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Mein Sommer-Experiment: Mobiles Arbeiten & Reisen durch Spanien und Frankreich
Mein persönliches Experiment als digitale Nomadin auf Zeit und wie sich die schöne neue Arbeitswelt anfühlt.
Im ersten Lockdown hatte ich meine Wohnung schön gemacht, die Kammer umgebaut und einen Weinkühlschrank gekauft. Im zweiten Lockdown wurde sie noch schöner und praktischer. Der Arbeitsplatz wurde optimiert und es kam eine neue Kaffeemaschine, Sauerteig samt Brotback-Utensilien und ein Tiefkühlschrank dazu, um nicht jeden Tag zu kochen und drei Tage am Stück dasselbe zu essen. Und dennoch konnte ich sie nicht mehr sehen – meine hübsch gemachte Wohnung. Wir beide brauchten eine Pause. Vielleicht lag es ein klitzekleines bisschen am Teenager, der auch noch in der Wohnung wohnt und mit unvorstellbaren Kräften im Lockdown ein brillantes Abitur hingelegt hat. Seitdem fühlt es sich aber an, wie ein Schlauchboot aus dem die Luft raus ist.
Endlich mal raus aus der Stadt, nicht nur nach Brandenburg, frei sein, die Sonne auf der Haut fühlen. Die dunklen Monate des ewig langen Lockdowns abschütteln, in den Wellen zurücklassen und mit frischer Energie zurückkehren. Das war mein Wunsch.
Der eigentlich seit Jahren ersehnte Umstand, wegen schulpflichtiger Kinder nicht mehr in den Sommerferien wegfahren zu müssen, kollidierte gerade mit meiner unermesslichen Sehnsucht nach Reisen, lebendig fühlen und einem Tapetenwechsel. Mein Freund konnte sich beruflich noch eine Woche Urlaub vor dem Beginn der Sommerferien genehmigen, die wir segelnd in Holland verbrachten. Das war schön, aber deutlich zu kurz. Der eigentliche Urlaub Anfang Oktober – so weit entfernt. Die Erschöpfung – oder wie auch immer man den Zustand im und nach dem Lockdown bezeichnen mag – war immer noch zu groß. Die Folgen meines Pfeifferschen Drüsenfiebers, das mich wochenlang richtig platt gemacht hat, waren immer noch spürbar. Ich musste raus!
Mein langjähriger Freund Adrian, der sich im letzten Jahr ein neues Hobby zugelegt hat und VW-Busse um- und ausbaut und ganze Sommer damit unterwegs ist, fragte mich beiläufig bei einem Bier, ob ich nicht Lust hätte, mitzukommen. Der Gedanke hat mich sofort elektrisiert und nicht mehr losgelassen.
Ich stellte mir vor, wieder unterwegs zu sein, mehr draußen als drinnen, morgens nicht zu wissen, wo wir abends sein werden. Das routinehafte Vorhersehbare in meinem Leben auszutauschen gegen das einfache Leben, nicht viel zu brauchen, weil das Andere, die Welt, die Eindrücke in Fülle vorhanden waren. Und dennoch dabei zu arbeiten.
Denn für richtig freimachen war keine Zeit. Eine Sommerpause gab es in diesem Jahr nicht. Ein passender Zeitraum fand sich recht unkompliziert. Adrian war mit seinen Kindern schon unterwegs in Polen, Slowenien, Kroatien – das konnte ich in den sozialen Netzwerken verfolgen. Das steigerte nur meine Ungeduld und Vorfreude, aber auch meine Aufregung. Wie würde es funktionieren? Komme ich überhaupt zum Arbeiten? Habe ich genug Zeit, Ruhe, Motivation und Netz? Haben meine Reisebegleiter ausreichend Verständnis und Geduld für meine Termine und wenn ich mich nicht an den allgemeinen Aufgaben beteiligen kann?
Schlafen ist bei mir ein Thema seit meine Kinder auf der Welt sind. Früher konnte ich schlafen wie ein Baby. Dieser Zustand hat sich nie wieder eingestellt. Also ging ich auf die Suche nach einer Ausstattung, die klein, bequem und komfortabel genug war, um gut zu schlafen und die ausreichend Flexibilität bot, auch damit arbeiten zu können. Eine aufblasbare Matratze mit glatter Oberfläche, ein Deckenschlafsack, der nicht raschelt und aus Baumwolle besteht, kühlt und selbst bei kühlen Sommernächten ausreichend wärmt, zwei Kissen mit Memory-Foam und die beste Anschaffung: mein aufblasbares Kniekissen als Laptoptisch haben sich bewährt.
An einem Donnerstagnachmittag stieg ich nach sechzehn Monaten das erste Mal wieder in ein Flugzeug. Mein erstes Mal seit Beginn der Pandemie und der erste Flug vom neuen Willy Brandt Flughafen. Ich bin seit geraumer Zeit durchgeimpft und so dankbar dafür. Schenkt es mir doch wieder etwas Bewegungsfreiheit, ohne die permanente Sorge, sich anzustecken und ernsthaft zu erkranken.
Der Landeanflug auf Barcelona, der Blick aufs glitzernde Meer und die beginnenden Berge dahinter, die kleinen Fincas und der große Seat-Parkplatz – alles kam mir so wertvoll und besonders schön vor. Ich platzte fast vor Sehnsucht nach Leben.
Und dann stand ich draußen, in der spanischen Hitze. Der blaue metallicfarbene VW Bus glitzerte in der Sonne. Adrian, Fritschi und Reisehund Tomte begrüßten mich herzlich. Jetzt ging es los. Mein Sommer Experiment – Mobiles Arbeiten & Reisen durch Spanien und Frankreich.
Wir hatten fürs soft-opening ein Hotel in Barcelona gebucht. Direkt an der Rambla. Ankommen, lecker essen gehen, nochmal gut schlafen, stabiles Hotel-WiFi und duschen, bevor wir morgen in die Wildnis fahren. Leider ist Barcelona in diesem Sommer wirklich sehr laut, heiß und stickig, teilweise waren die Gerüche unerträglich, so dass wir sehr schnell am nächsten Morgen, nach einem recht kurzen Abstecher an den vollen Stadtstrand Barcelonetta, Richtung Westen und Pyrenäen fuhren.
Ich hatte meinen aufblasbaren Reisetisch dabei und in den nächsten Stunden versank ich auf dem Beifahrersitz im Rhythmus des surrenden Motors in meinen Gedanken, schrieb ein Team-Entwicklungskonzept, stellte Onboarding-Unterlagen für eine neue Mitarbeiterin zusammen, beantwortete Mails oder telefonierte über Teams.
Den Blick immer mal wieder in die Ferne gerichtet, flogen mir die Ideen förmlich zu. Als würde die Bewegung den Fluss der Gedanken unterstützen.
Das hat ja schon mal gut funktioniert.
Den ersten Abend verbrachten wir am Ufer eines riesigen und unglaublich türkisen Stausees. In der Abendsonne noch ein paar Mails beantworten, mit Blick in die wunderschöne Kulisse, während die Sitzecke aufgebaut und das Abendessen vorbereitet wurde, empfand ich als wunderbares Geschenk. Von diesen Momenten gab es auf der Reise noch viele. Ein paar Tage verbrachten wir in Biscarrosse, direkt am Atlantik. Dort gab es einen wunderbaren Strand mit großen kräftigen Wellen, einen riesigen Campingplatz mit einer Poolanlage, sämtlichen Sportangeboten, die das Herz begehrt – und vor allem stabiles Netz. In dieser Zeit konnte ich gut arbeiten, mir die Phasen flexibel einteilen, mittags eine Runde im Pool baden, nachmittags an den Strand, abends gemeinsam grillen, kochen oder essen gehen.
Es war eine Zeit voller Leichtigkeit und Lebendigkeit. Es brauchte nicht viel, um entspannt durch den Tag zu gehen. Auf dieser Reise war es wieder spürbar, wie wenig wir eigentlich wirklich brauchen. Was zählt, waren Verbindung, Aufmerksamkeit und Loslassen. Wir fühlten uns den Menschen überall verbunden in dem Gefühl von Lebenshunger.
Ich verzichte zugunsten der Länge des Beitrags auf eine ausführliche Beschreibung unserer weiteren Reise. Wer mehr über unsere Route und unsere Erlebnisse erfahren möchte, kann das auf Instagram https://www.instagram.com/jane_kunstpiratin/ nachlesen.
Wie erfolgreich war nun aber mein Experiment?
Um es vorweg zu nehmen, da ich im Vorfeld, währenddessen und auch danach häufig gefragt wurde: es hat funktioniert. Für mich. Zu den Fragen, die ich mir im Vorfeld stellte, gehört die Überlegung, wie ich selbst meine Erfahrungen bewerten soll, wann mein Experiment gelungen ist und wann nicht.
Ich habe viel nachgedacht, mich ausgetauscht und stelle meine Beobachtungen und den momentanen Stand meiner Gedanken hier zur Verfügung. Gleichzeitig bin ich mir sicher, dass es nur eine Momentaufnahme sein kann und dass Stück für Stück neue Erfahrungen, Tipps und Erlebnisse dazu kommen werden. Also nagelt mich nicht fest.
Mehr Energie Was ich an mir beobachten konnte und was mich am meisten überrascht hat, war, dass ich viel mehr Energie hatte.
Ausgeschlafen Meist war ich vor dem Wecker wach und war ausgeschlafen. Das kenne ich vom Segeln. Mehr draußen sein heißt für mich, ich brauche weniger Schlaf als in der Stadt. Eigentlich bin ich ne überzeugte Eule. Unterwegs verschob sich mein Biorhythmus Richtung Lerche und war vermutlich auch gesünder.
Pausen Durch die Möglichkeit, zwischendurch aktive und ausreichend Pausen zu machen, zu schwimmen, zu spazieren, einfach in der Natur zu sein, gab es keine Momente der Erschöpfung, wie ich sie an manchen Tagen zuhause oder im Büro durchaus kenne. Besonders nach vielen Stunden Videocalls am Stück, hybriden Veranstaltungen oder wenn Tage insgesamt zu lang sind.
Mehr Bewegung Ich nutzte alle Varianten, die der Bus und meine Umgebung mir boten, um zu arbeiten – im Sitzen, Liegen, Stehen. Ich blieb nie lange an einem Ort sitzen. Und ich hatte in der gesamten Zeit keine Rückenschmerzen. Wenige Veränderungen haben offenbar schon eine große Wirkung gezeigt.
Selbstfürsorge & Zeit ist relativ Je besser es mir geht, umso effizienter arbeite ich. Und darum geht es ja in dem New Work Gedanken. Es geht nicht um Zeit, sondern dass die Arbeit getan, die Aufgaben gelöst, die Herausforderungen angegangen werden.
Hier gibt's noch ein paar meiner Erfahrungen als Tipps und Take-aways - unsortiert und ohne Anspruch auf Vollständigkeit:
BLEIB FLEXIBEL Mit Flexibilität gestaltet sich das Arbeiten und/auf Reisen machbar. Auf Reisen geht 9 to 5 eher, wenn man ein paar Tage an einem Ort ist. Vielleicht ist es punktuell gar nicht notwendig. Wer im Auto unterwegs arbeiten kann, ist klar im Vorteil. Einige Menschen können das Lesen und Arbeiten beim Fahren nicht gut haben. Manchmal hilft es, auszuprobieren, woran es liegt, immer mal wieder den Blick auf den Horizont richten wie beim Segeln und ausreichend zu trinken und zu essen. Wenn es nicht funktioniert, kannst du die Zeit nutzen und vielleicht Podcasts hören oder nachdenken. Da entstehen manchmal auch überraschende Dinge.
ORGANISIERE DICH GUT Damit meine ich, dass du immer einen guten Überblick über deine Aufgaben und Termine hast und organisieren kannst, welche Umgebung du jeweils brauchst. Es gibt Termine, wo es um sensible Daten geht, wie bspw. Coachings. Da ist es hilfreich, einen kleinen geschützten Raum zu haben, damit niemand mithören kann.
LERNE DICH SELBST GUT KENNEN Wenn du selbst weißt, was gut für dich ist, wo du gut denken, dich konzentrieren und arbeiten kannst, ist schon viel gewonnen.
VERTRAUE DIR Versuche die Zeit zu nutzen, den Druck zu Hause zu lassen. Vertraue deiner Intuition, vertraue dir, dass du die richtigen Entscheidungen treffen wirst. Vertraue, dass sich die Dinge fügen.
FOLGE DEM FLOW Es gibt Tätigkeiten, da brauche ich Ruhe, ein gutes Karma des Ortes. Dann fließt es. Horch in dich, welche Aufgaben zu welcher Tageszeit und zu welchem Energielevel am Besten passen.
WECHSEL DEINE HALTUNG Damit meine ich die Körperhaltung. Im Büro und vielleicht sogar im Homeoffice gibt es inzwischen eine verbreitete Sensibilität für eine ergonomische Arbeitsumgebung. Im mobilen Office bist du selbst verantwortlich, dafür zu sorgen, dass du dir keine Haltungsschäden und Verspannungen zuziehst. Meine eigene Erfahrung ist, dass viel Bewegung und häufige Wechsel der Arbeitsposition und Körperhaltungen helfen, Blockierungen vorzubeugen.
CHECK DEINE AUSRÜSTUNG Je nachdem, wie du reist, brauchst du unterschiedliches Equipment. Was du vermutlich immer brauchen wirst, ist Strom. Ich hatte das Glück, dass wir eine supertolle riesige Powerbank dabei hatten, die sowohl beim Fahren als auch vor Ort aufgeladen werden kann. Wenn du nicht im Auto unterwegs bist, ist eine Powerbank und eine Verlängerung immer hilfreich. Im Auto sogar eine Kabeltrommel.
MOBILE DATEN VERSUS HOTSPOT? Wofür du dich entscheidest, hängt von der Art, Dauer und Region deiner Reise ab. Meine Beobachtung war, dass z.B. in Frankreich das Telekom- Netz eine breitere und bessere Abdeckung hatte. Daher kann es sinnvoll sein, wenn du mit mehreren Personen unterwegs bist, verschiedene Anbieter zu wählen, um euch gegenseitig Hotspots zu gewähren.
VERSORG DICH MIT VIEL DATENVOLUMEN Wie viel Gigabyte du brauchst, hängt natürlich von der Art deiner Arbeit ab. Wenn du nur hin und wieder Mails verschickst und an Exceltabellen arbeitest, brauchst du deutlich weniger Datenvolumen, als wenn du ständig in Videokonferenzen bist oder in den sozialen Netzwerken und Content hochlädst oder große Datenmengen versendest.
PLANE SICHERHEIT Auf Reisen sind die persönlichen Dokumente und technischen Geräte potenziell gefährdet. Wer Sorge hat, Opfer eines Diebstahls zu werden, kann überlegen, welche Möglichkeiten es für die jeweilige Form des Reisens gibt, auch wenn es leider keine absolute Sicherheit geben wird. Zum Beispiel gibt es Koffer, die man im Auto anschließen kann.
MUT ZUR LÜCKE Der Tipp gilt am Ende immer. Bleib entspannt, auch wenn die Dinge mal nicht so laufen, wie geplant.
Die größte Challenge auf dieser Reise war für mich neben der Aufregung im Vorfeld, den klassischen Arbeitstag und das schlechte Gewissen aus meinem Kopf zu bekommen. Das schlechte Gewissen, ob ich mir diese Zeit und das Format erlauben darf? Ist es fair, den Kolleg*innen und Kund*innen gegenüber? Welches Bild und welche Wirkung gibt es? Ich weiß natürlich nicht umfassend, was mein Umfeld über meinen Ausflug denkt, aber das Feedback, dass ich bekommen habe, war ausschließlich positiv, verbunden mit vielen Fragen zu Erfahrungen und praktischen Tipps sowie geteilten Wünschen nach ähnlichen Auszeiten.
Ich habe immer wieder darüber nachgedacht, wie stark diese klassische Prägung der alten Arbeitswelt bei mir wirkt und wie viel Energie es braucht, um das aus dem Kopf zu bekommen. Was ich aber an mir selbst beobachtet habe ist, wie viel schneller und besser ich arbeiten kann, also denken, konzeptionieren, beraten, kreativ sein kann, wenn es mir selbst gut geht. Es macht also wirklich Sinn, in erster Linie darauf zu achten, gut bei sich selbst zu sein und für sich selbst zu sorgen.
Solltest du eine Idee haben, den Wunsch etwas auszuprobieren, möchte ich dich ermutigen – mach es. Beginn eher früher als später. Du kannst planen und dir Settings vorstellen. Vieles erlebst du erst in der Praxis. Für mich geht es inzwischen auch nicht mehr um Perfektion, sondern um Leben leben. Echt, einfach, überraschend und bezaubernd schön.
Bleib munter und lebendig, wo auch immer du gerade bist.
Deine Jana.
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