#Datenbankkunde
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Medientheoretisch sind drei Varianten von Datenbanken diskutierbar. Meint Marcus Burkhardt.
In der aktuellen Ausgabe der Rezensionszeitschrift MEDIENwissenschaft bespricht Hans-Dieter Kühler eine bei transcript in der Reihe Digitale Gesellschaft erschienene Dissertation zum Thema Digitale Datenbanken. ( Marcus Burkhardt: Digitale Datenbanken: eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data. Bielefeld, 2015, Eintrag in der DNB) Aus dieser wollen wir für diesen sehr zentralen bibliothekswissenschaftlichen Gegenstand die medientheoretische Differenzierung des Phänomens Daten (bzw. im Buch “medialer Praktiken mit Datenbanken”) in drei Formen dokumentieren:
1. Die Datenbank als latente Infrastruktur, wie sie bespielsweise in Content-Management-Systemen bzw. auf in Sozialen Netzwerken ihre Ausprägung findet. Die Datenbankstruktur ist für das Netzwerk und die mediale Nutzung desselben Mittel zum Zweck und wird an der Oberfläche kaum als solche bewusst wahrgenommen. Sie tritt “als latente Infrastruktur in den Hintergrund.” (Burkhardt, S. 289) 2. Die Datenbank als Informationssammlung, die das Auffinden des “Einen im Vielen” ermöglicht. Das entspricht also der auch Bibliotheks-, Dokumentations- und Informationswissenschaft klassischen, auf das Information Retrieval ausgerichteten Vorstellung von Datenbanken. Distinkte Informationseinheiten sind so gespeichert, dass sie über Anfragen direkt adressiert und ausgewählt werden können. Im Gegensatz zum Netzwerk liegt das Interesse tatsächlich auf der Möglichkeit, eine bestimmte Informationseinheit aus der Gesamtheit (unter den bekannten Herausforderungen von Recall und Precision) für einen Informationsbedarf mittels Abfragetechnologie gezielt abrufen zu können.
3. Die Datenbank als Mittel zur Auswertung und Visualisierung des Vielen. Sowohl Digital Humanities wie auch andere Bereiche der datenbasierten (bzw. Big-Data-)Wissenschaft sind der naheliegende Anwendungskontext, zu dem sich weiteren Big-Data-Zusammenhänge wie z.B. der Datenjournalismus addieren lassen. Burkhardt verweist auf das Distant Reading des Franco Moretti als Gebrauchskontext, für den die Datenbank zum Medium wird. (ebd. S. 307) Spannend ist ihre Nutzung und Aktivierbarkeit u.a. zum Zwecke der Serendipität bzw. Knowledge Discovery:
“Bei der Auswertung des Vielen erscheint die Datenbank nicht als geschützte Aufbewahrungsstätte von Bekanntem, sondern als [...] Basis für das Entdecken von Unbekanntem.” (ebd. S.307)
Man kann sie in der Wissenschaft zugleich auch als Instrument zum Prüfen bzw. Monitoring wissenschaftlicher Arbeit verwenden, wie es bisweilen im Zusammenhang mit den Digital Humanities betont wird:
“Verfahren der Digital Humanities lösen, so auch die Argumentation der Autoren, die traditionellen Praxen der Geisteswissenschaft nicht etwa ab. Vielmehr setzen sie diese voraus. Die Anwendung solcher Verfahren erfordert ein breites grundständiges Wissen auf dem Anwendungsgebiet. Eingebettet in ein korrektes Forschungsdesign ermöglichen sie jedoch eine empirische und übergreifende Prüfung von Hypothesen, wie sie ohne diese digitalen Mess- und Visualisierungswerkzeuge kaum möglich ist. “ (Ben Kaden: Anmerkungen zu John Heuser, Long Le-Khac (2011): Learning to Read Data: Bringing out the Humanistic in the Digital Humanities. In: DHd-Blog, 17.11.2012)
Mitliefern kann man an dieser Stelle vielleicht noch ein Verständnis der Bibliothek, das Marcus Burkhardt mit Derrida (anhand dessen Text' “The Book to Come” aus dem Jahr 2005) so beschreibt:
“Die Bibliothek weist dem Buch einen Platz zu, sie ist ein Lager von Büchern. Daher stellt für Derrida das Legen (Niederlegen, Hinlegen, Platzieren und damit auch Ordnen) die zentrale bibliothekarische Operation dar, durch die das Gesammelte immobilisiert und stabilisiert wird. Hier koinzidieren Buch und Bibliothek, denn beide lassen sich als Sammlungen begreifen, die das Versammelte immobilisieren, es einem Gesetz oder Statut der Verwahrung unterwerfen, was ihnen eine gewisse Stabilität verleiht.” (Burkhardt, S.108)
Aus bibliothekswissenschaftlicher Sicht ist diese Perspektive nicht grundlegend abwegig, aber in jedem Fall deutlich zu verkürzt zumal für das 21. Jahrhundert. Die Idee der Digitalen Bibliothek, die ja genuin auf Datenbanken aufbaut, war für Derrida (und Marcus Burkhardt) offensichtlich weniger von Interesse als ein ganz traditioneller Idealtypus. Ein Blick in ein halbwegs aktuelles Lehrbuch zum Bibliotheksmanagement hätte jedoch vielleicht noch eine sinnvolle Erweiterung des Blickes in die Gesamtbetrachtung eingebracht. Was sich freilich im Nachhinein immer leicht sagt. Außerdem wird immerhin Michael Buckland und mit ihm das Konzept bzw. der Begriff des Dokuments, wenn auch nur per Fußnote (S. 289f.), durchaus problematisiert - mitsamt der Briet’schen Vierheit zu Definition des Begriffs - Materialität, Intentionalität, Prozessierung und Phänomenologie - die aus einem Zootier einen dokumentarischen Beleg werden lässt.
(bk / Berlin, 22.03.2017)
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