#sehnsuchtsorte2020 Atlantik segeln DarkStorm
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Wenn nur noch Wasser rundherum ist soweit das Auge reicht, redet der Segler und selbstredend auch die Seglerin von Blauwasser. Davon gibt es genug bei der Fahrt über den Atlantik. Im Jahr 2005 haben wir eine Segeljacht von den Kanaren nach Mallorca überführt. Drei Tage nach Madeira, dann sechs nach Gibraltar, so war der Plan. Der Wind machte uns einen Strich durch die Rechnung, Madeira war nicht zu erreichen, wir kreuzten bei rauer See gegenan, das Schiff war nicht ganz dicht, ein Teil der Crew seekrank. Wir fuhren das englische Wachsystem: vier Stunden Wache, vier Stunden Freiwache, vier Stunden Backschaft. Eine Wache ist verkürzt auf zwei Stunden, somit ist gewährleistet, dass nicht immer dieselbe Wachmannschaft die Hundswache von 00.00 bis 04.00 hat. Es war anstrengend, aber auch berauschend: leuchtendes Plankton und fliegende Fische in der Nacht, Wale und Delfine am Tag und weit und breit kein anderes Schiff. Seitdem träume ich von einer Atlantiküberquerung, auf der Nordroute, im Morgengrauen, wenn sich die Sonne in den Hochhäusern von Manhattan spiegelt, in New York einlaufen. Die Crew zu rekrutieren, ist jedoch nicht ganz so einfach. Langsames Heranführen schien mir die beste Strategie. Wir fuhren von Stockholm nach Helsinki, nördlich von Schottland durch den gefürchteten Pentland Firth und schließlich zwischen den Azoren. Ich hatte vom Azorenhoch geschwärmt, allerdings die langen Nachtschläge zwischen weitentfernten Inseln im Sinn. Aber unverhofft, kommt oft. Die Wettervorhersage hatte von auffrischenden Winden gesprochen, wir waren am Nachmittag ausgelaufen, um über Nacht von Sao Miguel nach Teceira zu segeln. Wie prognostiziert, frischte der Wind auf, sogar sehr. Als es Nacht wurde, hatten wir Sturm bei querlaufenden Wellen. Wir segelten in die absolute Finsternis, das Boot fuhr die Wellen hoch und knallte dann mit ohrenbetäubendem Lärm in die Wellentäler. Stundenlang. Am Steuerstand war das Kompasslicht kaputt. Die Co-Skipperin sagte die halbe Nacht den Kurs an, damit der Rudergänger das Schiff am Wind halten konnte: “330 Grad, 0 Grad, 30 Grad …” Spätestens jetzt musste das Ruder mit aller Kraft herumgerissen werden. Irgendwie haben wir es geschafft, legten am Morgen im Hafen von Teceira an. Trotz der frühen Stunden tranken wir ein Anlegerbier und dann noch einen Whisky. Der hieß bezeichnenderweise “Dark Storm”. Eine der Mitseglerinnen lehnte sich zurück und sagte: “Das war jetzt meine Atlantiküberquerung.” Da wurde mir klar, eine Crew zusammen zu bekommen, war jetzt noch ein bisschen schwieriger geworden. Das große Blau mitten auf dem Atlantik wird wohl noch eine Weile ein Sehnsuchtsort bleiben.
Ach ja, zum Thema Corona. Überall auf der Welt sind Häfen geschlossen. In der Karibik liegen viele Segelboote vor Anker. Kürzlich las ich von einem Skipper, der es versuchen wollte, zurück über den Atlantik. “Da draußen gibt es kein Coronavirus”, sagte er, “aber im Zweifel kann dir auch niemand helfen.”
Kleines Bild: Ines Polter/großes Bild und Text: Wolfgang Orians
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