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dramafanforever · 4 years ago

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Feind in der Fremde

Kapitel 15

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Weihnachten und Silvester

Fletcher gab tatsächlich seine Einwilligung zu Dracos Besuch bei den Lovegoods. Allerdings knüpfte er sie an eine Bedingung.

„Bei den Lovegoods? Xenophilius ist doch der Herausgeber der ‚Magical World‘, nicht wahr? Und seine Tochter arbeitet auch bei dem Magazin, wie ich hörte. Sie ist also eine Freundin von dir? Dann hätte sie doch sicher Interesse daran, einen Artikel über unser Widereingliederungsprojekt von jugendlichen Straftätern zu schreiben. Eine kleine Reportage von meiner Arbeit wäre doch ganz schön, meinst du dich, Draco? Sie könnte auch über dich schreiben. Sag ihr doch, ich hätte Mittwoch noch einen Termin frei.“

Die ‚Magical World‘ war der Nachfolger des ‚Quibblers‘, und doch ganz anders als Xenophilius‘ erste Zeitschrift. Nachdem Harry, Ron und Hermine damals aus seinem Haus entkommen waren, wurde Xenophilius von den Todessern nach Azkaban gebracht. In den fast sechs Monaten seiner Haft hatte er viel von seiner kindlichen Sicht auf die Welt der Magie verloren. Er schwor sich, niemals wieder einen Artikel zu veröffentlichen, dessen Inhalt nicht auf Fakten beruhte. So wurde die ‚Magical World‘ eine Zeitschrift mit akribisch recherchierten Berichten zu Entwicklungen und Phänomenen in der Zaubererwelt, deren Wahrheitsgehalt niemand mehr anzweifelte. Mittlerweile hatte sie eine beachtliche Auflage und eine Leserschaft, die das ‚Who is Who‘ der englischen Zauberer und Hexen umfasste. Es war daher kein Wunder, dass Fletcher seinen Namen in der Zeitschrift lesen wollte.

Draco hatte hingegen große Bedenken, mit seiner Geschichte an die Öffentlichkeit zu gehen. Außerdem behagte es ihm nicht, sich ein Weihnachten bei den Lovegoods auf diese Weise zu erkaufen.

„Warum nicht?“ fragte Harry, der kein Verständnis für Dracos Widerstreben hatte. „Das Projekt ist doch etwas Gutes. Warum sollte darüber nicht berichtet werden?“

„Ich lass mich doch nicht von so einem Ministeriumsbeamten erpressen.“

Manchmal kam dann doch der alte Malfoy hoch. Harry nahm es Draco nicht übel. Er sah es als etwas Positives, wenn Draco sein früheres Selbstbewusstsein zurückgewann. Ein gewisses Maß an Arroganz fand er auch ganz anziehend - jedenfalls bei Draco.

„Du lässt dich nicht erpressen, sondern gehst einen Deal ein. Denk an die positiven Effekte, die so ein Artikel für dich haben kann. Luna wird nichts Negatives über dich schreiben, ganz im Gegenteil. Der Bericht wird deiner Reputation zugutekommen. Luna könnte eine Reportage über deine gesamte Bewährungszeit schreiben. Das wird dir Sympathien einbringen. Wenn deine Bewährungsstrafe vorbei ist, musst du nicht gleich außer Landes flüchten, weil du meinst, alle hassen dich. Du könntest dein Studium in London fortsetzen.“ Das war ein Gedanke, der Harry sehr gefiel.

„Der Kooperationspartner für das Tränkestudium ist nun einmal die Universität in New York. Da kann ich nicht einfach in London weiterstudieren.“

„Aber du willst ja sicher nicht für immer in den USA bleiben, oder?“

„Wahrscheinlich nicht.“

„Siehst du! Dann wäre es ja nur taktisch klug, Maßnahmen zu ergreifen, die dir ein Leben in England vereinfachen können.“

Draco lehnte das Kinn auf seine Hand und runzelte die Stirn, unwillig, weiter über das Thema zu reden. Harry wusste, dass er einfach nur ein bisschen Zeit brauchte, um über die ganze Sache nachzudenken. Er würde sich der Logik von Harrys Argumenten nicht lange entziehen können.

Wie erhofft erklärte sich Draco am darauffolgenden Tag bereit, einen Deal mit Fletcher einzugehen. Nun hing alles nur noch von Luna ab, aber Harry hatte keine Bedenken, dass sie nicht mitspielen würde und behielt recht.

***

So verbrachten Harry und Draco Weihnachten in Devon. Der eine im Turm der Lovegoods, der andere im Fuchsbau der Weasleys. Harry genoss die Zeit bei seiner Ersatzfamilie, aber er merkte, dass ihm etwas fehlte. Er ertappte sich, wie seine Gedanken zu den Lovegoods und ihren Gästen wanderten und er Ideen entwickelte, wie zum Beispiel, dass er ja mal frische Luft schnappen und dabei die Lovegoods mit dem Besen besuchen könnte. Nur die Angst, sich lächerlich zu machen und den Weasleys vor den Kopf zu stoßen, hielt ihn davon ab, solche Ideen in die Tat umzusetzen. Trotzdem blieb die Versuchung wie ein feines Jucken unter der Haut. Harry und Draco hatten ihre Geschenke bereits in der Parkway ausgetauscht, aber noch nicht ausgepackt. Harry hatte für Draco ein Handy mit bezahlter Flatrate für ein Jahr besorgt und hoffte, dass Draco sich darüber freuen würde. Bei den Weasleys wurden die Geschenke traditionell vor dem Abendessen am 25. Dezember ausgepackt. Harry sparte sich Dracos Päckchen bis zum Schluss auf. Als er es schließlich öffnete, spürte er die Blicke der anderen auf sich. Alle schienen sich zu fragen, was ein Malfoy wohl verschenken würde. Harry hörte Ron witzeln, dass es angesichts von Dracos prekärer finanzieller Lage wohl keine juwelenbesetzte Armbanduhr sein könne. Harry beachtete Ron nicht weiter. Es war ihm egal, was Draco ausgesucht hatte. Harry war sich sicher, dass es mit der Absicht geschehen war, ihm eine Freude zu machen. Die Geste zählte. Er löste den Klebestreifen und zog das Geschenkpapier auseinander. Es kam ein wunderschön eingefasstes Notizbuch zum Vorschein, das mit dem schlichten Wort „Kochbuch“ betitelt war. Harry öffnete es und fand darin einige der Gerichte, die Draco und er in den letzten Wochen zubereitet hatten. Das Besondere war jedoch, dass jedes Rezept von einem Gedicht, einem Sinnspruch oder einer Zeichnung begleitet wurde, die in humorvoller Art etwas aufgriffen, das Draco seit Oktober durch Harry gelernt hatte. Vieles davon waren lächerliche Kleinigkeiten. So hatte sich Draco zum Beispiel auf einer Seite selbst gezeichnet, wie er vor einem menschenfressenden Muggel davonlief. Harry stand in dem Bildchen lässig daneben und sagte: „Muggel beißen nicht.“ Der Spruch war seit seinem ersten Gebrauch zu einem Running Gag zwischen ihnen geworden. Viele Seiten waren unbeschriftet, aber eine Notiz verwies darauf, dass Draco noch weitere Rezepte hinzufügen würde, da Harry schließlich ein unendlicher Quell guter Ratschläge sei. Ein verschnörkeltes „Danke, dein Draco“ zierte die letzte Seite. Harry saß mit einem seltsam kribbeligen Gefühl im Bauch und einem dümmlichen Lächeln im Gesicht auf dem Sofa neben Hermine und wollte das Buch am liebsten für sich behalten, aber mehrere Weasleys baten, es sehen zu dürfen. Als Harry es schließlich an George weitergab, war er noch immer zu gerührt, als dass er auf die Bemerkungen, die folgten, reagieren konnte. Doch die Antworten formten sich automatisch in seinem Kopf. „Ich wusste gar nicht, dass Malfoy so gut zeichnen kann.“ Er hat mal einen Comic gemalt, wie ich beim Quidditch-Spielen vom Blitz getroffen werde und meine Haar zu Berge stehen. Der war auch gut gemacht. „Ganz schön kreativ. Hätte ich dem gar nicht zugetraut.“ An Phantasie hat es Draco noch nie gefehlt. Er konnte sich alle möglichen Gemeinheiten ausdenken. „Der kleine Malfoy hat Humor, das muss man ihm lassen.“ Die „Potter stinkt“-Buttons waren auch witzig, wenn sie sich nicht gerade gegen mich gerichtet hätten. „Mich wundert, dass er was Selbstgemachtes verschenkt. Früher hätte er sich sicher darüber lustig gemacht.“ Draco hat sich verändert, begreift es doch endlich. Molly war aufgefallen, dass Harry ganz stumm geworden war. Sie strich ihm mütterlich über den Kopf und meinte: „Das ist ein wirklich sehr schönes und persönliches Geschenk Harry. Draco hat sich viel Mühe damit gemacht. Er muss große Stücke auf dich halten.“ Mollys Worte verstärken noch die Wärme in Harrys Körper. ‚Draco mag mich wirklich‘, dachte er und lächelte. Hermine stupste Harry mit dem Ellenbogen leicht an, um ihn in die Wirklichkeit zurückzuholen. Sie kniff die Augen zusammen, nicht aus Abscheu, sondern als würde sie ein Rätsel lösen müssen. Harry wusste nicht, wie lange sie ihn schon beobachtet hatte. „Vielleicht ist er ja doch ganz anders als früher. Ich glaube, es ist gut, wenn wir ihn Silvester kennenlernen, meinst du nicht, Ron?“ Der brummte zur Antwort seine Zustimmung. Harry blieb für den Rest des Abends in einer aufgekratzten Stimmung. Innerlich unruhig, aber irgendwie auch sehr glücklich. Gegen Mitternacht, als es im Haus ruhiger wurde, fragte er Molly, ob er ihre Eule Homey für eine Nachricht ausleihen durfte. Er schrieb eine Dankeskarte und band sie an Homeys Bein fest. Dann schickte er sie zum Turm der Lovegoods, zu Draco. Harry lag bereits im Bett und wälzte sich von der einen auf die andere Seite, als die Eule endlich zurückkam. „Lieber Harry, ich bin froh, dass dir mein Geschenk gefallen hat. Über dein Handy habe ich mich auch sehr gefreut. Offenbar hast du keine Angst davor, dass ich dich in Zukunft noch mehr in Anspruch nehmen und nerven könnte. Das Mittel dazu hast du mir mit diesem Telefon geradewegs in die Hand gegeben – und ich werde davon Gebrauch machen. Hast du dir mit diesem Geschenk wirklich einen Gefallen getan? Xenophilius und Luna sind ausnehmend zuvorkommende Gastgeber und ich bin dankbar für die Gelegenheit, mit ihnen und Mary Weihnachten feiern zu können. Ich gebe zu, dass es zuhause vielleicht doch einsam geworden wäre. Ich hatte gedacht, Luna hätte ihre Schlickschlupf-Phase überwunden, aber heute musste ich erkennen, dass sie sie nur durch etwas anderes ersetzt hat: Mulmsuffies. (Der Name stammt von Luna.) Sie sind sichtbar und schwirren seit unserem Spaziergang heute Morgen um ihren Kopf herum. Luna hofft, dass sie sich positiv auf ihre Aura auswirken. Was hat die Hexe nur mit Insekten? Ich halte sie für eine ganz gewöhnliche magische Mückenart. Vielleicht schickst du mir ein Insektenspray? Nicht, dass sie sich noch vermehren und auch meinen Schopf anziehend finden. Ich habe beobachtet, dass die eine oder andere schon neugierige Abstecher in meine Richtung unternommen hat. Eine landete leider versehentlich auf meinem Eisparfait. Die armen Geschöpfe scheinen doch sehr kälteempfindlich zu sein. Ich wusste kaum, wohin mit der Leiche. Mary glaubt, ich sei nicht in Gefahr, es läge an dem neuen Shampoo, das Luna sich in einem Esoterik-Fachgeschäft (Gibt es sowas tatsächlich?) besorgt hätte. Es wäre ein besonders naturfreundliches Produkt, hätte der Verkäufer gesagt. Ich freue mich auf morgen Abend. Draco“ Harry freute sich auch auf morgen Abend. Dann würde er Draco wiedersehen. *** Harry und Draco saßen zwei Tage später in Dracos Wohnung und schauten Harrys Lieblingsweihnachtsfilm ‚Nightmare Before Chrismas‘. Nachdem der Film zu Ende war, stellten sie eine CD von Pearl Jam an und unterhielten sich noch ein wenig über ihre Tage in Devon und den Eigenarten ihrer Freunde. Draco betrachtete sein Wohnzimmer mit einem skeptischen Blick. „Lunas Blumentapete war etwas übertrieben, aber irgendetwas muss sich hier ändern. Immerhin werde ich hier noch zwei Jahre festsitzen.“ „Ey!“ Harry pikste Draco mit seinen Zehen in die Seite. Er saß am anderen Ende des Sofas, den Rücken schräg an die Armstütze gelehnt, und hatte die Füße bequem auf dem freien Sitz zwischen ihnen abgestellt. „Gibt Schlimmeres, als hier festzusitzen.“ „Ja?“, versuchte ihn Draco zu ärgern und fuhr dann fort: „Ich möchte die Wände streichen und ein paar von Lydias Sachen rausschmeißen. Den Wackeldackel zum Beispiel und die Kunstblumen.“ „Bitte auch den ganzen Touri-Nap und ihre Sammlung von Holzschiffchen und dieses bunte Porzellanungetüm da vorne.“ „Das Mädchen am Schwanenteich? Nein, das muss bleiben. Es kann aber ins Büro umsiedeln.“ „Warum muss das bleiben? Es ist grässlich“, fragte Harry. „Weil Lydia es im Krieg von ihrer Oma geschenkt bekommen hat. Einen Tag später wurde ihr Haus von deutschen Fliegern ausgebombt. Es war das letzte Mal, dass Lydia mit ihr gesprochen hat.“ „Woher weißt du das?“ „Ich habe es in ihren Tagebüchern gelesen.“ „Wo?“ „Lydia hat Tagebuch geschrieben. Ich sollte doch ihre Privatsachen zusammenräumen, da waren auch Tagebücher dabei. Ich habe angefangen, sie zu lesen und … naja, konnte nicht mehr aufhören.“ „Hm.“ Harry wusste nicht, was er dazu sagen sollte. Er hatte nie bemerkt, dass sich Draco mit irgendwelchen Tagebüchern beschäftigt hatte. Dracos Interesse an dem Leben einer ganz normalen und bereits verstorbenen Muggel überraschte ihn. „Bist du verärgert, dass ich sie gelesen habe?“ „Nein, natürlich nicht.“ „Ich habe noch nie so viel über einen Menschen erfahren, wie über Lydia. Es ist beinahe, als ob ich sie besser kenne als meine Eltern oder meine Freunde aus Hogwarts. Diese Wohnung steckt voller Geschichten, voller Erinnerungsstücke. Lydia hat allen Dingen Bedeutung beigemessen. Sie war ein toller Mensch, weißt du, und lustig. Ich musste oft lachen, wenn ich ihre Einträge gelesen habe. Und manchmal…eben auch nicht.“ Draco musste nicht expliziter werden. Sein Gesichtsausdruck sagte alles. Manchmal hatten ihn Lydias Tagebücher sehr bedrückt. „Ich mochte sie auch gerne, aber sie war schon alt und etwas verschroben und ich wohne ja auch erst seit zwei Jahren hier“, meinte Harry. „Besonders gut habe ich sie nicht kennengelernt.“ „Sie hätte viel zu erzählen gehabt. Ihr Leben war interessant. Das ist auch der Grund, warum ich noch diese Ausstellung im Museum besuchen möchte. Ich würde mir gerne anschauen, in was für einer Zeit Lydia aufgewachsen ist.“ Draco zögerte, bevor er weitersprach: „Ich wusste nicht, dass es solche Muggel gibt. Ich habe immer geglaubt, Muggel seien uns Zauberern unterlegen, minderwertig. Ich dachte nicht einmal, dass nur die Magie den Unterschied macht. Nein, ich dachte, das Muggel schlechtere Menschen sind, dümmer, schmutziger, gieriger. Ich weiß jetzt, dass ich mich geirrt habe. Das haben mir Lydias Tagebücher gezeigt, aber auch Muggel wie Mary. Muggel sind genauso wie wir.“ Draco grinste Harry an. „Es gibt solche wie mich und solche wie dich. Gute und Schlechte.“ An Dracos Blick und Betonung war klar, wen er hier als gut und wen er als schlecht bezeichnete. „Ich zeig dir, wie schlecht ich bin“, drohte Harry und rammte seine Zehen noch einmal in Draco Seite. Der zuckte zurück, griff nach Harrys Fuß und hielt ihn fest umklammert. „Das versuch du mal!“ Sprach‘s und begann, mit den Fingern Harrys Fußsohle zu kitzeln. Harry versuchte, seinen Fuß zurückzuziehen, aber Draco hielt ihn eisern fest. Also trat er mit dem anderen Fuß nach Draco. Der brachte sich in Sicherheit, gab tatsächlich Harrys Fuß frei, startete aber sofort den nächsten Angriff, dieses Mal auf die empfindliche Haut dicht oberhalb von Harrys Knien. Mit einem Klammergriff bohrte er seine Finger in die Muskeln von Harrys Oberschenkel. Harry lachte keuchend auf und versuchte sogleich, Dracos Hände von seinen Beinen zu lösen. Dracos Achseln boten eine gute Angriffsfläche für seine spitzen Zeigefinger. So kämpften sie eine Weile weiter und versuchten, sich gegenseitig zu kitzeln und niederzuringen. Irgendwann bekam Harry beide Handgelenke von Draco zu fassen und riss ihn zu sich. Draco verlor die Balance und fiel der Länge nach auf Harry. Sein Kinn stieß schmerzhaft gegen Harrys Schlüsselbein. „Autsch!”, stöhnte beide zeitgleich auf. Draco hatte es wohl heftiger erwischt, denn er blieb ermattet auf Harry liegen. Harry spürte jedes Heben und Senken von Dracos Brustkorb. Sein betörender Geruch stieg ihm in die Nase. Bedächtig zog Harry ein Bein an und drehte sich zur Seite, damit Draco nicht die leichte Erektion bemerkte, die sich langsam in Harrys Hose bildete. Ihre Köpfe waren ganz nah beieinander. Dracos Atmen strich über Harrys Halsbeuge. Harry war kurzsichtig und konnte jede Pore auf Dracos heller Haut sehen. Als Draco den Kopf hob, entdeckte Harry blaue Sprenkel zwischen dem Grau seiner Iris und ein kleines Muttermal, das er noch nie bemerkt hatte. Eine Ader pochte an Dracos Stirn. Auch Harrys Herz schlug schnell, allerdings nicht wegen ihrer anstrengenden Rangelei. Draco begutachtete gespielt nachdenklich Harrys Gesicht. „Wenn wir die Protagonisten einer Liebesgeschichte wären, müsste ich dich jetzt küssen“, verkündete er. Harry hörte den Schalk in Dracos Stimme. Trotzdem blieb ihm fast das Herz stehen. ‚Dann küss mich doch, bitte küss mich‘, dachte er und wurde rot. Nur mit Mühe hielt er die Magie in seinem Körper, so sehr drängte sie aus ihm hinaus und wollte in Draco eintauchen, mit seiner Magie verschmelzen. „Woher kennst du dich denn mit Liebesgeschichte aus?“, fragte er, um über seine Verlegenheit hinwegzuspielen. Draco nickte in Richtung Bücherregal. „Na, durch Lydias Liebesromane.“ Warum richtete sich Draco nicht auf? Harry selbst hatte nicht die Kraft, sich von seiner Nähe zu befreien. „Ich dachte, du hast jeden Tag gelernt. Jetzt stellt sich heraus, dass du die ganze Zeit Lydias Tagebücher und Liebesromane gelesen hast.“ Harry hoffte, dass Draco dem rauen Klang seiner Stimme keine Bedeutung beimessen würde. Er spürte, wie Dracos Hände an seiner Seite nach unten wanderten, dachte sich aber nichts dabei. Er war viel zu sehr damit beschäftigt, die Gefühle in seinem Inneren in Zaun zu halten. Als Draco seine Finger auf beiden Seiten in Harrys Taille bohrte, war es zu spät, den Angriff abzuwehren. „Ich muss doch die Muggelwelt kennenlernen“, antwortete Draco und pikste noch ein paarmal hinterher. „Ah! Bitte nicht! Nein.” An dieser Stelle war Harry am empfindlichsten, was Kitzeln anging. Draco malträtierte Harry nicht allzu lange, sondern richtete sich kurze Zeit später auf und kehrte auf seinen Platz am anderen Ende der Couch zurück. „Den Kuss kriegst du ein anderes Mal“, meinte er wegwerfend, offenbar völlig ahnungslos, dass allein die Vorstellung, Draco zu küssen, ein Schauer durch Harrys Körper fahren ließ. Draco griff nach seinem Cola-Glass und nahm das Gespräch von vorhin wieder auf, als wäre nichts gewesen. Wahrscheinlich war das für ihn auch so. „Ich weiß, dass Muggel wie wir sind. Das Problem ist nur, das Wissen ist noch nicht ganz in meinem Herzen angekommen.“ Er warf Harry einen schnellen Blick zu, als ob er seine Reaktion darauf prüfen wollte. „Aber bei Lydia und Mary…?“ „Da schon.“ „Na, dann ist doch alles in Ordnung. Du musst einfach noch mehr Muggel kennenlernen, sie sozusagen an dich heranlassen. Dann wirst du auch den Rest deiner Vorbehalte verlieren. Ich weiß nicht, warum du dich so unter Druck setzt. Außerdem gibt es auch unter Muggeln totale Vollidioten.“ „Wie bei den Zauberern!“ Sagte Draco und streckte neckend seine Hand in Richtung Harrys Fuß. „Fang nicht schon wieder an!“, lachte Harry, froh darüber, dass seine seltsamen und völlig unangemessenen Gefühle abgeklungen waren und er sich wieder normal verhalten konnte. *** Tagebucheintrag von Mittwoch, 26. Dezember 2001 Ich hätte heute fast Harry geküsst. Zum Glück konnte ich mich noch einmal zurückhalten. Es war knapp. Da war sein Geruch, seine Magie, sein Lachen, die Muskeln unter meinen Händen. Harry ahnt nicht, was er mir damit antut. Diese Lippen, dieser Blick. Ich werde mit meiner Gier noch alles zerstören, was zwischen uns ist. Harry ist so unschuldig. Er sieht mich an, als sei ich…als würde er mir restlos vertrauen. Mir! Man muss Harry wirklich vor sich selbst schützen. Unsere Freundschaft ist mir definitiv wichtiger als eine kleine Liebelei. Ich muss mich dringend abreagieren. Dann wird auch Harry wieder zur Besinnung kommen. Das würde er früher oder später sowieso. Spätestens aber, wenn ich in zwei Jahren wegziehe. Ich werde Harry die Augen öffnen, damit auch er sich wieder auf jemand anderen konzentriert, jemanden, der seiner würdig ist und ihn lieben kann. *** In den darauffolgenden Tagen bereitete Harry zusammen mit Draco und ein paar Freunden die Silvesterparty vor. Das Beans blieb jedes Jahr zwischen Weihnachten und dem 2. Januar geschlossen, damit alle Mitarbeiter die Feiertage richtig genießen konnten. Da auch Muggel unter den Gästen sein würden, die nichts von Magie wussten, mussten die Möbel in den Seminarräumen verkleinert und in abschließbaren Schränken verstaut werden. Nur so war es möglich, die Räume wieder auf ihre natürliche Größe zurückzubringen. Es wäre sonst vielleicht aufgefallen, warum das Gebäude so viel mehr Platz bot, als es von außen den Anschein hatte. Harry vereinte danach zwei der nun verkleinerten Seminarräume zu einem Großen, so dass Platz für eine Tanzfläche entstand. Luna, Mary, Dean und Mark kümmerten sich um die Deko. Jill, Draco und Harry bereiteten die Pizzen und Salate vor. Bei der Gelegenheit lernten Dean und Marc Draco näher kennen. Draco blieb sehr zurückhaltend und höflich, so dass Dean Harry irgendwann erstaunt beiseite nahm und sagte, dass man Draco kaum wiedererkennen würde. Der Slytherin sei ja richtig nett geworden. Am Abend der Party trudelten die Gäste gegen 19 Uhr ein. Draco war sehr aufgeregt und Harry musste ihn zwingen, von Anfang an dabei zu sein, damit er ihn möglichst vielen Leuten vorstellen konnte. Flankiert von Jill, Luna und Mary ging das problemlos vonstatten. Hermine und Ron, sowie George und seine Freundin Jasmine gaben sich richtig Mühe, freundlich zu Draco zu sein. Nur Neville und Ginny, die Weihnachten bei Nevilles Großmutter verbracht hatten, hielten sich von Draco fern. Harry war ein wenig enttäuscht, aber er wusste, dass sich in den nächsten Wochen noch genug Gelegenheit ergeben würde, seine Freunde mit Draco zusammenzubringen. Harry hatte drei freiwillige Aushilfskräfte des Beans für den Abend engagiert, damit er sich selbst um möglichst wenig kümmern musste. Trotzdem gab es für ihn als Gastgeber immer wieder etwas zu tun. Jill und Draco halfen aus, so gut es ging. Jill hatte ihren älteren Bruder John mitgebracht. Auch der ging ihnen zur Hand und schien kein Problem mit Draco zu haben, was Harry sehr erleichterte. Gegen zehn hatte sich alles so langsam eingespielt. Harry machte seine Runden und wurde mal von dieser, mal von jeder Gruppe ins Gespräch gezogen. Zum Tanzen war er noch nicht gekommen und von Draco sah er auch immer weniger. Erst hatte er sich eine ganze Weile bei Luna und Mary aufgehalten, dann hatte ihn Harry im Gespräch mit den Nachbarn von oben gesehen. Später saß er mit Michael an der Theke. Als Harry das nächste Mal nach Draco suchte, erfuhr er, dass Draco mit Ron und Hermine nach draußen verschwunden war. Harry wollte direkt hinterhergehen, aber Luna hielt ihn davon ab. Er konnte nur ahnen, was seine Freunde und Draco zu besprechen hatten. Als die Drei wieder ins Beans kamen, sahen sie ernst und nachdenklich aus. Alerdings wirkte keiner von ihnen traurig oder aufgebracht. Harry wollte direkt zu Draco gehen und fragen, was los war, aber da wurde er von Jason aufgehalten, der das DJ Pult für eine Pause an Eric übergeben hatte und sich nun über dessen Performance aufregte. Geduldig hörte sich Harry die Litanei an und suchte mit den Augen nach Draco. Er war auf der Tanzfläche. Sobald er konnte, gesellte sich Harry zu ihm. Jill und ihr Bruder John kamen ebenfalls dazu. Zu viert tanzten sie als Gruppe und machten ein paar Späße. Es waren keine fünfzehn Minuten vergangen, da zog George Harry von der Tanzfläche. Er hatte Muggel-Feuerwerkskörper besorgt und wollte sie nun vor dem Beans aufbauen. Harry sollte ihm helfen. Es war noch eine halbe Stunde bis Mitternacht „Ich bin gleich wieder da!“, rief Harry Draco zu und ärgerte sich, dass er so wenig Zeit mit ihm hatte. Gerne hätte er Draco auch mal für sich gehabt. Leider dauerte der Aufbau des Feuerwerks bis kurz vor zwölf. Die Gäste strömten bereits mit Sektgläsern nach draußen. Nur Draco konnte Harry nicht sehen. Luna drückte ihm ein gefülltes Sektglas in die Hand. „Wo ist Draco?“, fragte er sie. Die Hexe zuckte nur mit den Schultern. Harry wandte sich an Jill: „Hast du Draco gesehen?“ Ein Schatten huschte über Jills Gesicht, dann schüttelte sie den Kopf und versuchte, Harry unterzuhaken und mit zu einer Gruppe von Mitarbeitern zu ziehen. Harry befreite sich und eilte ins Beans. Wo zum Teufel war Draco? Harry wollte unbedingt mit ihm auf das neue Jahr anstoßen. Ein paar vereinzelte Gäste befanden sich noch im Gastraum und auf der Tanzfläche. Harry steuerte Richtung Toiletten, aber dort war Draco auch nicht. Seine Magie fing an zu brodeln. Zwei Minuten bis Mitternacht und von Draco keine Spur. Dann musste er sich doch auf der Straße bei den anderen aufhalten. Harry wollte gerade den Gang zurückgehen, da blieb er vor einem der abgeschlossenen Seminarräume stehen. Von einem Instinkt getrieben, drückte er die Klinke hinunter und schaute in den Raum hinein. An einem Tisch vor dem hinteren Fenster standen zwei Gestalten. Ihre Silhouetten setzten sich gegen das Licht von draußen ab. Harry brauchte nicht lange, um zu erkennen, um wen es sich handelte und was sie da taten. Er war froh, dass die beiden ihn nicht bemerkt hatten. John küsste Dracos Hals. Seine Hände machten sich an Dracos Hose zu schaffen. Draco selbst war leicht zurückgelehnt und stützte sich auf der Tischplatte ab. Er stöhnte und streckte sich Johns Lippen entgegen. Harry konnte noch sehen, wie der begann, seine Hand rhythmisch auf und ab zu bewegen. Draco beugte sich vor und verfing Johns Mund in einem leidenschaftlichen Kuss. Leise schloss Harry die Tür. Von der Straße drangen die Stimmen der Partygäste an sein Ohr. Sie zählten im Chor die letzten Sekunddn bis zwölf. Benommen stand Harry im Gang, das Sektglas noch in der Hand. Er hörte das Knallen der ersten Feuerwerkskörper und sah, wie der Boden des Flurs mit den Lichtblitzen aufflackerte. Seine Brust schmerzte, seine Atmung ging flach. Er kniff die Augen zusammen. Die Eifersucht war wie ein Stich, der sein Denken ganz und gar ausfüllte. Nur zwei Gedanken blieben übrig. Erstens: Draco stand auf Männer. Zweitens: Harry hatte sich in ihn verliebt.

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