#UnterWeißen
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Wer hat Angst vorm weißen Mann?
Auf diese Frage kann es, wenn ich nun für mich selbst sprechen darf, auf den ersten Blick nur zwei simple Antworten geben: Ja, ich habe Angst vorm weißen Mann oder Nein, ich habe keine Angst vorm weißen Mann. Lassen Sie mich beide Antwortmöglichkeiten jeweils kurz besprechen:
1) Ja, ich habe Angst vorm weißen Mann:
Denn er hat in der Vergangenheit bewiesen, zu was er alles fähig ist: Kolonialismus, Weltkriege, Patriarchat, Klimakrise... Relevant für das Jetzt ist allerdings – und immer im historischen Kontext betrachtet – welche Macht der weiße Mann ***heute*** noch inne hat.
Ich habe recherchiert. Es folgen ein paar Statistiken, ich bitte daher ab spätestens jetzt um Konzentration:
Mehr als 90 Prozent der rund 69 Trillionen Dollar, die an der Wall Street gehandelt werden, liegen in den Händen von weißen Männern.1
Die Vorstände der 30 Dax-Unternehmen sind fast alle weiß, 86,6 Prozent sind Cis-Männer >>> Das Kapital liegt also in den Händen von weißen Männern
Beispiel #2: Seit 1949 gab es in deutschen Bundesregierungen mehr Staatssekretäre, die den Vornamen Hans tragen als Staatssekretärinnen. 24 Hanse (ist das der richtige Plural von Hans?) stehen 19 Frauen gegenüber. Und die Frauen haben nur knapp die Karls überholt, von denen gab es seit dem Ende des zweiten Weltkriegs immerhin 18.2 >>> Die politische Gestaltungsmacht liegt im sogenannten Globalen Norden – und dort in den Händen von weißen Männern. Auf Angela Merkel und die im vergangenen Jahr gefeierte weiblich dominierte finnische Regierung komme ich später zu sprechen.
Drittes Beispiel: Fast 80 Prozent der Autorenschaft in der US-Unterhaltungsindustrie (mit Fokus auf Fernseh-Angebote) liegt in den Händen von weißen Männern.3 Sie sehen, dass ich mich oft auf Zahlen aus den USA stützen muss, weil es allgemein für deutsche und europäische Kontexte wenige bis gar keine Erhebungen gibt. Was die Sichtbarkeit von Nicht-Weißen Menschen im Unterhaltungsmainstream angeht, kann ich für Europa an dieser Stelle auch mit qualitativen Rechercheergebnissen dienen. Wie werden People of Color auf unseren Bildschirmen repräsentiert? Ich sage es Ihnen: Türkisch für Anfänger, Einmal Hans (!) mit scharfer Soße, 4Blocks, ziemlich beste Freunde (schlimm!), Monsieur Claude und seine Töchter (ganz schlimm!), Willkommen bei den Hartmanns (ein Kassenschlager in Schland!) usw...
Weißer Humor schlägt somit auch bei der Repräsentation von PoCs durch weil die meisten Autoren, Regisseure, Produzenten und die ZIELGRUPPE weiße Menschen, insbesondere weiße Männer sind.
Ich könnte noch so weiter mit Statistiken um mich werfen, aber ich glaube, dass klar geworden ist, was ich damit aussagen möchte. Eine bekannte deutsche Wochenzeitung hat trotz dieser Evidenzen schon vor Jahren „Das Ende des weißen Mannes“ prophezeit. Zitat: „Mächtig werden jetzt Frauen, Schwarze, Latinos“ (Zitat Ende), hieß es in der Schlagzeile aus dem Jahr 2012. Das ist natürlich (und leider) mit Blick auf die Empirie ein fataler Trugschluss: In Wirtschaft, Politik und Kultur haben weiterhin weiße Männer das Sagen und die Gestaltungsmacht. Und es sieht nicht so aus als würde sich das substanziell in nächster Zeit ändern.
Vor diesem Hintergrund und mit unserem historischen Wissen muss man sich also nicht schämen, wenn man als Person of Color zumindest ein wenig Angst oder Skepsis oder Unwohlsein gegenüber weißen Männern verspürt. Es gibt ja aber auch noch eine andere Antwortmöglichkeit auf meine Ursprungsfrage:
2) Nein, ich habe keine Angst vor dem weißen Mann.
Das wiederum hat viel mit einem neuen Selbstbewusstsein zu tun, mit einer noch relativ neuen Sprechfähigkeit von People of Color vor allem in Deutschland: Mit der Rezeption alternativer Geschichtsschreibung, eines alternativen Kanons und alternativer Kulturpraktiken, die nicht der etablierten weißen Norm entsprechen. Plötzlich hat Christopher Columbus Amerika eben nicht entdeckt, die Rolle von Frauen of Color im Kampf gegen koloniale Kontinuitäten werden sichtbar, Blackface ist nicht harmlos, Voltaire, Martin Luther oder Theodor Fontane (erst im vergangenen Jahr mit viel Steuergeldern gefeiert) waren Antisemiten.
Auch die alltägliche Popkultur bekommt neuen Schwung: Alle Kidz sagen auf einmal valla. Sogar in Berlin-Wannsee, Hamburg-Eimsbüttel oder in Freiburg. Wobei die weiß-privilegierten Jugendlichen zurück in ihre Goethe-Gymnasien gehen während viele junge PoCs nicht dieselben Chancen der Teilhabe genießen können. Dennoch: It’s okay to be of color and proud of it in Almanya. Das ist wirklich etwas Außergewöhnliches in einer Gesellschaft, die darauf programmiert ist, Minderheiten unsichtbar, hörig und kontrollierbar zu machen. Angehörige von Minderheiten stellen sich mittlerweile furchtlos vor die deutsche Öffentlichkeit und sagen: Euer Integrationsprojekt stinkt. Ich möchte mich nicht in eine Gesellschaft „integrieren“, die Rechtsextreme in ihren Parlamenten nicht nur duldet sondern teilweise als Demokratie feiert, die Polizeigewalt gegen Minderheiten verharmlost oder Menschen im Mittelmeer ertrinken, an den Außengrenzen abknallen und in der Nachbarschaft zerbomben, verhungern oder erfrieren lässt.
Ich habe keine Angst vor dem weißen Mann, auch weil WIR Wissen in uns tragen, zu dem wir exklusiven Zugang haben. Weiße Islamwissenschaftler*innen, Anthropolog*innen, Politikwissenschaftler*innen studieren sechs bis zehn Semester und können auf dem von ihnen imaginierten Souk aus 1001 Nacht noch nicht mal 1 Kilogramm Tomaten kaufen.
Auf die Frage: Wer hat Angst vorm weißen Mann? Gibt es in Wahrheit keine eindeutige Antwort. Ich würde sie sogar je nach Tagesform jeweils anders beantworten, jede Person of Color hier im Raum hat andere Erfahrungen mit weißen Männern gesammelt und verortet sich stets irgendwie doch in intersektionalen Strukturen von Diskriminierung und Privilegien. Apropos Intersektionalität: Ich muss an dieser Stelle kurz über weiße Frauen sprechen: WTF? WHITE WOMEN? Historisch betrachtet haben sich weiße Frauen sehr oft für die falsche Seite der Geschichte entschieden: Angefangen bei den 53% weißen Frauen, die 2016 für Donald Trump gestimmt haben4, über Marine Le Pen, Beatrix von Storch, Alessandra Mussolini (alle mit interessanten Familiengeschichten) bis hin zu Beate Zschäpe. Ich stehe weißen Frauen also ebenfalls oft mit Angst oder Skepsis oder Unwohlsein gegenüber. Mehr Frauen an der Macht in Dax-Vorständen, als Staatssekretärinnen oder Drehbuchautorinnen sind wichtig, mehr Frauen of Color an der Macht sind mir ganz persönlich aber wichtiger.
Wenn ich das später alles twittere oder auf anderen Wegen bekannt werden sollte, dass ich hier über Weiße Männer und Frauen gesprochen habe, werde ich wieder reichlich Zuschriften bekommen, wie rassistisch ich sei, so über (immerhin) die Bevölkerungsmehrheit zu sprechen. Aber jetzt mal ehrlich: Wer sind diese Weißen überhaupt? Die Bevölkerungsmehrheit in diesem Land und in anderen weißen Mehrheitsgesellschaften ist untererforscht. Weiße studieren und verstehen fördert meiner Meinung nach das friedliche Zusammenleben und davon profitieren letztendlich alle – auch der weiße Mann.
Und genau diese wichtige Grundlagenforschung passiert in diesen Tagen hier in Freiburg, habe ich dem Programm entnommen: ein Vortrag über „white Gaze“ (nicht zu verwechseln mit White Gays, die aus queerer Perspektive auch ein wichtiges Thema darstellen. Trade Mark für diesen Joke liegt bei Hengameh Yaghoobifarah)5, partnerschaftliche Entwicklungspolitik, the western feminist agenda, Rassismus im Bildungssystem, Schwarze Perspektiven auf die Kolonialität der Klimakrise... um nur einige Themenbereiche zu nennen, die einen Beitrag zur Völkerverständigung und InTiGrAtiOn von Weißen leisten.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und Euch allen fruchtbare Diskussionen und spannende Forschungsergebnisse. Vielen Dank.
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1 https://www.axios.com/wall-street-white-male-control-numbers-ad700876-daa7-4b5b-a271-1e00eeccca5c.html
2 https://www.zeit.de/politik/deutschland/2018-09/gleichberechtigung-frauen-diskriminierung-fuehrungspositionen-ministerien/komplettansicht
3 https://socialsciences.ucla.edu/wp-content/uploads/2019/02/UCLA-Hollywood-Diversity-Report-2019-2-21-2019.pdf
4 https://www.theguardian.com/commentisfree/2018/nov/09/white-women-vote-republican-why
5 https://www.ullstein-buchverlage.de/nc/buch/details/eure-heimat-ist-unser-albtraum-9783961010363.html
(Diese KeyNote war Teil des Auftakts des Freiburger Syposiums „Dear White People... Check your Privilege“ am 10. Januar 2020)
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Was hat sich viel getan in Deutschland. Mit offenen Armen haben die Deutschen im Sommer 2015 die Flüchtlinge willkommen geheißen, ihnen in unzähligen Stunden freiwilligen Engagements die Sprache beigebracht und ihnen bei der Ankunft geholfen. Doch wie offen ist die Gesellschaft wirklich? Wie stellt sich der Alltag dar, wenn man den „Menschen mit Migrationshintergrund“ unfreiwillig begegnet? Der Journalist Mohamed Amjahid macht den Realitätscheck und deckt so mache Lücke zwischen Selbstwahrnehmung und Erfahrung von Zuwanderern auf. Keine Abrechnung mit einem unfreundlichen Land, sondern eine Auseinandersetzung mit womöglich unbewussten Ressentiments und beiläufiger Diskriminierung. „Unter Weißen“ – wer ist eigentlich „wir“ und was macht uns dazu?
#mohamedamjahid #unterweißen #rezension
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#UnterWeißen #36: Positive Energie
Vor circa einem Jahr erschien mein Buch #UnterWeißen. Zum Jubiläum möchte ich mal eine Nörgelpause einlegen und an dieser Stelle positive Rückmeldungen teilen. Ich bekomme seit zwölf Monaten pro Tag ein bis zwei ausführliche Emails (meist über das Kontaktformular meines Blogs) zum Buch zugeschickt. Darunter finden sich – wie in den Sozialen Medien – hasserfüllte und rassistische Tiraden. Es gibt aber auch jene Leser/innen, die das Buch wirklich gelesen haben. Die hohe Bereitschaft zur Selbstreflexion aus einer weiß-privilegierten Position heraus lässt mein Autorenherz natürlich höher schlagen. Hier ein paar zufällig ausgewählte Zuschriften. Enjoy! <3
März 21, 2018 um 07:23
Hallo! Ich wollte nur mal gern loswerden, dass mir Ihr Buch die Augen über mein weißes, privilegiertes Dasein geöffnet hat. Seit ich einen nicht biodeutsch aussehenden Freund habe, werde ich plötzlich ständig mit Rassismus konfrontiert. Es ist beschämend. Danke für das Buch und viel Kraft und gute Freunde, diesen Mist weiter auszuhalten und sich nicht kleinkriegen zu lassen. Viele Grüße
Februar 21, 2018 um 12:37
Guten Tag lieber Mohamed Amjahid, ich wollte nur ganz schnell ein Dankeschön hinterlassen für dieses Buch (Unter WEISSEN)! Ich bin sehr begeistert, es wird so wunderbar klar rassistische Normalität/weiße deutsche Norm dekonstruiert - (sehr sorgsam erklärt, um was es geht, was genau woran warum rassistisch ist, und das ganze sachlich und klar und straight (!) und dann auch noch unterhaltsam und in einer Sprache/Wortwahl, die viele Menschen verstehen können) - wie gesagt Danke!!! Ich finde es immer wieder nervig, zu merken (bei mir selbst und anderen) wie schwierig es scheinbar aus einer weißen Perspektive ist, rassistische Aussagen zu entkräften, die mit dieser weiß-europäischen Doppelbödigkeit (Aufklärung/Moderne/Fortschritt usw) verbunden sind und wie weiße Leute inklusive ich dann anfangen rumzu"eiern". Bei Ihrem Buch dachte ich die ganze Zeit, ja, genau, so klar kann es gesagt und argumentiert werden...! September 10, 2017 um 09:31 kein Buch hat mich in diesem Jahr so beeindruckt und zum nachdenken angeregt wie dieses. Ich brauche noch einige Zeit um ihr Buch zu verdauen und zu reflektieren in welchem angepassten Vakuum ich gelebt habe. Auch zu sehen das viele der Dinge die ich erlebe und erlebt habe eben nicht normal sind . Dankeschön dafür !!!!!
August 22, 2017 um 11:40
Sehr geehrter Herr Amjahid,
gerade habe ich Ihr Buch "Unter Weißen" beendet. Vielen Dank für diesen kritischen, dabei respektvollen, rationalen und teils humorvollen Beitrag mit einer Menge Details und Einschätzungen, die mir als "Biodeutschem" und sicherlich überdurchschnittlich priviligiertem Menschen wiederum ein Stück mehr die Augen geöffnet haben.
Mit besten Wünschen für die Zukunft, Mai 7, 2017 um 20:03 Hallo Mohamed Amjahid, ich habe Ihr Buch fast durchgelesen und finde es ist ein wichtiger Beitrag - aufgrund seiner Aktualität, seiner Niederschwelligkeit, Ihrer Positionierung darin.
April 26, 2017 um 16:52
Sehr geehrter Herr Amjahid,
am Samstag habe ich mal wieder eine Folge Forum am Freitag geschaut, in der Sie Ihr Buch vorgestellt haben. Das Thema hat mich fasziniert, und so habe ich mir noch am gleichen Tag das Buch gekauft. Am Montag war ich damit fertig. Es ist ein sehr gutes Buch, klug beobachtet, flüssig geschrieben, nicht übergriffig, und regt ohne erhobenen Zeigefinger zum Nachdenken an. Mehr als einmal fühlte ich mich ertappt. Vielen Dank dafür!
* Kursivierungen nachträglich eingefügt
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#UnterWeißen #34: Am weißesten
Als ich mich in die Bibliothek der Maison-Heinrich-Heine im Herzen der Cité Universitaire von #Paris setzte, fing es an zu schneien. Ich habe mich sehr über die Einladung gefreut, konnte ich doch endlich auch vor einem französischen Publikum mein Buch und meine Arbeit vorstellen. Jetzt weiß ich: Es war sehr wichtig zwischendurch wiedermal so eine Erfahrung zu machen, im Land, das ich provokativ als „der weißeste Ort in #Europa“ bezeichne.
Nach wenigen Minuten (maximal acht) meldete sich eine junge Frau im Publikum. Sie hatte schon von Anfang an gezittert, ihren Kopf geschüttelt, die Augen verdreht, Grimassen gezogen – bei jedem Satz den ich aussprach. Sie konnte sich nicht mehr zurückhalten und hielt einen kleinen Vortrag, um mir zu erklären, dass ich einfach nur falsch falsch falsch liege. Ich habe nicht verstanden, was ihre Message war. Sie wollte ein größeres Opfer als alle sein, fand es überhaupt überflüssig, die Geschichte aufzuarbeiten und wollte unbedingt über die Diskriminierung von Weißen in Algerien sprechen. Es klang alles etwas wirr. Ein Monsieur, der ganz vorne saß, fühlte sich daraufhin berufen, etwas zu sagen. Er hielt ungefragt einen kleinen Monolog und streute die Wörter Moschee, Scharia und natürlich ISLAM ein. Ein anderer Monsieur antwortete ihm: Moschee, Scharia, Islam. Ich machte mir als Anthropologe ein paar Notizen im Kopf. Die junge Frau meldete sich kurze Zeit später wieder, machte die Ansage, dass sie nun provozieren und über Minderheiten (das wahre Problem) reden wolle. Mir fehlten so ein wenig die Worte, hätte ich nie gedacht, dass eine französische Gesprächsdynamik dermaßen schnell solch aggressive und essentialistische Formen annehmen kann. Was ist nur los in #Frankreich?
Dann meldete sich eine Studentin zu Wort. Sie lächelte und fragte, wie man sich als Weiße in Allianzen gegen Rassismus und Othering einbringen könne. Ich weiß nicht, ob sie ihre Frage bewusst stellte oder es mehr Zufall war. Aber sie brachte mich wieder, trotz Widerstand im Raum, auf das Hauptthema des Abends zurück: die Privilegien der Mehrheitsgesellschaft. Ich schaute in die hinteren Reihen. Da saß meine wunderbare Freundin Cécile und nickte mir anerkennend zu. Neben mir saß Valérie, die Moderatorin, die mich in ihrer Rolle unterstütze, manchmal ein präziseres Wort im Französischen einstreute, sich angenehm zurückhielt und doch einige Male klärend eingriff. Ich machte einen Witz, dass ich mir in Deutschland wünschen würde, als „Kartoffel“ beschimpft zu werden und nicht als hypersexualisierter Eselficker. Einige lachten, andere nicht. Die ungeduldige Frau, die weiterhin zitterte und zappelte, schob die Frage nach, ob ich es okay fände, als „Couscous“ bezeichnet zu werden. Da war die Diskussion aber schon beendet.
Die Frau stand später mit den Messieurs beim Wein-Empfang im Foyer und regte sich über Mohameds wie mich auf. Ich weiß nicht, was sie im Einzelnen besprochen und abgemacht haben. WIR stapften nämlich kurze Zeit später durch den Schnee in die Stadt, um in Ruhe Allianzen zu schmieden.
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#UnterWeißen #33: Hinter Gittern
Heute war ich im Knast. Ich war Gast in der Jugendarrestanstalt (schöne deutsche Sprache) in Berlin-Lichtenrade. Dort habe ich ein Dutzend junge Menschen getroffen, die mal große und mal kleinere Scheiße gebaut haben und deswegen bis zu vier Wochen auf ihre Freiheit verzichten müssen. Wir haben Kuchen gegessen und geplaudert. Am Tisch: Jungs (es waren ein paar mehr) und Mädels, zwischen 14 und 22, weiß und nichtweiß, aus armen (die meisten) und aus sozial stabileren Verhältnissen. Die meisten haben ihren Schulabschluss (noch) nicht geschafft. Aus Datenschutzgründen kann ich hier nicht mehr über deren Geschichten schreiben.
Mir ist aber wichtig festzuhalten, dass neben der individuellen Verantwortung, die diese jungen Menschen hinter die hohen Mauern der Anstalt befördert hat, die Gesellschaft als ganzes eine Mitverantwortung trägt. Ich habe heute mit Kindern sprechen dürfen, an die niemand oder nur wenige geglaubt haben und glauben – aufgrund ihrer (sozialen) Herkunft, ihrer Hautfarbe (!), ihres Habitus. Der eine nichtweiße Jugendliche meinte sogar, dass Racial Profiling verständlich sei – „weil 'wir' ja die meiste scheiße bauen“. Im Gespräch verstand er aber schnell, dass es auch kontraproduktiv sein kann und Menschen kaputt macht, wenn man sie aufgrund ihrer Hautfarbe und Herkunft andauernd verdächtigt, herauspickt, stigmatisiert. Die diskriminierenden Strukturen haben sich in zu viele junge Köpfe festgesetzt.
Bei denjenigen Jugendlichen, die mit mir ausführlicher gesprochen haben, konnte ich beobachten, wie eloquent, (selbst-)kritisch und auch streitlustig sie sind. Die weniger privilegierten weißen Kids hinter Gittern waren reflektierter als so mancher Professor in Freiheit. Es ist für uns alle ein Armutszeugnis, dass wir als Gesellschaft nicht mehr Ressourcen in diese Menschen „investieren“. Die Knausrigkeit der deutschen politischen Kultur wird uns alle noch viel kosten.
Ich bedanke mich sehr für die Einladung und bei den Menschen, die sich um diese Jugendlichen kümmern. Mehr Infos, auch wie man den Förderkreis der JAA unterstützen kann, finden sich hier: http://www.arrest-im-kieferngrund-ev.de
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#UnterWeißen #28: Angry enough?
I called her Erika. Yesterday after work an older, slow walking lady pushed me on the stairs of a metro station in Berlin. She first hit me with her large, too heavy shopping bag and then rammed her arm into my back. The station was crowded and everybody was getting out to enjoy the last minutes of the daylight.
Erika didn't hurt me and first I was wondering how I should react. I immediately looked into the possibility that it was my fault, maybe I was too slow and she had an important thing to do at 7 p.m., maybe she overbalanced and tried not to fall, me just by chance being directly in front of her, maybe it was just a giant misunderstanding or she just had a very bad day.
But when I turned and looked in her eyes I saw that she did this on purpose. The white women murmured a few words: Just go away! (geh einfach weg!). Shaking heavily her head and waving with her wrinkled right hand. And when we were standing at the red light and I asked her where she thinks I should go, she decided to cross the road without waiting for the permission of the green guy. Her last words I could catch: Back where you come from! (zurück woher du kommst!).
I let her go. In case of a public dispute Erika will win with high chance over Mohamed. I took a final picture looking at her walking away, shaking her head in disbelief, maybe because she is losing “her Germany” to all those people who don't look like “normal human beings”.
Why am I telling this kind of story this time? Of course I was angry, even furious. It happened again. However, a few moments after this incident I got a work related call – I answered and totally forgot about Erika for the rest of the day. Just like it never happened, I stopped thinking about her immediately. This morning, after I woke up (as usual before my alarm clock), I browsed thru my apps and saw the picture I took seconds after Erika left the crime scene. How could I just forget about her? How could I just say to myself: it happened again, let's put this aside too?
I am writing this in English since I just finished amazing books by James Baldwin and Chimamanda Ngozi Adichie, and because I had in the last couple of weeks and months too many destructive conversations in German. With people being offended that I refer to them with the adjective “white”, same people who usually want to change the topic and talk about “the real problems”, like “Arab ghettos” and “your culture raping women”, with people who try to compete with me in the olympic games of self-victimizing while privileged and who are just angry with the fact that I exist in “their country”.
After I remembered Nazi-Erika this morning I asked myself going down the same staircase: Am I maybe not angry enough?
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#UnterWeißen #30: „This is part of democracy!“
This sunday Germany elects a new parliament. I got invited to some election parties and public viewings all over Berlin. Despite my journalistic impulse to be among other people, I decided to stay at home with close friends. At 6 p.m. (CET) bars will appear on the screen of my laptop: black, red, green, yellow, purple, blue and grey. While these bars grow, while TV-anchors move their lips to pronounce the results, while politicians will stand in front of their supporters to announce their defeat or victory, I don’t want to hear one specific sentence: „This is part of democracy!“
Too often (and mostly white people) lectured me about how (their concept of) democracy is equal to the right of voting for an ideological force that promotes as an entity and without shame antisemitism, racism, sexism and homophobia, fear and hate against minorities, the negation of basic human rights and decency and the destruction of the rule of law. In many white majority countries I usually jump into these conversations with verve and ready to digest arguments. Oh yes, I had so many of these fights in the past. They are exhausting. They often end with someone being offended.
I live in Germany, I love my life there. Since I am not able to vote I have to watch other people deciding about my faith too. Apparently millions of them not even trying to understand what democracy means and more important: does 👏🏽 not 👏🏽mean 👏🏽. No no no. I want this sunday to be a nice sunday. I just want to sit with a good drink in my comfi pyjama on my comfi couch with my best friends and watch how a promised disaster will likely happen. I am rewarding myself with a safe space this sunday. We will close the laptop, chat about the results, the painful past and the uncertain future while preparing something spicy to eat.
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#UnterWeißen #26: Hände hoch!
Ich manövriere mich quasi nur noch mit erhobenen Händen durch die Stadt. Dort wo auf wenig Platz viele Menschen kommen, ist diese unbequeme Gedankenhaltung für mich eine kleine Versicherung. Es soll bloß niemand beim Anblick meines Körpers auch nur auf die Idee kommen, ich hätte Böses im Sinn (weil ich ja eigentlich ein ganz Lieber bin, glaube ich).
In einer U-Bahn stand ich also heute morgen mit erhobenen Händen und versuchte mein Körpergewicht so zu balancieren, dass ich keinen anderen Fahrgast berühre. Direkt vor mir wurde ein Platz frei, der aber eher nur für eine meiner Arschbacken ausreichte. Im öffentlichen Raum, das habe ich mir antrainiert, ist die Einnahme von zu viel Raum (zum Beispiel durch Manspreading) für mich ein No-Go. Und so wollte ich mich auch nicht neben die junge Frau quetschen und ihr damit auf die Pelle rücken.
Sie schaute mich an und sagte: “Setzen Sie sich, hier in ***Deutschland*** darf man sich neben ***Frauen*** setzen. Hihihi.”
Ich antwortete ausführlich mit einem ***Augenroll*** und blieb stehen. Wie “Nafri” es macht, es ist falsch.
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#UnterWeißen #22: das christlich-antisemitische Abendland
In einem Gespräch wurde ich mal im dritten Satz meines unbekannten Gegenübers (ein einflussreicher Publizist) als Antisemit bezeichnet – weil ja alle Araber per se und qua Herkunft Antisemiten sein müssen.
Gerade eben beim Frühstück in einem Gästehaus in einem Dorf in Zentralitalien, in das ich mich zum Schreiben dieser Zeilen zurückgezogen habe, fragte mich die ältere Gastgeberin, was ich denn so von Juden halte. Als ich nicht direkt antwortete – denn ich weiß was immer danach kommt und warte manchmal ab – erzählte sie mir die wahre Geschichte vom 11. September 2001. „Sie haben im Erdgeschoss Bomben installiert, es hat Puff, Puff, Puff gemacht, dann ist der Turm in sich zusammen gefallen“, die italienische Mamma servierte mir eine heiße Schokolade und wunderte sich explizit, was ich für 1 Araber sei. Ich nickte nämlich nicht zustimmend, sondern packte alles Pädagogische in mir aus, um ihr eine Lektion in Sachen Antisemitismus zu halten. „Aber ihr Araber wisst es doch besser!“ Wir sprachen ein wenig über die Unrechtmäßigkeit der israelischen Besatzung nicht völkerrechtlich anerkannter Gebiete und ich bat sie darum, dass sie bitte gerne zwischen der israelischen Regierung und „den Juden“ differenzieren sollte. Ich wusste gar nicht, dass mein Italienisch für einen Vortrag dieser Art ausreichen würde. Hoffentlich habe nicht nur ich gerade etwas gelernt.
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#UnterWeißen #21: über weiße Dämonen
Kolonialismus kann man im globalen Süden auch dort ablesen, wo man es gar nicht vermutet. In Nordafrika praktizieren nicht wenige Muslime, Juden und polytheistische Gläubige den Dämonenkult. Das hört sich gruselig an, ist aber mit katholischen Wallfahrten vergleichbar. Es gibt schwarze Dämonen, arabische Dämonen, christliche Dämonen, muslimische Dämonen. Als der Kolonialherr kam, tauchten plötzlich weiße Dämonen auf. „Die sollte man lieber nicht verärgern“, sagte mir eine Pilgerin an einem Heiligenschrein in West-Algerien. Weiße Dämonen hätten keine Skrupel davor, Gewalt anzuwenden, Frauen zu vergewaltigen, Kinder zu töten. Was muss die Kolonialzeit nur für ein kollektives Trauma gewesen sein?
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#UnterWeißen #25: “Setz dich hinten in den Bus, da gehörst du hin!”
Heute morgen stieg ich in Budapest in einen Bus der Linie 9 Richtung Óbuda ein. Nach drei oder vier Stationen wurde ein Sitz frei. Ich schaute links und rechts nach älteren Passagieren und fand keine, also setzte ich mich hin, um mein Smartphone besser bedienen zu können. Eine Station dauerte es dann noch bis der Herr einstieg, der auf dem Bild den schwarzen Rucksack trägt. Der maximal 40-jährige Mann erblickte mich, zögerte keine Sekunde und begann mich anzuschreien. Ich verstand natürlich nichts. Außer, dass er manchmal “Busz” sagte. Eine sehr nette, jüngere Frau (man sieht ihre Hand im Vordergrund) blickte mir etwas besorgt in die Augen. Ich fragte sie, ob sie mir übersetzen könnte.
“He says that you should sit in the rear of the bus, he says that you belong there, that you need to be in the rear. But don’t worry, stay where you are. Don’t care about these people.”
Sie diskutierte kurz mit ihm, dann drehte sich der Mann um und zitterte weiter vor Wut und vor sich hin. Alle anderen Passagiere blieben demonstrativ passiv. Ich machte noch dieses Bild, stieg an meinem Ziel aus und muss seitdem an diese Busfahrt denken.
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#UnterWeißen #24: Botschaftsgespräche I
In der bosnischen Botschaft in Berlin saß ich mal vor einem schlaksigen Mitarbeiter mit einem sehr dünnen Schnurbart. Er sah aus wie aus einem Stummfilm entsprungen. Seine Haare säuberlich zur Seite gekämmt. Ich balancierte etwas erhöht auf einem quietschenden Drehstuhl in seinem Büro. Er sank in einer alten, schwarzen Ledercouch mehrere Zentimeter unter mein Kinnniveau. Also schaute ich ungewollt auf ihn herab. Er konnte weder Deutsch noch Englisch. Ich kann kein Bosnisch. Dennoch versuchte er, mit Hilfe eines Mini-Taschenwörterbuches, seinen Fragenkatalog abzuarbeiten:
„Mohamed. Sie. 1992. Krieg?“
Ich schüttelte etwas verunsichert meinen Kopf, obwohl ich ja sicher im Jahr 1988 geboren bin.
„Sie. 1992 – er blätterte lange im Wörterbuch – bis 1995. Waffen?“
Ich schüttelte meinen Kopf erneut.
„Sie. Terror. Serbien?“
Ich schüttelte nun während der nächsten fünfzehn “Fragen” einfach durchgehend den Kopf. Dann sagte er irgendwann: „Welcome to Bosnia-Herzegowina!“ Er schüttelte mir übertrieben die Hand und klebte einen blau-gelben Sticker in meinen Pass.
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#UnterWeißen #19: empower me, baby!
Der Sozialpsychologe Julian Rappaport prägte das Konzept der Stärkung „diskriminierter Gruppen“ und argumentierte, dass Empowerment im Sinne einer Emanzipierung von benachteiligten Menschen und das friedliche Zusammenleben in der Gesellschaft für alle Beteiligten kostengünstiger ist. Empowerment benötigt aber zunächst eine Selbstreflexion von Minderheiten und vor allem von der Mehrheitsgesellschaft. So muss sich ein privilegierter Mensch zunächst von jeder Art von Paternalismus und einem starren Bild vom Helfer und vom Hilfsbedürftigen, von Vorurteilen und der Diskriminierungskontinuität in der eigenen Geschichte befre
Empowerment ist Hilfe zur Selbsthilfe gepaart mit Respekt und einem Austausch auf Augenhöhe. Den Anderen zuhören kann schon ein großer Schritt sein, das augenscheinliche Machtungleichgewicht abzumildern. Weiße müssen Feministinnen nicht belehren nur weil sie ein Kopftuch tragen. Weiße müssen „Afrika“ nicht vor dem Hunger retten, sie sollten dafür sorgen, dass ihre Regierungen und ihr Konsumverhalten andere Menschen nicht mehr verhungern lassen. Weiße müssen nicht Vorträge halten wie Demokratie oder Marktwirtschaft funktioniert, eher sollten sie sich selbst erklären, wie es historisch betrachtet zur Schieflage in so vielen Ländern des globalen Südens kommen konnte.
Beim Empowerment von Individuen, benachteiligter Gruppen oder ganzer Völker geht es nicht um ihre Defizite, sondern darum ihre Potenziale gemeinsam in den Mittelpunkt zu stellen. Das Konzept knüpft an die Stärken und Kompetenzen der vermeintlich zu rettenden Menschen. Empowerment ist eigentlich ein anderes Wort für Solidarität. Die Privilegierten geben dabei ihre Privilegien nicht komplett auf, sie teilen sie mit jenen, die bis dato ausgeschlossen waren. Eine Kopftuchträgerin wird somit zur gut ausgebildeten Expertin oder schlicht zur Feministin. Einem Flüchtling muss man, trotz seiner Not nach der Flucht, nicht gleich die Welt neu erklären. Nichtweiße werden nicht mehr als Bittsteller sondern selbstverständlich als Gesprächspartner auf Augenhöhe betrachtet.
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#UnterWeißen #18: Über ethnologische Museen (2)
Im Jahr 2009 war ich zu Besuch in Brüssel und ging am Wochenende in das Afrika-Museum von Tervuren. „Schnell bevor es umgebaut wird“, sagte mir zuvor ein guter Freund und drückte mir einen Stadtplan in die Hand.
Das Museum war damals auf dem Stand von 1957. „La Belgique apportant le bien-être au Congo“ (Belgien bringt dem Kongo den Wohlstand), informierte kontextfrei eine Inschrift in der Ausstellung. Es existierte keine Pädagogik, keine Kontextualisierung, keine Einordnung in diesem Museum: Weißer Kolonialismus pur, entlarvend – und irgendwie auch erfrischend ungefiltert. Die teils unkommentierten Karten und Exponate stammen teilweise aus dem Jahr 1885, dem Jahr der Berliner Kongokonferenz. Damals deklarierte König Leopold II. den Kongo, ein Land so groß wie Westeuropa, als seinen Privatbesitz – Einwohner inklusive.
Als ich durch das Museum schlenderte, traf ich auf eine Gruppe von Drittklässlern. Die Schüler waren begeistert von den großen Masken und den vielen bunten Bildern. Es waren elf weiße Kinder – und ein schwarzes Kind. Sie spazierten mit ihrer Lehrerin durch die Ausstellung. Ich verfolgte die Gruppe – so unauffällig wie möglich – durch die Räume und blieb nach einer halben Stunde vor einer Videoinstallation stehen. Das schwarze Kind hatte sich von der Gruppe gelöst und starrte zusammen mit mir und mit offenem Mund auf die schwarz-weißen, vergilbten Bewegtbilder.
Auf dem kleinen Bildschirm war zu sehen, wie weiße Geistliche "wilde schwarze Menschen" in "zivilisierte Wesen" verwandelten. Der rund drei Minuten lange Film fing mit nackten, tanzenden schwarzen Körpern an und endete mit einem Gruppenfoto: Adrett gekleidete Kongolesen, eingerahmt von zwei weißen Priestern und einigen Nonnen. In ihren Händen hielten sie die Bibel – dass Millionen von Menschen damals ihr Leben,(im wahrsten Sinne) ihre Hände und Würde verloren haben, war da kein Thema. Belgien hatte ihnen ja Wohlstand, Wissen und Weisheit gebracht. Das schwarze Schulkind schaute sich die Szene zweieinhalb Mal in der Endlosschleife an, bevor es von seiner Lehrerin weggezerrt wurde.
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#UnterWeißen #23: Gegen-”Argumente”
"Ich möchte nicht 'weiß' genannt werden, anders als SIE habe ich keine Farbe."
"Der Davidstern wurde vom Islam erfunden [...] und der beste Freund von Hitler war der Mufti von Palästina."
"Du bist doch nur eifersüchtig auf UNS!"
"Wenn Du Deutschland so hasst, warum bist Du hier? Warum bist Du hier geboren?"
"Muslime können keine Atheisten sein."
"Die wahre Gefahr ist, dass Du auf so ungefährlich machst."
"Es gibt auch gut gemeinten Rassismus."
"Ich will nicht immer nur über 'die Mehrheit' reden, wir sollten auch mal zur Abwechslung über Minderheiten, Muslime und diese Flüchtlinge reden."
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#UnterWeißen #16: Wie ich einst illegal in die Schweiz reiste...
Der Institutsdirektor mietete wie jedes Jahr einen Reisebus, um seine neuesten Studis in die Wiege des Abendlandes zu fahren. Rom liegt vom Herzen Baden-Württembergs aus gesehen eine knapp 12-stündige Busfahrt entfernt – egal ob man die Route über Österreich oder über die Schweiz nimmt.
Ich war erst kürzlich in den Genuss eines Schengenvisums gekommen und konnte mich zum ersten Mal in meinem Leben in vielen europäischen Staaten frei bewegen. „Traditionell fahren wir über die Schweiz. Es wird schon schief gehen“, lautete die Antwort des Direktors als ich Werbung für die Österreich-Route machen wollte. Damals, Anfang 2008, war die Schweiz noch kein Mitglied des Schengenraumes, ich durfte dort ohne Visum nicht einreisen.
Ich bat also darum, mit der Tradition zu brechen und ausnahmsweise mit dem Flugzeug von Stuttgart nach Rom fliegen zu dürfen, wo ich doch auf die anderen Exkursionsteilnehmer treffen könne. Ich wollte nicht in Schweizer Abschiebehaft enden (die scheinen ja sehr rigide mit Nichtweißen umzugehen, stellte ich mir schon damals vor) und war der Überzeugung, jeder normale Mensch würde meine Sorgen verstehen – FALSCH GEDACHT MO, DENN ES IST FÜR EINIGE PRIVILEGIERTE MENSCHEN ANSCHEINEND UNMÖGLICH, SICH IN ANDERE HINEINZUVERSETZEN.
Der Direktor befahl mir, im Sinne der Tradition und "wie alle anderen", in den Bus zu steigen.
Am späten Abend passierten wir die Grenze zwischen Deutschland und der Schweiz. Ich saß in der vorletzten Sitzreihe und mittlerweile wussten alle meine Kommilitonen, dass ich Herzrasen hatte. Sie klopften mir unangenehm auf die Schulter, waren ebenfalls überzeugt, dass es schon schief gehen würde. Irgendwann hörte ich nicht mehr hin, denn der Nervositätstinitus wurde immer lauter in meinem inneren Ohr.
Als wir im Grenzgebiet von der Schweizer Polizei angehalten wurden und ein Beamter in den Bus blickte, drückte einer meiner weißen Kommilitonen reflexartig meinen Kopf runter. Von außen leuchteten andere Beamte mit Taschenlampen in den Bus und eine andere Studentin schlug vor, mich in eine Decke, eine Jacke oder eine der Fenstergardinen zu hüllen.
Der Direktor und meine Kommilitonen sollten recht behalten: Die Polizisten sahen in die vielen weißen Gesichter und ließen uns weiterfahren. Mir wurde dennoch schlecht, ich schlief diese Nacht kaum und in Rom angekommen, musste ich mich vor diesen emotionalen Strapazen erstmal einen Tag lang erholen: Das war ja aber dann mein Problem.
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