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politik-digital · 9 years ago
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Auf dem Weg nach Robonien – Besserer Mensch oder perfekte Maschine?
Roboter, der metallene Traum der Menschheit: Intelligente Geschöpfe, erschaffen durch unsere Hand. Sie interagieren mit uns, arbeiten für uns, bedienen und fahren uns. Doch zwischen maschineller Automatisierung und sozialer Roboterarbeit stolpern wir über unsere ethischen Wertvorstellungen. Wo soll die Reise also hinführen, zum besseren Menschen oder zur perfekten Maschine?
Längst sind die Zukunftsphantasien früher Science-Fiction Klassiker technische Realität geworden. Roboter sind fester Bestandteil industrieller Produktionsmechanismen, drehen als automatisierte Staubsauger ihre Bahnen in unseren Wohnzimmern, kümmern sich um den Rasen oder spielen in der FIRA-Roboterfußballweltmeisterschaft um den Sieg. Doch wie geht die Entwicklung weiter und welche Lebensbereiche werden Roboter in Zukunft erobern? Und welche Regeln müssen wir im Umgang mit Robotern etablieren?
Ein Roboter darf kein menschliches Wesen (wissentlich) verletzen oder durch Untätigkeit gestatten, dass einem menschlichen Wesen (wissentlich) Schaden zugefügt wird.
Der Roboter muss den ihm von einem Menschen gegebenen Befehlen gehorchen – es sei denn, ein solcher Befehl würde mit Regel eins kollidieren.
Ein Roboter muss seine Existenz beschützen, solange dieser Schutz nicht mit Regel eins oder zwei kollidiert.
Mit diesen drei Gesetzen der Robotik, die Isaac Asimov bereits 1942 in seiner Kurzgeschichte Runaround aufzeigte, ging er sogar schon einen Schritt weiter. So zielen die „Grundregeln des Roboterdienstes“ darauf ab, das soziale Miteinander von Mensch und Roboter zu regeln. Doch was basteln wir zwischen den vielen Drähten und der Software eigentlich zusammen, was ist ein solcher Roboter überhaupt?
Von Halbautomaten und metallenen Hinterteilen
Der Begriff „Roboter“ leitet sich vom tschechischen Wort „robota“, zu Deutsch, „Frontdienst“ oder „Zwangsarbeit“ ab. Eine passende Bezeichnung will man meinen, schließlich sind die technischen Helferlein dazu auserkoren, dem Menschen Arbeit abzunehmen. Auch die früheren Bezeichnungen als „Automaten“ oder „Halbautomaten“ zielt in diese Richtung und gibt Hinweis auf den Charakter des Roboters. So bestand seine Hauptaufgabe darin, automatisiert mechanische Aufgaben zu übernehmen.
Doch Entwicklung bleibt bekanntermaßen nie stehen. So wurde der Sieg des Computers Deep Blue über den damaligen Schachweltmeister Garri Kasparow im Jahr 1996 zum Wendepunkt der modernen Robotik. Eine künstliche Intelligenz bezwang das menschliche Denkvermögen. Roboter wurden zunehmend weiterentwickelt, lernten selbstständig, agierten und reagierten. Zur reinen Mechanik gesellten sich komplexe Denkprozesse. Nun stehen wir vor einer neuen Entwicklungsphase. Nicht nur Arbeitsbereiche, auch unser soziales Lebensumfeld soll nun von Robotern erobert werden. Wahrnehmungsmechanismen sollen das Agieren in sozialen Kontexten ermöglichen.
Die Experten- und Interventionsplattform Co:llaboratory (CoLab) – Internet & Gesellschaft befasste sich deshalb mit dem Thema sozialer Interaktion und Beziehung von Mensch und Maschine. „Der technische Fortschritt weist den Weg hin zu Robotern mit sozialen Kompetenzen. Wir wollen Roboter, die als Gefährten, Familienmitglieder und Lehrer mit uns interagieren. Dazu müssen wir sie in gesellschaftliche Kontexte und Sozialnormen einbetten“, schaut Hans-Dieter Burkhard, emeritierter Professor für künstliche Intelligenz und intelligente autonome Roboter an der HU Berlin, voraus.
„Von allen Freunden die ich je hatte bist du der Erste“, meint Bender, der metallene Roboter-Kumpel des Pizzaboten Fry in der Serie Futurama. So überspitzt wie dieses Beispiel auch sein mag, gibt es dennoch Hinweis darauf, welcher Folgen wir uns durch die technischen Entwicklungen der Robotik, bewusst werden müssen. „The humanity can bite my shiny metal ass“, ist Benders Markenspruch. Vielleicht bekommen wir diesen Spruch bald auch im echten Leben zu hören; dann nämlich, wenn intelligente Roboter Teil unserer Lebenswelten und eigene Mitglieder der Gesellschaft werden. Ob dann die drei Gesetze der Robotik hier noch genügen, um das Miteinander von Mensch und Roboter zu regeln?
Auch Roboter brauchen Gefühle
Medizinroboter sind bereits heute fester Bestandteil hochkomplexer Medizin. Transportroboter, virtuelle Assistenzärzte und Chirurgie-Roboter sind zu einer nicht wegzudenkenden Unterstützung in modernen OP-Sälen geworden. Wo Krankenhäuser von der modernen Technik profitieren, fallen aber andere Stellen des Gesundheitssystems zurück. So kann die Pflege, die einen steigenden Anteil älterer PatientInnen versorgen muss, bisher nur wenig von den technischen Neuerungen profitieren. Pflegeroboter sollen hier Abhilfe schaffen.
Auch als soziale Agenten sollen sie handeln und mit dem Menschen interagieren, ihm in Notlagen helfen und bei gesundheitlichen Problemen unterstützen. Um diese Aufgabe zu übernehmen, braucht es zweierlei: Handwerkszeug, um eine ausreichende Unterstützung mechanisch zu realisieren, aber auch Sozialkompetenz, um gegebenenfalls für PatientInnen Entscheidungen zu übernehmen. Ähnlich wie im Film „Der 200 Jahre Mann“ müssen Roboter dann lernen, was ein Mensch ist, was ihn ausmacht. In Japan laufen hierzu bereits erste Feldversuche mit einem Hotel, das nur noch von Robotern betrieben wird. Sollten solche Tests langfristig funktionieren, könnte man ein ähnliches Prinzip auf Krankenhäuser übertragen.
Für Karsten Weber, Professor und Technikphilosoph, und Dr. Martin Meister, Techniksoziologe, liegt hier aber die zentrale technische Herausforderung: die Programmierbarkeit von Sozialität. So erscheint es äußerst schwierig, Robotern das beizubringen, was sich Menschen in Jahrzenten des sozialen Lernens aneignen. Sollten dann einmal die falschen Entscheidungen getroffen werden, ist es äußerst schwierig, einen Verantwortlichen für die Fehlentscheidung zu finden, ergänzt Burkhard.
Je mehr Roboter zu Begleitern in unseren Lebenswelten werden, je intelligenter und selbstständiger sie handeln, desto häufiger werden wir auf Konflikte mit unseren normativen Werten von Selbstbestimmung und Selbstbestimmtheit treffen. Wenn die Anknüpfungspunkte zwischen Mensch und Maschine zunehmend diverser und Teil unseres sozialen Umfelds werden, müssen wir letztlich entscheiden, in welcher Beziehung wir zu Robotern stehen. Sollen sie unsere Mittel, unsere Werkzeuge, Partner, Freunde oder sogar mehr sein? Auf dem Weg zu einer Antwort darauf müssen wir darüber diskutieren, wie Roboter aussehen sollen und wie nicht; wir müssen uns darüber klar werden, was Roboter eigentlich sind, und festlegen, welche Rolle sie in unserer Gesellschaft einnehmen sollen.
More human than human?
Betrachtet man das Einsatzgebiet der Pflege, scheint die Frage nach dem Erscheinungsbild sozialer Roboter bereits geklärt. Der Mensch überholt sich selbst. Vielleicht leitet sich der Roboter also doch eher vom englischen Namen „Rob“ ab: denn „der Erhabene“ humanoide Roboter rückt zunehmend ins Zentrum der Entwicklung und eröffnet den Raum für weitere Gedankenspiele.
Längst weisen Roboter typisierte ästhetische Formen auf, längst bauen wir Roboter nach unserem Ebenbild. Denn der Mensch anthropomorphisiert, er neigt zur Vermenschlichung von Robotern. So gehören unförmige Maschinen, die strikt Befehlen befolgen und einzelne Aufgaben erledigen, der Vergangenheit an.
Die Wahl zwischen der „perfekten Maschine“ und dem „besseren Menschen“ scheint also bereits entschieden. Die moderne Robotik baut am „Mensch 2.0“: Intelligent, lernfähig, sozial und allzeit bereit, ein Allroundtalent eben. „More human than human is our motto“, heißt es da vom Hersteller menschlicher Replikaten im Film Blade Runner über die Natur humanoider Roboter.
Zwischen Dienern und Gynoide
In vielerlei Hinsicht haben uns Science-Fiction Klassiker bereits die zentralen Probleme auf dem Weg zum Bau des „besseren Menschen“ gezeigt. So begegnet Batty, einer der humanoiden Replikanten in Blade Runner, dem Protagonisten mit den Worten: „That’s what it is to be a slave.” Aber auch der Gynoid (weiblicher Androide) Cho in Gwyneth Ann Jones Roman „Divine Endurance“ leidet unter ihrer Unterdrückung. Als „perfekte Frau“ ist sie dazu auserkoren, jeden Wunsch des Menschen zu erfüllen, doch ihre Schönheit und stereotypischen Geschlechtsattribute verstärken Unterdrückung und Diskriminierung.
Schon heute bevölkern Chatbots die Singlebörsen des Netzes und täuschen soziale Kontakte vor. Auf diese Weise sind Roboter nicht mehr nur noch Werkzeuge oder Helfer, die für uns Aufgaben erledigen. Sie erfüllen menschliche Wünsche nach Liebe, Anerkennung und Partnerschaft. In Japan beispielsweise wird Singles durch Roboter Aufmerksamkeit geschenkt, indem sie mit ihnen reden, Geborgenheit vortäuschen, ihnen das Gefühl von Liebe und Nähe vermitteln. Dabei fördert diese Verfügbarkeit aber auch eine zunehmende Beliebigkeit, fördern sogar Sexualisierung und Diskriminierung.
Vielleicht brauchen wir gerade deshalb geschlechtsneutrale Roboter, wie es die Ethik der Robotik vorschlägt. Vielleicht sollten wir weniger den „besseren Menschen“ bauen wollen, als uns auf die Entwicklung der „perfekten Maschine“ zurückzubesinnen. Wenn aber Sexualisierung und Unterdrückung von künstlicher Intelligenz und Robotern dazu führen, dass Geschlechtsdiskriminierung und „Master-Slave“ Konstellationen unsere Umgangsweise mit Robotern bestimmt, dann steht es nämlich vielleicht auch schlecht um unsere ethischen Wertevorstellungen.
Mein metallener Freund und Helfer?
In erster Linie bleibt der Roboter eine Maschine: Intelligent, sozial, aber eben ohne Gefühle. Auch die Entwicklung humanoider Roboter steckt noch in den Kinderschuhen. Dennoch dürfen wir die ethischen und gesellschaftlichen Fragen nicht ignorieren, die uns beim Bau von Robotern begegnen. Denn die Schöpfung einer menschenähnlichen Dienerschaft, die uns gehorsam folgt und unsere Arbeit verrichtet, wird nicht ohne Folgen an uns vorbeigehen. Wozu brauchen wir Roboter? Welche Eigenschaften wollen wir ihnen zuschreiben? Sollen sie aussehen wie Bender, geschaffen nach unserem Abbild, als Freund oder lediglich ein Industrieroboter zur reinen Arbeitshilfe sein?
Die Mechanisierung und der technische Fortschritt werden weitergehen. Roboter werden den Alltag immer mehr mitbestimmen und begleiten. Die Frage bleibt, in welche Richtung dies gehen soll. „Da waren lauter Nullen und Einsen und ich dachte, ich hätte sogar eine zwei gesehen“, schildert der Roboter Bender seine Erfahrungen. Es bleibt also noch viel zu entwickeln, zu entdecken und zu hinterfragen auf dem Weg zum Roboter der Zukunft.
Titelbild: Berlin, Roboter mit seinem Erfinder; Bild 102-09312 by Bundesarchiv via wikimedicommons licenced CC-BY-SA 3.0
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politik-digital · 9 years ago
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Digitale Klangreise-Wie klingt das Internetzeitalters?
Es ist Sommer und Musik liegt in den Bites. Dank modernster Technologie sind Ohrwürmer und Hits jederzeit verfügbar. Das Netz ist eine große Konzerthalle für jeden Musikgeschmack. Doch am Anfang, war die große Stille in den noch überschaubaren digitalen Weiten. Am Tag der Musik blicken wir zurück auf die Zeit als Töne zu programmieren lernten. Die Leser bekommen zu hören, wie der Klang ins Internet kam.
Spiel es noch einmal, mein digitaler Freund
Jedes Jahr am 21. Juni, dem offiziellen Sommeranfang, wird die warme Jahreszeit klangvoll begrüßt. Begründet wurde die Tradition der Fete de la musique 1981 von dem damaligen französischen Kulturminister Jack Lang Grundgedanke dieses Tages ist es, die lokale Musikerszene zu fördern und die musikalische Vielfalt auszudrücken. Gemeinsam mit dem Publikum spielen die Künstler auf kostenlosen Konzerten in der ganzen Stadt den Sound des Sommers. Immer wieder werden diese Melodien gehört vor allem im Netz. Doch erst die Moderne machte es möglich, Musik zu wiederholen, weiterzugeben und zu teilen. Die digitale Klangreise führt von den Anfängen der Tonaufnahme zum Takt der digitalen Welt.
„Spiel es noch einmal, Sam“, ist ein bekanntes Filmzitat aus dem Klassiker Casablanca. Lange Zeit waren die Musikfreunde auf Konzertbesuche angewiesen oder bestellten sich Hausmusiker in ihre Salons. Darum kam schon im 16. Jahrhundert der Italiener Giovanni Battista della Porta (1538-1615) auf die Idee, man könne Töne in einem Behälter einfangen und sie dann nach Belieben wieder entlassen. Bis zur ersten Tonaufnahme sollen aber noch viele Jahrhunderte vergehen. Die erste erhaltene Tonaufnahme wird auf das Jahr 1860 datiert. Kurze Zeit später stelle der Erfinder Thomas Edison 1877 seinen Phonographen vor, zeitlich dicht gefolgt von den Schallplatten 1888.
Zeitgleich etablierte sich die programmierte Musik. Im Jahre 1883 stellte der Fabrikant Emil Welte die Notenrolle vor. Im Gegensatz zu den sehr empfindlichen Stiftwalzen ermöglichten die Lochkarten eine schnelle, bequeme und günstige Form automatische Instrumente und Musikautomaten zu bedienen. Der Geist einer neuen Zeit war zu hören.
Zunächst verstand man unter elektrischer Musik jegliche Musik, die Elektronik zum Abspielen verwendet. Erst 1948 definierte der Physiker und Kommunikationsforscher Werner Meyer-Eppler den Klang seiner Zeit neu. Seitdem wird elektrische Musik definiert als solche, bei der die Töne direkt durch elektronische Geräte erzeugt werden. Eppler leistete hier Pionierarbeit als Mitbegründer des „Studios für elektrische Musik“ in Köln 1951, dem ersten seiner Art weltweit.
Im Zuge der Verbreitung von Computern begannen immer mehr Komponisten sich für die Möglichkeiten der elektronischen Musik zu interessieren. Unter anderem fand am 25. August 1978 das „First Philadelphia Computer Music Festival“ statt, auf dem Komponisten ihre digitalen Kompositionen darboten.
Mittlerweile sind die Möglichkeiten der digitalen Musik soweit vorangeschritten, dass kaum ein Film oder Videospiel mehr ohne sie auskommt. Das heutige Klangerlebnis ist mit den einfachen 8 Bit Tönen der ersten Computersounds kaum mehr zu vergleichen. Doch diese Melodien sind inzwischen Kult und haben ihre eigene Kunstform, den Chiptune, geschaffen.
Töne, die das Netz bedeuten
Am Anfang war das Netz stumm und still, doch dann sprach Elwood Edwards: „Welcome. You´ve got Mail.“ Nur wenige User mögen jemals von dem amerikanischen Sprecher Elwood Edwards gehört haben, seine Stimme haben sie aber sicher gehört. Bis dato waren die technischen Kommunikationsmittel stumm, doch 1989 baten die Entwickler der AOL Software Edwards um Unterstützung. Aufgenommen auf einem Kassettenrekorder im eigenen Wohnzimmer, wurde Edwards zur Stimme des Internets. „„You´ ve got Mail““, im gleichnamigen Film aus dem Jahre 1998 spielte der Sprecher mit seiner Stimme sogar ein Hauptrolle. Heute sind diese wenigen Worte Kult, gehören zum kollektiven Gedächtnis der ersten Internetpioniere. Wer möchte, dem bietet Edwards sogar an, eine personalisierte Mailbenachrichtung aufzunehmen. "You ve got mail, liebe Leser.“
„Wir möchten ein Musikstück, das inspirierend, universal, blah-blah, da-da-da, optimistisch, futuristisch, sentimental, emotional“ und etwa 150 weitere Adjektive sein soll. „ Es muss 31/4 Sekunden lang sein“. Das war der Auftrag mit dem die Entwickler von Microsoft 1994 an den Komponisten Brian Eno herantraten. Dieser befand sich zu der Zeit in einer kreativen Krise, weshalb ihm der Auftrag sehr gelegen kam, sich an etwas völlig Neuem auszuprobieren. Über 84 Bitsequenzen wurden vorgestellt, ehe der Urklang des wohl erfolgreichsten Betriebssystems seiner Zeit ertönte. Ironischerweise wurde die Melodie auf einem Apple Macintosch komponiert. Viele Betriebssysteme kamen und gingen, doch die Melodie blieb im Ohr. Ihr zur Ehren komponierte der britische Komiker Rainer Hersch einen eigenen Walzer..
Bits und Codes spielen den Sound des Lebens
Nach diesem musikalischen Urknall, legte die digitale Revolution einen Blitzstart hin. Was als kleiner Spaß 1997 begann, sollte sich zum größten Hype des Jahres 2005 entwickeln. Damals imitierte der 17jährige Schwede Daniel Malmedahl die knatternden Geräusche des Mofas seines Freundes. Als Melodie „2taktare“ verbreitet sich der Rhythmus schnell im Netz und wurde populär- Als 2003 sein Landsmann Erik Wernquist den Charakter „The Annoying Thing“ kreierte, begann die große Krötenwanderung. In einer Zeit, in der Klingeltöne die Handys unterschieden, war der Crazy Frog jederzeit und überall. Der Hype ging so weit, dass die britische Band Coldplay sogar zum kollektiven Froschschenkelessen aufrief, da Crazy Frog diese von Platz 1 der Charts vertrieben hatte.
Längst ist der Crazy Frog verstummt, wie so viele andere alt vertraute Geräusche. Um deren Klang zu bewahren und einen Eindruck zu geben, wie die Welt früher einmal geklungen haben muss, gründete Brendan Chilcutt das „Museum der gefährdeten Töne." Wie klingt eine Schallplatte, wer erinnert sich an das unverkennbare Knacken bei den ersten Internetzugängen? Wie hörten sich die ersten Kameras an oder was war das für ein Geräusch, wenn man die Wählscheibe drehte? Dieses Onlinemuseum macht es möglich noch einmal zu erleben, wie die Welt geklungen haben muss, bevor die Töne online gingen.
Man muss zwischen die Noten sehen
„Wo man singt, da lass dich nieder, den böse Menschen haben keine Lieder“, schrieb einst der Dichter Johann Gottfried Seume (1763-1810). Die verbindende und wohltuende Wirkung von Musik wird immer wieder bestätigt. Hier möchte das „„The Humane Sound Project“ ansetzen. Vor drei Jahren ins Leben gerufen bringen die Initiatoren Menschen verschiedener religiöser, kultureller, ethnischer Herkunft zusammen um mit ihnen einen Song zu komponieren. Das Projekt war bereits in den Israel und dem Westjordanland, den Favelas in Brasilien oder den Townships in Südafrika unterwegs.
Aber auch jeder einzelne Musikfreund als User ist dazu eingeladen mitzukomponieren. Dem Informatiker Brendon Ferris kam die Idee einer globalen Komposition, als er sich das Konzept der Wikipedia ansah. Wenn Menschen Wissen teilen und weitergeben, so müsste dies doch auch für Musikgeschmack gelten, dachte er sich, worauf er sich ans Werk machte. Das Projekt „„Crowd Sound“ ermöglicht es jeden aktiv zu gestalten, wie eine“ Hymne des Internets“ einmal klingen wird. Dazu wird eine Auswahl von kurzen Tönen vorgegeben, aus denen der nächste Ton gewählt werden kann. Die Sequenz mit den meisten Stimmen wird dem Stück angehängt, bis dieses ihr Ende erreicht hat. Danach soll die Melodie jedem Künstler zu Verfügung stehen. Diese können sie dann je nach seinem eigenen Stil interpretieren. Derzeit läuft bereits das Nachfolgeprojekt an, welches die Gemeinschaft der Komponisten dazu einlädt am Text der Internethymne mitzuwirken und diese später dazu zu singen.
„Wir singen nicht schön, aber laut, den entscheidend beim Singen ist das man sich traut“ Das dachte sich auch der Dirigent Eric Whitacre als er 2009 das Video einer jungen Frau sah, die seine Komposition „Sleep“ interpretierte. Beeindruckt von der Idee begann er den „Virtual Choir“ ins Leben zu rufen. Hierzu lädt er Menschen dazu ein, eines seiner Werke vorzutragen und sich dabei zu filmen. Anschließend werden die Videos zusammengetragen und bilden so den wohl größten Chor der Welt. Anlässlich der Eröffnung der Commonwealth Spiele in Glasgow 2014 vereinte Whitacre auf diese Weise über 2292 Menschen aus 80 Nationen, die gemeinsam digital sangen.
Das klingt sehr gut, denn egal ob analog, ob digital, 8 Bit oder 16 Bit, egal in welcher Sprache, wenn die Menschen singen, so gilt stets: „ Musik ist eine internationale Sprache, welche die gesamte internationale Netzgemeinde versteht, spricht und vereint.“
Bild: Geralt via pixabay licensed under CC0
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politik-digital · 9 years ago
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Datenschutz zwischen Krise und Eureka - Ein Blick nach Griechenland
Spätestens seit Odysseus sind die Griechen als mutiges Seefahrervolk bekannt und haben durch ihren Geist Europa geprägt. Seit Ausbruch der Krise 2008 befindet sich das Land auf einer neuen Odyssee und segelt dahin auch im Netz. Ein Blick auf Griechenland zwischen Krise und Eureka.
Das griechische logos
Krise ist ein griechisches Wort und bedeutet so viel wie Meinung oder Urteil. Heute fällt das Urteil über die Leistungen der Hellenen positiv aus. Der Mechanismus von Antikythera, benannt nach dem Fundort vor der gleichnamigen griechischen Insel, gilt als der Urcomputer. Bereits vor über 2100 Jahren konnte dieser für die damalige Zeit komplexe Berechnungen durchführen. Vieles hat das Computerzeitalter den Griechen zu verdanken, so wäre die theoretische Informatik ohne das griechische Alphabet kaum vorstellbar. Selbst Informatik leitet sich ab aus den Begriffen Information und Mathematik, der griechischen Kunst des Lernens.
Die griechische Trägödie
Theater, griechisch für Schauplatz, ist ebenso wesentlich durch die Werke der Denker des antiken Hellas geprägt worden. Griechenland war dabei Schauplatz vieler Komödien aber auch großer Tragödien.
Zunächst entstanden kleine Poleis. Gefördert durch Eroberungen Alexanders des Großen breitete sich der Hellenismus schnell aus. Viele griechische Kolonien entstanden darunter auch das spätere Weltreich Rom. Auf diese Blütejahre folgten Jahrhunderte der Verwüstung und Überfälle durch slawische und arabische Eroberer. 1453 fiel dieser Raum endgültig unter osmanische Herrschaft und blieb dies bis dies bis zum Ende des griechischen Unabhängigkeitskampfes 1827. Die Unordnung das Chaos blieben jedoch bestehen. Es folgten Kriege auf Staatsbankrotte und Republiken auf Monarchien. Erst 1974 wurde bis heute gültige demokratische Staatform Griechenlands etabliert.
Die griechische Pädagogik
Pädagogik bedeutet übersetzt so viel wie „die Kinder zu leiten“. Deutlich wird dieses Prinzip auf der Internetpräsenz der griechischen Datenschutzbehörde (Hellenic Data Protection Authority). Eine bunte Website lädt dazu ein sich mit dem Thema Datenschutz zu befassen. Insbesondere Kinder werden als mikros politeis, kleine Bürger angesprochen. In einem eigenen Programm werden sie auf spielerische Weise durch die virtuelle Welt des Internet und ihrer Gefahren geleitet. Das passt sehr gut: Spötter meinen, dass auch der griechische Datenschutz noch in den Kinderschuhen steckt.
Erst 1997 wurde das erste Datenschutzgesetz in der Penelopes erlassen. Damit war Griechenland das erste Mitgliedsland, welches die derzeit gültige Datenschutzrichtlinie von 1995 umsetzte. Dies war vor allem nötig um Mitglied des Schengenraums werden zu können.
Bis heute nutzen nur etwa 60% der Griechen das Internet. Damit ist das Land auf Platz 52 in der Liste der Internetnutzer. Dies macht deutlich, dass in Hellas dem Internet und moderne Technologien eine geringere Bedeutung beigemessen wird. Die letzten Nachrichten des englischen Onlineauftritts der Datenschutzbehörde stammen aus dem Jahre 2009, als es gelang die Autos von Google Street View auszubremsen. Als sich das Land um die Aufnahme in den Euroraum bewarb, verfügte die griechische Verwaltung noch immer kaum über moderne Rechner und Verwaltungssysteme.
Die Büchse der Pandora
Viele dieser Missstände traten erst hervor, als die Büchse der Pandora geöffnet wurde und Griechenland durch die Krise in den Fokus der europäischen Öffentlichkeit geriet.
Immer wieder erschüttern Datendiebstähle das Land, die Schutzmechanismen von Krankenhäusern und öffentlichen Verwaltungen sind unzureichend. Allein 2012 wurden über 9 Millionen Datensätze aus dem Finanzministerium entwendet. Zeitgleich kommt der Aufbau einer modernen IT-Verwaltung nur schleppend voran. Diese Probleme werden durch den momentanen Zustrom von Menschen aus der Türkei noch weiter verschärft. Die griechischen Behörden stehen vor großen Schwierigkeiten, diese Personen ordnungsgemäß zu erfassen. Es bedarf einer Strategie, welche es ermöglicht, gestärkt aus dieser Krise hervorzugehen. Europäische Zusammenarbeit und nachhaltige Investitionen sind unerlässlich um nicht nur die neue Datenschutzgrundverordnung sondern auch weitere wichtige Ziele zu erreichen.
„Eureka, eureka“, so rannte einst Archimedes durch die Straßen von Syrakus. Immer noch haben die Griechen viele Ideen und es hat sich eine kleine Startup-Szene auf der Halbinsel gebildet. The Cube in Athen ist eines dieser kreativen Zentren, in denen sich die neuen Ideen versammeln. Angesichts der großen angespannten Lage stehen viele dieser jungen Unternehmer jedoch vor großen Herausforderungen. Als Griechenland Bargeldsperren einführte, konnten viele nicht einmal mehr den Zugang zum Internet bezahlen. Aber Not macht erfinderisch. ZeroFunding ist eines dieser Startups. Es ist für andere Startups gedacht und will diesen bei der Finanzierung und Vermittlung von Partnern helfen.
Andere Prioritäten, veraltete Strukturen, geringe finanzielle Mittel und hohe Anforderungen an Griechenland, es sieht nicht gut aus um das Thema Datenschutz in der Wiege Europas. Junge Genies mit Visionen und drängende Probleme machen jedoch deutlich, dass etwas geschehen muss und kann. Denn als Pandora die Büchse öffnete, brach nicht nur alles Übel herein, sondern mit ihr kam auch die Hoffnung in die Welt.
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politik-digital · 9 years ago
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Datenschutz zwischen Piroggen und Silicon Valley- Ein Blick nach Polen
Umwälzungen und neue Technologien prägen das moderne Polen, doch die guten polnischen Piroggen sind erhalten geblieben, leider nicht nur sie. Ein Land der zwei Geschwindigkeiten zwischen Piroggen und Silicon Valley, ein Blick auf den Datenschutz in Polen.
Die Nation ohne Staat
Als am 11.November 1918 die rotweiße Fahne über Warschau gehisst wurde, war dies der wohl wichtigste Moment in der jüngeren polnischen Geschichte. Zum ersten Mal seit der Teilung des Landes vor 123 Jahren konnten die Polen wieder selbstbestimmt in ihrem eigenen Staat leben.
Heute blickt unser östlicher Nachbar auf eine bewegte Geschichte zurück. Die liberale Haltung und der rege Handel zogen immer wieder Menschen von überall her an. Toleranz und eine multikulturelle Gesellschaft sind daher fest in der polnischen Geschichte verankert. Das Bekenntnis zu Demokratie und Freiheit wurde 2004 durch den Beitritt zur Europäischen Union gefestigt.
Ebenso gehören aber auch Fremdherrschaft und Kommunismus zum historischen Erbe und das Land trägt noch schwer daran. Über mehr als 100 Jahre kämpften die Polen für die Selbstbestimmung ihres Volkes. Starker Patriotismus und eine besondere Betonung der eigenen Nation sind die Folge davon. Sicherheit und die Wahrung der eigenen Unabhängigkeit sind daher die wesentlichen Leitlinien der polnischen Politik.
Ein Land zwischen die Zeiten gefallen
Als Folge der kommunistischen Diktatur ist Polen ein Nachzügler im Bereich der Informationstechnologien. Historisch war sicherlich der 20. Dezember 1990, als die erste E-Mail aus dem Forschungszentrum CERN Krakau erreichte. Erst 1997 wurde im Zuge der Verfassungsreform nach dem Ende des Kommunismus der Datenschutz gesetzlich festgeschrieben.
Bis heute sind in vielen Teilen Polens Internet und Datenschutz noch immer kaum ein Thema. 30% aller Polen nutzen das Internet überhaupt nicht. 42% bezeichnen ihre Computerkenntnisse als mangelhaft bis überhaupt nicht vorhanden. Wichtiger sind für viele Polen, insbesondere auf dem Land, hingegen noch Tradition und Glaube. Themen wie Familienpolitik, Arbeitslosigkeit und die Wahrung der inneren Sicherheit sind daher in Polen derzeit wichtiger als netzpolitische Problematiken.
Dazu gehört auch. Polens Haltung zu Massenüberwachung und Ausspähung, die sich seit dem Kommunismus kaum verändert hat. Polen hat die Vorratsdatenspeicherung und nutzt sie intensiv, sogar für die Fahndung bei kleinsten Verbrechen. Im Jahre 2011 gab es fast zwei Millionen Anfragen auf Vorratsdaten zurückzugreifen. Fast jeder 20igste Pole geriet somit mindestens einmal unter Verdacht durch die Behörden, eine Zahl die sogar noch vor Großbritannien liegt. Zwar gibt es Kontrollgremien, doch diese sind sehr schwach oder nur intern vorhanden. Die Geheimdienste kontrollieren sich somit selbst. Bekannte Beispiele für diese Selbstkontrolle sind der massenhafte Transfer von Daten aus Polen in die Vereinigten Staaten oder die Bedrängung von Journalisten, die zu Geheimdienstaktivitäten und Korruption ermitteln. Viele Polen tolerieren oder befürworten dieses Vorgehen entweder aus Mangel an technischem Wissen, politischer Passivität oder einem besonderen Sicherheitsbedürfnis.
Mangelnder Wettbewerb auf dem Markt führt zu einem der teuersten Internetzugänge in Europa. Nur etwa 3,6% der Wirtschaft macht die Telekommunikationsbranche aus, doch diese kleine Minderheit verändert das Land.
Silicon Valley auf Polnisch
Ein Blick gen Westen nach Breslau, Warschau und Krakau, in die großen Städte des Landes. Hier sieht das Bild ganz anders aus. Viele namhafte Firmen der IT-Branche haben in den letzten Jahren Nearshoring betrieben, also Outsourcing in günstigere Nachbarländer, und Teile nach Polen verlagert. Hier entstehen gerade große Technologiezentren. Nach dem Shared Service Prinzip werden hier, kostengünstiger als in den Standorten in Westeuropa, einfachere Aufgaben wie interne IT, Buchhaltung oder Kundenbetreuung übernommen.
Längst ist Polen jedoch nicht mehr nur eine verlängerte Werkbank der großen westlichen Firmen. Allein zwischen 2008 und 2015 hat sich die Zahl der Internetnutzer auf etwa 26 Millionen verdoppelt. Es gibt mit über 56 Millionen, mehr Mobiltelefone und Smartphones als Einwohner. 56% nutzen ihre Smartphones auch um im Internet zu surfen. 38% (OECD 33%) der digitalen Kommunikation laufen über diese mobilen Geräte und über 1,4 Millionen öffentliche Hotspots (proportional mehr als Deutschland) machen diese Kommunikation möglich.
Das Land verfügt über eine der größten Zahlen an Studenten. Neben einer guten Bildung und fachlicher Kompetenz verfügen polnische Akademiker über Erfahrung mit den neuen Technologien. Sie bringen neue gute Ideen mit und verwirklichen diese mithilfe der neuen digitalen Möglichkeiten. Polnischer Patriotismus kann beispielsweise nun auch mithilfe des Smartphones gezeigt werden. Pola ist ein App mit dem man jederzeit scannen kann, wie polnisch ein Produkt ist, also wieviel Prozent von Produktion und Kapital aus Polen stammen. Viele junge Startups aus den verschiedensten Bereichen wie Alltagshelfer, Medizin und Biotechnologie bis hin zu einer Computerspielszene blühen gerade auf und tragen zum dynamischen Wachstum des Landes bei. Krakau gilt bereits als das „Silicon Valley“ Osteuropas.
Für unsere Freiheit und ihre
Im November letzten Jahres erlebte Polen einen neuen historischen Moment. Die nationalkonservative Partei PiS (dt. Recht und Gerechtigkeit) wurde stärkste Kraft, vor allem in vielen ländlichen Regionen Ostpolens. Seit Regierungsantritt beginnt diese massive in die Grundrechte einzugreifen, indem sie die Unabhängigkeit der Medien beschneidet oder die Ausspähung von Einzelpersonen ohne richterlichen Beschluss ermöglichen will.
Doch es regt sich Widerstand. „Für unsere Freiheit und ihre“ ist der inoffizielle Wahlspruch Polens. Organisationen wie Panoptykon oder die polnische Datenschutzbehörde protestieren gegen diese massiven Eingriffe in die Bürgerrechte. Unterstützt werden sie dabei von Demonstranten, die regelmäßig für ihre Rechte auf die Straße gehen. Polen war einst eines der modernsten Länder der Welt. Die Lehren aus dem Kommunismus waren ein Bekenntnis zu Europa und den demokratisch freiheitlichen Grundrechten. Wieder sind diese Rechte bedroht, welche sich die polnische Nation mühevoll erkämpfen musste. Demonstrationen gegen Beschneidungen der Bürgerrechte und ein neues politisches Bewusstsein in Teilen der polnischen Jugend wecken aber auch Hoffnungen, dass diese Errungenschaften nicht verloren gehen. Denn noch ist Polen nicht verloren.
Originalartikel auf politik-digital
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politik-digital · 9 years ago
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Datenschutz zwischen Nordlicht und Start Up – Ein Blick nach Schweden
Grüne Wiesen, Elche und Gemütlichkeit, das ist unser Bild von Schweden. Ein Land, das sich vom Polarkreis bis zur Ostsee erstreckt. Nur knapp 10 Millionen Menschen leben hier teils sehr verstreut, doch bildet das Internet den Innovationsmotors eines dynamischen Skandinaviens. Ein Blick auf den Datenschutz in Schweden zwischen Nordlicht und Startups.
Alles ist von öffentlichem Interesse
„Ich grüße dich lieblichstes Land der Erde“, heißt es in der schwedischen Nationalhymne. Einer dieser Grüße in den Norden sollte Geschichte schreiben. Am 7. April 1983 um 14:02 erhielt der Internetpionier Björn Eriksen die erste E-Mail Schwedens. Dies war der Geburtsmoment des Internet im Norden Europas.
„Um einen freien Meinungsaustausch zu fördern und der Informationspflicht nachzukommen, hat jeder Bürger das Recht an allen öffentlichen Handlungen teilzunehmen“. Seit seiner Verankerung in der Verfassung 1766 prägt dieses „Öffentlichkeitsprinzip“ (Offentlighetsprincipen) das schwedische Verständnis von Datenschutz. Während der europäische Standard eine Datenverarbeitung nur ermöglicht, wenn dies ausdrücklich erlaubt ist (Verbot mit Erlaubnisvorbehalt), stellt Schweden dieses Prinzip praktisch auf den Kopf. Hier muss die Datenverarbeitung ausdrücklich verboten sein. Sämtliche Daten, die von öffentlichem Interesse sein könnten, sind grundsätzlich für alle und jeden zugänglich.
Jeder Schwede, der gerne mehr über das neue Auto seines Nachbarn, dessen letztes Einkommen oder letztes Steueraufkommen erfahren möchte, kann dies jederzeit und unkompliziert tun. Ratsit.se führt eine Datenbank mit über 8 Millionen Personen und deren persönliche Daten aus dem Skatteverket (Finanzamt), der Kronfogdheden (ähnlich der Schufa), dem Bolagsverket (Handelsregister) und bietet noch viel mehr. Diese Informationen sind für alle und jeden immer zugänglich. Zwar gibt es auch hier Einschränkungen in der Datenfreiheit, doch kommen diese eher selten zum Tragen.
Ich weiß, dass du bist und du bleibst, was du warst.
Seit 1983 hat sich die Zahl der Internetnutzer vervielfacht. Heute nutzen über 94% der Schweden das Internet. Schnelles Internet fördert im hohen Norden die Innovationen. Auf 900.000 Stockholmer kommen mittlerweile über 850 Start Up Unternehmen. Der Musikstreamanbieter Spotify ist nur ein Beispiel von vielen. Schweden ist Vorreiter in Sachen Internet. Bereits 1973 verabschiedete der Riksdaget weltweit das erste Datenschutzgesetz eines Landes. Seit diesem Zeitpunkt kümmert sich der „Datainspektionen“ mit seinen 40 Mitarbeitern um Bedenken im Datenschutz.
Diese Bedenken scheinen jedoch nicht sehr verbreitet zu sein. „Wir könnten und sollten die erste bargeldlose Gesellschaft der Welt sein“ wird Björn Ulvaeus ehemaliges Mitglied von ABBA zitiert. Bereits 1967 stand einer der ersten Geldautomaten in Schweden und nun scheint das Bargeld zu verschwinden. Immer mehr Schweden nutzen bargeldloses Zahlen mit Kreditkarte oder dem Handy. Sogar die Obdachlosenzeitung „Situation Stockholm“ lässt sich bequem per Karte zahlen.
Die großen Banken wie Swedbank oder Nordea haben ihren Bargeldservice weitgehend zurückgefahren und vielerorts wird nicht einmal mehr Bargeld akzeptiert.Dieses neue digitale Geld öffnet natürlich Hackern und der Überwachungsgesellschaft neue Möglichkeiten. Jedoch teilen viele Schweden diese Sorgen nicht und glauben an den Fortschritt, vertrauen auf die Sicherheit ihrer Daten.
Das Internet wird zu einem allgegenwärtigen Begleiter. Daher hat das Skolverket (ähnlich dem Bildungsministerium) eine nationale IT-Strategie gestartet. In den nächsten drei Jahren soll jeder Schüler über digitales Werkzeug verfügen, um an den Möglichkeiten der neuen virtuellen Welt teilhaben zu können und deren bewussten Umgang zu erlernen. Hierzu ist beabsichtigt, Lehrkräfte besonders zu schulen und den Umgang mit diesen neuen Technologien im Lehrplan fest zu verankern.
Datenschutz macht erfinderisch
Schwedens ist geprägt von weiten Landschaften. Das Jedermansrecht (Allemansrätten) garantiert jedem den freien und ungehinderten Zugang zur Natur. Eine ähnliche Mentalität scheint sich auch im Internet auszubreiten, was Urheberrechte betrifft. Politische Bewegungen wie die Piraten oder aber auch der Anbieter „The Pirate Bay“ stammen aus Schweden. Eine freie und ungehinderte Verbreitung von Inhalten bei geringem Urheberrecht ist deren Ziel.
Urheberrechte und Datenschutz können sogar zur Religion werden, wie die Glaubensgemeinschaft „Missionierende Kopimisten“ beweist. Gedacht als Satire verehren die Anhänger dieser Bewegung die Tastenkombinationen Ctrl+ C und Ctrl+ V als ihre religiösen Insignien. Zur ihren Geboten gehören eine freie Verfügbarkeit von Informationen und deren Verbreitung. Das Internet selbst wird als heilig verehrt.
Wer gerne mit einem Kopimisten sprechen möchte oder sich mit einem Schweden über Datenschutz austauschen möchte, für den bietet sich eine neue Möglichkeit: Gefördert durch das schwedische Tourismusbüro hat Schweden als erstes Land der Welt seine eigene Telefonnummer. Unter der Nummer +46 771 793 336 erreicht man immer einen zufällig ausgewählten Schweden.
In diesem Sinne frei nach ABBA:“ Ring, ring, why don't you give me a call?“
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politik-digital · 9 years ago
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Datenschutz zwischen Bürgerrechten und Ausnahmezustand – Ein Blick nach Frankreich
Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit; diese Schlagworte der Revolution prägen Frankreich bis in den virtuellen Raum hinein. Die Anschläge von Paris letzten Jahres wecken jedoch das Bedürfnis nach mehr Sicherheit. Ein Blick auf Datenschutz in Frankreichs zwischen Bürgerrechten und Ausnahmezustand.
Frankreich, die Mutter der Bürgerrechte
Frankreich gilt als das Mutterland der Bürgerrechte. Bereits in der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 wurde das Recht auf Privatsphäre festgeschrieben, der Freiheit, ohne Zwang und äußeren Einfluss sich selbst entfalten zu können. In Zeiten moderner digitaler Technologien stellt sich die Frage, wie dieses Recht im virtuellen Raum gewahrt werden kann.
„Die Informatik steht im Dienste eines jeden Bürgers. Sie muss sich in einem internationalen Rahmen entfalten können. Sie darf nicht die Identität einer Person, ihre natürlichen Rechte, ihr Privatleben, die individuellen oder öffentlichen Freiheiten gefährden“. Mit dieser Erklärung beginnt das Loi informatique et libertés, die französische Datenschutzverordnung. Als diese 1978 verabschiedet wurde, war Frankreich neben Schweden (1973); das erste Land Europas, welches ein umfassendes Gesetz zum Thema Daten und deren Schutz verabschiedete. Dieser Gesetzesentwurf war damals bereits bahnbrechend, da er sich für einen hohen Schutz der persönlichen Daten einsetzte.
Einwilligung und Transparenz stehen im Vordergrund dieses Gesetzestextes. Danach dürfen Daten nur verarbeitet werden, wenn die Nutzer dem zugestimmt haben. Art der Daten und das Ziel deren Verarbeitung müssen klar erkennbar sein. Das Centre Nationale de Information et Liberté (CNIL) ist dafür verantwortlich zu überprüfen, dass diese Vorgaben eingehalten werden. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Anbietern und dem CNIL ist dafür obligatorisch.
Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit für den virtuellen Raum.
Über 80% der Franzosen nutzen heute das Internet regelmäßig, aber nur ein Bruchteil davon fühlt sich sicher genug im Umgang mit diesem neuen Medium. Das möchte man ändern. Um den technischen Fortschritt zu begleiten und die Einhaltung der Bürgerrechte sicherzustellen, wurde 1978 unter Präsident Valéry Giscard d´Estaing die CNIL ins Leben gerufen.
Die französische Datenschutzbehörde verfügt über eine Kommission von 17 Personen aus verschiedenen Bereichen. Zum einen befinden sich in diesem Gremium Abgeordnete und Senatoren (je 2 Vertreter), Richter der obersten Gerichtshöfe (insgesamt 6 Vertreter), sowie Experten des Wirtschafts-, Sozial und Umweltrates Frankreichs (insgesamt 2 Vertreter). Weitere Vertreter werden ernannt durch den Präsident des CNIL bzw. dem Präsident des CNIL (insgesamt 5 Vertreter). Der Präsident ist unabhängig und darf keine weiteren Ämter ausüben. Die Mitglieder der Kommission dürfen nur einmal wiedergewählt werden für eine Amtszeit von je 5 Jahren.
Die Bedeutung des Themas Datenschutz in Frankreich wird bei näherer Betrachtung des Internetauftritts der Behörde deutlich. Bereits auf den ersten Blick lassen sich Verweise zu den wichtigen Fragen rund um das Thema persönliche Daten und persönliche Rechte finden. Aber auch Unternehmer können sich über ihre Verpflichtungen im Bezug auf Schutzmaßnahmen im Datenverkehr informieren. In einfacher Sprache und in kurzen Videos können Interessierte erfahren, wie sie ihre Daten im Internet besser schützen können und sicherer im Netz unterwegs sind. Darüber hinaus bietet die Website die Möglichkeit, auf einfache und unbürokratische Weise Beschwerde gegen die Verwendung bestimmter Daten einzulegen. In diesem Rahmen bietet die Datenschutzbehörde CNIL weitreichende Information über die eigenen Rechte und Möglichkeiten, diese auszuüben und zu schützen.
Der Mensch hat sich von „homo sapiens“ zum „homo numericus“ entwickelt, wie die französischen Senatoren Anne Marie Escoffier und Yves Detraine 2009 betonten. Daher müsse die Transparenz sichergestellt werden, zu welchem Zweck Daten erhoben werden dürfen. Darüber hinaus müssten diese Daten gelöscht werden können, wenn sie nicht mehr weiter benötigt werden – das so genannte „Recht auf Vergessenwerden“. Dieses Recht ist in der französischen Datenschutzverordnung bereits verankert. Alex Türk, damaliger Präsident des CNIL, plädierte dafür, den Begriff Privatsphäre weiter zu denken und das „Recht auf Vergessenwerden“ in die Verfassung aufzunehmen. Am 13.Oktober 2010 unterzeichneten verschieden Firmen die „Chartes du droit à l’oubli numérique“. In dieser verpflichten sie sich, das Bewusstsein für Datenschutz ihrer Nutzer zu fördern, eine transparentere Verarbeitung von Daten sicherzustellen und bessere Selbstbestimmung der Nutzer über ihre Daten zu ermöglichen. In der neuen Datenschutzverordnung der europäischen Union ist dieses Recht auf Vergessen auch enthalten.
Frankreich auf dem Weg in den Überwachungsstaat?
„Paris ändert alles“, polarisierte der bayerische Finanzminister Markus Söder nach den Anschlägen in Paris am 13. November letzten Jahres.
„Der 7. Januar und der 13. November werden im kollektiven Gedächtnis unserer Bürger bleiben, als grausame Terroristen Paris heimsuchten. Aber dies war nicht ein Angriff auf Paris, ebenso wenig auf Frankreich sondern ein Angriff auf unsere Art zu leben“, wandte sich der französische Präsident Francois Hollande nach den Anschlägen an die Franzosen.
Im Vorfeld der Regionalwahlen im Dezember letzten Jahres waren Kriminalität und Terrorismus die zentralen Themen. Bereits 2006 wurde die Vorratsdatenspeicherung in Frankreich eingeführt. Hierbei werden Internetanbieter verpflichtet, Informationen und Entschlüsselungscodes an die Ermittlungsbehörden auf Anfrage weiterzuleiten. Im Zuge der Erweiterung des „Loi relativé a la lutte contre le terrorisme“ aus dem Jahre 2006 erhalten Ermittlungsbehörden und Geheimdienste weitreichende neue Kompetenzen. So bekamen Ermittler beispielsweise die Möglichkeit, sämtliche Metadaten der Kommunikation in sogenannten „Black Boxes“ zu speichern. In dringenden Fällen können auch ohne vorherige Genehmigung Daten im Detail analysiert und somit einzelne Personen direkt überwacht werden. Zudem ermöglicht die Ausrufung und Verankerung des Ausnahmezustandes (Etat d´Urgence) eine weitreichende Außerkraftsetzung der freiheitlich demokratischen Bürgerrechte.
Aus Protest dagegen, Teil dieses Überwachungssystems zu werden, haben bereits einige französische Anbieter damit gedroht, ihren Sitz außer Landes zu verlegen. Intellektuelle, Bürgerrechtler kritisieren die Aushöhlung der Grundrechte.
Immer wieder widersetzen sich Demonstranten dem Demonstrationsverbot oder üben Kritik. Zuletzt demonstrierten im Januar Tausende gegen die Verlängerung des Ausnahmezustandes. Dennoch bleiben viele auch passiv und trauen den Parteien allgemein kaum zu, Maßnahmen zur Lösung der dringenden Sicherheitsprobleme zu ergreifen.
„Frankreich befindet sich im Krieg“. Daher seien besondere Maßnahmen nötig, damit Frankreich ein freies Land bleibe, betonte Präsident Hollande. Frankreich ist das Mutterland der Bürgerrechte und Menschenrechte. Egalité, Liberté, et Fraternité; die Errungenschaften der französischen Revolution waren wegbereitend und sind fundamental, schufen und prägten sie doch die Grundwerte des modernen freien Europas. Wie weit müssen Politik und Bürger gehen, ihre bürgerlichen Freiheiten opfern um in Sicherheit zu leben? Vielleicht sollten sich die Franzosen an die Worte des US-amerikanischen Staatsmannes Benjamin Franklin erinnern, der einst als Diplomat in Paris war: „Wer die Freiheit aufgibt um Sicherheit zu gewinnen, der wird beides verlieren.“
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politik-digital · 9 years ago
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Auf dem Weg zur Datenunion? – Gemeinsam verschieden auch im Netz
Am 14. April stimmte das Europäische Parlament über die neue Datenschutzgrundverordnung ab. Was ist das Ziel dieser neuen Verordnung? Wie sieht Datenschutz momentan innerhalb der europäischen Union aus?
Datenschutz ein Flickenteppich
1995 verabschiedete das europäische Parlament die erste Europäische Datenschutzrichtlinie. Artikel 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union garantiert den Schutz personenbezogener Daten. Dennoch ist Europa ein” Datenschutz-Flickenteppich”, wie Jan Phillip Albrecht, MdEP und Nominierter des Nobelpreis für Datenschutz, bemängelt. Jedes der 28 Mitgliedsländer hat seine eigenen Datenschutzgrundverordnungen. Dies führt zu unterschiedlichen Standards im Datenschutz. Daher hat die Europäische Kommission 2012 eine neue Fassung der Datenschutzgrundverordnung angeregt. Nun sollen die Verhandlungen zum Abschluss kommen, gemeinsame Standards für alle 500 Millionen EU-Bürger etabliert werden.
Transparenz und Mündigkeit im gemeinsamen Netz
Allgemeines Ziel der neuen Datenschutzgrundverordnung ist es, einen einheitlichen Rahmen für alle Bürger zu bieten. In diesem sollen alle Nutzer leichter und klarer über ihre Rechte und Pflichten im virtuellen Raum aufgeklärt werden. Kein Anbieter kann mehr seinen Sitz in das Land mit dem geringsten Datenschutz in Europa verlegen. Auf diese Weise möchte man erreichen, dass gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Teilnehmer geschaffen werden.
Wesentliche Punkte der Verordnung sind:
Informierte Einwilligung: Nutzer müssen bewusst einwilligen, dass ihre Daten gespeichert und weiter verarbeitetet werden. Dabei müssen Umfang und Zweck der Datenspeicherung einfach und schnell verständlich sein. Zudem erhalten die Nutzer das Recht, Auskunft über die Art und den Umfang ihrer gespeicherten Daten zu erhalten
Recht auf Vergessenwerden/Datenportabilität: Nutzer erhalten das Recht auf Löschung von Daten, wenn diese nicht mehr benötigt werden. Zudem sind bei einem Anbieterwechsel diese verpflichtet, persönliche Daten auf elektronischen Wege und in einem allgemein nutzbaren Format auszuhändigen.
Datensparsamkeit: Unternehmen dürfen nur noch die Daten erheben, welche für die Erfüllung der jeweiligen Dienstleistung notwendig sind. Dienste der Unternehmen dürfen dabei nicht von Daten abhängig gemacht werden, die nicht für die Dienstleistung notwendig sind. Werden diese Bedingungen nicht erfüllt, drohen Sanktionen.
Europäischer Datenschutzausschuss: Der Europäische Datenschutzausschuss setzt sich aus Vertretern der nationalen Aufsichtsbehörden zusammen. Sie sollen die einheitliche Anwendung des Datenschutzrechtes sicherstellen.
One Stop Shop: Bürger erhalten die Möglichkeit, unabhängig vom Land des Datenschutzmissbrauches ihre Beschwerde an ihre nationale Aufsichtsbehörde zu richten.
Datenweitergabe an Drittstaaten: Daten dürfen an Drittländer nur im Rahmen von Rechtshilfeabkommen weitergegeben werden. Die Europäische Kommission ist dazu verpflichtet, regelmäßig über Datentransfers zu berichten. Zudem erhalten die Bürger die Möglichkeit zur Beschwerde, auch wenn der Datenmissbrauch in einem Drittland passiert.
Auf dem Weg zur Datenunion?
Diese ehrgeizigen Ziele ebnen den Weg zu einer Datenunion, in der gleiche Standards in allen Mitgliedsstaaten für alle Bürger und Unternehmen gelten. 2018 soll die Verordnung in Kraft treten. Doch welche Hürden bestehen noch dieses Vorhaben zu erreichen? Welche Rolle spielt das Thema in Europa? Wie sieht Datenschutz momentan in den verschiedenen Mitgliedsländern aus?
Anlässlich der Abstimmung über die Europäische Datenschutzgrundverordnung schauen wir, wie vier europäische Länder über Datenschutz denken. In unserer Artikelreihe betrachten wir zunächst die Entwicklung in Frankreich als Mutterland der Bürgerrechte. Daneben wird das skandinavische Modell einer offenen Gesellschaft und deren Umgang mit Daten aufgezeigt. Dann wendet sich der Fokus auf unserem östlichen Nachbarn Polen, als Beispiel für ein neues postkommunistisches Mitgliedsland. Abschließend wird ein Land vorgestellt, dass in letzter Zeit häufig in einem anderen Zusammenhang im Fokus stand: wir schauen auf den Datenschutz in Griechenland.
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politik-digital · 9 years ago
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Rückkehr in eine digitalisierte Welt
In den meisten deutschen Gefängnissen haben Inhaftierte keinen Zugang zum Internet und können sich nicht auf das zunehmend digitalisierte Leben in Freiheit vorbereiten. Ein Pilotprojekt des Landes Berlin soll das ändern.
Ein Leben ohne Internet ist für uns heutzutage kaum noch vorstellbar. Und doch haben viele Menschen auch in Deutschland keinen Zugang dazu. Man sieht sie selten, man kennt sie kaum, denn sie sitzen im Gefängnis. Offline.
Eigentlich lautet das Ziel des deutschen Strafvollzugs „Resozialisierung“, also Wiedereingliederung in die Gesellschaft. Die Gefangenen sollen befähigt werden, nach der Haft ein normales Leben zu führen. Wie sieht solch ein normales Leben heute aus?
Der Handywecker klingelt, aufstehen. Duschen, frühstücken und sich auf dem Weg zur Arbeit per App in verschiedenen Tageszeitungen vergewissern, dass sich die Welt noch so dreht wie gestern. In der Familien-WhatsApp-Gruppe kommen wie jeden Tag etwa 5 lustige Bildchen und Videos an. Die Hälfte schaut man sich an, den Rest vergisst man. Am Arbeitsplatz angekommen, wird als erstes der Computer hochgefahren, es werden Mails gecheckt, beantwortet und weitergeleitet. Den Tag verbringt man tippend vor dem Bildschirm. In der Pause noch schnell ein paar interessante YouTube-Videos angeschaut und online die Reservierung bei der Bahn für die Fahrt ins Wochenende abgeschlossen. Mehrere Skype-Konferenzen lassen den Tag schneller vergehen. Kurz vor Schluss kommt noch die Erinnerung des Lebenspartners rein, das Geburtstagsgeschenk für die Mutter im Online-Buchhandel zu bestellen. Natürlich, es soll ja morgen da sein. Abends entspannt man dann endlich vor seinem Bildschirm, wo man sich drei Folgen seiner Lieblingsserien auf Netflix anschaut.
Der deutsche Strafvollzug kennt als höchstes Strafmaß den lebenslänglichen Freiheitsentzug. Dabei handelt es sich genauer gesagt um eine Haftstrafe auf unbestimmte Zeit, die mindestens 15 Jahre beträgt. Wie soll nun ein Mensch, der die letzten 15 Jahre im Gefängnis verbracht hat, sich nach der Entlassung in unserer Gesellschaft zurechtfinden? Sie ist längst von der Digitalisierung durchdrungen. Vor 15 Jahren waren Anwendungen wie Facebook, WhatsApp, Netflix oder YouTube noch nicht existent. Das Internet war noch dabei, sich auszubreiten: Erst etwa ein Drittel der deutschen Haushalte hatte Zugang dazu. Google.de gibt es erst seit 2001.
Kann man also von Resozialisierung sprechen, wenn man den Häftlingen während der Haft den Zugang zu einem so elementaren Teil unseres Alltags verwehrt? Die ZEIT urteilte vor kurzen, wir seien alle Cyborgs, weil das Smartphone längst Teil unseres Selbst geworden ist. Nun, einige der Häftlinge sind es nicht. Sie leben in einer Welt ohne Smartphone und ohne Internet im Allgemeinen. Noch.
Im Land Berlin wurde vor kurzem einen Vorschlag zur „Resozialisierung durch Digitalisierung“ vorgebacht. Dieser wurde am letzten Mittwoch im Rechtsausschuss zusammen mit dem „Gesetz zur Weiterentwicklung des Berliner Strafvollzugs“ besprochen. Die für uns relevanten gesetzlichen Bestimmungen sind §40 und §56 Abs.4. Ersterer befasst sich mit Telekommunikation. Hier erkennen die Politiker die Änderung des gesellschaftlichen Kommunikationsverhaltens an und möchten den Häftlingen somit neben dem Telefon auch die Möglichkeit für neue Formen der Telekommunikation eröffnen. Dabei sollen zuerst die Vollzugsanstalten darüber entscheiden, ob sie Kommunikation über E-Mail und ähnliches allgemein zulassen wollen. Danach wird dann noch im konkreten Einzelfall für jeden Häftling entschieden, ob ihm gestattet wird, diese Möglichkeiten zu nutzen. Der §56 befasst sich mit Rundfunk, Informations- und Unterhaltungselektronik. Dabei eröffnet der vierte Absatz die Möglichkeit, andere Geräte als die bereits vorhandenen Radios und Fernseher zum Empfang von Medien zu nutzen.
Das sind also die Gesetzesänderungen, die voraussichtlich sehr bald im Bundesland Berlin kommen werden. Es wirkt nicht sehr eindrucksvoll. Durch das viele „können“ ist es auch sehr einfach für die Anstalten „Nein“ zu sagen. Man kann, man muss ja nicht. Es war auch weniger das Gesetz, das die Medien in Aufruhr gebracht hat, sondern viel mehr der dem Gesetz beigelegte Antrag, der von Abgeordneten der SPD und der CDU gemeinsam eingereicht wurde. Dabei war vor allem die SPD treibende Kraft. Die CDU sieht das Thema kritischer.
In dem Antrag wird das Pilotprojekt „Resozialisierung durch Digitalisierung“ vorgestellt. Auf Basis der obigen gesetzlichen Bestimmungen soll somit in einer Teilanstalt einer Justizvollzugsanstalt den Gefangenen beschränkter Zugang zum Internet gewährt werden. Laut Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) wird dies eine Teilanstalt der JVA Heidering sein. Dabei bekommen die Häftlinge die Möglichkeit, auf bestimmte Internetseiten zuzugreifen, wie News-Seiten, Wohnungssuchportale, Fortbildungsangebote, Arbeitsagenturseiten oder Wikipedia. Die Fähigkeit, mit Online-Diensten umzugehen, benötigt man ja nicht nur für Soziale Netze, auch die Jobbörse der Arbeitsagentur ist mittlerweile ein Online-Tool. Um wieder in der Gesellschaft anzukommen, ist es wichtig, dass der Häftling in der Lage ist, sich einen Arbeitsplatz zu suchen. Damit der Internetzugang nicht missbraucht wird, werden die entsprechenden Seiten regelmäßig auf die Anstaltsserver gespiegelt und dann mit leichter Verzögerung zur Nutzung bereitgestellt. Inwieweit auch Online-Kommunikation, etwa durch E-Mails, möglich sein soll, wird noch geprüft. Natürlich darf eine solche Möglichkeit unter keinen Umständen zum Begehen weiterer Straftaten genutzt werden und die Sicherheit Dritter ist zu jedem Zeitpunkt zu gewährleisten.
Der Start des Pilotprojekts ist ein sehr kleiner Schritt, aber es ist ein Schritt auf dem Weg zu einer zeitgemäßen Resozialisierung. Bisher war es Häftlingen nur gestattet, im Vollzug Zugang zum Internet zu bekommen, wenn sie diesen zum Absolvieren eines Fernstudiums oder ähnlichen Ausbildungsmöglichkeiten benötigten. Nun wird diese strikte Vorgabe langsam gelockert. Verläuft der Versuch in der JVA Heidering erfolgreich, kann das Projekt auf andere Berliner Vollzugsanstalten ausgeweitet und in anderen Bundesländern aufgegriffen werden.
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politik-digital · 9 years ago
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Über den Hass
Am besten fangen wir mit Franz Meyer an. Er ist im Ruhestand und lebt in einer Kleinstadt. Er liest seit Jahren die Webseite und die Zeitung, für die ich arbeite; zu 25 Prozent ist er zufrieden mit uns, zu 75 Prozent nicht. Das gibt er auf seinem Blog als Grobschätzung an. Er hat mit uns ideologische Differenzen. Man könnte sagen: Er arbeitet sich an uns und der Welt ab. Vor allem in unseren Foren im Internet. Wir kennen ihn. Wir bekommen  Mails von ihm, wenn wir seine Beiträge löschen, die gegen die Netiquette verstoßen. In den Mails verunglimpft er Mitarbeiter und bloggt nun außerdem über uns.
„Die Süddeutsche Zeitung zensiert in ihrem Online-Forum wie eine totalitäre Macht“, schreibt Franz Meyer auf seiner Startseite in einem gelben Laufband. In einem Text behauptet er: „Die Meinungsbildung der SZ ist überwiegend aus homosexueller Sicht geprägt.“ Gerade daher rühre eine „große Gegnerschaft zu Putin“. Das ist eine größere seiner Thesen, und so geht es weiter.
Weil das Internet jedem eine Bühne bietet – auch wenn Zensurbeklager jammern, sie würden von aller Welt unterdrückt –, wird auf solchen Seiten öffentlich, was früher meistens in der relativen Privatsphäre eines Stammtisches oder einer Werkskantine blieb. Meyers Webseite eröffnet eine Weltsicht, mit der ein urbaner, halbwegs kosmopolitischer Menschenfreund gewöhnlich nicht konfrontiert wird. Wer mit ebenjener Haltung seine Texte durchstöbert, schwankt zwischen Schaudern und einer Faszination, die sich anfühlt, als würde man einer Lawine beim Losbrechen zusehen. In Zeitlupe. Glaubt Franz Meyer wirklich an eine schwule Verschwörung gegen Christen? Meint er seine bayerisch-katholische Hetze gegen protestantische Norddeutsche wie Merkel und Gauck ernst? Fordert er tatsächlich eine  Einheitskirche (auch für Atheisten!) und – eine besondere Pointe  des Blogs – eine „drastische Zensur der Boulevardpresse hinsichtlich Sensations-, Sex- und Paparazzi-Journalismus“?
Tumblr media
    Die Berufsethik gebietet, Franz Meyer zum Schutz der Familie hier nicht mit echtem Namen zu nennen. (Auch wenn er seinerseits eine Art Online-Pranger von SZ-Redakteuren gebastelt hat.) Außerdem sollte man seinen Thesen eigentlich nicht zu solcher Prominenz verhelfen, dass man ihn an den Textanfang stellt. Bloß weil er, sagen wir: eher randständig ideologisch argumentiert und derlei Obskura immer eine praktische Methode sind, um Aufmerksamkeit für einen theoretischen Text zu bekommen, nimmt man den Mann plötzlich ernster, als er genommen werden müsste.
Und doch, genau das geschieht in der digitalen News-Welt derzeit öfter, als es gut ist – obskure Thesen, Lawinengefahr, Prominenz für Absurdes, generell viel Auf- und Erregung, die manchen Kollegen Angst macht. Deshalb passt der Einstieg genau zu dem Problem, von dem hier die Rede sein soll.
Auf Facebook schwemmt es Traktate und Parolen besorgter Bürger/Pöbler prominent in die Feeds. Hetze trendet in Timelines und Foren und wirft die Frage auf, was dort überhaupt noch sinnvoll zu diskutieren ist. Umgekehrt aber auch: Manche Medien publizieren Geschichtchen, die das rechtspopulistische Klientel mit heiklen Thesen und krassen Spins dort abholen, wo es steht. Randständige Ideologie ernster zu nehmen, als es der demokratischen Kultur gut tut, ist nicht mehr völlig unopportun, wenn es Quote bringt. Bildblog hat in den vergangenen Wochen und Monaten in einem journalistisch-moralischem Horrorkabinett detailreich die Auswüchse dokumentiert. Wenn bei Franz Meyer der gefühlte Niedergang des katholischen Bayern zum Anlass für Parolendrescherei im Netz taugt, dann waren das für viele andere die Kölner Silvesternacht und Merkels Flüchtlingspolitik, so wie zuvor die Krisen in der Ukraine, Syrien und Gaza.
Was passiert da bloß im Netz?, denken viele Kollegen und kommen ins Grübeln, weil die vielen damit verwobenen Fragen unmittelbar unser Selbstverständnis als Journalisten berühren. Zum Beispiel: Wie randständig ist die Meinung von Herrn Meyer wirklich? Oder die von Pegidisten? Lauert unter dem Firnis unserer Zivilisation nicht doch recht dicht jenes Grauen, das man sieht, wenn man sich in Social Media in die Masse braun (rps. im linken Spektrum  dunkelrot) durchmengter Stupiditäten klickt und kaum wieder herausfindet? Was bedeutet das für unsere Arbeit? Wenn vorhin von der urbanen, halbwegs kosmopolitischen, menschenfreundlichen Perspektive auf das Weltgeschehen die Rede war: Ist diese Perspektive eigentlich mehrheitsfähig? Und ist diese Frage nach einer mehrheitsfähigen Perspektive für einen Journalisten überhaupt wichtig, wenn er bloß 1:1 berichten soll, was ist (um Rudolf Augsteins Motto zu zitieren)? Was aber, wenn das, was ist – zum Beispiel bei Rassisten in Dresden, zum Beispiel bei Franz Meyer – nicht zu jenem Prinzip passt, dem Journalismus in Deutschland aus seiner Geschichte heraus verpflichtet ist: nämlich Unmenschlichkeiten als solche zu kritisieren, um für eine freiheitlich-demokratische Grundordnung einzutreten?
Ist man, wenn man einen solchen Satz wie den vorherigen hinschreibt, eigentlich schon „Systempresse“? Und wieso glauben so viele Leute die Hetze über „gleichgeschaltete Lügenpresse“? Oder glauben gar nicht mehr Leute als früher daran, und man hört die Lügenpresse-Rufe durch die sozialen Medien nur lauter? Und, Gegenfrage: Verstärken die Verbreitungslogiken sozialer Medien die Hetze gegen Journalisten und andere nicht doch so, dass mehr Menschen diesen Thesen ausgesetzt und dafür empfänglicher werden? Vergiftet das systematisch das Diskussionsklima?
Das Diskussionsklima. Tja. Wie immer es dem gerade geht. Klar ist: Es ist seit ein, zwei, drei Jahren einer Herausforderung ausgesetzt, die einerseits inhaltlich nicht neu ist. Die Debatte über die Asyl- und Flüchtlingspolitik zum Beispiel wurde schon vor zwei Jahrzehnten mit grenzwertigen Thesen geführt, im Kern sogar extremer, und manches wirkt 2015/16 wie ein ewiggestriges Echo jener Jahre. Andererseits hat sich die Debatte in digitalen Medien zuletzt auf eine Weise hysterisiert, dass ein Blick auf die digitale Eskalationsmechanik durchaus lohnt. Vielleicht kommen wir so zu Antworten auf die Fragen, oder auch bloß ein bisschen zur Vernunft.
Erfolgsprinzip Erregung
Emotion sells – das ist die Geschäftslogik von Facebook. Das klingt erst mal gefühlig-einfühlsam. Doch von Donald Trump über Pegida bis zu Frauke Petry übersetzt es sich in: Hate sells, fear sells.
Es ist nicht grundsätzlich neu, dass machiavellistische Spiele mit Phobien Wahlen entscheiden können. Nun aber vermitteln sich Ängste und Hass in der digitalen Welt kaum gefiltert und kaum kalkulierbar von Mensch zu Mensch, so dass sie einigen reichweitensüchtigen Nachrichtenseiten tolle Monate beschert haben. Kaum ein Tag in den vergangenen Wochen, an dem Social-Media-Ranking-Tools nicht Flüchtlingsgeschichten mit spitzen Überschriften als Reichweitentreiber verzeichnet haben. Da sieht man, wie groß das Aufregerpotential des Themas in unserer Gesellschaft ist, aber auch: das rechtspopulistische Potential. Das führt Redaktionen zu neuen Reichweitenhöhen, die ebendieses Potential als Erfolgschance sehen und entsprechende Billigboulevardtexte womöglich noch als ideologisch unerschrockene Unparteilichkeit verbrämen. Für diese Medien gilt auch gern: Recherchier ja nicht die schöne Headline kaputt!
Facebook belohnt Boulevard, weil es Interaktion belohnt – denn Boulevard bedeutet Emotion, und je emotionaler ein Post oder ein Thema, desto mehr Interaktion. Ängste und Hassparolen gehen deshalb viral im Wortsinn: Sie werden zum Virus für unsere Gesellschaft. Das Virus droht unsere Gesellschaft zu spalten, ja: in ideologische Zirkel zu fragmentieren, die sich über das Internet auch noch effizienter und effektiver als früher organisieren können. Das Virus breitet sich rasant aus. Zu befürchten ist, dass die Konsensrepublik Deutschland mit Hilfe dubioser Algorithmen aus dem Silicon Valley zu einer amerikanisch-polarisierten Demokratie wird, die in ideologischen Grabenkämpfen erstarrt. — Halt. Merken Sie, wie bei solchen Haudrauf-Sätzen Angst und andere Gefühle hochkochen? So läuft das Spiel mit steilen Thesen. Probleme werden immer größer gemacht, bis zur scheinbaren Unlösbarkeit. Langweilig wird einem mit solcher Eskalationslogik nie.
Schon vor Jahrzehnten wurde das für Boulevardblattmacher wie Posen-Intellektuelle gleichermaßen verführerische Hyperventilieren aktueller Themen mit dem schönen Begriff „Infotainment“ einsortiert. Die digitalen Medien haben nicht nur den News-Zyklus beschleunigt, sondern dieses Über-Spinning von Thesen verschärft. In einer Welt, in der tausende Medientitel nur einen Klick voneinander entfernt sind und über Facebook und Google gleichmäßiger als früher am Kiosk erschlossen werden, gewinnt der krass zugespitzte Text eher als der ausgewogene. Zusammen mit dem latenten Herdentrieb im Journalismus, der auch schon lange kritisiert wird, führt das halbwegs nachvollziehbar zum vergangenen Halbjahr, in dem erst ein Sommerflüchtlingsmärchen gefeiert, dann mit noch mehr Dramapotential die Kanzlerin gefleddert und sich schließlich – zurecht, aber auch mal überdreht – über die Kölner Exzesse empört wurde. Immer noch ein Drama, und immer auf die Vollen.
Emotionalität als Prinzip funktioniert auf allen Seiten des politischen Spektrums, vermutlich weil jeder Mensch in seinen Aufmerksamkeitsreflexen ähnlich tickt. Man kann mit ähnlicher Verve wie die Asylgegner für eine liberale Migrationspolitik und für Weltoffenheit eintreten, und auch das kommt in den Timelines hervorragend an. (Zum Glück – dieser persönliche Kommentar sei gestattet.) Das wiederum führt dazu, dass manche Medien die Universalität des Emotionalen inzwischen bis ins Absurde hinein ausnutzen. Sie bedienen jede Seite des politischen Spektrums mit Thesentexten: 100% pro und 100% contra Merkel zur gleichen Zeit, um bei allen zu punkten. Facebook wie Google wollen Nutzer ja personalisiert informieren. Davon profitieren nicht zwingend jene, die Abgewogenes publizieren, sondern jene, die alle möglichen Weltbilder bestätigen.
Dieses Spiel mit den Gefühlen kann Leser letztlich aus der Mitte, aus dem Wunsch nach Konsens und Dazulernen, aus der Grundhaltung der Aufklärung herausführen. Außer natürlich, man emotionalisiert Ausgewogenheit und Nachdenklichkeit auf dieselbe Weise. „Wir brauchen mehr Grautöne!“, „Denkt darüber mal nach!“, „Lesebefehl! Endlich eine wirkliche Analyse!“ – so lauten Posts nicht zuletzt von Journalisten in diesen Wochen, und wenn die Ausrufezeichen und die Reizworte „endlich“ oder „wirklich“ fehlen, so sind sie oft dazu gedacht.
Richtig kurios wird es, wenn im Januar eine Nachrichtenseite einen Text, der die Mär von den ach so kriminellen Migranten mit Fakten *widerlegt*, genau andersrum suggestiv betitelt: „Flüchtlingskriminalität – ein Kripo-Chef packt aus“. Der Teaser endet auch noch mit dem Lies!-mich!-jetzt!-Klassiker: „Die Ergebnisse sind überraschend.“ So funktioniert Clickbaiting, wo man sich der Zivilisiertheit zuliebe Clickbaiting sparen soll. Es sei denn natürlich, der Blattmacher dachte sich: Auf diese Überschrift werden sicher viele Flüchtlingshasser klicken, dann werden sie eines Besseren belehrt, hehe.
So oder so keine gute Entwicklung für Journalisten, die ja vernünftig berichten sollen – aber von vielen Lesern in Wahrheit für Emotionalität belohnt werden. Wobei sich Leser zugleich beschweren, dass die Welt und die Medien unvernünftig geworden sind. Das ist die gewöhnungsbedürftige neue Rationalität des öffentlichen Diskurses.
Überforderte Leser und Systeme
Wer das schon kompliziert findet – die ganze Realität des öffentlichen Diskurses ist ja noch komplizierter. Im Internet publizieren nicht nur  Journalisten, sondern eben auch Interessensgruppen, Bürger und viele andere: auf Blogs, in Foren von Nachrichtenseiten, am massivsten auf Social Media. Facebook ist für Millionen Deutsche zu einer gern genutzten Mischung aus Mikropublikations- und Vernetzungsplattform, News-Kiosk und Nachrichtenalarm geworden. Es ist demokratisch in dem Sinne, dass oberflächlich betrachtet alle gleichbehandelt werden; alle möglichen Posts von sonstwem oder -was stehen egalitär untereinander. Für die Algorithmen im Hintergrund ist das Demokratische oder  Journalistische aber keine Kategorie. Sie folgen – durchaus legitimerweise – Marktzwängen. Sie sind darauf ausgerichtet, Nutzer durch perfekte Info-Bespielung möglichst lange in der Facebook-Welt zu halten. Das führt nicht nur dazu, dass emotionale News von allerlei Medien nach oben gespült werden, sondern auch News-Imitationen, die eher Agitprop sind, und dazu, dass sich jeder einzelne Nutzer emotionalisieren soll: mit dem berühmten Like, der nicht umsonst so heißt, den neuen, nicht minder emotionalen Reaktionen oder eben einem schmissigen Post. Wer hier jubelt, rantet, pöbelt oder sonstwie schrillt, kommt im Feed größer raus. Das verändert den Ton.
Weil man sich außerdem recht fix mit Freunden und  Gleichgesinnten vernetzen kann, findet man sich schnell in einer Gesinnungs-Filterblase wieder. Das ist gesamtgesellschaftlich kein Problem, wenn auf diese Weise Häkelgruppen zueinander kommen, aber durchaus, wenn sich Menschenfeinde effizienter organisieren und ihre Ideologie leichter verbreiten können als je zuvor. Das Problem hat nicht nur Facebook, auch Twitter und WhatsApp ermöglichen solche Effekte. Wann immer eine technisch getriebene Plattform schematisch das tut, was möglich ist, egal, ob es schädlich ist, dann signalisiert die Technik dem Nutzer im Grundsatz: Anything goes here. Dabei zeichnet Zivilisation gerade aus, dass nicht anything goes.
So passiert es geradezu schematisch, dass Facebook unter Spiegel- oder SZ-Artikeln zum Weiterlesen Texte populistischer Nischenseiten empfiehlt. Ein sauber recherchierter Text steht dann für unbedarfte Leser neben einem Propagandaartikelchen, als wäre beides gleichwertig. Ist es aber nicht. Und Facebook ist überfordert, das zu gewichten. Klar: Wie soll der Algorithmus denn moralisch-inhaltliche Kategorien beurteilen, nachdem die Debatte ja schon uns Menschen schwer fällt? Man kann sich wünschen, dass Facebook Hetzseiten niedriger rankt oder kennzeichnet und damit gesellschaftliche Verantwortung für die Folgen seiner Feed-Logik übernimmt. Allerdings: Wer beurteilt, welche Seiten hetzen? Und wer wollte einen komischen Algorithmus um eine Anti-Propaganda-Mechanik ergänzen, die ebenfalls undurchsichtig wäre, wenn sie überhaupt funktionierte?
Vermutlich wäre das beste, mündige Bürger würden das Problem lösen, indem sie sich auf den Plattformen des Unsinns erwehren. Ihn sperren, dissen, was auch immer. Davon sind wir leider weit entfernt. Wie weit, darüber hat Dunja Hayali neulich gesprochen, als sie die Goldene Kamera bekam, formal als Preisträgerin für Information, aber eigentlich dafür, dass sie sich mit den Hetzern befasst wie kaum jemand in der Branche. „Keiner hört keinem mehr zu“, sagte die ZDF-Moderatorin in ihrer Dankesrede, die nicht umsonst von vielen Kollegen geteilt wurde. „Ich setze immer noch auf den Dialog, mich interessieren andere Meinungen, andere Argumente. Aber was da gerade abgeht, ist wirklich mit Verrohung von Sprache überhaupt nicht mehr zu beschreiben.“ Wer nicht die Meinung des Gegenüber vertrete, sei „ein Idiot, ein Lügner, eine Schlampe oder total ferngesteuert“. Inzwischen spüre man diesen Hass auch auf der Straße. „Leute, glaubt eigentlich irgendjemand, dass dieser ganze Hass etwas bringt, bei der Suche nach Lösungen, beim Ringen um Kompromisse?“
Die pessimistische Folgerung aus dem Satz wäre, dass es zu vielen Menschen gerade nicht um Lösungen und Kompromisse geht, sondern um ihre Weltsicht, ihre Erregung, ihr Thema, das sie fanatisch macht. Sie ziehen aus dem Kampf dafür Befriedigung und ideologisieren sich über Abgrenzung. Inwieweit die digitalen Vernetzungsformen das begünstigen, ist zumindest eine legitime Frage. Ein Teil der Antwort ist, dass der Dreiklang von Aufklärung, Vernunft und Mündigkeit in den Kommunikationsecken des Netzes keine offensichtliche Renaissance erlebt.
Die Systeme sind überfordert – die Technik, weil sie mit der gesellschaftlichen Herausforderung nichts anfangen kann, und große Teile der Gesellschaft, weil sie die technischen Möglichkeiten und Missbrauchsmöglichkeiten nicht weithin diskutieren, sondern sich lieber infotainen lassen. Medienkompetenz ist eine übliche Forderung, aber erlangen werden wir sie wahrscheinlich nur noch auf die harte Tour.
Franz Meyer schreibt auf seiner Webseite, er sei „geleitet von dem Ausspruch des Apostel Paulus: ‚Ketzerei ist notwendig‘“. Wenn bei ihm „Standpunkte radikal formuliert sind, so dient dies nur der ‚Klarheit in der Kürze‘.“ Der Hetzer als Ketzer, der ja bloß gegen die offizielle Doktrin antritt: Die paar Sätze machen klar, dass Provokation nicht nur für Populisten, sondern fürs breitere Publikum zum probaten Mittel geworden ist, um aufzufallen.
Das ist eine besonders hässliche Form von Medienkompetenz – auf die kompetente Medien probat reagieren sollten: mit selbstbewusster Moderation, in jeder Hinsicht.
Sortieren, Stopp sagen, nachdenken
Die öffentliche Debatte zu moderieren, ist ein Kern unseres Jobs. Sie anzuheizen, darf uns nicht passieren. Das war unser Kalkül bei SZ.de, als wir vor anderthalb Jahren beschlossen haben, die Diskussionen unter unseren Artikeln durch einige wenige, gut moderierte Foren zu ersetzen. Das war ein Schritt gegen die selbst ernannten Ketzer. Wir haben es nicht bereut. Und inzwischen mit den Hetzern auf unseren Facebook-Seiten eh mehr als genug zu tun.
Viele Kollegen fragen sich, wie viele von diesen Menschen es gibt. Wir werden die Zahl wohl nie erfahren. Aber vielleicht ist sie auch nicht wichtig. Weil wir ja wissen, was zu tun ist, damit die Hetzerei ihres Effekts beraubt wird: eben moderieren. Das heißt auch abmoderieren, dagegenhalten, stoppen, löschen.
Und sofort poppen im Kopf wieder Fragen hoch: Kann man das wirklich bringen? Hilft das nicht jenen, die „Lügenpresse“ und „Zensur!“ rufen – verschärft das nicht die Vertrauenskrise des Journalismus in Deutschland?
Ob „der Journalismus“ gerade an Glaubwürdigkeit verliert, will ich eigentlich nicht debattieren: weil ich nicht glaube, dass es „den Journalismus“ in der unterstellten gleichförmigen Art  gibt. Das sieht man schon daran, wie viele Redaktionen nun öffentlich über ihre Rolle räsonieren und wie unterschiedlich sie es tun. Wir wissen letztlich nicht, wie viele Bürger früher  „Lügenpresse“ dachten und es bloß nicht so leicht äußern konnten wie heute – aber vielleicht ist auch diese Zahl nicht wichtig. Entscheidend ist, dass genug Redaktionen zuletzt Fehler passiert sind, über die sich Bürger zurecht beklagt haben. Darum ist für mich ist die Anwort auf viele der aktuellen Fragen trivial, wenngleich nicht trivial umzusetzen: Unser digitales Hochtempo-Reizthesen-Emotionsoptimierungs-Reichweitensystem bedingt, dass wir uns die ehernen Grundsätze unseres Berufs neu vergewärtigen. Und sie damit vergegenwärtigen. Wer das ernst nimmt, schafft Vertrauen bei seinen Lesern und sich damit eine langfristige Perspektive über den schnellen Klick hinaus.
„Streiten Sie mit uns, diskutieren Sie mit uns, weisen Sie uns auf Fehler hin“, hat Dunja Hayali in ihrer Rede gesagt. „Wir sind Journalisten, wir sind keine Übermenschen, wir machen Fehler. Deswegen sind wir aber noch lange keine Lügner.“ Das ist Selbstbewusstein im Sinn von: sich selbst bewusst werden, was heute angemessener Journalismus ist. Wir recherchieren und informieren in bester angelsächsischer Tradition without fear or favour, egal ob es gegen links, rechts, oben oder unten geht; wir bringen nur the news that’s fit to print (New York Times) und nichts Halbgares; wir beurteilen in Kommentaren, ohne vorzuverurteilen, und nur in Kommentaren. Und wir korrigieren Fehler schnell; wir erklären Entscheidungen; wir entschuldigen uns offen für Unsinn.
Viele Leser wird das überzeugen. Wenn auch nicht alle.
Sie fragen sich vielleicht, ob ich je mit Franz Meyer geredet habe. Ich habe ihn einmal per Mail aufgefordert, als er platt gegen die Homo-Ehe polemisiert hat, dass er seinen Ton mäßigen sollte. Er fand das arrogant, steht auf seinem Blog. Außerdem steht dort nun, ein „Geflecht von homosexuellen Journalisten“ reiche bei der SZ „ggf. bis zu höchsten Positionen“. Genau so funktioniert Verschwörungstheorie. Ich weiß nicht, ob Franz Meyer weiß, dass ich schwul bin (und mich deshalb nie in die Berichterstattung über dieses Thema einmische). Ich weiß nur, dass ich nicht mit jedem Leser darüber reden werde. Stattdessen kann ich Franz Meyer nach diesem Text einfach per Outlook-Regel aus meinem Mailfach moderieren. Jemanden zu ignorieren, ist ja manchmal auch eine legitime Antwort.
Denn ein Hetzer ohne Publikum ist kein Hetzer mehr.
Dieser Text erschien zuerst als Titel-Essay im journalist 3/2016.
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politik-digital · 9 years ago
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politik-digital · 9 years ago
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Verbrechensaufklärung und Bürgerdialog: Die Polizei in sozialen Netzwerken
Nicht nur die Politik nutzt soziale Netzwerke für ihre Außendarstellung und als Informationsplattform. Für die Zivilgesellschaft sind Plattformen wie Twitter, Facebook oder Instagram längst wichtige Diskursräume. Auch staatliche Institutionen finden sich vermehrt im virtuellen Netzwerk, so beispielsweise Polizeibehörden. In der Flüchtlingsdebatte kann die Polizei eine wichtigere Rolle einnehmen – als „Gegenrede“ zu lancierten Gerüchten und Mutmaßungen.
Die Aktivitäten von Behörden im Internet zur Verbrechensaufklärung oder allgemeinen Gefahreneinschätzung sind auch in Deutschland längst kein neues Phänomen. So kam es in der Vergangenheit zu ersten Erfolgen durch Facebook-Fahndungen. Bereits im Jahr 2011 machte die Polizei Hannover erste positive Erfahrungen mit diesem Ansatz. Niedersachsen avancierte zu dem Bundesland mit der intensivsten Nutzung. Die Politik beschäftigte sich daraufhin mit den Potenzialen und Risiken. Über Vor- und Nachteile diskutierten bereits in der Vergangenheit Experten auf politik-digital.de.
Soziale Netzwerke stehen für Möglichkeiten sowie Gefahren. Behörden können beispielsweise digitale Plattformen für die Auswahl geeigneter MitarbeiterInnen nutzen, wie es bereits bei der Personalakquise von Unternehmen üblich ist. Für die ureigene Aufgabe der Verbrechensaufklärung und Gefahrenabwehr muss die Polizei mittlerweile auch die Kommunikationsformen im Internet kennen, da sich kriminelle Motivationen zunehmend auch im Cyberspace bemerkbar machen.
Die gezielte Verbreitung von Gerüchten durch NutzerInnen von sozialen Netzwerken, vor allem über mutmaßlich durch Flüchtlinge begangene Straftaten, ist ein neueres Phänomen, mit dem sich die Polizei auseinandersetzen muss.
Polizei genervt von (Online-)Gerüchten
Im Zuge der Flüchtlingsdiskussion finden sich gerade in den deutschsprachigen sozialen Netzwerken gezielt geschürte Gerüchte über Straftaten von Flüchtlingen wieder. Vorsätzlich gestreute Beschuldigungen können Risiken möglicher Eskalation bergen und gegebenenfalls zu Übergriffen anstiften. Die Gefahr von Selbstjustiz durch Bürgerwehren, die sich auch auf sozialen Netzwerken organisieren, wurde in den Wochen nach der Silvesternacht verstärkt diskutiert.
Die Behörden zeigen sich zunehmend genervt von Gerüchten, wie die Leipziger Polizei mitteilt. Strafverfolgungsbehörden sind aufgrund des Legalitätsprinzips zu Ermittlungsverfahren angehalten, wenn durch ein Gerücht auf eine mögliche Straftat hingewiesen wird. Falsche Gerüchte binden viel Arbeitszeit und Arbeitskraft, berichten die BeamtInnen aus Leipzig, und behindern eine effiziente Polizeiarbeit. Derweil appellieren einige KollegInnen, so auch die Berliner Polizei, an die InternetnutzerInnen, sensibler mit schwerwiegenden Vorwürfen umgehen.
Polizei kann Gerüchten Online entgegentreten
Die Vorstellung von kriminellen Flüchtlingen in der deutschen Flüchtlingsdebatte ist präsent, somit  muss gerade ein Exekutivorgan wie die Polizei mit Aufmerksamkeit und Sensibilität reagieren. Das gelang im Oktober 2015 einer Polizeibehörde in Mecklenburg-Vorpommern, als sie eine Facebook-Offensive gegen eine pauschale Verurteilung von Flüchtlingen als Kriminelle startete. Die Polizei Vorpommern-Greifswald griff zu Fakten und präsentierte die nackten Zahlen: Das Ergebnis der statistischen Darstellung zeigte keinen Kriminalitätsanstieg im diskutierten Zeitraum.
(Digital) Community Policing?
Community Policing ist ein Konzept aus der Polizeiforschung, das die Zusammenarbeit zwischen Polizei und Bevölkerung vor Ort (meist auf kommunaler Ebene) verbessern soll. Es dient in erster Linie  der verbesserten Kommunikation und soll gemeinsame Probleme präventiv lösen.
In diesem Zusammenhang scheint es daher besonders interessant, welche Möglichkeiten sich aus der aktiven Nutzung sozialer Netzwerken durch die Polizei ergeben könnten. Kann der Polizei-BürgerInnen-Dialog durch soziale Netzwerke nachhaltig gefördert werden? Welche Konzepte können das Vertrauensverhältnis verbessern? Diese Fragen könnten in der Zukunft von größerer Bedeutung werden, vorausgesetzt die Politik wird sich der Relevanz neuer Technologien bewusst und setzt hier neue Akzente. Die Flüchtlingsdebatte zeigt bereits eindrücklich, dass die BeamtInnen vor neuen digitalen Herausforderungen stehen.
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politik-digital · 9 years ago
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Europäer stehen laut einer Studie Big Data skeptisch gegenüber. Dies ändert sich erst, wenn sie einen konkreten Nutzen für sich erkennen können.
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politik-digital · 9 years ago
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Wie fühlt es sich an die Welt anders wahrzunehmen, als andere Menschen? Welche Anforderungen und Herausforderungen stellen sich dadurch – gerade im digitalen Bereich?
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politik-digital · 9 years ago
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Afrikanische Blogger: Social Networks als Keim für Zivilgesellschaft in Afrika
[Radio Vatikan] - Blogger aus 35 afrikanischen Ländern haben sich zu einem Verband zusammengeschlossen, der via Social Web aktiv für zivilgesellschaftliches Engagement, politische Bewusstseinsbildung und Demokratisierung kämpft - und für Wahlbeteiligung.
http://polkomm.net/t/1421
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politik-digital · 9 years ago
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“Über datengetriebenes Campaigning: Die Daten der Demokraten”
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politik-digital · 10 years ago
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Studenten stellen App für mehr Zivilcourage auf dem Microsoft Imagine Cup vor
Auf dem diesjährigen Microsoft Imagine Cup in Seattle (28.-31. Juli) werden auch Studenten des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) antreten. Die vier Studenten gehen in der Kategorie „World Citizenship“ mit ihrer App „enCourage“ an den Start. Ihre Anwendung soll Zivilcourage fördern und richtiges Handeln in einer Notsituation vereinfachen. Immer wieder erschüttern gewalttätige Übergriffe im öffentlichen Raum die Gesellschaft. Meist folgen Debatten über Zivilcourage und das adäquate Handeln Einzelner. Doch wie kann man sich am besten verhalten? Die App „enCourage“ möchte Zivilcourage für alle Smartphone-Nutzer erleichtern und auf das Thema aufmerksam machen.
„Vernetzt euch!“
Wie funktioniert das Ganze? Die App, die voraussichtlich im Oktober 2015 auf den Markt kommen wird, verfügt über einen Auslöseknopf im Zentrum des Anwendungsbildschirms. Dieser Knopf funktioniert nach dem Prinzip des Totmannknopfs. Das bedeutet, der Alarm wird erst ausgelöst, wenn der Benutzer den gedrückten Knopf wieder loslässt. Dieser Mechanismus soll vor Missbrauch schützen, weil auch die Möglichkeit zur Entwarnung besteht. Denn wird der gehaltene Knopf nach oben geschoben, bricht der Alarm ab. Die Anwendung verfügt weiterhin über verschiedenen Eingabeoptionen, mit der man eine Notsituation präzisieren kann. Bekommt der potenzielle Helfer im Falle einer konkreten Notsituation eine Benachrichtigung, kann er umgehend reagieren. Zudem kann er mit dem Hilfesuchenden in Kontakt zu treten sowie Informationen über Entfernung, Standort oder Art des Notfalls abrufen. In einem Interview mit dem Onlinemagazin Gründerszene äußerte sich Tobias Röddinger - der mit seinen Kommilitonen Cole Bailey, Dominik Doerner, Rene Brandel und Mentor Alexander Wachtel die App entwickelt - zu einer notwendigen Nutzerzahl, „dass in städtischen Regionen eine Verbreitung von acht Prozent mehr als ausreichend ist“. Die Entwickler erhoffen sich in den ersten sechs Wochen nach der Veröffentlichung etwa 15.000 Downloads. Mit dem Preisgeld soll das Marketing des Produkts finanziert werden, um möglichst viele Benutzer zu gewinnen. Je mehr Menschen diese Anwendung auf ihren Telefonen installieren, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit einer Hilfsmaßnahme durch Dritte.
Imagine Cup von Microsoft
Seit 2003 findet der jährliche Studentenwettbewerb in wechselnden Gastgeberländern statt. Die Veranstaltung bringt junge Technologen zusammen, die sich in verschiedenen Teildisziplinen (Software Design, Game Design, Digital Media, Embedded Development, Windows Phone 7) messen. Nationaler Vorausscheide bringen die Besten der teilnehmenden Länder in die internationale Auswahl. Die Gewinner bekommen neben einem ansehnlichen Preisgeld auch die Gelegenheit, ihr Projekt dem Microsoft-Chef Satya Nadella persönlich vorzustellen.    
Bild: tristesse deluxe (CC BY-NC-SA 2.0)
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politik-digital · 10 years ago
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