#Forschungskulturen
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libreas · 7 years ago
Text
Forschungsdatenmanagementpläne sind eine Grundbedingung guter Wissenschaft. Meint Nature.
Eine Notiz und einige Anmerkungen von Ben Kaden (@bkaden)
In der Nature-Ausgabe vom 13.März 2018 findet sich ein Editorial, dass zum Thema Forschungsdatenmanagement eine Reihe von Aspekten benennt, welche weitgehend Trends bestätigen, die sich auch im Rahmen des eDissPlus-Projektes zeigten. Ich möchte hier kurz einige Beobachtung aus dem Text mit der so programmatischen wie zutreffenden Überschrift Everyone needs a data-management plan (Nature 555, 286 (2018) doi: 10.1038/d41586-018-03065-z ) aufgreifen und einige eigene Erfahrungen aus dem eDissPlus-Projekt ergänzen.
Tatsächlich wäre ein Forschungsdatenmanagement für jedes Forschungsprojekt wünschenswert. Der Datenbegriff führt dabei in den Geisteswissenschaften ab und an zu Missverständnissen, gehen dort Forschende bisweilen davon aus, datenfrei zu arbeiten. Aber immer dann, wenn es sich um ein konkretes Forschungsobjekt handelt und man sich mit einem Abbild davon auseinandersetzt, hat man aus digitalwissenschaftlicher Sicht, auch es wenn es sich in solchen Fällen eventuell anbietet, von Forschungsmaterialien zu sprechen. So lässt sich die Reproduktion eines Kunstwerks für eine kunsthistorische Betrachtung durchaus als Forschungsdatum verstehen und aus einer dateninfrastrukturellen bzw. informationswissenschaftlichen Perspektive hätte man diese am liebsten nicht nur eingebettet als Illustration in einem PDF sondern unter einer CC-BY-Lizenz als selbstständiges Datenobjekt mit eigener DOI. Dass vor allem rechtliche Hürden einem solchen Idealzustand im Wege stehen, ist allgemein bekannt. Nichtsdestotrotz empfehlen wir aus dem eDissPlus-Zusammenhang nach Möglichkeit ein differenziertes und Vernetzbarkeit vorbereitendes Publizieren der einzelnen Bestandteile einer Publikation etwa im Sinne des so genannten Enhanced Publishing (oder “Erweiterten Publizierens”, wie wir es im Fu-PusH-Projekt nannten).
Eine Herausforderung, die uns regelmäßig begegnet und die auch im benannten Editorial von Nature deutlich wird, ist, dass wir aus Infrastruktursicht außerordentlich intensiv über Möglichkeiten und Anforderungen im Umgang mit digitalen Forschungsdaten reflektieren, viele Forschende aber vergleichsweise sehr wenig. Möchte man vermeiden, dass beide Perspektiven auseinanderdriften, muss man vermitteln. Das Editorial sieht für Hochschulen und damit in der Praxis die entsprechenden Ansprechpersonen in den Hochschulinfrastrukturen zwei Aufgaben: 1. allgemein wirksam zu kommunizieren, wie wichtig ein qualitativ hochwertiges Forschungsdatenmanagement und damit u.a. ein Forschungsdatenmanagementplan sind. Und 2. die Vermittlung von Grundlagenwissen zum Forschungsdatenmanagement als “part of postgraduate education everywhere”. Aus unserer Sicht sollte man sogar noch früher ansetzen und das Forschungsdatenmanagement dort direkt in der Methodenausbildung einbinden, wo es um die Praxis der Datenerhebung (bzw. der Identifikation des Forschungsgegenstandes) geht. Richtig und wichtig ist, dass Weiterbildung und Beratung nicht auf frühe Stufen der wissenschaftlichen Karrieren beschränkt bleiben, sondern durchgängig als Angebot stehen sollten. Aus eDissPlus-Sicht betrifft dies ausdrücklich auch die Gutachterinnen und Gutachter für wissenschaftliche Qualifikationsarbeiten, die eigentlich ein verstärktes Interesse am Blick auf das Forschungsdatenmanagement ihrer z.B. Promovierenden haben sollten, weil sich nicht zuletzt darin auch die Befähigung zum wissenschaftlichen Arbeiten zeigt.
Es zeigt sich folglich, dass ein qualitativ hochwertiges Forschungsdatenmanagement nicht allein aus Gründen der Open Science / Offenen Wissenschaft relevant ist, auch wenn das Nature-Editorial vor allem darauf abhebt. Sondern grundsätzlich im Sinne einer wissenschaftlichen Qualitätssicherung für jeden Forschungsprozess. Aber es ist zweifellos korrekt: Unsaubere Daten ohne Dokumentation erweisen auch wenn sie frei geteilt werden weder der Open-Science-Bewegung noch der Wissenschaft an sich einen Dienst.
Notwendig ist eine Forschungsdatenmanagement und damit unverzichtbar ein Forschungsdatenmanagementplan in vielen Fällen zugleich bereits aus Gründen der Komplexität. Je größer und heterogener die Datenprozesse und -mengen, desto notwendiger und leider auch aufweniger ist die Explizierung der einzelnen forschungsdatenspezifischen Aspekte, also wie Forschungsdaten erhoben, aufbereitet, gespeichert, dokumentiert, langfristig archiviert und möglicherweise geteilt bzw. veröffentlicht werden. Von der Warte der wissenschaftlichen Infrastrukturen leuchtet das ohne Abstriche ein. Für viele Forschende erscheint die Anlage eines Forschungsdatenmanagementplans dagegen offenbar als zusätzliche quasi-bürokratische Hürde, wobei ich hier den umfassenderen Erfahrungen der Nature-Redaktion vertrauen muss, denn die Gespräche im eDissPlus-Zusammenhang ergaben diesbezüglich zwar weitreichende Unkenntnis aber keinesfalls Ablehnung. Vielmehr wirkte es so, als würden die mit Forschungsdaten konfrontierten Promovierenden sogar dankbar sein, wenn sie eine klare Hilfestellung zur Organisation ihrer Datenprozesse erhielten. Die Betonung liegt hierbei auf “klar”. Die Bereitschaft zu einer besseren Organisation und Formalisierung der Forschungsprozesse ist nachvollziehbar dann besonders hoch, wenn die eigentlich Forschung möglichst wenig beeinträchtigt wird. Der logische Schritt wäre also, bestimmte Aspekte eines wünschenswerten Forschungsdatenmanagements zum integralen Bestandteil der Forschungsarbeit werden zu lassen, was insbesondere die Erschließungs- und Dokumentationsaspekte betrifft. Dass die Vergabe von Deskriptoren, das Filtern von Forschungsdaten über die Zuweisung von Metadaten und die knappe, zusammenfassende Beschreibung der Daten für eine Dokumentation selbst eine Reflexionsarbeit darstellen können, ist zwar in der Bibliotheks- und Informationswissenschaft selbstverständlich, in anderen Disziplinen erfahrungsgemäß aber deutlich wenig bewusst.
Wie sehr dieser Anteil erkenntnisbildend sein kann, hängt selbstverständlich von der Forschungsform, -frage und Disziplin ab. Ähnliches gilt, wie auch das Editorial zutreffend betont, für das “proper data management”. In dem jüngst an der Freien Universität Berlin durchgeführten eDissPlus-Workshop wurde berechtigt die Frage aufgeworfen, wo eigentlich die “Leistungsgrenzen für Bibliotheken bei Forschungsdatendiensten [liegen]”. Das gilt nicht für Bibliotheken sondern für alle Infrastrukturen außerhalb der eigentlichen Fachgemeinschaften. Es kristallisiert sich heraus, dass generische Angebote und auch Vorgaben wie Forschungsdatenpolicies strukturell nur einen sehr allgemeinen Rahmen bieten können. Je konkreter die gewünschte Lösung oder auch Vorgabe, beispielsweise auch durch Förderer, desto wichtiger ist der direkte Dialog mit den Fach- und Forschungskulturen hinsichtlich ihrer Interessen, Ansprüche und Gepflogenheiten. Interessant ist dabei, dass in nicht wenigen Fällen der Wunsch nach einem solchen Dialog ersteinmal über eine entsprechende Binnenverständigung dieser Kulturen angeregt werden muss, weshalb auch unter besten Bedingungen zum aktuellen Zeitpunkt kaum irgendwo dauerhafte und verbindliche Positionen insbesondere zur Frage der Zugänglichmachung oder auch formalen Publikation von Forschungsdaten anzutreffen sind. Der aus Sicht der Open-Science-Bewegung verständliche Wunsch nach einer freien und möglichst wenig begrenzten Zugänglichkeit und Nachnutzbarkeit von Forschungsdaten ist sicher sehr begrüßenswert. Man wird sich damit jedoch gedulden müssen, denn anders als beim Open Access von Publikationen, die bereits auf etablierte Muster des Veröffentlichens und Anerkennens in den Communities als Orientierungspunkte zurückgreifen konnten, muss für Open Research Data noch eine ganze Palette offenere Fragen geklärt. Die beginnt unter Umständen nach wie vor bei der Grundfrage “Was sind Forschungsdaten [in der jeweiligen Disziplin]?” und steuert auf die Folgefrage “Was sind publikationswürdgige Forschungsdaten..?” zu, tangiert Fragen wie “Fallen den Erhebenden bestimmte z.B. Urheberrechte an den Forschungsdaten zu?” und mündet vielleicht in “Wie bewerten wir die Qualität von Forschungsdatenpublikation? Wollen wir ein Peer Review und wollen wir es blind, pre oder post?”
Hochschulinfrastrukturen können an diesen Stellen wenig mehr leisten, als, sofern überhaupt möglich, aufzuzeigen, wie man in anderen Disziplinen oder Communities darüber diskutiert und wo möglicherweise schon elaborierte Praxen einer “Data Stewardship” vorliegen. Sie können möglicherweise auch entsprechende Diskussionen aufgreifen, aufarbeiten und eine Art transdisziplinären Erfahrungsaustauch organisieren. Andererseits liegt eventuell auch das bereits jenseits dessen, was wissenschaftliche Bibliotheken und Rechenzentren leisten können, sollen oder wollen und landet wiederum in den Besprechungsräumen der Forschungsförderer, die naturgemäß ein besonders großes Interesse daran haben, dass Forschungsinhalte, also auch Forschungsdaten nicht nur irgendwie sondern in einer bestmöglich nutzbaren Form der Wissenschaft allgemein zugänglich gemacht werden. Daher ist es nur folgerichtig, dass auch das Editorial in Nature betont: “They sound dull, but data-management plans are essential, and funders must explain why.”
(Berlin, 21.03.2018)
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