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daszweitefeld · 3 years ago
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Deutungshoheit in Systemen von Kunst und Kultur.
Ich bin etwas unsicher geworden. Mein Glaube an die Dialogbereitschaft innerhalb des Kulturapparates wankt. Meine Versuche, seit den 1980ern, so etwas wie einen überschaubaren gesellschaftlichen Dialog herzustellen, zum Rollen- und Funktionsspektrum bildender Künstler, hat trotz Ausstellungen in Museen, Zusammenarbeit mit Goethe-Instituten und internationalen Künstlern und Projekträumen, trotz Publikationen und Radiobeiträgen, gefühlt kaum stattgefunden. Auf überhaupt keiner Ebene, so denke ich manchmal, außer vielleicht einer energetischen ... Und es geht nicht darum, eine weitere Ausstellung in einem kommunal oder auf Landesebene geförderten Kunstmuseum zu erhalten. Ich meine tatsächlich die Chance ein erstes Gespräch zu eröffnen, eine konstruktive Kritik anzubringen, einen Wechsel der Perspektive einzubringen, eine Lösung anbieten zu dürfen, miteinander zu kommunizieren, zu einem Thema, das viele Menschen interessieren kann. Die gesellschaftliche Vorstellung von Kunst und die Äußerungen der Künstler im Spannungsfeld von sozialen Bewegungen, künstlerischem Diskurs, einem unklaren Freiheitsbegriff oder gar politischem Anpassungsdruck als wichtige Selbstverortung. Dahinter steckt doch stets die Frage nach der Wahl unseres Zusammenlebens. Nach unserer Entscheidung und unserer verbindenden Vision von Gemeinschaft.
Es drängt sich mir der Gedanke auf, daß etliche Verantwortlichen im Bereich der bildenden Kunst seit langem vor allem in Arbeitsfelder verstrickt sind, die mit der eher administrativen Betreuung zu tun haben. Es geht, warum auch nicht, immer wieder, um die finanziellen Mittel und die Ansprüche der finanzierenden Institutionen. Es geht um das Geld der Sponsoren, der Kunstvereinsmitglieder, der Kommunen oder der fördernden Banken. Vielfach  ein ungeliebter Spagat. Leoder bleibt zu oft nicht viel von den vollmundigen Ankündigungen über. Z.B. von den ausgerufenen Plänen des Direktors des Düsseldorfer Kunstpalastes Felix Krämer, der sich anschickte die Kunst (endlich) wieder mehr in die Mitte der Gesellschaft zu rücken. Heraus kam als erstes eine Ausstellung über Autodesign und eine mit Mode unter der Kuratierung von Claudia Schiffer. Mein Gott, das geht auch anders ... Möglich ist auch, daß die Düsseldorfer Herren im städtischen Hintergrund so borniert sind, daß sie echte Veränderung gar nicht erst zulassen. Offenbar bleibt „Retro“ das Gebot der Stunde und Gebäude werden daraufhin zu Jahrzehnte alter Popmusik farbig beleuchtet. An Düsseldorf kann man sich abarbeiten. Und alles reagiert so langsam, weil Kompetenzen fehlen und weil man den Kuchen nicht essen und gleichzeitig besitzen kann.
Wen wundert es da, wenn Antworten angefragt werden, aber bei vielen kultpolitisch Verantwortlichen keine Antwort kommt, sondern nur ein Abwehrreflex ausgelöst wird, zum Schutz der finanziellen Fleischtöpfe kulturellen Verteilungssysteme. Auch wenn es garnicht darum geht. Also wird keine Antwort gegeben. Und diese Methode schützt die Deutungshoheit über die kulturellen Bewegungen und Archive des Systems in einer Art stiller Repression. Die angesprochene Deutungshoheit sollte nun aber endlich in demokratischer manier oder wie auch immer  auf den Marktplätzen des Landes diskutiert werden. Raus aus den Kunsthallen, raus aus den Museen. Es ist keine Lösung mehr nur die Aussentüren den Düsseldorfer K20 zu öffnen, das ist nicht niederschwellig. Mit solchen Methoden reißt man keine Mauern ein, das entspricht  nicht einmal dem neu gedachten Museum – das ist nur pure Verzweiflung. Offen zu sein, mit allen zu reden, das könnte helfen. Sonst gerät man in eineinen innen zirkulierenden Kreislauf. Etwas, das in Teilen unserem Rechtssystem gleicht. Jeder Vertrag muss innerhalb dieses Systems der Rechtssprechung seine Punkte so formulieren, dass es dem gemeinsamen Formwillen der Anwälte und Richter genügt um überhaupt verstanden zu werden. Ansonsten ist man verloren oder man spricht nur noch mit Seinesgleichen. Ein Elitarismus entsteht, ein von der Gesellschaft abgekoppelter Bezugsrahmen. 
Wo sind sie denn jetzt hin die KuratorInnen, die sich selbst und ihre Perspektive in Frage stellen würden? Auch Kunsthistoriker wie Wolfgang Ullrich müssen sich fragen lassen, ob sie für ihre persönliche Karrieren immer noch ungefragt künstlerische Themen abgreifen wollen, um diese dann umformuliert gewinnbringend wieder zur Diskussion zu stellen. Oder ein Kulturdezernent Hans-Georg Lohe muss sich fragen lassen, warum er lieber Geschäftemacher unterstützt und dabei behinderte Künstler aus einem Kulturort kultureller Gleichberechtigung drückt und sich dann unter einer neuen Stadtregierung plötzlich als Vertreter kultureller Teilhabe zu präsentieren. 
In den Neunzigern d.l.J. gab es in Kunst und Kultur etwas Geheimnisvolles, das nannte sich branchée, man experimentierte, man probierte einfach, man war ganz weit Vorne, man kümmerte sich nicht um die Stempelkissen der Kulturpolitik – mittlerweile gibt es als Perspektive nur noch einen Primär- und Sekundärmarkt neben einer fesselnden städtischen Künstlermitverwaltung. 
Kehrt die alte und neue Offenheit nicht zurück wird es ohnehin langweilig.  Dann kann uns nur noch die Kunst retten. Und bis dahin bleibt Gesang.
(schulzsingtgaensheimer)
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