lillisgedankenkotze
Lilli Ihre Gedanken zu Themen
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lillisgedankenkotze · 4 years ago
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„Leute, die auf Business- und Lifecoaches reinfallen sind ja selber Schuld.“
Ist ein Sentiment, was ich hasse.
Ich habe neulich bei Kaffee und Kuchen vorbei geschaut und Montana Black sagt ungefähr ab Minute 10:00 bis 10:06 genau das aus.
Als kleines Vorwort: Ich glaube persönlich nicht, dass sich Monte an dieser Stelle der Implikation bewusst war, die er da geäußert hat. Ich schätze ihn nicht als herzlos ein, sondern denke viel eher, dass er das Ausmaß an emotionaler Manipulation in diesen Coachings entweder unterschätzt, oder sich dessen nicht bewusst ist und daher seine Ignoranz stammt.
Das ändert allerdings nichts an der Tatsache, dass die Aussage falsch ist und deshalb möchte sie zum Anlass nehmen, mich mal in schriftlicher Form dazu auszukotzen.
Fangen wir also beim Urschleim an: Was sind solche Coachings und warum benutze ich Business- und Lifecoachings Synonym?
Es handelt sich bei diesen Coachings um Seminare, die meist in einem Teil Online und in einem anderen Teil Offline stattfinden, die als Inhalt vermitteln wollen, wie man erfolgreich ist. Dabei ist es aber ziemlich egal, welche Art dieser Seminare besucht werden, da die Inhalte nahezu identisch sind. Ohne jetzt zu sehr abzuschweifen kann man nahezu alle Inhalte solcher Coachings auf das „richtige Mindset“ herunterbrechen.
Dieses Beinhaltet:
-Toxische Positivität (toxisch deshalb, weil negative Emotionen, obwohl menschlich, nicht stattfinden dürfen)
Der nicht näher definierte, aber alles umfassende GRIND („Du kannst es schaffen, wenn du nur hart genug daran arbeitest)
Und das war es eigentlich auch schon. In den Seminaren selbst wird es dann noch garniert mit einer tragischen Backstory á la: „Ich hatte als Kind nichts und mein Rivale/Vater/Autoritätsperson hat nur auf mich herabgesehen. Dann habe ich mir ein Ziel gesetzt und es bis zum bitteren Ende verfolgt. Hab mir selbst in den Spiegel geschaut und gesagt, wie toll ich bin und habe bis zur Erschöpfung gerackert. Und jetzt schaut mich an! Ich habe mehrere Lamborghinis, Reise um die Welt, habe ein großes Haus und eine geile Ehefrau. Das reicht mir aber noch nicht! Ich zeige dir nun wie auch du reich/athletisch/erfolgreich wirst, damit auch du nicht mehr ganz so scheiße bist, wie du dich im Moment fühlst, geblendet von meinem Reichtum/Meiner Physis.
Ganz wichtig ist dabei auch zu erwähnen, dass nie konkret gesagt wird, was denn jetzt eigentlich gemacht wurde. Es ist immer in leeren Floskeln verpackt, zum Beispiel: „Ich wusste nur, dass ich hart arbeiten musste, also habe ich das getan“
Das liegt daran, dass die meisten Coaches ihr Geld nur mit den Kursen verdient haben. Es gibt auch Fälle, wo Leute mäßig erfolgreich in einem Gebiet (z. Bsp. Immobilien) sind und erst mit den Coachings das wirklich große Geld verdienen, das variiert, ist aber letztendlich unerheblich.
Nicht unerheblich sind dagegen die Emotionen, mit denen diese Geschichten dargeboten werden. Oft werden dafür Leute eingesetzt, die unter Anderem auf Kommando und vor Publikum weinen können. Auch finden diese Seminare in einem Rahmen statt, der zumeist schon von vornherein emotional aufgeladen ist: Der potentiell Betrogene hat ein Problem in seinem Leben erkannt und möchte nun gern Hilfestellungen von einem „Mentor“ erhalten, da erscheint es doch geradezu perfekt, dass es 1 Gratis-Seminar gibt, bestenfalls ist das Live, aber das nehmen diese „Mentoren“ auch nicht immer Ernst, wie man hier sieht.
Und sobald man in das erste Seminar hineingezogen wurde, sei es in persona oder über das Weltnetz, geht der sog. Sales-Funnel auf.
Denn auch wenn im 1. Seminar Informationen enthalten sind, sind es extrem wenige und die Laufzeit wird stattdessen mit emotionaler Manipulation gestreckt, wie oben beschrieben. Wenn der potentiell Betrogene dann mehr erfahren möchte, muss er dann das nächste, kostenpflichtige Seminar besuchen. Und das Seminar darauf. Und den innersten Kreis. Und den wirklich allerinnersten Kreis. Und den geheimen Zirkel für die allertreusten und coolsten... und so weiter.
Sollten dann Zweifel kommen, denn diese Seminare werden mit „steigender Exklusivität“ immer teurer, dann sagt man ihm „Tja, wenn du es nicht kaufst, ist es offensichtlich, dass du es nicht genug willst“
Ganz egal, was dieses ES dann ist und die Leute geben dafür so viel Geld aus, dass sie, in zugegebenermaßen selteneren Fällen, Job, Haus und Hof verlieren.
Für Informationen, die bestenfalls in einem 30 EUR Buch zu finden sind, schlimmstenfalls kostenlos googlebar sind.
Das hat zwei Ursachen: zum einen will man in einen solchen Sales-Funnel das größtmögliche Publikum anlocken, in der Hoffnung, jemanden in das größtmögliche Geldausgeben hinein zu manipulieren. Je mehr Leute, desto höher diese Chance. Das funktioniert aber nur, wenn es keine Grundvoraussetzung gibt. Egal wie unwahrscheinlich es ist, das eine studentische Aushilfe im Bioladen ein erfolgreicher Immobilien-/Dropshipping/Wasauchimmer-Mogul wird.
Zum anderen legitimiert man damit sein Geschäftsmodell. Denn Informationen und wie sie dargeboten werden, haben keinen festgelegten Preis. Deshalb kann man einen rechtlichen Betrug nur dann nachweisen, wenn zum Beispiel versprechen beim Verkauf gemacht werden, die dann nicht eingehalten werden.
Ganz am Ende gibt es da auch noch das menschliche Problem.
Denken wir uns einen Betroffenen, der ein Dropshipping-Seminar gemacht hat, die Anleitung des Seminars bis auf den letzten Buchstaben gründlichst verfolgt hat, aber der im Kleingedruckten doch nicht versprochene Erfolg bleibt aus.
Dieser Mensch verlässt die Gruppen und schreibt eine ehrliche Bewertung ins Netz, die logischerweise negativ ausfällt.
Sofort wird dieser Mensch bombardiert von Kommentaren darüber, dass er ja einfach nicht hart genug gearbeitet hat, dass er doch nur neidisch auf den Mentor sei und was den Gruppenmitgliedern noch so alles einfällt.
Dem Betroffenen fällt dann zum zweiten Mal die oben genannte toxische Positivität auf die Füße. Das erste Mal war, als er sich zum Kauf bewegen hat lassen.
Sollte seine Kritik also stehenbleiben -und schon das ist mehr als unsicher- dann steht seine Kritik umzingelt von zwanghaft Positiven Kommentaren. Diese werden in manchen Fällen auch geschrieben, noch bevor das Seminar zu Ende ist, unter Anleitung des Coaches.
Als Folge wird unser fiktiver Betroffener wahrscheinlich in Zukunft, zumindest öffentlich, die Klappe halten, wenn es um seine Erfahrung geht. Seine Aussage geht unter und wird nicht mehr gehört. Und der nächste Betroffene steht schon bereit, emotional ausgenutzt zu werden.
Unser fiktiver Betroffener ist deshalb fiktiv, weil es egal ist, um welchen Coach es sich handelt. Die Akteure sind austauschbar, das Problem bleibt immer dasselbe.
Unwissenden oder Verzweifelten Menschen werden Versprechungen gemacht, die unmöglich einzuhalten sind. Sie werden emotional auf allen Ebenen ausgebeutet, mit Informationen die wertlos sind.
Vielleicht machen sie den Fehler der Leichtgläubigkeit.
Aber das diese Coaches ihnen nichts Gutes wollen, ist nicht ihre Schuld.
Das diese Coaches emotionale Bedrängnis zum Geschäftsmodell gemacht haben, ist nicht Ihre Schuld.
Das die Betroffenen aus ihrer jetzigen Situation raus wollen, ist nicht ihre Schuld.
Mit seinem Statement macht es sich Monte also viel zu einfach.
In der Art und Weise, wie er das Thema in Kaffee und Kuchen abgetan hat, liegt Ignoranz, die ich, wie eingangs erwähnt, nur auf Unwissenheit zurückführen kann.
Trotz allem ist es auf jeden Fall schon mal gut, dass er bei seinen Gewinnspielen in Zukunft sorgfältiger auswählen wird, wen er da seiner Community präsentiert. Höhere Standards für eine so große Zuschauerschaft sind prinzipiell nicht hatebar und ich hoffe, dass Montana Black Business- oder Lifecoaches auf seine Shitlist packt, mit denen er keine Follow-Gewinnspiele mehr macht.
Ganz am Ende des Tages ist jeder Mensch im Sales-Funnel einer zu viel. Aber da die Geschäftspraktiken an sich nicht illegal sind, bleibt uns nur Aufklärungsarbeit und ein „Selber Schuld“ wird dem nicht gerecht.
Verantwortung für die Inhalte, die man bewirbt, zu übernehmen dagegen schon.
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lillisgedankenkotze · 4 years ago
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Die komplett bescheuerte Einteilung in den Natürlichen und Künstlichen Körper
Seitdem ich mich für Nageldesign interessiere, fällt mir auf, wie oft Leute andere Leute in Bezug auf den natürlichen und künstlichen Körper bewerten wollen.
In 99% der Fälle ist dabei das Wort „künstlich“ negativ konnotiert.
Beispiele sind dabei Männer auf Tinder, die dich als erstes in Ihrer Beschreibung wissen lassen müssen, dass sie nicht auf Frauen stehen, die bis zu 3cm Plastik auf ihren Nägeln montiert haben, weil Ihnen das zu “künstlich” sei und sie eine „echte“ Frau wollen.
Oder auch Leute (und ich schließe hier Frauen bewusst ein), die bei irgendwelchem Karen-Verhalten UNBEDINGT erwähnen müssen, dass besagte Karen, während sie Karen-Dinge tut, Nagelverlängerungen trägt.
Gibt sicherlich auch noch mehr Beispiele, das sind hier die ersten, die mir eingefallen sind, aber beide haben eine Sache gemeinsam: Sie bewerten den Körper in Bezug auf Künstlichkeit und ich finde das bescheuert.
Wisst ihr, was nämlich auch nicht natürlich ist? Mit 17 Jahren seinen Eierstock zu verlieren. Oder auf der linken Seite keine Gehörknöchel zu haben, sondern ein Stück Titan. Oder nahezu monatlich Antibiotika nehmen zu müssen, weil selbige linke Gehörgänge entzündet sind. Oder eine Krankenakte haben, die dicker ist, als ein Telefonbuch.
Nichts davon ist natürlich, aber es ist in diesem Fall okay, weil es ja  notwendig ist.
Und da liegt ja gewissermaßen der Hase im Pfeffer; wenn man ausdrücken möchte, dass etwas unnötig empfunden wird, du aber nicht unhöflich sein möchtest (oder du nicht mutig genug bist, deine wirklichen Gefühle zum Ausdruck zu bringen) dann sagt man, etwas sei künstlich und für die meisten Leute reicht das dann, warum auch immer.
Ich würde mir an dieser Stelle einfach wünschen, dass die Leute ehrlich mit sich und ihrem Gegenüber sind. Wenn du etwas unästhetisch findest, sag doch einfach, dass es hässlich ist, oder wenn du nicht findest, dass das jetzt hätte sein gemusst, dann ist das auch völlig okay. Aber lass mich mit dieser Natürlich-Versus-Künstlich-Scheiße in Ruhe.
Seinen Körper schmücken zu wollen ist, außerdem, ein Phänomen so alt wie die Menschheit selbst, warum ist es also künstlich, sich z.Bsp. Nagelverlängerungen zu machen?
Wenn es in diesem Fall die Materialien sind, die das „Problem“ darstellen, dann dürften ja Make-Up Pigmente kein Problem darstellen, aber irgendwie ist das dann auch wieder nicht recht.
Man sieht also, die Logik, die hinter der Künstlichkeits-Kritik steckt, ist so löchrig, wie ein Schweizer Käse und wenn ich in Zukunft auf selbigen Käse reagieren soll frage ich einfach direkt, welche dieser 4 wahrscheinlichsten Kategorien nun das konkrete Problem ist:
Unaufrichtigkeit
Falsch platzierte Höflichkeit
Falsche Vorbehalten gegenüber Leuten, die ihren Körper zieren wollen
Dummheit/Unwissenheit
Auch wenn es zutiefst unwahrscheinlich ist, dass ich es schaffe, dass Leute wegen mir ihre Kommunikationsfähigkeit verbessern, der Versuch ist es auf jeden Fall Wert!
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