#Juristenstand Juristenrand Juristenrant
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S'ils sont sensible
Aufgabe für Erstsemester: Umkreisen sie mit rotem Stift denjenigen Begriff, der aus der Reihe tanzt: Juristenstand - Juristenrand - Juristenrant.
1.
Die Phobie ist nicht die Furcht, sie ist das energische Leuchten und Dämmern, das in dem Moment, wo es Form wahrnehmbar macht, zum Beispiel Furcht oder aber Liebe, einen Begriff und eine Idee, aber auch einen Körper auftauchen lassen kann. Die Phobie ist nicht die Furcht, sie ist die Furche, die Klamm, die engste und knappste Stelle dessen, was zur Wahrnehmung kommt. Das ist kurz gesagt, just saying.
2.
Gleich einmal checken, ob ich im Lotto gewonnen habe und einen jährlichen Preis für den besten Juristenrant ausloben kann. Müssen mehr als 10.000 Euro sein pro Jahr, soviel gibt es nämlich inzwischen von den Werner-Pünderisten für den besten Text des Jahres. Die Stadt Frankfurt lässt immerhin 2500 Euro für die beste juristische Dissertation des Jahres springen. Auch das ist viel Geld, aber sie zeichnet auch nur juristische Dissertationen aus, der Rest ist ihr nicht preiswert genug.
Gibt es einen Juristenrant, dann gibt es von Juristen drei Reaktionen, davon sind zwei Einwände: Kommt der Rant von oben, von Direktorinnen oder Fischer zum Beispiel, dann heißt es, die kokettierten, erheischten populistisch Beifall und sollten sich nicht beschweren, sie hätten's doch. Dieser Einwand, den einmal der fachchinesisch röhrende allgemeine Rechtslehrer schlechthin gemacht hat, ist so durchdacht wie das Wegschmeissen glühender Kippen im trockenen Wald. Also kein Stück. Klar, man will Beifall von vielen, in dem man alle seine Kollegen beschimpft, will you uns für doof verkaufen?
Kommt der Rant von unten, heißt es, da sei einer undankbar (man habe sich doch so wahnsinnig viel Mühe gegeben), der sei verbittert und bekloppt, weil er es nicht oben geschafft hätte und die Schuld nicht bei sich selber suchen könne. Der Einwand ist so durchdacht wie man eine Cola bei McDonalds austrinkt. Kann man nur hm drauf sagen.
In allen anderen Fällen ist es allen eh egal, die lesen eh nix. Das Jurastudium, da muss man Thomas Fischer mit Ricardo Spindola (dem aktuellen Spinoza aus Brasilien) ergänzen, ist das Studium schlechthin, in dem man lernt, über Texte zu sprechen, die man nicht gelesen hat.
Alter Trick: Texte, seien es Hausarbeiten oder Habilitationen zum Beispiel, frisch im Copyhop auf unberührtem 80g-Papier kopiert und gebunden versenden, um nach der Rücksendung checken zu können, ob sie überhaupt aufgeschlagen und bis zu welcher Seite sie 'gelesen', d.i. betoucht und wenigsten metaphorisch begriffen wurden. Statistische Wahrscheinlichkeit: Das Gliederungsverzeichnis und die ersten zwei Seiten werden gelesen, im Literaturverzeichnis wird überflogen, wer und ob man selber zitiert wird, der Rest nicht. Das ist erwiesen wie das Amen in der Kirche. Die Lesbar des Rechts ist eine feine Sache und eine Bar: bis Seite 2 wird gelesen.
Darum wäre ein Preis für die beste Juristenbeschimpfung des Jahres wichtig bis hinreichend notwendig oder aber, wie Juristen nach 5 Tagen Studium sagen können: Wir haben es hier mit einer planwidrigen Lücke zu tun.
3.
Institutionen sind wie ein Bank. Sie lassen mehr oder weniger anspruchsvoll die Zeit durchhalten, lassen also warten oder erwarten. Mehr oder weniger anspruchsvoll lassen sie die Zukunft auf einen zukommen, sie lassen Zukunft einholen oder sie ermöglichen sogar mittels Kredit, Zukunft zu verfrühstücken, jetzt also schon zu verzehren, was erst später wächst.
Sagt mir, wie Juristen ihre Auszubildenden nennen, und ich sage euch, in welchem Land ihr lebt. Die Deutschen nennen die Referendare, die Österreicher nennen die Konzipisten. Beide Länder bilden Anwärter aus. Das sind noch keine Wärter, aber schon solche, die lernen dürfen, zu warten und warten zu lassen, zu erwarten und erwarten zu lassen. Um überhaupt als Anwärter in Betracht zu kommen, muss man in Deutschland ein paar Jahre studieren und ein erstes Examen ablegen.
4.
Was man den Leuten in oft 5 oder mehr Jahren beibringt, kann man der Methode nach in vier vollständigen Mondphase lernen, die Schnellen sind am ersten Halbmond schon ausgebildet. Üben muss man eh ein Leben lang, ist alles nur Übung bis zum Schluss, aber man hat beschlossen, dass erst einmal ein paar Jahre lang an den Einrichtungen geübt wird, die man auch Institutionen nennt.
Dann führt man noch viele Jahre lang Stoff vor, dass die meisten Leute schüchtern bleiben, sagt ein paar Jahre lang Buchstabenkürzel und Seitenzahlen auf, so etwas wie BVerfGE 12, 205 und sagt möglichst jede Woche einmal beim Blätternlassen: Das müssen Sie doch jetzt nicht nachschauen, das kennen sie doch schon oder können es auch so, oder? Sitzt man zusammen, regt man sich furchtbar über die neuen Studentinnen und Studenten auf, die keinen geraden Satz hinbekomen. Stimmt auch, aber ihr müsst auch nicht dort arbeiten, wo es eure Aufgabe ist, 450 Leuten im Saal das Schreiben und Lesen beizubringen und euch von Ihnen nach fünf Jahren und beim mündlichen Examen zum ersten Mal ihren Vornamen und Namen mitteilen zu lassen.
Kandidatin: Guten Tag, mein Name ist Franziska Hubener, ich habe bei Ihnen fünf Jahre lang studiert.
Prüfer: [Stellt sich nicht namentlich vor] Setzen sie sich hier links, seien sie locker, wir fangen jetzt einfach mal an.
Kein Witz, solche Dialoge, kleine Texte, die lebenslänglich aufgehängt gehören, führen Juristen am Ende der Ausbildung, ich kann es bezeugen und wäre bereit, zu schwören. Haben die Leute Namen aus anderen Ländern, wird es noch absurder. In den Akten stehen die Namen, aber immer wieder wird in solchen Fällen noch zwei bis drei mal nachgefragt:
Kandidat: Hallo, mein Name ist Alexander Stepanowitsch Popov, ich habe bei ihnen 5 Jahre studiert.
Prüfer [stellt sich namentlich nicht vor]: Wie heißen Sie?
Kandidat: Alexander Stepanowitsch Popov.
Prüfer: Wie?
Kandidat: Alexander Stepanowitsch Popov, wie der Physiker und Funktechniker.
Prüfer: Na gut Herr Alsowitsch-Pampowitsch, setzen sie sich ganz nach rechts, wir fangen jetzt einfach mal an, sie müssen sich gar keine Sorge machen, wir machen das ganz locker.
Der Kandidat Popov wundert sich über gar nix mehr, denkt sich zwar, dass doch eigentlich jeder Vierjährige diesen Namen schon einmal im privaten Vorschulphysik- und Vorschulmathematikunterricht gehört und auswendig gelernt haben muss, ist sich aber unsicher, ob das in Deutschland auch so ist und bleibt darum höflich und verunsichert.
Ich schwöre, so was passiert, nicht immer freilich, aber es kommt vor.
5.
Präzision simuliert man beim Jurastudium nicht im Lesen, sondern damit, dass man die Adresse das Satzes über Paragraphen, Absätze, Halbsätze und nummerierte Alternativen angibt. Das klingt nicht nur diskret, das ist diskret. Im mündlichen Examen unterstellt man, zum Berufsbild gehöre zwingend, sich wie ein arschlöchrig Vorgesetzter oder aber wie kleinzügig autoritärer Beamter zu verhalten und sagt, falls die Leute stumm werden, sie würden nicht für den Beruf taugen. Manche finden es super oder ok, die kommentieren kritisch und vorsichtshalber aber doch unter fremden Namen auf dem Verfassungsblog den Rant von Direktorinnen, falls die Direktorinnen doch rechthaben mit ihrer Kritik an der Vorgehensweise. Sie, konkret der Schreiber, der sich auf dem Verfassungsblog St. Ivo nennt, haben gelernt, sich ins Anonyme zu ducken und sagen, das sei nicht so schlimm, wie andere, die mit Namen, denken würden. Man kann es ändern, muss man aber nicht. Als Komödie funktioniert alles wie es ist, sonst nicht.
Übrigens: Wer Rant nicht kann, das ist Jürgen Kaube, dazu sage ich jetzt aber nix. Der beleidigt unsere Universitäten, will nur Beifall erheischen, damit er das nächste Mal besser empfangen wird.
Der Konzipist nach August Sander
Kafka arbeitete seit 1910 als Konzipist, er gehörte zu einer Betriebsabteilung, auf die er sich durch den Besuch von Vorlesungen über „Mechanische Technologie“ an der Deutschen Technischen Hochschule Prag vorbereitet hatte. Grillparzer war 1812 Konzipist an der Hofbibliothek. Wir haben nun zwei junge Konzipisten in unserer Kanzlei, frisch examiniert und weltfremd, einer ist meiner. Ein wendiges und cleveres Kerlchen. Sein Elan vitalisiert. Wo es aber hakt, das ist die Sprache als Medium der juridischen Kulturtechnik. Gesetze sind Texte, und jede Art juristischer Tätigkeit in der Praxis des advocati vollzieht sich durch mündlichen und schriftlichen Ausdruck. Zwischen dem Fußballer aus Schwabing, der zu erklären versucht, und dem Referendaren von der Adenauerallee, der zu verstehen meint, liegt ein nicht nur semantischer Graben. Der juvenile Konzipist nach August Sander ist - ubiquitär - seiner Natur nach ein furchtsamer Mensch. Und das Fürchterliche, der junge Konzipist bespricht freitags die Akten mit dem alten Konzipisten.
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