This Blog goes alongside the Story "Nur Carlo". The Story is just a Hobby and contains no reallife, Events, persons or Images. If you want to jump in and come along for the ride. *VV
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49. Birthday Bash
Kathi Genervt parke ich meinen Wagen im Halteverbot vor Klinikum Stuttgart, wo drauf ich mir einen bösen Blick, von einer alten Oma einfange, die gerade ihre Rollator über den Gehweg schiebt. Ich beachte sie nicht weiter, sondern werfe einen Blick auf die Uhr in meinem Armaturenbrett, viertel vor eins. Gerade noch rechtzeitig geschafft. Sarah hat um halb eins Schluss und bis sie sich umgezogen und verabschiedet hat, ist bestimmt ein Uhr. Mit einem Klicken löse ich den Sicherheitsgurt und drehe mich um. Toni und Emil sitzen brav in ihren Kindersitzen auf der Rückbank. Die beiden beachten mich überhaupt, zu sehr ist ihr Blick auf die kleinen Bildschirme, an der Rückseite der vorderen Sitze, geheftet. Eigentlich halte ich ja nicht viel davon meine Kinder vor dem Fernseher abzuladen oder mit Filmen ruhig zu stellen. Aber auf einer sechsstündigen Autofahrt, kann man mal eine Ausnahme machen. Über den Bildschirm flimmert gerade Lauras Stern. Als ich auf den Play-Knopf drücke und damit den Film anhalte, hebt Toni empört ihren Kopf. „Wieder an!“, verlangt sie von mir und auch Emil schaut mich leicht vorwurfsvoll an. Auch wenn er sich einen Moment später schon wieder mit seinem Stück Zwieback beschäftigt. Ich übergehe Tonis Frage und lächele sie an. „Freut du dich auf Papa?“, frage ich sie und Toni nickt sofort. „Und auf Marli und Tido und Osci und Helga und Jojo und Kus und Tim und Flo!“, zählt Toni alle Personen auf, die ihr so schnell einfallen. Wobei es sich bei Helga um den Mischlingshund meiner Schwester und nicht um einen Menschen handelt. „Papa kommt erst morgen. Heute Abend hat er noch ein Konzert in Münster!“, erkläre ich Toni und ihre Begeisterung scheint ein wenig ab zu flauen. Ich kann Toni gut verstehen, auch ich würde Carlo lieber heute als morgen sehen. Die letzten zehn Tage ohne ihn haben sich gezogen wie Kaugummi. Das kombiniert mit einer kranken Toni, einem zahnenden Emil und unzähligen Nachtschichten von Sarah im Krankenhaus, war nicht wirklich geil. Ich vermisse Carlo schrecklich und kann es kaum erwarten ihn endlich wieder zu sehen. Trotzdem war die Zeit mit den Kindern und Sarah irgendwie auch ein bisschen cool. Es hat sich fast ein bisschen angefühlt, wie das WG-Leben, was Sarah und ich ins immer als Kinder ausgemalt haben. Naja abgesehen davon, dass meine beiden Kinder immer mit von der Partie waren und Sarah den halben Tag gepennt hat. Egal, jetzt freue ich mich auf die nächsten beiden Tage mit Carlo und den Kindern. Vielleicht schaffen wir es sogar ein bisschen Allein-Zeit ein zu planen. Immerhin sind mehr als genug Babysitter vor Ort. Fast genauso doll wie auf Carlo, freue ich mich auf meine große Schwester. Seit Weihnachten ist schon fast ein Monat vergangen und in der zwischen Zeit hab ich nicht viel von ihr gehört. Wie immer, wenn wir in Hamburg sind, wohnen wir für die Zeit bei Marli und Tido. Auch wenn es dieses Mal vielleicht ein bisschen voller wird als sonst. Eigentlich wollte Sarah zu Hause in Stuttgart bleiben, weil sie arbeiten muss. Aber nachdem sie die letzten sechs Tag fast komplett durch gearbeitet hat und vier Nachtschichten hinter sich hat, wurde sie für drei Tage vom Dienstplan gestrichen. Also hat sie doch Zeit mit nach Hamburg zu kommen und Carlos Geburtstag mit uns zu feiern. „Weißt du was Morgen ist?“, frage ich Toni und die Kleine beginnt sofort zu nicken. „Papas Burtstag!“, antwortet sie wie aus der Pistole geschossen und beugt sie ein wenig vor. Aus der Sitztasche vor ihr zieht sie ein schon ziemlich ramponiertes Wasserfarbenbild und hält es mir stolz entgegen. „Für Papa!“, verkündet sie stolz und wie in den letzten drei Tage auch schon, begutachte ich das Bild voller Ehrfurcht. Auf dem Bild sind vier Strichmännchen zusehen, das eine hat anstatt eines Kopfes einen großen, schwarzen Kreis auf seinen Schulter, ein anderes hat keine Beine, wieder ein anderes steht auf einem großen, blauen Viereck und das letzte Männchen hat etwas unförmiges Rotes vor dem Bauch. Der gesamte Hintergrund war gelb ausgemalt und auch die Männchen hatten den ein oder anderen Klecks roter Farbe abbekommen. Nach einigem Raten erklärt Toni mir, dass es sich bei ihrem Kunstwerk um Carlo, Markus, Flo und Tim auf der Bühne handelt. „Das ist wirklich schön Motte, Papa wird sich riesig freuen!“, lobe ich sie und weiß, dass das verknitterte Bild wahrscheinlich wirklich Carlos schönstes Geburtstagsgeschenk wird. Egal mit was Toni vom Kindergarten nach Hause kommt, Carlo freut sich über jedes Stückpapier einen Ast ab und lobt Toni in den Himmel. Es ist purer Zucker den beiden dabei zu zusehen, wie sie minutenlang über Tonis bunte Malereien philosophieren und wie angeregt Carlo ihr bei ihren Erklärungen lauscht. Und jedes Kunstwerk wird natürlich auch an die Küchentür gehangen, von der fast nichts mehr zu sehen ist. Meine Gedanken wandern zu Tonis erstem Tag im Kindergarten, als Carlo und ich sie zusammen abgeholt haben, hat sie uns begeistert ein weißes Blattpapier entgegen gestreckt und erzählt, dass sie das für uns gemalt hat. Mittlerweile hängt das weiße Blattpapier eingerahmt in Carlos Studio über seinem Schreibtisch. „Sorry! Mein Chef musste noch was mit mir klären. Ich darf nächste Woche bei einer Oberschenkelamputation assistieren!“, flötet Sarah, nachdem sie die Autotür aufgerissen hat und pfeffert ihre Liebeskind-Tasche in den Fußraum. Kurz dreht sie sich zu Emil und Toni nach hinten um. „Hey Zwerge!“, begrüßt sie die beiden und dreht sich dann wieder zu mir um. „Musstest du lange warten?“, fragt sie und zieht mich in eine kurze Umarmung. Ich schüttele den Kopf und tippe den Rückwärtsgang an. „Alles gut, wir sind erst seit ein paar Minuten hier!“, beruhige ich sie und navigiere uns vom Parkplatz. Sarah lehnt sich im Sitz zurück und streift ihre grauen Roshe Runs von den Füßen. „Hast du schon was von Carlo gehört? Wo spielen die beiden heute Abend eigentlich?“, fragt Sarah und legt ihre Füße aufs Armaturenbrett. „Ne, Carlo hat den ganzen Tag Interviews!“, antworte ich abwesend und setze den Blinker um auf die A7 zu fahren. „Mama! Lauras Stern!“, kommt Tonis Stimme verlangend von hinten. Erst jetzt bemerke ich, dass ich den Film noch immer nicht wieder angeschaltet habe. „Sorry!“, entschuldige ich mich und drücke auf den großen Touchscreen in der Mitte des Armaturenbretts. Sarah dreht ihren Kopf nach hinten und grinst Toni an. Für eine ganze Weile ist es leise im Auto, nur Tonis Mitsingen und Emils Brabbeln ist zu hören. „Hab ich schon erzählt, dass ich bei einer Oberschenkelamputation assistieren darf? Der Professor hat mich heute Morgen zur Seite genommen und gefragt. Vielleicht darf ich sogar selbst sägen!“, Sarah hört sich ganz begeistert an und man könnte fast denken, dass sie sich wirklich darüber freut. In mir zieht sich alles zusammen, allein bei der Vorstellung kommt mir das Frühstück wieder hoch. Ich hab noch nie verstanden, wie Sarah sich so sehr für Zeug wie Blutabnehmen, OPs und Wunden jeglicher Art begeistern kann. „Toll!“, sage ich tonlos und halte den Blick auf die Straße gehalten. „Ja, das wird einfach so toll und dann müssen wir auch noch die ganzen Venen, Arterien und Gefäße geschlossen werden und so! Hach das wird toll!“, sagt sie begeistert und klatscht in die Hände. Ich stöhne auf und lege den Kopf in meine linke Hand. Sarah grinst mich an und hebt entschuldigend die Hände. „Sorry! Ich hör ja schon auf!“, sagt sie und ihr grinsen wird nur noch breiter. „Sehr gnädig von dir!“, bedanke ich mich und drücke ein wenig mehr aufs Gas. „Lucca hat mir geschrieben und gesagt, dass wir morgen alle in VioVio kommen, sollen. Weißt du warum?“, fragt sie mich und lehnt ihren Kopf gegen die Fensterscheibe. Ich zucke mit den Schultern, „Keine Ahnung, vielleicht weil er nichts anderes im Schrank hat!“, überlege ich und lächele über meinen eigenen Kommentar. Morgen Abend feiern wir nach dem Konzert in Hamburg Carlo siebenzwanzigsten Geburtstag und Lucca hat sich zusammen mit Jojo um die Planung des Abends gekümmert. Was mir ehrlich gesagt ein bisschen Bauchweh macht, da ich absolut keine Ahnung habe, was die beiden Chaoten sich ausgedacht haben. „Ich glaub ich zieh mein Flamingo Shirt an, weißt du welches ich meine? Das aus der ersten Kollektion!“, überlegt Sarah laut und schaut mich aufmerksam an. Natürlich weiß ich von welchem Shirt sie spricht. Wieso sagt Lucca eigentlich Sarah Bescheid, aber mir nicht. Alles was ich von Vio mithabe sind meine übergroßen Schlaf-T-Shirts. „Weißt du schon was du anziehst?“, fragt Sarah mich und tippt ein wenig auf dem Touchscreen rum, um eine neue Radiostation zu finden, anders als Carlo höre ich sogar manchmal Radio. Auch wenn ich im Moment eigentlich nur auf den Verkehrsfunk warte. „Ne, Lucca der Vollidiot hat mir nicht Bescheid gesagt und jetzt ich hab nichts dabei.“, erkläre ich ihr und verdrehe die Augen. „Oh man, dass muss Lucca voll vergessen haben!“, überlegt Sarah. Ich grinse sie an, irgendwie ist es fast schon süß, wie sie ihn in Schutz nimmt, obwohl ich gar nichts Böses über ihn gesagt habe. „Was geht da eigentlich zwischen dir und Lucca?“, frage ich sie breitgrinsend und pieke sie in die Seite. Sofort verschränkt Sarah die Arme vor der Brust und verdreht die Augen. „Gar nichts!“, sagt sie lang gezogen und schaut mir direkt in die Augen. „Ach komm schon!“, stochere ich ein bisschen nach, aber Sarah schüttelt wieder nur den Kopf. „Ne wirklich nicht, da läuft nichts. Lucca ist nicht wirklich mein Typ!“, sagt sie aufrichtig und nimmt einen Schluck aus ihrer Wasserflasche. „Mh!“, mache ich, „Wieso nicht?“ Sarah zuckt die Achseln, „Ich weiß nicht. Er ist mega lieb. Aber eben auch nur lieb. Irgendwie zu lieb!“ Ich nicke wissend. „Aha und du stehst seit neustem eher so auf Bad Boys!“, stelle ich fest und wir beide fangen an zu lachen. „Nein!“, sagt Sarah lang gezogen und schiebt meinen Arm von der Mittelkonsole. „Aber nur nett reicht halt nicht! So ein bisschen böse ist ja okay!“, überlegt sie und scheint mehr mit sich selbst zu sprechen als mit mir. „So wie Jojo!“, sage ich nachdenklich und spüre im nächsten Moment sie Sarah mir mit der Faust gegen den Oberarm schlägt. „Ich habe von aufregend und keinem kleinekriminellen, drogenabhängigen Möchterngern-Gangster, der in seiner Freizeit Jura studiert gesprochen!“, fährt sie mich an und schaut mich streng an. „Sorry!“, entschuldige ich mich halbherzig und kann mir ein Grinsen nicht verkneifen. „Ich will jemand der mich so anguckt wie Carlo dich anguckt!“, sagt Sarah in einem ernsteren Ton und fährt sich durch die langen Haare. „Aha und wie guckt Sarah mich an?“, frage ich sie noch immer belustig. Sarah verdreht die Augen. „Boah Kathi, als wenn du das nicht wüsstest! Wenn der Raum voller Frauen ist schaut er trotzdem nur dich an und sobald du wieder so komisch nervig lachst, fangen seine Augen so bescheuert an zu strahlen, als wenn er irgendwas genommen hätte!“, klärt Sarah mich auf. Und ich bekomme ganz weiche Knie, als ich an Carlo kilometertiefen Schokoladenaugen denke. „Wenn ich dich nicht so lieb hätte, würde ich euch beide sowas von nervig finden. Ich will einfach jemanden für den ich auch die Einzig bin und der mich so bescheuert kitschig anguckt, dass es nicht aus zuhalten ist!“, sagt Sarah leise und senkt den Blick auf ihren Schoß. Ich greife mit meiner Hand nach ihrer und streiche mit meinem Daumen über ihren Handrücken. Ich weiß ganz genau, wie sehr sie die Trennung von ihrem letzten Freund mitgenommen hat. „Kathi vielleicht komm ich mit einem Ring am Finger zurück nach Deutschland!“, höre ich ihre aufgeregte Stimme am Telefon sagen, als wenn es gestern gewesen sei. Und nur zwei Monate später hat sie mich unter Tränen angerufen und von seiner Untreue erzählt. Am liebsten wäre ich sofort in den nächsten Flieger gestiegen und zur ihr geflogen, aber Sarah selbst und Carlo hatten mich davon abgehalten. „Den findest du auch noch Liebes. Es ist noch so viele gutaussende, Neurochirurgen mit Villa am Genfer See!“, versuche ich sie auf zu heitern und erinnere sie an ihre Vorstellung vom Traummann von früher. Sarah lächelt mich matt an. „Mal schauen ob das wirklich so kommt, immerhin hast du auch nicht deinen Bankdirektor mit Mercedes Sportwagen und Münchener Penthouse bekommen!“ Wir beiden fangen an zu lachen. „Naja wenigstens hat er mit dem Mercedes Sportwagen geklappt!“, grinse ich und streiche ihr über die Wange. „Wir finden deinen Prinzen schon noch und wenn alle Stricke reißen ist noch immer der nette Lucca übrig!“, zwinkere ich ihr zu. Nach einer kurzen Pause fürs Mittagessen wechseln Sarah und ich und sie fährt weiter. Währenddessen rufe ich Jule an und damit sie mir noch ein Tank von Vio in der richtigen Größe mitbringt. Natürlich endet das Gespräch nicht nach ein paar Minuten, sondern wir quatschen für geschlagene zwanzig Minuten. „Wir waren gestern beim Arzt und der Krümel ist jetzt siebenhundert Gramm schwer und dreißig Zentimeter groß! Kannst du dir das vorstellen!“, erzählt sie mich ganz begeistert. Natürlich konnte ich mir das vorstellen, immerhin war ich auch schon zweimal schwanger. Trotzdem höre ich Jule zu und freue mich für sie, denn ich weiß ganz genau wie aufregend diese Zeit für sie ist. „Wisst ihr schon was es wird?“, frage ich sie. Ich höre Jule seufzen, aber es ist eher ein freudiges Seufzen. „Ja, aber das will ich dir und Carlo zusammen sagen. Ich will dabei eure Gesichter sehen!“, erklärt Jule mir und ich kann sie gut verstehen, der Familie zu erzählen was man bekommt ist ein ganz besonders aufregender Moment. Als ich mit Toni schwanger war, ich Carlo beim Arzt fast umgekippt, als er uns offenbart hat, dass wir ein Mädchen bekommen. Was vielleicht auch damit zusammen hängt, dass Carlo bei diesem Termin unser Baby zum ersten Mal gesehen hat. „Dann erfahren wir es also morgen Abend?“, frage ich hoffungsvoll und höre Jule kichern. „So war der Plan! Mats kommt leider erst nach, ich hoffe ich halte bis dahin aus!“, jammert sie und ich kann mir Jule gerade genau vorstellen. Wie sie im Schneider sitzt bei ihren Eltern zu Hause auf der Couch sitzt und verzweifelt an die Decke starrt. Mit Geheimnissen ist keins der Waibel-Kinder wirklich gut. Was bei Geschenken und Überraschungen nicht immer nur von Vorteil ist. „Das schaffst du schon!“, spreche ich ihr gut zu. „Ich hoffe es!“, seufzt Jule leidend. Ich höre im Hintergrund eine Türklingel. „Du Kathi, ich muss mal an die Tür. Aber ich bring dir morgen das Camo-Top einfach mit zum Konzert und dann kannst du dich ja da umziehen!“, schlägt Jule vor. „Hört sich super an!“, pflichte ich ihr bei. „Okay dann bis morgen. Ich hab dich lieb!“, verabschiedet Jule sich von mir und hat schon aufgelegt, bevor ich irgendetwas erwidern kann. Es ist schon dunkel als ich meinen Wagen vor dem großen, alten Ziegelsteinhaus in dem Marli und Tido mit Oskar wohnen parke. Als die beiden nach Hamburg gezogen sind haben sie sich natürlich nicht für einen Neubau entschieden sondern für einen typischen Hamburger Backsteinbau, der um die Jahrhundertwende gebaut wurde. Was anderes würde auch gar nicht zu Marli passen. Auf der Kieseinfahrt erkenne ich Tidos graue C-Klasse und Marlis himmelblauen Trabi, den ich niemals freiwillig fahren würde. Anders als die meisten Menschen hielt Marli nicht viel von schnellen, schnittigen und vor allem neuen Autos. Nein für sie musste sowas Charakter und Geschichte haben. Das hatte die blaue Rostlaube auf jeden Fall. Auch wenn Marli das Ding nur noch für kurze Strecken innerhalb Hamburgs benutzt. Mehr als einmal hatte ihr Tido schon angeboten ihr einen neuen Wagen zu kaufen, aber meine große Schwester wollte davon nichts hören. Solange Manni, so hieß ihr Trabi, nicht irgendwann von selbst aufhören würde zu fahren, wollte sie ein neues Auto. „Da sind wir!“, verkünde ich und öffne die Fahrertür. Für einen Augenblick bleibt Sarah noch im Auto sitzen und scheint den spärlich beleuchteten Vorgarten zu betrachten. Kurz folge ich ihrem Blick und okay, man muss zugeben auf den ersten Blick sieht das ganze hier ein bisschen chaotisch aus, aber auch wirklich nur auf den ersten Blick. In dem alten Apfelbaum vor dem Esszimmerfenster schaukeln bunte Teelichter im Wind, der Weg zum Haus ist mit verschiedenen Steinen gepflastert und anstatt gerade zur Haustür zu führen, schlängelt er sich ein wenig durch den Vorgarten. Wobei ich bezweifele, dass irgendjemand wirklich diesen Weg benutzt, denn rechts und links davon verlaufen mehrere kleine Trampelpfad durch den Vorgarten. Aber am wohl ungewöhnlichsten ist wohl der Gartenzaun. Anstatt normal in braungestrichen zu sein, hat jede Latte ein anders Muster oder Farbe. Ich kann mich noch ganz genau an Oskars letzten Kindergeburtstag erinnern, an dem Marli alle Kinder aus der Nachbarschaft eingeladen hat und wir zusammen den Zaun bemalt haben. Es war ein herrlich warmer Sommertag, die Sonne schien und Carlo hatte wahrscheinlich mehr Spaß beim bemalen des Zauns als alle Kinde zusammen. Sofort erkenne ich die Zaunlatte mit dem bunten ‚VioVio‘ Schriftzug neben dem kleinen Gartentörchen. Während ich Emil aus seinem Kindersitz befreie, wird auch schon die Haustür aufgerissen und Marli eilt die Eingangsstufen hinunter. „Herzlich Willkommen“, ruft Marli begeistert und kommt auf uns zu. Sofort zieht sie mich in eine Umarmung. Ich erwidere ihre Umarmung und sauge den mir allzu bekannten Duft ein. „Hey!“, begrüße sie und will sie gar nicht mehr los lassen, „Ich hab dich vermisst!“ Marli löst sich von mir und streicht mir über die Wange. „Ich dich auch, Kleine!“, versichert sie mir und nimmt mir Emil vom Arm. Auf Höhe der Motorhaube treffen mir Sarah, die Toni an der Hand hat. „Marli!“, ruft Toni begeistert und wirft ihre kleinen Arme im nächsten Moment um die Beine ihrer Tante. „Hallo Toni!“, lächelt Marli und streicht Toni über den Kopf. „Halli Hallo!“, macht Sarah auf sich aufmerksam und umarmt Marli über Toni hinweg. Die beiden haben sich das letzte Mal auf Emils Taufe gesehen. „Schön dich wieder zu sehen! Wieder gut angekommen?“, fragt Marli und strahlt Sarah an. „Ja, es ist super toll wieder zu Hause zu sein. Ich hab zu Hause echt total vermisst!“, gibt Sarah zurück. Marli nickt und lächelt, „Ja, wir haben dich auch alle ziemlich vermisst!“ Sarah ist genauso mit Marli groß geworden wie ich. Wenn Sarah am Wochenende bei uns geschlafen hat, haben wir Samstagsabends bei Marli auf dem Bett gesessen und ihr dabei zugesehen, wie sie sich zum Ausgehen fertig gemacht haben. Marli war auch diejenige, die uns unserer erste Flasche Sekt gekauft hat, als wir gerade mal vierzehn waren und uns zu unserem ersten Konzert begleitet. „Wo ist Tido eigentlich noch?“, frage ich Marli und beobachte sie von der gemütlichen Bank in ihrer Küche dabei, wie sie heißes Wasser in drei vorbereitete Tassen kippt. Es ist relativ still im Haus, naja sagen wir mal es ist still für Marlis Haus. Leise dudelt Musik aus dem großen Küchenradio auf der Fensterbank und über uns höre ich Sarah über den Dielenboden laufen. Nach einer kleinen Pizza Orgie und einem Badefest in Marlis und Tido großer Eckbadewanne sind die Kinder endlich eingeschlafen und im Bett. Toni hat sich einen Ast abgefreut, als sie erfahren hat, dass sie die nächste zwei Nächte mit in Oskars Zimmer schlafen darf. Für sie ist ihr großer Cousins so ziemlich der coolste Mensch auf der ganzen Welt. Marli dreht sich zu mir und lehnt sich gegen die Küchenzeile aus hellem Nuss-Holz. „Er macht heute Bereitschaftsdienst in Kinderambulanz, denen fehlen im Moment ziemlich viele Ärzte! Aber er müsste eigentlich so um zehn hier sein!“, erklärte sie mir und wirft einen Blick auf die große IKEA Uhr über meinem Kopf. Ich verrenke meinen Hals so, dass ich die Uhrzeit erkennen kann. Viertel nach acht. Carlo geht also in genau sieben Minuten auf die Bühne. Mein Blick bleibt an einem der vielen bunten Bilderrahmen hängen, die um die Uhr herum hängen. Das Bild ist ein knappes Jahr alt und zeigt Carlo, Toni, Marli, Oskar, Tido und mich kurz nach Emils Geburt. Meine Haare sind total zerzaust und ich habe mich müde an Carlos Brust gelehnt. Aber meine Augen strahlen, sie strahlen mit Carlos um die Wette und mein Blick ist fest auf das kleine Bündel, das Emil ist, in Oskars und Tonis Armen gerichtet. Tido steht neben meinem Bett, hat sich ein wenig vorbeugt und scheint Oskar irgendwas zu erklären. Während Marli auf meiner anderen Seite sitzt und ihre Finger fest mit meinen verschlungen hat. Ich kann mich noch genau erinnern, was sie mir in dem Augenblick ins Ohr geflüstert hat, „Gut gemacht Schwesterchen!“ Das Bild ist nicht gestellt, sondern einfach nur ein Schnappschuss meiner Mutter, der entstanden ist, als sie uns aufgefordert hat, uns für ein richtiges Bild zu positionieren. Aber irgendwie ist es trotzdem total perfekt, weil es genau das einfängt, was in dem Moment wichtig war. Nämlich Familie. „Hier“, Marli reicht mir eine der Teetassen rüber und verschwindet dann für einen kurzen Moment in der kleinen Vorratskammer, die sich an die Küche anschließt. Ich lasse meinen Blick kurz durch die Küche schweifen, seit ich das letzte Mal hier war sich nicht viel verändert. Nur die selbst gemalten Bilder von Oskar, die an den Küchenschränken hängen, sind andere. Noch immer stehen die vier unterschiedlichen Stühle um den großen Küchentisch herum. Kein Stuhl passt zum anderen und trotzdem wirkt alles perfekt zum Tisch und der mintgrünen Bank auf der ich sitze. Die Bank haben Carlo und ich Marli zum fünfundzwanzigsten Geburtstag geschenkt. Naja eigentlich habe ich sie Marli geschenkt. Carlo und ich waren für ein paar Tage in Prag und dort habe ich auf einem Trödelmarkt die Bank entdeckt und mich sofort darin verliebt. Verrückt wie Carlo ist hat er die Bank gekauft und es irgendwie geschafft sie in unseren großen Geländewagen zu bekommen. Zu Hause hab ich die Bank angestrichen und neugepolstert und dann haben wir sie Marli geschenkt. Meine Fingerspitzen fahren über die Gravur im Kopfteil ‚Schwestern‘. Mehr steht da nicht. Mehr muss da auch gar nicht stehen. Weil damit alles eigentlich gesagt ist. „Ich hab noch einen halben Marmorkuchen oder Chips!“, kommt Marlis Stimme aus der Vorratskammer. „Bring beides mit!“, antworte ich ihr und einen Minute später lässt Marli zwei Tüten Chips neben mich auf die Bank fallen und stellt einen kleinen Teller mit Marmorkuchen auf den Tisch. „Oskar hatte im Kindergarten einen Trödelmarkt und dafür sollte ich einen Kuchen backen, aber am Ende sind wir einfach den ganzen Tag im Bett geblieben und haben den Kuchen selbst gegessen!“, erzählt Marli breitgrinsend und nimmt sich ein Stück von dem Kuchen. „Hört sich wesentlich besser an als Trödelmarkt im Kindergarten!“, pflichte ich ihr bei und reiße eine der Chips-Tüten auf. Bei dem Geraschel steckt Marlis Mischlingshündin Helga den Kopf in die Küche und beobachtet mich aufmerksam dabei, wie ich die Tüte auf den Tisch lege. Helga ist nach Wolle der wohl kinderliebste Hund auf der ganzen Welt, und Wolle ist auch nur auf Platz eins, weil er sich von Toni sogar das Fell stylen lässt. Vor vier Jahren haben Marli und Tido sie von einem Urlaub auf Gran Canaria mitgebracht und seit dem gehört der Straßenfeger, wie Tido sie immer nennt, einfach zur Familie. „Du bekommst nichts!“, erkläre ich der Hündin, die daraufhin die Haaren hängen lässt und zurück ins Wohnzimmer trottet. „Hat Sarah noch immer Angst vor Hunden?“, erkundigt Marli sich und beobachtet wie Helga sich wieder in ihr Körbchen legt. Ich nicke mit dem Kopf, „Ja aber es geht schon. Also solange die Hunde nicht bellen oder sie anspringen!“ „Dafür ist Helga viel zu faul, nicht wahr Dicke?“, grinst Marli und verstellt ihre Stimme, als sie mit dem Hund redet. „Wo steckt Sarah eigentlich?“, fragt Marli und legt ihren Kopf in den Nacken, als wenn sie Sarah durch die Decke durch beobachten könnte. Ich zucke die Schultern, „Wahrscheinlich ist sie noch duschen, wir sind direkt vom Krankenhaus aus los gefahren und sie hatte keine Zeit mehr sich noch wirklich um zu ziehen!“ Marli nickt wissentlich. „Achso, dann soll sie sich mal Zeit lassen. Wir haben ja noch den ganzen Abend zum Quatschen!“, sagt sie gutgelaunt, legt ihre in Wollsocken eingepackten Füße auf einen der Stühle und greift noch nach einem Stück Kuchen.
Carlo Als ich die Augen aufschlage, weiß ich für einen kurzen Moment nicht wo ich bin. Aber dann spüre ich den warmen Körper wieder neben mir und erinnere mich lächelnd an gestern Abend. Anstatt die Augen auf zu machen, entscheide ich mich dafür einfach ruhig liegen zu bleiben. Vielleicht schaffe ich es sogar noch einmal ein zu schlafen. Immerhin weiß ich nicht, wann ich das nächste Mal wieder ausschlafen kann und vor allem, würde ich ab morgen wieder alleine aufwachen müssen. Erst jetzt fällt mir ein was heute für ein Tag nicht. Der einunddreißigste Januar. Mein Geburtstag. Ich bin siebenundzwanzig. Überkrass, noch drei Jahre und ich dreißig. Also dann so richtig alt, wobei ich wirklich finde, dass sich siebenundzwanzig auch schon über alt anhört. Ich seufze und fahre mir mit der flachen Hand übers Gesicht. Auch wenn ich nicht mehr einschlafen kann, will ich trotzdem noch nicht aufstehen und mich zu viel bewegen. Immerhin könnte das die Gestalt neben mir aufwecken und sie hat sich den Schlaf mehr als verdient. Ganz still liege ich einfach nur da und hänge meinen Gedanken nach, eigentlich denke ich noch nicht einmal wirklich nach, sondern genieße die Leere in meinem Kopf. Einfach mal für einen Augenblick an nichts denken müssen, keine Setlisten, keine Soundschecks und auch keine Interviews. Sondern nur pure Stille und dieser wunderbar aufregende und liebliche Duft, gemischt aus ihrem Shampoo, Waschmittel und Liebe, in meiner Nase. Plötzlich beginnt sie sich neben mir zu bewegen, ich spüre ihren Ellbogen in meine Rippen stoßen und unterdrücke einen gequältes Stöhnen. Mit einem lauten Seufzer dreht sie sich auf den Rücken. Mittlerweile habe ich meine Augen wieder geöffnet und schaue sie aufmerksam an. Ihre seidigen Haare liegen wie ein Heiligenschein um ihren Kopf herum, ein relativ zerzauster Heiligenschein, aber trotzdem wunderschön. Als sie ihre Augen aufschlägt und direkt in mein Gesicht guckt, weicht sie überrascht ein Stück zurück und schaut mich aus großen Augen überrascht an. Blau trifft auf braun. „Carlo!“, sagt sie mit belegter Stimme und mein Grinsen wird nur noch größer. „Was machst du ihr?“, fragt sie verwirrt und setzt sich ein Stück weit auf und rutscht ein bisschen näher an die Wand, um sich daran zu legen. Aber ich lasse es nicht zu, dass sie noch mehr Abstand zwischen uns bringt und sie wieder an mich heran. Ohne ein Wort zu sagen, nehme ich ihr Gesicht in meine Hände und drücke ihr einen Kuss auf die weichen Lippen. „Ich wollte an meinem Geburtstag nicht alleine aufwachen!“, gebe ich ehrlich zu, „Ich wollte viel lieber neben meiner Frau aufwachen!“ Sie lächelt mich an und erwidert meinen Kuss. „Aber wann? Du hattest doch gestern noch ein Konzert?“, stammelt sie vor sich hin. Wahrscheinlich ist sie noch gar nicht richtig wach. Ich lehne mich in den Kissen zurück und ziehe Kathi mit mir mit. Sofort kuschelt sie sich an meine Brust und verschlingt ihre Finger mit meinen. „Ich hab Tido angerufen und ihn gefragt, ob es okay ist, wenn ich schon früher komme. Er hat mir den Haustürschlüssel in den Briefkasten gelegt und dann sind Jojo und ich einfach nach der Show in Steffens Autos gesprungen und hier in gefahren!“, fasse ich die Aktion von gestern Abend zusammen. Den Teil, dass Steffen erst erfahren hat, dass ich mir sein Auto ausgeliehen habe, als Jojo und ich schon ne Stunde unterwegs waren, lasse ich einfach mal aus. Dafür durfte Steffen heute in meinem großen Tourbus-Bett schlafen. „Du bist verrückt!“, Kathi stützt sich auf den Ellenbogen ab und schaut mir ins Gesicht. „Und dann bist du einmal quer durch Deutschland gefahren, nur um neben mir auf zu wachen?“, fasst sie alles nochmal zusammen und strahlt mich an. Ich kann nicht anders, als ihr Gesicht noch einmal zu mir heran zu ziehen und sie zu küssen. Zu sehr habe ich das in den letzten zehn Tagen vermisst. „Ich würd sogar halb durch Europa fahren um neben dir auf zu wachen!“, gestehe ich ihr und komme mir wie in einem dieser bekloppt romantischen Filme vor. Aber es ist nun mal die Wahrheit, selbst wenn es sich noch so kitschig anhört. Kathi schlingt ihre Arme um meinen Nacken und erwidert meinen Kuss. „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag mein Schatz, ich liebe dich!“, flüstert sie an meinen Lippen und ich kann ihr Grinsen gerade zu spüren. Ich schlinge meine Arme um ihren Körper und drücke sie ganz fest an mich. „Ich liebe dich auch!“, versichere ich ihr und kitzele sie ein wenig. Kathi kichert und küsst mich wieder und wieder. Sie küssen werden immer intensiver und leidenschaftlicher und ich spüre mit einem Mal wie sehr ich sie wirklich vermisst habe. „Baby, ich habe dich so vermisst!“, hauche ich Kathi ins Ohr und küsse sie wieder. „Oh Carlo, ich dich auch!“, seufzt Kathi und fährt mit ihren Finger unter mein Shirt. Ich bin gerade bei Kathi das Shirt über den Kopf zu hören, als eine leise Stimme an mein Ohr dringt. „Papa! Papa! Papa!“, höre ich Emils Stimme und schaue an Kathis Gesicht vorbei auf das kleine Reisebettchen, dass vor dem Schrank aufgebaut ist. Fröhlich sitzt Emil in seinem Bettchen und kaut auf dem Ohr seines Kuscheltiers herum. Kathis und mein Moment zerplatzt wie eine Seifenblase und ich seufze kurz genervt auf. Einen Augenblick später überwiegt aber die Freude Emil wieder zu sehen. Behutsam schiebe ich Kathi von mir herunter und stehe auf. „Guten Morgen, Kumpel!“, sage ich fröhlich und hebe Emil aus dem Bettchen. Zusammen mit ihm lasse ich mich wieder zu Kathi ins Bett fallen, die gerade dabei ist ihr Shirt wieder grade zu sehen. „Guten Morgen mein kleiner Prinz!“, begrüßt Kathi ihn und drückt ihm einen Kuss auf den Kopf. Für einen kurzen Augenblick habe ich meine ganze Welt in der einer Nussschale und kann mir keinen besseren Ort vorstellen um siebenundzwanzig zu werden. Zusammen mit Kathi und Emil in Marlis und Tidos kleinem Gästezimmer, zugedeckt mit Bauernhofbettwäsche in einem kleinen eins-vierziger Bett. Kathi scheint für einen kurzen Moment zu überlege und fragt mich dann, „Hast du nicht gesagt Jojo ist mit dir mitgefahren? Wo ist er denn?“ Ich muss schmunzeln als ich an Jojo denke. Wahrscheinlich kann er sich an fast gar nichts mehr von gestern Abend erinnern, während ich Auto gefahren bin hat er sich die ein oder andere Flasche und das ein oder andere Gramm rein gezogen. Fragend legt Kathi den Kopf schief. „Der liegt oben im Wohnzimmer und pennt seinen Rausch aus!“, erkläre ich ihr. Jojo ist einfach sowas von ein über guter Freund. Nur damit ich die knapp vier Stunden nicht alleine fahren muss, ist er mitgefahren und hat sein weiches Bett gegen eine relativ unbequeme Couch getauscht. „Och der Arme!“, sagt Kathi. „Er hätte ja auch mit bei Sarah im anderen Gästezimmer schlafen können, aber ich glaub das hätte sie nicht so ganz cool gefunden!“, überlege ich laut und bringe Kathi damit zum Lachen. Sie streicht mir über die Wange und lehnt sich zu mir rüber. „Es ist wirklich schön, dass du hier bist!“, flüstert sie andächtig. Mit Emil auf meinen Schultern stampfe ich hinter Kathi her die Kellertreppe hoch in Erdgeschoss. Ein Blick in die Küche verrät mir, dass meine Schwägerin schon längst wach ist und dabei ist den Frühstückstisch zu decken. Sie jetzt in einem langen Shirt und bordeaux roten Leggins am Herd und rührt in einer Pfanne herum. „Guten Morgen!“, begrüße ich sie und mache auf mich aufmerksam. Marli dreht sich sofort zu mir um und kommt die wenigen Schritte auf mich zu. „Carlo!“, freut sie sich und zieht mich in eine ihrer berühmten Umarmung. „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Tido hat erzählt, dass du gestern Abend noch gekommen bist. Dein Kumpel pennt noch im Wohnzimmer. Ich hab ihm mal ein Handtuch und eine Zahnbürste auf die Treppe gelegt. Tido ist noch im Bett. Aber Toni ist schon wach, sie ist mit Oskar und Sarah zusammen Brötchen holen. Ach es ist so schön dich zu sehen!“, wie ein Wasserfall prasselt ihr Redeschwall auf mich ein. Aber mittlerweile bin ich das schon von ihr gewöhnt und nicke einfach nur und höre zu. Sie tätschelt meinen Oberarm und nimmt mir dann Emil von den Schultern. „So Emil und ich kümmern uns mal ums Rührei und guckst mal ob du deinen Kumpel wach bekommst, Jojo oder? Dann können wir gleich alle zusammen Frühstücken! Du bekommst natürlich einen Ehrenplatz!“, verkündet sie und deutet in Richtung des Küchentisch an einem der Stühle hat sie ein paar bunten Luftballons befestigt. Hinter mir höre ich Kathi laut los prusten, aber irgendwie find ich’s cool. „Danke, Marli!“, lächele ich und drücke ihr einen Kuss auf die Wange. Zusammen mit Kathi betrete ich das Wohnzimmer, anders als der Rest des Hauses ist dieser Raum ganz klar Tidos Reich. An der Wand hängt ein großer Löwe Fernseher mit Boese Soundsystem und um einen schlichten Glastisch sind zwei schwarze Rolf Benz Sofas mit passenden grünen Sesseln gruppiert. Allein die Afrikanischen Masken an den Wänden und die großen schwarzweiß Photographien aus Tidos Heimat sehen nach Marlis Handschrift aus. Jojo liegt lang ausgestreckt über die größere Couch, seine Jeans hat er kreativ über eine der teuren Säulenboxen gehangen und auf dem Tisch liegt ein kleines Päckchen Gras, dass ich schnell in meiner Hosentasche verschwinden lasse, bevor Kathi es sieht. Nur in T-Shirt und Boxershorts schnarcht Jojo laut vor sich hin, dabei ist sein Mund weit geöffnet und sein rechter Arm hängt von der Couch runter. „Hey Jojo! Aufwachen!“, versuche ich ihn wach zu bekommen, aber er regt sich keinen Zentimeter. „Johannes, Frühstück!“, versuche ich es noch einmal. Aber noch immer passiert nichts. Kathi drückt sich an mir vorbei und setzt nicht neben Jojo auf die Couch. Mit zwei Fingern hält sie ihm die Nase zu und flüstert ihm dann ins Ohr, „Johannes, Güz ist alle!“ Als Jojo versucht durch die Nase zu atmen und es nicht funktioniert, reißt er plötzlich die Augen auf. Sofort lässt Kathi seine Nase los und steht auf. „Willkommen zurück im Reich der Lebenden, Herr Lieb!“, lächelt Kathi ihn an. Verwirrt schaut Jojo sich im Raum um und verfährt sich mit der flachen Hand über die verschlafenen Augen. „Was?“, fragt er und ist noch immer total neben sich. „Gleich gibt’s Frühstück!“, erkläre ich Jojo und klopfe ihm auf die Schulter. Wir sitzen alle zusammen am Frühstückstisch, als die Haustür aufgeschlossen wird und lautes Fußgetrappel zu hören ist. Eine Sekunden später erscheint Toni in der Tür und strahlt mich an. „Papa!“, ruft sie fröhlich und ich hebe sie auf meine Arme. „Na Kröte! Alles gut?“, begrüße ich sie und drücke ihr einen Kuss auf die Schläfe. Ohne mir zu antworten, fängt Toni an zu singen, „Zum Burstag viel Glück zum Burstag viel Glück!“ Bis Kathi sie unterbricht. „Motte, wollen wir nicht alle zusammen für Papa singen?“, schlägt sie vor und deutet auf den reichgedeckten Frühstückstisch und alle, die drum herum sitzen. Toni scheint für einen kurzen Moment über Kathis Vorschlag nach zudenken und nickt dann. Genau in diesem Komment kommt Sarah zur Tür rein. „Hey Carlo, Alles Liebe!“, freut sie sich und umarmt mich. Als sie sich jedoch zum Tisch umdreht und Jojo auf der Bank zwischen Kathi und Tido erkennt lächelt sie plötzlich nicht mehr so breit. „Du bist auch hier?“, sagt sie und es hört sich fast schon genervt an. Jojo aber grinst sie nur breit an und erwidert, „Ach Prinzessin tu nicht so, wir wissen doch alle, dass du mich ganz arg vermisst hast!“ Angeekelten verzieht Sarah das Gesicht und lässt sich neben Marli auf einen der Stühle fallen. „Geschenke!“, fordert Toni laut, nach dem Frühstück und circa fünf Mal ‚Happy Birthday‘ singen. „Okay!“, stimmt Kathi ihr zu, „Holst du vielleicht mal kurz den grünen Korb aus dem Flur?“ Sofort springt Toni auf und verschwindet im Flur. Oskar rennt hinter ihr her und kommt mit einem bunten Umschlag, noch vor Toni wieder. „Für dich von Mama, Papa und mir!“, verkündet er und zeigt auf Marli und Tido. Ich weiß genau was in dem Umschlag ist. Seit Kathi und ich zusammen sind bekomme ich jedes Jahr das gleiche von Marli und Tido und Tido bekommt dasselbe von uns. Musicalkarten, die Frage ist nur für welches. Aber nicht weil ich so unfassbar gerne singenden Schauspielern dabei zugucke wie sie durch die Gegend hüpfen, sondern weil Kathi und Marli Musical lieben. Und Tido und ich eh nie wissen was wir uns schenken sollen. Mir geht es eigentlich gar nicht um den Musicalabend, darauf könnte ich auch gut verzichten. Vielmehr geht es um die Zeit, die wir so mit den beiden verbringen können. Ohne Kindergeschrei und Unterbrechungen. Dieses Mal sind es vier Karten für Rocky. Natürlich in Hamburg. So lockt Marli uns nämlich schon im März wieder zu den beiden. Praktischer Weise am gleichen Wochenende, an dem Oskar auch Geburtstag hat. „Danke Kumpel!“, bedanke ich mich bei Oskar und gebe ihm ein Highfive. „Gerne!“, grinst er und schiebt dann hinterher, „Was haben wir dir denn geschenkt?“ Damit bringt er natürlich alle am Tisch zum Lachen. „Musicalkarten!“, erkläre ich und halte ihm die Karten vors Gesicht. „Jetzt ich!“, entscheidet Toni, schiebt sich an ihrem Cousin vorbei und hält mir ein selbstgemaltes Bild unter die Nase. „Du und Flo und Tim und Kus!“, erklärt sie mir und deutet auf die einzelnen Figuren. Ich betrachte das Bild und freue mich sowas von sehr über das Bild. „Und viel Musik!“, fügt sie noch hinzu. „Danke Kröte!“, lächele ich Toni an und drücke ihr einen Kuss auf die Wange. Toni bleibt gleich auf meinem Schoß sitzen und hilft mir dabei Sarahs Geschenk, ein Buch über Graffitikunst in New York, aus zu packen. Anstatt eines Geschenks hält Kathi mir nur ihr Handy hin. „Dein Geschenk wartet zu Hause auf dich! Ich konnte es schlecht mitnehmen!“, erklärt sie mir und gucke mir das Foto genau an. Das Foto zeigt ein dreireihiges Regal, dass über meinen PCs in meinem Studio hängt. Erst auf den zweiten Blick erkenne ich, dass es aus Skateboard zu bestehen scheint. „Ich hab gedacht, damit deine ganze Preise endlich mal richtig zur Geltung kommt!“, sagt sie und scheint meine Reaktion abzuwarten. „Hast du das selbst gebaut!“, frage ich sie grinsend und Kathi nickt fröhlich. „Das ist der absolute Hammer!“, nicke und begeistert und ziehe ihren Kopf zu mir heran um sie küssen. „Freut mich, dass es dir gefällt!“, strahlt Kathi mich an, als sie sich von mir löst. Immer wieder bin ich fasziniert davon wie kreativ meine unkreative Frau sein kann.
Kathi Laute Musik dröhnt uns entgegen als wir den kleinen Club in Hamburg Altona betreten. Die Wände sind mit bunter Schwarzlichtfarbe voll gesprayt und überall hängen alte Konzertplakat. An einer der Wände erkenne ich sogar ein Fleetwood Mac Plakat von neunundsiebzig, darüber würde Carlos Papa sich freuen. Ich spüre Carlos Hand in meiner und ziehe ihn weiter durch den nebeligen Raum. Vor mir sehe ich Lucca und Sarah die dich durch tanzende Menschen drücken und auf eine Wendeltreppe im hinteren Bereich des Clubs zu steuern. Der Bass ist so laut, dass er meinen Magen durch zu schütteln scheint. Eigentlich wollte Carlo nachdem Konzert in Hamburg nur noch irgendwo einen Happen mit der Hand, Lucca, Sarah, Teesy und Jojo essen gehen. Aber da hatte er die Rechnung ohne Lucca gemacht. Der hat nämlich unseren halben Freundeskreis und Carlo Geschwister nach Hamburg gekarrt, für eine Überraschungsparty. Ich werfe einen Blick über meine Schulter und sehe wie Carlo sich genervt an einem jungen Pärchen vorbei drückt. Man kann gar nicht richtig erkenne wo das Mädchen anfängt und der Typ anfängt. Aber die beiden scheinen eh in ihrer ganz einen Sphäre zu sein. Ich lächele Carlo aufmunternd zu, gleich wird sich sein Gesichtsausdruck hoffentlich ändern. Im oberen Bereich des Clubs bleiben wir vor einer Tür stehen. „Und jetzt?“, fragt Carlo wenig motiviert, aber Luccas Grinsen ist breit genug für uns alle. „Mach doch mal die Tür auf!“, fordert er Carlo auf, der drauf hin nach der Klinge greift. Sobald Carlo die Tür aufgezogen hat, ist ein ohrenbetäubendes „Überraschung!“ zuhören und meine halben Tonne Konfetti, Luftschlangen und Ballons werden in unsere Richtung geschmissen. Fassungslos steht Carlo in der Tür und starrt in den großen Raum. Seine Geschwister winken im begeistert zu, Chelo, Sam und der Rest der Chimperator Gang schmeißen noch immer Konfetti in unserer Richtung und Marla stimmt zusammen mit Mona und Nele ‚Happy Birthday‘ an, in das innerhalb von ein paar Sekunden alle anderen mit einstimmen. Carlo grinst über das ganze Gesicht und drückt meine Hand. „Happy Birthday, Schatz!“, flüstere ich ihm ins Ohr, mache mich dann von ihm los und fange an unsere Freunde zu begrüßen. Carlo umarmt Lucca und bedankt sich für die geile Überraschung. Erst jetzt fällt mir auf, dass wirklich alle etwas von Vio anhaben. Sogar Jule und Marla haben ein viel zu großes Sweater über ihre Babybäuche gezogen. In dem Raum ist eine große Tafel aufgebaut, an dessen einem Ende eine große Torte, in Form eines VioVio Schriftzug, steht. In einer Ecke steht eine kleine DJ-Station und an die große, weiße Wand vor Kopf wirft ein Beamer verschieden Fotos aus Carlo Kindheit, seiner Jugend und der Zeit seit Cro und Vio. „Bin ich zu spät?“, kommt eine Stimme von der Tür und alle drehen sich zur Tür um. Jojo steht mit einem ziemlich verknautschtem Geschenk und einer Flasche Jägermeister in der Hand, in der Tür. „Das glaub ich jetzt nicht!“, höre ich Sarah zischen. Es dauert einen Augenblick, bis ich verstehe wo drüber sie sich jetzt schon wieder aufregt. Aus all den Vio Shirts, die in den letzten Jahren entstanden sind, hat Jojo sich das gleiche Shirt wie Sarah ausgesucht. Das einfache weiße Shirt mit Flamingo-Print. Während Sarahs ihr Shirt in die helle Marlene-Jeans gesteckt hat und dazu schwarze Boots trägt. Blitzt Jojos unter einem einfach, schwarzen Kapuzen-Sweater hervor. Ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen und flüstere ihr leise ins Ohr, „Wenn das mal nicht Schicksal ist!“ Wodrauf hin sie mir mal wieder gegen die Schulter boxt. „Nein Jojo, bist du nicht!“, sagt Lucca leicht genervt und deutet dann in Richtung des langen Tisches, „Wollt ihr euch vielleicht alle hinsetzen, dann können wir Getränke und Essen bestellen!“ Großes Stühle-Rücken beginnt und es dauert eine ganze Weile bis alle etwas bestellt und ihren Platz gefunden haben. Lucca steht wieder auf und fängt an zu reden. „Ich weiß, dass du eigentlich dieses Jahr nicht groß feiern wolltest, Carls. Aber da wir deine Freunde sind und gerne feiern wollten. Interessiert uns deine Meinung recht wenig!“, fängt Lucca an zu reden und alle lachen. Lucca macht eine beruhigende Handbewegung, „Ja Leute ich weiß, ich bin mega witzig. Da kommt heute Abend noch einiges auf euch zu. Naja auf jeden Fall haben wir uns überlegt, dass wir dir so eine kleine Geburtstagsparty schmeißen und im Laufe des Abends warten noch ein paar Überraschungen auf dich! Aber erstmal finde ich, sollten wir jetzt erstmal auf den dünnsten Menschen der Welt trinken! Auf Carlo!“ Lucca hebt sein Cuba Glas und alle tun es ihm gleich. „Auf Carlo!“, ertönt es wie im Ohr und wir alle nehmen einen Schluck aus unseren Gläsern. Nachdem das Essen gebracht wurde, stehen Jojo, Markus, Tim und Flo auf und stelle sich vor die große Wand mit dem Beamer. „Was schenkt man eigentlich nem Typen der schon alles hat?“, Jojo schaut Carlo fragend an und legt den Kopf schief. „Ne geile Karre, ne Menge Geld, ne heiße Frau, zwei Nervensägen aus Eigenproduktion und so hässlich bist du ja jetzt auch nicht!“, zählt Tim auf und wieder geht ein Lachen durch den Raum. Carlo sitzt neben mir, seine Hand liegt ruhig auf meinem Oberschenkel und er hat den Kopf leicht zur Seite geneigt, um den Jungs aufmerksam zu zuhören. „Die Bild behauptet ja in zwischen immer, dass du voll abgehoben und arrogant bist. Und deswegen haben wir uns all im Internet so ein bisschen umgehört, was deine Fans wirklich über dich denken!“, erklärt Markus und tippelt von einem Bein aufs andere. „Cro kann zwar nicht rappen, dafür hat er das schönste Instagram Profil im Deutchrap!“, liest Flo als erstes vor und hinter ihm erscheint ein Screenshot von Carlos Instagramprofil. „Boah, schon seit drei Stunden nichts mehr hochgeladen, Brudi! Jetzt wird’s aber Zeit!“, ermahnt Markus ihn. „Soweit ich weiß hat Carlo mit Dajuan Stress, aber mit Danju ist er noch immer cool!“, liest Jojo laut vor und alle fangen an zu lachen. „Jetzt ist es raus, ich bin schizo!“, sagt Jojo und zuckt mit den Schultern. „Das glaub ich sofort!“, flüstert Sarah neben mir und bringt damit Marli, die auf ihrer anderen Seite ist nur noch mehr zum Lachen. „Cro muss seine Freunde bezahlen, damit sie mit ihm zusammen im Interview sitzen!“, sagt Flo mit ernster Miene und schaut dann Carlo genau in die Augen, „Heute kannst du mal das Portemonnaie stecken lassen. Zum Geburtstag sind wir mal umsonst!“ Markus nimmt Tim den zettele aus der Hand und sagt dann, „Bei Cro sind alle hässlich, aber ganz besonders dieser Psaiko Dino!“ Markus wischt sich eine imaginäre Träne von der Wange. „Endlich sagt es mal jemand laut!“, ruft Ben vom Tisch und fängt sich sofort einen bösen Blick von Marla ein. „Sorry, ich hab nichts gesagt!“, entschuldigt Ben sich sofort bei ihr und hebt die Hände. Nachdem essen räumen wir alle zusammen die Tische und Stühle zur Seite und Markus fängt damit an ein bisschen Musik zu machen. Bevor Carlo seinen Geburtstagskuchen anschneidet bekommt er noch von Kody, Steffen und Basti seine zweite Platinplatte für ‚Ton‘ überreicht, zusammen mit zwei Flugtickets und einem Gutschein für ein Wochenende in Helsinki. Nachdem die Jungs ein paar Fotos für Facebook und Instagram gemacht haben, pfeffert Carlo die Panda-Maske in die nächste Ecke und zieht mich zu sich heran. Er schlingt seine Arme um meine Hüften und drückt seine Lippen auf meine. Er schmeckt ein bisschen nach Zigarette, Rum und braunem Zucker. „Super Geburtstag?“, frage ich ihn lächelnd. Markus Musik dröhnt laut durch die Boxen und ich sehe wie Jojo, Caid und Teesy in einem kleinen Kreis stehen und sich gegenseitig an rappen. Anders kann man das gar nicht nennen, wie sie da stehen und nacheinander die Lyrics mitrappen. Carlo nickt und sagt zustimmend, „Super Geburtstag!“ „Könnt ihr vielleicht nochmal kurz zu hören?“, tönt Bens Stimme durch den Raum. Er steht zwischen Lena und Jule, neben Markus DJ-Pult. Carlos Eltern sind zu Hause geblieben und passen auf Marlon, Leon und Max auf, damit seine Geschwister heute Abend kommen konnten. Sobald Carlo wieder zu Hause ist, fahren wir aber auf jeden Fall für einen Nachmittag zu ihnen und holen den Geburtstag nach. Jule legt eine ihrer Hände auf ihren Babybauch. „Lumpi, wir haben lange überlegt was wir dir schenken sollen und dann hatte unser Papa die super Idee dir einen kleinen Film zu basteln, weil er es sich ja zur Aufgabe gemacht hat, sein ganzes altes Filmmaterial zu digitalisieren!“, fängt sie an zu sprechen und grinst Carlo an. „Weil Lena und Jule, aber irgendwie Papas Lieblingsmotiv in unserer Kindheit waren. Haben wir uns gedacht, schneiden wir gleich noch ein bisschen was aus diesem Jahrtausend dazu!“, führt Ben die kleine Rede fort. „Wir wünschen dir alles Liebe zum Geburtstag kleiner Bruder, wir sind so unfassbar stolz auf dich und alles was du geschafft hast. Und denk immer dran, ohne unser ganzes Mobbing wärst du nicht so toll geworden, wie du jetzt bist!“, beendet Lena den Vortrag und stürzt als erstes auf Carlo zu, um ihn zu umarmen. Ich weiche ein Stück zurück und lasse den vieren ihren Moment, als sich die einzelnen Umarmungen in eine riesengroße Gruppenumarmung verwandelt. „Bereit?“, fragt Benno und drückt auf eine kleine Fernbedienung. Ein unscharfes Bild erscheint auf der großen Leinwand und ich erkenne eine wesentlich jüngere Version von meiner Schwiegermutter. „Ganz vorsichtig, Carlo schläft!“, schon wieder höre ich ihre Stimme sagen. Die Kamera schwenkt von ihrem Gesicht auf das kleine Bündel in ihren Hände und die drei kleinen Kinder, die um ihre Mutter herum stehen, um den neuen Bruder zu betrachten. Das Bild ändert sich und zeigt einen Strand. „Boah Benno gib mir meinen Ball wieder!“, höre ich einen kleinen Jungen rufen, der sofort danach ins Bild rennt und seinen älteren Bruder jagt, der einen bunten Wasserball in den Händen hält. „Benno! Carlo! Teilen!“, ruft ein Mädchen, dass vielleicht zwölf ist und Lena sein muss. Es folgen Filmaufnahmen von Carlos Einschulung und Erstkommunion. Carlo im Teenageralter zusammen mit Lucca und Jojo auf Skateboard. Carlo und seine Geschwister in Badesachen auf irgendeinem Camping Platz in Italien. Verwackelte Filmaufnahmen auf denen Jojo und Carlo auf einer Bühne stehen und in Mikrofone mit Kabeln rappen. Carlo und Benno im Anzug, wie sie jeweils Jule und Lena im Arm halten und Ben ein Schild mit der Aufschrift ‚Abi 07‘ in der Hand hält. Ich drehe mich zu Carlo um und sehe wie sein Blick fest auf die Leinwand gerichtet ist, ein breites Grinsen auf den Lippen. „Jojo jetzt gibt die Autoschlüssel her!“, hört man Lucca rufen, kurz darauf zeigt das Bild einen alten Golf, Carlo lehnt an der Motorhaube Zigarette im Mund und eine bunten RayBan auf der Nase. Sofort erkenne ich den Wagen, sein erstes Auto, das muss an seinem achtzehnten Geburtstag gewesen sein. Jojo klettert durch das Schiebedach ins Innere des Wagens und zeigt Lucca den Mittelfinger. Als nächstes kommen Aufnahmen von Splash-Wochenende der Jungs, Skiurlauben von Carlo und seiner Familie und nächtliche Sprayer Aktionen von Benno und Carlo. Und dann erkenne ich mich selbst. „Carlo stell doch mal deine Neue vor!“, höre ich Luccas Stimme und er hält mir die Kamera direkt ins Gesicht. Alle Sachen auf der Aufnahme und in der Gegenwart. „Kann die selber!“, kommt Carlos Stimme und er versteckt sein Gesicht hinter meinem Rücken. Die nächste Aufnahme zeigt Carlo und mich in Vio Klamotten auf einer Präsentation für das Label. Danach kommt eine Handyaufnahme von Carlo mit Maske. „Ich bin Cro!“, mehr sagt er nicht. Dann wechselt die Aufnahme und man sieht Markus vor einem weißen Bulli stehen. „Hey was geht ab, ich bin Psaiko Dino und wir sind auf Madcon Tour!“, sagt er und grinst dämlich. Konzertaufnahmen folgen, erst nur vor kleinen Mengen, dann werden die Menschen Massen immer größer und Tim und Flo sind auf den Aufnahmen zu sehen. „Raop ist fertig!“, sagt Kody in die Kamera und schlägt sich mit Basti und Steffen ab. Als nächstes sind Carlo und ich zu sehen und Markus Stimme kommt aus dem Off. „Zeig doch mal deine Hand!“, fordert er mich auf und ich hebe meine Hand, an der ein kleiner Ring blitzt. „Wir heiraten!“, ruft Carlo und drückt mir einen Kuss auf den Mund. Bei dem nächsten Bild steigen mir Tränen in die Augen. Carlo und ich drehen uns langsam zu Marvins Gaye Stimme. Ich spüre wie Carlo meine Hand drückt und er mir einen Kuss auf die Wange drückt. Das Bild ändert sich wieder. Tim hält die Kamera, „Leute wir spielen jetzt gleich vor neunzigtausend Menschen und Carlo findet seine Maske nicht, wir werden alle sterben!“ Es folgen Bilder von Carlo Festival Auftritten und Weihnachten 2013. Wie Carlo meinen dicken Bauch streichelt und verkündet, dass wir bald nie wieder schlafen werden. Als nächstes erscheint Carlo in einem grünen OP Kittel im Bild und hält ein kleines Baby in die Kamera. „Toni Marlene Waibel, meine Tochter!“, verkündet er stolz und küsst ihren Kopf. Neben mir höre ich Marli schluchzen, so Gefühlzeug konnte meine Schwester noch nie gut für sich behalten. Ein paar Ausschnitte aus dem Traum Video, dem Tag am See und der Mello Tour folgen. Dann Tonis erste Schritte und Carlos Stimme, die sie hinter der Kamera anfeuert. „Komm Toni, du schaffst das.“, ruft er begeistert. Als die Kleine wirklich läuft, lässt Carlo die Kamera aber eifnach fallen. Wieder lachen alle. Und Carlo kratzt leicht verlegen am Hinterkopf. Bilder von Preisverleihungen, mehr Konzerten und Familientag bei Carlos Eltern flimmern über die Leinwand. Marlon und Leon jagen auf ihren Bobbycars durchs Bild und Toni schmeißt ein paar Nudeln auf den Boden. Dann kommen Aufnahmen von Carlo, Toni, mir und Emil im Krankenhaus. Toni verkündet stolz, dass sie jetzt einen kleinen Bruder hat und ihm immer ein Stück von ihrem Brötchen abgibt. Unser Sommerurlaub mit den Kindern in der Toskana. Emils Taufe und als letztes Aufnahme von den Festivals diesen Sommer. Dann wird die Leinwand wieder schwarz und in weißen Lettern erscheint ‚to be continued‘ Alle klatschen und Carlo zieht seine Geschwister noch einmal in eine Umarmung. „Danke Leute!“, flüstert er und ich sehe wie Tränen in Jules und Lenas Augen funkeln. „Die vier Waibels gegen den Rest der Welt!“, verkündet Ben und klopft Carlo auf die Schulter. „Okay, jetzt wars aber genug mit den Gefühlen! Jägermeister für alle!“, ruft Jojo laut und lockert damit die Stimmung sofort auf. Carlo aber zieht mich in seine Arme und drückt mir einen Kuss auf die Lippen. „Danke für alles Baby!“, ich erwidere seinen Kuss und würde am liebsten sofort mit ihm nach Hause abhauen, aber das geht noch nicht und wenn ich ehrlich bin genieße ich auch die Zeit mit unseren Freunden sehr. Ein wenig später sitze ich mit den Mädels zusammen an einem Tisch, als ich sehe wie Carlos Handy auf dem Tisch vor mir aufblinkt. Ohne darüber nach zudenken, nehme ich den Anruf an. „Waibel?“, melde ich mich und gehe kurz in den kleinen Flur, der zu den Toiletten führt, um irgendwas zu verstehen. „Carlo? Hier ist Jessi alles Liebe zum Geburtstag mein Süßer!“, meldet sich eine Frauenstimme und ich ziehe die Augenbrauen hoch.
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48. Konzertauftakt
Kathi Sonntagnachmittag stehe ich zwischen Jojo und Lucca in unserer Küche und schneide Salat. Wie vor jedem Konzert in Stuttgart, hat sich auch heute wieder die gesamte Gang in Carlos und meiner Wohnung versammelt, um Jojos berühmte Pre-Konzert-Dajuan-Special-Burger zu verspeisen. Eigentlich wollte Carlo die Aktion für heute absagen, weil wir heute Nacht nicht viel schlafen bekommen haben, da Emil zahnt und hohes Fieber hat. Aber mittlerweile scheint der Kleine sicher wieder ein wenig beruhigt zu haben. Im Moment schläft er seelenruhig auf Sarahs Arm, die zusammen mit Marla und den anderen Mädels auf unserer großen Couch im Wohnzimmer sitzt und quatscht. Irgendwie hat Toni Markus und Flo dazu bekommen mit ihr zusammen auf dem Wohnzimmerboden zu sitzen und ihre Barbies zu stylen. Carlo sitzt zusammen mit Tim und Teesy am Tisch und diskutiert über irgendwelche Tonfolgen. Eigentlich fehlen nur noch Ben, Isa, Jule und Mats. Zu meiner völligen Überraschung waren Sam und Chelo heute sogar pünktlich. Die beiden stehen vor dem Herd und diskutieren gerade darüber, wann das Fett in den Pfannen heiß genug für die Burger ist. „Mach den Mund zu oder du sabberst gleich noch auf das schöne Fleisch!“, kommt Jojos Stimme von meiner linken Seite. Da ich mich um den Salat und das Gemüse kümmere, kann er nicht mit mir reden. Ich drehe mich zu Lucca um, der auf meiner anderen Seite steht und die Hände in einer großen Schüssel mit Hackfleisch vergraben hat. Verwirrt dreht er den Kopf in Jojos Richtung und schaut ihn fragend an, „Was?“ Jojo verdreht nur die Augen und wirft die klein geschnittenen Chilis zu der Hackfleischmischung. „Deine Augen durchbohren, die Bodenseeprinzessin geradezu, wo ist deine Ehre Brudi?“, klärt er Lucca auf und seufzt theatralisch. Ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen, als Lucca Sarah noch einmal einen verstohlenen Blick zu wirft. Aber sie scheint von all dem Gestarre überhaupt nichts mit zu bekommen. Dafür ist sie viel zu sehr damit beschäftigt Emil fest auf ihrem Arm zu halten, immer wieder streicht sie ihm beruhigend über den Kopf und drückt ihm kleine Küsse auf den Haaransatz. So eine Ärztin im Haus zu haben ist eigentlich schon ganz praktisch, um kurz nach vier war Carlo gestern Nacht fast soweit mit Emil zum Krankenhaus zu fahren. Da er sich trotz Beiß-Ring, Beruhigungszäpfchen und Kamillentee einfach nicht einkriegen wollte und ununterbrochen geschrien hat. Aber nachdem Sarah eine Hand voll gefrorene Früchte in meinem Thermomix püriert hat und Emil damit gefüttert hat, hat der Kleine sich endlich beruhigt. „Die Früchte helfen dem Zahlfleisch sich zu beruhigen und die Kälte lindert den Schmerz! Ich war zwei Monate auf der Kinderstation, da haben wir das ständig gemacht!“, hatte sie erklärt und Emil weiter gutgelaunt mit dem Püree gefüttert. Wenn ich ehrlich bin, habe ich mich in diesem Moment ziemlich blöd gefühlt. Warum bin ich nicht drauf gekommen? Immerhin bin ich doch seine Mutter und sollte solche Dinge auch wissen. Aber einen Moment später, war ich einfach nur dankbar dafür, dass Sarah einen Rat wusste und Carlo und ich endlich schlafen gehen konnten. „Lass mich, du bist doch nur neidisch, dass ich endlich mal ein Mädchen am Start habe, die dich nicht anhimmelt, sondern nur mich gut findet!“, schießt Lucca zurück und bearbeitet das Fleisch. Wo drauf Jojo nur mit einem abschätzigen Lachen antwortet. „Du hast einen Nachmittag lang mit ihr Babysitter gespielt, deswegen hast du sie noch lange nicht am Start! Sowas hab ich nicht nötig!“, schießt Jojo zurück und ich beginne langsam damit, mich zwischen den beiden unwohl zu fühlen. Für einen Moment hört Lucca auf das Hack zu kneten und lehnt sich an mir vorbei, sodass er Jojo direkt ins Gesicht schauen kann. „Dich nervt es doch nur, dass sie mich mag und dich hatet.“, wiederholt Lucca eigentlich nochmal das gleiche Argument von gerade. Jojo verdreht die Augen und schüttelt den Kopf. „Mich nervt es nur wie sehr du dich zum Hans machst. Auf was soll ich denn neidisch sein? Ich brauch die Alte nicht. Es gibt genug Weiber, die töten würde um das hier nackt zu sehen!“, verkündet Jojo und deutet mit dem Schneidemesser auf seinen Körperkörper, der Gott sei Dank von einem Supreme Hoodie verdeckt wird. „Gut, dass ich da ein bisschen wählerischer bin und nicht alles flachlege, was bei drei noch nicht auf den Bäumen ist!“, kontert Lucca. „Der Unterschied besteht darin, dass ich etwas zum Flachlegen habe und nicht wie du auf die Launen von irgendwelchen frustrierten Schickeria-Tussis angewiesen bin!“, schießt Jojo zurück, dabei verengen sich seine Lippen zu einer schmalen Linie. Mit einem lauten Krachen lass ich mein Messer auf die Marmorarbeitsplatte fallen. Sofort sind Lucca und Jojo beide still und schaue überrascht zu mir rüber. Sogar Sam und Chelo drehen sich am Herd um, stecke ihre Köpfe, aber gleich wieder über die Pfannen, als sie meinen Blick sehen. „Jetzt reichst! Ihr redet hier über meine beste Freundin, als wenn sie irgendein Stück Fleisch wär. Reißt euch zusammen oder haut ab und veranstaltet euren Schwanzvergleich irgendwo anders, aber nicht in meiner Küche!“, meckere ich die beiden an. Mit einem Mal ist das Grinsen aus Luccas Gesicht gewichen und Jojo schaut mich aus großen Augen an. „Sorry!“, sagt Lucca kleinlaut und senkt seinen Blick. Erwartungsvoll schaue ich zu Jojo rüber, der aber keine Anstalten macht sich zu entschuldigen. „Du prahlst immer damit rum, wie intelligent du bist, also nimm dich gefälligst auch mal so und nicht wie so ein bescheuerter Hauptschulabbrecher ohne Leben!“, fahre ich Jojo nochmal an und verfrachte den Salat mit etwas mehr Schwung, als nötig wäre, in die große Glas-Schüssel. Dann wische ich mir die Hände an einem Küchentuch ab und mache mich auf den Weg aus der Küche, durch die großen Schiebetüren ins Wohnzimmer. „Den Rest schafft ihr ja alleine?!“ Dabei ist meine Aussage mehr eine Feststellung, als eine Frage und die beiden machen auch keine Anstalten mir irgendwelche Wiederworte zu geben. Ich höre Jojo nur leise flüstern, „Da ist wohl jemand selbst ein bisschen frustriert!“ Kopfschüttelnd setze ich mich neben Teesy an den großen Esszimmertisch und lausche Carlo bei seinen Ausführungen über den Verlauf des heutigen Konzerts. Aus dem Augenwinkel beobachte ich, wie Sam, Chelo, Jojo und Lucca die Köpfe zusammenstecken und immer wieder kurz verstohlen zu mir rüber gucken. Mein kleiner Ausraster scheint die Herren ziemlich beeindruckt zu haben. „Toni, deine Mama hat erzählt du bist nächste Woche auf einem Geburtstag eingeladen?“, fragt Markus Toni, die auf ihrem Trip-Trap-Stuhl, neben ihm an unserem großen Esszimmertisch sitzt und gerade dabei ist ihren Burger auseinander zu pflücken. Wir sitzen alle zusammen rund um den großen Tisch und genießen Jojos Burger, nur er selbst steht mit einem Geschirrhandtuch über der Schulter am Herd und brät noch die letzte Ladung Burger an. Bis auf Tonis Geplapper ist es relativ still am Tisch, weil alle damit beschäftigt sind die Burger in sich rein zu schaufeln. Schon seit etwa drei Minuten veranstalten Carlo und Lucca ein Starr-Duell um das letzte Stückfleisch auf der großen weißen Platte, die in der Mitte des Tischs steht, als wenn es das letzte Nahrungsmittel auf dem gesamten Planeten wäre. Dabei kommt bald schon Nachschub. Toni nickt wild, dabei fliegt eine halbe Tomate über den Tisch und landet in Tims Schoß auf seiner hellen Jeans. Aber er scheint sich nicht daran zu stören, nimmt die Tomate von seinem Schoß und steckt sie sich in den Mund. „Da hängt eh gleich die Gitarre vor!“, grinst er und wendet sich wieder seinem Burger zu. „Ja, bei Shanya. Eine Prinzessinnen Party!“, informiert Toni Markus und nimmt die ganze Sache sehr ernst. „Bei Shameier und Shakira!“, fügt Carlo hinzu und erntet ein paar Lacher, aber auch einen bösen Blick von Toni. Diesen Witz macht er immer, wenn es um Tonis Freundin aus dem Kindergarten geht. „Die Eltern sind eigentlich richtig nett, Sophie und Lars. Über normal, kein Plan was die geraucht haben, als sie die Kindernamen ausgesucht haben!“, sagt Carlo in die Runde, als wenn er sich rechtfertigen wollte, warum unsere Tochter mit einem Kind befreundet ist, dass so einen ‚besonderen‘ Namen hat. „Shanya!“, verbessert Toni ihren Papa mit Nachdruck. „Shameier!“, gibt Carlo zurück und grinst blöd, er sitzt Toni gegenüber und schaut sie direkt an. Toni lehnt sich ein Stückchen über den Tisch und stemmt ihre kleinen Fäustchen auf den Tisch. „Shanya, Papa!“, sagt sie lang gezogen und scheint die ganze Sache gar nicht witzig zu finden. Sie ist so eine Dramaqueen. „Shameier!“, sagt Carlo ein drittes Mal und freut sich sichtlich über Tonis Reaktion. Toni verschränkt die Arme vor der Brust und schaut Carlo böse ein. „Du bist doof!“, erklärt sie Carlo dann todernst und alle am Tisch fangen an zu lachen. Carlo beugt sich über den Tisch und drückt Toni einen Kuss auf die Stirn. „Ich hab dich auch lieb!“, versichert er ihr dann. Aber Toni zieht ihren Kopf so ein, dass Carlo sie nicht mehr erreichen kann und versteckt sich, stattdessen an Markus Schulter. Was alle natürlich noch mehr zum Lachen bringt. Toni findet die ganze Sache überhaupt nicht witzig und spielt für den Rest des Abendessens die beleidigt Leberwurst. Als wir alle dabei sind zusammen den Tisch ab zu räumen, sehe ich wie Carlo sie für einen Moment zur Seite zieht und sich zu ihr runter lehnt. „Toni, ich möchte, dass du dich vernünftig benimmst, oder du bleibst heute Abend mit Mama und Emil hier und ich geh alleine zum Konzert!“, sagt Carlo in seiner strengen Stimme oder eher die Stimme, die er für streng hält. Für einen Moment sieht es so aus, als wenn Toni jeden Augenblick anfangen würde zu heulen. Aber dann scheint sie es sich doch nochmal anders zu überlegen und nickt langsam mit dem Kopf. Carlo lächelt sie an. „Okay! Ich hab dich lieb!“, sagt er mit Nachdruck und drückt ihr einen Kuss auf die Stimme. „Ich auch!“, erwidert Toni und schlingt ihre kurzen Ärmchen um Carlos Hals. Er hebt sie hoch und drückt ihr einen Kuss auf die Wange. „Das ist mein großes Mädchen!“, verkündet Carlo und stahlt Toni an. Ich stehe mit Emil auf dem Arm im Flur beobachte alle anderen dabei, wie sie sich die Jacken und Schuhe anziehen. Sarah steht neben mir und zupft an dem schwarz Shirt und der dunkeln Jeans herum, die sie sich von mir geliehen hat. „Echt lieb, dass du mir Klamotten leihst. Aber ich freu mich so auf mein eigenes Zeug!“, sagt sie mit gequältem Gesichtsausdruck und greift nach ihrem grauen Mantel im Boyfriend-Stil, den ich ihr so klauen könnte. Ich nehme Emil auf meinen anderen Arm und lächele sie an. „Ich kann dich gut verstehen! Es geht einfach nichts über die eigenen Klamotten!“, sage ich verständnisvoll und lehne mich zu Toni runter. Die in ihren pinken Mini-Roshe Runs, einer schwarzen Leggins und einem grauen Pullover mit einem Dajuan Aufdruck, neben Sarah steht und gerade drauf wartet, dass Lucca ihr in ihre Jacke hilft. „Motte, bleib heute Abend immer bei Sarah oder Lucca und hör auf die beiden, okay!“, verlange ich von ihr. Toni nickt brav und schiebt ihre kleine Hand, wie zur Bestätigung, in Sarahs größere. Sarah schaut zu Toni runter und lächelt sie an. „Wir machen uns heute einen coolen Abend, nicht wahr Motte?“ Toni nickt strahlend und drückt sich an Sarahs Bein. Nach der Reihe verabschieden sich alle von mir und verschwinden im Flur. Als Jule mich umarmt spüre ich ihre Babykugeln an meinem Bauch und lächele sie an. Mittlerweile hat sie keine Chance mehr ihren Bauch zu verstecken. Als letztes sind nur noch Carlo, Emil und ich übrig. Durch die Tür sehe ich Toni, wie sie auf Jojos Schultern sitzt und fröhlich kreischt, als er sich um sich selbst dreht. Carlo lehnt sich zu Emil runter und drückt ihm einen Kuss auf den Haaransatz. „Gute Besserung Kumpel!“, flüstert er und küsst mich dann, „Schade, dass du nicht mit kannst!“ Ich schlinge meinen Arm um seinen Nacken und erwidere den Kuss sofort. Seit unserer Aussprache gestern, schwankt meine Stimmung ständig zwischen Erleichterung und Trauer, weil wir uns endlich ausgesprochen haben und wieder normal miteinander umgehen, aber auch weil er ab morgen für drei Wochen von zu Hause weg ist und wir uns erst an seinem Geburtstag in Hamburg wieder sehen. „Kommst du noch mit runter?“, fragt Carlo und lehnt seine Stirn gegen meine, „Ich will dir noch was zeigen!“ Ein paar Minuten später stehe ich zusammen mit Carlo, Sarah, Jojo, Lucca, Marla und Markus im Aufzug, der sich langsam in Richtung Tiefgarage bewegt. Als die Aufzugstüren sich öffnen und wir alle in die Garage treten, dreht Carlo sich um, läuft ein paar Schritte rückwärts und ruft dann, „Sarah fang!“ Etwas kleines und schwarzes fliegt durch die Luft und landet in Sarahs ausgestreckter Hand. Als sie das Teil hochhält, um es zu inspizieren, erkenne ich, dass es sich um einen Autoschlüssel handelt. Fragend schaut Sarah in Carlos Richtung, aber er dreht sich nur um und deutet in Richtung einer schwarzen A-Klasse, mit getönten Scheiben, die neben meinem ziemlich dreckigen ML und Carlo dunkelblauem SL steht. „A45 AMG 4 Matic, 360 PS, 6,9 Liter, AMG-Speedshift DCT und sieben Gang-Getriebe!“, zählt Carlo irgendwelche technischen Fakten auf, mittlerweile schauen nicht nur Sarah und ich Carlo fragend an, sondern auch der ganze Rest der Truppe. Carlos breites Grinsen wird nur noch breiter. „Sitzheizung vorne und hinten, Lenkradheizung, Bose Soundsystem, eingebaute Kindersitze, falls du Toni mal abholen musst und die Tankkarte klemmt unter der Sonnenblende!“, verkündet Carlo stolz und klopft auf das Autodach. „Was?“, fragt Sarah verwirrt und geht ein paar Schritte auf den Wagen zu. Ihre Verwirrtheit scheint Carlo nur noch mehr zu erfreuen und er deutet mit dem Kinn in meine Richtung. „Kathi hat gesagt, dass dein Mini erst in vier Monaten geliefert wird. Also hab ich meine Freunde von Benz gefragt, ob die ne Karre für dich haben! Irgendwie musst du ja von A nach B kommen.“, erklärt Carlo ihr und zwinkert mir zu. Sarah beginnt übers ganze Sicht zu strahlen. „Dein Ernst?“, fragt sie Carlo ungläubig und er nickt, „Klar!“ Sarah lächelt Carlo an und umarmt ihn. „Oh man Carlo, danke, das ist so lieb von dir!“, strahlt sie ihn an, drückt ihm einen Kuss auf die Wange und öffnet dann das Auto. Carlo löst sich von Sarah und kommt die wenigen Schritte zu mir rüber. „Und Überraschung gelungen?“, fragt er mich und schlingt seine Arme um meine Hüften. Ich stelle mich auf die Zehnspitzen und küsse ihn. „Aber sowas von, du bist einfach verrückt!“, lache ich ihn an und Carlo küsst mich noch einmal. Ich kann nicht glauben, dass Carlo Sarah wirklich ein Auto besorgt hat und mir davon rein gar nicht erzählt hat. Manchmal ist er sowas von bescheuert. Aber Carlo liebt solche Aktionen einfach. Neben mir steht Jojo mit vor der Brust verschränkten Armen und starrt Carlo wütend an. „Was ist los Danju?“, fragt Carlo verwirrt und löst sich von mir. „Dein Ernst? Du besorgst der Prinzessin auch noch ein Auto. Mir hast du noch nie ein Auto besorgt! Und wir sind Brudis!“, meckert er Carlo an und klingt leicht beleidigt. Carlo kann sich ein Lächeln nicht verkneifen, geht zu Jojo drüber und legt ihm einen Arm um die Schulter. Die anderen stehen alle um Sarahs neues Auto herum und begutachten die schicke Innenausstattung. „Du hast doch ein Auto, das Güz-Mobil!“, erinnert Carlo ihn an seinen Golf, Jojo macht sich von ihm frei. „Alter, du hast ihr einen verdammten Benz für sechzig Riesen besorgt! Wieso hast du ihr nicht gleich nen pinken Tussi-Porsche gekauft? Hätte wenigstens besser gepasst, also ein geiles Geschoss!“, zischt er und deutet auf das Auto. „Ich hab ihr kein Auto gekauft, sondern die von Benz haben mir das für ein paar Monate zur Verfügung gestellt! Als Freundschaftsdienst, so zu sagen!“, verbessert Carlo ihn und stößt ihm gegen die Rippen, „Komm schon Jojo, wenn deine Karre das nächste Mal in der Werkstatt ist, bekommst du meinen SL.“ Ich kann nicht glauben, dass Jojo wirklich eifersüchtig auf Sarah ist und dann auch noch wegen einem Auto. Manchmal frage ich mich wirklich, woher seine Intelligenz kommt und wo er sie die meiste Zeit des Tages versteckt hält. Unfassbar.
Carlo Hinter Tim und Flo verlasse ich zusammen mit Psaiko die Bühne. Mein nasses Shirt klebt an meinem Oberkörper und ich würde mir am liebsten die Maske vom Kopf reißen, weil der Schweiß sich mega ekelhaft unter der Maske anfühlt. Noch immer pumpt das Adrenalin durch meine Venen, ich kann kaum glauben, dass das erste Konzert schon zu Ende ist. Konzerte in Stuttgart sind immer etwas ganz besonderes. Es ist einfach sowas von über krass, die Halle voll zu sehen, in der ich früher Konzerte von Diddy oder Kanye zusammen mit Jojo und Lucca besucht habe. Auf dem Weg in den Backstage klopfen mir immer wieder Hände auf die Schultern oder Stimme rufen mir „Geile Show, Carlo“ zu. Aber ich habe noch immer den Tunnelblick vom Konzert drauf, bekomme nicht wirklich etwas von meiner Umwelt mit und bemerke nur immer wieder kleine Blitze von Kamera oder Getuschel, wenn ich an einer Gruppe Leute vorbei gehe, die nicht zu meinem Freunden oder Chimp gehören. Vor mir sehe ich, wie Freddy eine schwere Eisentür aufzieht, auf der in großen schwarzen Buchstaben ‚PRIVAT‘ steht. Als ich über die Türschwelle trete, ziehe ich endlich die Maske vom Kopf und stecke sie in die hintere Tasche meiner Tight-Jeans. Endlich durchatmen und wieder Carlo sein. „Papa!“, höre ich Tonis Stimme rufen und im nächsten Augenblick kommt die Kleine auch schon in mein Blickfeld, rennt auf mich zu und wirft sich in meinem Arme. Auch wenn ich total verschwitzt bin und ehrlich gesagt erstmal unter die Dusche will, hebe ich Toni hoch und drücke sie an mich. Auf ihrem grauen ‚Dajuan‘ Sweater befindet sich ein großer Ketchup-Fleck über dem U. Sie strahlt mich an und auf einmal ist das Gekreische der Fans verblast und ich fühle mich um einiges entspannter. Über krass was für eine Wirkung so ein kleiner Mensch auf mich hat. „Na Kröte wie war ich?“, frage ich sie und streiche ihr ein paar Haare aus dem Gesicht, die sich aus ihren beiden Zöpfen gelöst haben. Ich werfe einen Blick auf meine Uhr und erkenne, dass es schon viertel vor elf ist. Eigentlich ist Toni um diese Zeit schon längst im Bett, aber sie scheint noch immer putzmunter zu sein. Gott sei Dank ist das Jugendamt nicht hier. Das würd sonst mega Stress geben. „Toll! Sari und ich haben tanzt!“, jauchzt Toni und windet sich im nächsten Augenblick auch schon wieder aus meiner Umarmung, weil sie Jojo erblickt hat und wahrscheinlich ganz stolz nochmal ihren Dajuan Sweater zeigen will. Frisch geduscht und vor allem in trockenen Klamotten, trete ich eine halbe Stunde später wieder zurück in den Backstage-Bereich. Mittlerweile hat sich der relativ große Raum schon gut gefüllt, an der Bar erkenne ich meine Geschwister, die Büromädels von Chimp stehen an einem Fenster und rauchen, aber wie automatisch wandert mein Blick zu Toni. Müde sitzt sie bei Sarah auf dem Arm und kämpft wohl endlich mit dem Schlaf, Sarah steht zusammen mit Flo und Lucca an einem Stehtisch und scheint sich gut zu unterhalten. Ich will gerade zu ihnen rüber gehen, als mein Handy in meiner Hosentasche vibriert. In mir macht sich das schlechte Gewissen breit, als ich realisiere, dass ich mich nachdem Konzert noch gar nicht bei Kathi gemeldet habe. Auf meinem Homescreen blinken mir mal wieder unzählige Nachrichten entgegen. Aber ich ignoriere sie alle und tippe mich sofort in Kathis Whatsapp Fenster. Sie hat mir während des Konzerts ein paar Mal geschrieben. ‚Viel Glück, Emi und ich drücken dir die Daumen‘, ‚Pass auf Toni auf‘. Die letzte Nachricht hat sie vor knapp zehn Minuten gesendet, eigentlich ist es schon fast ein kleiner Roman und ich muss anfangen zu schmunzeln, als ich beginne ihre Worte zu lesen ‚Sarah hat mir ein paar Videos geschickt, du warst wirklich toll. Emil schläft schon seit halb neun. Da hätte ich auch mitkommen können. Irgendwie richtig doof. Aber naja, alles für den Nachwuchs. Ich geh jetzt gleich auch ins Bett. Mach mich aber auf jeden Fall wach, wenn ihr Heim kommt. Ich vermisse dich. Aber noch mehr liebe ich dich‘ In mir breitet sich ein ganz warmes Gefühl aus, dass nur von Kathi ausgelöst werden kann. Schnell mache ich eine Panoramaaufnahme vom Backstage-Bereich und schicke sie Kathi mit einem kurzen Text ‚Das Konzert war über gut, ich glaub wir bleiben aber auch nicht mehr lange. Toni muss ins Bett und morgen früh geht es ja schon nach Hamburg. Ich liebe dich auch‘ Dann stecke ich mein Handy zurück in die Tasche meiner Tight-Jeans und gehe mit wenigen Schritten zu Sarah und den Jungs rüber. Als ich mich neben sie stelle und meine Hand kurz auf ihre Schulter lege, dreht sie sich sofort zu mir um und lächelt mich an. „Hey!“, begrüßt sie mich und schiebt Toni von ihrem einen auf den anderen Arm. „Na, alles cool?“, frage ich sie und streiche Toni mit dem Zeigefinger über die Wange. Sarah nicht euphorisch, „Alles super, das war wirklich ein tolles Konzert, Carlo! Es hat mir mega gut gefallen. Toni hat fast alles mitgesungen. Man konnte richtig sehen wie viel Spaß ihr auf der Bühne habt!“, lächelt sie mich an und klopft mir anerkennend auf die Schulter. Es ist zwar nicht das Gleiche Sarah beim Konzert dabei zu haben, als wenn Kathi dabei ist. Aber trotzdem find ich es cool, dass sie hier ist. Nicht als Kathi-Ersatz, aber einfach als Freundin, die man gerne um sich hat. Auch wenn sie einem manchmal echt auf den Zeiger gehen kann. Naja vielleicht sehe ich das auch nur so, weil sie sich das ein oder andere Mal zusammen mit Kathi gegen mich verbündet. „Danke!“, sage ich und freue mich ehrlich. „Soll ich Toni mal nehmen?“, biete ich ihr an und strecke meine Hände schon nach meiner Tochter aus, aber Sarah schüttelt nur den Kopf und streicht Toni liebevoll über den Rücken. „Nein, lieber nicht. Sie ist gerade eingeschlafen, nachher wecken wir sie nur wieder auf!“ Bevor ich etwas erwidern kann, legen sich zwei Hände auf meine Augen und versperren mir die Sicht. Einen Moment später säuselt mir eine relativ hohe Stimme „Rate mal wer ich bin!“, ins Ohr. Innerlich stöhne ich laut auf. Genau jetzt wünsche ich mir nichts sehnlicher als einen dieser komischen Tarnumhänge aus Kathis Lieblingsbuch Harry Potter. Eigentlich richtig traurig, dass ich sowas weiß. Aber in den sieben Jahren, die Kathi und ich jetzt bald zusammen sind musste ich durch unzähligen Stunden und alle Teilen der Harry Potter, Twilight, Hungergames, Divergent, City of Glas und 50 Shades of Grey Reihen sitzen, weil meine Frau nun mal so eine großer Bücherwurm ist. Aber am schlimmsten sind die Nikolas Sparks Filme, bei uns ist es schon fast eine Tradition geworden, dass Kathi mich jedes Mal mit ins Kino schleift, wenn wieder eine dieser total unrealistischen und ideenlosen Romanverfilmungen raus kam. Als die Person ihre Frage noch einmal wiederholt und ich ihren warmen Atem an meinem Ohr spüren, hätte ich vielleicht doch lieber gleich so einen komischen Mordzauberspruch genommen. Ich weiß nicht warum es gerade jetzt passiert, aber mit einem Mal wandern meine Gedanken zu Kathis und meinem ersten Besuch bei meiner Schwester Jule in London. Ich hatte Kathi den Trip zur unserem Halbjährigen schenkt. Ganze zwei ganze Monatsgehälter und einen kleinen Zuschuss von meiner Oma hat mich der Trip gekostet. Wovon Kathi mich zwei Tage lang durch die Harry Potter Welt gezogen hat, gezwungen hat Butterbier zu trinken und Bohne aller Geschmacksrichtungen zu essen und sich gar nicht mehr richtig ein bekommen hat, als sie sogar einen dieser unförmigen und hässlichen Umhänge anprobieren durfte. Wenn ich ehrlich bin habe ich jeden Moment genossen, denn sie hat so gestrahlt und schien so glücklich. Selbst wenn es wegen einer komischen, roten Dampflock und einem Plastik Hypogreif war. Nach fünf Tagen London war ich so pleite, dass Kathi mich zum Essen einladen musste, weil ich nicht daran gedacht hatte, dass London selbst auch nicht umsonst war und wir nicht nur von Luft und Liebe für eine Woche leben konnten. Wie sich die Zeiten geändert haben. Heute könnte ich ihr die ganze Harry Potter Welt mieten. Auch wenn es damals nicht immer ganz so einfach war, schwärmt Kathi auch noch heute von dem Trip. „Och Mensch Carlchen, du bist so ein Spielverderber!“, werde ich von der hohen Stimme aus meinen schönen Erinnerungen gezogen und die Hände vor meinen Augen verschwinden. Nach ein paar Mal blinzeln erkenne ich Sarah in meinem Blickfeld, die mich ziemlich skeptisch anschaut und eine wieder wache Toni, die mit großen Augen direkt an meinem Kopf vorbei starrt. Ich spüre wie sich eine Hand auf meine Schulter legt und kurz drauf sehe ich Jessica in meinem Augenwinkel. Sie trägt eine viel zu enge Lederleggins, ein buntes Longshirt und helle Sneaker, die auch schon ihre besten Tage hinter sich haben. Hat sich sie zum Thema ‚Bad Taste‘ angezogen? „Ach Carlo, früher konnte man mit dir auch mehr Spaß haben!“, jammert sie und kneift mir in die Wange. Am liebsten würde ich der blöden Kuh eine scheuern. Wieso muss sie gerade jetzt auftauchen, jetzt wenn ich hier zusammen mit meiner Tochter und der besten Freundin meiner Frau stehe. Sarahs Augen wandern misstrauisch zwischen Jessica und mir hin und her und ihre Augenbrauen bewegen sich immer weiter in Richtung ihres Haaransatzes. Na toll, wie komm ich jetzt aus der Nummer wieder raus? „Ähm…!“, versuche ich meine Stimme wieder zu finden und gleichzeitig, die Situation bestmöglich so schnell wie möglich auf zu lösen. „Das ist Jessica, wir waren früher mal in den gleichen Freundeskreisen unterwegs, sie arbeitet für die Druckerei, die sich um die Tour-Shirts gekümmert hat!“, erkläre ich Sarah schnell. Die von meiner Erklärung nicht sehr überzeugt zu seinen scheint. „Jetzt bekommt man schon VIP-Karten wenn man ein paar T-Shirts bedruckt?“, sagt Sarah abfällig und macht keine Anstalten Jessicas ausgestreckte Hand zu ergreifen. Stattdessen mustert sie sie verächtlich von Kopf bis Fuß. Ich kenne diesen Blick nur allzu gut, den Sarah jetzt aufsetzt, genau den Blick hat Kathi auch drauf. Es ist dieser ‚ich bin was Besseres als du, auch wenn ich es gar nicht nötig habe mich mit dir zu messen‘ Blick. Manchmal frage ich mich, ob sie die Mädchen aus ‚besseren Familien‘ in der fünften Klasse zur Seite nehmen und ihnen den Blick beibringen. Kurz überlege ich, ob ich Sarah auch vorstellen soll. Aber im nächsten Moment nimmt Sarah mir die Entscheidung schon ab. „Doktor Sarah Kaiser, ich bin die besten Freundin von Carlos Frau Kathrin!“, erklärt sie Jessica und betont dabei ganz besonders das ‚Doktor‘ was ja eigentlich noch gar nicht stimmt und ‚Carlos Frau‘. Keine Ahnung warum sie Kathis ganzen Namen benutzt. Aber ihre Vorstellung bringt mich trotzdem zum Schmunzeln. Anders als erwartet, strahlt Jessica noch immer und klatscht fröhlich in die Hände. „Ach wie schön, freut mich. Carlo und ich waren früher ja auch sehr eng befreundet! Nicht wahr Carlchen?“, plappert sie drauf los. Wenn sie mich noch einmal ‚Carlchen‘ nennt, fliegt sie einfach mal quer durch den Backstage, mir egal, dass man Frauen eigentlich nicht schlägt. Im Moment wünsche ich mir nichts sehnlicher, als das Freddy rüber kommt und sie aus dem Backstage schmeißt. Aber leider ist Freddy gerade damit beschäftigt eine der Chimp-Büro-Mädels zu umgarnen. Was ist wirklich zu klappen scheint. Sarah wirft mir einen bösen Blick zu und sagt dann an Jessica gewandt, „Naja jeder macht mal Fehler, Gott sei Dank hat Carlos Geschmack, was seine Freunde angeht, sich zumindest zu neunzig Prozent gebessert!“ Mit offenem Mund starre ich Sarah an, die nur selbst gefällig ihre langen Haare zurück wirft. Aber Jessica scheint gegen ihre Spitzen komplett immun zu sein. Ganz im Gegenteil, sie redet einfach fröhlich weiter. „Und wer bist du?“, fragt sie, macht einen Schritt auf Toni zu und streckt ihre Hand nach ihr aus. Am liebsten würde ich laut „Nein!“ schreien. Ich will nicht, dass sie meine Tochter anfasst. Ich will nicht, dass sie auch nur eine Sekunden länger hier steht, sie hat schon genug angerichtet und ich will endlich, dass sie einfach verschwindet. Aber warum sag ich ihr das dann nicht einfach? Als wenn Sarah meine Gedanken lesen könnte, macht sie einen Schritt zurück und entzieht Toni so Jessicas Reichweite. „Das ist Toni, Carlos und Kathis Älteste!“, erklärt Sarah ihr und hat dabei zu meiner Überraschung einen ziemlich fiesen Unterton in der Stimme. Was ist mit ihr los? Jetzt klappt Jessicas Mund auf und sie dreht sich zu mir um. „Du hast eine Tochter?“, fragt sie mich perplex und ich weiß nicht, ob sie ehrlich überrascht ist oder nur verdammt gut schauspielert. „Was für eine Überraschung!“, stellt Sarah sarkastisch fest und verdreht die Augen, „Cro hat ne Tochter, stand ja auch nicht die letzten drei Monate ungefähr jeden Tag in der Zeitung!“ Für einen kurzen Moment entsteht ein unangenehmes Schweigen und wenn die Situation nicht so verdammt beschissen wäre, hätte ich über Sarahs Kommentar sogar noch gelacht. In meinem Kopf rattert es noch immer laut, weil ich versuche eine gute Lösung zu finden, endlich aus dieser verdammten Situation raus zu kommen. Sarah atmet tief durch und schiebt Toni, die schon wieder dabei ist ein zu schlafen, auf ihren anderen Arm. Langsam muss die Kleine ihr doch auch zu schwer werden. „Ich glaub ich fahr mit Toni nach Hause!“, sagt Sarah an mich gerichtet und ignoriert Jessica komplett, „Ich bestell uns ein Taxi, dann kannst du noch ein bisschen hier bleiben und über alte Zeiten quatschen!“ Aber schnell schüttele ich meinen Kopf, „Nein, ich fahr euch! Ich will auch nach Hause!“ Klinge ich etwa ein bisschen verzweifelt. Oh man Carlo. Mit einem Schritt habe ich die Seiten gewechselt und stehe jetzt nicht mehr neben Jessica, sondern neben Sarah. Schon viel besser. Ohne das Sarah etwas sagt nehme ich ihr Toni ab, die Kleine kuschelt sich sofort an meine Schulter und beginnt mit meinen Haaren rum zu spielen. „Papa, Hause gehen!“, nuschelt sie und atmet schwer aus. Ich drücke ihr einen Kuss auf die Wange und nicke. „Ja, Kröte wir fahren jetzt nach Hause!“, beruhige ich sie, drehe mich noch kurz zu Jessica um und sage, „War nett dich zu sehen! Schönen Abend noch!“ Und folge Sarah dann durch den Backstage-Bereich in Richtung Ausgang. Gott sei Dank, endlich weg. Ich glaube ich hätte es keine Minute länger mit der Ollen ausgehalten. Auf dem Weg nach Draußen verabschiede ich mich noch schnell von den Jungs und wir verabreden uns für morgen elf Uhr am Bus. Dann geht es nämlich wirklich schon auf Tour. Sarah sagt die ganze Zeit über nichts mehr zu mir, erst als wir an meiner Garderobe vorbei kommen, in der sie Tonis und ihre eigenen Sachen verstaut hat, dreht sie sich wieder zu mir um. Ich versuche gerade irgendwie in meinen Parka zu kommen, ohne dabei Toni auf zu wecken, die schon wieder eingenickt ist. „Gib mir die Kleine!“, fordert Sarah mich unterkühlt auf. Weil ich nicht noch mehr Ärger mit ihr haben will, reiche ich Toni wieder zu ihr rüber. Auch wenn Jessica schon längst außer Hör- und Sichtweite ist, hat Sarah immer noch ihren Todesblick drauf, der eigentlich speziell für Jojo reserviert ist. Ich komme mir irgendwie ein bisschen bescheuert vor, was guckt die mich denn so doof an? Ich hab ihr doch gar nichts getan. Aber wahrscheinlich hat das wieder irgendwas mit so nem komischen Frauen-Kodex zutun, den ich eh nicht verstehe und auch gar nicht verstehen will. „Was?“, frage ich sie also, als sie mich noch immer feindselig mustert. „Nichts!“, sagt Sarah kühl und verlässt die Garderobe. Am Ausgang wartet Freddy schon auf uns, auch wenn ich es ein bisschen bescheuert finde, besteht er drauf uns bis zu meinem beziehungsweise Kathis Wagen zu bringen. Sarah sagt noch immer kein Wort. Wenn ich Pech habe, erzählt sie Kathi gleich morgen früh brühwarm von der ganzen Geschichte. Und wie ich meine Frau und ihre beste Freundin kenne, schmückt sie die ganze Sache noch ein bisschen mehr aus. Ich werde von Freddys tiefer Stimme aus meinen Gedanken gerissen. „Carlo, Kamera!“, warnt er und baut sich sofort breit vor mir auf. Wie aus Reflex greife nach Sarahs Arm und ziehe sie vor mich, um sie und Toni bestmöglich von den Fotografen ab zu schirmen. Fotos von meiner Tochter in der Zeitung sind nun wirklich das Letzte, was ich im Moment gebrauchen kann. Ich verstehe diese Typen einfach nicht, was bringt ihnen das nachts auf irgendeinem Parkplatz rum zu lauern und fünf Stunden darauf zu warten, dass sie vielleicht die Chance auf ein Foto bekommen. Fragend schaut Sarah mich an und befreit sich im selben Augenblick von meinem Griff. Bevor sie mich anfahren kann, zische „Papparazzi!“ Und sie scheint zu verstehen. Als Freddy sich sicher ist, dass sich das Sicherheitspersonal der Schleyer Hall um die Fotografen gekümmert hat, lässt er uns endlich vom Parkplatz fahren. Toni sitzt auf der Rückbank in ihrem Kindersitz und ist längst im Land der Träume. „Ganz der Papa!“, hat Jule gelacht, als ich sie schlafend durch den lauten Backstage getragen haben, „Du konntest früher auch immer und überall schlafen!“ Für eine ganze Weile ist es still im Auto. Das nächtliche Stuttgart zieht an uns vorbei, es ist relativ wenig los, für einen Sonntagabend, nur vereinzelt kommen uns Autos entgegen. Ich werfe Sarah einen Blick zu. Sie hat die Beine an ihren Oberkörper gezogen, das Kinn auf ihre Knie gelegt und starrt aus der Windschutzscheibe. Sie scheint meinen Blick zu spüren, denn sie dreht ihren Kopf in meine Richtung. Ehrlich gesagt, bin ich relativ gespannt was sie jetzt sagt. Bekomm ich jetzt ne Standpauke, wegen Jessica? Sarah ist nicht blöd, auch wenn Jojo das immer behauptet. Sie hat die komische Stimmung zwischen Jessica und mir bestimmt mitbekommen. „Ich wart also mal befreundet?“, fragt sie mich und ich weiß genau um wen es geht. Ich zucke mit den Schultern. „Wir kommen aus der gleichen Gegend, da freundet man sich zwangsläufig an! So viele Menschen wohnen da ja nicht!“, sage ich und lasse es so nebensächlich wie möglich klingen. „Die Alte steht total auf dich!“, stellt Sarah dann fest. Nervös lache ich. Wieso macht mich das nervös? Hab ich etwa Angst, dass sie mich an Kathi verpetzt. Alter, Carlo du benimmst dich so lächerlich. Es gibt tausende von kleinen Fangirls, die auf mich stehen und mit denen hat Kathi auch kein Problem. Also wieso sollte sie ein Problem mit Jessica haben. Eigentlich verarsche ich mich gerade nur selbst, natürlich ist die Situation mit Jessica eine andere, wir kennen uns von früher, sie weiß wie ich ohne Maske aussehe und war im Backstage auf einem meiner Konzert, zu dem ich Troll sie auch noch selbst eingeladen habe. Und dann sind da noch die anderen Aktionen, von denen Sarah nichts weiß und von denen weder Sarah, noch Kathi je etwas erfahren werden. Wäre Sarah doch nur mit Flo und Tim zusammen zur Bar gegangen, dann hätte ich jetzt auch keine Probleme. Das Thema mit Jessica wäre abgeschlossen und ich könnte nach der Tour mit Kathi unser Leben wieder normal regeln. Aber jetzt hat Sarah Jessica kennen gelernt und wird Kathi höchstwahrscheinlich alles erzählen. Und dann haben wir wieder Stress und der ganze Mist geht wieder von vorne los, dabei will ich doch einfach nur Ruhe und Frieden haben. „Kein Plan! Ist mir auch relativ egal!“, antworte ich auf Sarahs Feststellung und tippe den Code für die Tiefgarage ein. Für einen Moment ist es wieder still im Wagen. „Besser ist das!“, sagt Sarah kryptisch, als ich den Wagen parke und steigt aus. Schweigend fahren wir mit dem Fahrstuhl nach oben. Den ganzen Weg überlege ich, was ich Sarah sagen kann, damit sie versteht, dass da nichts zwischen mir und Jessica läuft und sie im besten Fall Kathi erst gar nicht von der Begegnung erzählt. Bevor ich die Wohnungstür aufschließe, drehe ich mich also nochmal zu Sarah um. „Sarah, hör mal. Ich weiß zwar nicht was du gemeint hast zusehen, aber Kathi ist für mich die Einzige. Mir ist relativ egal, wer mich wie findet oder auf mich steht. Ich will nur Kathi. Ich liebe sie. Mehr als alles andere!“, sage ich festentschlossen, aber meine Stimme ist nicht mehr als nur ein Flüstern. Sarah greift nach dem Schlüssel, der schon im Schloss steckt, und dreht ihn um. „Ich weiß! Hab ich je was anderes behauptet?“, fragt sie mich und drückt sich an mir vorbei in die Wohnung. Reglos bleibe ich im Flur stehen und schaue sie an. Alter, wie soll man Frauen verstehen? Ich komm von einer, bin mit einer verheiratet und hab selbst eine gemacht, verstehen tue ich sie trotzdem nicht. Wieso schickt Sarah die ganze Zeit Todesblicke in meiner Richtung und redet nicht mit mir, wenn angeblich alles cool ist. Sarah seufzt und legt den Kopf schief. „Hör mal Carlo, manchmal weiß ich zwar nicht warum, aber Kathi liebt dich über alles. Sie hat nur das Beste verdient und wie es den Anschein hat, bist du das Beste für sie. Und dafür muss ich dich einfach mögen. Aber vergiss nicht, wenn du ihr irgendwann weh tust, also so richtig wehtust. Dann breche ich dir die Nase, an dem Versprechen hat sich bis heute nichts geändert!“, ihre Stimme ist ganz ruhig und leise, aber als sie fertig gesprochen hat lächelt sie mich zuckersüß an und zwinkert mir zu. „Schlaf gut!“, sagt sie gut gelaunt und verschwindet im Gästezimmer. „Manchmal macht sie mir echt Angst!“, flüstere ich der schlafenden Toni zu und bringe sie dann in ihr Zimmer. Noch einmal mein kleines Mädchen ins Bett bringen, noch einmal in Emils Zimmer gucken und ihn zudecken, noch einmal neben Kathi in unser warmes und weiches Bett schlüpfen und ihren zarten Körper an meinem spüren, bevor es für drei Wochen von zu Hause weg geht. Mein Herz wird schwer, als ich so auf meiner Seite des Bettes liege, an die Decke starre, Kathis Kopf ist auf meine Brust gebettet, ich halte sie fest umschlungen und spüre wie sich ihr Körper mit meinem, im Einklang, bei jedem Atemzug hebt und senkt. Ich vermisse sie schon jetzt schrecklich. Natürlich ist es geil mit den Jungs unterwegs zu sein, feiern zu gehen und eigentlich eine riesengroße Klassenfahrt zu veranstalten. Aber es wiegt nicht die Zeit auf, die ich mit Toni und Emil verpasse. Die Nächte, die ich in großen und leeren Hotelbetten ohne Kathi verbringe und die Momente, die für immer vorbei sind. Wieder einmal drängen sich die quälenden Gedanken in meinen Kopf, ob das wirklich alles noch so richtig ist. Ich versuche die Gedanken erst gar nicht zu zulassen und drücke Kathi stattdessen einen Kuss auf die Stirn. „Ich werde dich vermissen, Baby!“, flüstere ich in die Stille unseres Schlafzimmers hinein. Zu meiner Überraschung kommt ein leises, „Ich dich auch, mein Schatz!“ zurück. Abrupt setze ich mich auf und senke meinen Blick auf Kathi. „Du bist ja noch wach!“, stelle ich fest und sehe, wie sich ein Lächeln auf ihren perfekt geschwungenen Lippen abzeichnet. „Wieder!“, verbessert sie mich und greift nach meinem T-Shirt. Sie zieht mich zu sich heran und drückt mir einen Kuss auf die Lippen. „Ich kann dich doch nicht ohne Abschiedssex auf Tour gehen lassen!“, flüstert sie verführerisch und ihre blauen Augen blitzen verlangend auf. „Nachher vergisst du noch zu wem du wirklich gehörst!“, scherzt sie. Aber in mir zieht sich alles zusammen und ich bekomme ein schlechtes Gewissen. Ich denke an all das, was ich Kathi in letzter Zeit nicht erzählt habe. Aber dann spüre ich ihre warmen Lippen wieder auf meinen und rieche ihren verführerischen Duft in meiner Nase. Und mit einem Mal verschwinden alle Gedanken aus meinem Kopf, es gibt nur noch mich und diese wunderbare Frau in meinen Armen und für einen kleinen Augenblick steht unsere hektische und komplizierte Welt komplett still. Und alles ist so einfach, wie eins plus eins. Ich liebe sie. Sie ist hier bei mir und mehr will ich nicht. So verdammt unkompliziert und einfach. Aber nur bis morgen früh.
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47. Enttäuschung und Entschuldigungen
Kathi „Mama! Mama!“, werde ich von Tonis leiser Stimme geweckt. Vorsichtig versuche ich mich ein wenig zu strecken. Mein Nacken tut höllisch weh, da ich wohl auf einer von Tonis Barbies geschlafen habe. Als ich die Augen auf schlage, werde ich von dem hellen Sonnenlicht, dass durch die halb geschlossenen Rollläden ins Zimmer dringt geblendet. Toni sitzt im Schneidersitz neben mir in ihrem Bett und hält ihr Kuscheltier fest umschlungen. „Wieso hast du bei mir geschlafen?“, fragt Toni neugierig und kriecht ein Stückchen näher zu mir heran. Ich werfe einen Blick auf meine Armbanduhr und erkenne, dass es schon halb neun ist. Trotzdem hebe ich die Bettdecke noch einmal ein Wenig an und ziehe Toni nah an mich heran. Sofort kuschelt sie sich mit ihrem kleinen Körper an mich und vergräbt ihr Gesicht in meiner Halsbeuge. Ich stecke meine Nase in ihre Locken, atme ihren süßen Duft ganz tief ein und drücke ihr einen Kuss auf den Haaransatz. Auch wenn ich versuche, Carlos du meine Auseinandersetzung noch ein bisschen aus meinen Kopf zu verbannen, strömen seine Worte von gestern Abend zurück in meine Erinnerungen und mein Herz zieht sich schmerzhaft zusammen. Ich versuche mich völlig auf Toni zu konzentrieren und nicht an Carlo zu denken. „Dein Bett sah so schön kuschelig aus und dann wollte ich auch da drin schlafen!“, erkläre ich Toni und streiche ihr ein paar Strähnen aus den Augen, als sie zu mir nach oben guckt. „Ich find’s schön, wenn du bei mir bist!“, sagt Toni und bringt damit mein Herz zum Hüpfen. Ich drücke sie ganz fest an mich, „Ich find es auch schön bei dir zu sein, Motte!“ Toni erwidert nichts, denn sie scheint über irgendetwas nach zu denken. „Was ist los, Motte?“, will ich wissen und sehe sie prüfend an. „Aber jetzt ist Papa traurig!“, überlegt Toni laut. Ich versuche ein gequältes Lächeln. „Papa schafft es auch mal eine Nacht ohne Mama neben sich! Der ist ja schon groß.“, beruhige ich Toni und schlage dann die Bettdecke zurück. „Ganz groß!“, pflichtet Toni mir bei. „Wollen wir mal gucken ob Emil schon wach ist?“, schlage ich ihr vor, stehe auf und breite meine Arme so aus, dass sie hinein springen kann. „Ja, und Sari und Papa!“, jauchzt Toni fröhlich und hüpft auf meinen Arm. Mit Toni auf dem Arm schleiche ich in den Flur und klopfe einmal an die Tür des Gästezimmers, in dem Sarah im Moment wohnt. Als auch nach dem zweiten Klopfen keine Antwort kommt, öffne ich die Tür einfach so. Sarah liegt ausgestreckt auf dem großen Bett und scheint noch immer tief und fest zu schlafen. Als Toni den Mund auf macht, lege ich schnell einen Finger auf ihre Lippen und gehe rückwärts wieder aus dem Zimmer. Sarah hat es mehr als verdient noch ein bisschen länger zu schlafen, sie hat wahrscheinlich noch richtig schlimmen Jetlag. „Sarah schläft noch, wir lassen sie noch ein bisschen schlafen!“, erkläre ich Toni und gehe mit ihr zusammen in Emils Zimmer. Der Kleine sitzt schon wach in seinem Zimmer und spielt seelenruhig mit seinen vielen Kuscheltieren. Behutsam setze ich Toni auf den großen Schaukelstuhl in der Zimmerecke und trete dann an Emils Gitterbettchen heran. "Guten Morgen mein Prinz!“, lächele ich und hebe ihn aus seinem Bettchen. Emil gluckst fröhlich vor sich hin und geht sofort mit seinen kleinen Fingerchen in meine Haare, als ich ihn auf meinen Arm nehme. Während ich Emil an ziehe und wickele, spielt Toni ein bisschen mit seinen Duplo-Steinen auf dem Teppich. „Mama?“, fragt sie mich und ich drehe mich zu ihr um. „Was ist Motte?“ Toni steht vom Boden auf und kommt zu mir rüber gelaufen. „Ich geh gucken wo Papa ist!“, informiert sie mich dann und ist auch schon aus dem Zimmer gerannt, bevor ich sie davon abhalten kann. Wieder werfe ich einen Blick auf meine Uhr, mittlerweile ist es schon viertel nach neun. Wenn Carlo es geschafft hat pünktlich auf zu stehen, wovon ich nicht ausgehe, müsste er eigentlich schon längst wieder in der Schleyer Halle bei den Proben sein. Ich kitzele Emils Füße und küsse seinen Bauch. „Mal gucken ob dein Papa noch da ist!“, sage ich zu ihm und denke noch einmal an Carlos Aktion von gestern Abend zurück. Ich muss mir auf die Lippen beißen, damit ich nicht gleich wieder los heule. So wie Carlo gestern Abend war, hab ich ihn noch nie erlebt. Normalerweise spricht er mit mir, wenn ihn irgendetwas stört und lässt seinen Frust nicht an mir aus. Ich kapier einfach nicht was mit ihm los ist und wühle in meinem Kopf herum, ob ich irgendwas getan habe, dass ihn so hat austicken lassen. Aber mir fällt nichts ein. Wie auch, wenn wir uns in den letzten Tagen kaum gesehen haben. Und er auch in den letzten Wochen kaum wirklich mit mir geredet hat. Dafür ist Carlo im Moment viel zu sehr mit der Tour beschäftigt. Und vielleicht habe ich mich auch in den letzten Tagen ein bisschen von Sarah ablenken lassen. „Mamamamama!“, brabbelt Emil vor sich hin, als ich ihm das blaue Sweater über den Kopf ziehe und seine Jeans nochmal gerade rücke. Ich hebe ihn hoch und gehe mit ihm auf der Hüfte zurück in den Flur in Richtung Küche. Vielleicht ist Carlo ja wirklich noch da und wir können vielleicht nochmal in Ruhe über gestern Abend reden, wobei er sich dann erstmal entschuldigen kann. Auch wenn er vielleicht im Moment viel Stress hat, muss er seinen ganzen Frust nicht an mir aus lassen, wenn ich nichts getan habe. Seine Worte haben mich wirklich tief verletzt. Im Flur kommt Toni mir entgegen gerannt. „Papa ist nicht da!“, berichtet mir Toni enttäuscht und lässt die Schultern hängen. Ich weiß nicht warum, aber ich bin ehrlich gesagt erleichtert, dass Carlo schon abgehauen ist. Wahrscheinlich hätte ich sofort angefangen zu weinen und das will ich vor den Kindern echt nicht. Sie sollen nicht mit bekommen, wenn wir uns streiten, das ist für die beiden einfach nicht gut. Egal wie klein sie sind, sie bekommen schon so viel mit. Wenn meine Eltern sich früher immer gestritten haben, hat meine große Schwester regelmäßig lange Spaziergänge mit mir und meinem kleinen Bruder gemacht, damit wir bloß nichts mitbekommen. Insgeheim bin ich ihr dafür auch noch heute sehr dankbar. „Dann ist Papa bestimmt schon auf dem Weg zur Probe mit den Jungs!“, sage ich zu Toni und strecke meine Hand nach ihr aus, „Wollen wir den Frühstückstisch decken? Wenn du mir geholfen hast, können wir Sarah ja vorsichtig wecken!“ Tonis Augen fangen an zu strahlen. „Ich ganz alleine?“, fragt sie hoffnungsvoll. „Wenn du mir liebst hilfst, darfst du Sarah ganz alleine wach machen!“, verspreche ich ihr. Die Aussicht Sarah alleine aufwecken zu dürfen, scheint für Toni eine riesen Motivation zu sein. Eifrig hilft sie mir beim Tischdecken, schiebt mir die Orangenhälfte für den frischen Orangensaft rüber und unterhält Emil während ich den Aufschnitt auf den Tisch stelle und Rührei anbrate. „Wenn du magst, kannst du Sarah jetzt wecken gehen!“, sage ich zu Toni und halte ihr eine große Kaffeetasse entgegen, die ich nur zur Hälfte vollgemacht habe, damit sie nichts verschüttet. „Aber ganz vorsichtig und leise!“, ermahne ich Toni, als sie schon auf halben Weg aus der Küche ist. „Jaaaaa!“, sagt Toni genervt und verschwindet im Flur. Manchmal ist sie wirklich schon wie ein Teenager. Ich bekomme jetzt schon Bauchschmerzen, wenn ich an ihre Pubertät denke. Das wird ein Spaß. „Wollen wir schon mal ein Brot essen?“, frage ich Emil und setze ihn in seinen Trip Trap. Zum ersten Mal, seit ich aufgestanden bin, werfe ich einen Blick auf mein Handy. Mir blinken jede Menge Whatsapp Nachrichten entgegen. Marli fragt, ob ich und die Kinder nächste Woche für Carlos Konzert nach Hamburg kommen und wie lange wir dann bei ihr und Tido bleiben. In der Waibel Familiengruppe diskutieren Jule und Isa über Babynamen. Jojo fragt wann man uns endlich wieder gefahrlos besuchen kann und die Pest sich ein eigenes zu Hause gesucht hat und ganz oben blinken mir vier Nachrichten von Carlo entgegen, die letzte hat er vor einer halben Stunde geschickt. Kurz überlege ich, ob ich die Nachrichten überhaupt lesen will. Dann ist die Neugierde aber doch größer als mein Stolz. Die erste Nachricht hat er noch gestern Nacht geschrieben ‚Sorry, ich liebe dich‘ Ich fahre mir mit den Fingern durchs Gesicht und scrolle weiter runter. ‚Ich bin einfach über gestresst!‘ und danach nur ein Fragezeichen und heute Morgen ein ‚Bin schon wieder in der Halle‘ Wenn ich ehrlich bin, bin ich ein wenig sehr enttäuscht. Ich habe mir ein bisschen mehr als ein banales ‚Sorry‘ erhofft. Aber so einfach kommt Carlo mir nicht davon. Auch wenn meine Fragerei ihn so sehr zu nerven scheint, will ich trotzdem mit ihm reden. Und wissen was los ist. Denn so ein Verhalten geht einfach mal sowas von gar nicht. Ich bin gerade dabei Emils Butterbrot klein zu schneiden, als Sarah an Tonis Hand die Küche betritt. „Guten Morgen!“, sagt sie verschlafen und lächelt mich an. Ihr Gesicht sieht noch ziemlich zerknautscht aus und die zu lange VioVio Jogginghose, die sie sich gestern im Vio Büro ausgesucht hat, schlurft über den Boden. Kurz wandern meine Gedanken zu Sarahs und meinem gestrigen Besuch im Büro bei Ben zurück. „Die Leute beschweren sich immer, dass die Vio Sachen so teuer sind, dabei müssen wir die so teuer verkaufen. Damit wir die Kosten für all die Teile mitdecken können, die Carlo ständig verschenkt. Mittlerweile kleiden wir ja den gesamten Freundeskreis ein!“, hat er gemeckert, Sarah und mir dann aber trotzdem die Entwürfe für die Sommerkollektion gezeigt. Auch ich hab mir gleich schon ein paar Teile mitgenommen. Ich weiß ganz genau, dass Ben Recht hat. Carlo wirft manchmal geradezu mit den Vio Sachen um sich und kleidet neben unserem Freundeskreis, auch die Jungs von Chimp komplett ein. Sogar Freddy sieht man seit einiger Zeit nur noch in Vio-Klamotten. Für ihn hat Carlo ein paar Tanktops extra in drei XL anfertigen lassen, weil die anderen Größen ein bisschen ‚spack‘ gesessen haben. Wenn Ben Carlo und Jule nicht immer wieder auf die Finger schauen würde, wäre Vio wohl nie so weit gekommen. Schon ganz zu Anfang hat Jule gesagt, dass Carlo und sie einfach keine Geschäftsleute sind, dafür ist Ben zuständig. Und das stimmt auch, Carlo kann zwar mit Geld umgehen und hat auch Ahnung von Verhandlungen und sowas, aber mit einer Kalkulation oder einem Jahresabschluss ist mein Göttergatte dann schon wieder komplett überfordert. „Kathi? Alles okay?“, reißt mich Sarahs Stimme aus meinen Gedanken, abwesend schüttele ich den Kopf, als wenn ich die Gedanken dadurch abschütteln könnte und schaue in ihre Richtung. Sie hat sich neben Toni auf die andere Seite des Tisches gesetzt und mustert mich aufmerksam. „Ja, alles gut! Ich war nur in Gedanken!“, antworte ich schnell und halte ihr den Brotkorb hin. „Danke!“, sagt sie und fängt an ihr Brot zu belegen, währenddessen erzählt sie mir in aller Ausführlichkeit, was sie heute noch alles erledigen muss. Irgendwie entspannt es mich Sarah bei ihrer Tagesplanung zu zuhören und für eine Weile nicht an Carlo zu denken, denn wie sehr ich es auch versuche seine Worte klingen immer noch in meinen Ohren nach. „Ich muss gleich noch unbedingt bei der Lufthansa anrufen, dass die auch wirklich meine Koffer zu euch und nicht zu meinen Eltern schicken und dann muss ich eigentlich gleich noch ins Klinikum zur ersten Dienstplanbesprechung und Teamvorstellung, dass dauert aber nicht lange. Montag ist meine offizielle Vorstellung. Ich bin aber trotzdem voll nervös!“, plappert Sarah vor sich hin, unterdessen schneide ich abwesend Tonis Brot in kleine Stücke und schaufele Emil ein bisschen Rührei auf den Teller. „Kann ich mir vielleicht was zum Anziehen von dir leihen? Meinst du Jeans und weiße Bluse reichen oder vielleicht doch lieber noch einen Blazer drüber? Ich will da nicht zu sehr businessmäßig auftreten, aber trotzdem professionell wirken. Die sollen mich da ja ernst nehmen, nicht so wie der beschissene Johannes!“, redet Sarah weiter und beißt von ihrem Brot ab. „Beschissen ist ein böses Wort!“, schaltet Toni sich ein und schaut Sarah streng an. Sarah wirft mir einen belustigten Blick zu und wendet sich dann mit ernster Miene an Toni. „Da hast du Recht Motte, das ist ein böses Wort. Tut mir leid!“, entschuldigt Sarah sich. Toni scheint ihre Entschuldigung zu akzeptieren und wendet sich zufrieden wieder ihrem Rührei zu. „Ja, also was meinst du Blazer ja oder nein? Meinst du ne Jeans ist zu casual? Also wenn dann würd ich einfach eine schwarze Röhre anziehen! Sowas hast du doch im Schrank oder?“, erwartungsvoll schaut Sarah mich an. Ich gebe mir alle Mühe mich daran zu erinnern, was sie gerade gesagt hat, aber ich schaffe es einfach nicht. Es ist so, als wenn mein Kopf heute Morgen nur zu einem Gedanken fähig ist und der lautet ‚Was ist mit Carlo los?‘ „Sorry was hast du gesagt?“, frage ich sie also und bekomme ein schlechtes Gewissen. Für Sarah ist heute ein wichtiger Tag und ich schaffe es noch einmal nicht ihr zwei Minuten lang zu zuhören, weil ich mit meinen eigenen Problemen viel zu beschäftigt bin. Sarah mustert mich mit hochgezogenen Augenbrauen. „Kathi, was ist los?“, will sie wissen und legt ihren Kopf schief. „Nichts!“, beteuere ich und versuche zu Lächeln. Natürlich weiß ich, dass Sarah mir zu hören würde, wenn ich ihr von Carlos und meinem Streit erzählen würde. Aber ich will sie auch nicht beunruhigen, immerhin ist heute ihre Vorstellung im Klinikum. „Jetzt sag schon! Wo ist Carlo überhaupt? Wann ist er gestern Abend eigentlich zu Hause gewesen?“, suchend schaut sie sich nach ihm um, als wenn er jeden Moment aus dem Backofen springen würde. Bevor ich ihr antworten kann, schaltet Toni sich in die Unterhaltung mit ein. „Mama hat heute bei mir geschlafen! Papa ist schon groß, dann is das okay!“, erzählt sie Sarah stolz und grinst sie an. Sarah schenkt Toni ein kurzes Lächeln und schaut mich dann prüfend an. „Ist gestern Abend was passiert? Habt ihr euch gestritten?“, will Sarah wissen. Aber ich schüttele nur den Kopf. „Nicht jetzt!“, sage ich und deute mit dem Kopf in Richtung Toni. Sarah scheint sofort zu verstehen und nickt. Eine halbe Stunde später stehen wir zusammen in Carlos und meinem Ankleidezimmer und versuchen etwas für Sarah zum Anziehen zu finden. Frisch geduscht und in meinen Bademantel gekuschelt sitzt sie vor meinem Vanity und lässt sich die mittlerweile achte weiße Bluse von mir zeigen. Neben ihr auf der kleinen Sitzbank steht das Babyfon, über das wir Emil und Toni im Kinderzimmer spielen hören können. Sarah verzieht das Gesicht und schüttelt den Kopf, „Ich weiß nicht irgendwie gefällt mir die auch nicht so gut!“ Seufzend hänge ich die Bluse zurück zu den anderen abgewiesenen Kleidungsstücken in den Schrank. „Vielleicht solltest du einfach mal selber durch gucken!“, schlage ich vor und mache eine einladende Handbewegung in Richtung Schrank. „Gut, dann kannst du mir in der Zeit erzählen was gestern Abend bei Carlo und dir los war!“, beschließt Sarah und steuert zielstrebig auf meinen schwarzen Prada-Blazer mit Lederkragen zu. Ich seufze laut. „Carlo ist gestern Abend erst um zwölf nach Hause gekommen und als ich ihn gefragt habe, wo er war ist er völlig aus getickt!“ Sarah schiebt meine unzähligen Kleiderbügel mit schwarzen Hosen hin und her. „Was hat er denn gesagt?“, fragt sie und dreht sich zu mir um. Ich setze mich im Schneidersitz hin und fahre mir mit den Fingern durch die langen, offenen Haare. „Er hat mich angeschrien und gesagt, dass es ihn stört, dass ich ihn ständig mit meinen Fragen nerve und es ihm vielleicht ein bisschen besser gehen würde, wenn ich ihm nicht ständig auf die Nerven gehen würde!“, erzähle ich ihr schluchzend und wische mir ein paar Tränen von der Wange. Manchmal bin ich so eine Heulboje. Sarah lässt sofort die Kleiderbügel fallen, die sie gerade in der Hand hält und eilt zu mir rüber. „Och Süße!“, murmelt sie, zieht mich in ihre Arme und drückt mich ganz fest an sich. „Ich weiß nicht was mit ihm los ist. Er ist so anders geworden und verschließt sich völlig. Ich komm gar nicht mehr richtig an ihn ran. Ich hab so Angst ihn zu verlieren!“, weine ich an ihrer Schulter und vergrabe mein Gesicht in ihren Haaren. „Das wird schon wieder, ihr habt einfach im Moment viel zu Wenig Zeit für einander und müsst vielleicht nochmal ganz in Ruhe miteinander reden. Ohne Anschreien und Vorwürfe!“, schlägt Sarah vor und löst sich ein bisschen von mir an. Sie lehnt sich ein bisschen zurück und schaut mir ins Gesicht. Ich versuche mich wieder ein zu kriegen, aber es geht einfach nicht. „Ich kann ihn nicht verlieren, Sarah. Ich kann nicht ohne Carlo. Ich liebe ihn so sehr!“, flüstere ich und erneut über kommt mich ein Weinkrampf. „Pscht, pscht! Ganz ruhig, Liebes!“, versucht Sarah mich zu beruhigen und nimmt mich wieder in den Arm. „Ich will, dass er wieder so ist wie früher!“, jammere ich in ihre Schulter hinein. „Ich weiß Süße, ich weiß!“, noch immer streicht Sarah mir beruhigend über die Haare und den Rücken, „Wir kriegen das wieder hin! Und jetzt beruhigst du dich mal wieder!“ Sarah nimmt die Taschentuchbox von meinem Vanity und tupft mir damit die Tränen von der Wange. „Wenn ich nachher wieder vom Krankenhaus da bin, dann machen wir was mit den Zwergen zusammen. Nur wir, damit du hier mal raus kommst und was anderes siehst. Toni hat mich gefragt ob wir schwimmen gehen wollen! Was hältst du davon?“
Carlo „Hey Carlo warte mal!“, höre ich jemanden hinter mir rufen. Wir sind gerade mit den Proben für heute fertig geworden und ich bin auf dem Weg zu meinem Wagen. Eigentlich hab ich keinen Bock nach Hause zu fahren, weil ich ganz genau weiß, dass ich mich dann mit Kathi auseinander setzen muss und mich entschuldigen muss. Ich war echt mehr als mies zu ihr, das hat sie nicht verdient. Egal wie sehr sie mir auf den Senkel geht, ich hätte sie nicht so anfahren sollen. Sie kann am wenigstens etwas dafür, dass ich mich im Moment so mies fühle und mit der ganzen Kacke überfordert bin. Aber trotzdem kann ich es mir einfach nicht geben, wenn sie ewig und drei Tage mit mir über meine Gefühle quatschen will und ständig nachfragt wie es mir geht. Manchmal brauche ich auch einfach meine Ruhe und muss sowas mit mir selbst ausmachen. Sie kann mir nicht bei allem helfen. „Carlo?“, ertönt die Stimme erneut hinter mir und ich drehe mich um. Lucca kommt auf mich zu gejoggt und bleibt kurz vor mir stehen. „Was ist noch?“, frage ich ihn und ziehe die Träger von meinem Rucksack ein bisschen enger. „Kannst du mich vielleicht mitnehmen?“, fragt er und legt den Kopf schief. „Klar, wohin musst du denn?“, frage ich ihn und deute in Richtung meines SLs. Lucca grinst nur dämlich und läuft vor mir her auf meinen Wagen zu. „Mit zu euch!“, erklärt er mir und lehnt sich gegen die Beifahrertür. „Okay!“, sage ich argwöhnisch und entriegele den Wagen. Lucca lässt sich neben mich auf den Beifahrersitz gleiten und spielt sofort mit dem Soundsystem rum. „Ja Sarah hat mich gefragt, ob ich nicht was mit ihr machen wollte!“, antwortet er und zwinkert mir zu. „Ich hab gedacht, zwischen dir und Anna läuft was!“, harke ich nach. Luccas Grinsen wird darauf hin nur noch breiter, „Schon, aber ich kann doch trotzdem was mit Sarah machen oder?“ Ich zucke mit den Schultern, „Mach wie du meinst!“ Lucca scheint endlich ein Lied gefunden zu haben, dass ihm gefällt. „Tue ich auch!“, stimmt er mir zu und schaut mich dann für einen Moment an, ohne etwas zu sagen. Es kommt mir fast so vor, als wenn er innerlich mit sich kämpfen würde den nächsten Satz aus zu sprechen. „Ist bei dir und Kathi soweit alles cool?“, fragt er mich dann einfach so aus dem Blauen heraus. Kurz mustere ich ihn, ohne irgendetwas zu antworten. Wieso fragt er mich das jetzt auf einmal? Hat Jojo etwa mit ihm über die ganze Jessica-Sache gequatscht. Nein, das würde Jojo nicht machen. Außer er und Lucca haben sich gerne Abend noch was durch gezogen. Oder hat Kathi sich etwa bei ihm über mich ausgeheult. Aber wann sollte sie das gemacht haben? „Ja, alles cool soweit!“, antworte ich ihm also einfach und steure den Wagen durch Stuttgart. Lucca und ich verfallen in ein seltsames Schweigen. Ich weiß nicht was ich mit ihm bequatschen soll. Im Moment geht es mir so einfach mit allen Leuten, ich will nur in Ruhe gelassen werden. Außer vielleicht noch von Jojo, aber bei ihm ist auch einfach das Problem, dass er mich so gut kennt, dass ich ihm einfach nichts vor machen kann. Natürlich ist Lucca auch mein bester Freund, aber halt anders. Eigentlich waren wir immer so eine dreier Truppe, Lucca, Jojo und ich. Und das ist heute auch noch so, aber es gibt manchmal Momente, in denen Lucca oder Jojo verschieden gute Kompetenzen haben, was eine Freundschaft betrifft. Mit Jojo kann ich überalles quatschen, dafür würde ich nie im Leben mit ihm eine Firma gründen. „Was machen Sarah und du denn jetzt gleich?“, frage ich um die komische Stimmung im Auto irgendwie auf zu lockern. Lucca zuckt mit den Schultern und spielt ein wenig mit der Lüftung rum. „Keine Ahnung was sie vor hat, uns fällt schon was Schönes ein!“, grinst er mich an und ich schüttele über ihn den Kopf. „Du hörst dich schon an wie Danju!“, sage ich und grinse. Lucca boxt mir gegen die Schulter und für einen kurzen Moment schlingert der Wagen über die Fahrbahn. „Halt die Fresse!“, zischt er und wir beide lachen. Zusammen mit Lucca betrete ich unsere Wohnung, neben der Tür steht eine große Tasche. Sofort steigt in mir eine leichte Panik auf. Wo will Kathi mit der großen Tasche hin? Hab ich gestern wirklich so überreagiert, dass sie jetzt weg will. Fuck. Das kann sie nicht tun, sie kann doch nicht nach einem kleinen Streit abhauen. Und schon gar nicht mit den Kindern. Als kurz darauf Tonis fröhliches Kreischen an mein Ohr dringt, entspanne ich mich sofort wieder. Sie sind noch da. Alles tut. „Nicht Emil!“, höre ich Toni im Wohnzimmer sagen, ich streife mir die Schuhe ab und pfeffere meinen Rucksack auf das Sideboard im Flur und mache mich auf den Weg ins Wohnzimmer. Sarah sitzt in Leggins und großem weißen Pullover auf dem Boden zwischen Toni und Emil und baut mit den Kindern Emils Brio-Eisenbahn zusammen. „Hey!“, mache ich auf mich aufmerksam. „Papa!“, ruft Toni aufgeregt und kommt auf mich zu gerannt. Ich hebe Toni auf meinen Arm und drücke sie fest an mich. „Na Kröte! Alles gut?“ Toni nickt und legt ihren Kopf auf meine Schulter. Lucca taucht hinter mir auf und lächelt Sarah an. „Hi!“, sagt Lucca und winkt ihr jetzt auch noch zu. Ne, Lucca überhaupt nicht peinlich. Er weiß einfach was die Frauen wollen. Mit Emil auf dem Arm steht Sarah auf und lächelt Lucca an, „Hey, na du!“ Sie macht einen Schritt auf Lucca zu und umarmt ihn. Mich würdigt sie keines weiteren Blickes. Okay, dann hat Kathi sich wohl doch schon bei ihr ausgeheult. Natürlich hält sie jetzt zu Kathi und hatet mich erstmal richtig. Innerlich verdrehe ich die Augen. „Wo ist denn die Mama?“, frage ich Toni und schiebe ihren Haarreifen wieder zurück auf ihren Kopf. „Kathi hat sich ein bisschen hingelegt, sie hatte ja eine ziemlich anstrengende Nacht!“, sagt Sarah kühl. Hab ich sie gefragt oder meine Tochter. Frauen nerven manchmal einfach sowas von überkrass. Sie schickt einen ihrer bekannten Todesblicke in meine Richtung. Und wenn ich ehrlich bin, kann ich es ihr noch nicht mal übelnehmen, immerhin war ich auch echt scheiße zu Kathi. „Toni willst du mal gucken, ob die Mama schon wieder wach ist?“, fragt Sarah Toni ohne eine Antwort von mir abzuwarten. Toni nickt eifrig und windet sich in meinem Arm. „Runter Papa!“, verlangt sie und wieder einmal frage ich mich, ob es für eine knapp Dreijährige normal ist so einen starken Willen zu haben. Ich beuge mich nach unten und stelle Toni wieder auf den Fußboden. Ihre Beine haben den Boden noch nicht ganz berührt, da ist sie auch schon in Richtung Schlafzimmer verschwunden. Ein unangenehmes Schweigen legt sich über das Wohnzimmer und ich fühle mich in meinen eigenen vier Wänden auf einmal komisch fremd. Fast schon wie ein mieser Eindringling, der hier gar nicht mehr richtig hin gehört. Das klatschen von Luccas Händen durchdringt die Stille und er schaut zwischen mir und Sarah hin und her. „Ich weiß ja nicht wie es euch geht, aber ich hätte jetzt richtig Bock auf nen Kaffee!“, sagt er gut gelaunt und tut so, als wenn er die angespannte Stimmung gar nicht mit bekommen würde. Ohne auf Sarahs oder meine Antwort zu warten, macht er auf dem Absatz kehrt und verschwindet in der Küche. „Sarah lieber Milchkaffee oder Cappuccino?“, ruft er einem Moment später. „Milchkaffee!“, antwortet Sarah und folgt ihm in die Küche. Wie bestellt und nicht abgeholt, bleibe ich alleine im Wohnzimmer zurück und falte die Hände über meinem Kopf zusammen. Das kann ja ein angenehmer Nachmittag werden. Ich sitze neben Lucca am Küchentisch und begutachte die komischen Schaummuster, die er mit Karamell auf meinen Kaffee gezaubert hat, höchstwahrscheinlich nur um Sarah zu beeindrucken. Ich wusste gar nicht, dass in meinem besten Freund ein verschollener Barista schlummert. Als Kathi mit Toni an der Hand die Küche betritt, hebe ich meinen Kopf. Zu sagen, dass sie nicht gut aussieht, wäre wahrscheinlich die Untertreibung des Monats. So als wenn man behaupten würde, Jojos Graskonsum wäre gesund. Ihre Augen sehen auf geschwollen und verheult aus, ihre Haare sitzen trostlos in einem unordentlichen Dutt auf ihrem Kopf und in den ausgewaschenen Leggins und dem viel zu großen Vio Sweater sieht sie ganz schön verloren aus. Kurz wandert ihr Blick über Sarah, die Emil noch immer auf dem Schoß hat, weiter über Lucca und dann zu mir. Ich erwidere ihren Blick für einen kurzen Augenblick und erkenne sofort den verletzten Ausdruck in ihren Augen, dann wendet sie ihren Blick aber auch schon wieder ab und setzt ein Lächeln auf. „Hey, Lucca! Was machst du denn hier?“, sagt sie und versucht fröhlich zu klingen. Ich kenne sie viel zu gut, um ihr den fröhlichen Tonfall abzukaufen. Bevor Lucca überhaupt den Mund auf machen kann, hat Sarah auch schon für ihn geantwortet. Ist das jetzt ihr neues Hobby? „Lucca und ich haben überlegt mit den Kindern schwimmen zu gehen, damit ihr euch nochmal in Ruhe unterhalten könnt!“, erklärt Sarah und scheint von ihrer eigenen Idee ziemlich begeistert zu sein. Im selben Moment wirft Lucca mir einen entschuldigend Blick zu. „Wir sollten dann auch mal langsam los!“, verkündet Sarah und steht mit Emil auf dem Arm auf, „Lucca kommst du?“ Wie ein bescheuertes Hündchen steht Lucca auf und folgt Sarah in den Flur, die Toni noch an die Hand nimmt, als sie an Kathi vorbei geht. „Ihr könnt doch nicht einfach unsere Kinder entführen!“, sagt Kathi total perplex und folgt Sarah in den Flur. „Verräter!“, zische ich Lucca zu, als wir beide zusammen am hinteren Ende des Flur stehen. „Ich hab keine Ahnung was bei euch los ist, aber klär das, Kathi sieht mega fertig aus. Und deine Stimmung erträgt man auch kaum noch! Du benimmst dich total unprofessionell und morgen geht’s auf Tour! Also reiß dich zusammen!“, zischt Lucca genau so leise zurück und schaut mir für einen Moment entschieden in die Augen. Fuck ey, ist es echt schon so weit, dass ich meine schlechte Laune noch nicht einmal bei der Arbeit im Griff habe? Fuck, Fuck, Fuck. Ist es wirklich sowas von über deutlich, dass ich im Moment sowas von komplett genervt von allem und jedem bin. „Tschüss!“, winkt Sarah uns von der Tür aus zu und verschwindet mit Emil und Toni im Flur, während Lucca die große Sporttasche schultert und hinter ihr her trottet. Ich kann nicht fassen, dass er sich wirklich von Sarah hat bequatschen lassen und sich mit ihr gegen mich verbündet hat. Soviel zu Bruder vor Luder. Wie lange kennt er sie jetzt? Und wie lange kennen wir uns? Trotzdem weiß ich nicht, ob ich ihm und Sarah dankbar sein soll, dass die beiden uns Zeit zum Reden ermöglichen oder sie verfluchen soll, weil sie sich so dreist in meine Ehe einmischen. Wenn ich ehrlich bin, bin ich auch ein bisschen sauer auf Kathi, dass sie all unsere Probleme mit Sarah sofort bespricht. Das ist ja fast schlimmer als die BILD Zeitung. Mit einem laut Geräusch fällt die Tür hinter Lucca ins Schloss und auf einmal sind nur noch Kathi und ich übrig. Auf einmal ist die Luft so dick zwischen uns, dass man sie höchstwahrscheinlich hätte schneiden können. Kathi seufzt, streicht sie ein paar Haare aus dem Gesicht und geht, ohne mich eines Blickes zu würdigen, an mir vorbei ins Wohnzimmer. Wortlos beginnt sie damit Die Brio-Eisenbahn wieder in einer der bunten Kisten zu verstauen und die Kissen auf der Couch auf zu bauschen. Für ein paar Minuten stehe ich einfach nur an den Türrahmen gelehnt da und beobachte ich sie bei ihrem Treiben. Was ist mit ihr los? Wieso redet sie nicht mit mir? So kenne ich sie gar nicht, normalerweise redet sie immer sofort auf mich ein. Ihr Schweigen beunruhigt mich und in meinem Inneren macht sich ein mulmiges Gefühl breit. Mir wäre es wesentlich lieber, wenn sie mich anschreien oder mir ein paar Kissen gegen den Kopf pfeffern würde. Denn damit kann ich umgehen, dass bin ich von ihr gewöhnt, darauf kann ich reagieren. Aber mit ihrem Schweigen weiß ich absolut nichts anzufangen und bin überfordert. Will sie den Streit einfach so auf sich beruhen lassen und einfach weiter machen, als wenn nicht passiert wäre? Oder ist das hier gerade nur die Ruhe vor dem Sturm, bis sie völlig explodiert und ich ihre gezügelte Wut zu spüren bekomme? „Baby, es tut mir wegen gestern Abend echt leid. Ich weiß auch nicht was mit mir los ist. Ich hätte das nicht alles an dir aus lassen dürfen!“, beginne ich zu reden, weil Kathi noch immer keine Anstalten macht irgendetwas zu sagen. „Ich…im Moment hab ich einfach das Gefühl mir wird alles zu viel und ich hab für nichts mehr richtig Zeit. Eigentlich will ich nur Mukke machen, aber mittlerweile muss ich mich um so viel Mist kümmern, auf den ich überhaupt keinen Bock mehr haben!“, spreche ich weiter und gehe ein paar Schritte auf Kathi zu, die noch immer die Sofakissen bearbeitet. „Ich hab das Gefühl, dass ich gar nicht mehr richtig weiß wer ich bin. Ich hetze von einem Termin zum nächsten, lasse dich und die Kinder ständig alleine und mache tausend Dinge, aber keins richtig. Weil ich keine Zeit habe!“, spreche ich weiter und merke wie eine riesengroße Last von meinen Schultern abfällt und wie gut es tut, all die angesammelte Anspannung von den letzten beiden Monaten endlich los zu werden. „Ich liebes es zu performen und Musik zu machen. Aber dieser ganze Zirkus drum herum, dass bin ich nicht. Und das will ich nicht!“, sage ich entschieden und schaue Kathi nun direkt in die Augen. Mittlerweile hat Kathi sich von den Sofakissen abgewandt und sieht mir ins Gesicht. Uns trennen lediglich knappe zwei Meter und das Sofa, aber selten ist sie mir so weit entfernt vorgekommen, wie in diesem Moment. Ich atme tief durch und warte drauf, dass sie endlich etwas sagt. Aber Kathi schweigt weiter und schaut mich einfach nur an. Wieso sagt sie denn jetzt verdammt nochmal noch immer nichts? Was soll ich denn noch sagen? Habe ich jetzt nicht das getan, was sie wollte? Ihr meine Gedanken lang und breit dargelegt. Ihr erklärt was mit mir los ist und gesagt worüber ich nicht sprechen wollte. „Wieso sagst du denn nichts?“, frage ich leicht verzweifelt, weil ich einfach nicht weiß, was ich noch sagen soll. Kathi beißt sich auf die Unterlippe und scheint für einen kurzen Augenblick mit sich selbst zu hadern. Ihr Blick wandert durch das gesamte Wohnzimmer, sie scheint sich alles genau an zu schauen. Nur nicht in meine Richtung. Resigniert hebt Kathi die Hände. „Ich tue doch nur das, was du von mir verlangt hast. Ich frage nicht mehr was los ist und halte meine Klappe, weil ich dich ja so nerve!“, sagt sie in einem gefährlich leisen Ton. „Das hab ich doch gar nicht so gemeint!“, versuche ich es und gehe ein Stück um die Couch herum. „Ach nein?“, hakt Kathi nach und funkelt mich wütend an, „Seit Wochen versuche ich heraus zu finden was mit dir los ist. Versuche mit dir zu reden. Aber nein, du redest nicht mit mir. Sondern schließt mich komplett aus und machst alles mit dir selbst aus. Lieber lässt du mich wie eine Blöde rum rätseln!“ Mittlerweile schwimmen Kathis Augen in Tränen und sie zittert am ganzen Körper. „So funktioniert keine Ehe Carlo, in einer Ehe teilt man seine Probleme und veranstaltet nicht solche Alleingänge. Weißt du wie sich das angefühlt hat. Zu wissen, dass dich etwas beschäftigt, aber du nicht mit mir redest. Und dann fährst du mich auch noch so an, nur weil ich mir Sorgen um dich mache.“, dicke Tränen rollen ihr über die Wange und sie schlingt die Arme um ihren Körper. Schnell eile zu ihr rüber, um sie zu umarmen. Ich kann sie einfach nicht so leiden sehen, dass ertrage ich nicht. Aber anstatt die Umarmung zu zulassen, hebt sie abwehrend die Hände. Auch wenn es mein Männerstolz, eigentlich nicht zu lassen sollte, verletzt mich ihre abwehrende Haltung sehr. Gerade bekomme ich wohl eine Kostprobe meiner eigenen Medizin, so muss Kathi sich in den letzten Wochen öfter gefühlt haben. Ich schlucke hart. „Baby, bitte!“, flüstere ich und mache noch einmal einen Schritt auf sie zu, „Es tut mir leid. Ich weiß auch nicht wirklich was mit mir in der letzten Zeit los ist!“ Kathi senkt ihren Blick. „Ich vermisse es, dass wir miteinander reden. Das wir unsere Probleme miteinander teilen und füreinander da sind!“, weint sie, noch einmal versuche ich einen Schritt auf Kathi zu zumachen und sie zu umarmen. Und endlich lässt sie sie es zu. Ich schlinge meine Arme um ihre schmale Gestalt und drücke sie ganz fest an mich. Ihr kleiner Körper wird immer wieder von Schluchzern erschüttert und mein Herz blutet, bei dem Gedanken, dass ich ganz alleine für Kathis Tränen verantwortlich bin. „Ich liebe dich!“, flüstere ich in ihre Haare, weil ich einfach nicht weiß, was ich noch sagen soll. Jetzt fängt sie nur noch lauter an zu schluchzen. Eine ganze Weile stehen Kathi und ich einfach nur so da und ich halte sie fest umschlungen. Unentwegt streiche ich ihr über den Rücken und küsse sanft ihre Haare, bis sie sich endlich ein wenig beruhigt hat. Langsam lasse ich mich aufs Sofa fallen und ziehe Kathi behutsam mit mir mit. Mit meinen Daumen wische ich ihr die letzten Tränen von der Wange. „Ich weiß, dass im Moment mit der Tour ein mega schlechter Zeitpunkt ist!“, fange ich an zu reden und schaue Kathi dabei tief in die Augen. „Aber ich verspreche dir, dass ich nach der Tour kürzer treten werde. Ich will mehr Zeit für dich und die Kinder haben. Vielleicht einfach nur mal wieder Musik machen. Toni in den Kindergarten bringen, hin und wieder ein bisschen was für Vio designen und auch mehr Zeit für uns beide finden. Endlich wieder das machen, was wirklich wichtig ist.“ Skeptisch schaut Kathi mich an. „Bitte Baby, gib mir noch ne Chance. Ich will nicht mehr so weiter machen wie bisher. Ich will wieder ich selbst sein!“, flüstere ich und streiche ihr über die Wange. Und auf einmal nickt Kathi. „Okay!“, flüstert Kathi. „Aber Carlo, dann muss sich wirklich was ändern. Und nicht nur mal sechs Wochen low key bis zur Festival-Saison. Nicht nur deine Fans brauchen dich, Toni, Emil und ich brauchen dich auch!“, sagt sie energisch und mit überraschend fester Stimme. Hektisch nicke ich und nehme Kathis Gesicht in meine Hände. „Ich liebe dich!“, flüstere ich und drücke ihr einen Kuss auf die Lippen. Kathi versucht ein schüchternes Lächeln und fährt mit ihren Fingern über meine Wange, „Ich habe dich vermisst!“
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46. Jetzt knallt’s
Kathi Als ich die Wohnungstür leise ins Schlossen fallen lasse, fällt mir als erstes der große Haufen Schuhe neben der Tür auf. Wer ist denn alles hier? Nach einem ziemlich schönen Vormittag mit Anke und Toni im Kindermuseum, sind wir endlich wieder zu Hause und ich kann es kaum erwarten, Sarah endlich wieder zu sehen. Ich schlüpfe aus meinen UGGs und helfe Toni aus der Jacke. „Ist Sari hier?“, fragt die Kleine mich aufgeregt und als ich nickt, lächelt Toni verzückt und rennt auch schon in Richtung Wohnzimmer. Nur einen Moment später höre ich Toni laut, „Sari!“, rufen und ein ebenso fröhliches „Toni!“, von Sarah zurückkommen. Lächelnd folge ich Toni ins Wohnzimmer und bekomme gerade noch mit wie Sarah sich einmal um die eigene Achse dreht und Toni dabei durch die Luft wirbelt. Aber Sarah und Carlo sind nicht alleine, auf unserer Wohnzimmercouch hat es sich, neben Lucca, Carlos ganze Band bequem gemacht. Markus sitzt mit Emil zusammen auf den Teppich und baut einen Turm aus Duplo, während Tim und Flo neben Carlo auf der Couch sitzen und sich den Rest unserer Weihnachtsplätzchen reinfahren. „Hey!“, sage ich und winke in die Rund. Die Jungs winken mir alle brav zu, aber eigentlich ist mein „Hey!“ nur für meine beste Freundin. Sarah lässt Toni wieder runter und lächelt mich an. Wenn wir beide keine Ohren hätten, würde unser Lächeln wahrscheinlich einmal komplett um unseren Kopf gehen. „Kathi!“, sagt Sarah und im nächsten Moment liegen wir uns beide in den Arm. Ich drücke Sarah ganz fest an mich und will sie erstmal gar nicht mehr los lassen. Jeden Tag bei Whatsapp schreiben und gegenseitig unsere Instagram-Bilder liken, ist einfach nicht das Gleiche, wie sie endlich wieder bei mir zu haben. „Ich hab dich so vermisst!“, nuschele ich in ihre Haare und beiße mir auf die Wange, damit ich gleich nicht anfange zu heulen. Sarah drückt mich noch fester an sich und erwidert, „Ich dich auch!“ Als ich mich wieder von ihr löse, halte ich sie auf Armeslänge von mir weg und begutachte sie. „Du siehst gut aus!“, stelle ich grinsend fest. „Ist klar!“, Sarah macht eine wegwerfende Handbewegung und lässt sich wieder neben Lucca auf die Couch fallen. Ich setze mich neben Carlo und drücke ihm kurz einen Kuss auf die Lippen. „Wo ist Jojo?“, frage ich verwundert und drehe mich suchend nach ihm um. Carlo legt einen Arm um mich. „Der hatte noch irgendwas zu erledigen!“, sagt er bedeutungsschwanger und streicht mir über die Schulter. „Meinst du irgendwas oder irgendjemanden?“, hakt Sarah nach und bringt Lucca damit zum Lachen. Carlo atmet tief durch, aber ich ignoriere ihn einfach und drehe mich zu Sarah um. Wahrscheinlich wird Carlo mir heute Abend in allen Einzelheiten von seinem Vormittag mit Jojo und Sarah erzählen, wahrscheinlich ist da wirklich ein Treffen zwischen den Präsidenten von Nord- und Südkorea angenehmer. „Wie war dein Flug?“, frage ich Sarah also und lächele sie an. Ich kann es gar nicht glauben, dass sie wirklich vor mir sitzt, am liebsten würde ich ihr so viel erzählen und irgendwas Verrücktes mit ihr machen. Aber sie muss ja erstmal richtig ankommen. Sarah seufzt gequält auf und lässt den Kopf auf die Sofalehne sinken. „Hör bloß auf! Der Flug ging eigentlich, aber die Schweinebacken in London haben meinen Koffer in ein falsches Flugzeug gepackt und jetzt hab ich nur meine Sachen aus dem Carry On dabei!“ Sarah schaut mich ein wenig irritiert an, als ich daraufhin breit grinse. „Dann müssen wir wohl morgen erstmal shoppen gehen!“, verkünde ich und höre Carlo laut stöhnend, woraufhin die anderen Jungs nur anfangen zu lachen. „Du kannst immer noch meine Gedanken lesen!“, grinst Sarah und drückt mir einen Kuss auf die Wange. Carlo lehnt sich ein Wenig nach vorne, um an mir vorbei schauen zu können. „Du kannst dir, aber auch einfach was bei Vio aussuchen kommen. Wir haben jetzt sogar Hosen!“, zwinkert Carlo ihr zu. „ Das ist aber total lieb von dir Carlo, dass mach ich auf jeden Fall. Aber shoppen gehen können wir morgen trotzdem!“, verkündet Sarah und Carlo lässt sich geschlagen wieder auf die Couch fallen. „Habt ihr morgen früh Probe?“, will ich von Carlo wissen. „Jap, ab zehn!“, antwortet er abwesend und tippt schon wieder irgendwas auf seinem Handy rum. „Bist du morgen auch da, Lucca, oder bist du bei Vio?“, frage ich Lucca und sehe ihn an. „Ne, ich hab morgen meinen freien Tag!“, antwortet Lucca stolz, wahrscheinlich hofft er darauf, dass ich ihn frage, ob er nicht mit shoppen gehen will. Zwar trifft er sich wohl hin und wieder mal mit Anna, aber Sarah fand er auch schon immer gut. „Das ist ja super! Kannst du dich dann vielleicht zwei Stündchen um Emil kümmern?“ Man kann richtig sehen, wie die Begeisterung und das Lächeln aus Luccas Gesicht verschwinden, er wirft Sarah einen kurzen Blick zu, aber auch sie lächelt ihn nur bestätigend an. „Klar kann ich machen!“, sagt er zerknirscht. „Das ist aber lieb von dir!“, bedankt sich Sarah und drückt seinen Arm kurz. Und schon ist das Lächeln auf Luccas Gesicht zurückgekehrt. Freitagmittag betrete ich zusammen mit Sarah im Schlepptau die Schleyer Halle, nach einem mehr als erfolgreichen Shoppingvormittag und einem entspannten Mittagessen bei unserem Lieblingsitaliener wollen wir jetzt die Kinder abholen. Ich hab vorhin mit Lucca geschrieben und er hat gesagt, dass er zum Mittagessen zusammen mit Emil in die Schleyer Halle fährt. Zurzeit proben die Jungs hier für die Tour. Anders als in den Jahren zuvor, ist dieses Mal der Tour Auftakt in Stuttgart und nicht der Tour Abschluss. Auch wenn ich schon so einige Hallen leer gesehen habe, ist es immer wieder komisch zu sehen wie groß diese Veranstaltungsräume sind und sie abends dann voller Menschen zu sehen, die alle gekommen sind um sich meinen Mann an zu gucken. Sarah und ich drücken eine der schweren Eisentüren auf und durchqueren den großen Innenraum. In der Mitte der Halle ist die Technik-Insel aufgebaut, ich erkenne Psaiko und Lucca die zusammen neben dem Tontechniker stehen und ihren Kopf zum Beat bewegen. Etwas weiter vorne spielen ein paar der Jungs Basketball. Während Sebastian auf der Bühne hinter Psaikos DJ-Pult steht und an den Reglern rum spielt. „Ist das Toni?“, dringt Sarahs überraschte Stimme an mein Ohr und ich folge ihrem Blick. Neben Jojo auf der Bühne steht Toni, strahlt über das ganze Gesicht und hüpft wild zu der Musik herum. Dabei rutschen ihr die pinken Ohrenschützer fast vom Kopf. Jojo hält ihre kleine Hand ganz fest mit seiner großen Pranke umschlossen und dreht sich mit ihr über die gesamte Bühne, während er nebenbei seinen Soundcheck macht. Seine rauchige Stimme dröhnt durch die ganze Halle und ich erkenne das Lied sofort. Es scheint gerade so, als wenn Toni und er uns andere gar nicht richtig wahrnehmen würden, sondern komplett in ihrer eigenen kleinen Welt verschwunden sind. „Man sie schießt mir in' Kopf, und obwohl ich's nich' will, verlieb' ich mich doch. Denn sie hat dieses…!“, rappt Jojo den Anfang der Hook und hält Toni dann das Mikro hin. „Boom, Boom, Bang, Bang. Boom, Boom, Bang, Bang. Shoot, Shoot, Pow, Pow!”, kreischt Toni begeistert ins Mikrofon und klatscht fröhlich in die Hände. Als Jojo auch die letzten paar Zeilen runter gerappt hat, hebt er Toni auf seinen Arm, drückt ihr einen Kuss auf die Wange und gibt ihr ein High-Five. „Super gemacht Motte!“, hört man seine Stimme durchs Mikrofon sagen und nochmal drückt er ihr einen Kuss auf die Wange. Ich kann einfach nicht anders als zu Lächeln, wenn ich Jojo so mit Toni sehe. Für mich ist es unglaublich schön zu sehen mit wie viel Liebe und Fürsorge meine Kinder groß werden und was für eine Wirkung so ein kleiner Mensch wie Toni auf den doch eigentlich so coolen und abgeklärten Johannes hat. Neben mir höre ich Sarah schnaufen. „Der spinnt doch!“, sagt sie wütend und wirft einen Todesblick in Jojos Richtung, obwohl er den im Moment gar nicht richtig mitbekommt. Was für eine Todesblickverschwendung. „Wieso was hat er denn gemacht?“, frage ich Sarah und versuche mein Lächeln zu unterdrücken. Egal was Jojo macht, Sarah findet immer irgendwas, das schlecht ist. Ich weiß gar nicht richtig woher das kommt, denn eigentlich ist Sarah immer sehr vernünftig und mäßig. Aber wenn es um Jojo geht brennen bei ihr alle Sicherungen durch und sie benimmt nicht unbedingt sie die vernünftige und erwachsene Ärztin, die sie eigentlich ist. Naja manche Menschen lösen halt sowas in uns aus, auch wenn ich so ein Verhalten eigentlich nur von Verliebten kenne. Also das der Verstand völlig abschaltet. Aber das ist bei Sarah und Jojo nun wirklich nicht der Fall. Immerhin hat Sarah mir mehr als einmal deutlich zu verstehen gegeben, dass sie Jojo noch nicht einmal mit einer Kneifzange anfassen würde. Ehrlich gesagt, hab ich wirklich gehofft, dass sich Jojos und Sarahs Verhältnis ein bisschen entspannen würde, nachdem die beiden sich solange nicht gesehen haben. Immerhin sind die beiden Carlos und meine besten Freunde und es ist nicht immer ganz so cool für uns, wenn die beiden sich gegenseitig an die Gurgel gehen, sobald sie im gleichen Raum sind. Aber nachdem Carlo mir gestern Abend im Bett von ihrem ersten Aufeinandertreffen am Flughafen erzählt hat, ist meine Hoffnung schnell wieder auf null gesunken. „Er kann doch nicht solche Wörter benutzen während Toni dabei ist und die Musik ist auch viel zu laut für sie, weißt du was das für Auswirkungen auf ihr Gehör haben kann. Das Trommelfell wird dabei ganz besonders…!“, fängt Sarah an mir zu erklären, aber bevor sie mir jetzt einen Crashkurs über das menschliche Gehör gibt, hebe ich beruhigend die Hände. „Deswegen hat sie ja die Ohrenschützer auf und sie versteht doch eh noch nicht alles was er da sagt! Toni kommt öfters mal mit zu Carlos Proben, aber sie hat immer ihre Ohrenschützer auf und dann geht das schon.“, beruhige ich sie. Sarah sagt nichts mehr sondern verschränkt einfach nur die Arme vor ihrer Brust. „Wieso ist der überhaupt hier? Ich hab gedacht er würde auch noch studieren, oder ist er so intelligent, dass er nicht zur Uni muss und die ihm sein Diplom einfach so geben!“, meckert sie und wirft einen giftigen Blick in Richtung Bühne, von der Jojo und Toni aber schon verschwunden sind. Bevor ich irgendwas erwidern kann, taucht Jojo mit Toni auf dem Arm neben uns auch. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie er Sarah einen kleinen Klaps auf den Hintern gibt und sie frech angrinst, „Ganz ruhig Puppe, es kann nun mal nicht jeder so intelligent sein wie ich. Aber wir brauchen auch Menschen wie dich, die brav in die Uni gehen!“ Als Sarah gerade was erwidern will, schiebt Jojo ihr einfach Toni auf den Arm, „Bevor du jetzt ATP verschwendest und einen blöden Spruch reist, der mich eh nicht kratzt. Kannst du dich lieber mal ein bisschen nützlich machen und dich um Toni kümmern. Falls das deine Kompetenz nicht übersteigt!“ Ohne eine Antwort von Sarah ab zu warten, zwinkert Jojo mir zu und macht dann auf den Absatz kehrt. Fassungslos starrt Sarah ihm nach. „Dafür wird er büßen. Ich hab doch nicht sieben Jahre lang studiert um mich von einem Provinzproleten so abfertigen zu lassen!“, sagt sie zwischen zusammen gepressten Lippen. „Hallo Sari!“, meldet sich jetzt Toni und kuschelt sich an Sarahs Schulter und sofort verändert sich ihr Gesichtsausdruck, die wütende Maske verschwindet und an ihre Stelle tritt ein liebevolles Lächeln. „Hallo Kleines!“, begrüßt Sarah sie und streicht ihr ein paar Strähnen aus dem Gesicht, „Hattest du einen schönen Tag?“ Toni nickt eifrig und beginnt damit Sarah in aller Ausführlichkeit von ihrem Vormittag mit Carlo und den Jungs zu erzählen. Als sie gerade dabei ist uns zu erzählen, wie Flo sie an seinem Schlagzeug hat spielen lassen, tritt Carlo zu uns heran. „Hey!“, sagt er und beugt sich flüchtig zu mir herunter um mir einen Kuss auf die Lippen zu drücken. Noch bevor ich seinen Kuss überhaupt erwidern kann, hat er sich auch schon wieder von mir gelöst. Irritiert schaue ich ihn an. Aber Carlo ist viel zu gestresst um meinen Blick überhaupt zu bemerken. „Was macht ihr denn hier?“, fragt er und stemmt seine Hände in die Hüften, während seine Augen hektisch durch die Halle wandern. Was ist jetzt schon wieder mit ihm los? Eigentlich habe ich gedacht, dass die paar Tage Ruhe und Entspannung in Dubai ihm gut tun würden, aber wie es aussieht ist er schon wieder genauso gestresst, wie vor Weihnachten. Ich nehme mir vor heute Abend auf jeden Fall mit ihm zu reden. Ich will, dass wir nochmal in Ruhe über alles reden, bevor die Tour am Sonntag los geht und er erstmal für drei Wochen überhaupt nicht zu Hause ist. Aber das müssen wir alleine besprechen, ohne die gesamte Crew und die Kinder um uns herum. „Wir waren doch vorhin einkaufen und jetzt wollten wir die Kinder abholen!“, erinnere ich ihn. Carlo nickt abwesend, hört er mir überhaupt zu? „Achso? Habt ihr was gefunden?“ Ich weiß ganz genau, dass er nur aus Höflichkeit fragt oder vielleicht auch, weil er denkt er müsste das machen. „Ja, haben wir. Weißt du schon, wann du heute Abend nach Hause kommst?“, frage ich ihn und verschränke jetzt auch die Arme vor meiner Brust. „Nein, keine Ahnung. Ich muss auch heute Abend noch kurz zu Mercedes, was klären und meine Karre abholen. Also wartet am besten nicht auf mich. Kann spät werden! Ich muss jetzt auch wieder los!“, sagt Carlo hektisch und drückt mir zum Abschied nochmal einen Kuss die Lippen, dann lehnt er sich zu Toni runter, die noch immer auf Sarahs Arm sitzt, und drückt er ihr einen Kuss auf die Wange. Sarah zwinkert er zum Abschied zu und sagt noch schnell, „Ihr könnt euch ja nen schönen Weiberabend machen!“ Bevor ich noch etwas sagen kann, hat Carlo sich auch schon wieder umgedreht und ruft nach Tim. Ich kann nicht umher enttäuscht zu sein. Eigentlich habe ich gehofft, noch ein bisschen Zeit mit ihm verbringen zu können bevor er auf Tour geht. Ich vermisse ihn immer so arg wenn er nicht da ist und genieße die Zeit umso mehr, wenn er noch zu Hause ist. Irgendwie verletzt es mich, dass es ihm egal zu sein scheint, dass wir uns jetzt noch nicht einmal wirklich sehen, wenn er noch zu Hause ist. Ich habe immer mehr das Gefühl, dass Carlo sich immer weiter von mir entfernt. Nicht nur weil er so wenig zu Hause ist und jetzt auf Tour geht. Nein, viel mehr scheint er sich vor mir zu verschließen und eine Art Mauer um sich herum auf zu bauen. Und ich weiß einfach nicht warum. Ich spüre Sarahs Hand über meinen Rücken streichen. „Alles gut?“, fragt sie und schaut mich prüfend an. In diesem Augenblick bin ich unsagbar froh, dass sie endlich wieder hier ist und ich meine beste Freundin wieder habe. Ich muss nicht viel sagen oder machen, denn sie weiß einfach auch schon so wie es mir geht und was los ist. Sie spürt das einfach. Ich versuche ein halbherziges Lächeln und nicke. „Ja, alles gut!“, antworte ich. Aber Sarah verdreht nur die Augen, „Laber nicht! Ich kenn dich!“ Das wiederum bringt mich wirklich zu lächeln. Manchmal hat auch Sarah ihre Dajuan-Momente, denn genau der Spruch hätte auch von Jojo kommen können. Sarah hakt sich bei mir unter und deutet mit dem Kopf in Richtung Ausgang. „Komm wir schnappen uns jetzt Emil und dann fahren wir nach Hause, kochen was Schönes und hauen uns ein bis achtzehn Kekse rein und du erzählst mir mal in aller Ruhe was bei euch in den letzten Wochen los war!“, beschließt Sarah und zieht mich hinter sich her zu Lucca und Markus rüber, die noch immer an der Technik-Insel stehen und Emil entertainen.
Auf der Fahrt nach Hause halte ich noch kurz an einem Supermarkt und besorgen Sarah und mir für heute Abend zwei Flaschen Hugo. Sarah hat zusammen mit Emil und Toni im Wagen gewartet. Schnell verstaue ich die beiden Flaschen Hugo im Kofferraum des Wagens und klettere dann wieder auf den Fahrersitz. Sofort ertönt Tonis Stimme von der Rückbank, „Mama hast du uns was mitgebracht?“ Grinsend drehe ich mich zu Toni um und halte ihr ein Überraschungsei entgegen. Unterdessen packt Sarah Emils Schokoladenei aus und hält ihm die erste Schokoladenhälfte entgegen. So sind die Kinder für ein paar Minuten beschäftigt und wir können mal ein bisschen durchatmen. „Manchmal weiß ich wirklich nicht wie du dass machst!“, überlegt Sarah während sie Emil abschnallt und mit ihm auf dem Arm in Richtung Fahrstuhl geht. Ich halte Toni an der Hand und balanciere auf meinem Arm unsere Hugo Flaschen. „Wie meinst du das?“, frage ich sie leicht verwirrt und drücke auf den Aufzugknopf. „Mit den Kindern, Carlo, der Haushalt und dann hast du auch noch bis vor ein paar Monaten studiert!“, zählt sie auf und drückt auf den Knopf für unsere Etage. Für einen Moment denke ich über ihre Frage nach. Sarah hat in den letzten beiden Jahren nicht viel von meinem und nicht von ihrem Alltag mitbekommen. Während sie in Boston studiert und gearbeitet hat, haben Carlo und ich eine Familie gegründet, ein zweites Baby bekommen und ich habe fertig studiert. Es gibt Moment in denen ich sie beneide, darum das sie ihren Traumberuf ausüben kann, ungebunden und flexibel ist, auf niemanden Rücksicht nehmen muss und das machen kann, was sie möchte. Natürlich bin ich auch glücklich mit meinem Leben, aber manchmal frage ich mich wie alles verlaufen wäre, wenn ich nicht so früh Carlo geheiratet und ein Baby bekommen hätte. Nicht weil ich eifersüchtig auf ihr Leben bin, sondern weil ich früher immer davon ausgegangen bin, dass wir irgendwann mal zusammen schwanger geworden wären und unsere Männer dann zusammen zu Geburtsvorbereitungskursen geschleppt hätten. Auch wenn alles so anders verlaufen ist, als wir es uns vielleicht mit dreizehn ausgemalt haben, als wir noch Leonardo Di Caprio und Brad Pitt heiraten wollten, bin ich einfach nur mega stolz auf Sarah. Auf all das was sie geschafft hat und was für eine wunderbare Ärztin sie geworden ist. Und egal was in meinem Leben passiert, ich kann mir ganz sicher sein, dass Sarah immer dabei ist. Auch wenn sie meine Entscheidungen manchmal nicht so ganz nachvollziehen kann, wie zum Beispiel den Verrückten in den engen Hosen heiraten. „Ich weiß nicht. Ich mach es einfach, sonst tut es ja niemand!“, zucke ich mit den Schultern und wir beide fangen wieder an zu lachen. Für einen Moment werden wir beide ganz still und ich schaue Sarah ernst an. „Ich hab dich so vermisst! Es war echt nicht immer leicht ohne meine beste Freundin!“, sage ich und beiße mir auf die Unterlippe, damit ich nicht anfange zu weinen. Mit einem Mal schwimmen auch Sarahs Augen in Tränen. „Ich hab dich auch vermisst, das letzte Jahr war echt hart!“ Und dann liegen wir uns beide in den Armen und schluchzen wie zwei Schlosshunde. Insgemein bin ich froh, dass niemand in den Fahrstuhl eingestiegen ist, bis wir auf der richtigen Etage angekommen sind. Als die Aufzugstüren aufgleiten schaut Toni uns verwirrt an. „Warum sind wir traurig?“, fragt sie neugierig. Sarah fährt ihr durch die Locken und lächelt sie an. „Wir sind nicht traurig Motte, manchmal weint man auch, weil man sich freut sich wieder zu haben!“, erklärt sie Toni, die daraufhin nur noch verwirrter aussieht. „Ihr seid komisch!“, stellt Toni dann fest und stiefelt vor uns her zur Wohnungstür. Kopfschüttelnd schauen Sarah und ich Toni nach und folgen ihr dann auf den Flur.
Carlo „Lass uns den letzten Teil nochmal machen, die Drums haben sich irgendwie nicht richtig angehört!“, spreche ich ins Mikro und drehe mich zu unseren Soundmann Dirk um. Dirk schiebt die Tonregler ein wenig hin und her und zeigt dann einen Daumen nach oben, unser Zeichen damit wir nochmal anfangen zu können. Ich drehe mich zu Psaiko, Tim und Flo um, alle drei nicken und wir fangen nochmal an spielen. Der Beat geht mir bis in den Magen und ich rappe den letzten Sechszehner und die Hook nochmal runter. Mein Kopf dröhnt und ich will eigentlich nur noch nach Hause, duschen und pennen. Die Jungs und ich sind seit heute Morgen hier und proben für die Tour. Vor mir in der Halle spielen Lucca, Eddi, Danju und Caïd zwei gegen zwei Basketball, Kody und Steffen stehen an der Sound-Insel über irgendwelche Akten gebeugt. Als der letzte Ton verklingt, atme ich tief durch. Endlich. „Okay, dass reicht für heute!“, sage ich bestimmend ins Mikrofon und schalte das Ding danach aus. Danju bedeutet mir mit einer Handbewegung zu sich rüber zu kommen. Mit einem Satz springe ich von der Bühne jogge zu ihm rüber, gefolgt von den anderen drei. „Vier-vier?“, schlägt Jojo vor und schmeißt mir den Ball entgegen. „Ich und Psaiko gehen zu Danju und Caïd!“, bestimme ich und dribbele den Ball vor mir hin und her. Die anderen nicken und wir fangen an zu spielen. Nach ein paar Körper mit den Jungs fühlt sich mein Kopf schon wesentlich besser an, zum ersten Mal seit ich heute Morgen aufgestanden bin muss ich nicht nachdenken und kann endlich mal ein bisschen los lassen. Einfach mal ein paar Körbe werfen und sich keine Gedanken über irgendwelche Track-Listen, Tour-Stopps oder Hallen Upgrades machen. Auch wenn ich eigentlich nur der Künstler bin, bezieht Kody mich mittlerweile in die meisten Entscheidungen, wenn es um so was geht mit ein. Manchmal frag ich mich was das alles überhaupt noch mit Musik machen zu tun hat. Eigentlich wollte ich immer nur rappen und das wars. Und mittlerweile setze ich mich mehr mit der Presse, irgendwelchem Zeug für die Tour oder Kostenplanung für Vio auseinander, als einfach nur Mukke zu machen. Wann bin ich eigentlich mehr Unternehmer als Musiker geworden? Ich seufze innerlich. „Was hast du eigentlich vorhin zu Sarah gesagt? Die sah nicht gerade sehr begeistert aus?“, fragt Psaiko Jojo und holt mich damit wieder aus meinen Gedanken zurück in die Gegenwart. Jojo wirft den Ball zu mir rüber und auf seinem Gesicht bildet sich ein breites Grinsen. „Ach ich hab ihr nur mal kurz erklärt, wie sie ihre Talente besser einsetzen könnte und ich der Klügere von uns beiden bin!“, antwortet Jojo bedeutungsschwanger und nimmt den Ball wieder an, den ich an ihn zurück gespielt habe. Eddi sitzt mittlerweile neben dem Korb auf dem Boden und versucht krampfhaft Luft zu bekommen. „Wieso kannst du sie eigentlich nicht leiden? Ich find sie ziemlich niedlich!“, mischt Lucca sich ein. Ich erkenne wie Jojo die Augen verdreht. „Du findest alles geil was nicht bei drei auf den Bäumen ist, weil du total untervögelt bist!“, klärt Jojo ihn auf und wirft einen Korb. Alle fangen an zu lachen, außer Lucca der zieht ein langes Gesicht. „Du bist manchmal richtig scheiße!“, mault Lucca und wirft den Ball genau gegen Jojos Brust. „Du könntest echt mal ein bisschen freundlicher zu ihr sein.“, schlägt Psaiko jetzt vor und schaut Jojo versucht streng an, „Ich meine vielleicht wär sie dann auch mal netter zu dir. Keine Ahnung was du ihr getan hast!“ Jojo zuckt mir mit den Schultern und wirft den nächsten Korb. Flo und Tim haben mittlerweile auch aufgegeben. „Ich hab ihr gar nichts getan!“, verteidigt Jojo sich, „Eigentlich will sie mich, sie ist nur zu frustriert es zu erkennen. Keine Frau kann mir wiederstehen!“ „Carlo kannst du mal kurz rüber kommen?“ ruft Kody zu uns rüber. Genauso wie die Jungs, drehe ich meinen Kopf zu ihm um. Und als ich sehe wer da neben ihm steht, kommt mir mein Mittagessen fast wieder hoch. Was will die denn hier? Neben Kody steht Jessica. In engen Jeans, dunkeln Stiefeln mit hohem Absatz und einem schwarzen Mantel. „Ist das nicht Jessica?“, fragt Jojo und schaut mich mit großen Augen an. Ohne ihm zu antworten lasse ich die Jungs stehen und jogge zu Kody rüber. Na toll, jetzt kann ich gleich auch noch Danju erklären was Jessica hier macht. Dabei wollte ich eigentlich, dass niemand erfährt wer sie ist und was mal zwischen uns lief. Das würde nur zu noch mehr Komplikationen führen und im Moment hab ich schon mehr als genug Baustellen in meinem Leben. Aber natürlich weiß Danju wer sie ist. Und Lucca auch. Aber der schien sie nicht erkannt zu haben. Noch nicht. „Was gibt’s?“, frage ich und lehne mich gegen den kühlen Gitterzaun, der die Sound-Insel eingrenzt. „Jessica hat die ersten T-Shirts vorbei gebracht!“, erklärt Kody mir. Kurz werfe ich Jessica einen Blick zu. „Ich wollte, dass ihr sie so schnell wie möglich bekommt!“, sagt sie hektisch und ich nicke nur. Kurz schaue ich mir die Shirts an, sie sind gut geworden. Natürlich sind sie gut geworden, immerhin habe ich sie ja auch entworfen und ausgesucht und Jessicas Firma musste sie nur noch drucken lassen. Das hätte sogar Toni ohne Probleme hin bekommen. „Die sehen gut aus!“, stelle ich fest und sehe wie sich ein riesengroßes Strahlen auf Jessicas Gesicht bildet. Kody hat sich ein wenig von uns weg gedreht und quatscht mit Stephen. „Wie geht es dir? Du siehst nicht so gut aus?“, fragt Jessica und es klingt ehrlich besorgt. Kurz liegt mir auf der Zunge ihr zu antworten, aber dann fällt mir wieder ein, dass sie es überhaupt nichts angeht. Ich spüre wie sie ihre Hand auf meine legt, die auf dem Gitter ruht. Sofort ziehe ich meine Hand weg und schaue sie irritiert an, was geht denn jetzt hier ab? „Was soll das?“, zische ich sie an und versuche dabei so leise zu sein, dass Kody mich nicht hört. Jessica sieht mich enttäuscht an und ich kapier nicht, wieso sie mich jetzt so blöd an glotzt. "Sorry ich habe nur gedacht, du wolltest vielleicht reden oder so? Wenn du Lust hast kannst du gerne mit zu Hannah kommen, sie feiert ihren Geburtstag. Um der alten Zeiten willen.“ Ganz bestimmt nicht! Erst recht nicht zu dieser Schlampe Hannah! Diese blöde besten Freundin, die mir das Leben während Jessicas und meiner ‚Beziehung‘ zur Hölle gemacht hat. Die Alte konnte man einfach keine drei Sekunden ertragen. Schnell schicke ich ein stilles ‚Dankeschön‘ in Richtung Himmel für Sarah. Im Vergleich zu Hannah ist Sarah einfach nur eine richtig coole Socke. Ich feiere sie übermäßig. Wahrscheinlich wären wir sogar befreundet, selbst wenn Kathi und ich nicht zusammen wären. Ich mag ihre entspanne und lässig Art und das man sich wirklich immer auf sie verlassen kann. Natürlich hat sie auch ihre Macken, aber wer hat die nicht? Meine Gedanken wandern zu Kathis und meinem Streit von Weihnachten. Eigentlich hatte ich alles was ich gesagt habe, gar nicht richtig ernst gemeint. Aber ich musste Jojo ja wohl vor ihr verteidigen, immerhin ist er meine Brudi. Und darüber geht nun mal nichts. Auch wenn Sarah sonst richtig korrekt ist. Bruder vor Luder, das steht über allem. Selbst über der besten Freundin meiner Ehefrau. „Nee, ich hab schon was vor.“, sage ich und deute mit dem Daumen in Richtung der Jungs, „Wir haben schon was vor!“ Jessica schaut an mir vorbei in Richtung der Jungs. „Sind das etwa Lucca und Johannes?“, fragt sie neugierig. „Jap!“, antworte ich kurz angebunden und bin insgemein dankbar, als sie keine Anstalten macht zu den beiden Jungs rüber zu gehen. Was vielleicht damit zusammenhängt, dass die Jungs nie so ganz nett zu ihr waren. „Ich fand es wirklich schön, dich wiederzusehen. Ich freu mich auch schon mega auf dein Konzert, ich komm sogar schon zu dem hier in Stuttgart. Ich find das so supi was du da geschafft hast!“, strahlt sich mich an. Es kostet mich alle Mühe nicht die Augen zu verdrehen und ich nehme mir fest vor, Kody damit zu beauftragen eine neue Druckerei für den nächsten Merch Druck zu suchen. „Du ich muss jetzt auch wieder los, wir müssen noch was wegen der Tour besprechen! Hau rein!“, verabschiede ich mich von ihr und verschwinde so schnell wie ich kann wieder zurück zu den Jungs. Ich habe keinen Nerv, mir ihr Gequatsche noch länger reinzuziehen. Sie tut sowieso schon viel zu viel so, als wäre nichts gewesen! Das nervt mich! Wir sind heute keine Freunde und ich will auch nichts mehr mit ihr zu tun haben. Wieso kapiert die das denn nicht? Und wieso grabscht die mich dann noch so komisch an? Alter. Ich werfe einen Blick auf meine Uhr, mittlerweile ist es schon halb acht. Dabei wollte ich eigentlich heute noch meinen Wagen abholen. „Wer war das?“, fragt Psaiko, als ich wieder zurück bei den Jungs bin. „Nur die Tante von der Druckerei für die Shirts!“, sage ich kurz angebunden und wende mich an Jojo. „Kannst du mich vielleicht zu Mercedes fahren. Ich muss noch meine Karre abholen!“, Jojo nickt. Zehn Minuten später haben wir uns von den Jungs verabschiedet und sitzen in Jojos Golf. „War das vorhin echt Jessica?“, fragt Jojo noch bevor ich überhaupt den Anschnallgurt fest gemacht habe, „Also die Übergangsschlampe Jessica?“ Soll ich jetzt lachen oder genervt stöhnen. Nur Jojo hat diese Gabe etwas komplett und über krass nerviges, doch noch irgendwie lustig zu machen. „Ja, das war Jessica. Die arbeitet für die Druckerei und kommt jetzt immer persönlich vorbei!“ „Uh!“, pfeift Jojo durch die Zähne und grinst mich an. „Alter hör bloß auf!“, meckere ich ihn an und lasse mich in den Sitz zurück fallen, „die Alte nervt mich sowas von sehr. Keine Ahnung was sie will.“ Jojo schaut mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Was?“, fahre ich ihn an. „Nichts, ich finds nur ziemlich komisch, dass sie jetzt auf einmal auftaucht!“, sagt Jojo beschwichtigend. Ich nehme meine Cap vom Kopf und fahre mir mit den Fingern durch die Haare. „Keinen Plan was sie will, ich weiß nur das sie mich bloß in Ruhe lassen soll. Ich hab keinen Bock auf sie und es muss auch niemand wissen das da mal was lief!“ Auch wenn ich eigentlich nicht wollte, dass irgendjemand von meiner Vergangenheit mit Jessica erfährt, tut es gut mit jemandem darüber zu sprechen. Und immerhin wusste Jojo, ja eh schon Bescheid. „Weiß Kathi davon, dass deine Ex-Freundin mit Chimp zusammenabreitet?“, fragt Jojo und biegt auf den Parkplatz der Mercedes Niederlassung ein. Mit seiner Frage trifft er genau ins Schwarze. Ich schnaube durch die Nase. „Natürlich nicht, sie ist schon so krass wegen Amanda aus geflippt, das kann ich mir nicht nochmal geben.“, sage ich gequält, Jojo nickt wissend. Nach der ganzen Aktion mit Kathi und Amanda hatten wir wieder mal einen unserer legendären Wodka-Abende. „Du musst es ihr ja auch nicht sagen. Kody soll einfach da anrufen und sagen, dass wir nen anderen Ansprechpartner haben wollen oder sowas in der Art!“, überlegt Jojo und fuchtelt wild mit seinen Hände umher. Wenn das nur so einfach wäre, aber wenn ich Kody darum bitten würden, würde er auch wissen wollen, was ich für ein Problem mit Jessica habe. Naja Kody könnte ich es ja eigentlich sagen, der würde Kathi schon nichts erzählen. „Mal schauen!“, beende ich das Thema für heute Abend und greife nach dem Türgriff. „Danke fürs bringen Brudi! Wir sehen uns morgen!“, bedanke ich mich bei Jojo und wir verabschieden uns mit einem Ghettocheck. „Hauste und stay fresh!“ Ich schultere meine Rucksack und stapfe durch den frisch gefallenen Schnee in Richtung Eingang, können die hier nicht mal den Schnee weg schaffen oder kann es nicht einfach mal aufhören zu schneien, dieses ganze weiße Zeug geht mir schon ziemlich krass auf die Nerven. Als ich das Autohaus betrete, schlägt mir warme Heizungsluft entgegen und sofort kommt ein komischer Mercedestyp in Anzug auf mich zu. „Guten Abend Herr Waibel, wie kann ich Ihnen helfen?“, fragt er und streckt mir die Hand entgegen. Ich schüttele sie und antworte, „Ich wollt meinen Wagen abholen und ich hätte da nochmal eine kleine Bitte, ich brauch noch ein Auto!“ Der Typ hebt kurz seine Hornbrille an und deutet dann in Richtung seines Schreibtischs, „Natürlich, wenn sie sich noch kurz setzen wollen, dann sage ich kurz dem Chef Bescheid. Wollen sie was trinken?“ Ich steure meinen Wagen durch das nächtliche Stuttgart und weiß schon gar nicht mehr richtig wo ich bin und wie lange ich schon durch die Gegend fahre. Durch mein Soundsystem dröhnt LAX von Game und meine Scheibenwischer haben einiges damit zu tun, den ganzen Schnee von meiner Windschutzscheibe fern zu halten. Es fühlt sich gut an endlich wieder in meinem eigenen Auto zu sitzen. Neben mir auf dem Beifahrersitz steht ein kleiner Karton, in den die Typen von Mercedes alles reingepackt haben, was sie in meinem Wagen gefunden haben. Einen einzelnen Nike Schuh, diverse Barbie Brüsten und Schuhe, ein Bilderbuch und Emils Kuschelschildkröte, die wir vor Weihnachten wie verrückt gesucht haben. Ich weiß nicht warum, aber ich will noch nicht nach Hause. Meine Gedanken scheinen mich innerlich zu erdrücken und ich kann es irgendwie gerade nicht ertragen unter Menschen zu sein. Vielleicht will ich auch gerade nur nicht nach Hause um Kathi nicht zu sehen. Sie würde sofort merken, dass wieder irgendwas nicht stimmt und ich kann mir ihre Fragerei im Moment einfach nicht geben. Ich kapier im Moment selbst nicht was mit mir los ist. Wieso ich mich ständig so komisch fühle und eigentlich gar keinen Bock mehr auf nichts habe. Mich kotzt einfach nur noch alles an. Der ganze Pressestress, die Tour-Planung, das ganze Zeug bei Vio so kurz vor der Modemesse und oben drauf Kathis ständige Fragen was mit mir los ist und warum ich mich so komisch verhalten würde. Wieso können mich nicht einfach mal alle in Ruhe lassen. Am liebsten würde ich mich für die nächsten Wochen einfach nur in den Keller bei meiner Ma verkriechen, Musik machen und den halben Tag pennen. Genau das brauche ich jetzt. Vielleicht wüsste ich dann auch wieder mal was ich wirklich will. Ob sich der ganze Mist überhaupt noch lohnt und wenn wofür überhaupt. Was bringt mir diese ganze Ackerei denn überhaupt? Kohle? Fame? Davon hab ich mittlerweile mehr als genug. Genug um Toni und Emil ein gutes Leben zu ermöglich. Beim Gedanken an meine beiden Kinder zieht sich mein Herz schmerzhaft zusammen. Während unseres Urlaubs in Dubai hab ich erstmal wieder gemerkt wie sehr ich die beiden vermisse und wie viel ich wirklich verpasse, wenn ich wieder mal lange unterwegs bin. Ist es das wert? Musik zu machen und sich von tausenden Fans feiern zu lassen, dafür aber die halbe Kindheit der beiden zu verpassen. Will ich das noch? Gelegentlich gibt es Tage an denen bin ich richtig eifersüchtig auf Kathi, darauf, dass sie jeden Tag mit den beiden zu Hause sein kann und alles hautnah miterlebt. Einfach ihren Alltag mit den Kindern teilen kann. Sie wird sich nicht irgendwann Fragen anhören müssen wie „Warum warst du nie da?“ „Wieso hattest du keine Zeit?“ oder „War die Arbeit wichtiger als wir?“ Nein, denn sie hat verdammt nochmal alle Zeit der Welt mit den beiden und erlebt alles mit. Während ich durch die Welt toure. Und eigentlich war das für mich immer in Ordnung, aber in den letzten Monaten zweifele ich immer öfter daran, ob ich mein Leben wirklich so weiter leben will. „Fuck!“, entfährt es mir und mein Wagen gerät für einen Moment ins Schlingern. Ich werfe einen Blick auf die Uhr in meinem Armaturenbrett und stelle überrascht fest, dass es schon zwanzig vor zwölf ist. Fahre ich wirklich schon seit drei Stunden ziellos durch die Gegend? In mir macht sich das schlechte Gewissen breit und ich beschließe, dass es vielleicht doch langsam mal Zeit ist nach Hause zu fahren. Kathi macht sich bestimmt schon Sorgen um mich. Leise schließe ich eine viertel Stunde später die Wohnungstür auf und versuche so lautlos wie möglich meine Jacke und Schuhe aus zu ziehen. Es ist völlig dunkel in der Wohnung, ich bin ekelhaft erleichtert, dass Kathi nicht auf mich gewartet hat und ich also auch nicht mit ihr sprechen muss. Vorsichtig schleiche ich mich über den Flur in Richtung der Kinderzimmer, wie immer sind die Türen nur angelehnt. Mit einem kleinen Stoß schiebe ich die Tür zu Tonis Zimmer auf. Der Raum ist in einen warmen Rosa-Ton getaucht, der von dem kleinen Nachlicht über ihrer Kommode kommt. Toni liegt ausgestreckt auf ihrem Rücken und atmet ruhig vor sich hin. Ihre Decke ist ihr bis zur Taille runter gerutscht. Behutsame decke ich sie wieder zu, beuge mich zu ihr runter und drücke ihr einen Kuss auf die Stirn. Sie sieht so friedlich und unbeschwert aus, wenn sie schläft. In mir macht sich eine unvorstellbare Wärme und Liebe breit, die ich auch knapp drei Jahre nach ihrer Geburt noch immer nicht erklären kann. Ich kann nicht wiederstehen ihre ein paar Strähnen aus dem Gesicht zu streichen, die ihr im Schlaf in die Stirn gefallen sind. Als meine Finger ihr Gesicht berühren, beginnen ihre Augenlieder zu flattern. Na toll jetzt hab ich sie aufgeweckt, super gemacht Carlo. Müde blinzelt Toni mich aus zusammengekniffenen Augen an. „Papa?“, fragt sie mit belegter Stimme. Ich beuge mich noch einfach zu ihr runter und streiche mit meinen Fingern über ihre Wange, „Pscht, alles gut. Papa ist da! Schlaf weiter!“, beruhige ich sie und zu meiner Überraschung, schließt sie sofort wieder ihre Augen und ist im nächsten Moment eingepennt. Leise schleiche ich mich aus ihrem Zimmer und werfe auch einen Blick in Emils Zimmer, die blaue Karusselllampe wirft bunte Fische an seine Zimmerwände und auch er scheint tief und feste zu schlafen. Plötzlich fängt mein Magen an zu knurren und ich beschließe noch einen kurzen Abstecher in die Küche zu machen, bevor ich mich auch endlich ins Bett haue. Ich mache extra das Licht nicht an und versuche mir so leise wie möglich ein Brot, im Schein des Kühlschranklichtes, zu schmieren. Als ich den Käse zurück in den Kühlschrankstelle, erspähe ich einen Teller mit Muffins neben dem Joghurt. Sarah und Kathi scheinen mit den Kindern gebacken zu haben. Gerade als ich mich mit meinem Brot und den Muffins vor den Fernseher hauen will, geht in der Küche das Licht an. Überrascht drehe ich mich um und erspähe Kathis verschlafenes Gesicht. Sie steht nur in einem meiner Shirts, Unterwäsche und dicken Wollsocken mit vor der Brust verschränkten Armen im Türrahmen und schaut mich müde an. „Was machst du? Wo warst du?“, fragt sie schläfrig und reibt sich die Augen. Ich lege mein Brot zur Seite und kann mir ein Lächeln nicht verkneifen, sie sieht so verdammt süß aus wie sie da steht. Egal wie krass sie mir im Moment manchmal auf den Geist geht, ich liebe sie trotzdem und im Moment sieht sie einfach nur zum Anbeißen aus. Aber wenn ich ihr jetzt erzähle, dass ich gerade drei Stunde durch Stuttgart geirrt bin, weil ich nicht weiß wie unsere Zukunft aussieht, komme ich heute nicht mehr ins Bett, das kann ich heute einfach nicht mehr. „Ich war noch mit Jojo bei Mercedes meinen Wagen abholen und dann mit ihm und Caïd noch was Essen.“, lüge ich also und beiße von meinem Brot ab. „Bis gerade eben?“, fragt Kathi misstrauisch und kommt ein paar Schritte auf mich zu. „Ja, wir haben noch ein paar Ideen für Jojos Album durch die Gegend geschmissen und dann ist es ziemlich spät geworden!“, erkläre ich ihr, „Komm, Baby, lass uns ins Bett gehen, der Tag war lang genug!“ Ich mache einen Schritt auf Kathi zu und strecke meine Hand nach ihr aus, aber zu meiner Überraschung weicht Kathi zurück. „Komisch, weil ich hab vorhin mit Jojo telefoniert und er hat gesagt, dass er dich um halb acht bei Mercedes abgesetzt hat und dann nach Hause ist!“, offenbart Kathi mir. Fuck, die Aktion ist ja mal völlig nach hinten losgegangen, Shit. Ich bin für einen Moment so perplex, dass ich nichts sage. „Wo warst du?“, wiederholt Kathi ihre Frage von gerade und schaut mich misstrauisch an. Ich lasse meine Schulter ein Stückchen hängen. „Baby, müssen wir da jetzt drüber reden. Ich hab echt keinen Bock zu diskutieren. Ich will nur noch ins Bett!“, versuche ich die Diskussion auf morgen zu verschieben und sehe Kathi müde an. Aber in ihren Augen flackert etwas Gefährliches auf. „Natürlich müssen wir da jetzt drüber reden, du bleibst die halbe Nacht weg und willst mir nicht sagen wo du warst und jetzt sollen wir einfach ins Bett gehen, als ob nichts wär. Was ist los mit dir Carlo? Was stimmt nicht? Rede mit mir! Du hast doch irgendwas?“, plappert Kathi auf mich ein und sieht mich aus ihren großen, blauen Augen traurig an. Immer diese ganzen Fragen, manchmal kommt es mir vor, als wenn ich mit der Stasi verheiratet bin. „Vielleicht würde es mir wesentlich besser gehen, wenn du mich mit deiner verdammten Fragerei einfach mal in Ruhe lassen würdest. Ich hab keinen Bock hier immer wer wird Millionär zu spielen, wenn ich nach Hause komme und deinen ganzen Fragen zu beantworten! Das nervt tierisch!“, motze ich sie an. Für einen kurzen Moment tut es gut mal Dampf abgelassen zu haben, auch wenn Kathi dafür eigentlich die komplett falsche Adresse ist. Und als ich erkenne wie ihr dicke Tränen über die Wange laufen, bekomme ich sofort ein schlechtes Gewissen und es tut mir mega leid, sie so an gefahren zu haben. „Baby, es tut mir leid. Das war nicht gemeint. Ich weiß auch nicht, was mit mir los ist!“, entschuldige ich mich sofort bei ihr und schließe den Abstand zwischen uns beiden. Aber Kathi hebt nur abwehrend die Hände, noch immer laufen ihr Tränen über die Wange. „Nein, lass mich!“, fordert sie schluchzend und weicht bis in den Flur zurück. „Ich schlaf heute Nacht mit bei Toni!“, lässt sie mich wissen und verschwindet komplett im dunklen Flur. „Fuck!“, bringe ich unterdrückt hervor und pfeffere einen der Schoko-Muffins mit voller Wucht gegen das Küchenfenster.
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45. Sarah
Carlo „Hab ich dir schon gesagt, dass du der Beste bist?“, fragt Kathi mich lächelnd und lehnt sich neben der Kaffeemaschine an die Küchenzeile. Ich versteh nicht wie sie so früh am Morgen schon so gut gelaunt sein kann? Müde gähne ich und fahre mir mit der flachen Hand übers Gesicht, es ist eindeutig noch viel zu früh. Die Sonne ist noch nicht mal aufgegangen und das einzige, was ich draußen erkennen kann, sind ein paar einsame Schneeflocken die durch die Luft tanzen. Ich kann kaum glauben, dass unser Urlaub wirklich schon vorbei ist und wir zurück in Stuttgart sind. Und das sogar schon seit zwei Tagen. Aber erst ab heute geht es wieder richtig rund, die Proben für meine Tour fangen an und Toni muss wieder in den Kindergarten. Wobei heute erstmal ein Ausflug ansteht. Schön mit Mama und Oma ins Museum, hätte ich an Tonis Stelle ja auch über Bock drauf. Komischer Weise fühle ich mich nach der einen Woche Urlaub, sogar wirklich ein wenig entspannter. Es hat gut getan mich einfach mal nur um Kathi und die Kinder kümmern zu müssen und sonst den ganzen Tag ziemlich hart mein Leben zu chillen. Ich konnte mal richtig los lassen und den ganzen Stress vergessen. Jetzt muss ich es nur noch irgendwie schaffen, den Stress nicht wieder zurück in mein Leben zu lassen. Wobei das wahrscheinlich schwieriger wird, als ich es mir vorstelle. „Soll ich dir was zum Frühstück machen?“, holt mich Kathis Stimme aus meinen Gedanken zurück ins hier und jetzt. Erwartungsvoll schaut sie mich an und ich schüttele den Kopf. „Nein Baby, ich frühstücke gleich mit Emil zusammen! Jetzt chill‘ doch mal und setz dich hin!“, fordere ich sie auf und klopfe auf den Stuhl neben mir. Ich sitze nur in Boxershorts und T-Shirt am Küchentisch und nippe an meinem Kaffee, eigentlich ist das überhaupt nicht meine Aufstehzeit, aber weil Kathi und Toni sich gleich schon auf den Weg machen, meine Mutter vom Bahnhof ab zu holen, bin ich schon vor sieben Uhr mit Kathi zusammen aufgestanden. Im Gegensatz zu mir, hat Kathi heute jedoch schon deutlich mehr geschafft. Sie steht frisch geduscht und fertig angezogen in dunklen Jeans, einem einfach weißen Shirt unter einem mega großen grauen Strickcardigan und ihren bescheuerten schwarzen UGGs vor mir. Ich hasse die Teile, die sehe nämlich sogar an Kathi scheiße aus. Das sind echt die Adiletten für Basic White Girls. Aber egal wie sehr ich Kathi auch bequatsche, dass sie sich von den blöden Dingern trennen soll, es klappt einfach nicht. Nein sie kauft sich sogar jeden Winter noch ein neues Paar. Dieses Jahr mussten es unbedingt welche mit so ner komischen Schleife hinten dran sein und natürlich brauchte Toni die gleichen auch. Mit einer Schüssel Obstsalat und ihrer dampfenden Kaffeetasse, kommt Kathi zu mir rüber und lässt sich auch an den Tisch sinken. „Ich freu mich einfach so auf heute!“, strahlt sie mich an und schiebt sich einen Löffel Obst in den Mund. Ihr Lächeln ist so ansteckend, dass ich trotz der frühen Stunde, auch lächeln muss. „Freust du dich etwa schon so sehr aufs Kindermuseum?“, frage ich sie und tue unwissend. Kathi schubst meinen Arm ein bisschen zur Seite und verdreht die Augen. „Nein!“, sagt sie lang gezogen und verdreht die Augen. „Warum freust du dich denn so übermäßig? Daran, dass du einen so gut aussehenden Mann hast kann es ja nicht liegen, oder?! Du siehst mich ja jeden Tag!“, frage ich weiter und bringe Kathi jetzt noch mehr zum Lachen. Ich freue mich, dass ich sie so sehr zum Lächeln bringen kann, auch wenn ich weiß, dass ich heute ausnahmsweise Mal nicht der Grund für die glückliche Stimmung meiner Frau bin. Ach ja Selbstüberschätzung ist schon was Feines. „Heute kommt Sarah wieder!“, verkündet Kathi, als wenn sie nicht schon seit Anfang Dezember die Tage runter zählen würde. „Ach wirklich?“, tue ich verwundert und stibitze mir eine Traube aus ihrer Schüssel. „Danke, dass du sie abholst!“, sagt Kathi etwas ernster zu mir und lehnt sich über den Küchentisch um mich zu küssen. Ich nehme ihr Gesicht zwischen meine Hände und erwidere den Kuss. „Nicht dafür Baby!“, murmele ich an ihren Lippen, als ich mich langsam wieder von ihr löse und Kathi sich zurück auf ihren Platz fallen lässt. „Wann müsst ihr eigentlich los?“, will ich von Kathi wissen und werfe einen Blick über meine Schulter ins Wohnzimmer, um zu sehen ob Toni im Wohnzimmer spielt. Die großen Schiebentüren, die das Wohnzimmer und die Küche miteinander verbinden sie komplett aufgeschoben, aber mehr als den erleuchteten Tannenbaum und mein Klavier erkenne ich nicht. Wann will Kathi das Ding eigentlich endlich mal abbauen, Weihnachten ist schon fast zwei Wochen her? „Deine Mama kommt um kurz vor acht am Hauptbahnhof an und ich hab ihr gesagt, dass wir sie da abholen. Also wollte ich hier so um halb acht weg. Damit sie nicht warten muss!“, erklärt Kathi mir. Natürlich hat sie für einen Weg von zehn Minuten wieder eine halbe Stunde eingeplant, damit sie auch ja nicht zu spät kommt. Manchmal ist sie wirklich verrückt. Nicht bescheuert verrückt, sondern einfach auf ihre ganz eigene Art und Weise verrückt. Kathiverrückt halt. „Wann kommt Jojo euch denn abholen?“, erkundigt Kathi sich und hält mir einen Löffel voller Obst entgegen. „Ich hab ihm gesagt, dass er so um viertel nach acht hier sein soll. Damit er dann auch wirklich um neun da ist!“, antworte ich ihr mit vollem Mund. Wenn einer genauso schlecht pünktlich sein kann wie ich, dann ist es Danju und weil ich nun wirklich will, dass Sarah nicht alleine am Flughafen steht, musste ich meinen besten Kumpel vielleicht ein bisschen anflunkern. „Du Fuchs!“, grinst Kathi, steht auf und stapelt unsere Tassen und ihre Obstschale. „Ich hätte nicht gedacht, dass Jojo wirklich mit kommt, wenn du ihn fragst, ob ihr zusammen Sarah abholen könnt!“, überlegt Kathi laut und räumt das Geschirr in die Spülmaschine. Etwas nervös fahre ich mir durch die Haare und bin in dem Moment ziemlich froh, dass sie mich gerade nicht anguckt. „Ja, er meinte es wäre kein Problem!“, sage ich ausweichend und stehe auch auf. Wenn man es genau nimmt, weiß Danju nämlich noch gar nicht, dass wir Sarah vom Flughafen abholen. Ich hab ihn nur gefragt, ob er mit mir zusammen jemanden vom Flughafen abholen könnte. Verplant wie er ist, hat er nicht gefragt wen. Denn ich bin mir ziemlich sicher, dass er sich nicht so früh aus dem Bett quälen würde, wenn er wüsste, dass es sich bei der Person um Sarah handelt. „Ich geh mal duschen!“, sage ich und deute in Richtung Flur. Bevor Kathi auch noch irgendwas sagen kann bin auch schon verschwunden. „Wer kommt heute nach Hause?“, höre ich Kathis Stimme fragen, als ich eine halbe Stunde später frisch geduscht und bereit für den Tag, auf Socken den Flur entlang laufe. Ihre Stimme kommt eindeutig aus Emils Zimmer. „Sari!“, höre ich Tonis aufgeregt Stimme sagen und bleibe für einen kurzen Augenblick im Türrahmen stehen, als ich das Bild vor mir sehe. Kathi steht vor Emils Wickelkommode und ist gerade dabei den Kleinen an zu ziehen, während Toni neben Emils Kopf sitzt und ihm mit einer Babybürste die braunen Haare durch bürstet. „Genau Motte, Sarah!“, pflichtet Kathi ihr bei und streicht ihr über den Kopf. „Mama und Sarah kenne sich schon seit wir so klein waren wie du!“, erzählt Kathi ihr mit einer ruhigen Stimme und einem glücklichen Lächeln auf den Lippen. Toni scheint über dieses Statement ziemlich verwirrt zu sein, es scheint ziemlich in ihrem kleinen Köpfchen zu rattern, immerhin ist es wahrscheinlich schwer vorstellbar, dass ihre Mama auch mal so klein war, wie sie. Aber Kathi lächelt einfach nur weiter und knöpft Emils kariertes Hemd zu. Ich kann sie gut verstehen, dass sie sich so sehr auf Sarah freut, immerhin habe ich Jojo während seiner zwei Auslandsemester in Barcelona auch über doll vermisst. So doll, dass ich sooft es ging nach Barcelona geflogen bin, um mit ihm ab zu hängen. Es geht einfach nichts über einen besten Freund. Und wenn ich ehrlich bin, freue ich mich sogar auch ein bisschen auf Sarah. Sie ist echt richtig nett und erinnert mich in vielerlei Hinsicht an Kathi. Aber am meisten freue ich mich eigentlich für Kathi. Die letzten eineinhalb Jahre ohne Sarah waren für sie echt nicht immer leicht, für beide nicht. Zwar haben die beiden täglich mit einander geschrieben, Sarah war alle paar Monate mal wieder hier und wir haben sie sogar zwei Mal in Boston besucht, trotzdem ist das nicht das Gleiche. Besonders in letzter Zeit hätte Kathi sie wirklich gebraucht und Sarah vielleicht auch Kathi, immerhin hat sie sich von ihrem komischen Ami-Schnösel-Freund getrennt. Ich persönlich fand den Typen ja schon immer scheiße, so ein richtig hochnäsiger ‚ich bin besser als ihr alle‘ Arzt aus irgendeinem verkackten Vorort von New York. Mein Bankkonto hat trotzdem sieben Stellen mehr als seins. Ha. Ich schüttele über mich selbst den Kopf, solche Gedanken kenne ich gar nicht von mir. Aber vielleicht kommt es daher, dass bei Sarah einfach mein Beschützerinstinkt wach wird, immerhin ist sie Kathis beste Freundin Und bei Frauen ist das ja so voll komisch, wenn es der besten Freundin nicht gut geht, dann geht es der anderen auch nicht gut. Versteh einer die Frauen. Ich stell mir gerade vor wie das bei Danju, Lucca und mir wäre. Das ging nicht. „Papa! Sari kommt wieder!“, verkündet Toni jetzt auf geregt, als ich das Zimmer durchquere und mich an die Gitterstäbe von Emils Bett lehne. „Ich weiß, Kröte!“, antworte ich und ziehe sie auf meinen Arm. „Ich freu mich!“, verkündet Toni und bringt Kathi und mich damit beide zum Grinsen. „Ich mich auch, Kröte!“, sage ich ehrlich und drücke ihr einen Kuss auf den Haaransatz. „Darf Sari bei mir schlafen?“, fragt Toni mit hoffungsvoller Stimme und schaut mich aus ihren großen Augen an. Ich muss immer noch darüber grinsen, dass Toni Sarah ‚Sari‘ nennt. Wenn das irgendjemand außer ihr sagen würde, würde die Person sich wahrscheinlich eine einfangen. Aber Toni darf das. „Sarah wohnt erstmal bei uns, Toni!“, erklärt Kathi der Kleinen, „Und dann kannst du jeden Abend mit Sarah eine Schlafparty machen!“ Bei dieser Vorstellung fangen Tonis Augen total an zu strahlen und sie klatscht verzückt in die Hände. Mit Emil auf dem Arm stehe ich im Flur und beobachte Kathi dabei, wie sie auch Toni die komischen UGGs anzieht. Fröhlich brabbelt Emil vor sich hin und zieht an der Kapuze meines Supreme Sweater. „Mamamamamam!“, sagt er immer wieder und schaut dabei Kathi an. Manchmal frage ich mich, wann er endlich anfängt ‚Papapapapap‘ zu sagen. Immerhin hat er es auch schon geschafft ‚Ball‘ zu sagen. Aber mehr als ‚Ball‘, ‚Mamamam‘ und ‚Da‘ bekommt er noch nicht so wirklich auf die Reihe. Trotzdem bin ich froh, dass sein erstes Wort nicht ‚Mama‘ war. Ich mag es einfach nicht zu verlieren. „Tschüss mein Schatz!“, verabschiedet Kathi sich von Emil und drückt ihm einen Kuss auf die Wange, danach dreht sie sich zu mir und küsst meine Lippen. „Denk dran, Sarah landet um zehn und ich bin spätestens um zwei wieder hier!“, plappert sie und ich küsse sie einfach nochmal, damit sie die Klappe hält. „Baby, ich schaff das schon. Ich bin schon groß!“, erkläre ich ihr und bringe sie so zum Lächeln. Ich bücke mir kurz und ziehe Toni zu mir ran. „Bestell der Oma ganz liebe Grüße von mir und sei brav!“, befehle ich Toni und drücke ihr dann auch einen Kuss auf die Stirn. Toni umarmt mich für einen kurzen Moment und sagt dann, „Okay Papa, Tschüss!“ Lächelnd guck ich meinen beiden Frauen nach. Als die Tür hinter ihnen ins Schloss fällt, drehe ich meinen Kopf zu Emil, „So und wir gehen jetzt erstmal frühstücken!“ Emil quittiert meinen Vorschlag mit einem undefinierbaren Laut und klatscht mir stattdessen seine kleine Patsche-Hand ins Gesicht. „Ich hab dich auch lieb, mein Sohn!“, erwidere ich und mach mich mit ihm zusammen auf den Weg in die Küche. Um viertel nach neun, schreibt Jojo dann auch endlich ‚Bin unten‘ Ein bisschen in Eile, ziehe ich Emil schnell seine Jacke an, ziehe meinen Rucksack auf und greife nach seinem Kindersitz, den Kathi extra noch gestern Abend hoch geholt habe. Voll bepackt rase ich die Treppe runter und reiße die Haustür auf. Jojo hat in zweiter Reihe mit seinem schwarzen Golf genau vor der Haustür geparkt, die Scheibe der Fahrertür ist runter gelassen. Er hebt seine Hand zum Gruß und schmeißt dann seinen Zigarettenstummel aus dem Fenster. „King Emil ist auch am Start!“, sagt er breit grinsend, haut die Handbremse rein und steigt dann doch aus dem Wagen aus. „Was geht!“, begrüße ich Jojo und umarme hin kurz. „Alter es ist mitten in der Nacht, fragst du mich das wirklich?“, jammert Jojo rum, während er Emil auf seinen Arm nimmt und ich die hintere Tür öffne um Emils Kindersitz auf der Rückseite zu befestigen. „Kumpel wir sind heute voll im Partnerlook!“ freut Jojo sich und klatscht sich mit Emil ab. Kurz werfe ich ihm einen Blick über meine Schulter zu und es stimmt, Jojo und Emil passen heute wirklich ziemlich nice zusammen. Jojos College Jacke hat die gleiche Farbe wie Emils Anorak und auch sein Mini-Beanie, passt zu Jojos roter Snapback. Ich höre Kathi in meinem Kopf sagen ‚Jojo hat so eine ganz komische Art, seine Snapbacks zu tragen, irgendwie sieht das bei ihm immer so ein bisschen komsich aus‘. Kurze Zeit später biegt Jojo in Richtung Flughafen ab. Aus den Boxen dröhnt Biggies Stimme und Emil schaut fröhlich aus dem Fenster und macht irgendwelche Autogeräusche nach, wenn wir an einem großen LKW vorbei fahren. Auch wenn es Winter ist, scheint die Sonne trotzdem ziemlich hell. Und ich bin froh, meine Sonnenbrille auf zu haben. „Wenn holen wir eigentlich ab?“, fragt Jojo nach der Hälfte der Fahrt. Davor hat er mir lang und breit von seiner Silvesternacht erzählt, die er zusammen mit Caid und Lucca in Barcelona bei alten Kumpels von uns verbracht hat. Naja also nicht mit den beiden, er war halt mit den beiden da und ist dann wohl mit irgendeinem Weib im Bett gelandet. Ich weiß nicht warum, aber irgendwie find ich da mein Spießer-Silvester mit Psaiko ein bisschen geiler. „Sarah!“, sage ich so leise ich kann und spiele unschuldig mit den Knöpfen des Radios rum. „Was?“, fragt Jojo und schaut kurz zu mir rüber, bevor er sich wieder auf die Straße konzentriert. „Sarah!“, wiederhole ich nur ein ganz kleines Bisschen lauter. Aber Jojo scheint mich verstanden zu haben. Denn für einen kurzen Moment gerät das Auto ins Schlingern und er schaut mich ungläubig an. „Dein Ernst, Alter?“, fragt er fassungslos und ich kann nicht richtig deuten, ob er angepisst oder total begeistert ist. Obwohl ich mal eher auf Ersteres tippen würde. „Kathi konnte sie nicht abholen und meine Karre ist in der Werkstatt!“, verteidige ich mich und sehe ihn von der Seite aus an. Jojo verdreht seine Augen und setzt den Blinker auf die Überholspur, „Du hättest dir auch einfach meine Karre leihen können, dafür muss ich doch nicht mega früh aufstehen. Damit die blöde Bodenseeprinzessin abgeholt werden kann!“, schnauft er wütend und ich halte mich an der Tür fest, weil Jojo so schnell einen Transporter überholt. Ich hab nichts gegen schnelles und mehr als offensives Fahren, ganz im Gegenteil, so fahr ich auch immer. Aber ich finde es eher semi-geil, wenn mein Sohn hinten im Auto sitzt und wir nicht in meinem Benz, sondern Jojos Golf sitzen. „Aber das wär doch nicht so cool gewesen! Wir drei Männer, ein Trip zum Flughafen, ist doch über cool!“, versuche ich Jojo auf zu heitern, aber es klappt nicht wirklich und er wirft mir nur einen mürrischen Seitenblick zu. „Ach komm schon Jojo, für Kathi. Sie freut sich den Arsch ab, dass Sarah heute wieder kommt!“, grinse ich ihn an und weiß, dass ich ihn mit dem Kathi Argument sofort bekommen. Jojo mochte Kathi schon immer. Als ich sie das erste Mal mit zu ner Party genommen habe, hat er zu mir gesagt, ‚Endlich schleppst du mal was Vernünftiges in blond an‘. „Wieso holt sie die Trulla, denn nicht selbst ab?“, herrscht Jojo mich an und setzt den Blinker, um die Ausfahrt zum Flughafen zu nehmen. „Weil sie mit Toni und meiner Mutter im Kindermuseum ist, da ist heute irgendwas von der Kita aus!“, erkläre ich ihm, so gut ich kann, denn wenn ich ehrlich bin hab ich schon wieder halb vergessen was da heute ab geht. Jojo quittiert das nur mit hoch gezogenen Augenbrauen und biegt dann ins Parkhaus ab. Ich werfe einen kurzen Blick auf meine Uhr, es ist viertel vor zehn. Also müsste Sarah theoretisch gleich landen. Mit Emil auf den Schultern laufe ich neben Jojo durch den ersten Terminal, Sarah kommt am Gate zwei an. „Wo wohnt sie jetzt eigentlich?“, fragt Jojo, nachdem wir eine Weile geschweigend nebeneinander her gelaufen sind. Ich glaub er ist noch immer wütend auf mich. Aber was soll ich machen, er beruhigt sich schon wieder. Er ist nun mal mein bester Freund und außerdem bin ich mir ziemlich sicher, dass er fast alles für Kathi tun würde. „Erstmal bei uns! Bis sie ne Wohnung gefunden hat. Sie macht ja ihr Anerkennungsjahr im Klinikum!“, erkläre ich ihm und nehme Emil von meinen Schultern. „Sie zieht bei euch ein? Wieso tust dir das denn an?“, fragt Jojo argwöhnisch. Ich atme tief und lehne meinen Kopf kurz in meinen Nacken. „Alter Danju, vielleicht weil sie Kathis beste Freundin ist!“, erinnere ich ihn. Jojo zuckt mit den Schultern, „Na und? Sie ist doch Ärztin, hat sie nicht genug Patte für n Hotelzimmer? Ich würd das nicht mit machen!“ Und genau deswegen bist du auch alleine und ich hab ne Familie. Natürlich würde ich das nie laut sagen, aber manchmal ist Jojo einfach so ein verdammter Dickkopf. „Jojo, du hast drei Monate bei uns im Gästezimmer gewohnt, nachdem du aus deiner WG geflogen bist, weil die komische Olle deinen Grasvorrat gefunden hat!“, erinnere ich ihn an die Situation von vor zwei Jahren und kann mir dabei ein Grinsen nicht verkneifen, „ Kathi hat nie gemeckert oder sich über dich beschwert und ich werd ganz bestimmt nichts dazu sagen. Wenn Lucca, Flo und du unser Gästezimmer regelmäßig als Zwischenlösung benutzen. Das machen Freunde so!“ Kurz tritt Stille ein und Jojo vergräbt seine Hände tief in den Taschen seiner Jeans. „Ich weiß gar nicht, warum du sie so sehr hasst!“, überlege ich laut, „Du magst Kathi doch auch und so verschieden sind die beiden gar nicht.“ Zweiflerisch schaut Jojo mich aus großen Augen an, „Also ich hab da jetzt noch nicht so viel Gemeinsamkeiten festgestellt. Aber man muss ihr lassen, dass sie nen ziemlich geilen Arsch hat!“ Bei seinem Kommentar müssen wir beide Grinsen und klatschen uns ab. Wir sind halt einfach nur Männer. Noch bevor ich Jojo darauf ansprechen kann, ob er etwa meiner Frau auf den Arsch guckt, kommen die ersten Passagiere aus dem Gate. Zwanzig Minuten später sind fast alle Passagiere weg und noch immer keine Spur von Sarah. Jojo sitzt mittlerweile auf einem der Heizungsrohre und tippt auf seinem Hany rum. „Bist du dir sicher, dass sie mit dem Flug gekommen ist?“, fragt er mich und zieht seine Snapback für einen kurzen Moment vom Kopf. Zur Sicherheit checke ich noch einmal die letzte Whatsapp von Kathi, natürlich hat sie mir Sarahs Flugdaten auch nochmal per Nachricht geschickt. Mein kleiner Kontrolle-Freak. „Flug LH 1368 aus London um zehn Uhr!“, lese ich laut vor. Jojo wirft einen prüfenden Blick auf die Fluganzeige über unseren Köpfen. „Das ist er! Aber vielleicht haben sie sie ja gar nicht wieder ins Land gelassen, so als Dienst an der Allgemeinheit!“, feigst Jojo und scheint sich tierisch über seinen eigenen Witz zu freuen. Aber gerade in diesem Moment, tritt Sarah durch die Schiebetüren. Suchend sieht sie sich um und lächelt als sie mich winken sieht. Sie sieht genauso aus, wie ich sie in Erinnerung habe, naja in sechs Monaten verändert man sich jetzt auch nicht so viel. Ihr lässiges Flugoutfit aus schwarzem Top, Leggins, Doc Martens und einem übergroßen bordeauxrotem Cardigan sieht so aus, als wenn sie sich heute Morgen noch mit Kathi abgesprochen hätte. Sie wirft sich die langen Haare über die Schulter und kommt auf uns zu. Sie sieht müde aus und ihre Mascara ist ein bisschen verschmiert, aber ihr glückliches Lächeln macht das alles wieder wett. Mich wundert es ein bisschen wie wenig Gepäck sie bei sich hat, dabei hat Kathi doch so einen Aufstand gemacht, dass auch bloß alles in Jojos Auto passt. Ich gehe ein paar Schritte auf sie zu und breite meine Arme aus. „Willkommen zu Hause!“, lächele ich und drücke sie ganz fest an mich. Sarah erwidert meine Umarmung. „Hey!“, sagt sie fröhlich, aber es klingt trotz ihrer Fröhlichkeit müde und abgekämpft. Als sie sich von mir löst, streckt sie sofort ihre Arme nach Emil aus und hebt ihn auf ihren Arm. „Hallo kleiner Mann!“, begrüßt sie ihn und drückt ihm einen Kuss auf die Wange, „Ich hab dich vermisst. Du bist so groß geworden!“ Sie knuddelt ihn und drückt immer wieder Küsse auf die Wangen. „Ich freu mich so wieder zu Hause zu sein!“, strahlt sie mich an und ich muss sie einfach nochmal in den Arm nehmen. „Wir freuen uns auch, dass du wieder da bist! Oder, Emil?“, versichere ich ihr und greife nach ihrem kleinen weißen Carry On. „Ich hab echt gedacht, du würdest mit mehr Zeug wieder kommen!“, sage ich nachdenklich. Sarah macht eine wegwerfende Handbewegung und sieht mich gequält an, „Hör bloß auf, die Trottel in London haben mein Gepäck in einen Flieger nach Berlin gesteckt. Die Koffer kommen erst übermorgen!“ „Geil!“, sage ich tonlos und drehe mich in Jojos Richtung, bis jetzt hat er sich ziemlich im Hintergrund gehalten. Mir bleibt Sarahs missbilligender Blick nicht versteckt, aber Jojo sieht auch nicht gerade begeistert aus. „Jojo ist unsere Mitfahrgelegenheit, meine Karre ist noch in der Werkstatt und Kathi hat den M!“, erkläre ich ihr und spreche extra so laut, dass Jojo mich auch hört. Sarah strafft ihre Schultern ein wenig, streicht sich eine paar Haare aus dem Gesicht und geht dann zu Jojo rüber. „Du auch hier Johannes!“, sagt sie tonlos und streckt ihre Hand aus. Niemand schafft es so Jojos Namen aus zu sprechen wie Sarah. Und niemand weiß besser als Sarah, wie sehr er es hasst Johannes genannt zu werden. Interessiert beobachte ich die Situation zwischen den beiden. Jojo lässt seine Hände demonstrativ in den Taschen seiner Jeans. „Haben sie dich also doch wieder reingelassen!“, stellt er fest und es klingt fast ein bisschen enttäuscht. Sarah lässt ihre Hand sinken und dreht sich zu mir um, „wollen wir los?“ Ich nicke und ziehe ihren Koffer hinter mir her. Jojo läuft neben mir, damit am meistmöglicher Abstand zwischen ihm um Sarah liegt. Ich weiß gar nicht was er hat. Wir bleiben vor Jojos Auto stehen und ich verfrachte Sarahs Koffer in den Kofferraum. „Willst du vorne sitzen oder mit Emil zusammen hinten?“, biete ich Sarah an und bedeute auf die Beifahrertür. Jojo ist schon längst eingestiegen. Sarah begutachtet Jojos schwarzen Golf skeptisch und scheint über mein Angebot nach zu denken. „Ich geh mit meinem Patensohn nach hinten!“, beschließt sie, kitzelt Emil ein bisschen am Kinn und steigt dann zusammen mit Emil auf der Rückbank ein. Als ich mich neben Jojo auf den Beifahrersitz fallen lasse, lehnt Jojo sich zu mir rüber. „Dafür schuldest du mir mindestens acht Beats!“, raunt er mir zu. Schweigend fährt Jojo aus dem Parkhaus, während Sarah und ich uns über ihren Flug und ihren Zwischenstopp in London unterhalten. „Kathi freut sich so sehr auf dich!“, grinse ich Sarah an und drehe mich ein bisschen zu ihr um. Sie sitzt in der Mitte und hat eine Hand auf Emils Kindersitz gelegt, weil der Kleine ihren Daumen nicht los lassen will. „Nicht so sehr wie ich! Ich kann es kaum erwarten!“, sagt Sarah aufgeregt. Von Jojo kommt nur ein abfälliges Geräusch, „Das letzte Jahr war auch schön. So entspannt!“ Sarah übergeht Jojos Kommentar einfach, rümpft aber ein wenig ihre Nase. „Was ist das eigentlich für ein komischer Geruch in deinem Auto? Hast du schon mal was davon gehört, dass man Stoffsitze auch reinigen kann?“, fragt Sarah Jojo und begutachtet kritisch die Rückseite der Sitze, „Weißt du was sich da alles einnisten kann? Für Emil ist das hier drin bestimmt nicht gesund!“ „Bleib mal cool Prinzessin, hier ist nichts im Auto was, hier nicht sein sollt. Das ganze Viehzeug wird schon vom Gras abgetötet!“, sagt er ganz lässig und verfährt von der Augenbahn runter. „Du kiffst also noch immer?“, stellt Sarah pikiert fest, „Du weißt schon wie viele Gehirnzellen das abtötet und du brauchst jede einzelne wirklich dringend!“ Ich beiße mir auf die Innenseiten meines Mundes, weil es einfach so witzig ist, Sarah und Jojo bei ihrem Schlagabtausch zu beobachten. Hätte ich doch nur eine Kamera. „Mach dir mal keine Sorgen Sari, ich hab das schon alles im Griff. Immerhin hab ich ja auch ein besser Abi als du hinbekommen und zwar High!“, Jojo wirft einen Blick in den Rückspiegel und zwinkert Sarah zu. Das kann ja noch heiter mit den beiden werden.
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44. Dubai
Kathi Ich beobachte Carlo wie er auf dem kleinen Bildschirm vor Tonis Platz rum tippt, damit die Kleinen einen Film gucken kann. Toni hat schon längst ein paar Kopfhörer auf dem Kopf, die eigentlich viel zu groß sind und starrt Carlo erwartungsvoll an. Da habe ich es schon um einiges leichter, Emil liegt auf dem Sitz neben mir und hat die Augen geschlossen. Markus und Marla sitzen eine Reihe vor uns und bekommen gerade ein paar warme Handtücher und Häppchen gereicht. Erste Klasse fliegen hat doch schon seine Vorteile. Wir sind schon seit fast zwei Stunden unterwegs und ich kann es kaum erwarten endlich in Dubai an zu kommen und das kalte Deutschland für eine ganze Woche zu vergessen. Mein Blick wandert wieder zu Carlo rüber, er und Toni sitzen auf der anderen Seite des Gangs, nach gestern Abend haben wir noch nicht wieder wirklich miteinander gesprochen. Der Morgen war mit frühem Aufstehen und dann dem ganzen Flughafenstress total vollgepackt und gestern Abend, war ich schon am Schlafen, als Carlo endlich ins Bett gekommen ist. Keine Ahnung wann er ins Bett gekommen ist, auf jeden Fall war er da, als ich um vier Uhr wieder aufgestanden ist. Ich versteh einfach nicht was mit ihm los ist, seine Stimmungsschwankungen sind schlimmer als jede Art von Schwangerschaftshormonen. Hoffentlich haben wir in Dubai mal die Chance über einiges in Ruhe zu reden und vielleicht kann Carlo ein wenig entspannen und Dampf ablassen. Ich würde ihm so gerne helfen und verstehen was mit ihm los ist, damit ich ihm irgendwie helfen kann, denn egal was es ist. Carlo fühlt sich im Moment nicht gut, dass spüre ich einfach. Und es macht mich einfach so traurig, dass er nicht mit mir über das redet, was ihn beschäftigt. Ich beiße mir auf die Unterlippe und versuche das schlechte Gefühl, wie so oft in den letzten Tagen, runter zu schlucken. Carlo scheint meinen Blick zu spüren, denn er hebt seinen Kopf und lächelt mich an. Sofort erwidere ich sein Lächeln und spüre das warme Gefühl in meinem Bauch, dass ich immer spüre, sobald er mich anschaut. Ich liebe ihn einfach so sehr. Er ist gerade dabei die Lautstärke für Tonis Film einzustellen. Als Toni zu stimmend lächelt, zwinkert er ihr zu und breitet eine der Flugzeugdecken über ihr aus. Ich weiß nicht, warum es im Flugzeug immer so kalt sein muss. Vor allem, wenn man in so ein warmes Land wie die Vereinigten Arabischen Emirate fliegt. Ich werde mich gleich so totschwitzen, wenn wir landen. Aber heute Morgen war es in Stuttgart so kalt, dass ich mich einfach warm anziehen musste. Mittlerweile ist Toni schon total in ihren Film vertieft und hat sich an Carlos Seite gekuschelt. Er hat seinen rechten Arm um Toni geschlungen und beugt sich gerade zu ihr runter, um ihr einen Kuss auf den Haaransatz zu drücken. Als er sich runter lehnt fallen ihm ein paar wiederspätzigste Locken ins Gesicht, die er mit seiner andern Hand versucht irgendwie unter Kontrolle zu kriegen. Bei diesem Anblick von Carlo und Toni muss ich unweigerlich an unseren letzten Flug nach Dubai denken. Vor etwas mehr als dreieinhalb Jahren, haben wir in Dubai einen Zwischenstopp eingelegt, auf dem Weg auf die Malediven. Unsere verspäteten Flitterwochen, nach Carlos Tour und vor dem Festival Sommer. Damals sind wir zu zweit hingeflogen und zu dritt wieder gekommen. Und jetzt sind wir sogar schon zu viert. Abwesend streiche ich Emil über den Kopf und küsse seine dicke Wange. Komisch wie sich alles ändert. Ich hätte nie erwartet, dass mein Leben so anders werden würde. In so einer relativ kurzen Zeit. Hinter Carlo betrete ich, mit Toni an der Hand, das Sheraton Jemeirah Beach Hotel und staune nicht schlecht. Schon der Flughafen in Dubai ist mehr als imposant mit all dem Marmor und Gold, aber diese Hotel Lobby übertrifft sogar den Flughafen nochmal um einiges. Die holzvertäfelten Wände waren mit Kupfer und Gold Adern durch zogen und ein riesengroßer Kristallleuchter von der Größe meines Autos hing in der Mitte des Foyers. Instinktiv ziehe ich Toni ein Stückchen näher an mich heran. Ich will nicht, dass sie irgendwas kaputt macht oder wohlmöglich unter einer der Burkas verstecken spielt. Es überrascht mich total wie unterschiedlich die Menschen hier gekleidet sind, es gibt komplett verhüllt Muslima, arabische Männer in den traditionellen, weißen Gewändern und direkt daneben russische Touristen bei deren Anblick ich Toni am liebsten die Augen zu halten würde. Und überall Markensachen, ich umschließe meine Celine Tasche noch ein bisschen fester und lehne mich dann neben Carlo an den Tresen der Rezeption. Marla und Markus sitzen, mit Emil zusammen, auf einer der kleinen Polsterecken, die in der ganzen Lobby verteilt sind. Neugierig schaut Markus sich um und streckt den Kopf in den Nacken, damit er die bemalte Lobbydecke begutachten kann. „Welcome to the Sheraton Jemeirah Beach Resort, how may I help you, Sir?“, begrüßt eine junge Hotelangestellte Carlo, mit strahlendem Lächeln. Kurz krame ich in meiner Tasche nach den Reiseunterlagen und reiche sie Carlo rüber. „We booked two rooms!“, informiert Carlo sie und hält ihr die gelbe Mappe vom Reisebüro entgegen. Ich musste irgendwie lachen, als Carlo mir erzählt hat, dass Markus und er wirklich ins Reisebüro gegangen sind und da den Urlaub für uns gebucht haben. Richtig old fashioned. „Yes Sir! One moment please!“, bittet sie und tippt ein bisschen auf ihrem Computer rum. Ich spüre wie Carlo seinen Arm um meine Taille fahren lässt und mich anlächelt. Ich kann gar nicht anders als zurück Lächeln, er hat seine Sonnenbrille über die Vio Snapback geschoben und die Ärmel seines Pullis soweit wie möglich nach oben geschoben. „Ich kann es kaum erwarten, endlich aus den Klamotten raus zu kommen. Mir ist über warm!“, flüstert er mir ins Ohr und sein Atem kitzelt meine Haut. Ich will gerade etwas erwidern, als Toni sich zwischen uns schiebt. „Papa! Arm!“, fordert sie und streckt Carlo ihre Arme entgegen. Lachend schüttelt Carlo seinen Kopf und löst sich von mir. „Kann ich nicht mal zwei Minuten alleine mit Mama sein?“, fragt er Toni und hebt sie hoch. Toni schüttelt ihren Kopf und fängt an mit Carlos Haaren in seinem Nacken rum zu spielen. „So we have two rooms one Junior Suite for Markus Brückner and Marla Hoffmann and a Family Suite for Family Waibel?”, fragt die Rezeptionistin. “That’s correct!”, sagt Carlo und schiebt Toni auf seinen anderen Arm. „If you could sign here please, than one of your pageboys while take your luggage for you!“, erklärt sie Carlo. Carlo schiebt den Zettel zu mir rüber, “Kannst du das kurz machen, geht nicht so gut mit Toni aufm Arm?“ Ich nicke und ziehe den Zettel zu mir rüber. Auf unserem Zimmer angekommen, bekomme ich den Mund gar nicht mehr zu. Für diese Räume ist die Bezeichnung Hotelzimmer eigentlich schon fast eine Beleidigung. Carlo hat für uns eine Suite mit zwei Schlafzimmern, großem Wohnzimmer mit eigener Küche, zwei Bädern mit Whirlpool und privatem Sonnendeck gebucht. „Wow!“, bringe ich hervor und lasse meine Tasche auf die beige Couch fallen, während Carlo dem Hotelpagen noch ein Trinkgeld in die Hand drückt. Das gesamte Wohnzimmer ist in warmen Erdtönen gehalten, die hier und da von ein paar blauen Akzenten unterbrochen werden. Gegenüber der großen Sitzlandschaft, befindet sich ein riesengroßer Fernseher, aber das Beste an diesem Raum ist der atemberaubende Blick. Mit Emil auf dem Arm trete ich an die große Fensterfront heran und lasse den Blick über den arabischen Golf gleiten, der vor mir liegt. Weiter hinten erkennt man das Burj Khalifa und Burj Alarab, unten am Strand sonnen sich ein paar Leute und über den strahlend blauen Himmel segeln ein paar Fallschirmspringer. Ich kann es gar nicht glauben, dass wir endlich hier sind, endlich Urlaub, endlich kein Stress mehr. Kein Kody, der zwölf am Tag anruft, keine Bild Zeitung die irgendeinen Mist über uns schreibt und keine Gedanken ans Kranksein oder den Stress bei Vio. Einfach nur mal durchatmen und genieße. Ich drehe mich zu Carlo um, als ich spüre wie er mir seine Hand auf den Rücken legt. Er steht dicht hinter mir, mit Toni auf dem Arm und strahlt mich an. Da ist er wieder mein Carlo, der mit diesem Lausbubenlächeln und Strahlen in den Augen, in den ich mich verliebt habe und den ich in letzter Zeit so vermisst habe. „Jetzt wird Urlaub gemacht!“, verspricht er mir, beugt sich zu mir runter und drückt mir einen Kuss auf den Mund. „Baby, willst du nicht auch ins Wasser kommen?“, dringt Carlos Stimme an mein Ohr. Ich schaue von meinem Buch auf und schiebe die Sonnenbrille auf meinen Kopf, um Carlo besser sehen zu können. Er steht ein paar Schritte von dem großen Sonnenbett entfernt im Sand, auf dem ich es mir bequem gemacht habe, nur in einer Badehose mit Palmendruck und Ray Ban auf der Nase, auf seiner gebräunten Haut schimmern tausende Wassertropfe im hellen Sonnenlicht, das mit ihm um die Wette strahlt. Heute ist schon unser dritter Tag hier, Silvester. Eigentlich haben wir die letzten Tage nur damit verbracht am Strand zu liegen, mit den Kindern Zeit zu verbringen und uns ein paar der Malls an zu gucken. Gestern haben Carlo und Markus eine Wüstentour mit Quads gemacht, während Marla und ich mit den Kindern in der Mall of Dubai waren und uns mit ein paar neuen Klamotten und einen Silvester Outfit für heute Abend ausgestattet haben. Am Strand ist es noch relativ leer, da wir gerade mal zehn Uhr haben und die meisten Hotelgäste wahrscheinlich noch am Schlafen sind oder beim Frühstück sitzen. Aber dank der Kinder sind wir schon längst wach und können den herrlichen Tag genießen. Ich werfe einen Blick auf das kristallklare Wasser, das sich immer wieder in kleinen Wellen auf dem weißen Sandstrand bricht und dann langsam wieder zurück rollt. Carlo sieht mich erwartungsvoll an und stemmt jetzt die Hände in die Hüfte, da ich mich wohl nicht schnell genug entscheide. „Ich komm gleich nach! Ich binde mir noch kurz die Haare hoch, ich will nicht, dass die nass werden.“, vertröste ich Carlo und sehe sofort wie er eine Schnute zieht, was mich zum Lachen bringt. „Lass mich noch das Kapitel zu Ende lesen und dann ist Marla bestimmt auch wieder wach und kann auf Emil aufpassen!“, schlage ich vor und lege meinen Kopf schief. Carlos blickt wandert zwischen Emil, der im Schatten des Sonnenschirms neben mir im Sand sitzt und fröhlich den Sand von der einen zur anderen Seite schiebt, und Marla, die auf dem anderen Stück der Matratze liegt und den Kopf unter einem weißen Sonnenhut versteckt hat. „Ich schlafe nicht! Geh ruhig schwimmen!“, nuschelt Marla jetzt und hebt den Hut ein wenig an. Mittlerweile ist ihr Babybauch nicht mehr zu übersehen, mir kommt es sofort als wenn sie über Weihnachten bestimmt einiges an Volumen dazu gewonnen hat. „Siehst du!“, sagt Carlo entschieden und streckt seine Hand nach mir aus. Ich verdrehe die Augen und lege mein Buch zur Seite. „Boah! Okay, du hast gewonnen!“, tue ich beleidigt und stehe auf. Als ich nach Carlos Hand greife, zieht er mich sofort zu sich ran und ich stolpere die letzten paar Schritte förmlich gegen seine nackte Brust. Aber überhaupt kein Problem, denn er hält mich ganz fest an sich gedrückt. „Huch!“, mache ich und grinse, Carlo erwidert mein Lächeln. „Das man dich aber auch immer zu deinem Glück zwingen muss!“, sagt er gespielt gequält und zieht mich mit sich zum Wasser. Ich verschränke meine Finger mit seinen, „Du bist so blöd!“ Carlo wirft mir einen Blick über die Schulter zu und bleibt dann plötzlich stehen. Er schließt den kleinen Abstand zwischen uns und zieht mich wieder nah an sich heran, dann nimmt er mein Gesicht in seine Hände und küsst mich. Mein ganzer Körper kribbelt angenehm. Ich lasse mich fallen und genieße den Augenblick. Carlos Lippen werden mit einem Mal fordernder und versetzen mich in einen Zustand der Schwerelosigkeit. Allzu gerne erwidere ich seinen Kuss. Plötzlich verschwimmen Raum und Zeit und alles um uns herum steht still. Es gibt nichts Unausgesprochenes mehr und alles ist wieder gut. Weil ich Carlo neben mir spüre, weil er in den letzten Tagen wieder wie mein Carlo war, weil ich ihn so sehr liebe und mir völlig egal ist, wer uns gerade sieht oder was alle über uns denken. In mir macht sich ein vermisster Frieden breit und sie seufze erleichtert auf. Endlich habe ich wieder das Gefühl Carlo zu kennen, es ist kein Gefühl, dass ich auf einmal haben, sondern viel mehr eins, dass sich über die letzten Tage aufgebaut hat. Die entspannte und ungezwungene Zeit, die Carlo und ich zusammen mit den Kindern verbracht haben. „Ich liebe dich auch!“, grinst Carlo und löst sich wieder von mir und läuft Toni entgegen, die auf uns zu gerannt kommt. Wie schafft er das? So schnell, so um zu switchen. Ich brauche erstmal einen kurzen Moment um mich wieder zu sammeln und von diesem kleinen Carlo-Hype runter zu kommen. Carlo hebt Toni auf seinen Arm und wirbelt sie wild durch die Luft. Lachend schüttele ich den Kopf und beobachte die beiden für einen Moment. Ich weiß nicht wann ich Carlo das letzte Mal so ausgelassen gesehen habe. Nicht, dass er sonst komplett unter Stress steht, eigentlich ist er immer locker drauf. Aber in der letzten Zeit habe ich seine Tiefenentspanntheit so sehr vermisst. Ich lasse mich neben Markus in den warmen Sand fallen, er sitzt so im Sand, dass die Welle immer wieder seine Füße berühren. „Na!“, begrüße ich ihn. „Na!“, gibt er genauso zurück und lehnt sich ein wenig im Sand zurück, „Alles fresh?“ Ich nicke und lasse mich genauso wie er ein wenig nach hinten fallen. „Ja, geht gerade so!“, antworte ich und schaue auf das Meer und die kleinen Schaumkronen, die sich auf den einzelnen Wellen bilden. „Ich find’s auch echt anstrengend hier!“ Ich spritze Markus ein bisschen Wasser ins Gesicht und grinse ihn an. „Hey, du willst hier nichts anfangen!“, warnt er mich und haut mir gleich eine ganze Ladung Meersalz ins Gesicht. „Du bist so fies!“, rufe ich und springe auf, Markus tut es mir gleich und springt auch auf. „Du hast angefangen!“, beschwert er sich und bevor noch irgendwas erwidern kann, schubst er mich rückwärts ins Meer. Ich spüre das salzige Wasser auf meinen Lippen und halte meine Sonnenbrille fest, damit ich sie nicht verlieren. Als ich mich wieder aufrichte und mir meine nassen Haare aus dem Gesicht streiche steht Carlo, mit Toni auf dem Arm, neben Markus und die beiden bekommen sich vor Lachen gar nicht mehr ein. „Ich hab gedacht du wolltest nicht, dass deine Haare nass werden, Baby?“, prustet Carlo und grinst mich an. Ich versuche mit meinen Füßen so viel Wasser auf zu wirbeln, dass es Carlo und Markus trifft, aber das stört die beiden ganz und gar nicht. „Ihr seid beide blöd!“, schmolle ich und verschränke die Arme vor meiner Brust. Carlo läuft durch das seichte Wasser und lässt sich dann neben mich sinken. „Also ich fand’s lustig!“, schmunzelt Carlo und drückt mir einen Kuss auf den Mund. Genau in dem Moment, schubse ich ihn nach hinten und auch sein Kopf landet unter Wasser. Das Wasser ist an dieser Stelle so seicht, dass Toni ohne Problem auf Carlos Beinen stehen kann und sie noch immer weit genug aus dem Wasser heraus schaut. Aber natürlich trägt sie trotzdem Schwimmflügel. Toni scheint das alles furchtbar lustig zu finden und klatscht begeistert in die Hände, als Carlo seinen Kopf hin und her schüttelt und Wassertropfen durch die Luft fliegen. Kurz drehe ich mich zu Markus um, er hat sich zu Marla auf das große Sonnenbett gelegt und streicht verträumt über ihre Babykugel. Emil sitzt noch immer brav unter dem Sonnenschirm und buddelt fröhlich im Sand herum, wenn er so weiter gräbt findet er vielleicht noch Öl. „Also, dass fand ich jetzt lustig. Oder Toni?“, grinse ich Carlo an. Er schubst mich ein bisschen weiter von sich weg und hebt Toni auf seine Schultern, „Jetzt zieh da unsere Tochter nicht mit rein!“ Ich lasse mich ein wenig durch das warme Wasser treiben und vergrabe meine Zehen im weichen Meeresboden. „Toni war das lustig?“, frage ich sie noch einmal und ignoriere Carlos Einwand einfach. Toni hat ihre Finger in Carlos nassen Locken gesteckt und kneift ein bisschen die Augen zusammen, um mich richtig ansehen zu können. „Toll!“, ruft sie aus und ich sehe wie Carlo schmerzhaft sein Gesicht verzieht, weil Toni vor Begeisterung an seinen Haare zieht. „Ah, Toni! Das tut weh!“, jammert Carlo und versucht mit einer Hand ihre Finger aus seinen Haaren zu lösen. Wieder muss ich lachen, aber da ich eine gute Ehefrau bin, eile ich zu Carlos Rettung und löse Tonis Finger vorsichtig aus Carlos Haaren. Dafür hat Carlo sich wieder ins Wasser gleiten lassen, weil ich er so groß ist, muss ich komplett aufstehen, um an seine Haare ran zu kommen. „Herrliche Aussicht!“, feigst er und grinst mich breit an, als ich zu ihm nach unten schaue. Seine Augen sind genau auf Höhe meines Bikinioberteils.
Carlo Ich beobachte Kathi einen Moment lang. Sie streicht sich durch ihre lockigen Haare und wirft einen letzten kritischen Blick in den Spiegel in unserem großen Badezimmer. „Komm schon, Baby.“, sage ich an genervt, „Du siehst gut aus.“ Kathi wirft mir einen mürrischen Seitenblick zu. „Das sagst du nur, weil du keine Lust mehr hast zu warten.“, kommentiert sie und dreht sich dann ins Seitenprofil. Ihr Blick wandert an ihrem Körper hinunter. Meine Augen folgen ihr. Sie trägt eine enge schwarze Hose, die ihren Arsch perfekt in Szene setzt, ein buntes Seidentop und dazu passende Pumps. „Hab ich auch nicht.“, erwidere ich und ziehe sie an ihrer Hand zu mir heran. Kathi sieht zu mir auf und lächelt. „Wieso so ungeduldig?“, fragt sie und schlingt ihre Arme um meinen Hals. Ich lächele in den Kuss hinein, den ich ihr auf den Mund drücke. Dabei schiebe ich meine Arme um ihren zierlichen Körper und ziehe sie fest an mich. Ihr Outfit macht mich unheimlich an, doch ich versuche mich zu beherrschen. Ich verliere, meine Hände schieben sich langsam aber sicher auf ihren Arsch. „Noch können wir Markus und Marla absagen.“, sagt Kathi leise und streicht mit ihren Fingern über meine Brust, während sie mir einen verführerischen Augenaufschlag schenkt. „Lass das.“, ermahne ich sie, „Sonst kannst du Psaiko gleich wirklich anrufen und absagen.“ Kathi lächelt und legt den Kopf schief. „Du bist wunderschön.“, sage ich leise. In dem Moment bin ich mir sicher, ihr das schon solange nicht mehr gesagt zu haben. Kathi strahlt glücklich, ihre Augen funkeln. „Danke.“, erwidert sie fast flüsternd. Es überrascht mich, dass sie errötet, in den letzten Tagen hab ich erst einmal gemerkt wie sehr sie mir eigentlich gefehlt hat, ihre Nähe und die Unbeschwertheit mit der wir miteinander umgehen. Und ich weiß, dass das meine Schuld ist, weil ich ihr nicht gesagt habe was los ist. Aber das wird sich ändern. 2017 ist ein neuer Start für uns, keine Alleingänge mehr und sobald wir wieder zu Hause sind, regele ich das alles mit Jessica und dann ist die Alte auch wieder weg. Ich halte das alles so nicht mehr aus, ich muss Kathi sagen, warum ich mich manchmal so komisch verhalte und ich das Gefühl habe, dass mir im Moment alles über den Kopf wächst. Keine Geheimnisse mehr, schwöre ich mir. Meine Daumen fahren am Bund ihrer Jeans entlang und schieben sich über ihren warmen Rücken. Kathi sieht mir tief in die Augen. Ich habe das Gefühl, sie würde versuchen mir in die Seele zu schauen. „Wieso habe ich das Gefühl, dass du gar keine Lust hast, mit Psaiko und Marla Silvester zu feiern?“, fragt Kathi und streicht sanft mit ihren Fingerspitzen über meinen Nacken. Sie macht mich schwach. Ich lächelte versonnen und schiebe meine Finger unter ihre Jeans. „Weil es so ist.“, teile ich ihr mit und beuge mich noch einmal zu ihr hinunter, um ihre Lippen zu küssen. Doch Kathi löst sich von mir. „Du könntest ruhig ein wenig geselliger sein.“, sagt sie und drückt sich an mir vorbei ins Schlafzimmer. Sie hat ja Recht, aber ich hätte ich überhaupt kein Problem damit, den heutigen Abend zusammen mit Kathi im Bett zu verbringen und einfach nur meine schöne Frau zu genießen, nachdem die Kinder im Bett sind. Ich kann es noch nicht einmal erklären, aber desto schlechter ich mich fühle umso mehr sehne ich mich nach Kathis Nähe. Sie bringt mich dazu den ganzen Stress und das Chaos in meinem Kopf zu vergessen. Ich schüttele den Kopf, „ Das siehst du falsch! Ich bin über gesellig! Aber ich hätte auch nichts dagegen unser Silvester nur mit dir im Bett zu verbringen!“ Und da ist es wieder Kathis Lächeln. Sie steckt sich ihre Ohrringe an und verdreht die Augen. „Schatz!“, sagt sie langgezogen. Ich trete wieder ein Stück an sie heran und lege meinen Kopf schief. „Baby!“, gebe ich in der gleichen Tonlage zurück. Kathis Finger fahren über meine Brust und sie lächelt mich an. „Das eine schließt ja nicht das andere aus oder?“, sagt sie vielversprechend und löst sich dann von mir und verschwindet ins Wohnzimmer. Kathi hat sich darum gekümmert, dass wir heute Abend ein richtig nices Menü aufs Zimmer bekommen und so die Kinder in Ruhe pennen, wir aber trotzdem feiern können. Zusammen mit Marla und Markus sitzen wir auf unserer großen Terrasse, die einen über abnormalen Blick auf ganz Dubai hat. Es ist einfach sowas von krass wie Dubai bei Nacht beleuchtet ist. Psaiko hat irgendein ein altes Hip Hop Album auf gelegt und Kathi mischt uns allen gerade einen neuen Cuba. Emil ist schon längst im Bett, aber Toni will einfach noch nicht pennen und chillt bei Marla auf dem Schoß. „Das ist so lecker!“, lobt Markus als er sich den letzten Bissen von seinem Steak in den Mund schiebt. Ich nicke zustimmend und lehne mich in meinem bequemen Stuhl ein wenig zurück. Auch um halb elf sind hier noch immer über dreißig Grad. Ich feiere das komplett, so viel besser als das kalte Stuttgart. Kathi reicht mir einen Cuba rüber und ich lächele sie an. „Danke Baby!“ Sie lässt sich wieder auf den Stuhl neben mir fallen, sofort greife ich nach ihrer Hand und verschränke meine Finger mit ihren. „Ich kann nicht glauben, dass das Jahr schon wieder rum sein soll!“, sagt Kathi nachdenklich und fährt sich mit der flachen Hand durch die Haare. Marla nickt zustimmend, „Ich auch nicht! Das ging so schnell! Und nächstes Jahr um diese Zeit sind wir verheiratet und unser Würmchen ist schon hier!“, strahlt sie verträumt und wirft Psaiko einen ganz verliebten Blick zu. Eigentlich hätte ich bei so viel Gefühlsduselei die Augen verdreht, aber ich freue mich so krass für Psaiko, dass er und Marla so glücklich sind. „Dein letztes Silvester als Marla Hoffmann!“, lächelt er sie an und drückt ihr einen Kuss auf die Wange. „Marla Brückner!“, sagt sie und es hört sich so an, als wenn sie den Klang des Namens austesten würde, „Das hört sich so komisch an!“ Marla lacht und vergräbt ihren Kopf an Markus Schulter. „Hey immerhin heiratest du dich im Alphabet hoch!“, zwinkert ihr Kathi zu und grinst, „Ich hatten einen alphabetischen Abstieg!“ Ich drehe mich zu Kathi um und schaue sie aus großen Augen an, „Was soll das denn heißen?“, will ich von ihr wissen. Kathi schaut mich für einen kurzen Moment einfach nur und scheint zu überlegen, was sie jetzt antworten soll. „Tut mir leid Schatz, aber ich fand Waibel jetzt erstmal nicht so geil!“, sagt sie entschuldigend und versucht dabei ernst zu bleibend. Beruhigend streicht sie mir durch die Haare. „Stierbach ist jetzt auch nicht so geil!“, gebe ich zurück und verschränke die Arme vor meiner Brust. „Wenigstens ist es vor Waibel im Alphabet! Man muss nehmen was man kriegen kann!“, kommt es von Markus und wir alle fangen an zu lachen. Um kurz vor zwölf finde ich mich schließlich mit Kathi im Arm am Strand des Hotels wieder. Toni und Emil haben es beide nicht bis zwölf Uhr ausgehalten und dank KinderzimMer-Kamera und iPhone können wir sie ganz entspannt alleine im Hotelzimmer lassen. Ein paar Hotelangestellte platzieren ein vorbereitestes Feuerwerk am Meeressaum und beginnen damit die ersten Raketen auszurichten. Kathi schmiegt sich fest an mich und ich streiche über ihr Haar. „Eigentlich schade, dass dieses Jahr gleich vorbei ist.“, sagte sie leise, „Ich meine, immerhin war es ein wundervolles Jahr. Wir haben so viele schöne Erinnerungen gemacht.“ Ich grinse. „Baby, glaub mir, wir werden noch viel mehr schöne Erinnerungen haben, die uns verbinden.“ Kathi lächelt zaghaft und ich streiche ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Hier.“, sagt Psaiko und drückt uns jedem ein Sektglas in die Hand und für Marla hat er ein Glas Orangensaft besorgt. Ein paar andere Hotelgäste stehen einige Meter weiter von uns entfernt und zählen bereits auf Null herunter. Als sie schließlich bei Null ankommen, schaue ich Kathi einfach nur tief in die Augen und verschließe dann ihre Lippen mit einem zärtlichen Kuss. „Frohes neues Jahr, mein Schatz.“, sagt sie leise und strich über meinen Kopf. Psaiko und Marla stehen engumschlungen neben uns und knutschen sich ab, während die Hotelangestellten bereits dabei sind, einige Raketen in die Luft zu jagen. „Dir auch, Baby.“, sage ich und lege meine Hand an ihre Wange. „Ich liebe dich.“, sage ich glücklich. „Ich liebe dich auch.“, erwidert sie und hielt mir das Sektglas entgegen. „Auf uns.“, sagt sie. „Auf unsere großartige Zukunft und Emil und Toni.“, erwidere ich leise und stoße mein Glas an ihres. Dann küsse ich sie noch einmal, bevor wir beide an unserem Getränk nippen. Zusammen mit Kathi sitze ich unter eine Decke gekuschelt in unserem Hotelwohnzimmer auf der großen Couch. Kathi hat sich dicht an mich gedrängt und ihren Kopf auf meine Brust gelegt. Ich halte sie fest umschlungen und atme ihren wunderbaren Duft ein. 2017, krass wie schnell die Zeit einfach nur vergeht. Und wieder liegt ein neues Jahr vor uns. In meinem Inneren steigt ein seltsam beunruhigendes Gefühl auf, als ich an all das Denke was dieses Jahr vor mir liegt. Die Tour, die Festivalauftritte und für November ist Danjus Album geplant, dass Psaiko und ich zusammen produzieren sollen. Eigentlich freue ich mich immer, wenn ich schon weiß was vor mir liegt. Aber irgendwie ist das dieses Mal nicht so. Als wenn Kathi meine Gedanken lesen könnte, sagt sie genau in diesem Moment, „Ich freu mich so auf dieses Jahr, das wird toll!“ Marla nickt zustimmend, sie liegt an Psaiko gelehnt auf der anderen Seite der Couch. „Ich freu mich auch schon so sehr! Wir heiraten, unser Würmchen kommt! Oh Gott, ich kann das gar nicht alles glauben!“ Hat sie das nicht vorhin schon mal gesagt? Ich sehe meinen besten Freund an. Psaiko, der sich in den letzten Jahren immer so krass für mich mit gefreut hat und ich gönne ihm sein so sowas von über doll. Niemand hat es mehr verdient so glücklich zu sein, wie Psaiko. Und seinem Lächeln nach zu urteilen, scheint ihm gerade mal sowas von krass die Sonne ausm Arsch. „Wir müssen da doch noch was machen!“, sagt Psaiko geheimnisvoll und löst sich von Marla. „Oh ja!“, sagt Marla aufgeregt und klatscht in die Hände. Ich werfe Kathi einen Blick zu, denn ich habe überhaupt keinen Plan wovon die beiden reden. Kathi anscheinend auch nicht, denn sie erwidert meinen Blick genauso verwirrt und zuckt nur mit den Schultern. Psaiko kramt ein Wenig in seinem Rucksack rum und kommt dann wieder zurück zur Couch. In seinen Händen hält er einen kleinen unscheinbaren Umschlag. Marla klatscht aufgeregt in die Hände und erinnert mich dabei ein bisschen an Toni, wenn sie eine neue Barbie bekommt. „Oh Gott, ich bin so aufgeregt!“, plappert sie und klopft auf den Platz neben sich, „Setz dich schnell wieder hin Schatz!“ Psaikos Grinsen ist noch um einiges größer als Marlas und sieht aus als wenn er gerade einen richtig geilen Trip mit Danjus bestem Zeug haben würde. „Was ist das?“, fragt Kathi neugierig. Sie hat sich mittlerweile auch wieder aufgesetzt und ein wenig nach vorne gebeugt. Psaiko legt seinen Arm um Marla und legt den Umschlag auf seinen Oberschenkel, „Wir waren vor Weihnachten nochmal beim Arzt und der hat uns das Geschlecht vom Baby aufgeschrieben! Aber wir wollten das mit euch zusammen herausfinden. Immerhin seid ihr die Paten!“ Kurz bleibt mir der Mund offen stehen. Krass, dass Psaiko und Marla sowas wichtiges mit Kathi und mir teilen wollen. Ich weiß noch ganz genau, als Kathi schwanger war, wollte ich das unbedingt sofort wissen. Ich bin einfach nicht so wirklich gut mit Überraschungen, ich halte das dann nie aus. Und bei Emil war es einfach so, dass ich unbedingt einen Jungen haben wollte. „Oh Leute, dass ist sowas von mega süß von euch!“, strahlt Kathi Psaiko und Marla an und kneift mir fröhlich in den Oberschenkel. Aua, das tut weh. „Jetzt mach schon auf!“, fordert Marla Psaiko auf und schlingt ihren Arm um Psaikos. Noch immer breitgrinsend öffnet Psaiko den Umschlag. Als er liest was auf dem Zettel steht, wird sein Grinsen noch breiter. Das ist hier fast gerade schlimmer als beim Echo. „Mädchen!“, sagt er und hält das Papier hoch. Kathi und Marla springen beide auf und umarmen sich. Wie wild hüpfen sie im Kreis und kreischen herum. Die sind doch verrückt. Ich stehe auf und gehe zu Psaiko rüber, „Herzlichen Glückwunsch, Brudi!“, sage ich und klatsche mich mit ihm Arm. Baff erwidert Psaiko meine Umarmung. „Ich bekomm ne Tochter!“, flüstert er ungläubig und starrt ins Leere. Ich weiß genau was gerade in ihm vorgeht, das ist der Moment, in dem er richtig realisiert, dass er Vater wird. Das sich jetzt für immer alles ändert und dann bekommt man Angst, vor der Zukunft und vor der Aufgabe, die vor einem liegt. Ob man das wirklich schafft, für einen anderen Menschen zu sorgen, der zu hundert Prozent von dir abhängig ist und die größte Angst vor allem, wird mich mein Kind lieben? So bescheuert diese Angst auch ist, ich hatte sie trotzdem. Als Toni auf die Welt gekommen ist, hab ich mich gefragt, ob sie mich lieben kann und ob ich ihr als Vater reiche. Und jetzt bin ich ihr absoluter Held. „Das wird schon! Du wirst ein super Vater!“, spreche ich Psaiko gut zu und lege meine Hand auf seine Schulter. Verunsichert lächelt Psaiko mich an, „Du wirst der coolste Papa, jetzt mal abgesehen von mir. Weil ich bin ja eh der aller Coolste!“ Das bringt Psaiko dann auch endgültig zum Lachen. Ein wenig später sitzen wir wieder zusammen auf der Couch und schauen uns im Fernsehen, das Neujahrsfeuerwerk in Berlin an, in Dubai ist es schon zwei Uhr, aber Deutschland liegt ja zeitlich zwei Stunden hinter uns. Komisch, dass bis gerade in Stuttgart noch 2016 war. „Habt ihr schon einen Namen?“, fragt Kathi Psaiko und Marla, die daraufhin bedeutungsvolle Blicke tauschen. „Noch nicht wirklich, wir sind uns da noch nicht so ganz einig!“, erwidert Marla dann und verdreht ein wenig die Augen. Schon vor ein paar Wochen hat Psaiko mir erzählt, dass ihre Vorstellungen bei der Namenswahl ziemlich auseinander gehen. Ich hab ihm einfach mal geraten, so cool wie ich zu sein und den Namen einfach mal fest zulegen. „Ich bin ja für Lotta!“, sagt Psaiko entschieden und achtet dabei genau auf Marlas Reaktion. „Den Namen find ich richtig schlimm!“, jammert Marla und vergräbt ihr Gesicht unter der Decke, „Ich find Ida und Sophia schön!“ Psaiko verdreht die Augen, „Sophia hieß meine Ex-Freundin, ich nenn meine Tochter doch nicht wie meine Ex!“ Kathi beobachtet die Situation höchst interessiert und schmunzelt dabei. „Also ich find Lotta cool, Emil und Lotta passt auch mega gut zusammen. Wenn die beiden sich dann später daten!“, mische ich mich ein und grinse Psaiko an. Das wäre schon irgendwie nice, wenn Emil später Psaikos Tochter datet und wir dann später zusammen aufm Spielplatz chillen und unseren Enkeln beim Spielen zu sehen, während wir noch immer das Hip-Hop Game steuern. „Meine Tochter wird ganz bestimmt nichts daten, was deinen Lenden entsprungen ist!“, sagt Psaiko entschieden. Überrascht sehe ich Psaiko aus großen Augen an, „Was soll das denn heißen? Hast du etwa etwas gegen meinen Sohn? Du kennst mich doch!“ „Genau, dass ist das Problem. Ich kenn dich. Und meine Tochter datet bestimmt niemand der auch nur zur Hälfte so ist wie du. Nur über meine Leiche!“, beschließt Psaiko und verschränkt die Arme vor der Brust. „Aber Brudi, das wär doch über schön. Dann wären wir später auch verwandt und Emil ist schon ein ziemlich nicer Dude!“, feilsche ich grinsend um die Zukunft meines Sohnes, während Kathi und Marla sich vor Lachen gar nicht mehr einkriegen. „Meine Tochter, datet gar niemanden. Verstanden!“, verkündet Psaiko und jetzt fangen auch wir beide an zu lachen. Ich beobachte Kathi, sie liegt friedlich schlafend von mir. Ihre Brust hebt und senkt sich langsam mit jedem Atemzug, sie sieht so wunderschön aus, wie sie komplett entspannt und ausgeruht vor mir liegt. Vorsichtig streiche ich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht, der Träger ihres Nachthemds ist ihr von der Schulter gerutscht und ich fahre mit dem Finger über ihre weiche Haut. Egal was ich versuche ich, ich kann nicht einschlafen, ich weiß nicht warum. Dabei bin ich eigentlich so müde. Die letzten drei Nächte hab ich so gut geschlafen, aber heute Nacht geht es wieder nicht. Heute hab ich wieder alle Gedanken im Kopf, die mich auch in den letzten Wochen oft wach gehalten haben. Besonders, wenn Kathi nicht neben mir liegt. Aber jetzt kann ich sogar nicht pennen, wenn sie neben mir liegt. Ich lege meinen Arm um Kathi und ziehe sie noch ein Stück näher an mich heran. Gerade als ich meine Augen endlich schließen will, leuchtet mein iPhone auf. Ich bin zu neugierig um nicht zu gucken, wer mir geschrieben hat. Als ich den Absender der Whatsapp sehe, bereue ich es sofort nachgeschaut zu haben. Die Nachricht ist von Jessica, was will die Alte denn von mir? ‚Frohes Neues Jahr Carlo! Ich freu mich schon voll aufs Konzert. Hab mit deinem Manager gesprochen, ich komm nach Mannheim! Kuss, Jessi!‘ Genervt stöhne ich auf, und lasse mein Handy zurück auf die Matratze fallen. Soviel zu Jessica in 2016 lassen. Das kann noch was werden.
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43. Halbwahrheiten
Kathi Unsicher werfe ich einen Blick auf mein Elternhaus, während ich Toni dabei helfe aus dem Inneren des Wagens zu klettern. Heute ist der zweite Weihnachtsfeiertage und wir sind bei meinen Eltern zum Kaffee eingeladen. Natürlich sind wir wieder die Letzten. Die schwarze A-Klasse meines Bruders mit extra großen Auspüffen und auch der graue C-Klasse Kombi von meiner Schwester und ihrem Mann stehen schon auf der Einfahrt. Einen kurzen Moment frage ich mich, ob Carlo die Einfahrt mit Absicht zugeparkt hat, damit ja niemand von ihm verschwinden kann und wir als erstes wieder gehen können. Weihnachten bei meiner Familie ist ein wenig anders als bei Carlos. Heiligabend wird sich schick gemacht und die anderen beiden Tage kann jeder kommen wie er will, auch wenn meine Mutter natürlich immer wie aus dem Ei gepellt aussieht und mein Vater nie ohne Hemd das Haus verlassen würde. Aber meine Geschwister und ich sind da wesentlich lässiger. Irgendwie macht entspannte Kleidung so ein Fest auch irgendwie gemütlicher. Also habe ich mich heute einfach nur für eine dunkle Jeans, weiße Bluse und braune Wildlederstiefel entschieden. Mit Toni an der Hand gehe ich ums Auto herum auf den Eingang zu. Carlo läuft, mit Emil auf dem Arm, ein paar Schritte hinter mir. Auch er sieht heute wieder mehr nach dem ganz normalen Carlo aus, in grauen Tight-Jeans, schwarzem Vio Sweater und roten Nikes. Er schenkt mir ein leicht gequältes Lächeln und steigt dann die vier Stufen zur Haustür hoch. Ich weiß ganz genau, dass er das nur mir zu Liebe tut und das rechne ich ihm hoch an. Wir sind direkt von Carlo zu Hause aus zu meinen Eltern gefahren. Nachdem zweiten Klingeln öffnet sich endlich die Haustür und vor uns steht meine große Schwester Marlene mit einem breiten Grinsen im Gesicht. „Frohe Weihnachten!“, begrüßt sie uns und zieht mich sofort in eine halsbrecherische Umarmung. Marli ist die Frohnatur der Familie, egal wie dick die Luft früher zu Hause war, sie hat er immer wieder geschafft uns alle auf zu heitern und gute Stimmung zu verbreiten. Auch wenn sie vier Jahre älter ist als sie, habe ich mich immer super mit ihr verstanden und oft musste sie als Streitschlichter zwischen mir und unserem jüngeren Bruder Gregor herhalten. „Hallo Lieblingsschwager!“, strahlt Marli Carlo an, nachdem sie mich wieder los gelassen hat und daraufhin Carlo in einen, ebenso herzliche, Umarmung zieht. Vom ersten Tag an, war Marli Carlos größter Fan bei uns zu Hause. Nachdem ich Carlo das erste Mal mit nach Hause gebracht habe, hat sie mich zur Seite genommen und zu mir gesagt, „Den musst du dir warm halten, der ist einer zum Behalten!“ Carlo erwidert Marlis Umarmung und drückt ihr einen Kuss auf die Wange. „Wir warten schon auf euch! Aber kein Stress! Es ist Weihnachten und wir alle Zeit der Welt!“, flötet Marli und nimmt Emil auf ihren Arm. Lachend schüttele ich meinen Kopf, während ich Toni aus ihrer Jacke helfe. Wieder einmal bemerke ich wie sehr mir meine große Schwester fehlt, seit Marli zusammen mit ihrem Mann nach Hamburg gezogen ist, sehen wir uns leider nicht mehr so oft wie früher. Und auch meinen kleinen Neffen bekomme ich nicht wirklich oft zu Gesicht. Aber Marli scheint wirklich glücklich zu sein und das ist die Hauptsache. Zusammen mit ihrem Mann Tido, den vor sechs Jahren während ihrer Mitarbeit bei einem Sozialprojekt in Kenia kennengelernt hat, bei dem sie als Dolmetscherin geholfen hat, und meinem kleinen Neffen Oskar lebt sie in einem Vorort von Hamburg. Als mein Vater erfahren hat, dass seine älteste Tochter mit einem Afrikaner zusammen ist, war bei uns zu Hause aber Alarm. Aber als Papa dann erfahren hat, dass Tido Kinderarzt ist und sogar in Heidelberg studiert hat, war das alles gar nicht mehr so schlimm. Auf jeden Fall nicht so schlimm wie Carlo oder wie Papa es ausdrückt, „Wenigstens ist er Arzt, an den Rest kann man sich gewöhnen!“ Mein Vater ist und bleibt wohl einer der engstirnigsten Menschen, die ich kenne. Nur an Marli neuen Nachnamen kann er sich einfach nicht gewöhnen. Marlene Soyinka, ist aber auch schon ziemlich anders als Marlene Stierbach. Hinter Marli, die Emil gar nicht mehr los lassen will, betrete ich das Wohnzimmer, gefolgt von Carlo, der Toni mittlerweile auf dem Arm hat. Um den großen Esszimmertisch herum sitzt schon meine gesamte Familie versammelt. Vor Kopf wie immer mein Papa, daneben meine Mama und auf seiner anderen Seite mein kleiner Bruder Gregor und seine Freundin Saskia. „Frohe Weihnachten!“, sage ich in die Runde und mache mich danach daran alle einzeln zu begrüßen. Carlo folgt meinem Beispiel und umarmt meine Mama herzlichen und klatscht sich mit meinem Bruder und Tido ab, bevor er Saskia einen Kuss auf die Wange drückt. Nur meinem Papa reicht er einfach nur die Hand und sagt „Frohe Weihnachten!“ Nachdem meine Mutter Sachertorte, Frankfurter Kranz und Donauwellen aufgetischt hat und wir alle vom Kaffee so voll sind, dass sich eigentlich niemand mehr bewegen will, geht es an die Bescherung, dadurch das Heiligabend schon vorbei ist und Gregor und Saskia Heiligabend bei Mama und Papa verbracht haben, fällt die Bescherung um einiges kleiner aus, als bei Waibel. Carlo sitzt neben mir auf der Couch und lässt Emil fröhlich auf seinem Schoß rumhüpfen. Carlo wirft komisch verkrampft und mir kommt es so vor, als wenn er sich geradezu an die Kinder klammern würde, weil sie seine Daseinsberechtigung sind. Frei nach dem Motto ‚Ich hab zwei Kinder mit eurer Tochter, ich darf hier sein und gehöre zur Familie‘. Wie immer macht es mich traurig, wie angespannt das Verhältnis zwischen Carlo und meinem Vater ist und wie sichtlich unwohl sich meine große Liebe bei mir zu Hause fühlt. Wieso kann mein Vater nach all der Zeit nicht einfach akzeptieren, dass ich mich Carlo glücklich bin und wir ein schönes Leben zusammen führen. Immerhin ist er zu Tido und Saskia nicht so. Aber die beiden passen ja auch wesentlich besser in sein Menschenbild als der rebellische und kreative Carlo. Kurz werfe ich einen Blick auf meine Bruder und seine Freundin. Eigentlich sind die beiden meine Eltern in einer modernen Form. Gregor macht alles, was meine Eltern wollen, studiert brav Jura in München und hat dort auch seine tolle Saskia aus gutem Hause kennen gelernt. Mit deren Eltern sich meine Eltern natürlich blendend verstehen. Während ich mir ewig und drei Tage von meinem Vater anhören kann, dass Carlos Eltern Emil und Toni komplett für sich einnehmen würden und meine Eltern so gar keine Möglichkeit hätten, eine Beziehung zu ihren Enkelkindern auf zu bauen. Dabei ist mein Vater derjenige, der keinerlei Mühen betreibt etwas Zeit mit den Kindern zu verbringen, wenn wir nicht mit den Kindern nach Langenarg komme. „Papa guck mal! Eine Barbie!“, freut sich Toni und hält Carlo die neue Prinzessin Barbie unter die Nase, die Marli ihr vom Christkind aus Hamburg mitgebracht hat. Von meinen Eltern bekommt sie einen Puppenwagen und für Emil gibt es ein Mercedes Bobby-Car, was auch sonst. Ich lehne mich an Carlo Schulter und beobachte Oskar wie er eine neue Carrera-Bahn auspackt. Glücklich strahlt er seinen Papa an und Tido muss versprechen die Bahn gleich nach der Beschäftigung mit ihm auf zu bauen. „Hilfst du auch Carlo?“, fragt Oskar fröhlich und Carlo nickt natürlich sofort. Mit Tido versteht Carlo sich super gut. Die beiden verbindet eine große Liebe zur Musik und schnellen Autos und was am Anfang vielleicht noch viel wichtiger war, die Abneigung gegenüber meinem Vater. Zusammen mit meiner großen und Toni sitze ich ein wenig später auf dem weichen Teppich vor dem Kamin und kämme Tonis neuer Barbie die Haare, während die Kleine eifrig ihre neuen Prinzessinnenkleider inspiziert. Saskias Mutter ist Schneidermeisterin und hat für Toni einen ganzen Kleiderschrank voller Barbie Outfits genäht, die sie von Gregor und Saskia zu Weihnachten bekommen hat. Weihnachten bei meiner Familie ist irgendwie ruhiger und nicht annährend so chaotisch wie bei den Waibels. Aber eigentlich macht das Weihnachten ja gerade so schön gemütlich und einzigartig in Heubach. „Ich hätte auch gerne ein Mädchen!“, sagt Marli neben mir und lässt für einen Moment die Barbie sinken, die Toni ihr anvertraut an. Ich sehe sie von der Seite an und grinse, „Mädchen können auch total anstrengend sein. Glaub mir. Außerdem hast du doch einen tollen kleinen Jungen!“, lächele ich und drehe mich kurz zu Oskar um. Er hockt ein paar Meter weit von uns entfernt auf dem polierten Boden und steckt zusammen mit Carlo und Tido die einzelnen Schienen seiner neuen Carrera-Bahn zusammen. Er ist so ein süßes und hübsches Kind mit seiner hellen Cappuccino Haut, den krausen braunen Locken, die ihm wild von seinem Köpfchen abstehen und den strahlenden Augen, die er von seiner Mama geerbt hat. Marli verdreht lachend die Augen und schubst mich ein Stückchen. „Ich möchte auch ein Mädchen haben!“, verbessert sie sich und zieht mich in eine Umarmung, die ich sofort erwidere. Ich kuschele mich an meine Schwester und atme ihren vertrauten Duft ein. Sofort tauchen Bilder von früher vor meinem inneren Auge auf. Marli und ich Samstagsabends zusammen in ihr Bett gekuschelt, als ich gerade erst Carlo kennen gelernt habe und einfach nicht aufhören konnte über ihn zu reden. Oder zusammen mit Badeanzügen am Seeufer, wenn es eigentlich noch viel zu kalt ist zum Schwimmengehen, wir aber unbedingt die ersten sein mussten, die schwimmen waren. Oder Marlis strahlendes Lächeln, als ich ihr erzählt habe, dass ich Carlo heiraten will. Sie hat sich vom ersten Moment an für mich gefreut und unterstützt, denn sie war schon immer im Team ‚Carlo‘. Genauso wie ich immer schon im Team ‚Tido‘ war. Ich vermisse meine große Schwester, Marlene war immer diejenige, die für mich stark war, wenn ich keine Kraft mehr hatte oder die mich wieder aufgebaut hat. Irgendwie fehlt mir das so sehr. Aber es sind auch die tausend Kleinigkeiten, die mir an meiner großen Schwester so sehr fehlen. Ihr breites Grinsen, wenn ihr mal wieder Reis angebracht ist und ihr fröhliches Singen zu jeder Tages- und Nachtzeit. Ganz besonders aber ihre vorbehaltlos positive Einstellung. „Ich vermisse dich, Marli!“, flüstere ich leise und drücke sie noch ein Stück fester an mich. Marli streicht mir über den Rücken und drückt mir einen Kuss auf die Schläfe. „Ich dich auch Schwesterchen, jeden Tag!“, erwidert sie genauso leise und ich beiße mir auf die Wangen, damit ich nicht anfange zu weinen. „Wir müssen wirklich mal zusammen in Urlaub fahren!“, beschließt Marli und strahlt mich an, sie schafft es wirklich immer die Stimmung wieder auf zu lockern und Gespräche so zu leiten, dass es nicht zu traurig wird. Ich nicke eifrig, „Ja, das wäre wirklich schön!“ Marli zieht einer der Barbies ein rotes Kleid an und hält sie Toni hin, die nur zustimmend nickt und sich dann wieder ihrem Kleiderschrank widmet. „Wann ist Carlos Tour denn vorbei? Vielleicht habt ihr ja Lust mit nach Kenia zu kommen, wir wollen im Sommer Tidos Familie besuchen!“, fragt Marli. „Die Tour ist Mitten Februar vorbei und im Sommer ist Carlo schon wieder auf Festivaltour!“, erkläre ich ihr und werfe einen Blick auf meinen Mann. Meine Eltern sind zusammen mit Emil, Gregor, Saskia und den Hunden eine Runde spazieren, als ist Carlo jetzt um Einiges entspannter. Er kniet mit dem Rücken zu mir, über Oskars Carrera-Bahn, steckt irgendwelche Kabel zusammen und lacht über irgendetwas, dass Tido gerade erzählt. Marli verdreht die Augen und stöhnt gespielt schwer auf, „Mach dein Mann eigentlich auch mal was anderes als arbeiten?“ Ich grinse sie an und setze Tonis Barbie auf die Decke vor mir. „Party!“, antworte ich und wir beide Lachen. Sofort wird Marli aber wieder ernst, „Nein aber jetzt mal ehrlich Trinchen, ist alles okay bei euch!“ Trinchen. Marlis Spitzname für mich, den wirklich niemand sonst benutzen darf und auch niemand wagt zu benutzen. „Ja, alles gut. Der letzte Monat war nur ziemlich stressig!“, versichere ich meiner großen Schwester und versuche ein Lächeln. Es scheint nicht gerade überzeugend zu sein, denn Marli zieht skeptisch die Augenbrauen hoch. „Sicher?“, hakt sie nach. „Ja, wirklich. Ich bin nur ein bisschen enttäuscht, dass Carlo jetzt schon bald wieder auf Tour geht und wir uns dann wieder solange nicht sehen!“, schiebe ich die Tour vor. Das scheint Marli geschluckt zu haben, denn sie lächelt mich aufmunternd an. „Ach er kommt doch bestimmt mal an den Off-Days nach Hause und wenn er in Hamburg spielt, können du und die Kinder uns doch besuchen kommen!“, schlägt sie vor und streicht mir ermutigend über den Arm. „Das machen wir auf jeden Fall!“, stimme ich ihr zu lächele sie an.
Carlo Am liebsten würde ich fröhlich in die Hände klatschen, als Gerlinde hinter uns die Haustür zu Kathis Elternhaus schließt und wir uns auf den Weg zu unserem Auto machen. Noch eine Stunde länger hätte ich das wirklich nicht ausgehalten. Diese angespannt Stimmung mit Kathis Vater ist einfach nicht zum Aushalten. Eigentlich hab ich gedacht, dass wir um diese Zeit schon längst zu Hause wären. Kurz werfe ich einen Blick auf die Breitling an meinem Handgelenk, kurz nach sieben. Krass. Am liebsten wäre ich schon nach dem Kaffee gegangen. Aber auf der anderen Seite war der Nachmittag mit Tido und Oskar ziemlich cool. Ich feiere meinen Schwager einfach richtig. Tido ist einfach ein über sympathischer Dude und vor allem habe ich mit ihm einen Verbündeten gegen Jochen gefunden. Mit ihm kann ich mich mal so richtig über unseren Schwiegervater auskotzen, wenn mal wieder eine tolle Familienfeier war. Natürlich kann ich auch mit Kathi darüber reden, aber nicht in dem Ausmaß wie mit Tido, immerhin ist Jochen noch immer ihr Vater. Noch immer komm ich nicht wirklich darauf klar, dass Jochen sich auch nach sechs Jahr nicht an mich gewöhnt und mich in der Familie akzeptiert hat. Immerhin habe ich verdammt nochmal zwei Kinder mit Kathi und wir sind seit vier Jahren verheiratet. Er ist einfach ein richtiger Troll. Mittlerweile habe ich es schon fast aufgegeben mit ihm auf einen grünen Zweig zu kommen und versuche stattdessen nicht komplett meine Erziehung zu vergessen, wenn ich bei meinen Schwiegereltern zu Besuch bin. Egal wie kacke ich die Besuche finde, es sind nun mal noch immer Kathis Eltern. Und eigentlich ist meine Schwiegermutter auch richtig nice, aber sie hat einfach so einen beschissen Mann. Das Beste an den Besuchen bei Kathis Eltern ist wirklich der Moment in dem ich meine Familie wieder ins Auto packen und nach Hause fahren kann. „Papa? Morgen wieder Geschenke?“, fragt Toni mich im Halbschlaf, während ich sie vorsichtig in ihren Autositz setze und anschnalle. Ich lächele und streiche ihr ein paar wirre Locken aus der Stirn. „Nein, Kröte morgen gibt es keine Geschenke mehr. Weihnachten ist vorbei. Jetzt musst du bis zu deinem Geburtstag warten!“, erkläre ich ihr und ziehe ihr die Schuhe aus, damit sie es auf der Heimfahrt ein bisschen bequemer hat. Kurz scheint Toni zu überlegen und nickt dann einfach nur. „Okay!“, sagt sie und greift nach ihrer Kuschelkuh Frieda. Vorsichtig lehne ich mich ins Innere des Wagens und drücke Toni einen Kuss auf die Stirn. „Ich hab dich lieb, Kröte!“, nuschele ich gegen ihre Wange. Ich spüre Tonis weiche kleine Hand an meiner Wange. „Is dich auch!“, höre ich sie müde sagen. Auf halben Weg zurück nach Stuttgart sind die Kinder beide eingeschlafen und auch Kathi ist immer wieder kurz vorm Wegpennen. Ich halte ihre linke Hand fest mit meiner Rechten umschlungen und werfe ihr einen Seitenblick zu, während die nächtliche Landschaft an uns vorbei fliegt. Kurz wandern meine Gedanken wieder zu unserem Streit von gestern, diese blöde Auseinandersetzung wegen Jojo und Sarah. Ich seufze laut. Wieso haben wir eigentlich darüber gestritten? Mittlerweile kann ich es mir schon selbst nicht mehr erklären. Ich lenke für einen kurzen Moment mit meinem Knie und fahre mir mit der freien Hand durch die Haare. Kathi streicht mit ihrem Daumen immer wieder leicht über meinen Handrücken und singt ganz leise zu dem Revolverheldsong im Radio mit. „Marli hat vorgeschlagen, dass wir nächstes Jahr zusammen nach Kenia fliegen!“, sagt sie leise und schlägt ihre Augen wieder auf. Ich schaue kurz zu ihr rüber und dann wieder auf die Straße. „Wieso das?“, hake ich nach. Erst als Kathi mir antwortet, fällt mir ein wieso die beiden gerade nach Kenia wollen würden. „Um Tidos Familie zu besuchen!“, eröffnet Kathi mir dann und nicke nur. „Hört sich cool an!“ Kathi setzt sich ein wenig auf und löst ihre Hand von meiner um sich die Haare zu einem Zopf zusammen zunehmen. „Hättest du also wirklich Bock?“, hakt sie nach und sieht mich aufmerksam an. „Na klar, mit Tido und Marli würd ich das auf jeden Fall aushalten!“ „Ja, mit den beiden würde das bestimmt keine Probleme!“, stimmt sie mir zu, denn sie weiß genau was ich meine. Seit wir zusammen sind haben Kathi und ich nicht nur gute Erfahrungen gemacht, wenn es dazu kommt mit Freunden oder Familie in den Urlaub zu fahren. Der traurige Höhepunkt war wohl unser Skiurlaub vor zwei Jahren mit Mona und Claas, seit dem Urlaub sprechen wir nämlich nicht mehr mit den beiden. „Wir müssen nur gucken wegen der Festivaltour!“, holt Kathi mich aus meinen Erinnerungen zurück. Die Festivaltour, schon wieder unterwegs sein. Schon wieder lange weg oder immer wieder nur ein paar Tage zu Hause sein. Dabei steht davor eh noch die Tour an. Ich atme tief durch und schiebe die Gedanken an die bevorstehende Tour und das kommende Jahr weit weg. Erstmal geht es in zwei Tagen nach Dubai und da kann ich hoffentlich ein bisschen durchatmen und Cro vergessen. Ich hab mir schon überlegt mein Handy wirklich einfach in Stuttgart zu lassen, wenn wirklich etwas Wichtiges ist, können sie auch Kathi oder Psaiko anrufen. Ich will einfach nur mal für ein paar Tage von allen in Ruhe gelassen werden. „Ich spreche mal mit Kody und dann kannst du das mit Marli abklären!“, verspreche ich Kathi und sehe wie sich ein Strahlen auf ihrem Gesicht bildet. Sie beugt sich zu mir rüber und drückt mir einen Kuss auf die Wange. „Das wäre so schön, wenn das klappen würde. Ich vermisse Marli so sehr!“, sagt Kathi niedergeschlagen und senkt ihren Kopf ein wenig. „Ich weiß Baby!“, flüstere ich und streiche über ihren Oberschenkel. Ich kann gut verstehen wie Kathi sich fühlt, immerhin vermisse Jule auch ständig, wenn sie in London ist und ich freue mich riesig, dass sie wieder nach Deutschland zieht und ich sie so endlich wieder mehr zu Gesicht bekomme. Lautlos schließe ich die Wohnungstür hinter mir, und trage Toni in ihr Zimmer. Als ich gerade dabei bin Toni vorsichtig ihren Pulli aus ziehen, kommt Kathi ins Zimmer. Sie hat vorher Emil schon ins Bett gebracht. Die Kinder sind beide auf dem nach Hause weg im Auto eingeschlafen und weil es schon relativ spät ist, wollten wir die beiden nicht mehr. „Ich mach das schon!“, bietet Kathi an und streicht mir über den Rücken. Kurz lehne ich mich zu ihr runter und drücke ihr einen Kuss auf den Mund. „Ich hol kurz noch die Geschenke aus dem Auto, damit Toni morgen früh mit ihrem Zeug spielen kann!“, lasse ich sie wissen und schleiche dann leise aus dem Zimmer. „Du bist der beste Papa der Welt!“, grinst Kathi mich an und ich zwinkere ihr zu. Als ich zum zweiten Mal aus der Tiefgarage wieder hoch komme und Tonis Puppenwagen ins Wohnzimmer trage, liegt der Koffer mit unseren Klamotten der letzten Tage schon aufgeklappt von der Waschnische und ich sehe wie Kathi gerade dabei ist Handtücher aus dem Trockner in einen Wäschekorb zu verfrachten. Lächelnd schüttele ich über sie meinen Kopf und beschließe mich erstmal um zu ziehen. Im Ankleidezimmer schlüpfe ich in eine meiner abgewetzten Basketballshorts und einem frischen Vio Shirt, dass komischer Weise nicht gebügelt ist. Ich will nur noch zusammen mit Kathi auf die Couch und dann gleich pennen gehen. Gott sei Dank haben wir morgen nichts vor und können einfach nur rumgammeln. „Carlo?“, höre ich Kathi fragende Stimme aus dem Flur rufen. „Sofort!“, rufe ich zurück und ziehe mir ein Paar weiße Socken an. Im Flur rutsche ich fast auf einem der sortierten Wäscheberge aus. „Was ist los?“, frage ich und lehne mich an die Wand. „Wer ist Jessica?“ Ich sehe sie mit großen Augen an. Woher kennt Kathi jetzt bitte Jessicas Namen? Was habe ich verpasst? Noch während meine Gehirnzellen versuchen, aus den Puzzleteilen ein Ganzes zu machen, zückt sie einen kleinen Zettel und hält ihn mir vor die Nase. Ich mustere den Zettel mit zusammengekniffenen Augen, da ich nicht auf den ersten Blick erkennen kann, um was für ein Stück Papier es sich handelt. Dann erkenne ich den Mecces-Bon, auf den Jessica mir ihre Nummer gekritzelt hat. Den habe ich ganz vergessen, als ich die Jeans in die Wäsche geschmissen habe. Eigentlich ist es ja sogar gut, dass Kathi ihn gefunden hat. Ich nehme ihr den Zettel aus den Fingern. „Wieso finde ich einen uralten Mecces-Kassenzettel mit dem Namen Jessica und einer Handynummer drauf in deiner Hosentasche?“, fragt sie misstrauisch und hebt eine Augenbraue. Ein kleines Bisschen beleidigt bin ich jetzt schon. Ich kann nicht glauben, dass sie so eine Sache nach sieben Jahren Beziehung und vier Jahren glücklicher Ehe zu einem Drama macht. Was denkt sie denn bitte von mir? Soll ich meiner Frau jetzt wirklich erzählen, dass die Nummer von meiner Ex-Freundin stammt? Um genauer zu sein ihrer Vorgängerin?! „Eigentlich ist es gut, dass du den Zettel gefunden hast.“, sage ich zu Kathi und betrachte ihn genauer. Ich habe nicht damit gerechnet, dass Jessica ihren Namen dazu schreibt. Vor allem habe ich das beim ersten Hinsehen vor ein paar Tagen vollkommen übersehen! Irgendwie hab ich die Sache schon wieder fast komplett vergessen. Ich muss morgen unbedingt Kody anrufen, damit er sich um die Karre kümmert, während wir in Dubai sind. Kathi verschränkt die Arme vor ihrer Brust. „Also, dass du jetzt Nummern von diesen ganzen Groupie-Schlampen annimmst, hätte ich dir wirklich nicht zugetraut.“, offenbart sie mir und streicht sich ihre Haare nach hinten. Ihre Augen funkeln angriffslustig. Ich hebe beschwichtigend die Hände. „Es ist nicht wie du denkst.“, sage ich und versuche die Situation zu entschärfen. Über krass wie eifersüchtig meine schöne Frau sein kann. Sowas kenne ich einfach mal gar nicht von ihr. Kathi reckt ihr Kinn vor und sieht mich mit großen düsteren Augen an. „Wie ist es denn?“ Ich seufzte, dann gehe ich einen Schritt auf sie zu und greife nach ihren Händen. „Das ist die Nummer von der Alten, die mir vor ein paar Tagen in die Karre gefahren ist.“ Kathi hebt skeptisch eine Augenbraue. „Ist das so?“, fragt sie aber es ist offensichtlich, dass sie zweifelt. „Ist das jetzt dein Ernst?“, frage ich sie. „Was?“, will sie wissen. „Nach all der Zeit glaubst du wirklich, ich könnte Nummern von anderen Frauen annehmen oder sie vielleicht sogar noch vögeln?“, frage ich sie noch einmal. Was ist mit Kathi los? Sowas war bei uns nie ein Thema. Sie weiß, dass sie mir vertrauen kann. Selbst wenn ich auf Tour bin, hat sie sich bis jetzt noch nie darum Sorgen gemacht. Sie sieht mir trotzig in die Augen. Sie weiß, dass sie im Unrecht ist. Plötzlich fühle ich mich wie ein selbstgerechtes Arschloch. Immerhin habe ich mich von Jessica dazu anstiften lassen, mit ihr einen Kaffee zu trinken – auch wenn ich direkt wieder gegangen bin. Im ersten Moment bin ich mit ihr gegangen. Trotzdem ziehe ich meine Hände zurück und stehe auf. Traurig schüttele ich den Kopf. „Tut mir leid.“, höre ich sie sagen und sehe in ihre Augen. Kathi beißt sich verlegen auf die Unterlippe und senkt ihren Blick. „Natürlich denke ich das nicht.“, antwortet sie jetzt auf meine Frage, „Ich weiß, dass du so eine Scheiße nicht machst.“ Ich nicke. Sie steht auf und schlingt ihre Arme um meinen Hals. „Sie ist dir also ins Auto gefahren?“, wiederholt sie leise, „War sie hübsch?“ Ich schmunzele. Wenn ich sagen würde, Jessica wäre hässlich, würde ich lügen. Natürlich ist sie hübsch, sonst hätte ich sie wohl nicht flach gelegt. Aber das weiß Kathi natürlich nicht. Dennoch ist sie ein ganz anderer Typ Frau als Kathi. Ich streiche mit meinen Fingern durch ihre Haare nach hinten. „Baby!“, sage ich, „Mich interessiert nur, wie der Schaden gezahlt wird, den ich jetzt zu reparieren habe.“ Sie legt den Kopf schief. Meine Lippen kribbeln bei dem Gedanken, ihre saftigen Lippen zu küssen und daran zu saugen, bis sie noch weiter anschwellen. Für mich ist sie die schönste Frau der Welt. „Du hast zwei Kinder von mir.“, spreche ich weiter und sehe dabei tief in ihre Augen, „Das allein muss dir verdeutlichen, dass du für mich die Über-Frau sein musst.“ Sie lächelt. „Ich weiß.“, sagt sie. „Kannst du jetzt deinen süßen Mund halten und mich küssen?“, frage ich grinsend. Sie nickt und verschließt meine Lippen grinsend mit einem Kuss. Ich habe gerade unendliche Lust dazu, sie einfach nur zu küssen. Immer und immer und immer wieder. Bis ihre Lippen rot werden und anschwellen. Und ich Jessicas blödes Gesicht und jeden Gedanken an sie aus meinem Kopf verbannt habe.
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42. Oh du Fröhliche
Carlo
Als ich die Augen aufschlage ist es schon hell im Zimmer. Ich brauche einen kurzen Moment um klar zu kommen, vielleicht war das letzte Glas Wein gestern Abend ein bisschen viel. Ich werfe kurz einen Blick auf Kathi. Sie scheint noch zu schlafen und ich seufze lautlos. Sie liegt noch immer genauso wie gestern auf meiner Brust, ihr kleiner Körper hebt und senkt sich langsam mit jedem Atemzug. Ihr Gesicht sieht so friedlich und zu ausgeruht aus. Vorsichtig streiche ich ihr eine lose Haarsträhne aus dem Gesicht, ihre Haut ist so verdammt weich. Bei meiner Bewegung rümpft sie kurz die Nase, scheint dann aber einfach weiter zu schlummern. Vorsichtig löse ich mich von ihr und schlüpfe aus dem Bett. Im Zimmer ist es deutlich kälter, als unter der warmen Decke neben Kathi, schnell ziehe ich mir eine meiner Jogginghosen über und husche aus dem Zimmer. Leise schleiche ich mich kurz über den Flur ins Bad. Es ist noch ungewohnt still im Haus, vielleicht schlafen nach gestern Abend sogar meine Eltern mal aus. Ich werfe einen Blick auf meine Breitling, halb acht. Es ist echt noch ziemlich früh. Vielleicht sollte ich mich einfach auch nochmal ein bisschen hinlegen. Kurz stecke ich meinen Kopf in Emils und Tonis Zimmer, die beiden scheinen auch noch im Land der Träume. Ich schaffe es auch wirklich noch einmal richtig schön weg zu dösen. Bis Kathi beginnt sich neben mir zu bewegen und meine Aufmerksamkeit damit auf sich zieht. Sie öffnet ihre Augen und blinzelt. Dann lächelte sie zaghaft. „Guten Morgen.“, sagt sie leise und lehnt sich zu mir rüber um mich zu küssen. „Ich hab so gut geschlafen. Du bist so schön warm und kuschelig.“, strahlt sie mich an. Ich versuche zu lächeln, sie sieht so verdammt süß aus, wenn sie gerade erst wach geworden ist. „Freut mich.“, sage ich ehrlich, dann kuschelt Kathi sich wieder in meine Arme. Ich spüre ihre Körperwärme und ihren Herzschlag und genieße diesen Augenblick. Meine Finger streichen über ihre Schulter hinab auf ihren Rücken. Dann schenkt sie mir einen tiefen Augenaufschlag. Ihre Finger streichen langsam über meine Brust abwärts. Ich versinke geradezu im Blau ihrer Augen und vergesse alle Sorgen. Der wunderbare Geruch ihres Shampoos steigt mir in die Nase und schließe für einen Moment die Augen. Ich will ihr nah sein! Ich brauche sie. Ohne weiter zu zögern, presse ich meine Lippen auf ihren Mund. Kathi schließt langsam ihre Augen und beginnt sofort, leise zu seufzen. Meine Finger streichen ihren Körper hinab unter ihr viel zu großes Vio Shirt und streicheln ihre warme Haut. Währenddessen drängt Kathi ihren Körper dicht an meinen und erwidert meinen Kuss. Als ihre Zunge sanft meine Lippen massiert, gewährte ich ihr Einlass und umfasse ihren Körper fest. Ich drehe sie auf den Rücken und lasse mich dann langsam auf sie sinken, ohne meine Lippen auch nur eine Sekunde von ihren zu lösen. Als ich so über sie gebeugt liege, meine Hände ihre Haut streicheln und ich sie verlangend küsse, spüre ich, wie sehr sie mir gefehlt hat! Ihr einfach nah zu sein ohne irgendwelche Sorgen. Mit der Gewissheit, dass es Kathi gut geht und ich sie für immer bei mir haben werden. Kathis Hände fahren um meinen Hals und ihre kleinen Finger malen unentwegt Kreise in meinen Nacken. Sofort bekomme ich eine Gänsehaut. Doch auch meine Berührungen lassen Kathi nicht kalt, ganz im Gegenteil. Als sie jetzt entschlossen nach meiner Hand greift und sie geradewegs zwischen ihre Schenkel führt, verliere ich endgültig die Beherrschung. Ihr entfährt ein leises Stöhnen, als ich meine Hand unter ihre Shorts schiebe und sie zu massieren beginne. Wieder und wieder küssen wir uns, stürmisch und verlangend. Als sie ihre Finger unter den Bund meiner Boxershorts schiebt, ziehe ich scharf die Luft ein. „Baby!“, stöhne ich heiser, aber Kathi grinst nur frech. Dieses kleine versaute Biest. Ich beuge mich gerade wieder zu ihr herunter um sie zu küssen, als es an der Tür klopft. Sofort halten wir Mitten in unseren Bewegungen inne und starren uns aus großen Augen an. Kathi scheint wesentlich schneller als ich schalten zu können und zieht blitzschnell die Bettdecke über uns. Jetzt weiß ich wieder, wieso ich unsere eigenen vier Wände so besonders schätze. Wenn ich mit meiner Frau knutschen und hemmungslos vögeln will, stand nicht plötzlich jemand in der Tür. Naja okay das stimmt auch schon wieder nicht, aber wenigstens kam Emil nicht alleine aus seinem Bett und Toni rief meistens auch eher nach uns, als das sie zu uns ins Schlafzimmer kommt. Langsam öffnet sich die Tür einen Spalt und Jule steckt ihren Kopf hinein. Ich versuche möglichst entspannt und normal zu gucken. „Du hast auch noch nie was von warten gehört? Oder haben wir herein gesagt?“, sage ich mürrisch. Aber natürlich grinst Jule nur. „Ich hab doch gehört, dass einer von euch gerade schon auf war. Also dachte ich mir, dass ihr schon auf seid.“, sagt sie schlau und lächelt immer noch. Dieses blöde Schwangerschaftsstrahlen. Erst jetzt fällt mir auf, dass Kathis Wangen leicht gerötet sind und ihr Gesicht an meiner Brust vergraben hat. Ich spüre ihre Finger an meinem Oberschenkel. Und sofort muss ich wieder an unser Gefummel denken. „Kannst du die Tür trotzdem noch mal einen Moment zu machen?“, bitte ich meine Schwester. Ich liebe meine Schwester zwar, aber im Moment möchte ich einfach nur mit meiner Frau alleine sein und ein bisschen weihnachtlichen Sex haben. Jule lächelt, bleibt aber trotzdem in der Tür stehen. „Von außen.“, setze ich mürrisch hinzu. Kathi schweigt immer noch und scheint die Szene lieber still zu beobachten. Jule verdreht die Augen, „Du bist so ätzend, wenn du gerade erst wach geworden bist.“ „Mach die Tür zu, Jule!“, wiederhole ich gereizt. Sie wirft mir einen vergnügten Blick zu. „Dir auch fröhliche Weihnachten, Bruderherz. Patenonkel wirst du auf keinen Fall!“ Mit einem lauten Knall, zieht sie dann aber endlich die Tür zu. Wenn Emil oder Toni jetzt wach geworden sind, schmeiß ich meine Schwester im hohen Bogen aus dem Fenster. Mir egal, dass sie schwanger ist. Ich sehe Kathi entschuldigend an „Tut mir leid.“, sage ich leise und ziehe sie wieder zu mir heran. Ich drücke mich sofort wieder an sie und lasse sie spüren, dass ich noch immer heiß auf sie bin. Kathi drückt mir einen Kuss auf den Mund und seufzt leise. Gerade, als ich wieder den Kopf abschalten und mich fallen lassen kann, klopft es erneut. knurre und verdrehe die Augen. „Ganz ruhig Liebling, es ist noch immer Weihnachten. Sooft sind wir nicht mit unserer Familie zusammen!“, flüstert Kathi aufmunternd und lächelt. „Du sagst es, das hat auch einen triftigen Grund, es reicht schon, wenn wir ständig von Emil und Toni gestört werden, meine neugierige Familie müssen wir nicht noch auf die Liste setzen.“, antworte ich leise und küsse sie erneut, dann löste ich mich wiederwillig von ihr und wende mich der Tür zu. „Ja?“, weil bis jetzt noch niemand die Tür geöffnet hat, was in meiner Familie schon an ein kleines Wunder grenzt. Wieder steckt Jule ihren Kopf durch die Tür. Ich verdrehe die Augen und würde am liebsten irgendwas nach ihr schmeißen „Alter!“, knurre ich genervt, aber Jule ignoriert mich einfach komplett. „Mama hat Frühstück gemacht. Ihr sollt runter kommen. Toni und Emil sind auch schon wach.“, sagt sie und verschwindet dann wieder. Verzweifelt vergrabe einen Moment lang meinen Kopf im Kissen und gebe dann einen frustrierten Laut von mir. „Komm schon.“, sagt Kathi aufmunternd, „Lass uns frühstücken gehen! Sonst holt Toni uns gleich!“ Fröhlich rollte sie sich zur Seite des Betts. Ich sehe sie fassungslose aus großen Augen an und deute dann auf meinen Schoß. „Und was ist damit?“, frage ich sie entsetzt. Kathi lächelt. „Darum kümmere ich mich heute Abend.“ Natürlich hat Kathi gewonnen, also sitze ich nach einer ziemlich ganzen und ziemlich kalten Dusche zwischen Mats und Toni am Frühstückstisch und schiebe mir frustriert eine Gabel Rührei in den Mund. Die Welt ist einfach sowas von ungerecht. Ich bin ein Opfer der Gesellschaft und Emanzipation. Vor vierzig Jahren, hätte ich Kathi einfach an ihrer Haaren zurück ins Bett gezogen und den ganzen Frust über Jule und alle anderen nervigen Schwestern dieser Welt mit heißem Sex ausgelöscht. Aber wir leben im Jahr 2016 und deswegen sitze ich jetzt mit meiner Familie am Frühstückstisch und schneide meiner Tochter ihr Nutella-Brötchen klein.
Kathi
‚Hola! Wie war dein Heiligabend? Was hat dein Millionärsehemann, denn dieses Jahr springen lassen? Ich hab heute meinen Flug gebucht, holst du mich am 6.1. um zehn ab? Ich freu mich total auf dich.‘ Schon zum dritten Mal lasse ich meinen Blick über die Whatsapp von meiner besten Freundin wandern und kann nicht anders als zu grinsen. Einfach weil die Nachricht so Sarah ist und ich es kaum erwarten kann, sie endlich wieder zu sehen. Ich vermisse sie so mega doll. Im Moment ist sie noch zusammen mit ihren Eltern in Boston, die sie über Weihnachten besuchen wollten. Aber in zwei Wochen ist sie endlich wieder in Deutschland und ich kann sie wieder umarmen. Noch einmal lese ich die Nachricht. Mein Millionärsehemann, sie ist so bescheuert. ‚Ich würd dich sogar in Kabul abholen, Carlo hat mir eine Tasche von Celine geschenkt!‘ tippe ich zurück und lege meine iPhone dann zur Seite. Neben mir spielt Emil mit seiner Scheibe Schinken rum, eigentlich finde ich es nicht gut, wenn er mit Essen spielt. Aber heute ist Weihnachten, also müssen sich meine Kinder nicht an alle Regeln halt, erst morgen wieder, wenn wir bei meinen Eltern sind. Ich versuche einen Seufzer zu unterdrücken. Das wird morgen wieder richtig geil. Papa und Carlo für mehr als vier Stunden in einem Raum. Ich kann es kaum erwarten. Gerade als ich nach der Kaffeekanne greifen will, um mir noch etwas ein zu schütten, blinkt mein iPhone wieder auf. ‚Eine Celine? Dein Ernst? Foto! Ich hasse dich gerade ein bisschen. Ich hab von meinen Eltern einen Spa Urlaub mit meiner Mutter in der Uckermark bekommen. Richtig krasser Scheiß!‘ Als ich Sarahs Nachricht lese, muss ich so laut lachen, dass ich mir die Hand vor den Mund halten muss, um nicht los zu prusten. Verwirrt sieht Carlo mich von der anderen Seite des Tisches an. „Mit wem schreibst du?“, will er neugierig wissen und versucht einen Blick auf mein iPhone zu erhaschen. „Sarah!“; antworte ich und tippe dann meine Antwort. „Kommt sie nicht bald wieder nach Deutschland?“, fragt Anke mich aufmerksam und ich nicke, „Ja, sie hat mir gerade geschrieben, dass sie am sechsten Januar landet. Ich freu mich so sehr sie wieder zu sehen!“, erzähle ich fröhlich und strahle über das ganze Gesicht. Anke drückt meine Hand und lächelt, „Das freut mich!“ Kurz scheint sie irgendwas zu überlegen. „Ist am sechsten nicht auch der Ausflug in die Kinderwelt, zu der ich mitkommen sollte?“, fragt Anke nachdenklich und schaut mich fragend an. Oh nein, oh nein. Das darf doch nicht wahr sein. Mit großen Augen sehe ich Anke an und tippe mich dann in meinen Kalender. Und wirklich in meinem Kalender steht dick und fett ‚Generationen Tag Kita, mit Anke und Toni‘ „Verdammt!“, fluche ich leise, „Was soll ich denn jetzt machen?“ Ich gehe mir durch die Haare und stöhne genervt auf. „Ich kann doch mit Toni mitgehen! Wir haben eh nur nachmittags Tour-Proben!“, bietet Carlo sich an und zwinkert mir zu. Ich sehe ihn dankbar an, schüttele aber meinen Kopf. „Das ist voll lieb von dir. Aber es ist doch der Mama und Oma Ausflug. Da kannst du nicht mit und außerdem hab ich mich schon gemeldet, dass ich sogar fahre. Deswegen muss ich da auf jeden Fall hin!“, erkläre ich ihm und atme tief durch. Carlo zuckt wieder mit den Schultern und beißt einmal von seinem Brötchen ab. „Ich kann sie ja auch vom Flughafen abholen!“, sagt Carlo leicht hin. Kurz überlege ich. „Mit welchem Auto denn? Du musst dich an dem Tag um Emil kümmern und Sarahs Gepäck plus Emil plus Sarah passen nicht in dein Auto!“, sage ich nachdenklich. Ich finde es ja lieb von Carlo, dass er sich anbietet. Aber trotzdem nervt mich es irgendwie ein bisschen, dass er nicht einmal nachdenken kann bevor er sowas anbietet. Erstmal labern und dann machen. „Dann kommt Danju halt mit und wir nehmen seine Karre!“, beschließt Carlo jetzt und schaut mich überaus zufrieden an. Ich kann nicht anders als meine Augen zu verdrehen, Jo mit zunehmen ist einfach nur eine bescheuerte Idee. „Na klar, gerade Jo, weil die beiden sich ja auch so gern haben!“, sage ich begeistert. Fragend zieht Carlo die Augenbrauen hoch, „Ja Jo, wieso denn nicht?“ „Weil Jo, vielleicht immer nicht gerade nett zu Sarah ist?“, frage ich Carlo, wobei es sich dabei eher um eine Feststellung als eine Frage handelt. „Sarah ist jetzt auch nicht immer so über korrekt zu Jo!“, schießt Carlo zurück. „Achja? Wann denn? Ich hab Sarah Jo noch nie fragen gehört, ob er mal wieder flach gelegt werden muss! Sie war immer nett zu ihm.“, verteidige ich meine beste Freundin. „Hat er doch Recht manchmal ist sie so eine Dramaqueen! Und Jo Heubachbauer zu nennen, ist für dich freundliches Verhalten?“, meckert Carlo mich an. Ich ziehe meine Augenbrauen hoch, „Aber Bodenseeschickse ist so viel besser? Und Sarah ist keine Dramaqueen. Ich kann sie gut verstehen, wenn Jos Verhalten sie nervt. Nicht jeder hat Bock auf ner Party in seinem Gras-Mief zu sitzen!“ Mittlerweile scheinen Carlo und ich die anderen am Tisch völlig vergessen zu haben. „Kahti es war ein Joint und Sarah macht gleich so nen Aufstand, als wenn er vor ihr Meth kochen würde! Und außerdem hat sie Jo schon immer gehasst!“, sagt Carlo beleidigt und verschränkt die Arme vor der Brust. Ich mache einen abfälligen Laut und bekomme noch gerade aus dem Augenwinkel mit, wie Anke und Christian sich vielsagende Blicke zu werfen. „Das stimmt doch gar nicht! Sie war immer total nett zu ihm. Aber er konnte sich ja noch nie benehmen, er hat sie auf unserer Hochzeit in den Pool geschubst, falls du dich erinnerst!“, stelle ich Carlos Behauptung richtig. Als ich den Zwischenfall auf Carlos und meiner Hochzeit erwähne, fängt Benno laut an zu prusten und auch auf Carlos Gesicht bildet sich ein Grinsen. Ich weiß gar nicht was daran so witzig ist, das Jo Sarah in den Pool geschubst hat und damit auch ihr nagelneues Dior Kleid ruiniert hat. Hellblaue Seide und Chlor machen sich einfach nicht wirklich gut. „Wenn jemand zu mir sagen würde, dass ich mein Leben mal auf die Reihe kriegen soll und total hängen geblieben sei, würde ich diese Person auch in den Pool schubsen.“, meint Carlo trotzig und verschränkt die Arme vor der Brust, „Sie ist manchmal einfach nur so eine richtig verwöhnte Trulla, die denkt sie wüsste alles besser, weil sie studiert hat!“ Ich schnaube wütend und starre Carlo mit einem finsteren Blick an, „Wie schlimm von ihr, dass sie ihre Intelligenz nutzt und nicht den ganzen Tag rumgammelt und einen Joint nach dem anderen durch zieht. Richtig unverschämt von ihr. Und jetzt tu mal nicht so, als wenn Jo aus dem härtesten Ghetto kommen würde. Ihm hat es auch nie an etwas gefehlt!“, fauche ich Carlo an. Mittlerweile ist es im Esszimmer totenstill geworden und die ganze Familie beobachtet Carlo und mich bei unserem Schlagabtausch. „Jo hat sich selbst was auf gebaut, aus eigener Kraft und sich nicht auf seine Eltern verlassen, die schon alles für ihn regeln!“, zischt Carlo. „Es besteht ein großer Unterschied zwischen Glück haben und sich etwas erarbeiten.“, merke ich altklug an. Carlo holt gerade Luft um wieder etwas zu sagen, als er von Anke unterbrochen wird. „Carlo, vielleicht solltet ihr das ein anderes Mal ausdiskutieren!“, schlägt sie mit ruhiger Stimme vor und schaut uns beide mit einem strengen Blick an. „Wenigstens ist Jojo nicht gewalttätig und droht mir die Nase zu brechen!“, schiebt Carlo noch hinterher und fängt sich darauf hin noch einen bösen Blick von seinem Vater ein, „Carlo jetzt reicht es aber echt mal. Es ist Weihnachten und das war ja wohl damals nur ein Scherz!“ Auch wenn mir die Sache gerade total peinlich ist, muss ich innerlich grinsen. Auf Carlos und meiner Hochzeit, hat Sarah ihm vor versammelter Mannschaft angedroht, ihm die Nase zu brechen, wenn er mir irgendwann mal wehtun würde. So eine beste Freundin braucht man einfach. Trotzdem ist mir die Situation mega peinlich. Mit Carlo vor unserer ganzen Familie zu streiten geht einfach mal gar nicht. Schon gar nicht an Weihnachten. Und wenn wir mal ehrlich sind ging es zum Ende hin gar nicht mehr um Sarah und Jo, sondern um uns beide. Denn genau das, was Carlo mir vorgeworfen hat, stört ihn schon immer an mir und genauso andersherum. Aber es ist einfach einfacher Sarah und Jo, diese Fehler vor zu werfen, als dem Partner zu sagen was einen nervt. Dabei weiß ich ganz genau, was Carlo nervt. Ich bin noch nicht mal das große Problem. Meine Eltern, naja nicht meine Eltern, sondern mein Vater. Und ich kann Carlo sogar verstehen, egal was er macht, wie viele Konzerte er ausverkauft, Platten verkauft oder Preise nach Hause bringt, für meine Papa ist das trotzdem noch immer nicht gut genug. Ich weiß nicht wie oft ich mir schon Sätze wie ‚Hättest du mal einen Arzt geheiratet‘ oder ‚Carlos Karriere hat nichts mit Talent, sondern nur mit Glück zu tun‘ anhören konnte. Mein Vater kann Carlo einfach nicht leiden und verstehen, wie jemand wie er erfolgreich sein kann. Ohne aus den tollen Kreisen zu kommen, in denen er sich aufhält. „Tut mir leid!“, sage ich kleinlaut an Anke und Christian gewandt und beginne den Tisch abzuräumen. „Jetzt bleib doch noch sitzen!“, fordert Christian mich auf, aber ich schüttele nur den Kopf und zwinge mich zu einem Lächeln, bevor ich in die Küche verschwinde. Ich weiß nicht warum, aber auf einmal ist mir nur zum Heulen zu mute. Ich bin wirklich eine blöde Kuh, wieso hab ich mich auch auf diesen bescheuerten Streit mit Carlo eingelassen. Ich beiße mir auf die Unterlippe und beginne damit die Spülmaschine ein zu räumen. Weihnachten ist mein Lieblingsfeiertag und Sarah meine Lieblingsfreundin, ich hab keine Ahnung was mit Carlo und seinen blöden Stimmungsschwankungen los ist. Und noch weniger kapiere ich, wieso wir über so etwas überhaupt streiten. Frustriert pfeffere ich eins der Geschirrhandtücher in die Spüle und lehne mich gegen die Küchenarbeitsplatte. Draußen fällt schon wieder Schnee, die in der Einfahrt geparkten Autos sind von einer dicken Haube aus Schnee bedeckt und der kleine Weg, den Christian heute Morgen mit Marlon und Leon freigeschaufelt hat, ist auch schon wieder fast verschwunden. Meine Gedanken wandern wieder zurück zu Carlo und seinen merkwürdigen Stimmungsschwankungen, ich weiß gar nicht was in letzter Zeit mit ihm los ist. So kenne ich ihn einfach gar nicht. In einem Moment ist er tierisch schlecht drauf oder total geladen und im nächsten Moment ist er wieder mein liebevoller und einfühlsamer Carlo. Was ist nur mit ihm los? Vielleicht ist er wirklich einfach nur komplett überarbeitet und braucht mal eine Pause um runter zu kommen. Aber wie soll das klappen? Mitte Januar fängt schon wieder die Tour an und sobald die Tour rum ist, fängt schon fast wieder der Festival Sommer an. Da ist nicht wirklich Zeit zum Durchatmen, geschweige denn entspannen und runterkommen. Eigentlich wollte er sich nach dem Album mehr Zeit nehmen, vielleicht sogar mal für ein paar Wochen nur zu Hause bleiben und Zeit mit den Kindern verbringen, aber dann hat Kody angefangen die Tour zu planen und schon hat sich Carlos guter Vorsatz wieder in Luft aufgelöst. Ich werde von einer Hand auf meiner Schulter aus meinen Gedanken gerissen. Als ich meinen Kopf hebe, schaue ich in die strahlend blauen Augen meiner Schwägerin. Lena schenkt mir ein warmes Lächeln und lehnt sich neben mich an die Küchenarbeitsplatte. „Alles okay?“, fragt sie leise und mustert mich aufmerksam. Ich versuche ein kleines Lächeln und nicke, „Ja, alles gut!“ Lena stupst mich ein bisschen mit ihrer Schulter an und bringt mich damit zum Grinsen. „Manchmal ist Carlo ein Vollidiot!“, sagt sie und es hört sich mehr wie eine Feststellung an. „Er ist im Moment ziemlich im Stress oder?“, hakt sie nach und ich nicke nur. „Ja, er steht die ganze Zeit unter Strom und kommt nicht wirklich zum Luft holen, aber irgendwas ist da noch. Ich kenne ihn sogar nicht!“, erkläre ich ihr ehrlich und vergrabe mein Gesicht dann in den Händen. Es ist ein beschissenes Gefühl zu wissen, dass Carlo mir irgendetwas nicht sagt und stattdessen seinen Frust an mir auslässt. Wenn er wirklich mit mir reden würde, könnte ich ihm wenigstens versuchen zu helfen. „Er hat in letzter Zeit total die Stimmungsschwankungen und rastet schon bei kleinen Dingen aus. So kenne ich ihn gar nicht!!“, verzweifelt schaue ich Lena an. Vielleicht hat sie ja eine Ahnung was mit Carlo los ist, immerhin ist sie seine große Schwester und wer kennt ihn besser und länger als sie? Lena streicht sich eine Strähne ihrer blonden Haare aus dem Gesicht, anders als Jule sind ihre Haare glatt und seidig. Dafür ist sie mit Abstand die kleinste Waibel, sie ist sogar nochmal ein ganzes Stück kleiner als ich. „Stress war noch nie Carlos bester Freund!“, sagt Lena nachdenklich und scheint dabei ins Leere zu starren, „Wenn er in der Schule wegen irgendwas Stress hatte oder mit seinen Freunden Streit, war er immer unausstehlich, weil er das nicht ab kann. Er braucht einfach Harmonie und alle sollen cool mit allen sein!“ Ich lasse einen abfälligen Laut hören, denn so benimmt Carlo sich in letzter Zeit nun wirklich nicht. Ganz im Gegenteil manchmal kommt es mir geradezu vor, als wenn er auf Krawall gebürstet ist. Und genau das finde ich so komisch, denn eigentlich ist Carlo wirklich der harmoniebedürftigste Mensch, den ich kenne. „In letzter Zeit ist das jetzt nicht wirklich so!“, meine ich und erzähle ihr dann von Carlos und meinem Streit wegen der ganzen Vio-Sache und seinem Ausraster nachdem er Lucca in unserer Dusche gefunden hat. „Oh man, ich hätte so gern Luccas und Carlos Gesichter gesehen!“, prustet Lena und hält sich die Seite vor Lachen. Auch ich muss bei dem Gedanken an Luccas ängstliches Gesicht lachen und lehne meinen Kopf an Lenas Schulter. Nach einer Weile wird Lena wieder ernster und schaut mich an. „Lass dir nicht alles von meinem kleinen Bruder gefallen, er ist einfach nur total gestresst. Aber er liebt dich über alles, dass sieht jeder!“, ermutigt sie mich und zieht mich dann in eine Umarmung. Ich erwidere Lenas Umarmung und bin wieder einmal so dankbar für meine tolle Familie. Egal was ist, man hat einfach immer jemanden. Lena drückt mich ganz fest an sich und ich spüre ihren bekannten Duft in meiner Nase, ich weiß nicht wie sie das schafft, aber sie riecht wirklich immer nach einer Mischung aus Armani Diamonds und Orange. „Danke, Lena!“, flüstere ich und löse mich langsam von ihr. „Dafür sind Schwestern da!“, lächelt sie mich an und streicht mir über die Wange. Eine Stunde später stapfe ich neben Carlo her durch den Schnee, die kleine Stichstraße, in der seine Eltern wohnen, wurde heute nicht geräumt. Vor uns laufen Toni und Wolle her, wobei Wolle Toni eher hinter sich her schleift, während Emil dick eingemummelt in eine warme Decke auf Carlos altem Holzschlitten sitzt, den Carlo hinter sich her durch den Schnee zieht. Wieder einmal frage ich mich, ob Carlo eine Art Zauberspruch für mich hat. Nach Lenas und meine Unterhaltung in der Küche, hat er mich gefragt ob ich Lust hätte mit ihm und den Kindern einen Spaziergang zu machen. Natürlich kenne ich Carlo auch schon ein paar Tage und weiß, dass das seine Art eines Friedensangebots ist. Und wie kann ich da schon nein sagen. Ich werfe Carlo einen verstohlenen Seitenblick zu. Sein Blick ist nach vorne gerichtet und auf Wolle und Toni geheftet, die ein paar Meter vor uns durch den Schnee tollen. Mittlerweile sieht Carlo wieder ganz entspannt und zufrieden aus. Ein kleines Lächeln umspielt seine Lippen, während er Toni beobachtet. Er scheint meinen Blick auf sich zu spüren und dreht seinen Kopf zu mir. „Alles gut?“, fragt er mich und greift nach meiner Hand. Wieso fragt er das jetzt schon wieder? Er muss doch wissen, dass nicht ‚alles gut‘ ist. Immerhin war er vorhin auch mit am Frühstückstisch dabei. Kurz überlege ich, ihn auf seine komisches Verhalten an zu sprechen, aber dann schlucke ich die Idee wieder runter und nicke einfach nur. Es ist Weihnachten, ich will nicht noch mehr mit Carlo diskutieren, sondern einfach nur die gemeinsame Zeit genießen. Und wenn Lena wirklich Recht hat und er nur gestresst ist, bringt er nicht, wenn ich ihn noch mehr stresse. Ich muss ihm einfach Zeit geben und vielleicht öffnet er sich mir dann endlich. Auch wenn es ein total blödes Gefühl ist, zu wissen das er mir irgendetwas nicht sagt. Aber ich kann ihn nicht zwingen mit mir zu reden. Eigentlich habe ich gedacht, dass wir uns immer alles sagen. Ich schiebe diese Gedanken ganz weit nach hinten in meinem Kopf und lächele Carlo an. „Alles super! Es ist Weihnachten!“, verkünde ich und drücke ihm einen Kuss auf die Lippen.
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Ist hier noch wer?
Grüße vom neuen Familienmitgleid Carlo
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41. Heiligabend
Kathi
Wir stehen in einem großen Kreis vor der Kirche und warten darauf, dass Lena zusammen mit Marlon und Leon nach draußen kommt. In kleinen Wölkchen wabert unser Atem durch die Luft. Toni hat ihren kleinen Kopf müde auf Carlos unordentliche Haare gelegt und überblickt auf seinen Schultern alle anderen. Carlo hält einen ihrer kleinen Knöchel fest, damit sie nicht von seinen Schultern rutscht. Seine andere Hand hat er auf meine Hüfte gelegt. Ich stehe nah an ihn gedrängt, weil mir tierisch kalt ist. Vielleicht hätte ich doch eine dickere Strumpfhose anziehen sollen und auch mein schwarzer Mantel ist nicht gerade der Wärmste. Nur Emil scheint rund um zu Frieden zu sein, er sitzt entspannt auf meiner Hüfte und spielt versonnen mit den kleinen Bommeln meines Schals herum. Um uns herum steht Carlos gesamte Familie, mittlerweile ist auch seine Oma Irma zu uns gestoßen, die Max an der Hand hält, weil der Kleine die ganze Zeit versucht die Dekoration von der großen Tanne, die auf dem Kirchplatz aufgebaut ist, ab zu machen. „Sollen wir nicht schon mal langsam zum Parkplatz gehen?“, schlägt Ben vor und streicht Isa über die Arme, auch ihr scheint ziemlich kalt zu sein. Zurück zum Parkplatz, das kann was werden. Ich hab mich schon vorhin fast lang gelegt, weil meine tollen Schuhe leider kein Profil besitzen und jetzt muss ich auch noch Emil tragen. Kurz überlege ich, ob ich Carlo nicht fragen soll, ob er den Wagen holen kann. Aber das ist auch ein bisschen bescheuert, wenn sogar Carlos Oma mit einer neuen Hüfte es bis zum Parkplatz schafft, bekomme ich das auch hin. „Benno, wir können jetzt noch die paar Minuten auf deine Schwester warten!“, sagt Anke und schenkt ihrem älteren Sohn einen strengen Augenaufschlag. „Aber ich hab so Hunger!“, jammert Ben und hört sich genauso an wie Carlo. Wenn Waibel-Männer Hunger haben hört der Spaß auf. „Hör bloß auf über Essen zu reden, der Rotkohl hat so lecker gerochen, als wir gefahren sind!“, sagt Carlo leidend und tippt von einem Fuß auf den anderen. Wenn es nicht so verdammt kalt wäre, wäre es wirklich ein wunderschöner Weihnachtsabend. Der kleine Kirchplatz ist wunderschön geschmückt, über allem liegt eine dicke Schneedecke und in einer kleinen Bude, neben der Kirche, schenken Freiwillige Glühwein und Kinderpunch aus. Der Kirchenchor singt neben der großen Tanne ein paar Weihnachtslieder und überall stehen Menschen in kleinen Gruppen zusammen und unterhalten sich. „Ich geh mal gucken, wo die drei bleiben!“, sagt David jetzt und verschwindet wieder im Inneren der Kirche. Ich drücke mich ein wenig enger an Carlo, dass hilft leider aber auch nicht wirklich viel. „Ist dir kalt?“, fragt Carlo und sein warmer Atem streicht angenehm über meine eiskalte Wange. Was für eine blöde Frage. Anstatt zu antworten nicke ich nur und ziehe Emil noch ein Stückchen näher zu mir ran. Carlo rubbelt mir über den Arm und ich sehe ihn dankbar an. Mein Blick fällt auf Jule und Mats, auch Mats hat seinen Arm schützend um ihre Schultern gelegt, während Jules Hände ruhig auf ihrem gut versteckten Bauch ruhen. Ob sie es heute Abend wohl erzählen werden? Es wäre auf jeden Fall ein tolles Weihnachtsgeschenk für Anke und Christian. Endlich kommen Lena und David mit den Zwillingen zusammen aus der Kirche. Die Jungs haben noch immer die Schafschminke und Ohren auf und stürzen begeistert auf uns zu, als sie uns erspähen. „Carlo hast du uns gesehen?“, fragt Leon aufgeregt und hüpft vor Carlo und mir auf und ab, während sein Bruder sich ein großes Lob von seinen Großeltern abholt. „Na klar, hast du uns nicht gesehen? Wir saßen ganz vorne und haben extra laut geklatscht!“, grinst Carlo Leon an und wuschelt ihm durch die Haare. „Ihr wart richtig gut!“, lobe ich Leon und sofort bildet sich ein Strahlen auf seinem Gesicht. „So gut wie du?“, will Leon von seinem Onkel wissen. Eifrig nickt Carlo, „Na klar Kumpel. Eigentlich noch viel besser!“, beteuert Carlo und grinst mich an. Noch vor ein paar Jahren hätte er diese Unterhaltung komplett idiotisch gefunden, aber jeder wächst in seine Rolle rein, sogar Carlo. „Cool!“, sagt Leon begeistert und dreht sich zu seinem Bruder um. Es sieht so witzig aus, die Jungs in ihren Anoraks zusehen, während sie noch schwarze Schafsnasen haben und ihre Wollohren bei jeder Bewegung schlackern. Christian klatscht in die Hände und hakt sie bei Irma unter, „Können wir dann los?“ Alle nicken und so setzt sich die gesamte Meute in Bewegung. Carlo hebt Toni von seinen Schultern und stellt sie auf den Boden. Dabei erntet er einen ziemlich pikierten Blick von der Kleinen. Aber Carlo streckt seine Hand nach ihr aus und lächelt sie aufmunternd an. „Toni, ich muss Mama auch an die Hand nehmen, sonst tut sie sich noch weh. Mit den Schuhen ist Laufen nicht so cool!“, erklärt er Toni grinsend und legt seinen Arm schützend um mich. Für einen kurzen Moment bin ich überrascht, dass ihm auf gefallen ist wie unsicher ich auf meinen Schuhen bin. „Bin ich so durchschaubar!“, frage ich Carlo und vergrabe mein Gesicht kurz an seiner Schulter. „Nein, aber ich kenn dich schon ein paar Tage und dir tun die Füße schon weh, seit du aus dem Auto aus gestiegen bist!“, meint Carlo und drückt mir einen Kuss auf die Wange. Er kennt mich einfach zu gut. „Mit Jule?“, fragt Toni und macht sie von Carlos Hand los. „Ja, du kannst auch mit Jule mitgehen!“, erlaubt Carlo ihr und schaut kurz zu seiner großen Schwester rüber. Jule nimmt Toni an die Hand und lächelt der Kleinen zu. „Sollen wir sie bei uns im Auto mitnehmen. Wir haben auf der andere Seite vom Rathaus geparkt!“, schaut Jule uns fragend an. „Ihr habt keinen Kindersitz!“, wirft Carlo besorgt ein, aber ich lege ihm nur die Hand beruhigend auf die Schulter, „Für den kurzen Weg geht das!“ Jule nickt zustimmend und winkt uns zusammen mit Toni zum Abschied zu. „Tschüss Mama. Tschüss Papa. Tschüss Emi!“, ruft Toni fröhlich und greift dann auch noch nach Mats Hand. Schnell husche ich ins Auto und warte darauf, dass Carlo hinter dem Steuer Platz nimmt. Während er Emil noch anschnallt, mache ich die Heizung schon mal auf volle Pulle an und stelle das Radio leiser. Als Carlo auf dem Fahrersitz Platz nimmt, legt er mir seinen warmen Mantel auf die Beine und grinst mich an. In seinen wirren Haaren haben sich einzelne Schneeflocken verfangen und seine Wangen sind von der Kälte ganz gerötet. Bevor er los fährt lockert er seine dunkelgrüne Krawatte etwas, vielleicht war die auch wirklich ein bisschen viel. „Nimm sie ganz ab!“, schlage ich vor und greife nach der Krawatte. Carlo grinst mich an und zieht sie über seinen Kopf, danach stopft er sie einfach in die Mittelkonsole und legt den Rückwärtsgang ein. Für einen kurzen Moment herrscht Stille im Auto und nur das leise Gedudel des Radios ist zu hören. „Letztes Jahr um diese Zeit waren wir noch zu dritt!“, sagt Carlo nachdenklich und wirft einen Blick in den Rückspiegel auf Emil. „Letztes Jahr um diese Zeit sah ich aus, als wenn ich einen Wasserball verschluckt hätte!“, gebe ich zurück und Carlo fängt an zu lachen. Er streicht über meinen Bauch und verschlingt seine Finger dann mit meinen. „Ich fand du sahst wunderschön aus!“, sagt er andächtig und mir läuft ein kalter Schauer über den Rücken. Endlich habe ich wieder das Gefühl, dass ich meinen Carlo wieder habe. Nicht diesen verschlossenen und schlecht gelaunten Carlo der vergangenen Tage. „Danke, mein Schatz!“, sage ich glücklich und lehne mich ein wenig zu ihm rüber um seine Wagen zu küssen. Bevor ich ihm sagen kann, wie sehr ich ihn liebe, blinkt sein Handy und Carlo greift danach. Genervt lasse ich mich in meinen Sitz zurück fallen. Noch nicht einmal an Heiligabend, kann er das Ding aus und die Leute uns in Ruhe lassen. „Muss das jetzt sein, Carlo? Heute?“, frage ich beleidigt. Aber Carlo hält mir nur sein Handy entgegen. Im Schein des Bildschirms sehe ich, wie er übers ganze Gesicht strahlt. „Ich glaub das muss sein!“, sagt er nur und ich greife nach dem Handy. Als ich realisiere was ich da gerade sehe, schlage ich mir eine Hand vor den Mund. „Oh mein Gott!“, sage ich ungläubig. Auf Carlos iPhone sehe ich ein Bild von Markus und Marla, wie sie eng umschlungen vor einem Weihnachtsbaum, bei Markus Eltern im Wohnzimmer, stehen. Markus hat Marla ganz fest im Arm und schaut gar nicht richtig in die Kamera, sondern hat nur Augen für sie, während Marla freudestrahlende ihre rechte Hand ausstreckt, an der ein wunderschöner Ring mit den beiden um die Wette strahlt. Unter dem Bild hat Markus noch einen kurzen Text getippt, ‚Frohe Weihnachten an die vier Waibels von den zweieinhalb Brückners (sie hat ja gesagt)‘. Ich spüre wie sich Tränen in meinen Augen bilden, weil ich mich so sehr für die beiden freue. „Baby, nicht weinen!“, sagt Carlo aufmunternd und streicht mir beruhigend über den Oberschenkel. Überrascht schaue ich ihn an, „Wie kannst du dabei so ruhig bleiben?“ Carlo grinst mich nur an zu zuckt mit den Schultern, „Vielleicht weil ich den Antrag zusammen mit Psaiko geplant habe?“ Ich boxe Carlo gespielt gegen die Schulter, „Und du hast mir davon nichts erzählt? Ich hab gedacht wir sagen uns immer alles?“ Carlo hält an einer roten Ampel und zieht mich zu sich rüber, er drückt mir einen Kuss auf die Lippen und lächelt mich dann an, „Baby, du musst nicht immer alles wissen!“ Wir sitzen alle zusammen bei Carlos Eltern zu Hause im Wohnzimmer um den Couchtisch herum verteilt, im Kamin prasselt ein warmes Feuer und draußen von der Terrassentür fällt lautlos Schnee auf die Gartenmöbel. Lena sitzt vor gebeugt auf der großen Couch zwischen David und Jule und liest die Weihnachtsgeschichte vor, wie jedes Jahr. Mit großen Augen schaut Toni ihre Tante an und lauscht jedem Wort, nur Emils fröhlichen Quietschen ist immer wieder zu hören, während Lena von Maria und Josefs Reise erzählt. Carlo sitzt, mit Emil auf dem Schoß, neben mir und hat seinen Arm auf die Rückenlehne hinter mich gelegt. Sofort nach dem obligatorischen Familienfoto vor dem Weihnachtsbaum, zu dem Anke uns jedes Jahr zwingt, hat er sein Sakko aus gezogen und die Ärmel seines Hemds hochgerollt. Jetzt sieht er wieder mehr wie mein Carlo aus. Ein leichtes Lächeln liegt auf seinen Lippen und die Kerzen des Adventskranzes spiegeln sich in seinen dunklen Augen wieder. Er ist so verdammt schön. Und ich bin so froh mit ihm hier zu sitzen, mit ihm und unseren beiden Kindern und unserer tollen Familie. Eine unglaubliche Dankbarkeit überkommt mich mit einem Mal, unser Leben ist schön und wir haben alles was wir brauchen. Ich könnte mir wirklich keine schönere Art vorstellen Weihnachten zu verbringen. Bevor Lena angefangen hat die Weihnachtsgeschichte vor zu lesen, haben wir noch ein paar Weihnachtslieder gesungen, zu denen Carlo die ganze Familie auf dem Klavier begleitet hat. Eine Tradition die es bei Carlos Familie laut seiner Oma auch schon seit immer gibt. Es war einfach nur total süß, wie Toni aus vollem Hals ‚ihr Kinderlein kommet‘ mit geschmettert hat, während alle anderen total andächtig gesungen haben. Eine gute Stunde später kann man den Boden vor dem Tannenbaum vor lauter Geschenkpapier nicht mehr sehen. Leon und Marlon jagen sich gegenseitig mit ihren neuen Ninja-Turtle Schwertern um den Esstisch, während Emil und Max fröhlich mit Max neuem Parkhaus spielen. Nur Toni sitzt noch immer brav auf Carlos Schoß und wartet geduldig auf ihr nächstes Geschenk, während Isa gerade dabei ist ein großes Geschenk von Ben aus zu packen. Als sie kurz darauf einen Thermomix in den Händen hält, staune ich nicht schlecht und vor allem scheint sie sich über die Küchenmaschine noch total zu freuen. Komisch, ich hätte Carlo mit dem Teil erschlagen, wenn er mir eine Küchenmaschine zu Weihnachten geschenkt hätte. Naja vielleicht nicht bei einem Thermomix, aber auf jeden Fall bei nem Dampfbügeleisen oder so. „Toni möchtest du auch noch ein Geschenk bekommen?“, fragt Carlo sie aufmerksam und sofort fängt Toni wie wild mit dem Kopf zu nicken. Carlo steht auf und setzt die Kleine auf meinen Schoß. „Ich glaub da müssen wir mal gucken, was hier unter der Decke steckt!“, sagt Carlo geheimnisvoll und strahlt fast genau so breit wie Toni. Aufgeregt rutscht Toni von meinem Schoß und trappelt zu Carlo rüber. Carlo reicht ihr einen Zipfel der Decke rüber und Toni zieht ganz fest daran, weil sie nicht genug Kraft hat, um die Decke alleine von dem großen Geschenk zu ziehen, hilft Carlo ein bisschen nach. Als das Geschenk dann zum Vorschein kommt, bekommt nicht nur Toni große Augen. Auch ich schaue ungläubig auf den pinken Mini Cooper, wo hat Carlo den denn her? Und warum hat er mir nichts von dem Geschenk erzählt. Toni kann ihr Glück kaum fassen und hüpft aufgeregt auf und ab, während sie immer wieder in die Hände klatscht. „Auto!“, ruft sie immer wieder begeistert. Carlo hebt sie breit grinsend hoch und setzt sie in den Mini Cooper, „Dein Auto Kröte!“ Toni spielt mit dem Lenkrad rum und strahlt Carlo über das ganze Gesicht an. „Wie Papa! Ein Abblecher!“, sagt sie fröhlich und schaut Carlo an. Abblecher sind bei Toni Carbios. „Genau Kröte, ein Cabrio wie Papas Auto!“ Als Toni wissen will, ob ihr Auto auch fährt, verspricht Carlo ihr gleich Morgen eine Runde mit ihr zu drehen. „Du bist doch bekloppt!“, sagt Ben grinsend, als Carlo sich wieder zu uns auf die Couch fallen lässt. Und sich entspannt zurück lehnt. Anstatt seinem Bruder zu antworten, drückt Carlo mir einen Kuss auf die Wange und nuschelt in mein Ohr, „Gefällt dir das Geschenk auch?“ Ich lehne mich an seine Schulter und zucke mit den Schultern, „Ist doch egal, Toni hat Spaß, du bist wieder der Held des Abends, da komm ich doch eh nicht gegen an!“ Carlo lacht und auch alle anderen fangen an zu lachen. Immer mehr Geschenke werden verteilt und finde neue Besitzer. Carlos Oma bekommt von uns allen ein Fotoalbum mit Bildern aus unserem letzten Jahr. Jeder hat eine Seite selbst geschaltet. Nachdem Jule von Mats eine neue Nähmaschine bekommen hat und die Jungs alle von Carlos Oma mit einem neuen selbstgestrickten Pullover ausgestattet wurden (auf Carlos steht sogar VioVio), hält Carlo mir einen Umschlag entgegen. „Frohe Weihnachten Liebling!“, sagt Carlo und küsst mich kurz, als ich nach dem Umschlag greife. „Danke!“, erwidere ich noch, bevor ich den Umschlag aufgemacht habe. Schon jetzt hat Carlo mir meinen jährlichen Bilderrahmen, Parfüm und ein Buch geschenkt. Vorsichtig löse ich die rote Schleife und öffne den Umschlag. Zum Vorschein kommt ein dickes, goldenes Stückpapier. Auf dem in Carlos Handschrift mit schwarzem Flitzstift ‚Silvester in tausend und einer Nacht‘ steht, darunter hat er ein Kamel und etwas das wohl ein Scheich sein sollen, der mich aber komisch an Markus erinnert, gezeichnet. Fragend sehe ich ihn an, Carlo grinst mich an, „Verstehst du’s nicht?“ Kurz überlege ich, aber ich komm nicht drauf. Also schüttele ich den Kopf. „Wir fliegen nächste Woche nach Dubai. Zusammen mit Markus und Marla!“, klärt Carlo mich auf. „Wirklich?“, frage ich ungläubig, Carlo grinst mich an und nickt nur. „Oh Carlo, wie schön. Nochmal richtig Urlaub machen vor der Tour!“ Carlo zieht mich in seine Arme und drückt mir einen Kuss auf die Wange, „Das war der Plan!“ Ich löse mich ein Wenig von ihm und greife hinter mich. „Ich hab auch noch was für dich!“, sage ich fröhlich und halte ihm ein kleines Päckchen hin. Carlo greift danach und rupft das Geschenkpapier eher weniger stillvoll von dem Geschenk ab. Zum Vorschein kommt eine kleine Kassette in einer durchsichtigen Hülle, auf die etwas mit Edding drauf gekritzelt wurde. Carlo begutachtet das Tape für einen kurzen Moment und liest dann laut vor, „Biggie Smalls What’s the 411“ Jetzt ist Carlo derjenige, der mich fragend ansieht. „Weißt du was das ist?“, frage ich ihn und streiche über die verkratzt Hülle. „Das erste Mixtape von Biggie von einundneunzig!“, antwortet Carlo wie aus der Pistole geschossen. „Genau! Davon gibt es auf der ganze Welt nur fünfhundert Stück!“, füge ich hinzu. Mit großen Augen starrt Carlo mich an. „Meinst du etwas… also…das ist…!“, stammelt er und schaut immer wieder zwischen mir und der kleinen Kassette hin und her. „Ich hab ne Anzeige im Internet gefunden und Sarah hat es in Boston abgeholt und mir geschickt!“, berichte ich ihm. Carlo lässt die Kassette fallen und küsst mich stürmisch. „Alter! Baby, das ist der absolute Wahnsinn! Danke! Du bist einfach die Beste!“, redet er wild auf mich ein, dann zieht er sein IPhone aus seiner Hosentasche. „Das muss ich erstmal Danju schreiben, der wird umfallen!“, sagt Carlo aufgeregt und macht ein Foto von dem Mixtape, er hört sich an wie ein aufgeregtes kleines Mädchen, dass gerade erfahren hat, dass sie Cro treffen darf. Und ich freue mich so sehr, dass ihm das Geschenk so gut gefällt. Denn auch wenn man es nicht glaubt, ist es unheimlich schwer ein Geschenk für Carlo zu finden, zwar freut er sich über fast alles. Aber was soll man jemandem schenken der einfach wirklich schon alles hat oder alles von irgendwelchen Firmen geschenkt bekommt.
Carlo
Ich halte Kathi fest im Arm und beobachte Jule dabei, wie sie einen nervösen Blick mit Mats tauscht. Es sind fast alle Geschenke verteilt. Es fehlt nur noch Jules und Mats Geschenk für Mama und Papa und meine zweite Überraschung für Kathi. Leise, klassische Musik untermalt unsere Bescherung, Ben ist gerade dabei einen neuen Holzscheit in den Kamin zu verfrachten und die Kinder spielen alle seelenruhig mit ihren neuen Spielsachen. Ben lässt sich wieder neben Isa fallen und auch meine Oma kommt wieder zurück aus der Küche, sie hat den Keks- und Süßigkeiten-Teller wieder aufgefüllt, der neben dem Adventskranz auf unserem Wohnzimmertisch steht. Endlich scheint Jule sich einen Ruck gegeben zu haben, denn sie rutscht ganz nah an die Kante der Couch und hält meinen Eltern ein flaches Päckchen hin. Kurz scanne ich ihr Erscheinungsbild, sie trägt ein weinrotes, weites Kleid und dazu schwarze Wildlederstiefel, unter dem Kleid könnte sie wahrscheinlich einen Kastenbier verstecken und niemand würde etwas bemerken. Aber auch wenn das Kleid um den Bauch rum so unförmig ist wie ein Zirkuszelt, sitzt es trotzdem schön und umspielt ihre Hüften. Manchmal ist Mode echt komisch. „Frohe Weihnachten!“, strahlt Jule Mama an und ich bemerke wie ihre Finger leicht zittern, als sie Mama das Geschenk rüber reicht. Meine Mutter lächelt sie dankend an und lehnt sich ein bisschen auf der Couch zurück. Als sie jetzt das Geschenkpapier nur ein wenig öffnet, erkenne ich, dass es sich um einen Bilderrahmen handelt. Meine Mutter schlägt überrascht die Hand vor den Mund und sagt mit erstickter Stimme, „Julia!“ Mein Vater schaut kurz zwischen Mama und dem Bilderrahmen hin und her, dann starrt er Jule und Mats unentwegt an. „Wirklich?“, fragt mein Vater ebenso perplex wie meine Mutter. Erst jetzt bemerke ich wie Jule dicke Tränen über die Wange laufen und sie wild mit dem Knopf nickt. „Zwanzigste Woche!“, bringt sie heraus und im nächsten Augenblick liegen meine Mutter und meine große Schwester sich in den Armen und weinen beide. Neben mir höre ich Kathi leise schluchzen und ziehe sie ein Stückchen näher an mich ran. Beruhigend streiche ihr über den Arm und drücke ihr einen Kuss auf die Wange. Ich kann gut verstehen, warum meine Mutter und Jule heulen und auch Kathi Tränen in den Augen hat. Denn selbst ich habe eine Gänsehaut. Jule und Mats haben schon lange versucht Eltern zu werden und nach unzähligen misslungenen Versuchen, wurde sie endlich schwanger und haben dann nacheinander zwei Mal ziemlich schlimme Fehlgeburten durch machen müssen. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie schlimm das für die beiden gewesen sein muss. Ein Kind zu verlieren muss so ziemlich das Schlimmste sein, was dir passieren kann. Unbewusst wandert mein Blick auf Toni und Emil, die beide fröhlich und mit glühenden Wangen auf dem Teppich sitzen und spielen. Ich kann mir nicht einmal vorstellen, wie es mir gehen würde, wenn ich einen der beiden verlieren würde. Egal was passieren würde, was ich tun müsste und wie schlecht es mir dabei selbst ging, für meine Kinder würde ich alles geben. Solange es den beiden gut geht, geht es mir auch gut. Sie sind einfach mein Leben, der Grund warum ich morgens aufstehe und abends mit einem Lächeln ins Bett gehe. „Ich freu mich so für euch!“, holt mich die Stimme meines Vaters wieder zurück ins hier und jetzt. Mittlerweile scheinen auch die anderen begriffen zu haben, was Jule und Mats unseren Eltern geschenkt haben und eine große Umarm-Orgie startet. Als ich an der Reihe bin, ziehe ich meine große Schwester ganz fest an mich und drücke ihr einen Kuss auf die Wange. „Herzlichen Glückwunsch Jules!“, flüstere ich ihr ins Ohr und vergrabe meine Nase für einen kurzen Augenblick in ihrer blonden Mähne. Jules hat nicht so weiche und glatte Haare wie Lena oder Mama, nein ihre Haare sind eine richtige Löwenmähne. Und kitzeln meine Nase, immer wenn ich sie umarme. Ich spüre wie sie meinen Arm ein wenig drückt. „Danke Lumpi!“, erwidert sie und noch immer schwimmen ihre Augen in Tränen. Ich streiche sie mit meinem Daumen weg und lächele sie aufmunternd an. „Hey, jetzt heul mal nicht. Jetzt hast du endlich eine Entschuldigung dir zwei Packungen Milka-Keks alleine rein zu ziehen!“ Jule lacht und boxt mir spielerisch gegen die Brust, „Du bist doof!“ Langsam löse ich mich von ihr und drücke ihr nochmal einen Kuss auf die Wange, „Ich hab dich auch lieb!“ Nachdem alle ausführlich Jules Bauch begutachtet und Mats gratuliert haben, klatscht meine Mutter fröhlich in die Hände. „So in fünfzehn Minuten gibt es Essen!“, verkündet sie und will sich schon auf den Weg in die Küche machen. Aber ich halte sie auf. „Äh, ich hab noch ein Geschenk vergessen!“, sage ich schnell und grinse übers ganze Gesicht. Ich sehe wie Ben sich genervt auf die Couch fallen lässt, ein bisschen kann ich ihn ja auch verstehen, ich hab auch Hunger und egal wie viele man von Omas Keksen isst, richtig satt wird man davon trotzdem nicht. „Für wen denn?“, fragt meine Mutter und mustert mich. Ich greife hinter die Couch und ziehe eine große, rechteckige Box hervor, „Für meine Frau!“ Überrascht nimmt Kathi das Geschenk entgegen, „Aber Carlo du hast mir doch schon was geschenkt!“ Ich mache einfach nur eine wegwerfende Handbewegung und versuche ganz cool zu bleiben. Aber innerlich bin ich total aufgeregt und hoffe so sehr, dass Kathi das Geschenk gefällt. „Mach doch einfach auf!“, fordere ich sie breit grinsend auf und sehe sie erwartungsvoll an. Als Kathi das Geschenkpapier aufmacht und eine große weiße Box mit schwarzer Umrandung zum Vorschein kommt, höre ich einen erstickten Laut von Jule. „Carlo!“, sagt sie geschockt mit lauter Stimme und starrt mich aus großen Augen an. Natürlich weiß sie sofort, was in der Box ist. Die alte Modeexpertin. Kathi scheint nicht so schnell erkannt zu haben, was sie in den Händen hält, denn sie öffnet ganz entspannt den Deckel der Schachtel. Zum Vorschein kommt ein weißer Staubbeutel, zum Glück steht das Label auf der anderen Seite, also weiß Kathi noch immer nicht was sich in dem Beutel befindet. Kurz schaut sie zu mir auf und ich nicke, als wenn ich sie dazu ermutig will endlich die kleine Kordel zu öffnen. Als Kathi jetzt die schwarze Handtasche aus dem Staubbeutel zieht, bleibt ihr Mund offen stehen. „Oh mein Gott, Carlo!“, haucht sie und sieht mich aus großen Augen an, „ Das ist zu viel!“ Ich lasse mich neben sie fallen und schüttele den Kopf. „Gefällt sie dir?“, übergehe ich Kathis Einwände einfach und streiche mit meinen Finger über das schwarze Leder der Tasche. Ein wenig pikiert schaut Kathi mich von der Seite an und hält die Tasche noch immer fest umschlungen, „Natürlich gefällt sie mir. Aber ich meine…wow. Wie bist du überhaupt an die Tasche ran gekommen. Dafür steht man doch mindestens ein Jahr auf der Warteliste!“, Kathi scheint noch immer ziemlich perplex zu sein, denn irgendwie hatte ich mir mehr Begeisterung erhofft. „Als ich zusammen mit Lucca in Paris war wegen Vio, sind wir einfach im Store vorbei und die hatten noch eine da!“, erkläre ich ihr und langsam scheint auch endlich bei Kathi angekommen zu sein, was sie da in den Händen hält. Sie lässt die Tasche los und stellt sie behutsam auf den Couchtisch, dann fällt sie mir um den Hals und drückt mir einen Kuss auf die Lippen. „Du bist so bescheuert, danke, danke, danke! Das ist einfach nur der Hammer!“, ich erwidere ihren Kuss und streiche ihr ein paar lose Strähnen aus dem Gesicht, „Freut mich, dass sie dir gefällt. Und hoffentlich trägst du sie auch. Die hat jetzt vier Monate bei Lucca im Schrank auf dich gewartet!“ „Und ob ich die benutzen werde. Danke mein Schatz!“, flüstert Kathi und drückt mir noch einen Kuss auf den Mund. Erst jetzt meckere ich, dass meine Familie uns fragend anstarrt. „Und was ist jetzt soooo besonders an der Tasche?“, will Ben wissen und schaut mich an. Jule die neben ihm sitzt, rammt ihm genervt ihren Ellbogen in die Seite, „Boah Ben, das ist eine Celine Phantom. Das ist einfach mal so die Tasche schlecht hin!“ Ben zieht nur die Augenbrauen und hoch und sag, „Aha, können wir dann jetzt essen?“ Und schon sind wir allen wieder am Lachen. Meine Familie ist einfach bekloppt. Ich schenke meine Frau gerade eine Tasche für mehrere tausend Euro und sie machen sich nur Gedanken um den Rinderbraten im Backofen. Aber genau das finde ich ja gerade so cool. Was Besseres gibt es einfach nicht. Hier ist es egal, wie viel oder wenig Geld ich ausgebe. Weil meine Familie mich für mich mag und es mir auch nicht übel nimmt, wenn ich mal ein bisschen mehr auf den Putz haue. Immerhin hat Isa, ja auch von Ben nen Thermomix bekommen und keine regt sie darüber auf. Drei Teller von Omas Festtagssuppe und vier Stücke Rinderbraten später, sitze ich entspannt auf der Bank am Esstisch zwischen Kathi und Jule. Meine Mutter schenkt gerade allen Wein nach, während mein Vater zusammen mit Lena den Nachtisch aus der Küche holt. Die Kinder sind schon längst wieder aufgestanden. Leon und Marlon spielen mit Max und seinem neuen Parkhaus, Toni zieht ihre Puppen an und aus und Emil liegt mit dem Kopf schlafend in der Krippe. Nachdem Essen fand er nichts so interessant, wie mit dem Esel und Ochsen aus der Krippe zu spielen und dabei ist er dann eingeschlafen. Eigentlich wollte Kathi ihn schon längst ins Bett bringen, aber ich habe sie davon abgehalten. Wieso soll Emil oben alleine im Bett liegen, wenn er auch genauso gut bei uns im Wohnzimmer unter dem Tannenbaum, von Wolle beschützt, zu schlafen scheint. Es hat einen guten Grund, warum Papa und Lena den Nachtisch holen, früher haben Ben und ich uns immer geradezu um Omas Nachtisch gefightet. Und bei Omas Nachtisch hört sogar die Bruderliebe auf. Dieses Jahr also hat Mama die glorreiche Idee gehabt, dass sie einfach den Nachtisch selbst verteilt und niemand sich selbst neben darf. Naja eigentlich darf sich schon jeder selbstnehmen, außer Ben und mir. Ich hab keine Ahnung woher dieser Futterneid zwischen mir und meinem Bruder kommt. Aber er war auf jeden Fall schon immer da. Als alle Nachtisch haben, setzt mein Vater sich wieder neben meine Ma und lächelt in die Runde. „Wer will dieses Jahr anfangen?“, fragt mein Vater fröhlich. Ich weiß genau was jetzt kommt, Mamas absolute Lieblingsweihnachtstradition. Jeder erzählt etwas aus dem vergangen Jahr, wofür er besonders dankbar ist. Als Kind fand ich das immer total ätzend, aber mittlerweile finde ich diese Tradition über schön. Man erinnert sich so nochmal an das Jahr zurück und die anderen erzählen vielleicht von etwas, dass man selbst schon wieder vergessen hat oder gar nicht mitbekommen hat. Und so geht es rund um den Tisch jeder erzählt irgendwas, manchmal sind wir alle ganz still und hören einfach nur zu. Bei anderen Geschichten lachen wir alle zusammen. Als Lena ihre Erzählung von ihrem Geburtstag beendet, den wir alle zusammen im Sommer mit grillen und schwimmen bei meinen Eltern im Garten verbracht haben, ist Kathi dran. Als sie kurz einen Blick über ihre Schulter wirft und Emil anschaut, der noch immer mit dem Kopf in der Krippe liegt und die Josef Figur ganz fest mit seiner kleinen Hand umschlungen hält, weiß ich sofort was sie jetzt sagen wird. „Ich bin ganz besonders dankbar, dass wir Emil dieses Jahr in unserer Familie willkommen heißen durften. Ich kann mir ein Leben ohne ihn schon gar nicht vorstellen. Er ist so eine Bereicherung für uns und bringt mich jeden Tag zum Lachen!“, unter dem Tisch verschlingt sie ihre Finger mit meinen, „Und außerdem sorgt er dafür, dass Toni nicht eine ganz so schlimm verwöhnte Prinzessin wird.“ Jetzt lachen alle, ich weiß genau was sie meint. Toni ist schon eine ziemliche Prinzessin, besonders weil sie bei meinen Eltern die einzige Enkeltochter ist und bei unserer Clique wird sie eh bis zum Abwinken verwöhnt, weil sie einfach das erste Kind war, das geboren wurde. Nicht alle unsere Freunde hatte es so eilig mit der Familienplanung, wie Kathi und ich. Erwartungsvoll sieht Kathi mich an. Ich atme tief durch und streiche ihr eine Strähne, die aus ihrem Dutt gefallen ist, hinter ihr linkes Ohr. „Ich bin dieses Jahr besonders dankbar, für Kathi und ihre Gesundheit.“, fange ich an zu reden und als ich in ihre blauen Augen schaue, ist es als wenn alles andere um uns herum verschwindet und ich nur noch zu ihr spreche. „Ich bin so unendlich froh, dass dir nichts fehlt und ich weiter unser Leben mit dir leben darf. Neben dir auf zu wachen ist noch viel schöner geworden. Allein der Gedanke, dass dir etwas fehlen könnte, hat mich fast in den Wahnsinn getrieben!“ Ich lehne meine Stirn an Kathis und drücke ihre Hand ganz feste, ich sehe wie Tränen in ihren Augen glitzern. Aber ich will nicht, dass sie weint. Weil alles gut ist. Sie ist gesund, wir sind hier und glücklich und alles ist schön. Es ist schon weit nach Mitternacht, als ich endlich zu Kathi unter die Bettdecke in meinem alten Kinderzimmer schlüpfe. Es hat gefühlte Stunden gedauert, bis Kathi und ich Toni davon überzeugen konnten endlich ins Bett zu gehen. Toni konnte einfach nicht glauben, dass ihre ganzen Geschenke sich über Nacht nicht wieder in Luft auflösen und morgen früh wirklich noch da sein würden. Vorsichtig schlinge ich meine Arme um Kathis Taille und ziehe sie ganz nach zu mir ran. Sie legt ihren Kopf auf meinen Brustkorb und lässt ein leises Seufzen hören. Ich spüre ihre kalten Füße an meinen Unterschenkel und verknote ihre Beine ein wenig mit meinen. Das Weihnachtsessen und der Wein bilden eine geradezu einschläfernde Mischung in meinem Inneren. Es kostet mich unglaublich viel Kraft, die Augen nicht einfach zu fallen zu lassen. Aber ich will noch nicht einschlafen. Für einen kurzen Augenblick will ich einfach noch hier liegen und den Abend mit Kathi genießen. Federleicht huschen ihre Finger über meine Arme und hinterlassen eine leichte Gänsehaut. „Das war wirklich ein wunderschöner Abend!“, flüstert sie in die Stille hinein. Auf meinen Lippen bildet sich ein Lächeln und ich nicke, erst dann fällt mir ein, dass sie mich ja gar nicht sehen kann. „Ja, das war es wirklich!“, erwidere ich also und streiche über ihren Rücken. „Der Mini Cooper war echt der absolute Hammer!“, gibt Kathi zu und ich lächele wieder stolz. „War ja auch meine Idee!“, antworte ich selbstgefällig und spüre im nächsten Moment, wie Kathi mir einen ihrer schlanken Finger in die Seite bohrt. „Sei nicht immer so!“, fordert sie und beißt mir spielerisch auf die Unterlippe. „Mein persönliches Highlight war ja Emil mit dem Kopf in der Krippe!“, wechsele ich jetzt das Thema und höre Kathi lachen. „Das war einfach sowas von süß! Hast du ein Foto gemacht?“, stimmt sie mir zu und unterdrückt ein herzhaftes Gähnen. „Vielleicht sollten wir schlafen, morgen früh macht uns unsere Terrorprinzessin bestimmt schon ziemlich früh wach und letzte Nacht haben wir beide auch nicht besonders viel Schlaf bekommen!“, schlage ich ihr vor und ziehe die Decke noch ein Stückchen weiter über unsere Schultern. „Gute Idee! Aber du kannst morgen früh alleine mit Toni aufstehen!“, nuschelt Kathi leise und vergräbt ihr Gesicht ein bisschen weiter in meinem T-Shirt. Ich drücke ihr noch einen Kuss auf die Haare und schließe dann auch endgültig meine Augen. Heute war ein verdammt schöner Tag, aber jetzt will ich einfach nur noch pennen und so viel Schlaf ab bekommen, wie es nur möglich ist. Bevor ich morgen früh mit Toni zusammen ihren Mini Cooper ausprobieren muss. Und da vor wahrscheinlich noch die Einfahrt freischaufeln kann. Ich lebe einfach das realste Rapstar-Leben schlecht hin.
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40. Weihnachten Waibel Edition
Carlo
„Wir sind da!“, höre ich Kathis entspannte Stimme sagen und schlage meine Augen auf. Mein Kopf dröhnt noch immer. Trotzdem freue ich mich auf den heutigen Tag. Ich öffne die Beifahrertür des Wagens und spüre sofort den nassen Schnee an meinen Füßen. Vielleicht hätte ich doch andere Schuhe anziehen sollen. Ich schüttele den Schnee von meinen durchgelaufenen Vans ab, stapfe um Kathis Mercedes herum und treffe mich mit ihr auf Höhe der Motorhaube. Ich zucke leicht zusammen als sie mir mit ihren warmen Fingern über die Wange streicht. „Tut dein Kopf dir noch immer weh?“, fragt sie besorgt und drückt mir einen Kuss auf die Lippen. Heute Morgen hat Kathi mich schon um sieben geweckt, damit wir pünktlich um neun Uhr bei meinen Eltern zum Weihnachtsfrühstück auf der Matte stehen. An jedem anderen Tag des Jahres, hätte ich ihr wahrscheinlich eine runter gehauen, aber nicht heute. Vielleicht hätte ich gestern Abend doch nicht so tief ins Glas gucken sollen, dann würde mein Kopf jetzt nicht ganz so wehtun. Immerhin geht es mir so mies, dass Kathi fahren musste. Sonst fahre ich einfach lieber selbst. „Mh!“, mache ich und erwidere ihren Kuss. Dann ziehe ich sie in Richtung der großen Haustür. Ich freue mich richtig auf zu Hause, auf meine Familie und vor allem auf Toni und Emil. Ich kann es kaum erwarten, die beiden wieder zu sehen und die nächsten Tage einfach nur mit der Familie zu genießen und die ganze Scheiße, die im Moment in mir tobt zu vergessen. Eigentlich kann ich meinen Schlüssel auch benutzen, aber ich möchte so gerne sehen wie Toni die Tür auf macht. Ich ziehe Kathi ein Stückchen näher zu mir ran und lege den Arm um ihre Taille. Ihre Wangen sind ganz rot von der Winterkälte, ihre blonden Locken umrahmen weich ihr schönes Gesicht und unterstreichen ihr wunderschönes Strahlen nur noch mehr. „Du bist so schön!“, flüstere ich ihr ins Ohr und kann mich nicht beherrsche sie noch einmal zu küssen. Meine Gedanken wandern zurück zu unserer letzten Nacht. Bevor ich diese Gedanken jedoch vertiefen kann, wird die Haustür endlich auf gemacht. „Onkel Carlo!“, strahlen mich meine beiden fünfjährigen Neffen Marlon und Leon entgegen. Naja meine Schwester Lena und ihr Mann David sind halt nicht so kreativ wie ich und Kathi, wenn es zu den Namen unserer Kinder kommt. „Na Jungs!“, begrüße ich die beiden und klatsche mich mit unserem coolen Gang-Handschlag mit den beiden ab. Die Jungs sehen komplett aus wie meine Schwester, blonde Haare, blaue Augen und dieses komische Grübchen am Kinn, nur die widerspenstigen Locken lassen darauf schließen, dass sie auch mit mir verwandt sind. Während ich mir meine Jacke und Schuhe ausziehe, umarmt Kathi die Jungs und drückt ihnen sogar einen Kuss auf die Wange. „Wo sind denn alle?“, frage ich als ich Kathis und meine Jacke an die große Garderobe hängen. Nach den Jacken zu urteilen sind wir die Letzten. „Im Wohnzimmer!“, sagt Leon und stürmt voraus ins Wohnzimmer. Im Wohnzimmer sitzt bereits meine ganze Familie am großen Frühstückstisch. Meine Eltern, Ben mit Isa und Max, Jules und Mats, Julia und David und die Zwillinge und natürlich Toni und Emil. Als Toni mich erkennt lässt sie ihr Marmeladen-Brötchen direkt auf den Boden fallen. „Papa!“, strahlt sie mich an und versucht aus dem Hochstuhl zu klettern. Bevor sie sich gleich noch so richtig auf die Fresse legt, eile ich zu ihr rüber und hebe sie hoch. „Na Kröte!“, lächele ich sie an und drücke sie ganz fest an mich ran. Ich ziehe ihren Duft in mich auf und schließe für einen Moment die Augen. Ich weiß nicht warum, aber genau in diesem Moment fühle ich mich vollkommen angekommen und zu frieden. Jetzt zählt nichts mehr außer der Familie, der ganze andere Mist ist wayne. Kathi steht mit Emil auf dem Arm, auf der anderen Seite des Raums und wird gerade von meiner Mutter umarmt. Ich sitze zwischen Jules und meinem Vater auf der Bank und ziehe mir gerade mein viertes Brötchen rein. Und ich hab noch immer Hunger. Mittlerweile sitzen die Kinder schon lange nicht mehr mit am Tisch, sondern spielen auf dem Teppich vorm Kamin mit Brio und Duplo. Im Moment versucht Toni die Jungs davon zu überzeugen, dass ihre Puppe Anna auf jeden Fall auch mitspielen darf. Nur Emil sitzt noch mit am Tisch. Er wird von Schoß zu Schoß gereicht und mampft gerade fröhlich einen Keks auf Lenas Schoß. „Wie war der Auftritt gestern Abend?“, fragt meine Mutter und schüttet Kathi noch ein bisschen Kaffee ein. Da ich gerade zu sehr mit meinem Brötchen beschäftigt bin, antwortet Kathi. „Toll. Es war eine super Stimmung und alle hatten gute Laune!“, lächelt sie und zwinkert mir zu. Ich lächele zurück. Was soll ich da auch noch groß zu sagen? “Was müssen wir denn heute noch alles vorbereiten?“, fragt Kathi und strahlt meine Mutter an. Sie freut sich schon die ganze Woche darauf, endlich mit meiner Ma und Jule zusammen zu kochen. Wobei Jule dabei eigentlich nur schneiden und nicht an die Töpfe darf. Man kann wirklich erkennen, wie doll auch meine Ma sich darüber freut und dann beginnt alles runter zu rattern was noch erledigt werden muss. „Wir gehen nachher mit den Kindern auf den Spielplatz!“, verkündet David und stupst Lena an. Die beiden sind schon solange zusammen, wie ich mich erinnern kann. Naja vielleicht nicht ganz so lange. Aber seit ich zehn bin, sitzt David eigentlich immer mit bei uns am Tisch. Krass das die beiden wirklich schon siebzehn Jahre zusammen sind. „Sollen wir Emil auch mitnehmen?“, fragt meine Schwester Kathi, die daraufhin nickt. Ich weiß ganz genau, warum Lena und David freiwillig, das Kinderhüten übernehmen. Lena hasst kochen und David findet Baumschmücken auch relativ scheiße. Ich kann ihn irgendwie ziemlich gut verstehen, ich finde das Baumschmücken jetzt auch nicht ganz so geil. Aber irgendwie gehört es für mich zu Weihnachten einfach dazu. Und eigentlich ist es ganz lustig, morgens um zehn schon ein Bierchen mit Papa zu kippen und dabei alles festlich für heute Abend zu machen. „Habt ihr die G-E-S-C-H-E-N-K-E noch im Auto?“, frage ich meine Geschwister. Damit die Kinder nicht mitbekommen wo drüber wir sprechen buchstabiere ich das Wort lieber. Toni ist einfach zu neugierig und würde das sonst sofort mitbekommen. Meine Ma sagt immer sie hat Ohren so groß wie Salatblätter und das stimmt auch wirklich. Oft wundere ich mich wirklich darüber, was sie schon alles mitbekommt und weiß. „Ja, wenn wir den Baum geschmückt haben, tragen wir einfach alles durch die Garage ins Wohnzimmer.“, informiert mich mein Vater über den Schlachtplan. Irgendwie ist Weihnachten seit Kathi und ich Kinder haben wieder viel geiler als früher. Ein paar Jahre lang hat mich das echt genervt, immer für alle ein Geschenk finden, sich schick anziehe nur um im Wohnzimmer zu sitzen und am Ende mag doch niemand sein Geschenk. Aber seit Tonis erstem Weihnachten finde ich das alles wieder über schön, einfach zu sehen wie krass sie feiert, wenn sie ein Geschenk bekommt oder wie Marlon und Leon Geschenkpapierschlachten veranstalten, dass macht einfach richtig Spaß. Besonders wenn man dann bei der Geschenkpapierschlacht mit macht. „Toni bringst du mir mal die Lichterkette rüber?“, fragt mein Vater und deutet auf einen Karton ein paar Meter von uns entfernt, während Ben und ich noch immer versuchen den Baum auszurichten. Dabei halte ich den Baum mit beiden Händen fest, während Ben irgendwo unter dem Teil verschwunden ist und versucht den Baumständer fest zu ziehen. „Boah, Carlo jetzt halt doch mal still!“, meckert er mich an. „Wie denn, ich werde hier ständig von Nadeln gepikt!“, maule ich zurück und suche mir mit meinen Fingern eine andere Stelle, um den Baum fest zu halten. „Du bist so eine blöde Diva!“, schießt Ben zurück und kommt endlich wieder zum Vorschein. Ich gehe erst gar nicht auf seinen doofen Kommentar ein. Manche Dinge ändern sich halt nie, egal wie alt man wird. Mit seinen Geschwistern kebbelt man sich auch noch, wenn man selbst Kinder hat. „Kann ich den Baum jetzt los lassen?“, frage ich. „Ja, kannst du! Wir wollen ja nicht, dass deine Künstlerfinger noch Schaden nehmen!“; grinst Ben blöd und ich boxe ihm gegen die Schulter. Natürlich bekommt mein Dad das mit und schaut uns genervt an. „Jungs, bitte. Es ist Weihnachten!“, ermahnt er uns und breitet dann die erste Lichterkette aus. Irgendwie sind nur Ben, Papa und ich zum Baumschmücken übrig geblieben. Jule und Mats sind nochmal zu seinen Eltern gefahren und Lena ist mit ihrer ganzen Familie auf den Spielplatz. Natürlich wollte Toni dann auf einmal doch nicht mit, also sitzen sie und Emil jetzt vor dem Tannenbaum auf dem Teppich und helfen uns beim Baumschmücken, während Kathi und meine Ma in der Küche stehen und Isa dazu verdonnert haben Möhren zu schälen. Ein ganz normaler verrückter Weihnachtsmorgen bei den Waibels. „Was hast du eigentlich für Mama gekauft?“, fragt Ben meinen Vater, während er Maria und Josef zusammen mit Esel und Ochse in die Krippe stellt. Baby Jesus darf erst heute Abend dazu kommen, Anweisung von meiner Mutter. Mein Vater hängt ein paar Holzengel an den Baum, die Ben und ich irgendwann mal im Kindergarten gebastelt haben und dreht sich in Richtung Esszimmer um, als wenn er sicher gehen wollte, dass meine Mutter auch bloß nicht zu hört. „Ich die Perlenkette von ihrer Großmutter wieder aufziehen lassen und dazu passende Ohrringe gekauft!“, erzählt mein Vater stolz und grinst uns beide an. Ich lasse ein beeindrucktes Pfeifen hören, „Da hast du dir ja richtig Gedanken gemacht!“ Mein Vater nickt nur und greift in die nächste Schachtel voller Ornamente. „Und was schenkt ihr euren Frauen?“, fragt er jetzt und sieht uns aufmerksam an. „Isa bekommt einen Thermomix!“, sagt Ben lässig. Mit großen Augen sehe ich ihn ungläubig an, „Du hast deiner Frau eine Küchenmaschine gekauft?“ Ben nickt eifrig und steckt ein paar Lichter an den Tannenbaum, „Ja, den wollte sie haben!“ „Krass!“, sage ich, „Kathi hätte mich mit dem Teil glaub ich erschlagen!“ Jetzt verdreht Ben die Augen, „Carlo, nicht jeder von uns verschenkt Benz Karren zu Weihnachten!“ „Den brauchte sie auch. Immerhin war sie schwanger und der GLK wäre mit zwei Kindern echt ein bisschen klein geworden!“, verteidige ich Kathis Benz vom letzten Weihnachten. „First World Problems!“, grinst Ben und schüttelt seinen Kopf. „Hey, du hast dir letztes Jahr zu Weihnachten selbst nen CLA geschenkt, wenigstens hab ich meiner Frau ein Auto gekauft!“ „Du hast deine Karre von Mercedes geschenkt bekommen und als wenn du Kathis bezahlen musstest!“, gibt Ben zurück und jetzt müssen wir beide lachen. Bei allen anderen Leuten würde ich gar nicht erst anfangen zu diskutieren, aber bei Ben weiß ich, dass es ja nur Spaß ist. Immerhin ist er mein Bruder und wir gönnen uns unseren gegenseitigen Erfolg und ich weiß sehr wohl, dass ich ohne meine Familie gar nicht so weit gekommen wäre. „Was hast du denn für Kathi?“, wechselt Ben das Thema und reicht mir ein paar Glaskugeln rüber. „Markus und ich haben für uns alle eine Woche Dubai über Silvester gebucht!“, erzähle ich, absichtlich erzähle ich auch Ben und meinem Dad nichts von Kathis eigentlichem Geschenk, weil ich einfach nichts riskieren will. Vor allem jetzt da sie nebenan in der Küche steht. „Cool!“, meint Ben und nickt, „Das ist bestimmt nochmal gut für euch alle bevor die Tour losgeht! So ein bisschen Zeit miteinander zu verbringen. Ohne den Stress von zu Hause.“ „Genau!“, stimme ich zu lasse mich kurz aufs Sofa fallen. Emil sitzt vor der großen Kiste mit Glasschmuck und beäugt die filigranen Glaskugeln meiner Mutter mit großen Augen. „Wann geht es nochmal los?“, will mein Vater wissen. „Am 12. Januar in Mainz. Und im Moment habe ich noch gar keinen richtigen Bock!“, gebe ich zu und lasse meinen Nacken auf die Kopfstütze der Couch fallen. „Wieso?“, hakt Ben nach. Ich zucke nur mit den Schultern, „Keine Ahnung, ich bin über meinen Geburtstag auf Tour und Kathis Geburtstag verpasse ich auch. Ich schaff es gerade mal pünktlich zu Emils Geburtstag wieder nach Hause!“, jammere ich. Mein Vater schaut mich aufmunternd an. Von allen war er am wenigstens von der ganzen Cro-Sache begeistert. Er hätte es wahrscheinlich besser gefunden, wenn ich einen normalen Beruf machen würde. Aber dann hätten wir jetzt nie diesen Lebensstandard. Mein Blick fällt auf Toni und Emil, den beiden würde es dann auch nicht so gut gehen. Mit zweitausend Euro brutto im Monat, kann man einfach nicht wirklich viel reißen, wenn man eine ganze Familie ernähren muss. „Ist ja nur ein Monat!“, ermutig mich mein Dad. Ich lächele ihn halbherzig an und verbanne die Gedanken an die Tour wieder ganz nach hinten in meinem Kopf. Jetzt will ich einfach nur die Tage mit meiner Familie genießen. „Und Kathi schafft, dass schon ohne dich!“, zwinkert Ben mir zu. „Wahrscheinlich hast du mehr Heimweh nach ihr als sie und sie ist eigentlich ganz froh dich mal los zu sein!“, schiebt mein Vater noch einen hinterher. Wenn man so eine Familie hat, braucht man echt keine Feinde mehr. „Ich hasse euch auch!“, maule ich zurück und fahre mir durch die Haare. Plötzlich höre ich ein vorsichtiges und leicht zögerndes „Ball!“ vom Teppich und setze mich ganz schnell wieder auf. Emil sitzt noch immer vor der Kiste mit den Weihnachtskugeln und hält eins der Ornamente in den Händen. Mit großen Augen knie ich mich vor ihn und grinse übers ganze Gesicht. „Was hast du gesagt? Emi? Sag das nochmal!“, rede ich hektisch auf ihn ein und schaue meinen Dad und Ben begeistert an. Emil schaut mich leicht verschüchtert an und sagt dann ganz leise noch einmal „Ball!“ Dabei streckt er mir die Weihnachtskugeln entgegen und lächelt mich mit seinem acht-Zahn-Lächeln an. Ich nehme die Glaskugel aus seinen Fingerchen und nicke wild, „Genau, dass ist ein Ball.“ Ich schaue Toni an und sage zu ihr, „Toni hol Mama mal, ganz schnell! Beeile dich!“ Toni rast aus dem Wohnzimmer und ich höre sie aufgeregt „Mama!“ rufen. Ich hebe Emil auf meinen Schoß und halt ihm die Glaskugel vors Gesicht, „Kannst du das nochmal sagen, was das ist Emi? Ball?“ Wie krass mein Sohn hat gerade sein erstes Wort gesagt und ich war dabei. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, ich bin gerade der stolzeste Papa der ganzen Welt. Es ist mir egal, dass er nicht zuerst ‚Papa‘ gesagt hat. Aber einfach zu hören, wie er endlich etwas sagt. Dass ist sowas von über schön. So krass, dass ich am ganzen Körper Gänsehaut bekomme und sich meine Nackenhaare aufstellen. Als ich Emil gerade einen Kuss auf den Haaransatz drücke, stürmt Kathi mit einem Geschirrhandtuch über der Schulter und einem besorgt Gesichtsausdruck ins Wohnzimmer. „Was ist los?“, fragt sie hektisch und blickt sie nach der Gefahrenquelle um. Ich hebe einfach nur meinen Zeigefinger und halte dann Emil die Glaskugel vors Gesicht und sofort sagt der Kleine wieder, „Ball!“ Kathis Augen werden auf einmal ganz groß und sie schlägt überrascht die Hände vors Gesicht. „Oh Emil!“, ruft sie aus und streckt die Hände nach ihm aus. „Hast du gerade Ball gesagt?“ Ich reiche ihn zu Kathi rüber und sie drückt den Kleinen ganz fest an sich. „Bist du schon so ein großer Junge?“, fragt sie ihn und drückt ihm einen Kuss auf die Wange, „Du bist so schlau, mein Schatz!“ Kathi strahlt mich über Emils Kopf hinweg an und ich erwidere ihr Lächeln. Sie sieht so wunderschön aus, wie sie da mit unserem Sohn auf dem Arm steht. Ich stehe auf und gehe zu ihr rüber. Kathi schließt den kurzen Abstand zwischen uns beiden und drückt mir einen Kuss auf die Lippen. „Dann musst du deine Sneaker wohl doch selbst putzen!“, grinst sie mich an und streicht über meine Wange. Erst jetzt fällt mir wieder unsere Wette ein. Auch wenn ich es nie zu geben würde, für diesen Moment würde ich jeden Sneaker von allen Chimp Jungs putzen. „Die Louis Tasche kaufe ich dir trotzdem, wenn du willst!“, verspreche ich ihr und streiche mit meiner Nase über ihre Wange. „Passt schon! Ich brauch die Tasche nicht. Das Beste hab ich schon!“, erwidert Kathi und schiebt Emil wieder auf meinen Arm, „Ich muss jetzt aber wieder in die Küche, der Rotkohl wartet!“
Kathi
„Baby? Hast du meine Anzughose gesehen?“, höre ich Carlos Stimme aus dem Badezimmer rufen. Es ist kurz vor vier und wir sind alle dabei uns fertig zu machen, weil wir um halb sechs beim Krippenspiel sein müssen. Nur in schwarzen Boxershorts, seinem Lieblingshemd mit kleinen Hanfblättern drauf, die auf den ersten Blick aussehen wie einfache schwarze Punkte und roten Huf Socken kommt er ins Schlafzimmer und schaut mich fragend an. „Was würdest du eigentlich ohne mich machen?“, frage ich leicht genervt und halte ihm die schwarze Hose entgegen. Carlo grinst mich mit seinem Lausbubengrinsen an und greift an seiner Hose, „Ohne Hose zum Krippenspiel gehen!“ Ich verdrehe nur die Augen und schnüre mein dunkelgrünes Wickelkleid mit einer Schleife zu. Der seidige Stoff liegt angenehm kühl auf meiner warmen Haut und umspielt meinen Körper. Das Kleid ist eins von Carlos Lieblingskleidern, weil er sagt, dass man darin so schön meinen Arsch und meine Brüste sehen kann, manchmal ist er halt auch einfach nur ein Mann. Ich persönlich mag das Kleid so gerne, weil es lange Ärmel hat und total chic, aber trotzdem bequem ist. Während ich jetzt anfange mich zu schminken, hüpft Carlo hinter mir durchs Zimmer und versucht irgendwie in seine Hose rein zu kommen. Da jeder normale Anzug bei ihm wie ein Zelt aussieht, hat Jules ihm natürlich mal wieder einen Anzug maßgeschneidert. Seine Anzughose ist fast genauso eng wie seine ganzen Jeans. Anders fühlt Carlo sich einfach nicht wohl. Ich beobachte ihn im Spiegel, während er versucht, das Hemd irgendwie knitterfrei in seine Anzughose hinein gesteckt zu bekommen. Durch das Hemd sieht er noch schmaler als normal aus. Wenn ich Carlo und seinen Körper nicht auch ohne Klamotten kennen würde, würde ich denke, dass er einfach überhaupt keine Figur hat und schon fast krank aussieht. Aber unter der engen Hose und dem enganliegenden Hemd, versteckt sich ein schön definierter Körper. Tief atme ich ein und verdränge die Gedanken an Carlos nackten Körper. Ich versuche mir gerade einen ordentlichen Liedstrich zu ziehen, als Carlo jammernd fragt, „Hast du meinen Gürtel gesehen?“ Ich versuche mich zu beherrschen nicht laut zu werden, manchmal ist er einfach ein sechsundzwanzigjähriges Kind, das nichts alleine kann. Was kann er eigentlich alleine? Anstatt ihm zu antworten, deute ich einfach nur auf den silbernen Rollkoffer neben der Tür. Carlo bückt sich und kramt ein wenig im Inneren des Koffers herum. „Ich find den nicht!“, sagt er leidend. Genervt stöhne ich auf, lasse meinen Eyeliner sinken und komme zu ihm rüber. „Boah Carlo!“, ich hocke mich neben ihn und ziehe den Gürtel nur Sekunden später aus dem Koffer. „Der war da nicht. Ich schwör!“, sagt Carlo unschuldig und zieht den Gürtel durch die Schlaufen seiner Hose. „Ja ist klar!“, gebe ich genervt zurück und tusche mir meine Wimpern. Manchmal nervt er mich einfach und eigentlich will ich gar nicht, dass er mich nervt. Weil heute Weihnachten ist und heute ist der Tag der Liebe. Und Carlo ist nun mal meine Liebe. Als ich gerade dabei bin meine Schminke wieder in das kleine Täschchen zu packen, spüre ich wie Carlo mit seine schmalen Finger über meine Taille streicht. Er legt sein Kinn auf meine Schulter und schaut mich im Spiegel an. „Alles okay?“, fragt er leise und küsst meinen Nacken, durch meine lockere Hochsteckfrisur hat er einen einfachen Zugang dazu. Ich nicke und versuche ein kleines Lächeln, ich lasse mir jetzt nicht von meinem Ärger unseren tollen Abend kaputt machen. „Entspann dich!“, flüstert Carlo in mein Ohr und bedeckt meine Schulter mit keinen federleichten Küssen. Ich seufze leise und lasse mich ein wenig gegen ihn sinken. Mein Körper sackt leicht zusammen und ich streiche ihm über die Wange, während ich ihn noch immer dabei beobachte wie er meine Schulter weiter entlang küsst. Mit einer fließenden Bewegung dreht Carlo mich zu sich um und zieht mich fest an sich. Ich lege meine Arme um seinen Hals und küsse seine weichen und vollen Lippen. Er ist so herrlich warm und riecht so wunderbar nach Liebe und Geborgenheit. Ich spüre wie Carlo beginnt an der Schleife meines Kleides rum zu spielen. Wie schafft er das immer wieder, vor nicht einmal einer Minute hätte ich ihm am liebsten noch den Kopf abgerissen und jetzt will ich ihm nur noch die Kleider vom Leib reißen. „Carlo!“, hauche ich leise und versuche ihn ein wenig von mir weg zu schieben. „Ich liebe dich so sehr!“, murmelt er in den nächsten Kuss und schafft es im selben Augenblick die Schleife meines Wickelkleids zu lösen. Mit diesem kleinen Satz ist es um mich geschehen. Ich vergesse alles um uns herum, plötzlich scheint nichts mehr außer Carlos Händen und seinen Lippen auf meinen zu existieren. Alles andere verliert die Bedeutung und meine ganze Welt dreht sich nur noch um den Mann vor mir. Alles was ich will ist nur noch ihn zu spüren und ihm so nah wie möglich zu sein. Erst das laute Räuspern von Carlos Vater lässt uns auseinander fahren. Jetzt ist Carlo, der der genervt stöhnt und seinem Papa einen Todesblick zu wirft. Christian lehnt entspannt an dem Türrahmen und hat die Arme vor der Brust verschränkt. „Seid ihr soweit fertig? Wir wollen gleich los!“, fragt er grinsend und zwinkert Carlo zu. Sofort laufe ich rot an, auch wenn Carlo und ich schon lange zusammen und sogar verheiratet sind, ist es mir trotzdem unangenehm von meinem Schwiegervater beim Knutschen mit seinem Sohn erwischt zu werden. „Ja wir kommen gleich runter. Ich muss nur noch kurz meinen Schmuck anziehen!“, antworte ich Christian und mache mich ein wenig von Carlo los. „Sind die Kinder schon soweit fertig?“, fragt Christian bevor er sich zum Gehen wendet. „Ja, Emil muss nur noch die Strickjacke angezogen bekommen und ich hoffe Toni hat sich ihr Kleid noch nicht versaut!“ Carlo hat für Toni extra ein total süßes rotes Kleidchen aus Samt aus München mitgebracht, zu dem ich passende schwarze Schühchen und eine schwarze Strickjacke gekauft habe. „Ich nehme die beiden schon mit runter!“, sagt Christian und ist im nächsten Moment auch schon wieder verschwunden. Schnell stecke ich mir die kleinen Diamantstecke in die Ohren, die Carlo mir nach seiner ersten Tour aus Hamburg mitgebracht hat, mache meine schwarze Breitling Galactic an meinem Handgelenk fest und streife meinen Ehering, zusammen mit meinem Verlobungsring, wieder auf meinen Finger. Als ich versuche meine Kette zu verschließen, spüre ich Carlos warme Finger an meinen, behutsam nimmt er den filigranen Verschluss zwischen seine Finger und schließt die Kette. „Danke!“ ich lächele Carlo im Spiegel an und er küsst wie zur Bestätigung mein Schulterblatt. „Wieso gehen wir nochmal zu diesem blöden Krippenspiel?“, fragt er mich während ich mich jetzt umdrehe und seine dunkelgrüne Krawatte fest binde, die er nur lose um seinen Hals liegen hat. „Weil deine Neffen damit spielen und wir sie unterstützen wollen!“, erinnere ich ihn und streiche sein Hemd glatt, ich weiß das Carlo das überhaupt nicht gefällt, aber ich finde er sieht einfach so verdammt gut im Anzug aus, es macht ihn irgendwie auf eine komische und nicht zu erklärende Weise noch mehr sexy. Er wirkt erwachsener und seriöser, aber trotzdem noch wie mein Carlo. Vielleicht einfach nur ein bisschen ungewohnt und anders. „Die beiden spielen Schafe!“, sagt Carlo gequält und verdreht die Augen. Ich steige in meine schwarzen Wildlederpumps und halte Carlo sein Sakko hin, „Deine Familie kommt immer zu deinen Auftritt wenn es wichtig ist, also kannst du dir jetzt auch eine Stunde lang dieses blöde Krippenspiel angucken!“, sage ich streng und schlage meinen schwarzen Kaschmirschal um meine Schultern. „Wird gemacht Kapitän!“ Carlo salutiert vor mir und bringt mich damit wieder zu lachen. Ich ziehe ihn zu mir ran und drücke ihm noch einmal einen Kuss auf die Lippe. Carlo lässt seine Hände auf meinen Po gleiten und klatscht mit seiner flachen Hand auf meinen Po, dann greift er nach meiner Hand und zieht mich aus seinem alten Kinderzimmer, „Dann lass uns mal ein paar Schafe supporten gehen!“
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39. Geister der Vergangenheit
Carlo
„Carlo?“, höre ich sie skeptisch fragen und ihre Miene hellt sich auf. „Jessica?“ Meine Miene hellt sich ganz und gar nicht auf. Jessica. Jessica Sorgia. „Was machst du denn hier?“, reißt mich ihre plötzlich wieder so vertraute Stimme aus den Gedanken. Noch immer starre ich sie mit offenem Mund und großen Augen an. Ich habe nicht damit gerechnet, sie noch einmal wieder zu sehen. Nicht nach unserer Trennung. Wegen Kathi, weil das mit uns was Ernstes wurde. Während das mit Jessica und mir nichts wirklich Emotionales war. Wenn ich ehrlich bin ging es nur um Sex. Wie hat Jojo sie noch immer genannt? Die Übergangsschlampe?! Wir haben uns kurz nach meiner Trennung von Amanda kennen gelernt und irgendwann war sie dann plötzlich meine Freundin. Mehr oder weniger. Ich konnte einfach noch nie gut alleine sein. Sie jetzt zu sehen, löst in mir keine Art von Gefühlsregung aus. Immerhin liegen zwischen unserer Trennung und dem heutigen Tag mehr als sieben Jahre. Sieben Jahre und Jessica sieht noch genauso aus wie früher. Ihre fast schwarzen Haare trägt sie nicht mehr ganz so lang und der krasse Pony ist auch verschwunden. Irgendwie sieht sie erwachsener aus. Sie sieht mich erwartungsvoll an, als wenn ich irgendetwas sagen soll. „Ihr kennt euch?“, dringt Kodys überraschte Stimme an mein Ohr und ich drehe mich perplex zu meinem Labelchef um, vor lauter Überraschung habe ich glatt vergessen, dass Kody auch noch da ist. Bevor Jessica auch nur den Mund auf machen kann, antworte ich ihm. „Ja, von früher! Wir waren mal im selben Freundeskreis unterwegs!“, sage ich und versuche es so banal wie möglich klingen zu lassen. Ich kann noch nicht mal erklären warum, aber ich will nicht das Kody weiß was zwischen mir und Jessica mal war. Das geht ihn einfach nichts an und vor allem spielt es keine Rolle mehr. Kody mustert mir prüfend mit hoch gezogenen Brauen und nickt dann langsam. „Cool!“, sagt er knapp und deutet dann auf die Shirts, die ausgebreitet auf dem Tresen liegen. „Willst du dir die Designs mal angucken?“, fragt er mich und tritt einen Schritt zur Seite, noch immer klebt mein Blick an Jessica. Mit allem hab ich heute gerechnet, aber nicht damit meine Ex bei uns im Chimpbüro zu treffen. Während ich die einzelnen Shirts betrachte, spüre ich immer wieder Jessicas Blick auf mir. Ich versuche sie nicht an zu gucken. Natürlich weiß ich, dass ich mich ziemlich bescheuert benehme, aber ich find es irgendwie über komisch hier mit ihr zu stehen. Was hat sie überhaupt mit den Shirts zu tun, weiß sie wer ich bin? Natürlich weiß sie das, immerhin ist sie auch nicht so ganz dumm und außerdem kommen wir aus der gleichen Hood, da wissen das eh schon alle seit Jahren. Wenn ich ehrlich bin, find ich alle Designs scheiße, wieso hab ich mich eigentlich nicht selbst um die Tour Shirts gekümmert, sondern hab das Kody überlassen? „Und? Gefallen sie dir?“, höre ich Jessicas Stimme fragen. Erst jetzt bemerke ich, dass Kody ein paar Meter von uns entfernt steht und am Telefonieren ist. Ich zucke die Schultern, „Hast du die entworfen?“, frage ich sie. Auch wenn Jessica und ich uns nicht mehr wirklich kennen, will ich ihr trotzdem nicht einfach so an den Kopf schmeißen, dass ich alle Designs über scheiße finde. Aber sie schüttelt ihren Kopf. „Nein, ich kümmere mich nur um den Vertrieb!“, informiert sie mich und lächelt mich süßlich an. Und in mir regt sich gar nichts. Wieso auch? Kody tritt wieder zu uns heran und deutet in Richtung Tür. „Schafft ihr das hier ohne mich? Nico hat angerufen es gibt Probleme mit dem Veranstalter, ich muss mich darum kümmern. Kannst du nachher abschließen?“, plappert Kody wild auf mich ein und lässt seinen Blick zwischen Jessica und mir hin und her fliegen. „Klar, geh!“, nicke ich ihm zu und verabschiede mich mit einer Ghettofaust von ihm. Als die Tür hinter Kody ins Schloss fällt, drehe ich mich zu Jessica um, na toll. Wie bin ich in die Situation gekommen, eigentlich wollte ich jetzt mit meiner Frau auf den Weg ins LKA sein, stattdessen stehe ich mit meiner Ex-Freundin bei Chimp. „Gefallen dir die Entwürfe?“, fragt Jessica mich nach einer ziemlich peinlichen Minute des Schweigens. Kurz überlege ich, was ich sagen soll. Aber dann schüttele ich den Kopf. „Ehrlich gesagt find ich die alle mega scheiße. Das passt nicht zu uns! Habt ihr noch was anderes? Sonst mach ich das selbst!“, sage ich ehrlich und hoffe eigentlich schon darauf, dass sie nichts anderes hat und ich mich einfach über Weihnachten selbst um die Entwürfe kümmern kann. Zu meiner Überraschung beugt Jessica sich einfach über den Tresen und greift nach einem Stückpapier und einem Stift und kritzelt etwas darauf. „Wir haben da einen ziemlich guten jungen Designer vielleicht gibst du uns noch ne Chance und wir entwerfen was Neues. Natürlich bekommst du die neuen Entwürfe noch vor Silvester, damit alles trotzdem pünktlich fertig wird!“, schlägt sie vor und reicht mir das Stückpapier rüber. Bei näherer Betrachtung merke ich, dass sie ihre Nummer auf eine von Psaikos Autogrammkarten geschrieben hat. Kann sie sich keine Visitenkarten leisten? Sogar Lucca hat welche. „Okay.“, sage ich betreten und schiebe den Zettel in die Gesäßtasche meiner Tight-Jeans. „Hör mal, hast du noch etwas Zeit?“ Ich starre Jessica mit großen Augen an. Sie lächelt. Es ruft Erinnerungen in mir wach, die ich lieber nicht hätte. Es hat einen guten Grund, wieso diese Frau meine Ex-Freundin ist. Das Ganze ist jetzt sieben Jahre her. Die Sache ist mir inzwischen scheißegal. Ich habe eine tolle Frau geheiratet, mit der ich zwei großartige Kinder habe. Ich muss mich also dringend locker machen, anstatt so verkrampft mit Jessica umzugehen. Das ist lange vorbei und ich bin mit Kathi mehr als glücklich. „Wieso fragst du?“ möchte ich wissen. Sie lächelt. „Wir haben uns so lang nicht gesehen.“, sagt sie, „Unten ist doch ein Starbucks. Sollen wir dort nicht noch kurz nen Kaffee trinken?“ Ich weiß, dass es falsch ist. Ich weiß, dass so etwas nur Arschlöcher tun. Also mit der Ex-Freundin einen Kaffee trinken. Außerdem ist heute der Tag vor Heiligabend, Kathi wartet zu Hause auf mich und in zwei Stunden muss ich auf die Bühne. Aber trotzdem nicke ich. Ich verstehe es selbst nicht. „Okay.“, sage ich, „Aber vorher muss ich hier noch dicht machen.“ Ich weiß was es ist. Wieso ich mit Jessica einen Kaffee trinken gehe. Ich möchte einfach nur wissen, wie es ihr nach unserer Trennung ergangen ist. Ich bin ein Idiot. Als ich mit ihr schließlich bei Starbucks sitze und in ihr Gesicht sehe, verspüre ich den Drang sofort aufzustehen und zu gehen. Es kann mir egal sein wie es ihr ergangen ist und was sie heute so macht. Kathi sitzt wahrscheinlich zu Hause und wundert sich schon wo ich bleibe. Was also habe ich hier verloren? Wenn Kathi sich mit einem ihrer Ex-Freunde auf einen Kaffee bei Starbucks hinsetzen würde, würde ich vermutlich ausflippen! Das hier ist weder richtig, noch in Ordnung! Nicht zu rechtfertigen! Mit gar nichts. Ich bin so ein Troll und das weiß ich und trotzdem stehe ich noch immer nicht auf. „Ich hätte gern einen Grande Mocca Latte mit extra Karamell.“, reißt mich Jessicas Stimme aus den Gedanken. „Für mich nichts, danke.“, sage ich. Jessica mustert mich skeptisch. Der Barista verzieht sich und lässt uns wieder allein. „Also! Was gibt es Neues“, fragt Jessica und strahlt mich an. Ach, eigentlich ganz schön viel. Ich hab mich wegen ner super Frau von dir getrennt. Seit sieben Jahren bin ich mit ihr zusammen, seit vier Jahren glücklich verheiratet. Wenn sie aufmerksam ist, bemerkt sie bald den Ring an meinem Finger. Eigentlich warte ich nur darauf. Ach ja und ich hab zwei Kinder mit dieser Hammerfrau. Mal ganz abgesehen davon, dass ich nicht glaube, dass sie von der ganzen ‚Cro hat jetzt eine Familie‘ Sache überhaupt nichts mitbekommen hat. Wenn ich mich richtig erinnere, ist Jessica zwar nicht die Schlauste, auf den Kopf gefallen ist sie aber auch nicht. „Nicht viel.“, lüge ich jedoch. Es geht Jessica nichts an. „Und bei dir?“ Sie lächelt. „Viel.“, sagt sie, „Ich lebe jetzt auch hier in Stuttgart. Seit zwei Jahren. Ich hab meine Ausbildung zur Vertriebsassistentin beendet und einen guten Job gefunden.“ „Aha.“, sage ich und versuche interessiert zu klingen, „Also machst du jetzt richtig Kohle, ja?“ Jessica schüttelt den Kopf. „Nein, aber ich kann davon gut leben. Also mir reicht‘s!“, erklärt sie mir. „Freut mich.“, sage ich. Und freue mich ehrlich für sie, trotzdem will ich hier einfach nur weg! „Hör mal.“, sage ich als der komische Starbucks-Typ ihr schließlich den Kaffee rüberreicht, „Ich muss jetzt los.“ Ich kann das nicht. Hier zu sitzen ist falsch! „Aber wir haben doch noch gar nicht richtig gequatscht.“, sagt sie, während ich stehe auf. „Ich melde mich bei dir wegen der Sache mit den Shirts.“, sichere ich ihr zu, „Ciao.“ Sie greift nach ihrer Tasche und dem Becher mit ihrem Kaffee und folgt mir nach draußen. „Hör mal Carlo.“, sagt sie, „Es tut mir leid. Ich hab dich total überfallen mit meiner Idee was trinken zu gehen. Aber ich dachte, nach all dem, was zwischen uns war, wäre es doch ganz nett...“ Ich drehe mich kurz zu ihr um, während ich weiter in Richtung Tiefgarage gehe. „Ich denke das nicht.“, sage ich ehrlich und bin froh, als ich meinen Wagen erreiche. Ich drehe mich noch einmal zu ihr um. „Versteh das nicht falsch, Jessica.“, erkläre ich ihr auch wenn ich nicht weiß wieso, „Ich bin nicht sauer auf dich oder so. Es liegt nicht an dir. Ich finde nur, wir müssen uns jetzt nicht miteinander zwanghaft anfreunden oder Zeit verbringen. Sieben Jahre lang haben wir uns nicht bei dem jeweils anderen gemeldet oder uns dafür interessiert, wie es dem anderen ging. Das jetzt zu tun, nur weil deine Firma ein paar Shirts für meine Tour druckt und wir Business miteinander machen, wäre nichts weiter als Heuchelei. Okay?“ Jessica nickt betreten. Und irgendwie hab ich sofort ein schlechtes Gewissen. Wieso eigentlich? Mir dröhnt die Stimme meiner Mutter durch den Kopf ‚Du kannst einfach nicht böse sein, Lumpi!‘ Also lächle ich versöhnlich. „Ich ruf dich an, wegen den Designs und bequatsch das heute Abend mit Kody.“, sage ich noch mal. „Okay.“, sagt sie, „War trotzdem schön dich zu sehen.“ Sie lächelt. Ich nicke. „Hat mich auch gefreut. Frohe Weihnachten“ Ich steige ohne ein weiteres Wort in mein Auto, starte den Wagen und fahre aus der Parklücke. Ich atme einmal tief durch, bevor ich zu Hause die Wohnungstür aufschließe. Im Flur fällt mir sofort Kathi ins Blickfeld. Sie ist schon komplett angezogen und hat sogar schon ihren schwarzen Burberry-Mantel an. Sie sitzt auf dem Schuhschrank und hält ihr Handy fest umklammert. „Da bist du ja endlich!“, sagt sie erleichtert. Ich drücke mich an ihr vorbei in die Wohnung und gehe in die Küche, um die Blumen ins Wasser zu stellen. „Sorry, Baby!“, entschuldige ich mich und greife nach einem von Kathis großen Messbechern. „Der Typ im Blumengeschäft musste den Strauß nochmal neu bin und dann hat Kody noch angerufen, weil irgendwas mit den Shirts für die Tour nicht stimmt und dann musste ich nochmal ins Büro!“, erkläre ich ihr und lasse den Part mit Jessica ganz bewusst aus. Ich will nicht, dass Kathi sich aufregt oder Sorgen macht. Sie ist eh schon mega im Stress wegen morgen und muss sich dann noch nicht zusätzlich einen Kopf machen. Aus ihren großen Augen starrt Kathi mich besorgt an. „Gibt es Probleme?“, fragt Kathi. Ich schüttele meinen Kopf und ziehe sie kurz an mich. „Nein, alles gut Baby! Nur scheiß Designs!“, beruhige ich sie. Erleichtert lächelt Kathi mich an, stellt sich auf die Zehenspitzen und drückt mir einen Kuss auf die Lippen. „Dann ist ja gut!“, sagt sie, als sie ihre Lippen wieder von meinen lösen. In mir breitet sich das schlechte Gewissen aus, ich sollte ihr von der Begegnung mit Jessica erzählen, damit erst gar keine Missverständnisse entstehen. Aber ich tu es nicht. „Komm wir müssen los!“, sage ich und ziehe sie hinter mir her in den Flur. Ich stehe auf der Bühne im LKA, vor mir über tausend Fans. Rauch hängt im Raum und mir ist unbeschreiblich warm. Mittlerweile für meine Verhältnisse relativ wenig Menschen, aber trotzdem ist die Stimmung super geil und es macht heute Abend richtig Spaß auf der Bühne zu stehen. Jojo und ich haben gerade zusammen unseren Song ‚Wife Material‘ performt. Kurz vor der Show hab ich Jojo noch vorgeschlagen einen anderen Song zu spielen, wegen der ganzen Sache mit Elisa. Aber er wollte unbedingt den Track spielen, also haben wir das auch gemacht. Ich umarme Jojo kurz und rufe dann ins Mikrofon, „Macht mal richtig Lärm für Danju!“ und die Menge fängt an zu grölen. Als Jojo von der Bühne joggt, erkenne ich Kathi. Sie steht neben Lucca und klatscht sich mit Jojo ab, als er an ihr vorbei joggt. Als sie ihren Blick hebt und mich ansieht, winkt sie mir zu. Ich erwidere ihren Gruß nicht, sondern drehe mich wieder dem Publikum zu. „Kennt jemand von euch den Song ‚I know‘?“, frage ich und bekomme als Antwort lautes Johlen. Ich drehe mich zu Psaiko um und der sagt, „Ich glaub sie kennen den Song!“ Ich nicke und drehe mich wieder dem Publikum zu. Zusammen mit Psaiko, mit dem Publikum zu spielen hat mir schon immer besonders viel Spaß gemacht. „Wollt ihr mal ne Story zu dem Song hören?“, frage ich. Eigentlich ist diese kleine Einlage gar nicht geplant. Aber ich bin eh der letzte Act für den Abend, als sollte Kody sich darüber nicht zu sehr aufregen. „Als ich den Song geschrieben habe, wollte ich eine bestimmte Person davon überzeugen, dass ich ihr immer zur Seite stehen würde!“, fange ich an zu sprechen und werfe jetzt doch einen Blick zu Kathi rüber. Sie hat ihren Kopf an Luccas Schulter vergraben und ich glaube einen peinlich berührten Gesichtsausdruck zu erkennen. „Weil ich zu der Zeit ein bisschen Mist gebaut hatte!“, spreche ich weiter und ein Raunen geht durch die Menge. Beschwichtigend hebe ich die Hände und grinse, „Nichts schlimmes. Eigentlich war ich nur wieder mein kindisches Selbst.“ Jetzt hab ich wieder die ganze Halle am Lachen. „Auf jeden Fall, hab ich den Song aufgenommen und dann diesem einen Mädchen vorgespielt und damals ging der Song noch ein bisschen anders. Und ich würd heute Abend gerne das Original mit euch performen! Also hört einfach zu und dann steigt ihr einfach ein!“, erkläre ich und nicke Psaiko zu, damit er den Beat rein haut. „Ich seh' dich an und frage "Weißt du noch?". Unsere Einzimmer-Bude war das kleinste Schloss. Die ganze Nacht durch Lines gedropt. Die Zweifel noch, doch jetzt bin ich mein eigener Boss. Ein Mädchen finden ist nicht so leicht. Ich weiß es gibt viele, aber nicht so eins. Denn alle interessieren sich nur für Klicks oder Likes. Für den Rest keine Zeit, tut mir Leid. Wie es ist, denn ich cruise in 'nem Benz. In der Juice und jeder kennts, immer Trubel aber damn. Ich wollte dir nur sagen, wie cool ich es doch fänd. In deiner Bude abzuhängen, wie früher, denn, lieber mit dir statt mit Aftershow Party, lieber erfrieren als ein Arschloch auf Bali, lieber verlieren statt 'nem strahlenden Bugatti. Egal wie, Hauptsache KATHI!“ Psaiko lässt den letzten Lupe noch einmal laufen und ich rappe ins Mikro, „Egal wie!“ Und bekomme ein lautstarkes, „Hauptsache Kathi!“ von der Crowd zurück. Ich drehe meinen Kopf zur Seite und sehe Kathi, die übers ganze Gesicht strahlt und wild den Kopf schüttelt. Und mit einmal ist das schlechte Gewissen wegen Jessica wie weggeblasen. Ist doch egal, dass ich mich mit ihr getroffen habe. Kathi ist mein ein und alles und nur sie ist wichtig. Weil Egal wie, Hauptsache mit Kathi. Für sie bringe ich sogar tausend Menschen zum singen.
Kathi
Ich sitze zwischen Marla und Lucca im Backstage-Bereich des LKAs, Carlo steht zusammen mit Jojo und Visa Vie ein paar Meter weit von uns weg und gibt ein Interview. „Das war ja mal richtig süß von Carlo!“, strahlt Marla mich an und ich sehe wie Lucca neben mir die Augen verdreht. Aber er ist schlau genug nichts zu sagen. Seine Lektion Schwangeren zu wiedersprechen, hat er dank mir schon längst gelernt. Verlegen lächele ich sie an und nicke, „Ja es war echt süß. Aber auch irgendwie ziemlich peinlich!“ Lucca hält mir seinen Cuba hin, „Trink mal lieber einen auf den Schreck!“ Ich nehme den Strohhalm zwischen die Lippen und mache das Glas in einem Zug leer. Lucca nickt beeindruckt, „Hat dir Carlo also doch irgendwas beigebracht.“ „Sei nicht so blöd!“, meckere ich Lucca gespielt an und haue ihm mit der Faust gegen die Schulter. „Sollte das etwa wehtun?“, grinst er mich an. Am liebsten würde ich ihn fester hauen, aber das kann ich nicht. Also fange ich einfach mit ihm zusammen an zu lachen. Genau in dem Augenblick schaut Carlo zu uns rüber und ich winke ihm zu, aber er winkt nicht zurück, sondern wendet sich wieder Jojo und den Kameras zu. Mh komisch. Schon den ganzen Abend kommt er mir seltsam abwesend vor. „Hast du Anna schon gesehen?“, frage ich Lucca und sehe mich selbst im Raum nach der Chimperator Sekretärin um. Lucca schüttelt seinen Kopf und steht auf, „Ne, sie kommt nachher erst in der Schräglage dazu. Wollt ihr noch was trinken?“ „Ich nehme ne Fanta!“, sagt Marla und schaut ein wenig sehnsüchtig auf Luccas Cuba Glas. „Becks Ice, bitte!“, sage ich und lächele ihm dankend zu und schon ist Lucca in der Menge verschwunden. „Na wie geht’s dem Babybauch?“, frage ich Marla und drehe mich ein bisschen mehr zu ihr um. Heute Abend trägt sie ein ziemlich körperbetonendes schwarzes Kleid, das ihren kleinen Babybauch perfekt in Szene setzt. Glücklich streichelt sie über ihre kleine Murmel und lächelt mich an. „Uns geht es gut. Wir freuen uns auf ein paar ruhige Tage!“ „Wem sagst du das? Ich freu mich so auf Weihnachten und einfach mal drei Tage lang den Alltag vergessen!“, seufze ich und lasse mich zurück in die Kissen der Couch fallen. „So schlimm?“, fragt Marla und ich nicke niedergeschlagen. Die letzten Wochen waren einfach sowas von stressig und voll gepackt. Unser kleiner Urlaub nach Achenkirch kommt mir schon wieder Jahre weit entfernt vor. „Ja, ich bin einfach froh wenn Kody mal drei Tage lang nicht anruft. Hoffentlich schaffen wir es noch mal vor der Tour in Urlaub zu fahren, damit Carlo noch mal raus kommt!“, sage ich nachdenklich. Marla lächelt mich aufmunternd an, „Denk auch mal an dich. Du hast auch harte Wochen hinter dir!“ Ich nicke zu stimmend und drücke Marla einen Kuss auf die Wange, „Danke Liebes, du bist echt die Beste!“ Unser Freundinnen-Moment wird von Lucca gestört, der mit dem Arm voller Getränke zu uns zurückkommt. „Wenn gleich noch nicht so viel in der Schräglage los ist, tanzt du dann mit mir ne Runde um Anna zu beeindrucken?“, fragt Lucca mich und grinst wie ein kleines Kind, das gerade einen mega großen Lutscher bekommen hat. „Na klar!“, versichere ich ihm und stupse ihn ein wenig von der Seite an. Ich find es irgendwie total süß wie Lucca sich in die Sache mit Anna reinsteigert und alles versucht um sie zu beeindrucken. Es ist auch mal schön als Frau umworben zu werden. Mein Blick fällt wieder auf Carlo, mittlerweile steht er mit Jojo und ein paar Mädels zusammen an der Bar und quatscht. Wahrscheinlich spielt er den Wingman für Jojo, damit der sich noch weiter abreagieren kann. Ich werde Männer nie verstehen, anstatt das Jojo und Carlo sich mal hinsetzen und über alles reden, hilft Carlo ihm lieber eine Bekanntschaft für eine Nacht zu finden. Als wenn das irgendetwas ändern und besser machen würde. Man kann doch nicht so vor seinen Problemen weg rennen, aber das will Jojo auf keinen Fall hören. Wahrscheinlich tun ihm ein paar Tage im Kreis seiner Familie ganz gut, um mal wieder richtig runter zu kommen und vielleicht mal über alles in Ruhe nachdenken zu können. Ein wenig später, sitze ich auf Carlos Schoß in der Schräglage. Es ist noch relativ leer, da heute Abend nur geladene Gäste da sind und wir mit einem der ersten Shuttles gefahren sind. Psaiko steht schon hinter dem DJ Pult und versucht die paar Leute, die schon da sind, auf zu mischen. Carlo hat sich ein wenig zurück gelehnt und quatscht mit Tim und Sam über irgendwas, dass ich wegen der Musik nicht verstehe. Als Lucca mir plötzlich auf das Schienbein tippt und mit dem Kopf in Richtung Eingang deutet. Ich verstehe sofort was er meint. Da steht Anna, wohl zusammen mit einer Freundin und sieht sich suchend um. Ich lehne mich ein wenig zu Lucca rüber, damit nicht alle mitbekommen was wir sprechen. „Sieht so aus, als wenn sie dich sucht!“, grinse ich und beobachte, wie Lucca ihr einen verstohlenen Blick zu wirft. Gerade in dem Augenblick fangen die ersten Takte von ‚Traum‘ an. Auf das Lied kann man sogar mit ein wenig Phantasie Disco Fox tanzen. Sofort springe ich auf. Carlo sieht mich fragend an und ich deute in Richtung Tanzfläche. Er scheint zu verstehen, nickt einfach nur und wendet sich dann wieder Tim und Sam zu. Während ich Luccas Hand ergreife und ihn auf die Tanzfläche ziehe. „Kathi?“, fragt Lucca nervös, als wir zusammen auf der Tanzfläche stehen. Ich kann ihn verstehe, Disco Fox vor seinen ganzen Kumpels auf das Lied seines besten Freundes in einem eigentlich eher hiphoplastigen Club zu tanzen ist jetzt nicht wirklich cool. Aber wir machen das jetzt cool. Ich greife Luccas Hand und lege sie auf meine Hüfte. „Bei der zweiten Hook hebst du mich einfach hoch und den Rest mache ich!“, lächele ich ihn ermutigend an und dann fangen wir uns an zu bewegen. Die ersten paar Moment ist Lucca noch ziemlich staksig unterwegs, aber dann entspannter er sich und wirbelt mich nur so über die Tanzfläche. Von den ganzen Drehungen wird mir schon fast schlecht. Und als Carlos Stimme zum zweiten Mal zur Hook an setzt, hebt Lucca mich wirklich an der Hüfte hoch. Ich strecke meine Beine ganz weit durch und er dreht sich ein paar Mal um sich selbst. Als das Lied zu Ende ist, höre ich aus der Ecke, in der die Gang sitzt lautes Grölen. Lucca zwinkert mir zu und wir drehen uns zu unseren Freunden um. Alle klatschen und sogar Jojo zeigt einen Daumen nach oben, nur Carlo steht mit versteinerter Miene da und hat die Arme vor der Brust verschränkt. Welche Laus ist ihm denn jetzt schon wieder über die Leber gelaufen? Ein paar Runden Getränke später, hat der Club sich langsam gefüllt und ich sitze neben Carlo. Noch immer hat er nicht wirklich gute Laune und ich frage mich immer mehr, was heute schon den ganzen Abend mit ihm los ist? Der Auftritt kann es nicht sein, der ist nämlich mehr als gut gelaufen und der Tanz mit Lucca kann es ja wohl auch nicht gewesen sein. Immerhin weiß Carlo mittlerweile, dass Lucca das alles nur macht um Anna zu beeindrucken. Ich drehe mich zu Carlo um und halte ihm meinen Cuba entgegen, aber er schüttelt nur den Kopf. Langsam rutsche ich ein Stück zu ihm heran und lege meinen Kopf auf seine Schulter. „Was ist los?“, flüstere ich in sein Ohr und spiele ein wenig mit den Haaren im seinen Nacken herum. „Nichts!“, gibt Carlo kurz angebunden zurück. „Doch nicht wegen Lucca oder?“, frage ich weiter und sehe Carlo aufmerksam an. Wieder schüttelt Carlo den Kopf. „Was ist es dann?“, will ich wissen und höre Carlo seufzen. „Ich fühl mich nicht so geil! Ich glaub ich werde krank!“, gibt Carlo halbherzig zu und ich weiß nicht ob ich ihm wirklich glauben soll oder nicht. Aber warum sollte er lügen und vor allem heute? Am Tag vor Heiligabend. Ich drücke Carlo einen Kuss auf den Mund und ziehe seinen Kopf ein wenig zu mir rüber, damit er sich an meiner Schulter anlehnen kann. „Sollen wir nach Hause fahren?“, schlage ich leise vor und spüre wie Carlo langsam den Kopf schüttelt. „Willst du was trinken?“ Aber Carlo schüttelt wieder den Kopf. „Ich liebe dich!“, flüstere ich leise, weil ich nicht weiß was ich sonst noch sagen soll. Weil ich nicht weiß was Carlo hat und warum er sich so komisch benimmt. Anstatt irgendetwas zu sagen, nimmt Carlo meine Hand und zieht mich mit sich auf die Tanzfläche. Jetzt versteh ich gar nichts mehr, sonst muss ich praktisch auf die Tanzfläche schleifen.
Carlo
Lachend stolpere ich hinter Kathi in unsere Wohnung und schiebe meine Arme wieder um ihren Körper. Ich hab definitiv viel zu viel getrunken, um noch gerade zu laufen. Dennoch weiß ich noch ganz genau was ich tue und will. Ohne zu zögern verschließe ich Kathis Mund mit meinen Lippen und streife ihr den schwarzen Mantel über die Schultern. „Carlo!“, lacht sie in den Kuss hinein und versucht, mich ein wenig auf Distanz zu halten. Es gelingt ihr nicht. Ich will sie. Ich brauche sie. Ich will alles vergessen, außer Kathi. „Endlich habe ich dich für mich allein.“, raune ich in den Kuss hinein und presse sie sanft mit dem Rücken gegen die Wand. Kathi seufzt leise, dann endlich gibt sie sich mir hin und lässt es einfach geschehen. Sie zieht mir den Parka aus, dann fahren ihre Finger unter meinen Pullover. Langsam streicht sie über meinen Bauch aufwärts. Ich schieb meine Zunge in ihren Mund und lasse meine Hände unter ihren Pullover fahren. Ich halte es nicht aus, sie nicht zu berühren. Kurzerhand dränge ich sie durch den Flur, ohne meine Lippen von ihren zu lösen. Als wir schließlich unser Schlafzimmer erreichen, hebe ich sie hoch und trage sie zum Bett. Kathi klammert sich an mir fest und schlingt ihre Beine um meine Hüften. Ich taumele aufs Bett, ziehe mir beiläufig meine Nikes aus und sinke auf Kathi. Sie zieht mir das Sweater über den Kopf und streicht mit ihren Händen über meine Schultern. In ihren Augen liegt das pure Verlangen. Ich lächele dreckig bevor ich ihr mit einem kurzen Handgriff den Pullover ausziehe und mich dann an ihrem Rock zu schaffen mache. Währenddessen suchen Kathis Lippen immer wieder meinen Mund. Ich beuge mich über sie und dränge mich zwischen ihre Schenkel. Kathi zieht meine Tight-Jeans nach unten. Irgendwann drückt sie mich auf den Rücken und ich ziehe sie auf mich, küsse sie wieder und wieder, bis mir schwindelig wird. Ich stöhne leise als sie sich heftig an mir zu reiben begann und mir ins Ohr seufzt. Ich stoße sie von mir, ziehe ihr den BH aus und drücke sie dann wieder mit dem Rücken aufs Bett. Ich will sie spüren! Muss sie spüren. Sofort! Ich halte Kathi fest im Arm und spüre ihren sanftem Atem an meiner Hals beuge, während sie ziemlich schnell eingeschlafen ist liege ich noch immer wach. Meine quälenden Gedanken lassen mich einfach nicht zur Ruhe kommen. Das was ich in den letzten Wochen verdrängt habe kommt wieder ans Tageslicht. Meine Angst Kathi zu verlieren, das Zusammentreffen mit Jessica und die Sorgen um unsere Zukunft. All das lässt mich einfach nicht los. Ich muss dringend mit Kathi sprechen. Aber wie kann ich ihr erklären was in mir vorgeht, wenn ich es noch nicht mal selbst richtig verstehe.
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38. Bei Anruf Toni
Kathi
„Schatz willst du auch einen Tee?“, rufe ich durch die Wohnung. Es ist später Nachmittag und in ein paar Stunden müssen Carlo und ich zum Chimperator X-Mas Festival. Ich freu mich auf den heutigen Abend, die Jungs treten auf, die Stimmung wird bestimmt mega toll und danach geht es mal wieder in die Schräglage zur Aftershow Party. Trotzdem kann ich es kaum erwarten, dass der heutige Abend vorbei geht, denn Morgen fahren wir endlich zu Carlos Eltern und dann sehe ich endlich Toni und Emil wieder. Ich kann es kaum erwarten meine beiden Lieblinge wieder in die Arme zu schließen. Eigentlich wäre gestern Abend noch die Weihnachtsfeier meiner Fakultät an der Uni gewesen. Aber Carlo und ich hatten überhaupt keinen Bock uns an zu ziehen und sind lieber den ganzen Tag im Bett geblieben und haben das getan, was verheiratete Paar halt so machen. „Ne. Kannst du mir ein Brötchen machen?“, kommt Carlos Antwort aus dem Wohnzimmer. Wir haben den Tag bis jetzt damit verbracht, Filme zu gucken, unsere Weihnachtspost durch zu lesen und noch die Geschenke für die Chimperator Chefs ein zu packen. Die Jungs bekommen alle eine schicke Flasche Whiskey und einen Satz kubanische Zigarre, außer Niko natürlich. Weil er weder raucht noch trinkt, hab ich für ihn und seine Frau ein Wochenende in einem Wellnesshotel gebucht. „Käse oder Schinken?“, rufe ich zurück und ziehe die Brotschublade auf. „Beides!“, antwortet Carlo. War klar, wieso frag ich überhaupt noch? Mit meinem Tee in der einen und Carlos Brötchen in der anderen Hand, gehe ich zurück ins Wohnzimmer. Draußen ist es schon wieder dunkel geworden und vor den großen Fenstern tanzen Schneeflocken durch die Luft. Carlo sitzt unter einer Decke auf der Couch und hat sein Mac Book auf dem Schoß. „Bitte schön!“, sage ich und halte ihm das Brötchen vor die Nase, während ich mich neben ihn auf die Couch fallen lassen. Carlo schaut noch nicht mal von seinem Mac Book auf, sondern greift einfach nur blind nach dem Brötchen und sagt abwesend „Danke!“ Ich ziehe die Decke ein bisschen zu mir rüber und rutsche an Carlo heran. „Was guckst du da?“, will ich wissen und deute auf den Bildschirm. Carlo stoppt das Youtube Video und dreht sich ein Stückchen zu mir rüber. „Lucca hat vorhin geschrieben, dass Savas über mich im 16bars Jahresrückblick gesprochen hat und ich wollt mal gucken was er gesagt hat!“, erklärt er mir und startet das Video wieder. Wenn es um Savas geht, wird sogar Carlo zum Fangirl, wie die ganzen kleinen Mädchen bei ihm. Naja er kreischt nur nicht ganz so laut, wie die Weiber auf seinen Konzerten und macht vielleicht auch keine Instagram Kollagen über ihn mit dem Hashtag #futurhusband. Ich kann Carlo aber wirklich gut verstehen, Savas ist einfach eine Legend und hat das geschafft, was kein Deutscher Rapper vor ihm geschafft hat. Wenn man es so will, hat er für Carlo und die ganzen anderen Jungs den Weg geebnet. Und dazu kommt, dass er noch ein total freundlicher und netter Kerl ist, zwar sagt er auch schon mal in Interviews wenn ihm etwas nicht passt, aber dabei wird er nie beleidigend oder geht unter die Gürtellinie. Und privat ist er eh mega cool, ich hab ihn schon das ein oder andere Mal auf Festivals getroffen. Ein paar Mal waren sogar seine Frau Jill und ihre beiden Söhne Baris und Nassar mit dabei. „Hat Lucca nicht gesagt, was er über dich gesagt hat?“, will ich wissen. Carlo antwortet mir nicht, sondern legt nur einen Finger auf die Lippen. Okay hab ich dann auch verstanden. Es ist komisch zu sehen, wie er da sitzt und sich eins der 16bars Interviews anschaut. Eigentlich ist er immer derjenige, der in diesen Interviews sitzt. Er klickt ein bisschen auf der Zeitleiste herum und lässt das Mauspad dann wieder in Ruhe. Visa Vie und Savas sitzen in einem Cafe und auf dem Tisch stehen, zwei dampfende Teetasse und ein Teller mit Weihnachtsgebäck. „Im November hat Cro ja auch sein neues Album raus gebracht!“, fängt Visa Vie das Thema an und schlägt ihre Beine übereinander, „Hast du dir das Album mal angehört? Was sagst du dazu?“ Savas zieht sich die Kapuze seines grauen Hoodies über den Kopf und faltet die Hände. „Ja hab ich. Und es ist einfach nicht so ganz meine Mukke, aber super gut produziert und den einen oder anderen Beat hätte ich auch für mich selbst gepiekt. Vielleicht produziert Carlo mir ja was fürs nächste Album. Er ist echt korrekter Dude!“, antwortet Savas und lächelt freundlich. Ich sehe zu Carlo rüber und sehe ein Lächeln auf seinen Lippen. Ich kann mir gut vorstellen, dass es für ihn cool ist sowas zu hören. Auch wenn man Lob von allen Seiten bekommt, ist es bestimmt nochmal was anderes wenn das Idol seiner Kindheit sowas sagt. Ich drücke Carlos Arm und er grinst mich an. „Im Oktober wurde ja öffentlich, dass Cro verheiratet ist und sogar schon Kinder hat? Hast du das mit bekommen?“, fragt Visa und hält Savas das Mikrofon unter die Nase. Er zeigt sein typisches Grinsen und spielt mit seinem Löffel auf dem Tisch vor sich rum. „Ich glaub jeder hat das mitbekommen. Ich wusste das auch schon vorher. Und ehrlich gesagt war ich ziemlich überrascht, dass er sein Privatleben solange so sehr im Hintergrund halten konnte!“, sagt Savas und schaut Visa an. „Wieso?“, will sie wissen. Savas zuckt mit den Schultern, „Weil er ja viel mehr in der Öffentlichkeit steht als ich selbst oder sogar ein Sido. Da ist das Interesse an seiner Person natürlich viel größer. Ich find‘s aber gut wie er das geregelt hat und hab großen Respekt vor ihm!“ Ich streiche Carlo über den Nacken und schaue wieder auf den Bildschirm. „Inwiefern?“, hakt Visa nach und ich verdrehe meine Augen. Manchmal fragen diese Reporter echt bescheuert Fragen. Am besten fragt sie Savas gleich noch warum Carlo eine Panda-Maske trägt. „Er geht mit der ganzen Situation sehr souverän um. Er hat es geschafft, seine Familie öffentlich zu machen, ohne sie wirklich der Presse aus zu liefern. Außerdem finde ich es krass, wie er das macht. In seinem Alter wäre ich mit der Situation komplett überfordert gewesen! Aber ich glaub seine Frau hat da einen großen Anteil dran!“, grinst er und zwinkert Visa zu. Jetzt lächele ich auch, es ist schön nach dem ganzen Mist der letzten Monate auch mal etwas Positives zu hören. Natürlich hab ich Carlo versprochen mir keinen von den Zeitungsartikeln durch zu lesen oder mir irgendwelche Videos zu dem Thema auf Youtube an zu gucken. Aber ich hab es natürlich trotzdem gemacht. „Kennst du seine Frau?“, fragt Visa und macht große Augen. Jetzt wird es spannend. Ich hab Savas schon das ein oder andere Mal auf Festivals getroffen, auf denen Carlo auch aufgetreten ist. Er war immer total freundlich und wusste als einer der wenigen aus der Szene, dass Carlo und ich verheiratet sind. Als ich ihn das erste Mal getroffen habe war ich so nervös. Immerhin sind Carlo und ich auf einem seiner Konzerte praktisch zusammen gekommen. Savas nickt, „Ja, ich hab sie schon ein paar Mal auf Festival getroffen. Wirklich nett. Da hatten die beiden auch die Kinder dabei. Mega gut erzogen und auch wie die beiden mit den Kindern umgehen. Wirklich toll.“ Mein Lächeln wird breiter und ich spüre wie Carlo meine Hand drückt. „Machst du das auch? Deine Frau und Kinder mitnehmen?“ Savas nickt und setzt sich ein wenig anders hin. „Ja, manchmal schon. Da haben meine Söhne, auch schon mit der Tochter und Cro gespielt. Auf’m Hip-Hop Open hat sie meinen Jüngeren gebissen!“, lacht Savas und bekommt sich gar nicht mehr ein. Meine Augen werden ganz groß, aber Carlo grinst auch breit. Toni hat seinen Sohn gebissen? Wieso das denn? Und jetzt erzählt er das noch in der Öffentlichkeit. Na toll, ich sehe die Schlagzeilen schon vor mir ‚Pandatochter mit Tollwut beißt Kool Savas Sohn‘. „Wie sie hat deinen Sohn gebissen?“, fragt Visa erstaunt, aber Savas lacht noch immer. Dann schüttelt er aber den Kopf, „Es war nicht schlimm und mein Sohn hatte es auch verdient. Er hat Toni vorher die ganze Zeit geschubst und nachher sogar mit Sand beworfen. Also nochmal sorry an Cro und Toni dafür!“ Er winkt in die Kamera. „Da werde ich Cro mal nachfragen, wenn wir uns das nächste Mal zum Interview treffen!“, meint sie ernst und zwinkert in die Kamera. Dann fangen die beiden an über das neue Bushido Album zu reden und Carlo klappt den Lap-Top zu. Ich sehe Carlo aus großen Augen an. „Toni hat Nassar gebissen?“, frage ich Carlo überrascht. Er nickt und grinst langsam, „Ja hat sie. Ich hab mich aber sofort entschuldigt und ihm versichert, dass sie gegen Tollwut geimpft ist!“ Jetzt muss ich auch lachen. „Oh, man wie peinlich!“, stöhne ich und lehne mich gegen Carlos Schulter. Er streicht mir über den Kopf und drückt mir einen Kuss auf den Haaransatz. „Wir müssen uns also keine Sorgen um sie machen, die Kröte kann sich selbst verteidigen!“, beruhigt mich Carlo und grinst breit. Ich lege meinen Kopf auf seine Schulter und nicke, „Da habe ich nie dran gezweifelt. Wahrscheinlich verzweifelst du, wenn sie mit dem ersten Jungen nach Hause kommt!“ Carlo verdreht die Augen und schüttelt den Kopf, „Bis Toni dreißig ist, darf sie eh auf keine Dates gehen. Und danach suchen wir ihr einen netten Typen, den ich sehr gut emotional erpressen kann!“ Ich schlage ihm gegen die Schulter, „Okay Erkan und soll ich schon mal meine Burka für heute Abend bügeln!“ Carlo erwidert nichts mehr, sondern beginnt mich zu kitzeln. „Was Burka? Ich will nur meine Tochter schützen!“, sagt er und lehnt sich über mich. „Naja wir haben bestimmt noch zwölf Jahre Zeit, damit du dich an den Gedanken gewöhnen kannst!“, beruhige ich ihn und versuche Luft zu bekommen. Weil Carlo mich noch immer kitzelt, ich habe schon Seitenstiche. „Ist es so schlimm, dass ich es schön finde, der wichtigste Mann in ihrem Leben zu sein?“, fragt Carlo ernst. Er hört auf mich zu kitzeln und lässt sich neben mich auf die Couch fallen. Ich drehe mich zu Carlo um und lege meinen Kopf auf seine Brust. „Nein, Schatz. Das ist überhaupt nicht schlimm und du wirst immer ihre erste Liebe bleiben!“, beruhige ich ihn und drücke ihm einen Kuss auf die Lippen. Manchmal wunder ich mich über Carlos Gedankengänge und worum er sich Sorgen macht. Denn eigentlich muss er sich um all das noch gar keine Gedanken machen, Toni ist noch nicht einmal drei. Daran sieht man mal wieder, dass er alles nicht ganz so locker sieht, wie man meinen könnte. „Ich weiß!“, flüstert er und erwidert meinen Kuss.
Carlo
„Baby? Rotes oder grünes Sweater?“, rufe ich laut durch die Wohnung und halte mir nochmal die beiden Sweater vor die Brust und begutachte mich im großen Spiegel unseres Ankleidezimmers. Kathi kommt nur in einer schwarzen Strumpfhose und BH durch die Tür gerutscht und hält sich am Türrahmen fest. Als ich sie fragend an schaue und grinst sie mich an. „Rennen und Seidenstrumpfhosen sind nicht so ne geile Kombination!“, informiert sie mich und richtet sich wieder völlig auf. „Rot oder grün?“, wiederhole ich meine Frage und halte die beiden Sweater hoch. Kathi überlegt kurz und tippt sich mit dem zeige Finger gegen das Kinn. „Welche Schuhe und welche Cap ziehst du denn an?“ Ich werfe einen kurzen Blick auf das große Regal voll mit meinen ganzen Caps. „Die schwarze Vio?“, antworte ich fragend. Kathi verdreht die Augen, „Schatz, du hast ungefähr zwanzig Schwarze Vio Caps!“ Ich grinse sie an und ziehe eine schwarze Clique Cap mit weißem Schirm hervor. „Zieh das roten Sweater an, weil da ist auch weiße Schrift drauf!“, schlägt sie vor, nimmt mir das Grüne aus der Hand und faltet es wieder zusammen. Okay Kathi hat gesprochen. Ich schlüpfe in das Sweater, streiche mir die Haare glatt und setze die Cap auf. „Und du bleibst so?“, frage ich sie und deute auf ihren schwarzen BH. Kathi posiert kurz vor mir und strahlt mich an. „Findest du das nicht schön?“, fragt sie mich und stützt die Hände in die Hüften. Ich laufe einmal komplett um sie herum und begutachte sie von allen Seiten. „Ich weiß nicht!“, sage ich zögernd, „Irgendwas fehlt da noch!“ Kathi grinst mich an und lehnt sich gegen meine Brust, ich schließe meine Arme um sie und drücke sie ganz fest an mich. „Ich hab mich ja noch gar nicht geschminkt!“, sagt sie langezogen. „Ach so, genau das ist es!“; stimme ich ihr zu und wir beide fangen an zu lachen. „Dann geh dich mal fertig machen! Sonst kommen wir noch zu spät und dieses Mal wäre es mal nicht meine Schuld!“, befehle ich hier und sie verschwindet wieder in Richtung Bad. Ich freu mich heute Abend noch ein letztes Mal mit den Jungs auf der Bühne zu stehen. Das wird ein gelungener Abschluss für ein geiles Jahr. Aus dem Bad höre ich wie Kathi leise zum neuen Beyonce Album mit singt. Ich ziehe mein Handy aus der Hosentasche meiner Jeans und mache mich auf den Weg ins Wohnzimmer. Bis Kathi fertig ist, kann ich mich nochmal vor den Fernseher hauen. Es ist eh noch viel zu früh, kurz nach fünf, und ich bin komplett fertig. Alter, was ist mit mir los? Ich lasse mich auf unsere große Couch fallen und greife nach der Fernbedienung. Auf allen Kanälen läuft irgendwas über Weihnachten. Außer auf N24, da laufen natürlich wieder Knastdokus. Das kann ich mir im Moment, aber besser geben als ‚Elf‘ zum dreihundertvierzigsten Mal. Bei Whatsapp bespreche ich nochmal die Setlist für heute Abend mit den Jungs und sage Kody, dass ich zusammen mit Kathi direkt zum LKA komme. Auch wenn Kody, dass nicht so geil findet. Immerhin werden überall um die Lokation rum Fans sein. Aber ich hab heute Abend echt keinen Bock erst noch ins Chimp-Büro zu fahren und meine Karre dann da über Weihnachten stehen zu lassen. Gerade als ich Kody genau das schreiben will, werde ich angerufen. ‚Eltern zu Hause‘ blinkt mir entgegen und ich nehme den Anruf sofort an. Wahrscheinlich will meine Ma nochmal den Schlachtplan für morgen mit Kathi bequatschen oder so. Da haben sich echt zwei gefunden, meine Mutter und Kathi. Die eine plante noch lieber als die andere, ein perfektes Paar. Vielleicht suchen Männer sich ja wirklich Frauen aus, die in gewisser Weise Ähnlichkeit mit ihrer Mutter haben? Schnell schüttele ich meinen Kopf, um diesen Gedanken los zu werden. „Hallo?“, melde ich mich. „Hallo hier is Toni Waibel!“, meldet sich meine kleine Tochter am Telefon und sofort bildet sich ein riesengroßes Lächeln auf meinen Lippen. „Hallo Kröte!“, sage ich fröhlich. Es ist so cool Toni am Telefon zu hören. Das ist das erste Mal, dass ich so wirklich mit ihr telefoniere. „Toni du musst was sagen, Papa kann dich nicht sehen!“, höre ich die Stimme meiner Mutter am anderen Ende der Leitung. „Papa?“, fragt Toni und mein Lächeln wird noch breiter. Es gibt mir ein ganz warmes Gefühl ihre leise Stimme zu hören. „Ja, Kröte. Ich bin hier!“, versichere ich ihr und stelle auf Lautsprecher. „Mama auch?“, fragt Toni neugierig. Ich stehe auf und mache mich auf den Weg zu Kathi ins Badezimmer, das muss sie einfach hören. „Nein, Mama macht sich gerade im Bad fertig!“, lasse ich sie wissen. „Ist Emil auch da?“, frage ich sie dann. Als ich ins Badzimmer komme, lege ich mir einen Finger auf die Lippe, damit Kathi nichts sagt und deute auf das Telefon. „Ja und Oma und Opa!“, höre ich Tonis Stimme und Kathi macht große Augen. Ich nicke stumm und lächele sie an. „Was habt ihr denn heute gemacht, Kröte?“, frage ich Toni und Kathi lehnt sich neben mich an den Waschtisch. „Kekse backen und Schlitten fahren!“, erzählt Toni. Kathi lehnt ihren Kopf gegen meine Schulter und ich schlinge wie automatisch meinen Arm um Kathis Taille und lasse mein Hand locker auf ihrer Hüfte liegen. „Kommst du Papa?“, fragt Toni und mein Magen zieht sich leicht zusammen. Ich vermisse sie und Emil wirklich über krass. Zwar ist es auch mal schön ein paar Tage nur mit Kathi, ohne die Terroristen, zu haben. Aber trotzdem fehlen sie mir. „Morgen, Kröte und Papa bringt auch die Geschenke mit, die das Christkind gebracht hat!“ Ich höre wie Toni überrascht die Luft einzieht und kann mir genau ihren Gesichtsausdruck vorstellen. „Emil auch?“, fragt sie und ich bin genau in diesem Moment total stolz auf sie, anstatt zu fragen was sie bekommt, stellt sie sicher das ihr kleiner Bruder auch was bekommt. Meine kleine Terroristin ist halt einfach mal mega sozial. „Ja für Emil hat das Christkind auch was gebracht!“, beruhige ich sie. „Toni darf ich auch nochmal mit dem Papa sprechen?“, höre ich wieder die Stimme meiner Mutter. „Warte!“, sagt Toni bestimmt. „Is lieb dich, Papa! Tschüss!“, verabschiedet sich Toni von mir. „Ich dich auch, Kröte. Bis morgen und sei brav für Oma und Opi!“, ermahne ich sie. „Jaaa!“, sagt sie genervt, wahrscheinlich klingt das genauso in zehn Jahren, wenn ich ihr verbiete abends weg zu gehen. Kathi steht noch immer neben mir und starrt wie gebannt auf das Handy. Es knackt ein wenig in der Leitung und dann meldet sich die Stimme meine Mutter. „Carlo?“, fragt sie. „Hey Mama!“, begrüße ich sie. Meine Mutter will nochmal kurz abklären, wann wir morgen kommen und ob ich zusammen mit meinem Vater den Baum kaufen will oder ob meine Eltern das schon heute machen sollen. „Ne macht das ruhig schon heute, ich helfe morgen beim Schmücken!“, gebe ich zurück. Baumschmücken ist im Hause Waibel nämlich echte Männersache, das war schon immer so. Während die Frauen in der Küche für Weihnachten kochen, dekorieren wir, wie echte Kerle dass halt so machen, den Baum. Um kurz vor sechs stürzt Kathi in einem kurzen schwarzen Rock und einem viel zu großen, ausgebeulten fliederfarbenen Strickpullover ins Wohnzimmer. Während sie sich noch immer fertig macht, hab ich schon alle Geschenk und unser Zeug für die nächsten Tage ins Auto gepackt. „Ich hab die Blumen für deine Mama vergessen!“, sagt sie entsetzt und schaut mich aus großen Augen an. „Was?“, frage ich sie verwirrt und schalte den Ton am Fernseher aus. Genervt stößt Kathi die Luft aus. „Ich hab beim Florist einen großen Blumenstrauß für deine Mama bestellt und vergessen ihn heute Vormittag ab zu holen!“, erklärt sie mir. „Dann holen wir den halt morgen bevor wir zu meinen Eltern fahren!“, beruhige ich sie und sehe nicht wirklich das Problem. Außer das Kathis Planung jetzt um einen Programmpunkt erweitert werden muss. „Das geht nicht!“, sagt Kathi entschieden. „Wieso denn nicht?“, frage ich sie mit großen Augen, „Baby, das ist ein Umweg von zehn Minuten!“ „Weil die morgen nicht auf haben!“, sagt Kathi gequält. Ich weiß genau was jetzt kommt. Also warte ich gar nicht mehr drauf, dass sie mich fragt, sondern stehe schon direkt auf. „Ist der Strauß schon bezahlt?“, frage ich sie und gehe an ihr vorbei in den Flur in Richtung Tür. „Oh Schatz danke, du bist mein Held!“, sagt Kathi strahlend und drückt mir einen Kuss auf den Mund. „Ja, Ja!“ sage ich gespielt genervt und schlüpfe in meine roten Costume-Nikes. Was man nicht alles für die Liebe tut. „Der Strauß ist bezahlt und bitte achte drauf, dass sie den auch wirklich nur in Folie eingeschlagen haben!“, plappert Kathi, während ich nach meinem Autoschlüssel greife und meinen Winterparka über ziehe. „Wenn ich wieder da, bist du fertig!“, sage ich bestimmend, beuge mich zu ihr runter und küsse sie noch einmal kurz. „Ai, ai Kapitän!“, grinst Kathi und erwidert meinen Kuss. Genervt lass ich mich wieder auf den Fahrersitz meines Wagens fallen. Gott sei Dank mit dem blöden Blumenstrauß neben mir. Die komische Verkäuferin hatte den bestellten Strauß schon verkauft, also musste ihr Kollege nochmal einen neuen machen und ich durfte mir die letzten zwanzig Minuten die Beine in den Bauch stehen. Bis dieser komische Typ endlich mal die richtige Farbkombination wieder zusammen bekommen hat. Ich drücke auf den Startknopf meines SLs und spiele noch kurz am Radio rum, um irgendwie der Weihnachtsmusik auf allen Radiostation zu entgegen, bevor ich meinen Wagen langsam aus der Parklücke navigiere. Plötzlich klingelt mein Telefon, ich werfe einen Blick auf den Anrufer, er ist Kody. Was will der denn? Wir sehen uns schon in ein paar Stunden. Kurz überlege ich es einfach klingeln zu lassen, aber dann ziehe ich doch die Handbremse an und halte mir das Handy ans Ohr. „Was gibt’s?“, begrüße ich Kody und lehne mich in meinem Sitz zurück im Rückspiegel sehe ich, wie mir eine alte Frau den Mittelfinger zeigt, weil sie wohl gedacht hat, dass ich aus meiner Parklücke rausfahre. Frohe Weihnachten. „Hey Carlo, sorry das ich mich jetzt noch bei dir melde. Aber hättest du vielleicht kurz Zeit im Büro rum zu kommen?“, begrüßt Kody mich und kommt gleich zur Sache. Ich werfe einen Blick auf meine Uhr. „Wieso? Wir sehen uns doch gleich schon. Hast du so viel Sehnsucht nach mir?“, feigse ich rum und find mich dabei selbst total witzig. Ich höre Kody lachen. „Nein, es geht um die Tour-Shirts, die Assistentin von der Druckerei ist hier und wir müssen das noch vor Weihnachten absegnen, damit die Teile pünktlich zur Tour fertig sind!“, erklärt er mir. Ich kann mir ein Seufze nicht verkneifen. „Kannst du die Teile nicht mit ins LKA bringen und wir gucken gleich zusammen drüber?“, schlage ich ihm vor. Aber natürlich geht das nicht, weil die Olle von der Druckerei die Teile gleich wieder mitnehmen muss. Also hechte ich fünfzehn Minuten später die Stufen zum Chimp Büro hoch. Am Empfang steht Kody zusammen mit einer Brünetten und unterhält sich, die beiden haben mir den Rücken zu gedreht und ich kann es mir nicht verkneifen einen Moment länger als nötig auf ihren Arsch zu gucken. „Da bin ich!“, mache ich auf mich selbst aufmerksam und die beiden drehen sich zu mir um. Als sich die Brünetten zu mir um dreht, werden meine Augen auf einmal ganz groß. Mein Blick fällt in ihre braunen Augen als sie die dunklen Haare aus ihrem Gesicht streicht. Ihre Augen weiten sich. Ich kann nicht sagen, ob es Entsetzen oder Überraschung ist, das sich in ihren Augen widerspiegelt. Ich spüre wie sich mein Mund leicht öffnet. Ich schlucke hart. Mit allem hätte ich gerechnet, nur nicht damit. Meine Kehle wird trocken.
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37. Tannenbäume und Chinesen
Carlo
Langsam strecke ich meinen Arm nach Kathi aus. Aber ihre Bettseite ist schon ganz kalt. Wieso ist sie schon wach? Und wie viel Uhr ist es überhaupt? Ich drehe mich zu meinem Nachtisch um und werfe einen Blick auf den Wecker. Halb zwei. Gar nicht so spät, da hab ich gerade mal sechs Stunden geschlafen. Mit einem Lächeln denke ich an den letzten Abend zurück. Kathi ist einfach komplett abgestürzt. Hoffentlich hat sie keinen zu großen Kater, denn mit Kater ist meine Schöne einfach nicht aus zu halten. Ich muss grinsen, als ich an unsere Unterhaltung von gestern Abend denke, meine Schwester ist also auch schwanger. Krass, ich freue mich über doll für Jules und Mats. Und jetzt ziehen die beiden auch noch zurück nach Deutschland. Das heißt meine Ma hat noch ein Enkelkind mehr zum Verwöhnen. Die wird ausrasten, wenn die beiden es ihr erzählen. Dann fällt mir wieder mein Gespräch mit Jo ein, er tut mir so leid. Diese blöde Elisa und dann auch noch so kurz vor Weihnachten, das war einfach nur eine mega miese Aktion von der Alten. Gott sei Dank hab ich Kathi, die würd sowas nie machen. Ich entscheide mich noch ein bisschen liegen zu bleiben. Das Bett ist gerade so schön warm und außerdem hab ich ja keine Termine und kann einfach mal liegen bleiben. Gähnend ziehe ich mir die warme Decke nochmal bis zum Kinn hoch und schließe die Augen. Es ist komplett still. Was Kathi wohl macht? Wahrscheinlich packt sie die Geschenke für die Kinder ein oder rödelt in der Küche herum. Auf jeden Fall ist sie bestimmt schon mega produktiv. Ich seufze laut und erinnere mich daran, dass ich auch noch zwei Geschenke für Kathi einpacken muss. Ich hasse Geschenke einpacken. Das sieht bei mir einfach immer scheiße aus, egal was ich versuche. Vielleicht sollte ich doch mal aufstehen und das Zeug einpacken, dann hab ich es hinter mir und kann mich schöneren Dingen zu wenden. Zum Beispiel meiner Frau. Schwungvoll schlage ich die Bettdecke zurück und schwinge meine Beine aus dem Bett. Ich ziehe mir eine Jogginghose und ein Sweater über und beschließe mich auf die Suche nach Kathi zu machen. Im Flur ist die dreckige Wäsche aus den Wäschekörben verschwunden, stattdessen liegen jetzt frisch gewaschene Handtücher und eingepackte Geschenke in den Körben. Auf einem Wäschekorb steht mit einem Stück Tape ‚Toni‘, auf einem anderen ‚Emil‘ und auf dem dritten ‚Familie + Carlo‘, Kathi hat sogar die Weihnachtsgeschenke organisiert. Sie ist sowas von bescheuert. Und natürlich bekommt jedes Familienmitglied auch anderes Geschenkpapier. Wahrscheinlich halten wir alleine die Geschenkpapierindustrie in Deutschland am Laufen. Ich wusste gar nicht, dass es so viel verschiedenes Geschenkpapier gibt. An der Türklinke zu Emils Zimmer hängen zu dem jede Menge gebügelte T-Shirts von mir und mein sauberer Anzug für Heiligabend. Hat Kathi heute überhaupt geschlafen? Aus dem Wohnzimmer höre ich leise Weihnachtsmusik dudeln. Wahrscheinlich läuft wieder ‚Christmas Rock Best of‘, genauso wie die letzten drei Wochen schon. Lautlos schiebe ich die großen Flügeltüren zum Wohnzimmer auf. Kathi steht mit dem Rücken zu mir und trägt nur einen großen Wollcardigan mit Leggins. Und ist dabei den Weihnachtsbaum zu dekorieren. Den Weihnachtsbaum? Woher kommt das Ding denn jetzt? Der war doch gestern Abend noch nicht hier. Ich weiß, dass Kathi ziemlich viel schafft. Aber den riesen Baum alleine in unsere Wohnung zu befördern, würde selbst sie nicht hin bekommen. Das würde sie überfordern. Wenn auch nur ein ganz kleines Bisschen. Ich schleiche mich von hinten an sie ran und schlinge die Arme um ihre Hüften. Kathi zuckt erschrocken zusammen und dreht sich zu mir um. „Woher hast du denn den Baum?“, flüstere ich in ihr Ohr und Kathi lässt fast eine der filigranen Glaskugeln fallen. Sie dreht sich zu mir um und lächelt mich an. „Guten Morgen, mein Schatz!“, strahlt sie mich an und drückt mir einen Kuss auf die Lippen. Der Baum ist schon fast komplett fertig geschmückt, er hängt voll mit Glasschmuck, den Kathi im Jahr unserer Hochzeit zu Weihnachten bekommen hat, Lichterketten, roten Schleifen und bunten selbstgebastelten Ornamenten von Toni aus dem Kindergarten. Und zwischen dem ganzen Zeug hängen vier Mini Pandamasken, die Marla letztes Jahr zusammen mit Toni als Weihnachtsgeschenk für mich gebastelt hat. Ich verstehe nie warum wir auch zu Hause einen Baum haben. Über Weihnachten sind wir nie zu Hause und auch die Feiertage verbringen wir meistens entweder bei meiner Familie oder Kathis Eltern. Trotzdem schmückt Kathi jedes Jahr den Baum. Laut ihr ist ein zu Hause ohne ein Weihnachtsbaum kein richtiges zu Hause. Außerdem behält sie das Ding immer noch bis zum Drei-Königstag in der Wohnung, danach muss ich sie immer förmlich zwingen das Ding endlich raus zu schmeißen. „Lucca und Jo!“, sagt Kathi und holt mich so aus meinen Gedanken zurück. „Was ist mit den beiden?“, frage ich sie verwirrt. Kathi dreht sich in meinen Armen um und lächelt mich an. „Die Jungs haben mir vor ein paar Tagen den Baum hoch getragen und ihn dann auf den Balkon gestellt!“, erklärt sie mir und grinst nur noch breiter. Endlich verstehe auch ich wovon sie spricht. „Achso!“, sage ich und werfe noch einen Blick auf den Baum. Wenn unsere Decken nicht so hoch wären, hätte Kathi mindestens einen Meter von dem Teil ab sägen müssen. „Sieht das nicht schön aus, mit deinem Flügel und dem Baum!“, strahlt sie mich an und ich ziehe sie noch ein Stück näher an mich heran. „Ja, es sieht wirklich toll aus!“, lobe ich sie und küsse ihren Haaransatz. Meine Hände liegen auf Kathis Bauch und sie streichelt abwesend über meine Hände. Kurz fällt mir unser komisches Badezimmergespräch von letzter Nacht ein und ihre Bitte. Noch ein Baby. Ich schlucke bei der Vorstellung. Ich weiß nicht, ob ich das will. Noch ein Kind, ich hab eh schon kaum Zeit für Toni und Emil. Wie soll das dann erst sein, wenn noch ein dritter Zwerg dazu kommen würde? Ich finde unsere kleine Familie eigentlich perfekt, wie sie gerade ist. Auf der anderen Seite fand ich es auch super cool nur mit Toni und als Emil dann endlich da war, konnte ich mir nicht mehr erklären, wie es je ohne ihn war. Ich versuche diese Gedanken zur Seite zu schieben, Kathi war nur betrunken und hat Mist gelabert. Ein drittes Kind ist im Moment überhaupt kein Thema. Oder ist vielleicht schon schwanger? Und hat nur noch nicht mit mir darüber geredet? Nein, dann hätte sie gestern Abend nichts getrunken. Und außerdem hätte die Leute uns das doch wohl im Krankenhaus gesagt oder? „Hast du Kopfschmerzen?“, frage ich sie und versuche damit mich selbst vom Thema ab zu lenken. Kathi lehnt ihren Kopf an meine Brust und stöhnt laut. „Ist gestern irgendwas Schlimmes passiert? Ich hab einen totalen Filmriss?“, jammert sie und ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen. „Nein, du hast nur ziemlich heiß mit Marla getanzt und mir erzählt, dass Jule ein Baby bekommt!“, beruhige ich sie und beschließe die ganze Babysache einfach tot zu schweigen. Es ist kurz vor Weihnachten und ich will nicht mit Kathi streiten. Vielleicht haben wir in Dubai mal Zeit in Ruhe darüber zu reden. „Oh nein!“, stöhnt Kathi und vergräbt ihr Gesicht in ihren Händen. „So schlimm war es gar nicht!“, verspreche ich und grinse sie an. „Ich hatte aber meine kompletten Klamotten noch an oder?“, fragt Kathi und ich sehe ein kleines Grinsen auf ihrem Gesicht. „Soweit hätte ich es nicht kommen lassen!“, sage ich und drückt ihr einen Kuss auf die Lippen. Kathi schlingt ihre Arme um meinen Hals und erwidert meinen Kuss. „Du bist mein Held!“, flüstert sie zwischen zwei Küssen und bringt uns beide zum Lachen. „Und ich hab dir wirklich erzählt, dass Jule ein Baby bekommt?“, hakt sie noch einmal nach. „Ja!“, ich nicke und sehe sie fragend an, „Stimmt das denn nicht?“ „Doch, doch! Aber sie wollte es euch selber sagen. An Weihnachten!“, erklärt Kathi mir, „Ich hab irgendwie ein schlechtes Gewissen, dass ich ihr Geheimnis einfach so ausgequatscht habe!“ Ich ziehe Kathi mit mir zusammen zur Couch und lasse mich in die vielen Kissen fallen. „Dein Geheimnis ist bei mir sicher!“, schwöre ich ihr, aber sie zieht trotzdem eine Schnute. „Soll ich dir auch was erzählen und dann sind wir beide wieder quitt?“, frage ich und erlange sofort ihre gesamte Aufmerksamkeit. Kurz hadere ich mit mir selbst, ob ich Kathi wirklich von Jos und Elisas Trennung erzählen soll. Aber auf der anderen Seite wird sie es ja wohl sehr bald mit bekommen und außerdem hat sie vielleicht einen guten Rat für mich, wie wir Jo ein bisschen aufmuntern können. „Was denn?“, fragt Kathi lang gezogen und sieht mich erwartungsvoll an. Ihre großen, neugierigen Augen bringen mich zum Grinsen, aber als ich ihr dann von der ganze Story erzähle werde ich wieder ernst. „Elisa hat sich von Jo getrennt!“, beginne ich zu erzählen. „Diese blöde Schlampe!“, meckert Kathi und wirft eins der roten Weihnachtsdekokissen, mit Rudolf dem Rentier drauf, quer durchs Wohnzimmer. „Wow, ganz ruhig, Baby!“, versuche ich sie zu beruhigen. So kenne ich Kathi gar nicht, dass sie so wütend wird, weil sich einer meiner Freunde von seiner Freundin verlassen wird. Naja eigentlich passiert das im Moment auch nicht mehr sooft. Irgendwie geht es in letzter Zeit nur noch ums Zusammenziehen und Kinderkriegen. Wir werden langsam auch zu Spießern. Scheiße drauf. Yolo Bitches. „Wie kann man denn einfach vor Weihnachten Schluss machen?“, fragt sie mich, aber darauf hab ich keine Antwort. „Keine Ahnung!“, gebe ich also nur zurück und zucke mit den Schultern. „Und wieso macht die überhaupt Schluss, hat sie sich mal Jo angeguckt? So jemanden bekommt die nie wieder ab!“, sagt Kathi und gestikuliert wild mit den Armen herum. „Hä? Wie meinst du das denn jetzt?“, frage ich verwirrt. Jos Traummannqualitäten sind mir bis jetzt noch nicht so ganz aufgefallen. Naja außer man steht auf einen kiffenden, sich betrinkenden Rapper, der neben bei Jura studiert. Aber auf jeden Fall ist Jo einer der freshesten Typen, die ich kenne. Mein Bester halt. „Boah, Carlo!“, sagt Kathi lang gezogen und verdreht die Augen, „Hast du dir Jo mal angeguckt? Der sieht doch super aus. Ne richtige Zehn!“ Mit großen Augen sehe ich Kathi an. Hat sie das gerade wirklich gesagt? Da spricht wohl noch der Rest Alkohol aus ihr. „Das hab ich jetzt mal über hört!“, sage ich und klinge zu meiner eigenen Überraschung ziemlich zickig dabei. Kathi krabbelt das kleine Stück über die Couch zu mir rüber und drückt mir einen Kuss auf die Lippen. „Keine Grund die beleidigte Leberwurst zu spielen, mein Schatz. Du bist eine komplette und umwerfenden Zwölf!“, versichert Kathi mir und grinst mich an. Ich schlinge meine Arme um sie, drehe mich um und drückte Kathi mit dem Rücken auf die Couch. „Das will ich auch schwer hoffen!“, warne ich sie und beuge mich über sie. Kathis Arme fahren um meinen Nacken und sie zieht mich zu sich runter, damit ich sie küsse kann. Ihre warmen Lippen fühlen sich herrlich auf meinen an. Ich lasse meine Hand unter ihr Shirt gleiten und streiche langsam ihre Seite hinauf. „Carlo!“, flüstert Kathi verführerisch und kratzt mit ihren Fingernägeln über die Haut in meinem Nacken. Ganz tief schaue ich ihr in die Augen. Braun trifft auf ozeanblau. Und die ganze Welt um uns herum verschwimmt. Alles verschwindet, der hellleuchtende Tannenbaum, Queen, die gerade ‚Thank Good it’s Christmas‘ singen, einfach die ganze Welt. Es gibt nur noch Kathi und mich.
Kathi
„Wir müssen noch das Auto packen, bevor wir zum X-Mas Festival gehen!“, lasse ich Carlo wissen, während wir vor dem Chinesen aus seinem SL steigen. Carlo wartet vor der Motorhaube auf mich und streckt mir seine Hand entgegen. Ich ergreife sie und kuschele mich an seine Seite. „Baby, bis dahin sind noch zwei Tage! Jetzt chill mal deine Basis!“, sagt Carlo leicht genervt und verdreht die Augen. Anstatt ihm eine freche Antwort zu geben, halt ich einfach die Klappe und bohre meinen Ellbogen in seine Seite. Blödmann. Die Bürgersteige liegen voller Schnee und seitdem die Sonne untergegangen ist, ist es wieder richtig kalt. Carlos und mein Atem schwadert in kleinen Wölkchen vor uns her und vor dem Restaurant kann ich erkenne, wie Marla sich ganz dicht an Markus drückt. „Hast du die Geschenke?“, frage ich Carlo noch schnell und er hält eine große Geschenktüte hoch. „Baby, ich bin zwar vergesslich. Aber nicht stehen geblieben!“, sagt er und klingt noch immer genervt. „Kannst du jetzt mal gute Laune haben!“, meckere ich ihn an und verlangsame meine Schritte, die anderen müssen ja nicht mit kriegen wie wir uns an zicken. „Wenn du dich nicht so stressen würdest, könnte ich auch ein bisschen entspannter sein. Also relax doch mal!“, sagt Carlo leise und beugt sich dann zu mir runter um mich zu küssen. „Blödmann!“, murmle ich und gehe weiter auf die anderen zu. Kurz bevor wir die kleine Gruppe Menschen erreicht haben, kneift Carlo mir in den Hintern und ich springe fast hoch. „Das hab ich gehört!“, flüstert er mir ins Ohr und verschlingt dann wieder seine Finger mit meinen. Natürlich sind Carlo und ich mal wieder die letzten. Das liegt aber nicht an mir. Sondern wie immer an Carlo. Es ist mir manchmal unverständlich wie er so lange im Bad brauchen kann. Und dabei hat er sich noch nicht einmal rasiert. Ich beobachte ihn, wie er Nele und Flo umarmt und dann Vanessa einen Kuss auf die Wange drückt. Heute ist wirklich nur der ganz harte Kern da. Jo, Lucca, Markus, Marla, Flo, Nele, Vanessa und Tim. Seit die Jungs zum ersten Mal zusammen auf Tour gegangen sind, treffen wir uns jedes Weihnachten zum Chinesisch Essen. Weil das das unweihnachtlichste Essen ist, dass uns eingefallen ist. Und weil man vor dem ganzen guten deutschen Essen zu Weihnachten nochmal so ein schönes Hähnchen Süßsauer gebrauchen kann. „Soll ich deinen Mantel mitnehmen?“, fragt Carlo mich, als wir am Tisch ankommen. Ich schlüpfe aus dem schwarzen Wollmantel und lächele ihn dankend an, „Das ist lieb!“ Carlo beugt sie zu mir runter und drückt mir einen Kuss auf die Wange. „Oh Kathi, du siehst wieder so gut aus!“, grinst Vanessa mich an. Ich schaue selbst kurz an mir herunter. Ich trage ein schwarzes kurzes Spitzenkleid, schwarze Overknee Strümpfe und passende Stiefeletten. Verlegen grinse ich sie an. „Oh Danke! Du siehst aber auch toll aus!“, gebe ich das Kompliment zurück und bedeute auf ihre graue Seidenbluse, die in einer engen schwarzen Hose steckt, zu der sie weinrote Pumps und den passenden Schal trägt. Marla lässt sich auf den Platz neben mir fallen und sagt, „Ich find wir haben uns alle schick gemacht. Nur unser Männer rennen wieder wie die letzten Schluffis rum oder Nele?“ Nele nickt nur und sagt noch was, aber mein Blick hängt an Carlo. Er trägt einfache schwarze Tight-Jeans, graue Nike Internationalist und dazu ein weißes Vio Shirt mit grauem Supreme Cardigan. Für Carlos Verhältnisse ist das eigentlich schon ziemlich schick. Immerhin hat er heute auf den obligatorischen Vio Sweater verzichtet. „Ich finde unsere Männer sehen heute auch gut aus!“, lasse ich die Mädels wissen und deute zu Jo rüber, „Jo hat sogar ein Hemd an!“ Jo scheint mich gehört zu haben, denn er dreht sich zu mir um und zwinkert mir zu. Carlo lässt sich neben mich fallen und legt seinen Arm auf die Lehne meines Stuhls. „Was ist mit Jo?“, schaut Carlo fragend in die Runde. Ich streiche ihm übers Gesicht und drücke ihm dann einen Kuss auf die Wange, „Nichts alles gut!“ Wieder einmal bin ich heute Abend mega dankbar für unsere tollen Freunde. Die Jungs erzählen Geschichten von der Tour, die ich vielleicht gar nicht hätte hören wollen. Bis jetzt ist mein Leben auch sehr gut verlaufen, ohne zu wissen, dass Tim für eine Wette ein komplettes Glas Wurstwasser auf Ex getrunken hat. Wie kann man nur so ekelhaft sein? Trotzdem lachen wir alle über die Story. Nur Vanessa zieht eine Schnute und will sich nicht mehr von Tim küssen lassen. Nachdem wir Essen bestellt haben, kommt auch endlich die erste Runde Sake. „Fährst du?“, fragt Carlo leise und lehnt sich zu mir rüber. Ich grinse ihn an. „Nach gestern Abend fahre ich lieber! Ich brauch nicht noch mehr zu trinken!“, antworte ich und gehe mir durch die Haare. Als die Kellnerin das kleine Glas vor mich stellt, zieht Carlo es zu sich rüber. Markus macht bei Marla genau das gleiche. Und Tim guckt sehnsüchtig auf Vanessas Sake, aber sie spült das kleine Glas einfach so vor seinen Augen runter. Lucca und Jo sitzen nebeneinander und ich hab einen kurzen Moment irgendwie ein schlechtes Gewissen, die beiden sitzen hier so zwischen vier Pärchen und sind ganz alleine. „Wollt ihr uns jetzt endlich mal so offiziell sagen, dass ihr auch euren Beitrag zur Überbevölkerung leistet oder wie läuft das jetzt?“, fragt Jo und schaut in Marlas und Markus Richtung. Bei jedem anderen hätte ich den Kommentar, als komplett geschmacklos angesehen. Aber irgendwie ist es einfach normal bei Jo. Also sieht man über sowas hinweg. Markus will gerade etwas sagen, aber Marla steht einfach auf und zieht ihre Bluse nach oben. So das wir alle freien Blick auf ihren nackten Bauch haben, der sich ein kleines Bisschen wölbt. „Reicht das als Antwort, Herr Lieb?“, will sie wissen und stemmt ihre Hände in die Hüften. Jo steht auf, klatscht in die Hände und verbeugt sich, „Herzlichen Glückwunsch ihr Flachpfeifen!“ Und dann sind Glückwünsche angebracht. Wenn ich mich richtig erinnere, haben die Jungs deswegen gestern schon ungefähr vier Mal eine Runde getrunken. Aber auf so eine Nachricht kann man auch mehrmals anstoßen. Also bestellen die Jungs noch drei Runden Sake und wir stoßen an. „Auf den Brückner Wurm!“, verkündet Flo und Jo schiebt hinterher, „Darauf, dass Psaiko nicht fetter wird als Marla!“ „Okay wer hat Bock auf Geschenke?“, frage ich in die Runde. Weil es zu viel ist, dass jeder für jeden ein Geschenk kauft wichteln wir jedes Jahr. Auf dem Tisch türmen sich Sake Gläser und Teller, aber wir wollen nicht das die Kellner abräumen, weil die Unordnung macht es geradeso gemütlich. Auch wenn ich zu gerne die Teller stapeln würde. Allgemeines Raunen gehen um den Tisch. Ich hab mich um die Organisation für das Wichteln gekümmert, damit auch keiner sich selbst oder seinen Partner zieht. Naja wer soll sich auch sonst darum kümmern? Die anderen sind all viel zu chaotisch. Vor allem mein Göttergatte. „Wer will anfangen?“, frage ich. Flo hebt die Hand und zieht ein längliches Packet zum Vorschein, „Ich fang an!“ Er schiebt das Geschenk zu Tim rüber, der seinen Bandkollegen nur an grinst. Jedes Jahr ziehen die beiden sich gegenseitig, oder mindestens einer den anderen. Ich hab keine Ahnung wie sie das schaffen. „Ich weiß schon was das ist!“, grinst Tim und reist das Geschenkpapier auf. Zum Vorschein kommt ein Baseballschläger. „Wow!“; macht Carlo und schaut Flo mit großen Augen an. „Damit wir auf Tour in der Halle mal richtig Baseball spielen können und nicht immer unser Skateboards nehmen müssen!“ Als nächstes holt Tim ein kleines, eckiges Geschenk hervor und schiebt es zu Nele rüber. Sie hat einen Anhänger für ihr Pandora-Armband bekommen, danach bekommt Marla von Vanessa eine selbst genähte Bluse und Carlo von Vanessa ein neues Ideenbuch mit Ledereinband und seinen Initialen. Ich finde es immer toll, dass wir uns Dinge schenken, die wirklich eine Bedeutung haben und nicht nur einen blöden Gutschein oder irgendwas anderes ohne Gedanken dahinter. Jetzt ist Carlo an der Reihe. Er zieht ein großes Geschenk aus der Geschenktüte und reicht es Psaiko rüber, „Frohe Weihnachten Brudi!“ Markus nimmt das Päckchen an sich und öffnet vorsichtig das Geschenkpapier. Zum Vorschein kommen drei mega hässliche orange-braune Jack Wolfskin Regenjacken. Verwirrt guckt Psaiko zwischen den Jacken und Carlo hin und her. „Weil du jetzt auch Spießer bist und jede Spießerfamilie braucht passende Jack Wolfskin Regenjacken!“, erklärt Carlo ihm. Alle außer Markus fangen am Tisch an zu lachen. Als ich mit Toni schwanger war, hat Markus Carlo genau das gleiche Geschenk gemacht. „Rache ist süß!“, grinst Carlo ihn an. „Anziehen!“, ruft Lucca und alle fangen an zu klatschen. Am Ende stehen Marla und Markus dann auch wirklich in den gleichen orange-braunen Jack Wolfskin Jacken vor uns und Instagram ist um ein peinliches Psaiko Bild reicher. „Ich hasse dich so sehr!“, zischt Markus, als er sich das Instagram-Bild anschaut und die überaus netten Kommentare darunter durch liest. Als nächstes bekommt Lucca von Markus ein Paar iD Nike in sehr grellen Farben. „Wer jetzt wohl dran ist!“, fragt Lucca geheimnisvoll in die Runde und grinst mich an. Ich tue ganz überrascht als er mir ein schuhkartongroßes Geschenk entgegen hält. Als ich den Deckel der Schachtel auf mache, klappt mir die Kinnlade nach unten. In der Schachtel liegt, in Seidenpapier eingeschlagen, ein wunderschönes rotes Sommerkleid mit weißen Punkten. „Oh Lucca!“, bringe ich hervor, als ich das Kleid aus der Schachtel hebe. Es ist ein wunderschönes Kleid in Stil der fünfziger Jahre, mit Perlenknöpfen und einen feinen weißen Gürtel. „Ich hab’s in einem kleinen Laden in London entdeckt, als ich Jules besucht habe! Es ist original Fünfziger!“, erzählt er mir, als ich um den Tisch herum laufe um ihn zu umarmen und einen Kuss auf die Wange drücke. „Danke, ich kann es kaum erwarten, dass Sommer wird!“ Jetzt bin ich an der Reihe mein Geschenk unter die Leute zu bringen. Carlo reicht mir das rechteckige Geschenk rüber und ich schiebe es zu Jo rüber. „Das ist für dich, Schöner!“, sage ich und lächele ihn an, „Ich hoffe es gefällt dir. Carlo hat mir ein bisschen geholfen!“ Jo zieht eine buntgemusterte Snapback und den passenden Sweater dazu aus Karton. „Es ist die Flower Limited Edition für nächstes Frühjahr von Supreme!“, erkläre ich ihm. Auf Jos Gesicht bildet sich ein großes Lächeln und er umarmt mich. „Danke Kleine!“, bedankt er sich und drückt mir einen Kuss auf die Wange. Als letztes bekommt Flo einen neuen Aufstecksatz für seine Sonnenbrille. Als alle ihre Geschenke einmal rum gegeben haben, ziehe ich noch einen Stapel Geschenke aus der großen Tasche zwischen Carlo und mir. „Carlo und ich haben noch was für euch!“, sage ich und erlange so die Aufmerksamkeit von allen am Tisch. „Kathi, warum denn? Wir wollten uns doch nichts schenken!“, sagt Nele tadelnd. Und von Lucca kommt ein „Och Leute!“ Aber ich hebe nur abwehrend meine Hände. „Leute es ist nur ne Kleinigkeit!“, beruhige ich sie und verteile die Päckchen. Carlo und ich haben für alle einen persönlichen Fotokalender zusammengestellt. Sprich Carlo hat die Fotos rausgesucht und ich bin dann kreativ geworden und habe überall Sprüche zu geschrieben und die Fotos auf geklebt.
Carlo
Ich ziehe Kathi ganz fest an mich ran, als wir zusammen wieder zu Hause in unserem Bett liegen. Heute Abend ist es nicht so spät geworden, weil uns allen noch die Vio Party in den Knochen steckt und außerdem ist Übermorgen noch das Chimperator X-Mas Festival. „Schön wie sich alle über die Kalender gefreut haben!“, sagt Kathi und legt ihren Kopf auf meine Brust. Ich schlinge meine Arme um ihren kleinen Körper und breite die Decke über uns beiden aus. „Ja, das war wirklich eine gute Idee von dir!“, pflichte ich ihr bei und drücke ihr einen Kuss auf die Stirn. „Es war schön nochmal die ganzen Erinnerungen von diesem Jahr zu sehen. Das Bild von Markus und Emi im Krankenhaus, war so süß!“, flüstert sie und ich spüre wie sie kleine Kreise auf meinen Bauch malt, „Dieses Jahr war echt toll!“ Ich lächele in die Dunkelheit hinein. Sie hat Recht, dieses Jahr war wieder einmal ein unglaubliches Jahr. Emils Geburt, die tolle Festivalsaison und geile Tour, der Erfolg des Albums, die Sternstory, aber auch Kathis Krankheit und die Anfeindungen gegen meine Familie im Netz. Alles Positive hat auch irgendwie eine negative Seite. „Wodrauf freust du dich denn nächstes Jahr am Meisten?“, frage ich Kathi und hoffe, dass sie nicht sowas sagt wie, dass wir noch ein drittes Baby bekommen. Denn da will ich nun wirklich nicht drüber reden. „Da gibt es viele Sache!“, überlegt Kathi, „Aber ich glaub am meisten freue ich mich auf Emis ersten Geburtstag und das Sarah wieder kommt!“ Ich spüre ihr Lächeln an meiner Brust. Sarah ist Kathis beste Freundin seit der Schule. Die letzten zwei Jahre hat sie mit einem Stipendium in Boston Medizin studiert, aber für ihr Praxisjahr hat sie sich das Robert-Bosch-Krankenhaus in Stuttgart ausgesucht. Ich mag Sarah wirklich sehr, immerhin ist sie Kathis älteste und beste Freundin. Aber genau darin besteht dann auch das Problem. Kathi und Sarah sind zusammen ein explosive Mischung. Die beiden reden noch nicht mal in ganzen Sätzen miteinander, weil sie sich auch so verstehen und für jede dritte Person haben sie irgendeinen Geheimcode. Der mich oft total verwirrt. Trotzdem ist Sarah eine coole Sau. Und immer wenn Kathi und sie mir mit ihren ‚Gossip Girl‘ Marathons auf die gehen, erinnere ich mich daran, dass Kathi Lucca, Danju und mich auch schon das ein oder andere Mal besoffen nach Hause gebracht hat. Und das Wichtigste an der ganzen Sache ist doch eh, dass sie für Kathi eine super tolle Freundin ist und das ist sie all Mal. Auch wenn sie Kathi früher immer vor dem komischen Spargeltarzan gewarnt hat. Aka mir. „Wann kommt sie denn wieder?“, frage ich Kathi leise. Aber sie antwortet mir nicht mehr, denn sie ist schon eingeschlafen. Langsam und tief atmet sie immer wieder ein und aus. Ich ziehe ihr die Decke ein wenig höher und drücke ihr noch einen Kuss auf die Stirn. „Gute Nacht, ich liebe dich!“, flüstere ich in die Dunkelheit unseres Schlafzimmers. „Liebe dich auch!“, höre ich Kathi leise an meiner Brust nuscheln und gleite dann auch langsam ins Land der Träume.
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36. Die etwas andere Weihnachtsfeier
Kathi
Durch das gesamte Büro dröhnen laute Hip-Hop Beats, ich kenne das Lied nicht, aber Carlo sitzt neben mir auf einem der Sofas und bewegt seine Lippen langsam zum Text. Es hört sich nach neunziger Jahre an, da hab ich eh keine Ahnung von. Markus steht an einem der Schreibtische und spielt an seinen Soundreglern herum. Wenn ich nicht wüsste, dass wir wirklich im Vio Büro sitzen, hätte ich die Räume nicht mehr wieder erkannt. Alle Schreibtische sind an die Wände geschoben, die Büroleuchten sind aus und wurde durch ein paar Scheinwerfer ersetzt und wo normalerweise die Zeichentische stehen, befindet sich jetzt ein Bar, hinter der Lucca und Jules gerade zusammen irgendwelche Drinks zusammen schütten, dabei aber so cool aussehen wie Tom Cruise in Cocktail. Das hier ist auf keinen Fall eine typische Weihnachtsfeier, aber was ist bei Vio auch schon normal? Wir sind einfach nur ein großer Haufen Chaoten, die Spaß zusammen haben und dabei versuchen noch ein bisschen Geld mit der Sache zu verdienen. Naja das trifft zumindest auf neunzig Prozent der Leute bei Vio zu. Ich lasse meinen Blick einmal durch den Raum wandern, heute Abend sind wirklich alle da, die etwas mit Vio zu tun haben und auch die, die eigentlich gar nichts mit Vio am Hut haben. Jo steht in der Ecke und quatscht eine der Praktikantinnen voll, während Ben und Isa zusammen mit der halben Belegschaft in der Mitte des großen Büros tanzen. Hier drin fühlt es sich wirklich mehr nach einem Club an, als einem Büro. Zwar sind alle Fenster schon längst offen, trotzdem steht die Luft geradezu im Raum. Immer mal wieder spüre ich einen kleinen Windhauch von draußen, aber das war’s dann auch schon. Marla steht ein paar Meter weit von mir und Carlo entfernt, zusammen mit Daniela vom Vertrieb und Marie aus der Buchhaltung, an einem Stehtisch und strahlt übers ganze Sicht. Mittlerweile kann man sogar schon einen kleinen Babybauch erkennen, wenn man ganz genau hinsieht. Ich spüre Carlos Hand auf meinem Oberschenkel. Nach unserem kleinen Zwischenfall im Bad, hat er sich wieder beruhigt. Manchmal ist er einfach ein kompletter Trottel, als wenn ich etwas mit Lucca oder irgendwem sonst anfangen würde. Und wenn würde ich mich wahrscheinlich ein bisschen geschickert anstellen, immerhin habe ich studiert. Ich sehe Carlo prüfend an, ich weiß nicht was mit ihm los ist. Eigentlich ist er überhaupt nicht eifersüchtig, aber in letzter Zeit hatte er irgendwie mehrere solcher Anfälle. Ich streiche ihm über die Wange und er lehnt sein Gesicht in meine Hand. „Alles in Ordnung?“, frage ich ihn lächelnd. In seinen Augen kann ich ganz genau erkennen, dass er mega müde ist. Wahrscheinlich hat er die letzten Nächte nicht viel geschlafen, sondern die halbe Nacht mit Psaiko und Steddy produziert oder gefeiert. Carlo nickt, erwidert mein Lächeln und zieht mich ein Stück näher zu sich heran. Ich rutsche zu ihm rüber und schließe den kleinen Abstand zwischen uns. Sofort legt Carl seinen Arm um meine Schultern und ich drücke ihm einen Kuss auf die Wange. „Das hast alles du geschafft!“, flüstere ich ihm ins Ohr und lasse meinen Blick noch einmal durch den Raum wandern. Ich kann nicht umher stolz auf ihn zu sein. Es flasht mich immer wieder, was für eine Kreativität und Leidenschaft in ihm steckt. Carlo wirft mir einen skeptischen Blick zu und schüttelt dann den Kopf, „Stimmt doch gar nicht!“ Mit zu viel Lob kann Carlo noch immer nicht umgehen, zwar ist ihm bewusst was er geschafft hat. Aber Anerkennung an zu nehmen fällt ihm auch nach all dieser Zeit noch immer schwer. „Natürlich nicht alleine!“, gebe ich zu, „Aber das war deine Idee und daraus hast du mit vielen tollen Menschen etwas Großartiges geschaffen!“ Für einen kurzen Moment schaut Carlo mir einfach nur tief in die Augen. „Ich liebe dich!“, flüstert er ganz leise, aber ich hör es trotzdem. Seine schokobraunen, endlostiefen Augen scheinen bis auf meine Seele zu schauen und mir wird ganz warm. Mein ganzer Körper beginnt zu Kribbeln und meine Lippen verziehen sich zu einem Lächeln. Ich merke gar nicht richtig, wie er mich auf seinen Schoß zieht und beginnt mich zu küssen. Ich schlinge meine Arme um seinen Hals und erwidere den Kuss. Es fühlt sich gut an ihm so nah zu sein und es ist mir egal, dass vierzig Leute um uns herum stehen und uns zu gucken können. Weil ich mich wohl fühle, mit Carlo und all unseren Freunden um uns rum. Erschrocken fahren Carlo und ich auseinander, als ich plötzlich einen Blitz sehe. Als ich meinen Kopf hebe, sehe ich, das Marla grinsend vor uns steht und eine von den Einmalkameras vorm Gesicht hat. Jules hatte die Idee im ganzen Büro Einwegkameras zu verteilen, damit die Leute den ganzen Abend über Fotos machen können. „Boah hast du mich erschrocken!“, meckere ich Marla im Spaß an und lehne mich gegen Carlos Brust. Marla streckt mir nur die Zunge raus und kommt, dann mit der Kamera auf mich und Carlo zu. „Mach mal ein Foto von uns!“, fordert sie Carlo auf und lässt sich neben mich auf die Couch fallen. „Wie wär’s mal mit bitte!“, ärgert Carlo sie und greift nach der Kamera. Marla positioniert sich neben mir auf dem Sofa und wir umarmen uns. „Ich bin schwanger! Ich darf das!“, verteidigt Marla sich und lächelt in Carlos Richtung. Carlo hebt die Kamera an sein Gesicht und sagt, „Geht das auch in schön?“ Rund herum fangen ein paar Leute an zu lachen. Ehe Carlo es sich versieht, haben Marla und ich zwei Kissen nach ihm geworfen. Eigentlich treffe ich bei sowas nie, aber jetzt ist das Glück endlich mal auf meiner Seite und mein Kissen trifft Carlo genau am Kopf. Während Marlas ein paar Meter an ihm vorbei fliegt und eine Schüssel mit Chips umschmeißt. „Ups!“, sagt sie verlegen und wir beide fangen an zu lachen. Genau in diesem Moment drückt Carlo auf den Auslöser und macht ein Foto von uns beiden. Ich freue mich schon jetzt drauf zu sehen, wie das Foto aussieht. Denn es wird bestimmt eins dieser typischen Carlo Fotos, eher ein Schnappschuss, als ein gestelltes Bild. Aber genau das macht es dann wieder so perfekt. Zusammen mit ein paar Büro-Mädels, Marla und Jules stehe ich an einem der Stehtische und unterhalte mich über Schwangerschaften. „Wisst ihr denn schon was es wird?“, will Daniela wissen, sie ist selber schon Mama und wie ich das raus gehört habe, versuchen ihr Freund und sie im Moment ein Zweites zu bekommen. Marla legt beschützend die Hand auf ihren Bauch und schüttelt den Kopf, „Nein, aber ich will es auf jeden Fall wissen. Ich muss doch wissen wie ich das Kinderzimmer einrichten muss. Markus will sich aber überraschen lassen. Aber ich glaub eigentlich will er nur mehr Zeit um mich von seinen Namensvorschlägen zu überzeugen!“ Ich werfe einen kurzen Blick in Markus Richtung, er steht zusammen mit Carlo, Jo, Lucca und Ben an einem der Fenster und raucht. Carlo hält ein komplettes Tablet mit Shots in den Händen und die Jungs schütten die Teile nur so runter wie Wasser. Jo hält Carlo seine Zigarettenschachtel hin, aber Carlo schüttelt nur den Kopf und lehnt ab. Gerade in diesem Moment hebt er den Kopf und schaut in meine Richtung. Als er mich erblickt, lächelt er mich an und ich winke ihm zu. „Was sind denn seine Vorschläge?“, fragt Pia, die neue Praktikantin, neugierig. Ich weiß nicht warum, aber irgendwie ist sie mir noch nicht wirklich so sympathisch. Aber vielleicht ist das auch einfach nur so, weil ich sie heute Abend erst zum zweiten Mal sehe und sie Carlo ewig und drei Tage verträumte Blick zu wirft. Laut Marla, aber keine Konkurrenz für mich. Beste Freundinnen sind einfach toll. „Also Markus findet ja Lotta oder Henry schön, aber ich weiß nicht so wirklich!“, überlegt Marla laut und schaut gequält in unsere Mädels Runde. „Lotta find ich schön!“, schalte ich mich in die Diskussion mit ein, „Aber bei den Namen unserer Kinder, durfte ich eh nur den zweiten Namen mit entscheiden!“ Neben mir höre ich Jules lachen, denn sie weiß ganz genau was ich meine. „Wieso das denn?“, fragt Daniela überrascht. Ich nehme noch einen Schluck von meinem Gin Tonic und zucke mit den Schultern, „Als ich Carlo gesagt habe, dass wir Eltern werden hat er eigentlich von Anfang an gesagt, dass er möchte, das das Baby den Namen von seinem verstorbenen Großvater bekommt. Also von Ankes Vater. Und der hieß Antonio, aber wir haben ja ein Mädchen bekommen. Und ich fand Antonia irgendwie total altmodisch. Also hat Carlo Toni vorgeschlagen.“, erzähle ich und erinnere mich mit einem Lächeln an die Tage langen Diskussionen, in die Carlos komplette Familie am Ende mit einbezogen wurde, „Und weil Toni in Deutschland als geschlechtsneutraler Vorname gilt, brauchten wir noch einen geschlechtsspezifischen Mädchenvornamen. Und den hab ich dann ausgesucht!“ „Und wie heißt Toni mit zweitem Namen?“, fragt Pia, sie scheint förmlich an meinen Lippen zu hängen. „Toni Marlene, nach meiner großen Schwester!“, antworte ich ihr. „Und Emil heißt mit zweitem Namen Markus, genauso wie sein mega sexy Patenonkel!“, strahlt Marla in die Runde und wirft ihrem Markus einem verliebten Blick zu. Diese Schwangerschaftshormone. Leider kann Markus den Blick im Moment nicht erwidern, denn Carlo und er sind gerade damit beschäftigt heraus zu finden, wer schneller eine Flasche Bier herunter bekommt. Für Romantik hatten unsere Männer halt dann vielleicht doch nicht so ganz viel übrig. „Naja, dass bleibt jetzt mal jedem selbstüberlassen!“, grinst Jules und nimmt noch einen Schluck von ihrem Wasser. Ich lehne mich ein bisschen zu ihr rüber, so dass nicht alle hören was wir sprechen. Ich hab sie schon den ganzen Abend über beobachtet und irgendwas stimmt nicht mit ihr. Normalerweise ist Jules, genauso wie Carlo, immer das Herz jeder Party, hat mit allen Spaß und kippt einen Whiskey Cola nach dem anderen. Aber nicht heute Abend. Heute hat sie sich freiwillig für den Bardienst gemeldet, war noch nicht einmal auf der Tanzfläche und trinkt den ganzen Abend lang Wasser. Irgendwas stimmt da nicht. „Alles okay bei dir?“, frage ich sie besorgt. Jules beißt sich auf die Unterlippe und antwortet mir nicht. „Ist irgendwas mit Mats? Ich hab ihn heute erst einmal kurz gesehen!“, frage ich und schaue mich im Raum nach meinem Schwager in Spe um. Als ich zurück zu Jules sehe, schwimmen ihre Augen in Tränen und sie kaut auf ihren Wangen herum. Sofort greife ich nach ihrer Hand und sehe sie besorgt an. „Oh Jules, was ist passiert? Wen müssen Carlo und Ben hauen?“, frage ich sie und drücke ihre Hand ganz fest. Zu meiner Überraschung fängt Jules bei meiner Frage an zu lachen. „Es ist alles gut!“, sagt sie mit erstickter Stimme und versucht zu Lächeln. Zu meiner Überraschung hat noch niemand am Tisch etwas von unserer Unterhaltung mit gekommen. Die Mädels sind viel zu sehr in die Diskussion, ob der Name Paul altmodisch oder nicht ist, vertieft. Jules zieht meine Hand ein wenig zu sich rüber und legt sie auf ihren Bauch. Sofort werden meine Augen größer und ich sehe Jules fassungslos an. „Nein!“, hauche ich. „Doch!“, sagt Jules heftig nickend, „Zwanzigste Woche!“ Mein Blick fällt auf Jules locker fallendes schwarzes Kleid. „Oh mein Gott! Wie habt ihr das so lange geheim gehalten!“, frage ich sie und umarme sie ganz feste. Jules erwidert meine Umarmung und ich spüre ihre warmen Tränen auf meiner Haut. Ich weiß genau was gerade in ihr vorgeht, kurz bevor ich mit Toni schwanger geworden bin, hatte sie zwei ziemlich schwierige Fehlgeburten und hat sich danach komplett in ihre Arbeit gestürzt. Als Carlo und ich unsere Familie damals erzählt haben, dass wir ein Baby bekommen würde, hatte ich ein richtig schlechtes Gewissen wegen Jules und Mats. Weil die beiden wirklich ein Baby wollten und bei Carlo und mir es ein kompletter Unfall gewesen ist. „Was ist denn hier los?“, werden Jules und ich aus unserem freudigen Moment gerissen. Als ich mich umdrehe, steht ein schon ziemlich gutgelaunter Carlo vor mir. „Nichts, darf ich nicht meine Schwägerin einfach mal umarmen?“, frage ich Carlo und lächele ihn an. Carlo scheint kurz ein wenig drüber nach zu denken und zuckt dann einfach die Schultern. „Bekomm ich nen Kuss?“, fragt er stattdessen und zieht mich zu sich ran. Ich drücke Jules Hand noch einmal kurz und lasse mich dann in Carlos Arme ziehen. „Was hast du denn schon alles getrunken?“, frage ich ihn und lehne mich an seine Brust. Die Wolle seines Pullovers kratzt ein bisschen an meiner Wange, aber das ist schon okay. „Ich hab vor ner Stunde aufgehört zu zählen!“, gibt Carlo ehrlich zu und ich spüre, wie er mir über den Rücken streicht. „Möchtest du nach Hause?“, frage ich und sehe ihn prüfend an. Aber natürlich schüttelt Carlo den Kopf. „Baby, die Party fängt gerade erst an. Und so voll bin ich auch noch nicht!“
Carlo
Ich beobachte Kathi wie sie zusammen mit Marla auf der Tanzfläche ihre Hüften schwingt. Gegenseitig singen sich die Mädels die Lyrics zu einem Usher Song zu. Kathi hat ein strahlendes Lächeln auf dem Gesicht und dreht sich um sich selbst. Ihre Haare haben sich schon lange aus dem Dutt gelöst und immer wenn sie sich dreht fliegt ihr Rock ein kleines Bisschen höher. Mittlerweile spüre ich den Alkohol schon gar nicht mehr so richtig. Ein Blick auf meine Uhr verrät mir, dass es halb vier ist. Als sich die Weihnachtsfeier vor ein paar Stunden aufgelöst hat, sind noch ein paar von uns weiter in die Schräglage. Es ist einfach alle unsere Leute im Club zu erkennen, denn wie jedes Jahr zur Weihnachtsfeier haben wir ein extra Shirt drucken lassen. Dieses Jahr tragen alle hellblaue Vio Shirts mit einer Palme und einem Weihnachtsmann drauf. Eigentlich wollte Kathi schon nach der Weihnachtsfeier nach Hause, aber ich konnte sie überreden noch mit den anderen weiter in die Schräglage zu ziehen. Und jetzt bin ich derjenige, der nach Hause will und Kathi irgendwie von der Tanzfläche bekommen muss. Neben mir, auf einem der Sofas, sitzen Jo und Psaiko. Die beiden sehen genauso fertig aus, wie ich mich fühle. Lucca haben wir schon vor einer guten Stunde an eine der Kellnerinnen verloren. Und dabei hab ich gedacht, er wollte Anna so sehr beeindrucken. Naja nicht mein Bier, er soll tun was er nicht lassen kann. Immerhin ist er alt genug. Alter ich hör mich an wie meine Mutter. Vielleicht bin ich doch noch ein bisschen betrunken. Obwohl ich schon seit einer Stunde auf Cola umgestiegen bin. „Alter dürfen Schwangere überhaupt tanzen?“, höre ich Jos kratzige Stimme neben mir fragen. Markus setzt sich verwirrt, auf der anderen Seite von mir, auf und lässt seinen Blick zwischen Marla und Jo hin und her wandern. „Hä? Warum denn nicht?“, fragt Psaiko und nimmt noch einen Schluck aus seinem Cuba Glas. Wahrscheinlich ist er morgen derjenige, der kotzt und ausnahmsweise mal nicht Marla. Jo zuckt die Achseln und beobachtet jetzt auch wieder die Mädels auf der Tanzfläche, gerade hält Kathi sich eine Flasche Sekt an den Hals und Marla und Daniela klatschen. Manchmal sind Frauen echt komisch. Wenn Kathi sich noch einmal über meine Bierpong Conteste mit den Jungs aufregt, bekommt sie was zu hören. „Ja so mit dem ganzen Gewackel und so, da kann doch was kaputt gehen oder?“, überlegt Jo geistreich und ich muss laut anfangen zu lachen. Über was für über komisches Zeug er einfach manchmal nachdenkt, dabei kifft er gar nicht mehr so viel. Naja auf jeden Fall nicht mehr so viel wie früher. „Alter, da geht nichts kaputt. Die Gebärmutter ist wie so ein Wattbausch, der das Baby beschützt. Marla hat keine Glasknochen, sie ist nur schwanger!“, schalte ich mich in die Unterhaltung mit ein, weil Psaiko nicht mehr wirklich in der Lage zu sein scheint, Jo zu antworten. „Woher soll ich das denn wissen? Seh ich aus wie ein Gynäkologe?“, zickt Jo mich an. Und dann fangen wir beide einfach an zu lachen. „Boah Carlo du bist so ein elender Spießer! Ich hätte nie gedacht, dass du dich mal so mit Schwangerschaft auskennen würdest!“, lacht er und haut mir auf die Schulter. „Danju, warte mal ab bis du und Elisa Nachwuchs bekommt!“, prophezeie ich ihm. Mit einmal mal weicht die ganze Farbe aus Jos Gesicht und er senkt seinen Blick zu Boden. „Dazu wird es wohl nicht kommen!“, sagt Jo tonlos, guckt mir dabei aber nicht in die Augen. „Wieso? Kriegst du keinen mehr hoch vom vielen Kiffen?“, fragt Psaiko besoffen von meiner anderen Seite und lacht über seinen eigenen Witz. Eigentlich hätte er sich jetzt sofort einen miesen Spruch von Jo eingefangen, aber er sagt einfach gar nichts. „Habt ihr Stress?“, frage ich Jo mit leiser Stimme. Noch vor ein paar Jahren wäre ich mir über schwul vorgenommen, mit Jo über Gefühle zu quatschen. Männer machen sowas einfach nicht, naja hab ich gedacht. Aber seit ich mit Kathi zusammen bin und vor allem seit die Kinder da sind, hat sich auch Jos und meine Freundschaft verändert. Irgendwie ist alles ein bisschen erwachsener geworden. Nicht immer und wir machen auch noch dieselbe Scheiße wie früher. Aber trotzdem ist es ein bisschen ernster geworden. Oder wir sind wirklich einfach nur älter geworden. Jo schüttelt seinen Kopf. „Was dann?“, hake ich nach und sehe ihn aufmerksam an. Wenn es Jo so mies wegen einem Mädchen geht, dann muss es echt was Ernstes sein. Sonst nimmt er nämlich alles immer ein bisschen zu locker. Nachdem meine erste Freundin mit mir Schluss gemacht hat, bin ich zu Jo gefahren und wollte über alles reden. Aber er hat einfach nur eine Flasche Wodka auf den Tisch gestellt und wir haben uns den ganzen Tag sinnlose Youtube-Videos angeguckt und Vodka getrunken. Mittlerweile ist unsere Wodka-Trink-Therapie schon fast zur Tradition geworden. Egal ob es um Beziehungen, Jobprobleme oder Kathis erste Schwangerschaft ging, erstmal haben Jo und ich uns immer mit Wodka zu geschüttet. Weil danach, sieht die Welt schon gar nicht mehr so schlimm aus. „Sie hat Schluss gemacht, einfach so.“, flüstert Jo mit erstickter Stimme und sieht mich aus traurigen Augen an. Fuck Mann! So kenne ich meinen besten Freund gar nicht. Hektisch krame ich in meiner Hosentasche nach Geld, ich ziehe einen Zweihunderter aus der Tasche und halte ihn Psaiko hin. „Hol mal die größte Flasche Wodka, die du finden kannst!“, fordere ich ihn auf und deute in Richtung Bar. Psaiko schaut verwirrt zwischen Bar und dem Schein hin und her. „Aber ich will nichts mehr trinken. Ich bin schon sooooo voll, Brudi!“, jammert er. Aus meinem Augenwinkel sehe ich, wie Jo seinen Mund kurz zu einem Grinsen verzieht. „Alter, jetzt hol einfach den Wodka!“, fahre ich Psaiko genervt an. Zu meiner völligen Überraschung steht er dann auch wirklich auf und trottet brav zur Bar rüber. Ich drehe mich wieder zu Jo um und fixiere ihn mit meinem Blick. „Was ist denn passiert?“, frage ich ihn. Jo atmet tief aus und zieht sich die Basecap vom Kopf. „Keine Ahnung. Eigentlich wollte ich über Silvester zu ihr fliegen. Aber dann hat sie mir vor ein paar Tage am Telefon gesagt, dass ich nicht kommen bräuchte!“, beginnt Jo zu erzählen und ich höre ihm einfach nur zu, „Ich hab sie gefragt warum und sie hat gesagt, dass das alles keinen Sinn mehr mit uns hätte. Und sie keine gemeinsame Zukunft für uns sieht, weil sie nicht nach Deutschland ziehen will und ich aber auch nicht nach Spanien kann, wegen dem Studium und der Musik und allem. Fuck ey!“ Ich sage nichts zu ihm, sondern gebe ihm einfach Markus halb volles Glas Cuba und Jo macht das Ding mit einem Zug leer. Männer sind anders als Frauen, ich kann Jo ja jetzt schlecht in den Arm nehmen und zusammen mit ihm Dirty Dancing gucken. „Und wie siehst du das?“, frage ich vorsichtig, suchend sehe ich mich nach Psaiko um, ob er endlich mit dem Wodka wieder kommt. Aber wie es aussieht, steht er noch immer an der Bar und quatscht dem Barkeeper ein Kotelett an die Backe. „Keine Ahnung man, ich hab in den letzten fünf Jahren mein komplettes Geld in Flugtickets nach Barcelona gesteckt und sie immer wieder gefragt, ob sie nicht mit mir zusammen nach Deutschland gehen will. Aber von ihr kamen immer nur irgendwelche Ausflüchte. Erst war es das Studium, dann ihre kranke Mutter, dann ihr super Job. Immer irgendwas Neues.“, Redet Jo sich den kompletten Frust von der Seele. „Vielleicht wollte sie, dass du zu ihr ziehst!“, überlege ich laut. Jo verdreht nur die Augen, „Boah Carls, sie wusste ganz genau, dass ich nicht in Spanien arbeiten kann. Mein Studium wird da nicht anerkannt und außerdem ist in Spanien ja schon jeder zweite Spanier arbeitslos, wie soll ich da nen Job finden?“ Ich zucke nur meine Schultern, denn ich bin jetzt nicht wirklich Experte für den spanischen Arbeitsmarkt im Bereich Rechtswesen. „Ich hab alles gemacht, damit wir eine gemeinsame Zukunft haben und sie schafft es noch nicht mal hier hin zu ziehen!“ Wieder weiß ich nicht wirklich was ich sagen soll. Jetzt hätte ich gerne Kathi neben mir sitzen, sie weiß in solchen Situationen immer was man sagen muss. Oder wenigstens den Wodka hier. „Wenn sie mich wirklich lieben würde, dann hätte sie das für mich gemacht!“, sagt Jo etwas leiser und auf einmal klingt er gar nicht mehr so wütend, sondern vielmehr verletzt. „Sie hat da hinten ja auch ein komplettes Leben, das auf zugeben ist bestimmt auch nicht easy!“, versuche ich ein bisschen Verständnis für Elisa auf zu bringen. Auch wenn ich die Alte im Moment gerne klatschen würde. Naja oder ich würde Kathi sie klatschen lassen, weil Frauen schlägt man ja eigentlich. Außer sie haben es wirklich verdient. „Alter Carlo! Wenn du zu Kathi sagen würdest, wir ziehen morgen nach Narnia, weil du da arbeiten kannst. Würde sie nur zu dir sagen, dass sie mindestens vier Wochen braucht damit der Umzug organisiert werden kann. Weil sie nun mal ihren Organisationsfimmel hat. Aber so macht man das in ner Partnerschaft, weil man ein Team ist! Und Elisa schafft es noch nicht mal für ein Jahr hier rüber zu ziehen, damit wir mal austesten können, ob das klappt!“, sagt Jo aufgebracht und ich weiß das er vollkommen Recht hat. Wenn Kathi wo anders hingehen würde, würde auch ich ihr sofort folgen. Weil ich ohne sie nicht leben kann und es völlig wayne ist wo wir sind, solange ich sie habe. Endlich kommt Psaiko mit zwei Flaschen Grey Goose in der Hand wieder. „Ich hab was gefunden!“, lallt er stolz und ich nehme ihm die beiden Flaschen aus der Hand, bevor gleich zweihundert Euro auf dem Boden liegen. Als ich die beiden Flaschen auf den Tisch stelle, nimmt Jo sich eine und setzt die Flasche einfach so an. So geht es natürlich auch. Er reicht mir die Flasche rüber und ich nehme eine auch einen Schluss. Psaiko lässt sich auf die freie Couch gegenüber von uns fallen und zieht seine Cap über die Augen. „Vielleicht ist es dann doch besser so!“, versuche ich Jo auf zu bauen. Er zuckt nur die Schultern und nimmt noch einen großen Schluck aus der Flasche. Frustsaufen auf höchstem Niveau. „Keinen Plan Alter!“, sagt Jo zwischen zwei Schlücken, „Ich weiß nur, dass ich die letzten fünf Jahre an eine Schlampe verschwendet habe, während ich eigentlich die Zeit meines Leben haben sollte!“ Darauf weiß ich nun wirklich nicht mehr was ich sagen soll. Aber wie es aussieht will Jo auch gar nicht mehr quatschen, sondern sich einfach nur noch sinnlos betrinken. Und weil ich ein guter bester Freund bin mache ich genau das auch mit ihm. Nach einer kompletten Flasche Wodka hat Jo sich irgendwann zusammen mit der Praktikantin nach Hause verabschiedet. Aus dem Frustsaufen mit ihm ist eher ein ‚Jo spült sich den Frust runter und Carlo schüttet nach‘ geworden. Denn wie es aussieht, ist Kathi heute Abend diejenige von uns beiden, die sich aus dem Leben schießt und ich habe die ehrenvolle Aufgabe meine Frau nach Hause zu bekommen. Zusammen mit Marla und einem betrunkenen Markus sitzen wir jetzt in einem Taxi auf dem Weg nach Hause. Es ist halb sieben Uhr morgens und die Straßen schon wieder voller frustrierter Menschen, die auf dem Weg zur Arbeit sind. Zuerst liefern wir Markus und Marla zu Hause ab und ich helfe Marla ihn aus dem Taxi zu bekommen. „Ich liebe dich Brudi!“, haucht Psaiko mir mit einer über krassen Farne entgegen, während ich ihn gegen die Haustür ihres Wohnhauses lehne. „Ich dich auch!“, grinse ich und klopfe ihm auf die Schulter. „Soll ich ihn dir wirklich nicht hoch bringen!“, frage ich Marla zur Sicherheit nochmal. „Ne braucht nicht, ich muss ihn ja nur in den Aufzug und wieder raus bekommen!“, bedankt sie sich und winkt mir um Abschied. Als ich gerade wieder ins Taxi einsteigen will, ruft Psaiko mir „Ey, Carlo ich werde Papa!“ zu und ich muss lachen. Er ist einfach sowas von über krass durch. Wie schaffen Kathi und Marla es nur uns nach Hause zu bekommen, wenn wir beide gesoffen haben? Irgendwie bekomme ich ein bisschen ein schlechtes Gewissen. Aber auf der anderen Seite, schaffe ich Kathi ja jetzt auch besoffen nach Hause. Das wiegt sich schon irgendwie aus. Im Aufzug nach oben lehnt Kathi sich an meine Brust und ich lege meine Arme um sie, damit sie mir nicht noch umfällt. „Ich liebe dich!“, nuschelt sie an meine Brust und ich drücke ihr einen Kuss auf den Haaransatz. Sie ist einfach so verdammt süß, wenn sie betrunken ist. Weil das eigentlich nie vorkommt. Kathi hat sich meistens komplett im Griff und weiß ganz genau wo ihre Grenzen sind. Deswegen finde ich es umso lustiger, wenn sie doch mal mehr trinkt, als sie eigentlich verträgt. Mit einem Ping öffnet sich der Aufzug und ich ziehe Kathi hinter mir her zu unserer Wohnungstür rüber. Mit einer Hand suche ich nach meinem Schlüssel in Kathis Handtasche, während ich sie mit dem anderen Arm fest halte, weil sie ohne mich immer wieder gefährlich weit nach vorne kippt. Als ich den Schlüssel endlich gefunden habe, drücke ich die Wohnungstür auf und schiebe Kathi vor mir her in den Flur. „Ziehst du mir die Schuhe aus, meine Füße tun so weh!“, jammert Kathi und streckt mir ihren linken Fuß entgegen, der in einem hohen schwarzen Stiefel steckt. Weil ich ein guter Ehemann bin, nehme ich Kathis Fuß in die Hand und öffne den Reißverschluss ihrer Stiefel. „Wenn ich so viel wie du in den Schuhe getanzt hätte, würden mir die Füße auch wehtun!“, sage ich und stelle die Schuhe auf das Schuhregal. „Du sähst darin, aber nicht so heiß aus wie ich!“, grinst Kathi mich an und lehnt sich gegen die Wand. Lachend schüttele ich meinen Kopf, sie ist einfach der Hammer, „Nein, Baby! Ganz bestimmt nicht!“ Kurze Zeit später, hab ich es geschafft Kathi aus ihren Klamotten zu schälen und ihr vor dem Waschbecken im Bad ihre Zahnbürste in die Hand zu drücken. Danach ziehe ich ihr eins von meinen T-Shirts über und setze sie auf den Badewannenrand, während ich mir selbst die Zähne putze. „Carlo?“, fragt Kathi lang gezogen. Ich drehe mich zu ihr um und schaue sie fragend an. „Was Baby?“, frage ich sie und putze mir weiter die Zähne. „Machst du mir ein Baby?“, fragt sie und klingt komplett ernst. Vor Überraschung spucke ich meine Zahnpasta wieder aus und sehe sie fassungslos an. Woher kam das denn jetzt? „Alle sind schwanger und bekommen ein Baby. Marla, Stella und jetzt sogar Jules. Alle. Nur ich nicht!“; jammert Kathi und zieht eine Schnute. „Wie Jules ist schwanger?“, frage ich sie überrascht, was hab ich jetzt schon wieder verpasst? „Sie hat mir das heute erzählt! Aber psssst!“, ermahnt Kathi mich und legt einen Finger auf ihre Lippen. „Machen wir jetzt noch ein Baby?“, fragt Kathi hoffungsvoll. Ich muss mir ein Lächeln verkneifen und spucke den Rest meiner Zahnpasta aus. „Aber du hast doch schon zwei!“, erinnere ich sie und greife nach ihrer Hand. „Aber ich will noch eins!“, fordert sie und lässt auf sich unser Bett fallen. Wieso hab ich jetzt keine Kamera, es wäre so witzig das auf zunehmen und dann auf Kathis nächstem Geburtstag zu zeigen. „Wir reden da nochmal in Ruhe drüber!“, schlage ich ihr vor und breite die Decke über ihrem kleinen Körper aus. Kathi kuschelt sich sofort in die Decke und nickt glücklich, „Okay!“ Noch bevor ich mich auf meiner Seite hingelegt habe, ist sie weg geknackt.
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35. Deja-Vu und Misstrauen
Kathi
Lachend lasse ich mich vom Lucca durch unser großes Wohnzimmer wirbeln, die Musik dröhnt durch Carlos große Bose-Boxen und die große Fläche zwischen Sofa und Fernseher ist frei geräumt, damit wir genug Platz haben. Der fluffige Teppich liegt zusammen gerollt neben der Heizung und den Couchtisch haben wir unter Carlos Flügel geschoben. Mittlerweile haben sich kleine Schweißperlen auf Luccas Stirn gebildet. Trotzdem drehe ich mich immer weiter mit ihm zusammen und versuche irgendwie im Takt der fröhlichen Musik zu bleiben. Seit ein paar Stunden versuche ich Lucca jetzt schon die Grundschritte und ein paar Drehungen für den Disco Fox bei zu bringen und eigentlich klappt das sogar ganz gut. Auf jeden Fall stellt er sich wesentlich besser als Carlo an. Vielleicht hat das aber auch etwas damit zu tun, dass er ein Mädchen mit seinen Tanzkünsten beeindrucken will. Und ich Carlo damals dazu gezwungen habe mit mir tanzen zu lernen, damit wir überhaupt einen Hochzeitstanz haben konnten. Laut klackern die Absätze meiner Tanzschuhe auf dem Parkett, dass erinnert mich sofort an früher und meine unzähligen Tanzstunden. Zwar kann ich weder rappen, noch wirklich gut ein Instrument spielen, aber ein bisschen Kreativität steckt auch in mir. Auch wenn es nur das Tanzen ist. Und wenn es ums Tanzen geht noch nicht einmal alle Arten des Tanzes, sondern nur der Paar-Tanz. Ich brauch einfach jemanden der das mit mir zusammen macht. Genau deswegen freue ich mich so sehr über die Tanzstunden mit Lucca. In den letzten drei Tagen haben wir uns jeden Tag getroffen und an seinen Tanzkünsten gearbeitet. Mittlerweile kann er sogar schon einen einfachen Walzer und Cha-Cha-Cha tanzen. Heute ist aber der Disco Fox dran. Luccas Hand liegt auf meiner Hüfte und sein Blick wandert immer wieder nach unten auf unsere Füße, wahrscheinlich hat er Angst, dass er mir auf die Füße tritt oder aus dem Takt kommt. „Lucca hier oben spielt die Musik! Frauen finden es schön, wenn man ihnen auch mal in die Augen guckt!“, ermahne ich ihn und drücke sein Kinn mit meinem Zeigefinger wieder nach oben. Lucca verdreht nur die Augen und dreht uns beiden dann einmal um neunzig Grad. „Das ist gar nicht so einfach!“, stöhnt er, während er den Arm hebt und ich mich einmal um meine eigene Achse drehe. Plötzlich lässt Lucca mich los und ich stolpere, im letzten Moment hält er mich noch an der Hüfte fest und verhindert, dass mein Gesicht Bekanntschaft mit dem Boden macht. „Man Lucca!“, sage ich genervt und reibe mir den Fuß, der mir bei der ganzen Aktion umgeknickt ist. Lucca schiebt mich ein Stück von sich weg und kratzt sich am Hinterkopf. „Sorry!“, sagt er entschuldigend und schaut mich aus seinen großen Augen an, „Ich hab echt nicht gedacht, dass das so schwer ist. Wenn Jojo das macht, sieht das so einfach aus, wie er die Mädels immer durch die Gegend wirbelt!“ Ich stemme meine Hände in die Hüften und schaue Lucca grinsend an. „Ja, wenn man das schon total lange macht, ist das auch total einfach, aber du fängst doch gerade erst an!“, ermutige ich ihn und gehe zum Soundsystem rüber. „Sollen wir es nochmal probieren?“, frage ich und drücke auf den nächsten Titel. Lucca lässt kurz die Schultern hängen und bläst sich eine Strähne aus der Stirn. Es sieht schon irgendwie witzig aus, wie er da in Jogginghose und durch geschwitztem Vio Shirt mitten in Carlos und meinem Wohnzimmer steht und sich quälen lässt. Und alles nur um eine Frau zu beeindrucken. Ich habe mein Versprechen gehalten und Carlo nichts von unserer Aktion erzählt, früher oder später wird er es eh raus finden, aber wenn Lucca das nicht will, sagen ich es ihm nicht. Außerdem ist Carlo auch die letzten paar Tage in Berlin gewesen und kommt erst heute Abend, pünktlich zur Vio Weihnachtsfeier wieder zurück nach Hause. Allein wenn ich an die nächsten vier Tage bis Weihnachten denke, wird mir schon ganz schwindelig. Bis wir am Vierundzwanzigsten zu Carlos Eltern fahren, haben wir noch ziemlich viel vor. Heute Abend ist die Vio Weihnachtsfeier, Morgen treffen wir uns mit der Gang zum alljährlichen Weihnachtsessen beim Chinesen, übermorgen ist die Weihnachtsfeier von meiner alten Fakultät an der Uni und am Dreiundzwanzigsten das Chimperator X-Mas Festival mit anschließender Aftershowparty in der Schräglage. Ich bin wirklich heil froh, dass Carlos Mama angeboten hat, die Kinder schon heute Morgen ab zu holen. So muss ich mich nicht auch noch um die Kinder sorgen und Carlo und ich können überall zusammen hingehen. „Ja, ich hab noch ein bisschen Zeit bis ich ins Büro muss!“, holt Lucca mich aus meinen Gedanken zurück. „Wieso musst du noch ins Büro?“, frage ich ihn überrascht. Eigentlich haben die Jungs das Vio-Büro bis zum zweiten Januar zu gemacht. „Irgendjemand muss sich ja darum kümmern, dass für heute Abend alle steht!“, grinst er mich an und streckt seine Hand nach mir aus. Ich greife nach der Fernbedienung für das Soundsystem und komme zu Lucca zurück. „Ich kann dir auch helfen. Carlo kommt ja eh direkt aus Berlin zur Party, weil er nicht weiß wie er durch kommt. Wegen dem Verkehr oder so!“, biete ich ihm an und nehme seine Hand. „Ne, brauch nicht. Ich muss mich noch um den Gin kümmern und außerdem will ich nach der Aktion hier noch duschen!“, lehnt er mein Angebot ab. Ich drücke auf ‚Play‘ und pfeffere die Fernbedienung auf die Couch. „Das ist doch doof. Ich hab eine bessere Idee, du duscht gleich hier, leihst dir ein paar Klamotten von Carlo und ich fahr in der Zeit zu Edeka und hol den Gin. Weil nach dem bisschen Rumtanzen muss ich nicht duschen!“, schlage ich vor, wobei mein Vorschlag gar keiner ist. Und das weiß Lucca auch, also nickt er lieber sofort und gibt er sich geschlagen. „Okay hört sich nach nem Plan an!“ Mit einer geschmeidigen Bewegung greift er um meine Hüften und beginnt sich zusammen mit mir im Rhythmus der Musik zu bewegen. „Eins, zwei, drei Wiegeschritt!“, zähle ich laut über die Musik hinweg, während wir uns einmal komplett durch das ganze Wohnzimmer bewegen. Ich bin wirklich mehr als zufrieden mit Luccas Leistung. „Das wird langsam echt gut!“, lächele ich ihn an und lege meine Hand wieder auf seine Schulter, nachdem Lucca mich einmal gedreht hat. Nach zwei weiteren Songs, die ziemlich gut geklappt haben, lassen Lucca und ich uns erschöpft auf die Couch fallen. „Oh man, das ist so anstrengend!“, jammert Lucca und lehnt seinen Kopf auf die Rückenlehne des Sofas. „Jetzt stell dich mal nicht so an!“, grinse ich und pickse ihm in die Seite. Lucca zuckt ein bisschen zusammen und schubst mich ein Stück weit von sich weg. „Halt die Klappe Krümel!“, mault er mich gespielt wütend an und wir fangen beide an zu lachen. Ich lehne meinen Kopf auf Luccas Schulter und kuschele mich ein bisschen weiter in die bequemen Polster. „Nein jetzt mal ehrlich, ich glaub Anna wird ziemlich beeindruckt sein!“, überlege ich laut. Lucca dreht seinen Kopf ein wenig und schaut zu mir runter. „Meinst du wirklich?“, fragt er ein Bisschen unsicher. Zuversichtlich lächele ich ihn an. „Na klar, ich fände es super cool, wenn Carlo so tanzen könnte. Und außerdem kann die Alte sich glücklich schätzen, wenn sie jemanden so cooles wie dich ab bekommt!“, sage ich grinsend, meine das aber völlig ernst. Seit Lucca und seine Freundin Sofie vor zwei Jahren Schluss gemacht haben, hatte er nichts wirklich Festes mehr. Dabei ist Lucca eigentlich genau so ein Beziehungsmensch wie Carlo, aber während sine ganzen Kumpels langsam dabei sind mit ihren Freundinnen zusammen zu ziehen und Familien zu gründen, ist Lucca noch immer allein. Und das hat er wirklich nicht verdient. Er ist einfach ein super toller und lieber Typ, auf den man sich immer verlassen kann. Und er hat eine Frau verdient, die ihn über alles liebt. „Danke Kleines!“, sagt Lucca und drückt mir einen Kuss auf den Haaransatz. „Ist doch so!“, sage ich, stehe auf und klatsche in die Hände. Erwartungsvoll sieht Lucca mich vom Sofa aus an. „So, du gehst jetzt in die Dusche. Du weißt ja wo Carlos Sachen sind. Und ich zieh mich kurz um und fahr dann schnell zu Edeka und dann können wir zusammen ins Büro fahren!“, bestimme ich und strecke Lucca meine Hand entgegen, damit ich ihn vom Sofa hoch ziehen kann. Fragend dreht er sich im Wohnzimmer um und deutete auf das Chaos. „Sollen wir das nicht erst noch kurz wieder aufräumen?“ Ich schüttele nur den Kopf und mache mich schon auf den Weg zur Tür. „Ne du lass mal, dass mach ich morgen früh in Ruhe. Dann ist Carlo eh noch im Delirium und ich hab was zu tun!“, scherze ich, aber eigentlich ist es die komplette Wahrheit. Ich weiß schon genau, wie der heutige Abend enden wird. Jojo, Ben und Carlo fangen irgendwann an mit ihrem alljährlichen Zimtstern-Wetttrinken und dann endet der Abend böse. Jedes Jahr macht Isa die gleichen Zimtstern-Shots für die Party und jedes Jahr trinkt niemand die Dinger, weil alle Leute ganz genau wissen, dass das Zeug für die drei Chaoten reserviert ist.
Carlo
Mit einem Klicken springt die große Tür zur unseren Wohnung auf. Am Ende des Flurs erkenne ich, dass im Wohnzimmer Licht brennt. Also sind Kathi und die Kinder wohl zu Hause. Einen kurzen Moment versuche ich zu hören, was die drei machen. Aber es ist komplett still. Ich streife mir die Sneaker von den Füßen und hänge meine Jacke an die Garderobe neben dem Schuhregal. Direkt auf der Fußmatte vor der Tür steht Tonis Schlitten, gleich daneben türmen sich die Schneehosen und Winterstiefel von den Kindern auf, wahrscheinlich war Kathi heute zusammen mit den beiden im Park und ist einen der kleinen Hügel mit ihnen runter gerodelt. Ich bin froh, dass ich dieses Mal nur drei Tage weg war und ich so noch ein bisschen Zeit mit den Terroristen habe, bevor wir Weihnachten zu meiner Familie fahren und das ganze Gruppeprogramm losgeht. Auf der anderen Seite kann ich es aber auch gar nicht mehr abwarten, Tonis Gesicht zu sehen, wenn sie ihren über krassen Mini Cooper auspackt. Ich hab mit der Alten vom KaDeWe abgemacht, dass die den Wagen direkt zu meinen Eltern liefern. Und außerdem freue ich mich noch mega doll, auf Kathis Reaktion, wenn sie ihr Geschenk bekommt. Mit Psaikos Hilfe hab ich sogar noch einen zweiten Knaller für Kathi gefunden. Naja eigentlich ist es ein Knaller für Marla und Kathi. Psaiko und ich haben über Silvester eine Woche Urlaub in Dubai gebucht. In Dubai ist es nämlich auch im Dezember noch richtig schön perfekt warm für Strandurlaub, aber der Flug ist auch nicht zu lang, so dass man das mit Emil und Toni überleben kann. Und für Marla würde das auch schon passen. Ich freue mich schon so sehr auf ein paar Tage einfach nur am Strand mit meiner Familie und unseren besten Freunden. Das wird einfach über entspannt. Genau die richtige Art Silvester zu feiern. Vielleicht erinnere ich mich dann sogar mal an den Jahreswechsel. Bei dem Gedanken an Silvester 2015 bildet sich sofort ein Lächeln auf meinen Lippen. Als ich die Schiebetür zum Wohnzimmer aufschiebe, begrüßen mich weder die Kinder, noch Kathi. Das einzige, was ich vor finde, ist ein riesengroßes Chaos. Der große Teppich liegt zusammen gerollt vor dem Fernseher und die Couch und der Couchtisch wurden zur Seite geschoben. Einsam und verlassen liegt einer von Kathis schwarzen Cardigans auf dem Boden. Ich drehe mich in den großen Raum um und rufe dann laut, „Baby?“ Aber ich bekomme keine Antwort. Wo sind die denn? Ich werfe einen Blick auf meine Uhr. Es ist schon viertel vor sieben. Eigentlich genau Tonis und Emils Schlafenszeit. Normalerweise ist Kathi um diese Zeit immer schon längst mit den Zwergen zu Hause. Ich gehe zurück in den Flur und werfe einen Blick in die Kinderzimmer, aber auch hier ist niemand. „Emil? Toni?“, rufe ich nochmal, aber wieder kommt nichts zurück. Mein Blick wandert zur Garderobe, Kathis Tasche ist nicht da und ihr Autoschlüssel hängt auch nicht am Schlüsselbrett. Irgendetwas stimmt hier nicht. Fahrig ziehe ich mein Handy aus der Vordertasche meiner Tight-Jeans, wenn etwas passiert wäre, hätte Kathi mir ja wohl geschrieben. Aber mir blinken nur ein paar Nachrichten von Markus, Jojo und Kody entgegen. Irgendwie hab ich immer mindestens eine verpasste Nachricht von Kody, der hat auch sonst nichts zu tun. Naja oder er vermisst mich halt einfach immer so doll. Vielleicht ist Kathi auch einfach noch was mit den Kindern essen gegangen oder hat sich verquatscht. Eigentlich würde ich sie gerne anrufen und fragen wo sie ist, aber auf der anderen Seite wäre es auch eine coole Aktion die drei gleich zu überraschen, wenn sie nach Hause kommen. Wobei die letzte Überraschung in die Richtung ist ja jetzt nicht so ganz geil gelaufen. Trotzdem beschließe ich erstmal duschen zu gehen und mich für die Party heute Abend um zu ziehen. Bis vor ein paar Stunden hab ich eigentlich noch gar keinen richtigen Bock auf die Vio Weihnachtsparty gehabt, aber jetzt freue ich mich doch schon drauf. Ich kann mich gar nicht mehr daran erinnern, wann die das letzte Mal alle meine Vio Leute gesehen habe. Die letzten zwei Monate, waren einfach sowas von verrückt. Auf dem Weg in unser Schlafzimmer ziehe ich mir schon mal den Pullover über den Kopf und werfe ihn in einen der Wäschekörbe, die auf dem Flur stehen. Kathi hat wohl wieder ihre Waschpanik bekommen, manchmal versteh ich ihre Gedankengänge einfach nicht. Immer wenn wir weg fahren, denkt sie bevor wir fahren können, muss die ganze Wäsche sauber sein. Ich kapier zwar nicht was das für einen Sinn hat, aber mittlerweile hab ich mich daran gewöhnt und halte einfach die Klappe. Kathi ist einfach komisch. Das Schlafzimmer liegt komplett dunkel vor mir, nur vom Badezimmer fällt ein bisschen Licht ins Zimmer. Zu meiner Überraschung höre ich die Dusche rauschen, wenn Kathi duschen ist, wo sind dann die Kinder? Die sind ja wohl nicht alle drei zusammen duschen. Leise stoße ich die Tür zum Badezimmer komplett auf. Über das Rauschen der Dusche höre ich eine Stimme irgendeine schiefe Melodie summen. Das ist auf keinen Fall Kathis Stimme, so tief ist Kathis Stimme einfach nicht. Noch nicht einmal, wenn sie erkältet ist. Auf dem Boden vor dem Waschtisch liegen karierte Boxershots, die mir nicht gehören. Ich trag nur Ralph Lauren Unterwäsche. Ein bisschen Luxus ist erlaubt. Aber wem zum Teufel gehören dann diese Boxershorts und warum ist dieser jemand in meinem Badezimmer? Was geht hier ab? Kurz überlege ich nochmal Kathis Namen zu rufen, entscheide mich dann aber dagegen. Die Dusche in unserem Badezimmer, ist durch eine Marmorwand vom Rest des Bads getrennt. Als ich jetzt um die kleine Ecke biege, um zu sehen wer da unter meiner Dusche steht. Kommt sofort ein Männerarsch in mein Blickfeld. „Alter!“, entfährt es mir unkontrolliert. Wer ist dieses Arschloch und was hat er mit meiner Frau gemacht. Der Unbekannte scheint mich gehört zu haben, denn im nächsten Moment dreht er sich zu mir um und mir fällt die Kinnlade runter. „Lucca?“, frage ich fassungslos und starre meinem besten Freund ins Gesicht. Was macht er hier? Und wo zur Hölle ist Kathi? Wollen die beiden mich eigentlich verarschen? Was geht hier ab und vor allem wie lange schon? „Was machst du denn schon hier?“, fragt Lucca überrascht und hält sich schützend die Hände vor den Schritt. Ich kann nicht anders, als die Wut in mir aufsteigen zu fühlen. Er ist mein bester Kumpel, sowas hätte ich echt nie von ihm erwarten, von jedem, aber nicht von Lucca. Und vor allem nicht von Kathi. „Das sollte ich dich wohl besser fragen!“, fahre ich ihn wütend an. „Carlo ich…!“, aber weiter kommt Lucca nicht, denn genau in diesem Moment kommt Kathis Stimme aus dem Flur. „Lucca, ich hab den Gin bekommen! Bist du soweit fertig?“, höre ich sie rufen. Das hört sich ja schon sehr vertraut an. Ich fühl mich gerade so verarscht. Lucca gleitet langsam aus der Dusche und zieht einen der weißen Badeschals vom Handtuchwärmer an der Wand. Ich würdige ihn keines Blickes, sondern verschränke einfach nur die Arme vor der Brust. „Lucca? Bist du in der Dusche aus gerutscht?“, höre ich Kathis Stimme belustigt fragen. Haha sehr witzig. Im nächsten Moment klopft sie an die Tür, kommt aber nicht rein. „Lucca?“, fragt sie nochmal. Noch immer sage ich nichts. „Komm rein!“, höre ich Lucca hinter mir sagen und werfe ihm einen kurzen wütenden Seitenblick zu, bevor ich die Badezimmertür wieder mit meinem Blick fixiere. Als Kathi die Tür aufstößt werden ihre Augen augenblicklich größer und ihr Gesicht verzieht sich zu einem Lächeln. „Schatz, was machst du denn schon hier?“, fragt sie mich fröhlich und kommt auf mich zu gerauscht. Irgendwie komme ich mir gerade wie bei einem über beschissenen Deja-Vu vor. Kathi schlingt ihre Arme um meinen Hals und drückt ihre Lippen auf meine, während Lucca nur in einem Handtuch neben uns steht. Was soll der Scheiß? Innerliche koche ich gerade so sehr. Ich will endlich, dass mir jemand erklärt was ihr abgeht. „Und was macht ihr beide hier?“, fragt sie mich grinsend, als ich Kathi ein Stück weiter von mir weg schiebe. „Das könnte ich dich genauso fragen!“, sage ich wütend und schaue Kathi böse an, „Und wo verdammt nochmal sind die Kinder?“ Auf Kathis Stirn bilden sich ein paar Denkfalten und sie schaut mich irritiert an. Aber dann scheint es in ihrem Kopf doch klickt zu machen. „Lucca musste duschen!“, erklärt sie mir und zwinkert Lucca zu. Meine Faust will in sein Gesicht. „Und die Kinder sind doch seit heute schon bei deinen Eltern, weil wir doch die ganzen Veranstaltungen in den nächsten Tagen haben!“; erinnert sie mich. Langsam erinnere ich mich wieder dran. Trotzdem ändert das nichts an der Tatsache, dass mein bester Freund nackt in unserem Badezimmer steht. Nach allem, was wir in den letzten Wochen durch gemacht haben, zieht sie so einen Mist ab und bleibt jetzt auch noch so cool. „Alter Kathi!“, entfährt es mir und ich würde sie am liebsten schütteln. Doch anstatt, sich zu entschuldigen oder wenigstens eine Ausrede zu erfinden, grinst Kathi nur noch breiter und schaut an mir vorbei Lucca an, „Vielleicht sollten wir ihm doch erzählen, was wir hier machen?“ Lucca scheint die ganze Sache nicht so lustig wie Kathi zu finden. Verlegen kratzt er sich am Hinterkopf und schaut mich dann an. „Carls es ist wirklich nicht so wie es aussieht!“, sagt Lucca und versucht wohl mich zu beschwichtigen. Was nicht wirklich gut klappt. „Aha und was dann?“, frage ich aufgebracht. „Also vor ein paar Tagen, hab ich Kathi gefragt, ob sie mir helfen könnte Tanzen zu lernen!“, stottert er vor sich hin. „Hä?“, frage ich ihn und bin komplett verwirrt. Ich höre Kathi genervt aus atmen. „Anna hat Lucca gefragt, ob er mit ihr zu der Hochzeit von ihrer Cousine geht. Und jetzt musste Lucca tanzen lernen.“, erklärt sie mir, als wenn das komplett auf der Hand liegen würde. „Ja, und ich wollte nicht, dass du oder Jojo das wissen, weil ich mir das sonst ewig anhören könnte!“, pflichtet Lucca ihr bei. Ungläubig sehe ich zwischen Kathi und Lucca hin und her, „Euer Ernst?“ Lucca nickt wie wild mit dem Kopf und auch Kathi grinst. „Na, klar was hast du denn gedacht?“, fragt sie mich und verschränkt ihre Finger mit meinen. „Und wieso duscht du dann hier?“, frage ich Lucca misstrauisch. „Weil wir zu lange geprobt haben und wir ja gleich zur Vio Party müssen!“, erklärt Lucca mir. Und auf einmal komm ich mir total bescheuert vor. Wie konnte ich nur einen Moment denken, dass Kathi mich mit meinem besten Freund betrügen würde. Ich weiß einfach nicht was im Moment mit mir los ist. Normalerweise bin ich nie so eifersüchtig gewesen, aber in den letzten Wochen hat das alles eine sehr ungesunde Form angenommen. „Ich hab gedacht, dass ihr…!“, weiter spreche ich nicht, weil mir allein die Vorstellung auf einmal so dumm vor kommt. Jetzt ist Kathi die, die mich aus bösen Augen anfunkelt und mir gegen die Brust schlägt. „Bist du eigentlich komplett durch?“, mault sie mich an. Aber ich gehe gar nicht darauf ein sondern küsse meine Frau einfach nur. Mir egal, dass mein bester Freund halbnackt neben uns steht. Ich bin einfach froh, dass ich meine Frau für mich habe und sich dieses dumme Missverständnis geklärt habe. „Du hast Recht!“, sage ich grinsend, „Von mir zu Lucca wäre auch ein sehr großer Qualitätsverlust gewesen!“ Jetzt fange ich mir von Lucca einen Boxer ein. Ab jetzt kann er Abend nur noch besser werden.
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34. Nachmittag unter Freuden
Carlo
„Alter, was müssen wir hier nochmal?“, fragt Psaiko außer Atem und läuft zwei Meter hinter mir durchs KaDeWe. Wir sind für zwei Tage in Berlin für Interviews und die Aufnahmen für ein Feature. Überall um uns herum eilen Leute durch die Gänge und besorgen noch ihre letzten Einkäufe. Es ist fünf Tage vor Weihnachten und genauso wie ich, scheinen die meisten noch nicht ihre Weihnachtskäufe erledigt zu haben. Zwar habe ich schon das erste Geschenk für Kathi und sie kümmert sich um die Geschenke für die Familie, aber mir fehlt noch was für die Kinder. Jedes Jahr bekommen die Kinder auch ein Papa Geschenk, naja wobei für Emil wird es das aller erste Weihnachten. Auch wenn ich nicht viel von der Kirche halte, freue ich mich mega doll auf Weihnachten. Sau gutes Essen im Übermaß, ein paar Tage frei und ganz viel Zeit mit der Familie. Ich biege um eine Ecke und finde endlich das was ich gesucht habe. Markus und ich stehen vor einer riesengroßen Wand mit Hello Kitty Zeug. Schnell scannen meine Augen die Regale, denn ich suche etwas ganz bestimmtem. Psaiko lehnt sich gegen eins der Regale und ringt nach Luft. Komplett fertig macht er den Reisverschluss seiner Jacke auf und zieht das Beanie von seinem Kopf. Ich werfe ihm nur einen kurzen Seitenblick zu, seit Marla schwanger ist hat er mit dem Sport aufgehört und zieht sich lieber mit ihr zusammen Mecces rein. „Vielleicht solltest du beim nächsten Mecces Besuch nur nen Wrap essen!“, schlage ich ihm vor und ziehe eine der rosa Hello Kitty Handtasche aus dem Regal. Tonis beste Freundin hat eine Hello Kitty Kindergartentasche und jetzt will sie auch eine. Zwar verstehe ich nicht, warum sie ihren Mini Supreme Rucksack nicht mehr cool findet, aber wenn sie die Tasche so sehr haben will, bekommt sie die halt zu Weihnachten. „Sehr witzig!“, gibt Psaiko genervt zurück und beäugt einen pinken Hello Kitty Wecker. Ich greife nach einer anderen Tasche und halte sie neben die andere. Irgendwie sehen beide voll scheiße aus. Viel zu rosa, viel zu viel Glitzer und süße Katzen. Aber sagt man nicht immer, bei Frauen ist mehr mehr. Ich drehe mich zu Psaiko um und halte die beiden Taschen hoch, „Welche findest du besser?“ Psaiko macht große Augen und schaut mich ein wenig säuerlich an. „Dein Ernst? Ich bin einen halben Marathon durch dieses verkackte Kaufhaus gelaufen, damit du dir über gaye Katzentaschen an gucken kannst?“ Ich lasse die Taschen sinken und verdrehe die Augen. „Das ist Hello Kitty, Alter?“, erkläre ich ihm genervt. „Woher soll ich das wissen?“, fragt Markus und gestikuliert wild mit seinen Armen herum, „Wofür brauchst du die Dinger überhaupt?“ Jetzt gucke ich ihn genervt an und lehne mich gegen eins der Regale, dabei fällt mir eine überdimensionale Plüsch Hello Kitty auf dem Kopf. Na toll. „Für Toni! Zu Weihnachten!“, erkläre ich ihm, als wenn das nicht mega offensichtlich gewesen ist. Für wen soll ich so Zeug denn sonst kaufen? Jojo vielleicht? Psaikos Gesichtszüge entspannen sich ein wenig und es bildet sich ein kleines Lächeln auf seinem Gesicht. Wie immer, wenn die Sprache auf meine kleine Tochter fällt. Sie hat ihn einfach so was von eiskalt um ihren kleinen Finger gewickelt. Wenn Toni sagt „Kus spring!“ Fragt Psaiko nur, „Wie hoch!“ Während ich die Plüsch Hello Kitty wieder versuche ins Regale zu stopfen, zieht Psaiko eine andere Tasche aus dem Regal. „Also ich find die ja süß!“, sagt er und hält mir eine rosa Tasche mit lauter kleinen Hello Kittys unter die Nase, die Kleider der Katzen sind aus Glitzer und sogar der Reisverschluss ist aus Glitzer. Wäre die Tasche nicht für Toni, wären mir bestimmt in diesem Moment die Eier abgefallen, weil die Tasche so unmännlich ist. Was man nicht alles für seine Kinder auf sich nimmt. „Findest du?“, frage ich Psaiko und scanne ich Tasche nochmal. Irgendwie hat er Recht und ihre Brot-Dose und Trinkflasche passen auch auf jeden Fall da rein. „Ich find die hat was!“, sagt Psaiko und scheint ziemlich zufrieden mich sich selbst zu sein. Ich nicke und nehme neben ihm noch ein Hello Kitty Frühstücksset aus Dose und Flasche aus dem Regal. „Okay, lass uns das nehmen und verschwinden. Bevor uns noch die Eier abfallen!“, sage ich zu Psaiko und bewege mich weiter in Richtung Jungen Spielzeug. Nach einem Moment schließt Psaiko zu mir auf, als ich mich zu ihm umdrehe hat er einen über hässlichen Hello Kitty Wecker in der Hand. „Wofür ist der denn?“, frage ich mit hochgezogenen Augenbrauen. Psaiko drückt den Wecker ein bisschen enger an seine Brust, als wenn er ihn vor mir beschützen wollte. „Für Marla! Sie steht total auf so ein Zeug!“, erklärt er mir und grinst dämlich. Vielleicht ist es besser, wenn ich dazu jetzt einfach gar nichts sage. Stattdessen biege ich in den Gang mit Brioeisbahn-Zeug ein und gucke mir das Angebot an. Markus greift nach einem großen Packet, in dem ein Bahnhof ist. „Meinst du Emil freut sich darüber?“, fragt er mich und hält mir das Packet unter die Nase. Ich zucke nur mit den Schultern, nicke dann aber doch. „Natürlich freut er sich darüber. Für Emil ist es eh das Coolste das Zeug aus zu packen, wenn es dann auch noch Geräusche macht ist es der absolute Hit!“, erkläre ich ihm und entscheiden mich dann für eine Lokomotive, die laut Verpackung sogar dampft. Markus scheint mit sich selbst ganz schön zufrieden zu sein und klemmt sich den Karton unter den Arm. Kathi und ich haben auch aber wirklich den perfekten Patenonkel für unseren Terroristen ausgesucht. „Hast du eigentlich schon Weihnachtsgeschenke für Kathi?“, fragt Markus und schaut mich aufmerksam an. Ich lehne mich gegen eins der Regale und nicke. „Jap, ich hab schon ein großes Geschenk und ein paar Kleinigkeiten, aber irgendwie hätte ich gerne noch so einen zweiten Knaller!“, gebe ich zu und überlege im gleichen Moment schon, was ich Kathi noch schenken könnte. Sie bekommt wie jedes Jahr einen Bilderrahmen von mir, ihr Lieblingsparfüm, irgendein komisches Buch, das sie unbedingt haben wollte und Konzertkarten für Helene Fischer. Zu dem Konzert geht sie zusammen mit meiner Ma und meinen Schwestern. Ich hab mich extra mit meinem Dad und meinen Schwagern abgesprochen, dass wir ihnen allen zusammen die Karten schenken. Die ganze Aktion ist sogar meine Idee gewesen, aber jetzt nicht unbedingt, weil ich total gerne allen das Gleiche schenken wollte. Eher weil ich versucht habe irgendeinen Weg zu finden, damit ich bloß darum herum komme mit Kathi zu diesem blöden Konzert zu gehen. „Ja, ich hab auch noch nicht alle Geschenke für Marla! Was ist denn dein erster Hammer für Kathi?“, fragt Markus neugierig. Aber anstatt ihm zu antworten grinse ich nur und schüttele den Kopf. Ich werde Markus ganz bestimmt nicht sagen, was ich Kathi zu Weihnachten schenke, denn dann wissen es bis Heilig Abend alle. Auch Kathi und das will ich nun wirklich nicht. Es soll eine absolute Überraschung werden, damit Kathi an Weihnachten auch komplett aus tickt. Naja kurz nachdem sie mir gesagt hat, dass ich komplett bescheuert bin und nicht so viel Geld hätte ausgeben sollen. Bei dem Gedanken an ihr überraschtes Gesicht, wird mein Grinsen noch größer. „Boah Carlo! Wieso denn nicht?“, fragt Markus jammernd. Aber ich bleibe hart und schüttele meinen Kopf. „Weil du deine Klappe nicht halten kannst und dann erzählst du es Marla und dann weiß Kathi es auch schon vorher!“, erkläre ich ihm und verschränke die Arme vor meiner Brust. „Was schenkst du Marla eigentlich?“, wechsele ich das Thema. Auf Psaikos Gesicht bildet sich auf einmal ein gequälter Gesichtsausdruck und er kratzt sich am Kopf. „Ich weiß nicht!“, sagt er kleinlaut und schaut auf den Boden. Ich kann nicht glauben was ich da höre, eigentlich ist Psaiko immer voll der Streber, wenn es um Weihnachtsgeschenke geht und hat alle schon am ersten November gekauft. Ganz im Gegensatz zu mir. „Wie du weiß das nicht?“, frage ich ihn ein wenig fassungslos. Psaiko stößt hörbar die Luft aus und lehnt sich gegen eins der gegenüberliegende Regale. „Ich weiß nicht Alter, eigentlich hatte ich schon alles voll geplant und war komplett durch und jetzt weiß ich nicht mehr, ob das auch wirklich alles so ne gute Idee ist!“ Keinen Plan was Psaiko da gerade quatscht, für mich spricht er in völligen Rätseln. „Hä?“, frage ich, „Was wolltest du ihr denn schenken?“ Auf Markus Gesicht bildet sich ein leichtes Lächeln und seine Augen fangen so komisch verträumt an zu leuchten. Genauso sehen Kathis Augen auch aus, wenn sie irgendwo ein Baby sieht und ich sie immer ganz schnell weg ziehe, bevor sie noch auf falsche Gedanken kommt. „Ich wollt sie fragen ob sie mich heiraten will!“, flüstert er und schaut auf den Boden. Wieso flüstert er denn jetzt auf einmal? Ich grinse ihn an und stoßen ihm mit der Faust gegen die Schulter, „Ist doch mega gut, herzlichen Glückwunsch, Brudi!“ Markus schiebt meine Hand von seiner Schulter runter und schaut mich dann mit einem komischen Gesichtsausdruck an. „Gar nichts ist gut!“, meckert er mich an. Was ist denn mit ihm los? „Hä wieso denn nicht?“, will ich wissen und verstehe ihn mal wieder überhaupt nicht, manchmal ist er schlimmer als jedes Weib, „Ihr bekommt ein Baby und jetzt heiratet ihr auch noch, ist doch über schön!“ Markus vergräbt seine Hände in den Taschen seiner Jeans und stöhnt wie ein alter Mann, „Das ist doch gerade das Problem!“ Wieder mal kapiere ich null was er meint. „Hä wieso? Was gibt es denn da für ein Problem?“, frage ich ihn ratlos. Markus fährt sich mit den Fingern durch die Frisur, die den ganzen Tag eigentlich schon scheiße aussieht. „Weil Marla jetzt bestimmt denkt, ich will sie nur heiraten, weil sie schwanger ist!“, erklärt Markus mir und endlich fällt auch bei mir der Groschen. „Hättest du sie denn auch geheiratet, wenn sie nicht schwanger wäre?“, frage ich ihn ganz ernst. Sofort nickt Markus, „Natürlich. Alter, Carlo ich liebe sie so sehr, dass ist nicht mehr gesund. Sie ist für mich alles. Und seitdem sie auch noch von mir schwanger ist. Oh Mann. Ich kann das gar nicht richtig erklären. Das ist einfach so ein krasses Gefühl!“, versucht er zu erklären und gestikuliert wild mit den Händen umher. Aber eigentlich muss er gar nichts erklären, denn ich weiß genau wie er sich fühlt. Es gibt einfach nichts Besseres, als mit der Liebe seines Lebens ein Kind zu bekommen. Als Kathi mit Toni schwanger war, hatte ich dieses Gefühl lange nicht, weil der Schock und die Panik über die Schwangerschaft so groß waren. Aber bei Emil! Zu sehen, wie ihr Bauch immer größer wurde, weil mein Sohn darin heran wuchs. Das war einfach so ein unbeschreibliches Gefühl. Allein bei dem Gedanken daran wird mir schon wieder ganz warm. Dieses Gefühl hatte noch nicht einmal etwas mit Lust zu tun, sondern es war einfach nur pure Liebe. Und dieses Gefühl, dass diese Liebe allem trotzen kann. „Du musst mir gar nichts erklären, ich weiß genau was du meinst!“, grinse ich ihn an, „Aber wenn du sie auch ohne das Baby geheiratet hättest, gibt es doch gar kein Problem!“ Markus seufzt und setzt an etwas zu sagen, aber gerade in dem Moment kommt eine junge Frau in den Gang und beäugt die Briosachen. Vielleicht ist ein Kaufhaus nicht wirklich der richtige Ort um Psaikos und Marlas weitere Zukunft zu besprechen. „Lass uns kurz das Zeug bezahlen und dann gehen wir irgendwo einen Trinken!“, schlage ich ihm vor und klopfe ihm aufmunternd auf die Schulter. Kurz vor der Kasse bleibe ich stehe und ziehe Psaiko am Ärmel. „Alter Psaiko guck mal!“, sage ich total begeistert und deute auf einen rosafarbenen Mini Cooper als Kinderspielzeug. Auf Psaikos Gesicht bildet sich ein breites Grinsen, „Toni würde ausrasten!“ Zustimmend nicke ich und zücke mein Handy um Kathi sofort ein Bild davon zu schicken. ‚Was hältst du davon?‘ tippe ich in das Textfeld und schicke die Nachricht ab. Als Kathi sich nicht sofort meldet, sehe ich mich trotzdem nach einer Verkäuferin um. Auch wenn Kathi das als Geschenk vielleicht übertrieben findet, muss Toni das Teil einfach bekommen. „Siehst du irgendwo einen komischen Verkaufsheini?“, frage ich Psaiko und jetzt drehen wir uns beide suchend um. Endlich kommt mal jemand auf uns zu. „Kann man Ihnen helfen?“, spricht uns eine junge Frau an und schenkt uns ein strahlendes Lächeln. „Ja, was kostet das Ding hier?“, frage ich sie und deute auf den rosa Mini Cooper. Die Verkäuferin beugt sich über den Wagen und Psaiko und ich können es uns beide nicht verkneifen ihr auf den Arm zu gucken. Appetit kann man sich ruhig wo anders holen, aber gegessen wird zu Hause. Wir sind nun mal auch nur Männer. „Achthundertneunzig Euro!“, sagt sie mit einem Lächeln auf den Lippen und schenkt mir einen verführerischen Augenaufschlag. „Soll das für ihre kleine Schwester sein?“, fragt sie mich und scannt mich einmal von oben bis unten. Bei dem Preis klappt Psaiko die Kinnlade runter, aber ich bleibe ganz cool. Seitdem wir für Emils Kinderwagen fast zwei Tausend Mücken auf den Tisch gelegt haben, wundert mich gar nichts mehr. Kinder sind einfach verdammt teuer. „Ne meine Tochter!“, gebe ich trocken zurück. Sofort verändert sich der Gesichtsausdruck der Ollen und sie schaut mich nicht mehr so ganz verführerisch an. „Oh!“, sagt sie überrascht und braucht einen kurzen Moment um ihre Verwunderung zu verstecken. „Schicken sie deutschlandweit?“, frage ich sie dann, wo drauf ich nur ein Nicken bekomme. „Okay dann nehmen wir den einmal! Und das auch noch!“, sage ich zu ihr und drücke ihr Emils Briozeug und Tonis Hello Kitty Mist in die Hände. Zwei Stunden später sitzen Psaiko und ich zusammen im Felix und ziehen uns ein paar Cubas und ein Steak rein. Immer wieder werfe ich einen Blick auf mein Handy, denn Kathi hat sich noch immer nicht bei mir gemeldet und das ist eigentlich überhaupt nicht ihre Art. Wieder sind Markus und ich bei dem Thema Heiratsantrag-Mission für Marla gelandet. Mittlerweile konnte ich ihn sogar schon dazu überreden, sie doch zu fragen. Einen Ring hat er auch schon, den Verlobungsring seiner Großmutter. Irgendwie find ich die Idee cool, sowas aus der Familie weiter zugeben und so. Vielleicht bekommt Emils Frau ja auch irgendwann mal Kathis Verlobungsring. Toni bekommt den auf keinen Fall, mein kleines Mädchen wird für immer bei mir bleiben und wenn es sein muss sperre ich sie bis sie dreißig ist zu Hause ein. Kein komischer möchte gern Babo wird an meine kleine Prinzessin die Finger bekommen. „Ach ich weiß einfach nicht was ich ihr sagen soll, ich will ihr so viel sagen. Aber ich will auch nicht das es mega kitschig rüber kommt!“, jammert Psaiko rum und nimmt noch einen großen Schluck aus seinem Glas. „Wie hast du das denn damals gemacht?“, fragt er mich hilfesuchend und ich verdrehe nur meine Augen. Natürlich weiß Psaiko wie ich Kathi einen Heiratsantrag gemacht hat. Das weiß jeder. Immerhin gehört es zu einer von Kathis und meinen Lieblingsgeschichten. „Das weißt du doch ganz genau!“, sage ich also und grinse ihn an. Psaiko lässt die Schultern sinken. „Ja, aber ich will, dass es romantisch ist. Sie soll sich für immer dran erinnern. Frauen bedeutet sowas doch total viel oder?“ Ich lasse mein Besteck auf meinen leeren Teller fallen und sehe Psaiko genervt an. „Alter, manchmal bist du einfach sowas von über gay. Knie dich einfach vor ihr hin. Zieh den Ring aus deiner Tasche und frag sie!“ „Meinst du? So soll ich das machen?“, fragt er mich und ich nicke einfach nur. Denn ich weiß ehrlich gesagt nicht mehr was ich dazu noch sagen soll. Erst wollte Psaiko ein Flugzeug mieten und ‚Marla willst du mich heiraten‘ an den Himmel schreiben lassen, bis ich ihm mal erklärt habe, dass es Heiligabend dunkel ist und man den Schriftzug ja dann gar nicht sieht. Danach hatte er die glorreiche Idee, den Ring in ihr Sektglas zu legen, aber da Marla schwanger ist und nichts trinkt fällt die Idee auch weg. Und den Ring in den Nachtisch mit ein zu backen, war Psaiko auch ein bisschen zu riskant. Nachher bekam seine Oma Hilde den Nachtisch ab. „Mach es einfach klassisch und einfach und sag ihr wie sehr du sie liebst. Ich glaub mehr wollen Frauen eigentlich gar nicht!“, versuche ich das Thema zu beenden. Mittlerweile fühle ich mich schon fast wie Froonck der Weddingplaner. Aber was man nicht alles für seine Freunde macht. Immerhin ist Psaiko auch immer für mich da. Wieder werfe ich einen Blick auf mein Handy, aber mehr als ein paar Nachrichten von der Gang und einem verpassten Anruf von Kody zeigt mein Screensaver nicht an. Irgendwie mach ich mir langsam, aber sicher Sorgen um Kathi. Ich entriegele mein Telefon und tippe mich in die Ortungsapp. Irgendwann haben Kathi und ich mal unsere Handys gegenseitig freigeschaltet, damit wir sehen können wo der andere ist. Nicht weil wir uns nicht vertrauen, sondern eher damit wir im Notfall wissen wo der andere steckt. Nachdem ich vor zwei Jahren nach einer Partynacht Kathi komplett betrunken angerufen habe und sie nicht wusste wo sie mich abholen soll, weil ich zu hacke war, um es ihr zu erklären, haben wir die Ortungsdienste eingeschaltet. Mein Handy zeigt mir, dass Kathi zurzeit bei Hunkemöller in Stuttgart ist. Auf meinem Gesicht bildet sich ein Grinsen und ich freue mich noch ein bisschen mehr auf zu Hause. Trotzdem beschließe ich Kathi anzurufen. Immerhin kann sie ja wohl ans Telefon gehe, auch wenn sie gerade Reizwäsche für mich kauft. Naja eigentlich mehr für sich und für mich zum Angucken und Ausziehen. Nach ein paar Mal Klingeln, wird der Anruf endlich entgegen genommen. „Hey Carls!“, meldet sich eine fröhliche Stimme am anderen Ende der Leitung. Ich ziehe überrascht die Augen brauen hoch, das ist auf keinen Fall Kathi. Ich brauche einen kurzen Moment, bis ich die Stimme von meinem besten Kumpel Lucca erkenne. Wieso ist Lucca zusammen mit meiner Frau in einem Dessousladen. „Wo ist Kathi? Und wieso gehst du an ihr Handy?“, frage ich ihn, ohne ihn überhaupt zu begrüßen. Ich höre Lucca am anderen Ende der Leitung lachen. „Mir geht es auch gut, aber danke. Kathi ist gerade in der Umkleidekabine und ich halte ihre Zeug fest!“, informiert er mich. „Wo seid ihr denn?“, frage ich ihn, Lucca muss ja nicht wissen, dass ich meine Frau vielleicht ein bisschen stalke. „Hunkemöller!“, sagt Lucca ohne Umschweife, „Warte mal kurz Carls. Ich geb‘ dir Kathi!“ Ich höre ein kurzes Rascheln und Luccas Stimme sagen, „Kathi, kann ich rein kommen? Carlo ist am Telefon!“ Dann ist Kathis Kichern zu hören. „Warte ich zieh mir kurz was über!“ Wieder kratzt es in der Leitung und dann höre ich Kathis Stimme. „Hey Schatz!“, begrüßt sie mich fröhlich. Und ohne, dass ich es will, bildet sich ein Lächeln auf meinen Gesicht. „Hey!“, gebe ich ein bisschen tonlos zurück, „Was machst du?“ „Lucca und ich sind zusammen shoppen. Wir haben noch die letzten Geschenke für die Kinder besorgt und ich hab das perfekte Geschenk für Ben gefunden!“, erzählt sie mir ganz euphorisch und ich kann sie genau vor mir sehen, wie ihre Augen begeistert strahlen. „Nur Lucca und du? Wo sind denn die Kinder?“, frage ich ein wenig misstrauisch. „Die sind doch heute mit Marla unterwegs!“, erinnert Kathi mich, „Ich kann ja schlecht mit den beiden zusammen ihre Weihnachtsgeschenke kaufen. Und Lucca ist ganz spontan mit gekommen!“ „Und dann seid ihr noch ganz spontan zu Hunkemöller Unterwäsche kaufen gegangen?“, frage ich sie ein wenig säuerliche und spüre Markus überraschten Blick neben mir, der die ganze Zeit unserem Telefonat gelauscht hat. Ich kann einfach nicht anders, manchmal bin ich einfach total eifersüchtig und auch ohne Grund und auch wenn es komplett bescheuert ist. Zu meiner kompletten Überraschung fängt Kathi am anderen Ende der Leitung an zu lachen, „Nein, mein Schatz das war doch geplant.“
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