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Kackschlacht & Lambs in Japan
Zwei Enthaltungen und eine Nein-Stimme
Anfang 2016 erhielten wir eine fadenscheinige Einladung: Wir sollten in Tokio beim No Limit Festival spielen. Anfangs hielten wir das Ganze für großen Quatsch und lehnten dankend ab. Doch unser Reiseleiter in spe, Lukas, insistierte weiter und stellte uns sogar eine kleine Tour für uns und seine Band Lambs in Aussicht. Zwar sollten wir nicht vom Worst Case ausgehen, doch die Fakten waren hart: Pay-To-Play – Konzerte, keine Freigetränke, kein Essen, keine Schlafplätze. O-Ton Lukas: „Das wird auf jeden Fall 'ne Draufzahlgeschichte!“ Plötzlich hatte er den richtigen Knopf bei uns gedrückt...In den kommenden Wochen und Monaten versuchte die 7-köpfige Reisegruppe Arbeit, Universität u.ä. unter einen Hut zu bringen. Ende August ging es dann von Hannover über Amsterdam nach Osaka. Dort logen wir bei der Einreise, gaben uns als Touristen aus und schmuggelten erfolgreich Band T-Shirts ins Land. Ein Inlandsflug und eine Busfahrt später standen wir dann plötzlich am Bahnhof von Shinjuku, einem der verkehrsreichsten Bahnhöfe der Welt. Die Luft war zum Schneiden, die Lichter und der Lärm des Stadtteils mehr als gewöhnungsbedürftig. Und keiner da, der uns abholt. Nach kurzem Suchen und Fluchen und Warten hatte uns unser Reiseleiter gefunden und wir lieferten unser Gepäck beim Schlafplatz ab. Der Info-/Buchladen Irregular Rhythm Asylum sollte für einen Großteil der kommenden 3 Wochen als Hauptquartier dienen. Anschließend gab es Abendbrot in einer der vielen Nudelbutzen und wir lernten Matsumoto kennen, Mitveranstalter des Festivals und Bier-Connaisseur. Nachdem wir Jonte und Simon vom Bahnhof abgeholt hatten, führte uns „Matze“ in die Piss Alley. Dort gibt es dicht an dicht Kneipen mit je 3- 6 Sitzplätzen. Der Name der Gasse ist mittlerweile allerdings nicht mehr Programm...
Today's view from the Metropolitan Government Building
Wir hatten noch eine gute Woche Zeit bis zum Tourbeginn und nutzen diese um z.B einen Kneipenabend im Infoladen zu veranstalten. Bei Bratkartoffeln und handverlesenen Punkperlen lernten wir Lukas' Tokio-Gang kennen. Ein lustiger Haufen, der uns unseren ganzen Aufenthalt über begleiten sollte. Ferner genossen wir den Ausblick vom Metropolitan Government Building und besuchten ein öffentliches Bad (Sento), wenn uns Jet Lag und Reiseverstopfung nicht gerade außer Gefecht gesetzt hatten. Irgendwann tauchten dann auch die fehlenden 2/5 Lambs Roland und Susanne auf. Nun wurde letzter Bandkram erledigt: Lambs bedruckten CD-Cover und probten, Kackschlacht kopierten im 7-11 die Cover der schäbigen Tour-CD und verpackten sie taifunfest.
Aufstehen, Abfahrt
Lukas war bei seinen bisherigenen Japanaufenthalten und der Tour mit seiner Band Saca La Fiesta die Lust aufs Autofahren vergangen, so daß wir dank des Japan Rail Pass zum ersten Mal mit dem Zug auf Tour gehen sollten. Da in jedem Club eine Backline auf uns wartete (einer der wenige Vorteile des Pay To Play Prinzips...), konnten wir die Reise mit kleinem Gepäck bei bis zu 320 km/h genießen. 04.09. 2016: Nach knapp 90 Minuten Fahrt sind wir im 350 km entfernten Nagayo angekommen. Das Konzert im Huck Finn mit ca. 11 Bands beginnt pünktlich um 13.00. Das Ganze ist ein Soli für körperlich und geistig behinderte Menschen aus der Präfektur Kumamoto, wo es einige Monate zuvor ein starkes Erdbeben gab. Von Crust über Emo-Punk bis zu einem Singer/Songwriter namens Fucker, dessen Poster in scheinbar jedem Konzertschuppen Japans zu finden sind, ist alles dabei! Zeitgleich zu unserem Auftritt hätte man in Deutschland Lindenstraße schauen können. Von den 5 mitgebrachten Drumsticks gehen 2 beim Line-Check kaputt. Ganz klar falsche Technik. Wir nächtigen im Punk Tribe Reservoir, einem Laden für UK Punk und Clockwork Orange Accessoires, können uns den Kauf von Sex Pistols Kaffeetassen aber gerade noch verkneifen...
05.09. 2016: Wir gönnen uns einen Off Day auf Miyajima, bekannt für seinen Shinto-Schrein und die zahmen Rehe, die auf der Nahrungssuche gerne Touristen verfolgen. Abends in unserer Hostel Simple Stay (Name = Programm) angekommen, macht ein Teil der Reisegruppe Bekanntschaft mit einem Getränk namens Strong Zero. Einer absurden Mischung Schnaps, Sekt und Aspirin Komplex – wir kommen bis zum Ende unserer Reise nicht auf die genaue Zusammensetzung, da wir uns als einzige dem Genuß des Gesöffs hingeben, gehen wir bald davon aus in eine Touristenfalle gestolpert zu sein...
06.09. 2016: Mit dem Shinkansen geht es nach Fukuoka auf Kyushu, die südlichste der japanischen Hauptinseln. Studio Cube ist ein Proberaumkomplex, der für kleinere Shows angemietet werden kann. Ohne Bühne wirkt alles gleich etwas familiärer für uns und die knapp 25 Gäste. Auch die sonst minutiös getakteten Auftrittszeiten der Bands sitzen heute etwas lockerer... Als Lokalband sind Narcolepsy dabei: Now Wave und Noise mit live-eingespielten Saxophon-Loops über minimalistischem Schlagzeug und Synthie-Klängen. Im Anschluß geht es mit den Locals und Veranstalter Takahashi-San in die nächste Udon-Bude und danach Bier trinken am Fluß. Punk.
07.09. 2016: Weiter geht es tagsdarauf in Okayama. Der Konzertschuppen Pepperland ist sowas wie das CBGB's von – äh – Okayama. FCFS („First Come First Serve“) ist eine Old School Hardcore Kapelle mit Tough Guy-Einschlag in Form eines milchgesichtigen Bassisten (a.k.a. Englischlehrer aus Neuseeland), der beim 2. Lied wild gestikulierend ins eher reservierte Publikum springt. Wir kühlen uns daraufhin im gegenüberliegenden Conbini ab und köpfen ein paar Dosen Strong Zero... Nach einem halbwegs musikalischen 13 Minuten-Set unserseits geht es nach Ende des Konzerts weiter in eine traditionelle japanische Kneipe (Izakaya). Hier werden die hart am Merch verdienten Yen für diverese Snacks und Bier ausgegeben und die obligatorischen Crew-Fotos mit den Veranstalter*innen und Mitgliedern der übrigen Bands geschossen.
08.09. 2016: Takamatsu liegt im Norden der Insel Shikoku, so daß wir mit dem Zug die 13 km lange Seto-Hängebrücke überqueren müssen, um von der Hauptinsel Honshu zum Konzert zu gelangen. Über uns die mautpflichtige Autobahn, unter uns das Meer. Too Nice ist Plattenladen und Location zugleich, Bärtchen hat Probleme mit der Stimme. Der Rest der Band spielt heute mit Jacke, da im Konzertraum 10 Grad weniger sind als draußen. Nach uns ballern Akka alles weg und sorgen für offene Münder. Wenig später sitzen wir mit dem Crust-Quartett in einer Reggae-Bar: Hier werden die hart am Merch verdienten Yen für diverese Snacks und Bier ausgegeben und die obligatorischen Crew-Fotos mit den Veranstalter*innen und Mitglieder der übrigen Bands geschossen. Touring is never boring.
09.09. 2016: Nach unserem Off Day sind wir heute zum 2. Mal in Hiroshima. Jugemu ist eine kleine Bar im Amüsier-/Rotlichtviertel. Inhaberin Lucy ist irgendwas zwischen 60 und 80 Jahre alt, ihr Laden und sie sind auf Route 66 und Südstaaten-Flair getrimmt. Zur Geschmacksoptimierung wird das Dosenbier im Jugemu heute in Plastikbecher umgefüllt. Die beiden Lokalbands sind durchschnittlich 10 Jahre jünger als wir und verwursten alles von Rock'N'Roll über Garage bis zu Indie Rock. Die Kids im Publikum gehen steil, auch als Lambs danach spielen. Desweiteren ist heute des Reiseleiters zukünftige Verwandschaft im Publikum. Die Euphorie der Gäste bleibt uns erhalten, die Stimme hält, Simon singt „Dtschlnd“, irgendwo taucht ein Stagediver auf. Tausendsassa Simon trägt anschließend noch ein paar Beatles-Song am Klavier vor, danach gehen wir Okonomiyaki essen, herzhafte Pfannkuchen, die direkt vor unseren Nasen zubereitet werden. Während der Taxifahrt zum Pennplatz versuchen wir dem Fahrer zu veranschaulichen, daß die Politik von Premierminister Shinzo Abe ein Haufen Scheißdreck ist. Keine Reaktion.
10.9. 2016: Shizuoka an der Südostküste Honshus ist unsere letzte Station bevor es zurück nach Tokio geht. Sogen ist ein kleines ranziges Kellerloch in dem wir uns sofort wie zu Hause fühlen. Nach tanzbarem Elektro Punk spielt eine Bollo HC Band, so daß wir nach draußen flüchten, um nicht vom umherfliegenden Testosterone getroffen zu werden... Weiter geht es mit Malimpliki, von denen Lukas schon Monate im Voraus geschwärmt hatte. Wie viel Crustbands kennt ihr, die auf Esperanto singen?! Die 3 freundlichen Damen liefern 20 Minuten allerfeinsten Krach ab, später am Abend buchen sie sich eine Karaokekabine, um darin zu übernachten. Kackschlacht und Lambs danach wie immer. Als Headliner spielen Half Kill, die Band von den Veranstaltern Yurie und Kent: guter Post Punk mit Wechselgesang und Keyboard. Leider kann ihr Demo nicht gegen den Live-Auftritt anstinken. Daß Gastgeberin Yurie mehrfach am Abend die 1981-Discographie durchlaufen läßt, sollte an dieser Stelle als Referenz reichen!
11.09. 2016: Mit der Bummelbahn geht es zurück nach Tokio. Heute beginnt das No Limit Festival mit einem großen Konzert im Club Mission's in Koenji. Lambs haben heute frei, musikalisch wird heute wieder alles geboten egal ob Marching Band, dem südkoreanischen Pendant zu Alexander Marcus oder taiwanesischer Folk Punk. Koenji ist quasi der Punkbezirk Tokios. Hier fällt er_sie nicht aus dem Rahmen, wenn er_sie draußen vor dem Club auf dem Boden sitzt und Bier trinkt. Desöfteren fahren zwar Bullen auf Klapprädern vor und wollen für Ruhe sorgen, aber daß interessiert eigentlich keinen der Anwesenden. Wir verpassen die letzte Bahn und müssen die Zeit von 1:00 bis 4:00 morgens mit feiern überbrücken. Paßt! Fotobeweisen zu Folge wird bandintern noch eng getanzt.
12.09. - 17.09. 2016: Uns allen bleibt noch eine gute Woche Aufenthalt in Japan. Je nach Interessenslage beschäftigen wir uns mit Sight-Seeing, wandern, tätowieren lassen etc pp. Das Festival ist in vollem Gang und bietet ein breitgefächertes Programm. Da der Großteil der Besucher*innen aus Südkorea, Taiwan und Hong Kong angereist ist, sind wir bei den meisten Vorträgen allerdings ziemlich aufgeschmissen, da englische Übersetzungen Mangelware sind. Gegen Ende der Woche erhöhen wir aber nochmal die Schlagzahl...
15.09. 2016: Zu fortgeschrittenner Stunde mieten wir uns eine Karaoke-Kabine und „singen“ bis in die frühen Morgenstunden. Die Softdrink-Flatrate nutzen wir, um den von Jonte rein geschmuggelten Schapps zu strecken. Bärtchen und Roland lassen ihre Metal-Jugend Revue passieren. Hits. Hits. Hits. Und jede Menge Schnulzen.
16.09. 2016: Heute Abend sind wir Gastgeber der Nantoka-Bar in Koenji. Es gibt Pommes und Pfannkuchen, „Deutsch“-Punk und Gin-Tonic. Da uns irgendwie der Schlüssel zum Pennplatz abhanden gekommen ist, richten wir uns in der verrauchten Bar auf Holzbänken zur Nacht ein nachdem wir die letzten Gäste rausgekehrt haben.
17.09. 2016: Gegen 14:00 startet die Abschlußdemo des Festivals am Bahnhof Shinjuku. Polizisten sorgen dafür, daß der Demonstrationszug nur 1 Spur der teilweise 6-spurigen Straße einnimmt. Lambs und Kackschlacht spielen auf dem Wagen an der Spitze der Demo, auf unserem Fernsehsender You Tube gibt es ein kurzes Video davon. Abends haben dann auch Lambs ihren offiziellen Tourabschluß im Antiknock. Nach einem letzten gemeinsamen Abendbrot gehen fast alle zeitig ins Bett...
18.09. 2016: Als wir mittags aufwachen, sitzen Lambs bereits im Flugzeug. Wir schleppen uns noch über einen Straßenflohmarkt in Koenji und verabschieden uns von Lukas' Tokio-Gang, die uns in den letzten 3 Wochen ans Herz gewachsen ist! Auf der Fahrt zum Flughafen beschließen wir einstimmig keinen Bericht über diese Tour zu verfassen.
Erschienen im Human Parasit #15 (Frühjahr 2017)
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Hallo Fans, in den vergangen Tagen haben wir nicht die Stimme und den Verstand verloren. Wir haben unsere Tour beendet beim Eröffnungskonzert des No Limit Festival im Mission’s in Koenji - Die Sause ist im vollen Gange! Gerade entspannen wir in den Bergen nördlich von Tokyo und schmeißen am Freitag die Nantoka Bar. Später mehr!
#keintagohnehashtag
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Oben: der Reiseleiter in den Slums von Okayama. Unten: Pepperland, DER Laden in Okayama.
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Hier ein paar Impressionen vom freien Tag auf Miyajima: Rehe am Strand und ein leichter Sommerregen. Das Proberaumkonzert in Fukuoka war spitzenmäßig - es hat sich erstmals bewährt, die Ansagen pantomimisch darzustellen. Nächster Halt ist Okoyama.
#greenspring
#offday
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Erster Tourtag ist geschafft. Heute Off Day in Hiroshima. Der Reiseleiter schwächelt schon ein wenig, erhält zur Stärkung aber einen Pfannkuchen! Wir sehen uns morgen im Mosh Pit in Fukuoka!
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Morgen ist der erste Tourtag . Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren . Das hochwertige Layout der Kackschlacht-Japan-CD wird zusammen gesetzt und Taifunfest verpackt .
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Tatort: nantoka bar. #keinlöwenbräutrinken #keinefischsuppebestellen #struppivermisstnichtsausserpommes #lambskomplett #keinerunninggagsauftour
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Tokio, Blick vom Metropolitan Government Building. Jetzt, rumasseln in Koenji.
#reiseverstopfung
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Tokio . Infoladen irregular rhythm asylum . Unser Schlafplatz und heute abend Kneipe . #wirlesennicht
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Landeanflug Tokio ! Ab jetzt geht's bergab.
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Hallo Fans , wir senden euch Grüße mit Tulpen aus Amsterdam .
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Lambs + Kackschlacht JapanTour 2016:
9/4 Nagoya Huck Finn 9/6 Fukuoka Cube 9/7 Okayama Pepperland 9/8 Takamatsu Too Nice 9/9 Hiroshima Jugemu 9/10 Shizuoka Sogen 9/11 Tokyo/Koenji Club Mission's (without Lambs) 9/17 Tokyo/Shinjuku Antiknock (without Kackschlacht)
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