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Wer ist der mutmaßliche China-Spion im Europaparlament?
Von Cornelius Dieckmann, Christoph Giesen, Tobias Großekemper, Timo Lehmann, Ann-Katrin Müller, Sven Röbel, Wolf Wiedmann-Schmidt und Steffen Winter Er arbeitete für den chinafreundlichen AfD-Europaabgeordneten Maximilian Krah und bewegte sich unter Exil-Oppositionellen: Nun sitzt Jian G. in Untersuchungshaft. Der SPIEGEL-Report über den Mann, der für Peking spioniert haben soll. Im Rückblick…
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Interview ǀ Offen ist besser — der Freitag
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Interview ǀ Offen ist besser — der Freitag
Die Journlistin Dunja Hayali lebt neben ihrem realen Leben ein weiteres im Netz. Die Folge: unzählige rassistische und sexistische Hassattacken gegen sie. Wie geht sie damit um? Dazu befragte Freitag-Verleger die Moderatorin des ZDF-Morgenmagazins.
der Freitag: Frau Hayali, Sie haben 387.049 Follower bei Twitter und 239.393 Follower bei Facebook. Wie haben Sie das gemacht?
Dunja Hayali: Ich hab mir einen Hund besorgt und poste einfach permanent etwas über Emma. Das läuft … So muss ich mich wenigstens nicht nackt ausziehen, der Hund funktioniert mit und ohne Fell.
Sind Sie sehr mächtig? Könnten Sie zum Beispiel die US-Wahlen beeinflussen, oder die Bundestagswahlen?
Wenn Sie den Usern von Twitter und Facebook Glauben schenken wollen, dann könnte ich das. Ich konnte ja auch die Kanzlerin wiederwählen – oder wiederwählen lassen.
Viele Leute machen sich Sorgen, dass über das Internet zu viel Einfluss auf die Politik genommen wird. Die Amerikaner schämen sich jetzt, dass sie Trump gewählt haben und wollen die Schuld auf Facebook und die Russen schieben.
Wenn man sein Hirn auslagert und alles glaubt, was man bei Facebook liest, sich nicht links und rechts selber noch Informationen beschafft, dann kann man natürlich mit dem Finger immer auf andere zeigen. So kann man relativ leicht durchs Leben gehen. Ob man damit glücklich wird oder irgendetwas lernt, würde ich eher bezweifeln.
Wollten Sie immer Journalistin werden?
Ich war ein sehr großer Fan von Boris Becker und habe selber leistungsmäßig Tennis gespielt. Ich habe natürlich alle Turniere von ihm verfolgt und fragte mich immer: Wie lernt man den wohl am besten kennen? Ich dachte auch: Wer sind all die Leute, die immer mit dem mitreisen? Ah, die Journalisten! Und dann dachte ich: Ich will auch Journalistin werden. Ohne irgendeine Vorstellung davon zu haben, was dieser Beruf mit sich bringt und was das genau bedeutet.
Bereuen Sie es, dass Sie diesen Weg gegangen sind? Wären Sie lieber an der Seite von Boris Becker?
Ich habe nicht die richtige Frisur, um an der Seite von Boris Becker sein zu können (lacht). Wir hatten damals eine gute Seele bei uns zu Hause, Frau Schomberg, die sich um uns und den Haushalt gekümmert hat. Sie hat mich mit großgezogen. Sie habe ich vor ein paar Jahren wiedergetroffen, sie hat zu mir gesagt: „Das war doch klar, dass du Journalistin wirst! Du mit deinem ewigen, dummen ,Warum?‘! Immer warum, warum, warum – den ganzen Tag hast du warum gefragt!“
Die ZDF-Journalistin wurde 1974 im westfälischen Datteln geboren und absolvierte schon während ihres Studiums an der Deutschen Sporthochschule Köln Praktika in diversen Rundfunkhäusern. Nach Stationen bei der Deutschen Welle und Radio Köln moderiert sie seit 2007 das ZDF-Morgenmagazin. Ab Juli dieses Jahres geht ihre Talkshow Dunja Hayali einmal im Monat auf Sendung. 2015 sprach sie für einen Fernsehbeitrag über eine Erfurter AfD-Kundgebung mit Anhängern der rechtspopulistischen Partei, woraufhin sie aus rechten Kreisen stark angefeindet wurde. Im Folgejahr erhielt sie für ihre „mit großer Ernsthaftigkeit und Leidenschaft“ geführte Reportage eine Goldene Kamera.
Grundsätzlich versuche die 43-Jährige, mit allen zu sprechen, auch wenn es mal wehtue. Auf eine Interviewanfrage der Jungen Freiheit las sie die rechte Zeitung ein Jahr lang, bevor sie dem Gespräch zustimmte. „Wir müssen reden“, erklärt sie, „der Dialog hilft.“ Auch in den sozialen Netzwerken sucht sie den Kontakt mit ihren Kritikern. Die Anschuldigung, sie sei „linksgrün versifft“, könne sie mittlerweile zwar nicht mehr hören. Aber gerade für Journalisten sei das „Herausbrechen aus der eigenen Filterblase eine Pflicht“. Trotzdem erfährt sie in den Kommentaren unter ihren Posts auf Facebook und Twitter immer wieder persönliche Angriffe und rassistische Hasstiraden.
Als Tochter irakischer Christen hat Hayali einen direkten Bezug zur Frage der kulturellen Zugehörigkeit („mein Migrationsvordergrund“). Das Schlimmste, das in Deutschland passiere, sei die Ausgrenzung. Im Februar sprach sie sich in einer Rede im Dresdner Schauspielhaus dafür aus, dass jede Heimat unantastbar sei, nicht nur die deutsche. Cornelius Dieckmann
Waren Ihre Eltern glücklich mit Ihrer Berufswahl?
Nein! Mein Vater hat Medizin in Wien studiert, wo er meine Mutter kennengelernt hat, die dort Pharmazie studierte. 1956 haben sie geheiratet, 1957 wurde mein Bruder geboren, 1963 folgte meine Schwester. Sie alle haben was mit Medizin gemacht, nur ich nicht. Da können Sie sich in etwa vorstellen, was es zu Hause für Diskussionen gab: „Das schwarze Schaf“ und: „Warum denn nicht?“. Ich habe immer gesagt – und das stimmt auch –, ich habe wahnsinnige Angst vor Spritzen. Zu meinem Dad habe ich gesagt: „Pass auf, Medizin ist so eine irrsinnige Verantwortung, die will ich nicht tragen.“ Mein Vater war ein ganz toller Arzt. Neulich war ich in Datteln, meinem Heimatort, und bin mit meiner Schwester durch die Stadt gelaufen. Da kam eine ehemalige Patientin meines Vaters zu mir und erzählte eine wahnsinnige Geschichte.
Welche?
Ich konnte es kaum glauben: Mein Vater hatte ihr das Leben gerettet. Und sie bedankte sich noch mal. Mein Vater ist mittlerweile sehr alt und krank. Sie sagte, ohne ihn würde es sie heute gar nicht mehr geben. Da dachte ich noch einmal: „Gut, dass du das nicht gemacht hast. Diese Verantwortung willst du nicht auf deinen Schultern haben.“ Wenn ich mich als Moderatorin verspreche oder die falsche Frage stelle, stirbt in der Regel niemand– außer meinem Chef, aber aus anderen Gründen.
Haben Sie journalistische Vorbilder?
Ich könnte jetzt sagen, ich bewundere den Mut der Publizistin Carolin Emcke. Aber meine wahren Vorbilder sind nur meine Eltern. Sie sind aufgrund ihrer Lebensgeschichte wirkliche Helden für mich. Im Beruf habe ich das eigentlich nicht. Ich hab ja von der Pike auf gelernt. Ich weiß gar nicht, wie viele Praktika ich gemacht habe. Ich habe morgens um sechs versucht, im Regen Interviews vor der U-Bahn zu führen. Die meisten Menschen sind ja schlecht ge-launt an einem vorbeigerannt. Oder haben einem irgendwas Unfreundliches noch ins Gesicht gerotzt.
Haben Sie Kaffee gekocht?
Ich hab Kaffee gekocht, kopiert, ich bin diesen ganzen Weg gegangen. Ich hatte gar keine Zeit, nach oben, links oder rechts zu gucken, sondern ich habe einfach immer nur gemacht, gemacht, gemacht. Das ZDF kam mehr durch Zufall ums Eck. Als ich den heute-journal-Moderator Claus Kleber kennenlernte, dachte ich auch „wow“. Aber nicht lange.
Für einen Abend mit Boris Becker hat Dunja Hayali (r.) nicht die richtige Frisur
Foto: Philipp Plum für der Freitag
Sie sind jetzt ein Star.
So sehe ich mich nicht. Gott sei Dank sehen mich meine Freunde auch nicht so. Die lachen sich immer kaputt. Wenn ich gleich nach Hause komme, habe ich innerhalb von sieben Sekunden meine Jogginghose an und sitze auf dem Sofa, der Hund liegt neben mir. Das bin ich eben auch. Das heißt nicht, dass ich verkleidet bin oder so was. Aber ich sehe mich nicht als Star. Ich mache meinen Job.
Sie machen mehr als Ihren Job und präsentieren sich selbst über das Internet. Seit wann geht das schon mit dem Netz?
Ich würde mal schätzen: drei, vier, fünf Jahre. Die Seite, die es mit meinem Namen gibt, die gehörte mir gar nicht. Das haben Fans ins Leben gerufen. Ich wusste das zunächst nicht, weil ich zu jener Zeit gar nicht auf Facebook war. Bis Freunde zu mir sagten: „Hey, du bist bei Facebook!“ Ich hab die Macher von der Seite angeschrieben und gesagt: „Leute, das geht nicht. Jeder denkt, das wäre meine Seite. Ihr könnt da sonst was schreiben und ich krieg den Stress. Das müssen wir anders machen.“ Dann haben wir das eine Zeit lang zusammengemacht. Immer ging es um Emma, meinen Hund. Irgendwann fragte ich mich: Was will ich eigentlich mit diesem Facebook? Wofür brauche ich das? Und habe angefangen, inhaltlich zu kommentieren und selber Kommentare zu posten. Es ist ein bisschen wie ein Sog.
Wie viel Zeit verbingen Sie täglich bei Facebook und Twitter?
Zwischen zwei und vier Stunden. Heute zum Beispiel habe ich gefragt: „Welches Thema brennt Ihnen unter den Nägeln? Wo muss mal richtig Geschwindigkeit rein?“ Bei den Antworten waren tolle Sachen dabei, auf die man erst mal gar nicht so kommt. Klar, die Pflege, die Rente, die Altersarmut, die Bildung. Syrien kam ganz oft.
Sind Sie internetsüchtig?
Ich hab Interesse! Ich will Erkenntnisgewinn. Ich möchte wissen: Warum glauben so viele Menschen den Medien nicht mehr? Oder: Warum finden manche eine Überschwemmung in Indien mit 1.000 Toten uninteressanter als den Müll beim Nachbarn, der nicht jede Woche abgeholt wird? Unser Job ist ja nicht nur Berlin, Berlin, Berlin.
Sie moderieren ein Morgenmagazin: Wann stehen Sie auf?
Viertel vor vier. Viele andere Menschen machen das auch und verdienen weniger. Und haben wahrscheinlich weniger Freude an ihrem Job.
Sind Sie ein politischer Mensch? Sie verbringen viel Zeit in Chats, bei denen es nicht um politische Inhalte geht.
Mich bewegt das Thema Pflege. Ich habe eine Mutter, oder besser ich hatte eine Mutter, die an Parkinson erkrankt war – mit Schüben von Demenz. Mein Vater ist dement und hat Schübe von Parkinson. In den vergangenen Jahren habe ich viel Zeit in Pflegeheimen verbracht. Ich weiß also, warum mich dieses Thema so bewegt. Ich habe zwei Nichten, die sind Lehrerinnen, mit ihnen rede ich viel über die Bildungsmisere.
Ihre Eltern kommen aus dem Irak. Sie selber reden häufig von Migrationsvordergrund, wenn es um Ihre Biografie geht. Warum?
Weil meine Migrationsgeschichte – oder die meiner Eltern – immer im Vordergrund stand. Als ich beim ZDF angefangen habe, da hieß es: „Sie haben den Job nur deswegen bekommen.“ Und so spann sich das die ganze Zeit weiter. Und jetzt spielt meine Migrationsgeschichte wieder eine Rolle, bei Hate Speech und dem Hass im Netz. Da höre ich den Spruch: „Du gehörst gar nicht zu Deutschland.“
Für Ihre Eltern soll es gar nicht so ein großes Problem gewesen sein, im Ruhrgebiet heimisch zu werden, weil die Leute es ihnen damals leicht gemacht haben.
Ein Grund ist: Meine Eltern sind Akademiker, sie haben damals nicht in einem Ghetto gewohnt, wie andere Menschen mit Migrationsgeschichte. Sie lebten mittendrin. Der andere Grund ist: Wir sind Christen, deshalb sind andere Menschen anders auf meine Familie zugegangen.
Weil kein Kopftuch da war oder andere Beschränkungen?
Ja. Und weil mein Vater Wert darauf gelegt hat, dass wir eine gute Bildung bekommen. Außerdem hatten wir ein sehr offenes Haus. Bei uns sind die Freunde ein und aus gegangen, Deutsche, Perser. Religion oder Hautfarbe spielten bei uns keine Rolle. Wichtiger war: Kommen wir miteinander aus? Können wir tanzen? Mögen wir das Essen? Können wir miteinander streiten? Bei uns zu Hause flogen schon mal die Fetzen.
Empfinden Sie sich als sehr deutsch? Sie haben sich damit mal in einer Rede beschäftigt.
Klar! Ich bin, glaube ich, durch und durch deutsch, mit einem recht arabischen Temperament. Ich bin hier geboren, ich bin hier groß geworden. Aber wenn Sie jetzt im Netz gucken, werden wahrscheinlich wieder irgendwelche Leute schreiben: „Die ist auf gar keinen Fall deutsch.“ Das treibt mich um. Ich weiß, was Ausgrenzung bewirkt. Kürzlich habe ich eine Statistik gelesen, in der stand, dass 14 Prozent der Deutschen überhaupt nur jemals einen Kommentar im Internet verfasst haben. 14 Prozent!
Ist das viel oder wenig?
Wenig. Das heißt, dass wir uns im Netz immer mit denselben Menschen beschäftigen, die wahrscheinlich jeweils 47 Accounts haben. Oder nehmen Sie den Kurznachrichtendienst Twitter. Wenn ich an Schulen gehe und über Links- oder Rechtsextremismus rede, oder über Homophobie, frage ich in der Klasse immer: Wer ist bei Facebook? Dann gehen ein paar Hände hoch. Wer macht Twitter? Niemand.
Ich habe auf Fotos gesehen, dass Sie viele Tätowierungen haben. Ich komme jetzt in das Alter, wo man so was machen kann. Können Sie mir ein Tattoo-Studio empfehlen?
Ich gehe mit Ihnen hin.
der Freitag Jakob Augstein Quelle
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Interview ǀ Abgefüllt wie ein Köter — der Freitag
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Interview ǀ Abgefüllt wie ein Köter — der Freitag
Im Zuge der gewaltsamen Niederschlagung der Demokratiebewegung auf dem Platz des Himmlischen Friedens am 4. Juni 1989 schrieb Liao Yiwu ein Gedicht, für das er zu vier Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Seine regimekritischen Werke dürfen in China auch seit dem Ende seiner Haftstrafe nicht erscheinen. Seit 2011 lebt er im deutschen Exil. In seinem neuen Buch Drei wertlose Visa und ein toter Reisepass erinnert er sich an seine „lange Flucht aus China“.
der Freitag: Herr Liao, Ihnen wurde 15 Mal die Ausreise verweigert, Ihr Reisepass wurde annulliert, am Ende mussten Sie sich Ihre Freiheit für 40.000 Renminbi (damals 4.250 Euro) bei einem vietnamesischen Schlepper erkaufen. Hat Sie das wütend gemacht?
Liao Yiwu: Das war viel weniger Wut, als extreme Angst. Ich bin in meinem Leben zwei große Wagnisse eingegangen. Das eine war die Verbreitung meines Gedichts Massaker im Juni 1989, wofür ich ins Gefängnis musste. Das andere war diese Flucht. Ich war 53 Jahre alt und dachte: Wenn du jetzt nicht rauskommst, dann ist dein Leben vorbei. Zum Glück habe ich meinem Instinkt vertraut. Dass es auch anders kommen kann, hat man ja an Liu Xiaobo gesehen, der letztes Jahr mir nichts, dir nichts in der Haft gestorben ist.
In Ihrem Buch ist ein Brief abgedruckt, den Sie vor Ihrer Flucht an Angela Merkel geschickt haben. Darin schreiben Sie: „Ich muss unbedingt einmal durchatmen, den Geschmack der Freiheit auf der Zunge spüren.“ Fühlen Sie sich in Deutschland frei?
Als ich geflohen bin, dachte ich: Hauptsache weit weg von China.Nach meiner Ankunft in Deutschland bin ich um die ganze Welt gereist, nach Australien, Taiwan, in die USA. Der letzte Satz in meinem Buch ist: „Lebe wohl, China, den du immer eingesperrt hast, er wird nun über die Erde wandern.“ Trotzdem, ganz frei fühle ich mich nicht. Freunde wie die Künstlerin Liu Xia und der Autor Li Bifeng sitzen noch immer in China fest und leiden. Ihre Unfreiheit bedeutet auch meine Unfreiheit.
Liao Yiwu wurde 1958 in der chinesischen Provinz Sichuan geboren. 2012 erhielt er den Friedenspreis des deutschen Buchhandels. Sein jüngstes Buch Drei wertlose Visa und ein toter Reisepass: Meine lange Flucht aus China ist im April bei S. Fischer erschienen. Seit 2011 lebt er in Berlin
Sie schreiben, China sei „die größte Müllhalde der Welt, aber nirgendwo auf der Welt gibt es so viele Geschichten wie auf dieser Müllhalde.“ Wie meinen Sie das?
In China passieren Dinge, die jenseits der Fantasie des besten Schriftstellers sind. Nehmen wir das Wetter: In vielen Städten gibt es ein Smog-Problem, dauernd ist der Himmel bedeckt. Aber wenn eine wichtige Persönlichkeit aus dem Ausland zu Besuch kommt, sorgt die Regierung mithilfe von Chemikalien dafür, dass der Smog sich verzieht und die Sonne scheint. Wer kann sich sowas ausdenken? Oder ein anderes Beispiel: Vor ein paar Wochen sehe ich plötzlich ein Selfie, auf dem zwei Menschen sich herzen. Das waren Ai Weiwei und Alice Weidel. Hat der Kerl sich nicht gerade noch für Flüchtlinge eingesetzt? Als Schriftsteller beschreibe ich Figuren, die eine innere Entwicklung haben, aber wie kann jemand so unvermittelt von ganz links nach ganz rechts springen?
Ein Kapitel Ihres Buches heißt „Heimat in der Fremde“, nach einem Stoßseufzer von Friedrich Hölderlin. Ist Deutschland Ihre Fremde?
Wirklich zu Hause fühle ich mich nur in der Literatur. Ich bin es gewohnt, an einem Ort ein Fremder zu sein, aber wenn ich chinesische Bücher lese oder auf Chinesisch schreibe, ist es, als wäre ich wieder in meiner Heimat.
Und diese Heimat ist China?
Dieses von mir so verachtete China? Ich habe das schon 2012 bei meiner Friedenspreisrede gesagt: Dieses Imperium muss auseinanderbrechen. Meine Heimat, das ist eigentlich die Provinz Sichuan. Im Idealbild stelle ich sie mir als ein Land voller Köche und Schnapsbrenner vor. Wenn wir Sichuaner trinken, und wir trinken gerne, krakeelen wir plötzlich mutig herum, schimpfen auf die Regierung und sagen, was wir wirklich denken. Bestünde ganz China zu 70 Prozent aus Trinkern, hätten wir Demokratie im Land! (lacht)
Wie sieht das Leben aus, das Sie sich gewünscht hätten, wenn Sie nicht zur Flucht gezwungen gewesen wären?
Ich hatte eigentlich nie allzu große Ansprüche an das Leben. Nachdem ich 1994 aus dem Gefängnis frei kam, haben sich viele meiner Literatenfreunde nicht mehr getraut, mit mir Kontakt aufzunehmen. Ich habe dann ein paar Jahre als Kneipenmusiker gearbeitet, hier gesungen, dort Flöte gespielt. Mit dieser Existenz war ich eigentlich ganz zufrieden. Ich bekam Getränke, und das Publikum war spendabel. Wenn ich heute an die Zeit denke, werde ich ein bisschen nostalgisch. Ich empfand sogar einen gewissen Stolz auf meinen Lebensstil. Viele Künstler, die mal politische Gefangene waren, sind nach ihrer Freilassung auf Stipendien von Stiftungen angewiesen. Als Kneipenmusiker konnte ich zwei, drei Jahre direkt von meiner Kunst leben.
Apropos Trinken: In ihrer Fluchtgeschichte erzählen Sie, wie ständig der Sicherheitsdienst vorbeikommt und „Tee trinken“ will.
„Tee trinken“, das heißt in China mittlerweile: Polizeiverhör. Einmal wurde ich in Yunnan von der Nationalen Sicherheit aufgegriffen und mit zum Anwesen eines bekannten Milliardärs geschleppt. Dieser Mann, so hörte man, unterhielt enge Beziehungen zu Wang Qishan, dem jetzigen Vizepräsidenten, und erstattete dem Sicherheitsdienst regelmäßig Berichte, vermutlich als informeller Mitarbeiter. Er trank wie ein Lebensmüder und bestand darauf, dass ich über Monate hinweg dreimal am Tag mit ihm soff. Es war zum Verzweifeln, er hat mich abgefüllt wie einen Köter. Nachdem wir getrunken hatten, wollte er mich dazu bringen, Geständnisse abzulegen und sagte: „Liao, erzähl von deinem Leben.“ Die Sicherheitsbeamten saßen daneben und schrieben Protokoll. Das war ihre Art, mich umzuerziehen.
Die Sicherheitsleute wollten Sie auch dazu bringen, ein regimekonformes Buch zu schreiben, quasi als Rehabilitationsangebot.
Ja, der Milliardär kam eines Tages an und meinte: „Hier ist dein Ausweg. Du musst dich ja nicht gleich beim Staat anbiedern, aber schreib doch mal einen Bestseller, was Leichteres. Wenn wir deinen Entwurf gut finden, kriegst du eine Anzahlung, ich bitte den Präsidenten der Universität Peking um ein Vorwort und du bist ein ganz neuer Mensch.“ Ich schrieb also den Anfang eines Schelmenromans, in dem ich einen dekorierten Veteranen aus dem Koreakrieg erfand, der in einem Rotlichtviertel in ein Missgeschick hineinstolpert und einen Medienskandal lostritt. Nach einer Weile machte mir das Schreiben sogar Spaß, und als ich fertig war, war ich wirklich zufrieden mit mir. Ich dachte ernsthaft, die Geschichte würde den Sicherheitsleuten zusagen. Aber der Chef las meinen Entwurf und brüllte mich an: „Was ist das schon wieder für reaktionäres Zeug? Was faselst du von einem Revolutionär, der zu Prostituierten geht? Dir kann man einfach nicht helfen!“
Und umgekehrt? Macht Ihnen noch etwas Hoffnung für China?
Als ich mir das letzte Mal Hoffnungen gemacht habe, hat sich das als großer Fehler herausgestellt. Das war vor meiner Flucht, ich hatte die Erlaubnis erhalten, einer Einladung zum Internationalen Literaturfestival Berlin zu folgen, und Herta Müller und Wolf Biermann sagten zu mir: „Wenn du jetzt zurückgehst, kommst du nie wieder raus.“ Ich wollte aber unbedingt, ich dachte, die Dinge bessern sich gerade. Liu Xiaobo hatte den Nobelpreis gewonnen, und Liu Xia durfte ihn im Gefängnis besuchen. Ich war kaum in Peking gelandet, da drehte sich mir der Magen um – am Ausgang warteten drei Polizisten auf mich und führten mich ab.
Liu Xia, die Witwe von Liu Xiaobo, steht seit 2010 ohne Anklage unter Hausarrest. Anfang Mai haben Sie einen Mitschnitt eines Telefonats mit ihr veröffentlicht, in dem sie unter Tränen sagt, dass Sterben für sie einfacher wäre als Leben. Vergangene Woche fragte ein deutscher Journalist während Angela Merkels Staatsbesuch nach Liu Xias Schicksal. Chinas Premier Li Keqiang sagte nur, Humanität liege China am Herzen.
Lis Antwort ist ein Fortschritt, aber Liu Xias Hausarrest beweist, dass genau das Gegenteil seiner Aussage der Fall ist. China tritt Menschenrechte und Humanität mit Füßen. Die Aufzeichnung des Telefonats, in dem Liu Xia so bitterlich weint, ist um die ganze Welt gegangen. Ich gehe davon aus, dass auch Angela Merkel sie gehört hat und weiß, dass sie jetzt mehr denn je für Liu Xia kämpfen muss. Die Welt heftet ihren Blick auf sie und sagt: „Habt ihr Deutschen nicht die ganze Zeit über Liu Xia und Liu Xiaobo geredet, als er den Friedensnobelpreis bekommen hat? Jetzt müsst ihr euch fragen, wie ihr zu Ergebnissen kommt.“
der Freitag Cornelius Dieckmann Quelle
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AfD | Dekonstruktion des Dorftrottels
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AfD | Dekonstruktion des Dorftrottels
Ist die Provinz Schuld am Aufstieg der Rechtspopulisten? Zwei Studien zeichnen ein wesentlich differenzierteres Bild
Eine Ferndiagnose, sagt der Duden, ist eine „Beurteilung, zu der jemand gelangt, ohne sich unmittelbar mit einem bestimmten Untersuchungsgegenstand oder Sachverhalt zu befassen“. Das kommt einem in den Sinn, wenn man sich die in Städten gängige Betitelung von AfD-Wählern anhört: Arbeitslose Dorftrottel seien das, Landeier, denen in ihren Käffern so langweilig sei, dass sie ohne Feindbild nicht können. Eine Verurteilung der „Anderen“, basierend auf Stereotypen und eben nicht auf persönlichen Begegnungen. Wer ist schuld an den 12,6 Prozent für die AfD bei den Wahlen zum Bundestag? Die Stadt sagt: Die Provinz war’s; der Westen beschuldigt den ländlichen Osten.
Eine jüngst erschienene Studie meint: Diese Form von Ferndiagnose ist der größte Fehler der kriselnden Volksparteien. Missstände werden aus komfortabler Distanz beobachtet und mit uninspirierten Lösungsvorschlägen bedacht. Was in dünn besiedelten Regionen mit Ärztemangel mitunter medizinischer Pragmatismus ist – die Feststellung von Krankheitsbildern anhand aus der Ferne geschilderter Symptome –, wird so zum Regierungsprinzip. Rückkehr zu den politisch Verlassenen heißt deshalb der Forschungsbericht, den Johannes Hillje von der Berliner Denkfabrik „Das Progressive Zentrum“ im März veröffentlicht hat.
Oberhausen ist auch peripher
Hilljes Prämisse ist, dass individuelle Erkenntnisse über Bürger in AfD-Hochburgen nur vor Ort gewonnen werden können. In sozial und wirtschaftlich benachteiligten Regionen mit hohen AfD-Anteilen führten er und sein Team vor der Bundestagswahl 250 Haustürgespräche. Die Befragten mussten dabei nicht ihre Parteipräferenz angeben, sondern wurden schlicht gebeten, über ihre Alltagssorgen zu sprechen. Wo viel AfD gewählt wird, so die Logik, geht es nicht nur AfD-Wählern schlecht. Das Fazit: Der Rechtspopulismus erstarkt an diesen Orten nicht etwa, weil die Menschen dort von Natur aus fremdenfeindlich wären, sondern weil die Politik die Infrastruktur in ihrer Region im Stich gelassen hat.
Hillje warnt davor, „strukturschwach“ vollends mit „ländlich“ gleichzusetzen. Zwar sei gerade im Norden und in den neuen Bundesländern eine solche Tendenz vorhanden. Aber auch Städte wie Oberhausen und Frankfurt/Oder würden in die Kategorie gehören. Freilich trifft es auch hier die Peripherie am härtesten. Eine Frau aus Gelsenkirchen-Ost beklagt in der Studie, dass vor Kurzem der letzte für sie zu Fuß erreichbare Briefkasten abmontiert worden sei. Auch die „Busverbindungen sind sehr schlecht, unter der Woche kommt der nur einmal pro Stunde, am Samstag kommt man nach 15 Uhr gar nicht mehr weg.“ So wird das Warten auf die etablierten Parteien in vernachlässigten Regionen zum Warten auf Godot. Die AfD erzielte in Gelsenkirchen-Ost fast 27 Prozent.
Aufschlussreich ist, dass sich Menschen in dünn besiedelten Räumen auf die Frage nach ihrem eigenen Alltag an erster Stelle über die mangelhafte Verkehrsinfrastruktur beschweren und nicht, wie es das Stereotyp will, über die Migration. Hillje schließt daraus, dass auf privater Ebene Fremdenfeindlichkeit keineswegs auf intrinsischem Rassismus beruhe, sondern auf eigens erfahrenen Benachteiligungen – „einem persönlichen Entwertungsgefühl“, das sich in der Herabwertung anderer entlade.
Gerade in der städtischen Peripherie und auf dem Land, wo die Infrastruktur oft leidet, muss die Politik daher ansetzen. Der hauptstadtlastige Diskurs mag zwar das Gefühl vermitteln, Deutschland sei ein vorwiegend urbanes Land. Laut den jüngsten Zahlen des Statistischen Bundesamts leben aber beinahe zwei Drittel der Deutschen in nur gering oder mitteldicht besiedelten Regionen – und fühlen sich häufig von der Regierung vernachlässigt. Hillje sieht das Problem in der schwachen Parteipräsenz: „Parteien sind auf lokaler Ebene oftmals nur noch dort mit einem Büro vertreten, wo sie für den Wahlkreis einen Abgeordneten stellen“. Weitergedacht heiße das: „Wo kein Ortsverband, da kein Besuch von Politikern.“
Mangel als Chance
Ein kürzlich veröffentlichter Bericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung bekräftigt diesen Eindruck. Die Politik müsse ihr Augenmerk dringend auf ländliche Räume legen, so die DIW-Forscher, die neben Strukturschwäche und Überalterung von Regionen weitere Faktoren für den Rechtsruck ins Feld führen: In Ostdeutschland etwa häuften sich für die Erstarkung der Rechten günstige Umstände wie die hohe Anzahl handwerklicher und prekärer Arbeitsplätze und eine empfundene Perspektivlosigkeit, insbesondere unter Jugendlichen.
So erklärt sich womöglich auch, dass die Rechtspopulisten die CDU bei der vergangenen Bundestagswahl in Sachsen als stärkste Partei ablösten. Statistisch gesehen ist der Freistaat aber das urbanste unter den neuen Bundesländern: 39 Prozent der Bevölkerung leben in dichten Siedlungsgebieten. Das Problem ist hier wohl weniger eine mangelhafte Infrastruktur, als vielmehr die beschriebene Prekarität.
Eigentlich bieten diese Analysen den Parteien eine Chance: Wo Mangel herrscht, kann die Politik Abhilfe schaffen. Die Menschen in den vergessenen Räumen jedoch haben ihre Hoffnung verloren, von den Volksparteien abgeholt zu werden. Davon, so Hillje, profitiere die AfD jetzt wie seinerzeit schon die NPD, die in der brandenburgischen und sächsischen Provinz mit regelmäßigen Bürgersprechstunden zur „Kümmererpartei“ avanciert sei: „Gerade die sich als Volksparteien definierenden Parteien müssen in diese Räume zurückkehren. Nur so kann buchstäblich politisches Gelände zurückgewonnen werden.“ Mit Ferndiagnosen wird man also nicht weit kommen – es hilft nur ein Aufbruch zu den Zurückgelassenen. In Berlin fahren die Busse ja oft genug.
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der Freitag Cornelius Dieckmann Quelle
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