#UNO-Kunstlotterie
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Glück gehabt
Vor vielen Jahren sagte eine Frau einmal etwas, das mich sehr erschrak. Ich war vielleicht zehn. Mit meinen Eltern war ich zu Besuch bei meiner Großmutter, und als diese ankündigte, nachmittags eine Freundin zu besuchen, fragte ich, ob ich mitdürfe. Ich wusste, dass besagte Frau blind war. Meine Großmutter würde ihr vorlesen. Ich kannte keine Blinden. Mit einer Mischung aus Grusel und Vorfreude sah ich der Begegnung entgegen.
Ich war erleichtert, als ich feststellte, dass die Augen der Frau ganz normal aussahen, nicht milchigtrüb oder anders fremd. Sie sah in meine Richtung, als sähe sie mich. Dabei hörte sie mich nur. Sie war im Alter meiner Großmutter, Anfang siebzig, und freundlich. Einige Textstellen aus dem Neuen Testament wollte sie hören, sodann die wichtigsten Artikel aus der Zeitung. Nachdem auch die vorgelesen waren, bat sie meine Großmutter, im Garten die Blumen zu gießen, und mich, sitzen zu bleiben. Mir wurde mulmig, doch ich sagte nichts.
Als wir allein waren, erklärte die Frau, sie wollte, dass ich etwas wüsste. Das Glück im Leben sei gerecht verteilt. Sei jemand lange glücklich, komme schließlich das Unglück; umgekehrt hole das Glück den Unglücklichen irgendwann ein. Sie selbst habe eine wunderbare Kindheit gehabt und einen Mann gefunden, den sie mehr geliebt habe als alles auf der Welt. Einen Sohn habe sie ihm geboren, der so reizend war wie kein anderes Kind. Dann sei ihr Glück erschöpft gewesen. Der Mann fiel im Krieg, und der Sohn wandte sich, wohl unter Einfluss seiner Ehefrau, von ihr ab. Bald darauf raubte eine Krankheit ihr das Augenlicht. Doch sie hadere nicht damit, denn, wie gesagt: Das Unglück, das ihr widerfahren sei, entspreche dem Glück, das ihr geschenkt worden war. Ich schwieg bestürzt. Bald kehrte meine Großmutter zurück.
Ich sprach weder mit ihr noch mit sonst jemandem über den Vortrag der Frau. Er machte mir Angst. Eine Weile fragte ich mich, ob sie recht gehabt haben könnte und jede schöne Stunde abgebüßt werden müsste. Irgendwann aber verblasste der Eindruck der Begegnung, und als sie mir wieder einfiel, dachte ich, die Frau habe sich das Ganze wohl zurechtgelegt, um einen Sinn in ihrem Schicksal zu erkennen.
Trotzdem denke ich noch manchmal daran zurück, wenn mir einfällt, dass ich bisher viel Glück gehabt habe. Kürzlich habe ich sogar, weil mir das Glück so zuverlässig vorkommt, ein Jahreslos der »Aktion Mensch« sowie ein Los der Kunstlotterie der UNO-Flüchtlingshilfe gekauft. Ich rechne nicht direkt mit einem Gewinn, aber für möglich halte ich ihn schon. Bleibt er aus, habe ich immerhin gehofft.
Die alte Frau ist wenige Monate nach unserem Treffen gestorben; ich weiß noch, dass ich mich damals fragte, ob sie froh darüber war oder nicht.
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TV-Tipp: Frauenhass im Netz – markiert, beschimpft, bedroht
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