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blitzfab55-blog · 7 years ago
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«Schwarze Listen können für Schuldner tödlich sein»Weil er seine Prämien nicht bezahlt hatte, wurde ein HIV-positiver Mann nicht behandelt und starb. Das sorgt für Kritik.
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Mit schwarzen Listen versuchen neun Kantone, säumige Versicherte zum Zahlen zu bewegen.
Bis die Schuldner ihre Rechnungen zahlen, verweigert die Krankenkasse auf Meldung des Kantons die Behandlung – ausser in Notfällen.
Welche fatalen Folgen diese Praxis haben kann, zeigt ein Beispiel aus dem Kanton Graubünden. Laut «SonntagsZeitung» weigerte sich die Versicherung ÖKK, einem 50-jährigen HIV-positiven Mann 2016 die nötigen Medikamente zu bezahlen.
Welche fatalen Folgen diese Praxis haben kann, zeigt ein Beispiel aus dem Kanton Graubünden. Laut «SonntagsZeitung» weigerte sich die Versicherung ÖKK, einem 50-jährigen HIV-positiven Mann 2016 die nötigen Medikamente zu bezahlen.
Auch nachdem sich sein Zustand verschlechtert hatte, beharrte die ÖKK darauf, dass es sich nicht um einen «akuten, lebensbedrohlichen» Zustand handelte. Der Mann starb Ende 2017.
Für SP-Nationalrat und Arzt Angelo Barrile ist es eine «absolut zynische Ausrede», dass es sich bei einer tödlich verlaufenden Krankheit wie Aids nicht um einen Notfall handeln soll. «Zumindest nach Ausbruch der Krankheit hätten die Medikamente zwingend bezahlt werden müssen, womit es möglich gewesen wäre, den Tod zu verhindern.»
Barrile fordert deshalb von den Kantonen, die Listen abzuschaffen: «Sie bringen Menschen, die auch unverschuldet ihre Prämien nicht mehr bezahlen können, in Lebensgefahr.»
Weiterhin für schwarze Listen spricht sich SVP-Nationalrätin Verena Herzog aus. Zweifellos handle es sich beim Bündner Fall um ein «tragisches Schicksal». Es liege an den Verantwortlichen zu definieren, wo die Grenzen zur Notbehandlung zu ziehen seien. Doch da die Kantone 85 Prozent der Verluste durch säumige Prämienzahler tragen müssen, sagt Herzog: «Wer zahlt, muss auch die Möglichkeit haben, Druck aufzusetzen.»
Fehler gesehen?Fehler beheben!
Um säumige Versicherte zum Zahlen zu bringen, führen neun Kantone (siehe Box) schwarze Listen. Darauf landen Personen, die ihre Prämien nach einer Betreibung nicht begleichen konnten. Bis sie ihre Rechnungen zahlen, verweigert die Krankenkasse auf Meldung des Kantons die Behandlung, ausser in Notfällen. In einem Fall aus dem Kanton Graubünden hatte die Praxis nun fatale Folgen, wie die «SonntagsZeitung»berichtet: Ein 50-jähriger Mann landete auf der Liste, weil er aufgrund von Schulden seine Prämien nicht bezahlen konnte. Seine Versicherung ÖKK verweigerte ihm daraufhin 2016 die Vergütung von Aids-Medikamenten. Kostenpunkt: 2000 Franken pro Monat. Zwar war die Krankheit noch nicht ausgebrochen. Doch auch nachdem sich der Zustand des Mannes 2017 stark verschlechtert hatte, verweigerte die ÖKK die Behandlung mit der Begründung, es handle sich nicht um einen Notfall. Zum konkreten Fall äussert sich die ÖKK nicht. Aber: «Wir dürfen vom Gesetz her nicht vergüten, wenn jemand auf der schwarzen Liste eines Kantons steht, ausser bei einem Notfall», sagt ein Sprecher. Die Beurteilung, was ein Notfall sei, nehme ein Vertrauensarzt vor. Entscheidend sei, dass ein «akuter, lebensbedrohlicher Zustand» festgestellt werde. Der kranke Mann starb Ende 2017.
So funktionieren schwarze Listen
Die Möglichkeit für die Kantone, schwarze Listen zu führen, wurde vom Parlament 2010 geschaffen. Das Ziel: Die Zahlungsbereitschaft von säumigen Prämienzahlern erhöhen, indem die Kassen auf Geheiss der Kantone Leistungen – ausser bei Notfällen – verweigern müssen. Voraussetzung dafür ist eine erfolglose Betreibung. Was ein Notfall ist, definiert das Gesetz jedoch nicht. Das entscheidet der behandelnde Arzt. Eine Liste kennen die Kantone Graubünden, Aargau, Luzern, St. Gallen, Schaffhausen, Solothurn, Thurgau, Tessin sowie Zug. Am meisten Personen befinden sich auf der Liste des Kantons Aargau: Dort sind es 12'025.
So kommt man bei der ÖKK auf die schwarze Liste
1. Rechnung mit Frist zur Zahlung von 30 Tagen
2. Zahlungserinnerung mit Frist von 14 Tagen zur Zahlung
3. Zweite gesetzliche Mahnung mit gesetzlicher Nachfrist von 30 Tagen
4. Halbjährlicher Betreibungslauf pro Agentur/Region (für Personen, die noch nie eine Betreibung hatten, folgt durch das Inkassosystem nochmals eine letzte Mahnung mit Frist von 30 Tagen)
5. Monatliche Übermittlungen der eingeleiteten Betreibungs- und Fortsetzungsbegehren an die Kantone
6. Überprüfungen bei den Sozialversicherungsanstalten (SVA) und Entscheidung über die Aufnahme auf die schwarze Liste
7. Rückmeldungen der Sozialversicherungsanstalt an ÖKK mit Angabe über die Aufnahme der jeweiligen säumigen Personen auf die schwarze Liste
8. Seitens ÖKK wird durch Vollzahlung einer Betreibung oder auf Anweisung der SVA (zum Beispiel bei Kantonswechsel oder EL-Bezüger oder neu Sozialhilfe-Empfänger) die Person am gleichen Tag von der schwarzen Liste genommen.
Quelle: Anfrage ÖKK
Definition eines Notfalls ist unklar
Für SP-Nationalrat und Arzt Angelo Barrile ist es eine «absolut zynische Ausrede», dass es sich für die Krankenkasse bei einer tödlich verlaufenden Krankheit wie Aids nicht um einen Notfall handeln soll. «Zumindest nach Ausbruch der Krankheit hätten die Medikamente zwingend bezahlt werden müssen», sagt Barrile. Somit wäre es möglich gewesen, die Krankheit noch einzudämmen und den Tod zu verhindern.
«Es darf nicht sein, dass in der reichen Schweiz jemandem lebenswichtige Medikamente für 2000 Franken im Monat verweigert werden, weil er die Prämien nicht bezahlen kann», betont Barrile. Dass sich Versicherer hinter der schwammigen Definition eines Notfalls versteckten, sei problematisch: «Auch wenn der Kanton die schwarzen Listen führt, haben die Kassen eine Verantwortung und einen gewissen Spielraum, den sie ausnutzen können.»
Der vorliegende Fall zeigt laut Barrile die Untauglichkeit der schwarzen Listen: «Sie führen zu einer Zweiklassen-Medizin und bringen Menschen, die teils auch unverschuldet ihre Prämien nicht mehr bezahlen können, in Lebensgefahr.» Er fordert deshalb, die schwarzen Listen wieder abzuschaffen. Ebenfalls kritisch zu den schwarzen Listen äussert sich der Krankenkassen-Verband Santésuisse, da der Nutzen nicht bewiesen sei und der Solidaritätsgedanke geritzt werde. Auch die ÖKK ist Mitglied bei Santésuisse. Auf Anfrage schreibt sie, man könne aus gesetzlichen Gründen keine Ausführungen zum Fall machen.
«Es braucht Möglichkeiten, Schuldner zu sanktionieren»
Für schwarze Listen spricht sich weiterhin die Thurgauer SVP-Nationalrätin Verena Herzog aus. Der Kanton Thurgau führte die Liste 2007 als erster Kanton ein. Zweifellos handle es sich beim Fall aus dem Kanton Graubünden um ein «tragisches Schicksal», sagt Herzog. Es liege an den Verantwortlichen zu definieren, wo die Grenzen zur Notbehandlung zu ziehen seien. «Grundsätzlich braucht es aber Möglichkeiten, um säumige Prämienzahler sanktionieren zu können», sagt Herzog.
Die Kantone sind verpflichtet, 85 Prozent der Verluste, die durch Betreibungen von säumigen Prämienzahlern entstehen, zu übernehmen. «Und wer zahlt, muss auch die Möglichkeit haben, Druck aufzusetzen», sagt Herzog. Schwarze Listen zielten auf jene Personen ab, die nicht zahlen wollten, aber eigentlich könnten, sagt Herzog. «Wer sein Geld anderweitig einsetzt, muss die Konsequenzen etwa mit einer Reduktion auf Notfallbehandlungen zu spüren bekommen.» Bezüger von Sozialhilfe oder Ergänzungsleistungen sowie Minderjährige landen laut den Bestimmungen der Kantone nicht auf der Liste.
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