet mit gleichgültiger Miene. „Der hat nun viel Zeit für Gespräche mit seinem Geistheiler.“ Lachend schlägt die Kriegerin ihr auf die Schultern. „Gut gemacht!“
"So, das wäre erledigt." Die Priesterin streicht ihre zerschlissene Robe glatt. "Und nun? Was sollen wir nun machen." Sie klingt plötzlich unsicher. "Wir gehören ja nirgendwo hin."
Die Kriegerin erwidert mit fester Stimme "Von nun an sind wir Verlassene. Mit den Menschen haben wir nichts mehr zu schaffen. Geht ihnen aus dem Weg." Ihre Stimme klingt bitter, als sie fortfährt. "Wir sind die Monster, die ihre Familien getötet haben und sie werden uns angreifen, wenn sie uns sehen."
„So ist es.“ Die Hexe zuckt mit den Schultern. „Wir können es nicht ändern. Ich für mein Teil werde nach vorne schauen und nicht zurück.“
"Ich habe gehört, in Tirisfal gibt es viel zu tun." Der schmächtige Schurke klingt aufgeregt. "Die dunkle Fürstin beansprucht das Land für uns. Es gibt dort überall Arbeit. Händler und Ausbilder siedeln sich an.“ Er fährt grinsend fort. "Ich wollte schon immer die Ingenieurskunst erlernen und ich habe ja nun jede Menge Zeit.“
"Das ist die richtige Einstellung." Maeven nickt ihm zu. „Ich werde mich dort auch umschauen.“
Grisande muss nicht lang überlegen. Die Aussicht, sich ein neues Leben (oder wie auch immer man das nennen soll), aufzubauen und vielleicht sogar einen Magielehrer zu finden, der gewillt ist, sie auszubilden, lässt sie aufspringen. "Also, worauf warten wir noch? Auf nach Tirisfal!"
Und so macht sich die kleine Gruppe Verlassener auf den Weg Richtung Westen, nach Tirisfal, wo ein Abenteuer beginnt.
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Grisande Silberblatt - Teil 3: Die zusammengefaltete Notiz
Ein Lager der Geißel-Armee, irgendwo in den östlichen Pestländern.
Ein Untoter Krieger stützt sich auf seinen Schild und beobachtet finster einen unförmigen, vernarbten Golem, der einen vollbeladenen Holzkarren hinter sich herzieht. Ein Schwarm Fliegen surrt gierig über dem Karren. Angeekelt wendet der Krieger sich ab und stößt dabei gegen eine Frau, die gerade hinter ihm vorbeigeht. Ihr blasses Gesicht wird von zwei gekreuzten Lederbändern zusammengehalten. Sie zischt ihn unfreundlich an. "Pass doch auf, du Dummkopf!" Unauffällig legt sie ihm dabei einen kleinen, zusammengefalteten Zettel in die Hand. Der Untote faltet den Zettel auseinander, liest ihn und faltet ihn sorgfältig wieder zusammen.
Eine alte Heilerin kniet neben dem Lager eines Patienten und begutachtet mit sorgenvoller Miene eine große Brandwunde an seiner Schulter. Ein Krieger beugt sich zu ihr hinunter. "Hier, probiert das einmal aus, das wirkt Wunder bei Verbrennungen." Er reicht ihr eine kleine Flasche mit orangefarbener Flüssigkeit und einen Zettel.
Ein mit einer abgewetzten Priesterrobe bekleideter Untoter sitzt am Feuer und schaukelt mit dem Oberkörper leicht vor und zurück. Sein Blick ist in weite Ferne entrückt und er summt leise eine Hymne. Eine Heilerin legt ihm eine Decke über die Schultern und lässt einen gefalteten Zettel in seinen Schoß fallen.
Eine schlanke Frau mit strubbeligen schwarzen Haaren sitzt im Schatten eines Gebüschs im Schneidersitz und schärft einen Dolch. Ein Priester nähert sich ihr zögernd und vorsichtig von hinten. Ohne den Kopf zu wenden oder die Augen zu heben, spricht die Untote ihn an. "Arvael, ich rieche und höre dich seit fünf Minuten. Zwing mich nicht dazu, dir weh zu tun. Was willst du?" Der Priester wirft der Frau einen ängstlichen Blick zu und lässt wortlos einen zusammengefalteten Zettel neben ihr in den Staub fallen.
Unter den strengen Augen eines Aufsehers säubert Grisande die Lederriemen eines Katapults. Sie denkt an das, was die alte Priesterin ihnen immer wieder predigt. "Ihr müsst seine Stimme ausblenden. Haltet euch an etwas fest, dass euch an euch selbst erinnert, das macht es etwas leichter. Ihr könnt das üben. Es klappt mit der Zeit immer besser, ihr werdet sehen."
"Was mich an mich selbst erinnert." Die Worte hallen in ihrem Kopf wie ein Echo. Sie denkt daran, wie sie als junges Mädchen davon träumte, später einmal eine große Magierin zu werden. Wie naiv sie gewesen war. Und doch ist der Gedanke an ihre verstaubten alten Lehrbücher tröstlich. Sie denkt an die hohen Silberblattbüsche, die das Hoftor umrankten. Und daran, wie die Soldaten der Geißel über die hinabgefallenen blauen Blüten getrampelt waren. Brennende Wut steigt in ihr hoch und entlädt sich in einen Feuerschlag, der ihren Putzlappen in Brand steckt. Erschrocken lässt sie den Lappen auf den Boden fallen und tritt das Feuer aus. Die schlanke Untote, die neben ihr arbeitet, hebt den Lappen auf und gibt ihn ihr zurück, zusammen mit einem zusammengefalteten Zettel.
Als der Aufseher am anderen Ende der Reihe angelangt ist, faltet Grisande den Zettel auseinander. Es steht nur ein einziges Wort darauf.
NEUMOND
Aufgeregt faltet sie den Zettel wieder zusammen. Beim nächsten Neumond also. Das sind nur noch ein paar Tage. Hoffnung steigt in ihr auf und ihr Mund verzieht sich zu einem Lächeln. Die Frau neben ihr stößt ihr den Ellenbogen in die Rippen und flüstert "Lass dir nichts anmerken!"
Die beiden Untoten wenden sich wieder ihrer Arbeit zu, sorgsam darauf bedacht, den Aufseher nicht misstrauisch werden zu lassen.
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Grisande Silberblatt - Teil 2: Im Zwielicht
Grisande läuft über das Kürbisfeld ihrer Eltern. Auf dem Feld verstreut wachsen Silberblattbüsche, die blauen Blüten liegen auf dem Boden. Die reifen Kürbisse sind mit Raureif überzogen. Sie zittert. Wieso ist es so kalt?
Dunkelheit senkt sich über das Feld.
Die Kürbisse sind verschwunden. Stattdessen breitet sich eine Eisfläche unter Grisande aus. Kaltes blaues Eis, bedeckt von blauen Blumen.
Sie rutscht auf dem glatten Eis aus und schlägt hart auf dem Boden auf. Etwas Warmes läuft über ihre Wange und gefriert auf dem Eis. Sie möchte schlafen, hinabtauchen in das dunkle Eis. Aber eine durchdringende Stimme zerrt an ihrem Bewusstsein, kalt, befehlend.
Die Stimme ruft sie, zieht an ihr. Dringt in ihren Kopf ein, in ihre Gedanken, erfüllt sie mit kalter Angst.
Sie versucht sich zu konzentrieren, sich auf das zu fokussieren, was sie gelernt hat, doch die Stimme klirrt kalt in ihrem Kopf, versucht in jeden Winkel zu dringen. Sie zittert vor Kälte. Ein von magischem Feuer erleuchteter Citrin taucht vor ihrem inneren Auge auf und sie hält sich an dem Bild fest.
Blaue Blüten wehen über das Eis. Sie kommen ihr bekannt vor aber ihr fällt der Name nicht mehr ein. Sie streckt ihre Hand aus und greift nach einer der Blüten. Die Blüte ist wichtig aber sie weiß nicht mehr, warum. Blasse, kalte Finger schließen sich um die Blüte. Ist das ihre Hand?
Die Stimme befielt ihr, aufzustehen. Eisig. Unnachgiebig. Die Stimme duldet keinen Widerspruch.
Langsam richtet sie sich auf. Ihre Glieder fühlen sich seltsam steif an. In ihrem Kopf dröhnt die Stimme, laut und allumfassend, alles andere verdrängend.
Grisande hebt den Kopf und schaut sich um. Sie steht auf dem Innenhof einer kleinen Farm. Einige Gebäude brennen. Soldaten laufen herum und durchsuchen die Gebäude. Sie steckt die Blüte in ihre Gürteltasche.
Vor der Wand des Hauptgebäudes liegt der verkohlte Körper eines riesenhaften Dieners. Sein Leib bedeckt den Eingang zu einem alten Sturmkeller. Einige Soldaten versuchen, den Körper wegzuziehen. Eine Erinnerung durchzuckt sie, schmerzhaft und hell. "Nein!" mit einer rauen Stimme, die sie nicht kennt, herrscht sie die Soldaten an. "Hier gibt es nichts mehr zu holen." Die Soldaten murren, doch sie wenden sich von dem toten Diener ab. Einige Meter von dem Körper entfernt liegt ein alter Stab mit einem erloschenen Citrin. Grisande hebt den Stab auf. Ein Funke beginnt im Inneren des Steins zu glimmen.
Dann hört sie den Befehl zum Abmarsch. Die Soldaten verlassen den Hof, folgen einem Lich zurück zum Hauptteil der großen Armee. Grisande schließt sich ihnen an. Langsam durchschreitet sie das Hoftor, ohne einen Blick zurück. Sie darf nicht vergessen. Aber was ist es, an dass sie sich erinnern muss?
Zeit vergeht und scheint gleichzeitig stillzustehen. Die Armee der Geißel marschiert weiter durch Lordaeron und Grisande wird von der Stimme mitgezogen. Menschen brüllen ihr hasserfüllte Worte entgegen. Sie hört ihre verzweifelten, angsterfüllten Schreie, doch der eisige Griff um ihre Seele läßt keine Regung zu. Sie sieht die Menschen fallen und mit leerem Blick wieder aufstehen.
Ihre Vergangenheit ist im Eis versunken, ihr Dasein und ihre Zukunft gehören der Stimme. Zeit hat keine Bedeutung mehr. Die Stimme ist die einzige Konstante, wie ein eisigblauer Leuchtturm im grauen Nebel. Ein Sog ins Nichts und zugleich der einzige Daseinsgrund.
Manchmal gelingt es ihr, sich eine Weile vor der Stimme zu verstecken, in der verblassten Erinnerung an einen Ort, den sie einmal sehr geliebt hat. Ein Ort, der nach altem Leder und verstaubtem Pergament riecht, der vom seltsamen, violetten Leuchten der arkanen Lampen erhellt wird, ein Ort, an dem nur manchmal das verwunderte Blöken eines Schafs die konzentrierte Stille durchschneidet. Dort, und nur dort, lässt sie zu, dass der glühende Wille nach Freiheit sie durchströmt. Der Wille, sich vom Joch der Stimme zu befreien hält ihre Seele lebendig und schützt sie gegen die alles durchdringende Kälte. Zumindest einen Moment lang, bevor die Stimme sie findet und zurück in die kalte graue Leere zieht.
Bis eines Abends etwas Ungewöhnliches passiert.
Grisande sitzt an einem kleinen Lagerfeuer und wärmt ihre Hände. Das blaue Kleid ist zerrissen und hängt in Fetzen um ihre Schultern. An einigen Stellen ihres Körpers sind die nackten Knochen zu sehen. Ihre früher hellblonden Haare hängen stumpf und strähnig in ihr bleiches eingefallenes Gesicht. Ihr gegenüber sitzt eine Frau mit struppigen dunklen Haaren, die damit beschäftigt ist, einen Dolch sehr langsam und sehr sorgfältig zu schärfen. Ein violettes Leuchten umspielt die Spitze des Dolchs. Die Frau trägt eine alte, abgewetzte Stoffrüstung, aus der ihre Ellenbogen bleich und knochig hervorschauen. In den Saum ihres Kleides sind einige dämonische Runen eingestickt. Zu ihren Füßen hockt ein mürrisch wirkender Wichtel, der gelangweilt ins Feuer starrt. Neben ihr sitzt ein Mann am Feuer, der in einen alten grünen Umhang gehüllt ist und leise immer wieder eine Hymne vor sich hinsummt. Seine linke Hand klammert sich an einen alten Priesterstab.
Plötzlich geht ein unruhiges, verwirrtes Murren durch die lagernde Armee. Hektische Rufe der Leutnants werden mit zornigen Befehlen des Lichs, der lautlos durch die Reihen gleitet, beantwortet.
Grisande hebt den Kopf und blickt in die wachsamen Augen der Hexe. Diese macht eine warnende Handbewegung, dann wird ihr Blick leer und sie starrt mit hängendem Kiefer ins Feuer. Grisande und der Mann machen es ebenso, als der Lich mit prüfendem Blick hinter ihnen vorbeigleitet.
Als er sich entfernt hat, zischt die Hexe leise "Merkt ihr etwas?" Der Priester schüttelt ungläubig lächelnd seinen Kopf. "Ich höre die Stimme nicht mehr!" "Ganz genau." Grisande flüstert erstaunt "Seine Kraft scheint nachzulassen?" Der Priester lacht aufgeregt "Wenn das wahr wäre! Wenn ich zurück in mein Dorf könnte. Zurück in meine Kirche. Ach, was für eine Freude!" Grisande wirft der Hexe einen Blick zu, die ihre Augen verdreht und mit ihrem knochigen Zeigefinger eine kreisende Bewegung an der Stirn macht. Sie runzelt die Stirn. "Tja also, zurück können wir sicher nicht mehr." "Was? Natürlich können wir das! Wir könnten wieder unser altes Leben führen!" Der Priester flüstert in beschwörendem Ton auf die beiden Frauen ein. Grisande seufzt. "Wann hast du das letzte Mal in einen Spiegel geguckt, Arvael?" "Was meinst du damit? Warum sollte ich? Ich weiß, wie ich aussehe. Nun ja, meine Haare könnten mal einen Kamm vertragen aber so etwas gibt es hier ja nicht." Irritiert starrt er Grisande aus gelb leuchtenden Augen an. Ein Stück seines Unterkiefers fehlt und man sieht eine Reihe schwärzlicher Backenzähne. "Sie meint damit, dass wir tot sind, Arvael. Es gibt kein Zurück für uns. Finde dich endlich damit ab!" "Komm schon, sieh es positiv. Die Wahrscheinlichkeit zu Ertrinken, wenn mal wieder dein Levitationszauber versagt, ist dramatisch gesunken." Grisande grinst den Priester an, der sie fassungslos anstarrt.
"Aber, aber wenn ich nicht zurück kann ... dann macht es doch keinen Sinn, sich zu wehren." Leise beginnt der Priester wieder damit, seine Hymne zu summen, bricht jedoch nach kurzer Zeit ab. Er starrt mit leerem Blick ins Feuer und sein Oberkörper schaukelt leicht vor und zurück. Die Hexe zuckt gleichgültig mit ihren knochigen Schultern. Doch dann beginnen ihre Augen gelb zu leuchten und sie zischt zornig."Wenn ich hier je rauskomme, werde ich Kirschgrog saufen, bis er mir zwischen den Rippen wieder herausfließt. Und danach töte ich diesen Lich und wenn es das Letzte ist, was ich tue." Grisande lächelt grimmig. "Ich bin dabei."
Dann setzt die Stimme wieder ein, wie ein eisiger, wütender Wind, der durch das Lager weht.
Doch noch ein anderes Geräusch dringt an Grisandes Ohr, bevor sie sich wieder in ihre Studierstube zurückversetzt. Ein leiser, fast unhörbarer Gesang in einer alten Sprache, die sie schon einmal gehört hat, vor langer Zeit. Ist das Thalassisch? "Hast du das gehört?" Grisande blickt der Hexe in die Augen, die ihren Blick prüfend erwidert und dann fast unmerklich nickt, bevor sie sich wieder ihrem Dolch zuwendet.
Etwas scheint geschehen zu sein, denn in den nächsten Wochen wiederholen sich diese Momente, in denen der Bann der Stimme für kurze Zeit nachlässt. Die immerwährende eisige Umklammerung beginnt ihren Griff zu lockern. Gerüchte verbreiten sich unter den untoten Sklaven der Geißel. Gerüchte über Untote, denen es gelungen ist, der Macht der eisigen Stimme zu entkommen. Gerüchte über eine dunkle Fürstin, eine Banshee, die diesen Untoten eine Zuflucht bietet.
Und schließlich fassen Grisande und einige andere den Plan, zu fliehen.
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Grisande Silberblatt - Teil 1: Das Ende
Der untersetzte Junge rennt so schnell er kann den kleinen Hügel zur alten Kirche hinauf. Oben angekommen stützt er kurz die Hände auf die Knie, um zu Atem zu kommen. Dann brüllt er "Nathaniel! Sie kommen!" Ein Zwerg mit kurzgeschorenen grauen Haaren tritt aus dem kleinen Vorraum am Kirchturm. Er trägt eine alte, an vielen Stellen stumpf gewordene Rüstung mit den Insignien eines Paladins. Sein Gesicht ist blass und ernst. "Gravin, Junge! Von wo kommen Sie?" "Von überall her" schluchzt der keuchende Junge "Sie haben das Dorf überrannt und sind schon fast am alten Pfad. Die Glocke! Ich muss die Glocke läuten! Wir müssen die anderen warnen!"
Der alte Mann blickt den Jungen ernst an. "Lauf nach Hause zu deiner Familie, Gravin. Ich werde die Glocke läuten." "Aber ich ..." "Geh Gravin. Lauf so schnell du kannst. Möge das Licht dich und deine Familie schützen." Gravin wischt sich mit einer Hand die Tränen aus dem Gesicht und nickt. "Euch auch, Nathaniel!"
Dann rennt er den Hügel wieder hinab, in Richtung einer kleinen Farm im Nordosten. Als der Junge am Fuß des Hügels angekommen ist, hört er das helle Läuten der Glocken der alten Kirche. Kurz drauf antworten andere Glocken weiter im Norden und Osten. Ein Kriegshorn ertönt und das Leuchtfeuer des nördlichen Wachturms erscheint am dunkler werdenden Horizont.
Arwaron Silberblatt steht in Hemdsärmeln im Innenhof seines Gehöfts und gibt mit ruhiger Stimme Anweisungen. An der Spitze des alten Eichenstabs, auf den er sich stützt, glänzt ein großer, von hellen Flammen umloderter Aquamarin. Das große Hoftor wird von den leuchtend blauen Blüten umrankt, die seiner Familie einst ihren Namen gaben. Jetzt fallen große Ranken herunter, als die Knechte die beiden starken Holztüren zuschieben, die seit Jahren nicht bewegt wurden. Der Boden vor dem Tor ist übersät mit den blauen Blütenblättern, die vom aufkommenden Wind über den ganzen Hof verteilt werden.
Durch die geöffnete Küchentür sieht er seine Frau Keryna, die aus einem großen Kessel eine hellblaue Flüssigkeit in kleine Fläschchen abfüllt. Sie schaut hoch und ihre Blicke treffen sich. Keryna nickt ihm ernst zu, dann lächelt sie aufmunternd. Arwaron weiß, dass sie noch nie vor einem Kampf zurückgeschreckt ist und es auch dieses Mal nicht tun wird. Nicht mal wenn es so aussichtslos ist wie jetzt. Beide haben dem König viele Jahre als Kampfmagier treu gedient. In vielen Schlachten standen sie Rücken an Rücken und haben gelernt, sich blind zu vertrauen. Sie wollten sich auf diesem Hof zur Ruhe setzen, sich der Erziehung ihrer beiden Kinder widmen und Kürbisse züchten. Sie wollten ihre Enkel aufwachsen sehen. Arwaron blinzelt, als eine Träne seine Wange herunterläuft.
Im Stall versucht Grisande die Pferde zu beruhigen, die mit angstvoll aufgerissenen Augen nervös hin- und hertänzeln. Sie trägt das blaue Kleid, das ihre Mutter ihr für die Aufnahmeprüfung in Dalaran genäht hat. An ihrem Gürtel hängt ein kurzes Schwert und ein dünnes, in Leder eingeschlagenes Buch. Nächsten Monat hätte sie zur Stadt der Magier reisen sollen, um endlich offiziell ihre Ausbildung zu beginnen. Sie ist sicher, dass sie die Prüfung bestanden hätte. Sie ist sicher, dass sie zur Magierin geboren ist. Aber jetzt ist nichts mehr sicher. Ihre Zukunft endet am Tor zu diesem Hof, endet mit dem Läuten der Glocken, endet mit dem Grauen, das immer näher kommt und das Land und die Menschen vernichtet.
Mit finsterem Blick krault Grisande ein letztes Mal die Schulter ihres Pferdes und tritt dann auf den Hof hinaus. Sie sieht ihren Bruder Gravin durch das halb geschlossene Tor schlüpfen. Ihre Mutter steht im Hof neben ihrem Vater in ihrer alten Kampfrüstung. An dem Stab in ihrer Hand funkelt ein Citrin. "Schließt die Tore!" Die Knechte ziehen die schweren Holztüren zu und verschließen sie mit einem großen Querbalken.
"Geht in den Sturmkeller! Auch du Gravin!" Keryna zeigt auf die hochgeklappten Türen des Sturmkellers, der unter das Haus führt. Der Junge schüttelt den Kopf. "Nein, ich will mit euch kämpfen, wie Grisande! Ich kann euch heilen! Nathaniel hat es mir gezeigt." Sein Vater schüttelt ernst den Kopf. "Tu, was deine Mutter sagt, Junge." Widerwillig steigt Gravin die Stufen des Sturmkellers hinab, wo bereits die Magd mit ihrem kleinen Sohn und ein alter Knecht hocken. Die beiden Knechte, die das Tor geschlossen haben, folgen ihm. Keryna schlägt die Tür des Kellers hinter ihnen zu und verschließt sie.
Arwaron zeichnet mit dem unteren Ende seines Stabs ein großes Symbol in den Boden und ruft seine Frau und seine Tochter. "Kommt in den Kreis!" Die drei Magier stellen sich auf das Symbol, das kurz aufleuchtet. "Denk an das, was du gelernt hast, Tochter." Grisande nickt. "Und auch an das, was Nathaniel gesagt hat." Die junge Magierin schaudert. Die Leichen der Toten müssen verbrannt werden, hatte der alte Paladin gesagt. Sonst geschieht etwas, das schrecklicher ist als der Tod.
Das Läuten der Glocken ist verstummt. Dunkelheit senkt sich über den kleinen Hof. Vielleicht, hofft Grisande, ziehen sie einfach vorbei und bemerken uns gar nicht. Doch dann hört sie von Süden her ein dumpfes Grollen aufziehen, wie ein fernes Gewitter. Der Boden beginnt zu beben unter den Stiefeln der riesigen Armee, unter den Rädern Dutzender schwerer Kriegsmaschinen, unter den Hufen der untoten Pferde, von deren Rücken aus die Befehlshaber der Geißel den unheiligen Marsch überwachen.
Der Lich Thir'Kazon sieht eine kleine Farm nördlich des Weges liegen und gibt seinen Leuten ein Zeichen. Seine Einheit schwenkt nach Norden und marschiert auf das Gehöft zu. Als sie das Tor durchbrechen, sieht er drei Menschen in der Mitte des Innenhofes stehen. Eine zornige Stimme schreit "Zurück ins Grab mit euch, ihr Bestien!" Eine Feuersäule steigt auf und verbrennt einige seiner Soldaten. Einige Feuerbälle schlagen dicht neben ihm ein und ein riesiger Pyroschlag zieht eine Schneise durch seine Leute.
Einen Moment lang fühlt der Lich so etwas wie Erstaunen über die Vehemenz, mit der die drei Menschen sich gegen das unausweichliche Ende zur Wehr setzen. Dann gibt er einer riesenhaften Monstrosität ein Zeichen. Das Ungetüm stürmt nach vorne, ergreift einen der Menschen und schleudert ihn in hohem Bogen durch die Luft. Er fällt neben der Hauswand auf den Boden, wo er leblos liegen bleibt. Einer der verbleibenden Menschen stößt ein verzweifeltes Brüllen aus und setzt die Leiche mit einem Feuerball in Brand. Als die Monstrosität sich umdreht und den nächsten Menschen packt, lässt dieser eine Feuersäule unter sich aufsteigen und die Kreatur geht zusammen mit dem Menschen in Flammen auf.
Thir'Kazon schüttelt den Kopf. So viel Eifer. Damit hätte er etwas anfangen können. Was für eine Verschwendung, dass die Leichen verbrannt waren. Er wendet sich dem dritten Menschen zu. Mit gezogenem Schwert, in der anderen Hand einen kurzen Zauberstab, starrt das Wesen ihn hasserfüllt an.
Die Augen des Lichs beginnen blau zu leuchten und ein Grinsen scheint seinen Schädel zu verzerren. Er hebt den rechten Arm und ein mächtiger Frostblitz streckt die Gestalt nieder, die reglos liegen bleibt. Das Schwert rollt aus der leblosen Hand und der Wind treibt einige leuchtend blaue Blüten über den toten Körper.
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