#histoire de l'anthropofagie en occident
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Anthropofagie
1.
Aby Warburg bezieht auf den beiden Staatstafeln römische Gründungsszenen auf die Geschichte der Theophagie, also die Geschichte einer Gesellschaft, die ihren Gott isst. Diese Geschichte ist auch in die Anthropofagie verstrickt. Es sind gerade so viele Brasilianerinnen und Brasilianer am MPI, dass es sich anbietet, brasilianische Expertise zur Anthropofagie anzuzapfen. Das Problem ist das Tabu. Als vor ein paar Jahren jemand, der jemanden verzehrt hatte, dafür verurteilt wurde und gegen das Urteil Verfassungsbeschwerde eingelegt wurde, kam in Karlsruhe nur ein Nichtannahmebeschluß heraus, was entweder ein Witz oder sture Befolgung des Tabus war.
In den Gesprächen zur Anthropofagie beilen sich einige der Gäste damit zu versichern, dass das mit Anthropofagie in Brasilien nur eine Metapher oder nur eine Fiktion sei. Ist das nicht eine Beleidigung? Leute sagen ja auch gerne, die Katholiken meinten das alles nicht so ernst mit Leib und dem Blut, aber entweder sind das dann bestenfalls Christmettekatholiken (für die die Osterliturgie schon too much, zu archaisch und zu blutig ist) oder Protestanten oder aber weder noch.
2.
Warburg bezieht die römischen Gründungszenen auf Opfer, die real sind. Das macht er verklausuliert, weil er den Gründungsmord der faschistischen Diktatur in Italien nur indirekt, nur über die Referenz Bolsena und Orvieto anspricht. Fährt man 1929 mit dem Auto von Rom nach Orvieto, um sich das echte Corporale anzuschauen, das Raffael in den Stanzen abgebildet hat, kommt man an der Stelle vorbei, an der die Leiche Matteotis gefunden wurde. Der Bezug zwischendem Gründungsopfer und dem Gründungsmord ist also indirekt,die Beziehung hat zumal den Charakter eines Verkehrsnetzes, wie Warburg das am Anfang des Atlas als ein methodisches Prinzip vorstellt. Referenz ist Verkehr. Aber dennoch gibt es diesen Bezug zu dem Opfer, das real ist. Warburg, den als Bildwissenschaftler zu bezeichnen nicht hinreicht, ist ein Polarforscher, seine Objekte sind Polobjekte. Darum ist das, was er dort an Geschichte entwirft, keine 'reine' Bildgeschichte oder Begriffsgeschichte oder gar die bildungsbürgerlich gezähmte Geschichte einer Metapher, wie sie einmal Michael Stolleis für das Auge des Gesetzes für ein kleines 'Coffetablebook' entworfen hat. Das Bild, das ein Polobjekt ist, hält sich nicht im Rahmen des Bildes. Es kippt in den Begriff, es schraubt sich in die Körper derjenigen, die am Bildprotokoll teilnehmen, dieses Bild wird verkörpert, zum Körper, zu Fleisch und Blut. Dieses Bild wendet sich in Aktion um. Aus allem dem kippt es auch wieder zurück ins Bild, aber die Linien, die das Dogma der großen Trennung stützen sollen, werden dabei übersprungen. Zeichen, die nicht nur Zeichen sind, Worte, die nicht nur Worte sind, Bilder, die nicht nur Bilder sind, Symbole, die nicht nur Symbole sind, Kommunikation, die nicht nur Kommunikation ist, Subjekte, die nicht nur Subjekte sind, Objekte, die nicht nur Objekte sind, Menschen, die nicht nur Menschen sind und ein Brot, das nicht nur ein Brot ist: Der ganze Stolz dessen, was das Dogma der großen Trennung trägt, der Stolz, nicht zu verwechseln, was andere verwechseln würden, der wird bei Aby Warburg auf eine harte Probe gestellt.
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