#Ich kann Nocturn total als Influencer sehen
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nokissforthedauphin · 11 months ago
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Der Fußschellenwalzer III - Last Part!
Eben jenes Weihnachtsfest verfluchte Youma im Moment ebenfalls. Diese Peinlichkeit! Und das nur für zwei Stunden! Zugegeben, seine kleine Schneekugel war nicht die allerbeste oder einfallsreichste Idee auf Erden gewesen, aber so langsam bereute er es, nicht auf Reitzel gehört zu haben. Hätte er es doch nur getan, dann hätte er vor Shaginai nicht dermaßen sein Gesicht verloren! Argh, warum war er nur so ein schlechter Lügner!
Umgezogen hatte er sich trotz allem aber dennoch, obwohl er sich eigentlich viel lieber einfach nur die Haare raufen würde, in der Hoffnung diese Blamage schnell zu vergessen. Kaum, dass er sich aber in dem schwarzen Anzug gekleidet hatte, beruhigte er sich ein wenig. Der schwarze Stoff fühlte sich eigenartig an auf seiner Haut und er fand auch, dass er komisch aussah im Spiegel, obwohl es doch gar nicht so lange her war, dass er oft schwarz getragen hatte… Er drehte sich im Spiegel, besah sich von allen Seiten, wischte den Staub von den Ärmeln und schloss die Manschetten. Ein Kleidungsstück aus der Menschenwelt, eines von Nocturns ersten Geschenken, damals noch, dass es zwischen ihnen nichts als Zank und Hass gegeben hatte, nur geschenkt, damit er auf den Straßen von Paris nicht auffiel und neben ihm nicht unpassend aussah. Es waren Stoffe aus der Menschenwelt und doch fühlte Youma sich plötzlich dazu verleitet seine Hand zu öffnen und seine Schatten kristallisieren zu lassen, in Form von Blumen, die sich von seiner Handfläche aus erhoben. Seine Magie zu sehen… Youma lächelte… war sofort…
„Oh lala!“ Nocturns Stimme ließ Youma hochfahren und beinahe gegen den geöffneten Schrank donnern. Überrascht wollte er seinen Namen rufen, aber Nocturn kam ihm mit einem Grinsen zuvor:
„Wie schick du aussiehst! Was für ein ungewohnter Anblick; diesen Anzug habe ich ja schon lange nicht mehr gesehen.“ Grinsend lehnte er sich an den Türrahmen, mimte den Heiteren, aber auch wenn das Licht im Umkleideraum des Yamis nicht eingeschaltet war – er vergaß es sehr oft – entgingen ihm nicht… dass Nocturn mitgenommen aussah. Was… hatte Hizashi mit ihm getan? Offensichtlich hatte er nicht vorgehabt Nocturn von seinen Hand- und Fußschellen zu befreien, denn die trug er immer noch.
„Hör auf so besorgt auszusehen, das schmeichelt mir nicht.“ Nocturn zuckte mit einem schiefen Grinsen mit den Schultern:
„Den Sadismus eines wahnsinnigen Forschers zu überleben ist doch meine leichteste Übung!“
„Nocturn, das ist wirklich nicht lustig. Darüber macht man keine Scherze“, antwortete Youma mit besorgter, aber auch strenger Stimme, während er die Schranktür schloss.
„Oh ich mache keine Witze, ich spreche nur die Wahrheit. Es war ja auch nicht meine erste Sitzung mit ihm und er hat viel zu viel Spaß mit meinem Körper um mich zu töten, glaub mir. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich denken, ich sei sein größter Schatz.“ Er löste sich von Türrahmen und tänzelte geschwind durch den Raum, bis er vor ihm stehen blieb, mit zusammengelegten Handflächen:
„Aber sag mir lieber zu welchem Anlass du dich so hübsch gemacht hast!“ Freude wischte die Zeichen der Schwäche nun gänzlich weg und Vorfreude erhellte seine Augen, brachte das Rot deutlich zum Leuchten:
„Darf ich etwa auf ein ganz besonderes Weihnachtsfest mit meinem cher Dauphin hoffen…?“ Er lehnte sich vor, wurde aber von Youmas ausgestreckten Finger aufgehalten, der ihn auf seine Brust legte um ihn zurückzuschieben. Aber seine Wangen waren leicht errötetet als er das tat.
„Vielleicht.“
„Ouuuu!“ Nocturn klatschte noch einmal die Hände zusammen:
„Was soll ich dann zu diesem Anlass anziehen?“ Die Erwartung in Nocturns Augen wurde immer größer und auf einmal fand Youma Reitzels Idee doch nicht mehr ganz so doof.
„Etwas, was dazu passt wäre gut.“ Nocturn grinste noch breiter und die Freude war so greifbar, dass Youma sofort ebenfalls lächelte. Nocturn kicherte, machte eine Pirouette um sich selbst und ließ sie in einer eleganten Verbeugung ausgleiten.
„Euer Wunsch ist mein Befehl, mein Prinz!“
Nocturn brauchte keine 15 Minuten um neuangekleidet zum verabredeten Teleportationspunkt zu kommen – mit Hin- und Rückweg zu seiner Kammer, die so weit weg lag von Youmas, dass man meinen könnte, man hätte sie mit Absicht voneinander trennen wollen. Er war so schnell, dass Youma sich kurz fragte, ob er und Reitzel womöglich zusammen gearbeitet hatten und er deswegen schon alles bereit gelegt hatte – dieser Gedanke wurde allerdings sehr schnell aus Youmas Kopf gefegt, als dieser Nocturn… und seine rote Schleife entdeckte, die er sich um den Hals gebunden hatte. Seine Augen konnten sie gar nicht gehen lassen, während Nocturn sich noch einmal vor ihm auf dem verzierten Boden des Teleportationspunktes verneigte; zwei Dämonen, die hier im Tempel eigentlich gar nichts zu suchen hatten und im Moment aussahen, wie zwei Menschen, die sich in einer magischen Welt verirrt hatten.
„Das… ist die Schleife deiner früheren Uniform.“ Die Worte Youmas ließen Nocturn verwundert blinzeln und dann unsicher Grinsen:
„Exakt. Das erkennst du? Es hätte doch jede andere Schleife sein können.“ Ertappt errötete Youma sofort und sah weg – dennoch, so peinlich berührt er auch gerade war, ihm lagen die Worte auf der Zunge, dass er diese Schleife unter Hunderten erkennen würde. Er hatte sie zu oft betrachtet, zu oft gedacht, dass sie Nocturn stand, sie mehr als einmal in Wut zusammen mit seinem Kragen gepackt und einmal in Liebe gelöst und dessen Knoten geöffnet…
Schnell schüttelte Youma den Kopf und nahm einen beherzten Schritt auf Nocturn zu.
„Bist du bereit für diesen Abend, Nocturn?“ Er schüttelte noch einmal kurz den Kopf, fasste sich aber schnell wieder und öffnete seine Hand für Nocturn.
„Nein. Lass es mich anders formulieren. Bist du bereit diesen Abend der Weihnacht mit mir zu verbringen?“ Nocturn sah zuerst die Hand an, dann erwiderte er mit einem bübischen Grinsen Youmas ernsten Blick:
„Wie könnte ich so eine verlochende Einladung ablehnen?“
Er nahm die Hand seines Partners-----------
                     --------------- und fand sich, wie er es erwartet und erhofft hatte, in Paris wieder.
Doch der Ort überraschte den Kenner der Stadt der Liebe. Paris hatte so viele Orte wo man alleine sein konnte, so viele schöne Straßen über die man flanieren konnte, so viele Restaurants, wo Youma hätte reservieren können und die alle so perfekt zu ihren Aussehen passten – warum waren sie ausgerechnet auf dem Trocadero Platz? Nicht, dass Nocturn sich beschweren wollte, er liebte Paris, liebte es hier, aber verwunderlich war es.
„Hier? Von allen Orten, die du dir hättest aussuchen können, hast du uns hier hin gebracht? Hast du dich falsch teleportiert?“ Tatsächlich sah Youma ziemlich überrascht und überrumpelt aus.
„Warum… warum sind hier so viele Menschen?“ Nocturn war kurz davor loszuprusten, als er diese Worte hörte – das war mal wieder typisch Youma! Erwartete, dass nur, weil er irgendwo alleine sein wollte, dass jedes Lebewesen natürlich diesen Wunsch respektierte und automatisch das weite suchte. Erwartete sein Prinz doch tatsächlich, dass an Weihnachten niemand anderes den Eiffelturm bewunderte! Ja, es waren weniger Touristen als sonst auf der Aussichtsplattform des Trocaderoplatzes zu Gegend als Nocturn es gewohnt war, aber es waren immer noch gut 300 Menschen; von den üblichen Touristen, die sich vor dem glitzernden Turm fotografierten, schreienden Kindern, Straßenkünstlern und den aufdringlichen Verkäufern von Touristenramsch. Es war laut, es war schrill. Zucker lag in der Luft, denn auch an Weihnachten wurde hier Zuckerwatte verkauft, zusammen mit gebrannte Mandeln. Der Platz war so hell erleuchtet, dass man die Sterne der Nacht kaum sah.
„Ich… ich wollte mit dir alleine sein…“ Nocturn musste sich sehr viel Mühe geben dem Drang des Lachens nicht nachzugeben. Oh Youma! Oh sein Prinz! Er hatte so wenig Ahnung von der Menschenwelt! Jetzt ließ er sich auch noch gänzlich erschlagen von seinen verpatzten Plänen auf die Kante der nach unten führenden Treppen nieder. Er sah aus wie ein Häufchen Elend. Er bemerkte gar nicht, wie Nocturn ihn bemitleidend und äußerst amüsiert angrinste.
„Was wollte mein Prinz denn hier…? Was war sein Plan?“
„Ich wollte mit dir tanzen.“ Youma sah auf den Boden, gänzlich niedergeschlagen.
„Deswegen habe ich eine Ausrede gefunden um nicht bei der Ratssitzung dabei zu sein, habe mich vor Adir und Shaginai blamiert, habe Reitzel mit hineingezogen… Ich wollte mit dir tanzen, hier. Als Weihnachtsgeschenk. So wie damals, als du mich nachts hierhin entführt hast und wir bis zum Morgengrauen getanzt haben.“ Damals war es drei Uhr nachts gewesen. Der einzige Zeitpunkt des Tages, wo selbst Touristen etwas besseres zu tun hatten, als Selfies zu machen… das hatte Nocturn ihm auch erklärt, aber damit sollte er seinen armen niedergeschlagenen Prinzen lieber nicht aufziehen, huh.
„Ou, du hast dir ja wirklich richtig viel Mühe gegeben.“
„Das habe ich ja auch!“ Youma sah richtig verzweifelt aus, fügte sogar hinzu, dass sie nun genauso gut zurückkonnten, aber Nocturn hörte ihm gar nicht zu. Er sah mit einem Lächeln über die Schulter, zu den Straßenkünstlern, wo gerade viel zu kitschige, amerikanische Weihnachtsmusik gespielt wurde, aus mitgebrachten Lautsprechern, deren Qualität in Nocturns Ohren knirschte. Hm…
„Die Qualität der Musik ist ein Graus, aber der Takt ist doch gar nicht übel.“ Youma horchte auf. Nicht wegen Nocturns Worten, sondern wegen der Bewegung seiner Füße: er ließ seine Hake auf den Boden aufschlagen, schlug den Takt ein des Liedes und drehte sich dann schon mit einer eleganten Drehung herum.
„Nocturn, was…“ Youma richtete sich auf, aber Nocturn hatte sich schon mehrere Meter von ihm entfernt.
„Was ich vorhabe?“ Er warf ein Grinsen über die Schulter:
„Das wofür wir hier sind natürlich: Tanzen!“ Und das tat er auch. Ganz egal wie viele Augen sich ihm plötzlich zuwandten, ganz egal wie viel Aufmerksamkeit plötzlich auf ihn lag und ob die Musik plötzlich wechselte. Er tanzte, tanzte mit sich selbst – nein, tanzte, als würde er mit einem unsichtbaren Tanzpartner tanzen, voller Leidenschaft und Hingabe.
Um Youma herum zückten einige Menschen ihre komischen flachen Kommunikationsgeräte und richteten diese auf Nocturn, der sich davon allerdings nicht stören ließ. Er tanzte einfach weiter, bewegte seinen mageren Körper zur Musik, die er mit seinen Schritten zu formen schien, als mache er die Musik. Seine langen Beine tanzten einen Walzer mit sich selbst und mit den Ketten die um seine Fußgelenke gelegt waren. Eigentlich müssten die Fußketten ihn einschränken oder irgendwie behindern; sie müssten Fehl am Platze aussehen, aber irgendwie… war es, als schuf er seinen ganz eigenen Tanz mit den Ketten. Kein einziges Mal brachten sie ihn zum Stolpern, kein einziges Mal behinderten sie ihn und plötzlich… nervte das Klirren der Ketten Youma gar nicht mehr. Nocturn vereinte sie in seinem Tanz; so sehr, dass niemand über die stutzte. Die Menschen glaubten wohl die Ketten seien ein Teil der Show, die ihnen geboten wurde, die Nocturn ihnen da bot – ein getanztes Kunstwerk.
Jeder Schritt war so energisch wie das Leuchten seiner Augen, wie das Rot seiner Schleife, die durch die Luft gewirbelt wurde.
Er brachte die Nacht zum Leuchten.
Einmal, nicht dieses Jahr, sondern eines der Jahre, in der Youma auch in dieser glitzernden, lauten Stadt gelebt hatte, hatte Nocturn Youma gefragt, ob er nicht irgendwelche Wünsche zu Weihnachten hätte, die er ihm erfüllen könnte… und heute war ja auch diese Nacht, diese Nacht, in der Wünsche erfüllt wurden.
… aber wenn er ihn so sah… ihn tanzen sah, vor dem von ihm geliebten Turm, in seiner geliebten Stadt… dann war Youma wunschlos glücklich.
„All I want for christmas is youuuuu.“ Die Töne des Liedes verklungen und mit den letzten Tönen kam auch Nocturn mit einer völlig übertriebenen Verbeugung zum Stillstand. Wohlverdienter Applaus erschütterte sich über den Flötenspieler, dessen Brust sich schnell hob und senkte und dessen ganze Erscheinung strahlte und so verdammt charmant aussah, dass Youma drauf und dran war sein Gesicht hinter einer Hand zu verstecken.
„Merci! Thank you!“, rief Nocturn freudetrunken der Menge zu, die die Handys wieder senkte – doch dann, während das nächste kitschig klingende Lied angespielt wurde, sprang Nocturn in zwei Schritten zu Youma und – sang auf einmal?!
„This year to save me from tears I give my heart to someone special!” Youma verstand kein Wort von dem, was Nocturn da sagte, aber er verstand sehr wohl, was er vorhatte und sofort schüttelte er den Kopf – doch Nocturn wäre nicht Nocturn, wenn er die Proteste seines Prinzen nicht ignorieren würde. Er packte seine Hände – beide auf einmal – und ein elektrisierender Stoß ging durch Youma, als hätte Magie in Nocturns dünnen Händen gelegen. Überrumpelt ließ er sich in die Mitte des Platzes ziehen, wo schnell wieder Platz für ihn gemacht wurde. Youma wollte der Aufmerksamkeit entfliehen, protestieren, aber da zog Nocturn ihn schon mit in den Tanz hinein, so gekonnt, so leidenschaftlich, so voller Freude, dass Youma jegliche Aufmerksamkeit vergaß und sich mitziehen ließ, entfachen ließ von seiner Energie und seiner Begeisterung.
Zuerst tanzten sie ziemlich unorthodox, beide Hände festhaltend, aber dennoch gänzlich synchron, aber dann, in der Mitte des Liedes, übernahm Youma die Führung des Tanzes, die Nocturn ihm bereitwillig überließ, als hätte er nur darauf gewartet im Takt eines Walzers in seinen Armen zu schmelzen. Ihre Blicke trafen sich und obwohl sie nichts sagten… hörte Youma die Worte die Nocturn fühlte; hörte sie in seinen Augen und flüsterte sie in den Tanz hinein:
„Ich dich auch, Nocturn.“
Es gab keinen Grund im Jenseits durchzuatmen; es gab ja keine Luft, die man einatmen könnte. Aber einige Hikari legten diese natürliche Angewohnheit dennoch nicht ab und auch Reitzel erwischte sich bei dieser unsinnigen Tat, ehe er um die Ecke ging, begleitet von Hizashis Schritten, die er schon von weiten gehört hatte.
Schritte, die sofort innehielten, als er Reitzel sah.
Ein deutliches Stirnrunzeln zeichnete sich unter seinen hellem Haar ab und wenn Reitzel sich nicht irrte, dann war er kurz sogar ein wenig erschrocken seinen Mithikari und früheren Schüler dort zu sehen, als wäre es ein unangebrachtes Kapitalverbrechen, dass Reitzel sich überhaupt in der Nähe seines Raumes befinden könnte.
„Hat der kleine Reitzel sich etwa verirrt?“ Die Irritation in Hizashis Stimme stach Reitzel ein wenig; es war doch nur 120 Jahre her, da war Reitzel beinahe täglich in diesem Bereich des Jenseits gewesen.
„Nein, ich wollte zu dir, Hizashi“, antwortete er dennoch mit einem gekonnten, höflichen Lächeln. Es sollte auch eigentlich absolut offensichtlich sein, dass er zu ihm wollte, denn in diesem Bereich des Jenseits gab es nichts… absolut nichts anderes außer Hizashis Raum. Alle anderen Hikari, die hier ihre gehabt hatten, waren schon längst nicht mehr in Jenseits. Adirs Raum war der nächste und dieser war… weit weg von hier. Andere Hikari würden sich sicherlich einsam fühlen, aber Reitzel war sich sicher, dass Hizashi nichts dagegen hatte, allein zu sein. Meistens jedenfalls.
„Zu mir? Ha.“ Hizashi schüttelte den Kopf und fand wieder zu seinem kalten Lächeln zurück, mit dem er jeden erdolchen konnte.
„Dann hast du wohl den falschen Zeitpunkt ausgesucht. Ein Hikari wie ich… muss zum Rat.“ Sehr kindische Stichelei, aber irgendwie schien Hizashi zu glauben, dass es Reitzel störte, nicht Teil des Rates zu sein.
„Wenn du ein Anliegen hast – reich es schriftlich ein. Ich antworte, wenn ich Zeit habe.“ Mit diesen recht abfälligen Worten ging er an Reitzel vorbei, der sich ein wenig Zeit ließ mit dem Antworten – aber nun war es an der Zeit Youma den versprochenen Gefallen zu tun.
Hah, wem belog er da eigentlich. Ihm ging es doch gar nicht um Youma.
Er wollte sich doch nur sein eigenes Weihnachtsgeschenk holen.
„Hizashi.“ Widerwillig drehte Hizashi sich wieder herum, aber Reitzel war froh, dass er es tat, denn er wollte sein Gesicht sehen.
„Sind deine Ohren von Menschenluft verpestet oder habe ich mich nicht klar genug ausgedrückt?“ Doch das hatte er. Dennoch zögerte sein ehemaliger Schüler den Moment ein wenig hinaus, als wolle er ihn gänzlich ausschöpfen.
„Der nächste Band der Dämonen Enzyklopädie der nun zum 10ten Mal neu aufgelegt wird, ist der vierte, nicht wahr?“ Jetzt hatte er Hizashis Aufmerksamkeit. Natürlich. Es ging ja auch um sein Lebenswerk.
„Ja? Worauf willst du hinaus?“ Seine Stimme war schneidender als seine Waffe, aber Reitzel ließ sich nicht einschüchtern.
„Hast du Kapitel 36 überarbeitet?“ Nichts in Hizashis Gesicht sah noch nach einem Lächeln aus – und das alleine war schon ein großer Verdienst.
„Warum findet der kleine Reitzel, dass ich Kapitel 36 überarbeiten sollte?“
„Findest du nicht, dass die Feldarbeit im besagten Kapitel etwas dürftig ausgefallen ist? Heutzutage gäbe es doch andere Möglichkeiten diese etwas auszuarbeiten.“ Und da hatte er ihn. Genau wie er es sich gedacht hatte. Hizashis ganzes Gesicht versteifte sich in Wut und sofort stand er vor ihm.
„Wie bitte? Kritisierst du mich etwa?“ Was war es armselig von Reitzel, dass er sich so über diese Reaktion freute; so sehr, dass er beinahe anfing zu strahlen, einfach nur weil Hizashi ihm nun sämtliche Aufmerksamkeit zukommen ließ. Der Rat war unwichtig geworden – die Zeit genauso. Es war armselig, er wusste es – und dennoch genoss er es in vollen Zügen.
Endlich ein Gespräch!
„Aber nein, ich kritisiere dich nicht. Ich denke nur, man könnte in dieses Kapitel ein wenig mehr Arbeit investieren. Mit mehr Zeit für Feldforschung…“
„Beim Licht der Göttin Hikaru! Wie soll ich mich denn der Feldforschung widmen, wenn ich Dämonen nicht…“ Hizashi war doch tatsächlich gerade so in Rage, dass er beinahe „foltern“ gesagt hätte, aber er konnte sich gerade noch beherrschen.
„Wenn Adir meine Arbeit nicht so dermaßen blockieren würde…!“  
„Aber du stimmst mir zu, dass dieses Kapitel noch weiter ausarbeiten könnte?“
„Natürlich tue ich das! Glaubst du, ich weiß es nicht selbst?!“ Doch natürlich wusste er das.
„Man könnte sich auch normaler Feldforschung widmen. Unblutiger Natur. Durch Beobachtung…“
„Oh komm mir nicht wieder damit; komm mir nicht wieder mit der „Natur des Dämons“ oder noch schlimmer: deren Wesen!“ Er knirschte mit den Zähnen, aber Reitzel wusste es – er hatte ihn. Er hatte ihn genau da wo er ihn haben konnte und Hizashi unbemerkt – der einfach weiter redete – lächelte er ein wenig triumphierend, aber größer als der Triumph wog… die Freude.
Wie lange war es nicht her, dass er so mit Hizashi gesprochen hatte; so lange, so intensiv.
Hizashi lud ihn nicht in seinen Raum ein; aber Reitzel war nicht so verwöhnt, dass er sich darüber pikierte. Sein Plan hatte Erfolg und sein toter Körper brauchte keine Bequemlichkeit mehr. Nach all den Jahren, wo er Hizashis Räumlichkeiten nicht mehr betreten hatte, konnte er wohl auch nicht darauf hoffen, dass dieser ihn einladen würde, egal wie intensiv die Diskussion war… eine Diskussion, die so feurig geführt wurde, dass man meinen könnte… dass auch Hizashi schon lange darauf gewartet hatte, mal wieder eine ordentliche Debatte führen zu können…
… aber vielleicht war das nur Wunschdenken von Reitzels Seite aus.
Doch nichts desto trotz, hatte er sich selbst wahrlich ein wundervolles Weihnachtsgeschenk gemacht!
Youma hatte keine Ahnung wie viele Videos aufgenommen worden waren und auf wie vielen Handys sie festgehalten worden waren, aber am Ende des Abends konnte er seine Füße kaum noch spüren. Es war kurz vor 22 Uhr; ein Lied nach dem anderen hatten sie durchweg miteinander getanzt, allen Blicken ungeachtet. Der Applaus hatte ihren Tanz nie einen Abbruch gemacht; nur die Uhrzeit tat es. Ansonsten hätten sie wohl bis zum Morgengrauen durchgetanzt.
„Uff, ich spüre meine Füße nicht mehr! Dass ich das mal sagen würde, ich bin beschämt!“ Nocturn hinkte auf einem Bein und stützte sich an Youma ab, während sie den Weg hinunter gingen von Trocadeoplatz, hin zum Eiffelturm mit seinen Karussellen, die auch an diesem Abend golden in der Ferne leuchteten.
„Du trägst Fußschellen.“
„Ja, glaub mir, das habe ich nicht vergessen. Das kann ich nämlich gar nicht vergessen – dafür sind sie zu schwer.“ Beim Tanz hatte es aber nicht gerade so ausgesehen, als wären sie zu schwer gewesen, dachte Youma, aber hielt schon Ausschau nach einer Bank.
„Dann sollten wir uns setzen. Wir haben noch ein wenig Zeit.“ Youma legte seine Hand um Nocturns Schulter und steuerte mit ihm auf eine Bank zu. Es war kalt, aber ein wenig wollte er – oder nein, sie – das Zurückteleportieren noch hinauszögern. Kurz atmete Nocturn aus und für einen Moment waren seine Schmerzen in seinem Atem zu hören, aber er grinste schnell wieder:
„Wir landen jetzt sicherlich im Internet. Jede Wette. Wir bekommen eine Millionen Klicks!“ Youma hatte kein Ahnung, was Nocturn da redete während er versuchte seine Füße zu massieren.
„Wäre doch lustig hehe.“ Der Kronprinz runzelte die Stirn:
„Lustig? Ich glaube eigentlich nicht, dass das besonders erfreulich oder ratsam wäre? Wir sollten immerhin nicht hier sein. Wir sollten es tunichts vermeiden gesehen zu werden.“
„Nah, Hizashi und die anderen Hikari treiben sich sicherlich nicht auf Youtube rum.“
„Auf… was?“ Nocturn schüttelte den Kopf – und schmiegte sich auf einmal an Youma.
„Nur kurz. Nur kurz… genießen“, flüsterte er und legte den Kopf auf seine Schulter. Youma errötete, aber er lächelte, genau wie Nocturn es tat.
„Hier können wir es… hier in Paris.“ Youma legte seinen Arm um ihn, entschlossen die paar Minuten noch zu genießen, ehe sie in en Tempel zurück müssten und küsste Nocturns Stirn, obwohl gerade ein anderes Paar vorbei ging.
„Weißt du was, Youma?“ Nocturn sah auf, seine Augen leuchteten, wie seine roten Wangen es taten. Er hob den ausgestreckten Zeigefinger und grinste verschmitzt:
„Das wäre jetzt der beste Zeitpunkt gewesen um Frohe Weihnachten zu sagen!“
„Argh, ich werde es noch lernen.“
„Oui, irgendwann.“       
Die Hikari hatten in der Tat kein Youtube, genauso wenig wie die Wächter es hatten.
Aber Silver hatte sich erst vor kurzem ein Smartphone geholt, einzig und allein deswegen, weil er alles bildlich festhalten wollte. Auch an Weihnachten sprang er zwischen Firey, Green und seinem Bruder hin und her und machte ein Selfie nach dem anderen mit ihnen.
„Silver, jetzt reicht es langsam mal.“ Blue schob seinen Bruder weg von sich, der gerade ein Fotos von sich und ihm machen wollte, während Blue ein Stück vom Weihnachtskuchen nahm.
„Du musst mich nicht fotografieren, während ich esse.“
„Bah, dann widme ich mich eben den vielen anderen tollen Dingen, die ich mit meinem tollen, neuen Handy machen kann, pah.“ Er warf sich neben Firey aufs Sofa, die ihm – zu seinem Leidtragen – aber leider auch einen tadelnden Blick zuwarf, denn sie hatte ihm schon vor Blue gesagt, dass er es mit den Fotos vielleicht ein wenig übertrieb. Green war die einzige, die es liebte mit ihm Grimassen zu schneiden und die sich jetzt auch schon wieder zu ihm herüber lehnte, während Silver Youtube scrollte.
„Ihr seid beide solche Spielverderber, pöh – hey! Green-chan!“ Schneller als Silver handeln konnte, hatte Green ihm das Handy aus der Hand gerissen und starrte vor Wut gebannt auf den Bildschirm. Alle drei sahen sie verwundert an, während man „Last Christmas“ hörte.
„Also ich finde ja auch, dass das Lied etwa zu oft gespielt wird, aber ich dachte du magst…“ Blue wurde von Greens lauten Schrei unterbrochen:
„DAS GLAUB ICH JETZT NICHT!?“ Sie war drauf und dran das Handy auf den Boden zu werfen und hätte das sicherlich auch getan, hätte Silver es nicht gefangen. Ihm rutschte das Handy allerdings aus der Hand und Firey musste es fangen.
Und das Video, dass die Hikari zum Überkochen brachte, war ein Video mit dem Namen „Fußschellenwalzer vor dem Eiffelturm“…
… aber leider bekam Nocturn nicht die erhofften Millionen Klicks.
Es reichte nur für 10.000.      
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