#BuchEsther
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Nina Niedermeier Museo della Padova Ebraica Von Hand illuminiert: Diese Esther-Rolle entstand Mitte des 18. Jahrhunderts in Norditalien und ist heute in Padua zu sehen.
Esther im frühneuzeitlichen Venedig
Das Buch Esther spielt in der jüdischen und in der christlichen Religion eine Rolle: Als Teil des Alten Testaments wurde der Stoff in beiden Traditionen in Bildern dargestellt. Gerade in der Republik Venedig, wo verschiedene Religionen aufeinandertrafen, kam es hierbei vom 16. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts zu zahlreichen Berührungspunkten. Diese untersucht nun Dr. Nina Niedermeier vom Lehrstuhl für Kunstgeschichte der Universität Augsburg in einem neuen DFG-Projekt. Esther war eine mutige Frau, die sich für ihr Volk einsetzte: Als Haman, Großwesir und somit höchster Regierungsbeamter am persischen Hof, einen Genozid an den Juden plante, gelang es Esther, den Völkermord zu verhindern und sogar umzukehren. Statt des jüdischen Volks wurden schließlich dessen Feinde getötet. So schildert es – historisch nicht verbürgt – das Alte Testament.
Wichtig für jüdische Identitätsbildung
In der jüdischen Kunst wurde der Stoff vielfach aufgegriffen und erlangte eine herausragende Bedeutung für die Identitätsbildung. Esther wurde zum Vorbild für Juden in der Diaspora: Indem sie ihre jüdische Identität zeitweise verbarg, sorgte sie dafür, dass die jüdische Kultur überlebte.
Da der Name Gottes in der hebräischen Fassung des Buchs Esther nicht vorkommt, gelten für den Text nicht die üblichen Beschränkungen für Illustrationen biblischer Texte im Judentum. Und so entstanden ab dem16. Jahrhundert zahlreiche ausgiebig illustrierte Schriftrollen des Buchs Esther.
Verflochten über religiöse Grenzen hinweg
Auch in der christlichen Kunst wurde das Motiv vielfach bearbeitet, etwa in Bibel-Illuminationen – also in Buchmalerei, die oft auch Vergoldungen enthält – sowie in druckgrafisch illustrierten Bibelausgaben. Zudem wurde der Esther-Stoff in Gemälden und Fresken aufgegriffen, in Venedig auch in profanen Bauten wie dem Dogenpalast und privaten Palazzi.
In ihrem Forschungsprojekt untersucht Kunsthistorikerin Dr. Nina Niedermeier die zahlreichen transreligiösen Verflechtungen rund um dieses jüdisch-christliche Bildthema in Venedig: Da Juden keine Druckereien betreiben durften, beauftragten sie im 17. und 18. Jahrhundert christliche Druckereien mit der Herstellung druckgrafisch illuminierter Esther-Rollen. Dadurch kam es auch zu einer Zusammenarbeit mit christlichen Künstlern wie Francesco Griselini, die wiederum Illustrationen für die Esther-Rollen anfertigten.
Unterschiedliche Bildtraditionen
„Wie passten sich die christlichen Künstler an den jüdischen Kontext an, wie viel christliche Bildsprache lassen sie mit einfließen? Das ist spannend zu beobachten. Tatsächlich ist die Bildsprache durchmischt“, erklärt Niedermeier. „Historisch gesehen gab es also keine scharfe Abgrenzung zwischen jüdischer und christlicher Rezeption des Esther-Stoffs“, stellt sie fest. Niedermeier sieht darin einen Bezug zur heutigen Zeit: „Auch in unserer Gesellschaft kommen Kulturelemente unterschiedlicher Couleur vor.“
Neben Parallelen bildeten sich im Lauf der Jahrhunderte auch unterschiedliche Bildtraditionen heraus. Während sich jüdische Illustrationen sehr stark am Wortlaut des Texts ausrichteten, lösten sich christliche Darstellungen zunehmend vom Text, inszenierten den Esther-Stoff als Heilsgeschichte oder auch als Vorwegnahme Mariens. So wird Esthers Ohnmacht ab dem 17. Jahrhundert mit Mariens Ohnmacht assoziiert und erotisch aufgeladen. Oft spielt die Körperhaltung oder die genaue Ausgestaltung des Gewands Esthers direkt auf Maria an.
Forschungslücke um Friedensstifterin
„Mit meinem Projekt schließe ich eine Forschungslücke“, erklärt Niedermeier. „Darstellungen des Esther-Stoffs in den Niederlanden, in Deutschland und in Frankreich wurden bereits untersucht, jedoch ausgerechnet in Venedig nicht. Dabei handelte es sich im 17. und 18. Jahrhundert um einen äußerst bedeutsamen Ort für die Produktion von druckgrafisch illuminierten Esther-Rollen.“
Zur Figur der Esther hat Niedermeier bereits geforscht. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin eines Sonderforschungsbereichs der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) hat sie weibliche Heldenfiguren untersucht und wurde dabei auf Esther aufmerksam. „Die Figur der Esther finde ich sympathisch, weil sie als Friedensstifterin auftritt und massive Konflikte mit Worten löst. Ein Genozid wird angedroht, und Esther rettet ihr Volk.“
Vernetzte Forschung
Das Projekt ist bei Prof Dr. Andrea Gottdang, Lehrstuhlinhaberin Kunstgeschichte an der Universität Augsburg, angesiedelt und wird in Kooperation mit Prof. Dr. Katrin Kogman-Appel, Leiterin des Instituts für Jüdische Studien der Universität Münster, durchgeführt. Angestrebt wird zudem eine enge Zusammenarbeit mit der Gastprofessur für Jüdische Studien an der Universität Augsburg.
Die DFG fördert das Projekt für drei Jahre. Neben Sachmitteln umfasst die Förderung die Kosten für Niedermeiers Stelle sowie für eine wissenschaftliche Hilfskraft.
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