#Opritschniki
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InfoFreitag, heute: Der Familienschreck
Der August ist schrecklich. Schrecklich warm, schrecklich lang und in manchen Bundesländern bereits schrecklich ferienlos. Und dann war da letzten Freitag auch noch der Blutmond, der erst 2133 übertroffen wird. Und weil das alles so schrecklich ist, widmen wir uns diesen Monat einer Persönlichkeit, die den Beinamen „der Schreckliche“ trägt (nebenbei – schreckliche Überleitung, aber Historikerhumor kann manchmal sehr flach sein).
Ivan IV. Wassiljewitsch, geboren vermutlich irgendwann im ersten Drittel des 16. Jahrhunderts und seines Zeichens der erste russische Großfürst, der sich zum Zaren krönen ließ, war vielleicht schrecklich. Sein Beiname „groznyj“ wird aber eher mit „der Gestrenge“ übersetzt. Wird er deshalb missverstanden und ist eigentlich ein zartes Blümchen? Das ist zu bezweifeln. Denn Ivan führte nicht nur Reformen in den Bereichen Verwaltung, Recht und Armee durch, die die Macht der Zentralgewalt – also seine eigene – stärkten. Nein, er war auch erstaunlich schmerzbefreit, wenn es darum ging, seinem Reich Gebiete einzuverleiben, die das selbst vielleicht gar nicht so wollten. So blähte sich sein ehemals eher übersichtliches Großfürstentum auf eine beachtliche Größe auf – unter anderem durch die Eroberung von Kazan, Sibirien oder Astrachan. Ivan expandierte also vor allem nach Süden und Osten.
Seine Macht zeigte sich auch daran, dass er der erste Großfürst war, der sich zum Zaren krönen ließ. 1547 ließ er sich die Krone aufsetzen und untermalte damit zusätzlich seinen Herrschaftsanspruch als gottgegebener Herrscher. Als solcher hatte er auch die Macht, sein eigenes Volk - wollte es ihm nun gehorchen oder nicht - zu unterdrücken. Das tat er mit der Einsetzung der sogenannten Opritschniki (eine Horde mordender zaristischer Soldaten), die 1565 bis 1572 im ihnen zugeteilten Gebiet Terror und Schrecken verbreiteten. Dies taten sie vor allem, um die Bojaren – adelige Großgrundbesitzer – davon abzuhalten, Ivan zu verraten. Zuvor war nämlich einer der Adeligen zur polnisch-litauischen Armee übergelaufen und hatte zusammen mit ihnen das angrenzende russische Gebiet überfallen. Das fand Ivan nicht so lustig (wohl eher schrecklich). Er hatte auch die anderen Bojaren im Verdacht, sich dem Überläufer anzuschließen. Um dem entgegen zu wirken, setzte er Gewalt gegen die eigenen Leute ein. Das half aber wenig, denn die Opritschniki waren sich untereinander auch nicht einig.
Gewalt scheint überhaupt das bestimmende Thema in Ivans Leben zu sein. Ihm werden nicht nur zahlreiche Eroberungen oder Gewalt gegen die eigene Bevölkerung zugeschrieben, sondern auch der Mord an seinem ältesten Sohn Ivan, der ihm auf den Thron folgen sollte. Dieser soll seinen Vater derart verärgert haben, dass ihn im Streit erschlug. Ein ganz mieser Fall von häuslicher Gewalt... Dass heute in der Forschung eher vermutet wird, dass der Sohn an einer Vergiftung starb, tut nichts daran, dass Ivan sein Schreckensimage nicht loswird. Denn nach dem Tod seines Thronfolgers kam sein zweitältester Sohn Feodor auf den Thron. Der war geistig behindert und das nutzte ein Kanzler namens Boris Godunow schamlos aus. Allerdings nicht besonders erfolgreich, denn er befeuerte damit die sogenannte smuta, eine herrscherlose Zeit in Russland, die erst 1613 mit der Thronbesteigung des ersten Romanov-Zaren Michail endete.
Also kann man festhalten, dass der Beiname „der Schreckliche“ eigentlich nicht korrekt ist, aber doch ziemlich gut beschreibt, was in Ivans Regierungszeit geschah.
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Vladimir Sorokin - Der Tag des Opritschniks
Russland 2027 ist von der Außenwelt durch eine Mauer abgeschottet. Regiert wird das Land von dem Alleinherrscher, dem „Gossudar“, der mit Hilfe seiner Leibgarde das Land mit harter Hand führt. Andrej Danilowitsch ist einer der Opritschniki, der Auserwählten, die sich immer wieder in seiner Nähe aufhalten dürfen und unmittelbar von ihm Befehle empfangen. Er lässt den Leser an einem typischen Tag teilhaben: eine Hinrichtung eines Oligarchen samt Vergewaltigung dessen Frau, Auspeitschung, Bestechung, Besuch bei einer Wahrsagerin und zum Ausklang ein Festmal samt Saunagang.
Vladimir Sorokins Roman aus dem Jahr 2008 lässt sich vor dem Hintergrund der Ereignisse im Frühjahr 2022 kaum ertragen. „Der Tag des Opritschniks“ wurde als dystopische Satire verfasst, davon ist nicht viel übrig geblieben, zu real erscheinen die Schilderungen, nein, man ist geneigt zu sagen die Realität hat den Roman bereits überholt.
Der Protagonist ist obrigkeitstreuer Diener seines Herrschers, der nichts hinterfragt und ergeben seine Rolle ausübt. Gewalt ist die Methode der Wahl, die Facetten selbiger je nach Ziel verschieden aber immer erbarmungslos und unmenschlich. Die Leibgarde und der Herrscher haben mit dem Volk nichts mehr gemein, abgeschottet leben sie in Saus und Braus, verfügen sogar über eigene Spuren auf den Straßen.
Symbolisch arbeitet Sorokin geschickt mit bekannten Mustern, verbindet rückständige, geradezu mittelalterlich anmutende Sprache - „Faustkeil“ für Handy - mit der Huldigung des religiösen Führers. Man kann nicht anders als die rückwärtsgewandte Argumentation Putins, die Gewalt seiner Armee in der Ukraine und die totalitäre Abschottung wiederzuerkennen. Keine Dystopie, keine Satire in 2022, sondern schlichtweg Realität. Das nicht Hinterfragen, das bedingungslose Folgen des Führers haben genau zu jener Welt geführt, die Sorokin bereits vor über zehn Jahren literarisch skizzierte.
Liest man sich Rezension zur Zeit des Erscheinungstermins, beschleicht einem ein ungutes Gefühl: zu vorhersehbar, unglaubwürdig barbarisch - die Liste der negativen Kommentare ist so lange wie die der Fehleinschätzungen Russlands und Putins der vergangenen 20 Jahre. Vielleicht hätte man doch besser zuhören und genauer lesen sollen, um Tausende Opfer zu vermeiden.
Sorokin wird vermutlich wider Willen zur Kassandra, die Böses voraussagt und der niemand glaubt, niemand glauben will. Auch Literatur kann nur Augen öffnen, wenn die Leser dazu bereit sind.
https://missmesmerized.wordpress.com/2022/04/12/vladimir-sorokin-der-tag-des-opritschniks/
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