#irgendwie bringe ich Bjarkes weirde Backstory noch in Flügellos unter I swear

[dakrisart]

“Brace yourself!”

Bjarke öffnete die Augen, schloss sie aber sogleich wieder, als ein Sprühnebel aus Meerwasser sein Gesicht traf. Seine Hände umklammerten ein Tau und der raue Hemp war glitschig vom Wasser.

Bjarke sah nach links und David McKinley grinste ihm entgegen. Ein Blitz erhellte sein wettergegerbtes Gesicht und liess seine Goldkrone aufblitzen, reflektierte sich in seinen wilden Augen. Von ihm hatte Bjarke sowohl die Kunst der Schiffsmechanik gelernt, sowie einen schottischen Akzent in sein Englisch aufgenommen und nie wieder verloren.

«Oh Laddie», lachte er, das knarzige Gebell, das tief aus seinem Inneren zu kommen schien. Ein weiterer Blitz malte ihm einen Heiligenschein um den Kopf. «Ein Jahrhundertsturm! Der wird dich zum Mann machen!»

«Oder zur Frau», rief eine andere Stimme. Bjarke blickte nach rechts. Schwester Agnes lehnte sich gegen die Reling, zündete sich gerade ihre Pfeife an, ungestört vom Sturm und Wind. Sie war gross, breitschultrig und mit tiefer, vom Rauchen gezeichneten Stimme. Sie hiess Schwester Agnes, weil sie tatsächlich einmal eine Nonne gewesen war, bis sie aus dem Orden geflogen war, weil sie und eine andere Schwester bei ordensungebührlichem Verhalten erwischt worden waren. Und wie sie einst Gott zu sich rief, tat es dann die See. Auch wenn Agnes immer behauptete, dass diese zwei Dinge ein und dasselbe waren.

«Brace yourself!»

Bjarke umklammerte das Tau fester und zog die Schultern hoch. David lachte meckernd irgendwo zu seiner Linken, als ob er den Sturm auslachen würde.

Die Welle traf das Boot, als würde sie es auseinanderreissen wollen. Metall schabte und kreischte, als es sich verformte und dehnte. Das Boot hob sich zur Seite, verharrte einen grässlichen Moment am Höhepunkt, lange genug für einen zittrigen Atemzug, und schmetterte dann wieder auf die Wasseroberfläche hinab.

«Da werden wir Morgen viel zu tun haben, Aye?», schrie David gegen den Wind. Bjarke dachte nicht an das Morgen. Er dachte an das jetzt und den Sturm, der wütete, als ob ihm das Schiff ein persönlicher Dorn im Auge wäre.

«Möge der Herrgott uns gnädig sein.»

Bjarke verharrte. Dann wandte er den Kopf, unendlich langsam.

Mit langsamen Schritten kam ein grossgewachsener Mann das Deck entlang. Meerwasser schwappte um seine Füsse, doch das beirrte den Schritt des Mannes nicht. Er ging mit dem Rhythmus der See. Dunkelblondes Haar, erst kürzlich kurz geschoren, ein struppiger Seemannsbart, verblassende Tattoos auf den Fingerknöcheln, eine feine Narbe auf der Wange, blitzende, graue Augen. Bjarke erinnerte sich an jedes Detail.

«Schlägst dich gut», sagte er, als er neben Bjarke ankam.

«Du bist tot.»

Der Mann lächelte fein durch seinen struppigen Bart. «Du doch auch.»

Bjarke zog wieder an dem Tau, das ihm zu entgleiten drohte.

«Bin ich nicht. Dann wäre ich nicht hier. Dann wäre hier nichts.»

«Zynisch», sagte Martin Olsen, den das Meer vor vielen Jahren geholt hatte. «Die Lehren deines Vaters waren also nutzlos? Wofür hat man meinen Bruder denn zum Pfarrer gemacht, wenn er nicht mal seinen eigenen Sohn zum Gläubigen erziehen kann?»

«Ich denke nicht, dass ein Gott mich hierherbringen würde. Es ist mein Verstand.»

«Hm Hm Hm», machte Martin und liess sich von Agnes die Pfeife geben. Er zog daran (Er hatte damals in dieser Nacht nicht geraucht, er hatte Befehle gebrüllt und den Sturm verflucht, der sie beinahe kentern liess) und blies unmöglichen Rauch in die stürmische Nacht, von den Blitzen zum Tag gemacht.

«Du bist tot», wiederholte Bjarke.

«Vielleicht», sagte Martin. Dann tippte er gegen Bjarkes Stirn. «Aber nicht hier drin.»

Bjarke sagte nichts. Davids Stimme durchschnitt das Heulen des Sturms.

«Brace Yourself! Big One!»

Die Welle schmetterte gegen den Bug wie die Faust eines Riesen, hob das Boot in die Höhe und liess es mit einer Macht auf die Wellen schlagen, die Bjarke von den Füssen riss.

Er schrie nicht auf. David versuchte, den Stoff im Nacken seines Overalls zu greifen und Bjarke spürte kurz die Finger an der Haut, bis die nächste Welle zuschlug, ihn am Knöchel packte und mit sich riss.

Und dann war da nur noch Wasser und Stille.