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#LAMPGANG
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lampgang · 7 months ago
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Oh Oh Mythomanie Franҁoise Cactus Ventil Verlag
Am 5. Mai dieses Jahres hätte die Anti-Punk-Diva und Vollblutkünstlerin Franҁoise Cactus nun ihren 60. Geburtstag gefeiert. Anlass genug, um für den kleinen und feinen Ventil Verlag Erlebtes, Erinnertes und Erlogenes über die Layouterin, Radiomoderatorin und Künstlerin F. Cactus in einem knapp 300-seitigen Werk zu veröffentlichen.
Die rastlose Multi-Künstlerin Cactus (eigentlich Franҁoise van Hove) stammte aus dem französischen Burgund und kam über Umwege 1985 nach Deutschland. Frei nach dem Lebensverneinungs-Motto „Lebe schnell und stirb jung“ pflegte sie in dieser Zeit intensive und toxische Beziehungen zu Alkohol und allerlei Drogen. Die Schlagzeugerin und Sängerin Cactus war ein unbändiger Freigeist. Ihre Sprache und Fantasie konnte sie in der 1992 gegründeten Band STEREO TOTAL gemeinsam mit ihrem kreativen Partner Brezel Göring ausleben. In 16 Jahren veröffentlichte das Duo schließlich 13 poppige Synth-Punk-Alben.
Im Zuge der Wohnungsauflösung sichtete Bandkollege und Lebensgefährte Göring nach dem Krebs-Tod von Franҁoise aus 16 Truhen unzählige Kuriositäten, Notizen, Rezepte, Zeichnungen und Fotos von Cactus, um eine geordnete Auslese im vorliegenden Werk „Oh Oh Mythomanie“ der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Irgendwo zwischen ehrlicher Untergrundpoesie und seelenlosem Kommerzausverkauf tüftelte die ewig kindliche Anarchistin 15 Jahre lang akribisch an diesen Texten und Geschichten – unerwünschte oder erhoffte Spannungsfelder, die die Leserschaft speziell bei der bis dato unveröffentlichten Geschichte „Lebenslänglich vierzehn“ spüren wird. Ein anfänglich idyllischer Urlaubsroman entwickelt sich folglich zum lebensgefährlichen Mordkomplott und zeigt meisterlich Cactus´ Liebe zum französischen Kino. Gleichzeitig finden sich traumhafte Kurztexte über Berliner Kult-Kneipen, Frauen, Zigaretten und Tieren wie Katzen, Schildkröten und Enten in dem Buch wieder. Aufgepeppt wird „Oh Oh Mythomanie“ durch einmalige Zeichnungen und Fotos von damals.
Sie werden eine interessante Künstlerin, kompromisslose Anti-Establishment-Verweigerin und Kultfigur kennen und lieben lernen. Manche auch wiederentdecken. Als Soundtrack zum Buch bietet sich natürlich STEREO TOTAL an. Achten Sie diesmal speziell auf die Stimme der Ehrenbotschafterin des französischen Akzents: Franҁoise Cactus. In diesem Sinne: „Un, deux, trois, quatre! Relax, Baby, be cool, wir tanzen im 4-Eck und wir tanzen konzentriert …“
aL  27.05.2024
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lampgang · 11 months ago
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Rechtspop
Beiträge zur Popgeschichte Testcard
Ventil Verlag UG & Co KG
„Dass der ‚Volks-Rock´n´Roll’ sich wie ein Discounter-Format, wie ein musikalischer 1-Euro-Shop, anhört, ist ein Problem des Ausgangsmaterials, das sich durch Eighties-Synthies, Kuschelrocksoli, Raue-Schale-Weicher-Kern-Balladen-Akkorde, NDW-Neutönerei und beziehungslose Ziehharmonika-Tupfer in ‚authentisch unauthentische Popmusik’ verwanden soll, was dann eben doch nicht so richtig klappt“, heißt es im Kapitel „Dirndlrock, Traktorführerschein und Bergbauernbuam“ in der abwechslungsreichen 27. Ausgabe von TESTCARD zum Thema „Rechtspop“. Diese vorliegende Edition versucht anhand aussagekräftiger Phänomene aufzuzeigen, wie es zu einer Um- und Entwertung von Popkultur gekommen ist. Der Rechtsruck ist allgegenwärtig und in unserer Gesellschaft endgültig angekommen. Dieses Thema und diese Entwicklungen sind (leider!) aktueller als je zuvor.
Mehr als eine Million Menschen waren in den letzten Tagen auf den Straßen von Deutschland (und teilweise Österreich) versammelt, um gegen den Aufstieg der rechtsextremen AFD zu protestieren. Aktueller Anlass waren die durch das Recherchenetzwerk CORRECTIV bekannt gewordenen Gespräche bei einem Geheimtreffen in der Nähe von Potsdam, bei dem über „Remigration“ palavert wurde. Deutschland (und Österreich) steht auf. Klingt bedrohlich, ist aber gut gemeint und dringend notwendig. Es geht um Zusammenhalt in Europa und gegen Ausgrenzung und Rassismus. Jetzt, immer und überall gegen Nazis – auch in der Popkultur.
Pop war einmal entstanden inmitten der Trümmer, die Faschismus und Krieg hinterlassen hatten: Mit der Verteidigung einer besseren Welt sollte der Fortschritt wieder in Gang gesetzt werden. Doch irgendwann ist Pop scharf rechts abgebogen – diese Ausgabe von TESTCARD betreibt im vorliegenden Werk dazu Ursachenforschung. Die TESTCARD Bücher erscheinen übrigens ein- bis zweimal im Jahr (je ca. 300 Seiten). Diverse Artikel zu Musik, Film und zeitgenössischer Kunst kreisen in jeder Ausgabe um einen wechselnden Themenschwerpunkt. Hier zeigen zahlreiche Artikel von Roger Behrens, Jonas Engelmann, Frank Apunkt Schneider, Laura Schwinger, Anna Seidel, Jana Sotzko und Holger Adam facettenreich auf, wie es zu einer Bedeutungsentwertung des Pops gekommen ist.
Die vorliegende Abhandlung wird aus umfangreichen Perspektiven erzählt und stellt gleichzeitig eine alarmierende Momentaufnahme der Gesellschaft dar. Von der aufschlussreichen Standortbestimmung („Hat die ‚Poplinke�� ein Problem?“) über die geschichtliche Entwicklung („Pop & Faschismus“) bis zur Entzauberung bekannter Verschwörungsmythen („Die spirituelle Querfront“) wird der Leserschaft ein thematisches Grundgerüst angeboten. Gleichzeitig werden gekonnt ergänzende Betrachtungen wie etwa rechte Frauen im Popgeschäft („Weiche Formen, harte Worte“), Computerspiele mit rechten Botschaften („Besser auf Nazis im Spiel ballern als einer zu sein“) oder rechtsextreme Meme-Kultur mitbetrachtet.    
Dem nicht genug regen überraschende Texte zu den bekanntesten Diktatorenromanen („Den Terror greifbar machen“), Minimalismus/Achtsamkeit („Ordnung ist das ganze Leben“) und einem ähnlich peinlichen Männerbild zwischen (teilweise älteren männlichen) Punks und rechten Lebenswelten (Stichwort: Männer Rock´n´Roll!) wirklich zum Nachdenken an. Abgerundet wird Ausgabe #27 durch unzählige Rezensionen aus den Bereichen Tonträger, Print und Film. Alle Beiträge sind sprachlich versiert formuliert und beinhalten Abbildungen.
„Rechtspop“ ist eine sehr umfangreiche TESTCARD-Ausgabe, weil sie einerseits die erwähnte Thematik gut strukturiert aufbaut und andererseits die alarmierende kulturelle Situation gekonnt beschreibt. Mehr noch: Sie ist ein Augenöffner für die aktuelle gesellschaftliche Entwicklung weltweit.
Das knapp 300-seitige Werk bildet eine ehrliche, aufschlussreiche und zugleich nachdenkliche Lektüre. In diesem Sinne: #wirsindmehr #nazisraus #goodnightwhitepride
aL 30012024
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lampgang · 1 year ago
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Die Nachteile von Menschen – 132 Beschädigungen aus dem reflektierten Leben Gereon Klug
Ventil
Schon einmal darüber nachgedacht, dass „‚Fantasie wie Beton ist’ [...] weil es eben darauf ankommt, was man daraus macht. Und es stimmt. Das leichte, flüchtige, zarteste ist am Ende am härtesten in der Herstellung.“ Und haben Sie eigentlich gewusst: „‚Deichkind’ sind ohne Strom komplett unhörbar und ‚die Onkelz’ sind auch nur Schreibtischtäter ohne Schreibtisch.“
Aber hallo – was geht denn hier ab? „Okay, Mund abwischen, Onkelz (Fans) jammern nicht!“ Während man solche Zeilen liest, nickt und zustimmt, grinst man innerlich vor sich hin und fragt sich letztendlich: Wie kommt Gereon Klug auf diese Lebensweisheiten und Beobachtungen für Hirn, Herz und Zwerchfell?
Vielleicht kennt man die in Siegen (Deutschland) geborene Persönlichkeit Gereon Klug aka Hans E. Platte besser als Liedtexter (Deichkinds „Leider geil“), Tourbegleiter (von Rocko Schamoni), Kolumnist, Podcaster oder Schallplattenhändler. Doch Klug ist nicht nur Sprachakrobat, Listenfetischist oder Wahrheitsfinder: Er schreibt auch (den besten Newsletter Deutschlands) für die „FAZ“ und publizierte für „Die Zeit“, „titanic“ und angeblich auch für das „Handelsblatt“. Das vorliegende Werk enthält Klugs sämtliche „Zeit“-Kolumnen und massig unveröffentlichte Texte.
Folglich beschäftigt sich „Die Nachteile von Menschen“ sehr unterhaltsam mit seinen bisherigen Beobachtungen und Empfindungen. Sein Feingefühl für alle Spezies blitzt immer wieder elegant auf – während seine Erfahrungen und die gesellschaftliche Kritik die Leserinnen und Leser pointiert und klug vorantreiben und im richtigen Moment wieder loslassen.
Es muss gleich mal raus: „Die Nachteile der Menschen“ ist ein amüsantes Kunstbuch mit herrlichen, albernen Beobachtungen, sprachlichen Wortspielen, unzähligen Listen zum Nachdenken – und hebt sich neben all der gewöhnlichen Humorliteratur und den Sammelsurien durch einmaligen Sprachwitz deutlich ab.
G. Klug lebt und sammelt inzwischen Schallplatten in Hamburg und möchte bald ein Museum gründen. Er ist gleichzeitig lebender Zeitzeuge und Hamburger, Digger! Beim Lesen spürt man seine Hassliebe zur Musikszene, zu sozialen Netzwerken und Kids in deinem Alter und Klug überzeugt dabei mit scharfer Beobachtungsgabe. Die Leserinnen und Leser erfahren unter anderem, wo die Kunst der Zucker des Lebenskaffees ist, was der Unterschied zwischen neumännlich und „lumbersexuell“ ist und was der Autor unter „farbentaub“ versteht. Ebenso beeindrucken das umfangreiche Inhaltsverzeichnis, das Vorwort von Jan Weiler sowie die Zeichnungen von Carsten „Erobique“ Meyer.
Der Autor hat damit einen vor Details strotzenden Schenkelklopfer konstruiert. Er überzeugt mit vielschichtigen Erzählungen (und Listen!) und schafft es, seine Enttäuschung bezüglich der aktuellen Jochen Distelmeyer Platte („Gefühlte Wahrheiten“) oder neumodische Ereignisse wie „Black Friday“ pointiert zu thematisieren. 
D.N.V.M orientiert sich folglich an den Stärken von Gereon Klug: Er ist ein geistvoller Unterhalter und kritischer Geist. Das vorliegende Werk ist facettenreich, unterhaltsam und manchmal echt schräg. Wer gerne Strunk oder Schamoni liest, wird Klug verschlingen. Und wenn Gereon Klug behauptet: „Dieser Text will alles sein, aber nicht nichts“, dann ...
… merkst du selber, oder!?  
aL  11.12.2023
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lampgang · 1 year ago
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Als der Vorhang fiel – Punk im Wien der 90er Claus Oistric Glitzer und Grind (ist ein Imprint des Milena Verlags)
Es gibt mittlerweile unzählige Musikbücher und Bandromane über Subkultur, das Leben auf Tour und Konzerterlebnisse. Gleich vorab: Das vorliegende Buch „Als der Vorhang fiel – Punk im Wien der 90er“ von Claus Oistric schlägt in eine ähnliche Kerbe und hebt sich gleichzeitig vom typischen Einheitsbrei ab. Es ist primär eine Geschichte darüber, wie die Punk-Bewegung Ende der 1970er- Jahre nach Wien kam, sich über die Jahre in der Hauptstadt anhand diverser Bands und Lokalitäten entwickelte und durch Einzelpersonen und Szenekollektive massive Unterstützung fand. Bevor wir uns mit der Beziehung von Mensch und Punk in Wien auseinandersetzen – lassen Sie uns mit ein paar Aussagen, Geschichten und Gerüchten in diese Epoche einsteigen:
Bis Ende der 1970er-Jahre war es in Wien verboten, öffentliche Grünflächen zu betreten.
FALCO hätte fast ein Lied einer lokalen Wiener Punkband übernommen und aufgenommen.
Tiroler Punks und Linzer Szene waren sehr wichtig für die Entwicklung in der Hauptstadt.
Revierverteilung: SPALO war eher für Hippies und ÄGIDI war eher Punk.
Österreichische Hip-Hop-Pioniere wie TEXTA oder SCHÖNHEITSFEHLER spielten lange in denselben Locations wie Punkbands.  
DIE TOTEN HOSEN begannen ihr U4-Konzert in Wien erst, als endlich die Punks reindurften.
Das legendäre BAD RELIGION Live Bootleg 1989 wurde in Wien aufgenommen.
Diese und viele anderen Themen werden im genannten Werk durch reale Zeitzeugen in Interviewform erläutert. Gleichzeitig erzeugen unzählige Konzertflyer und Live-Fotos eine spürbare Atmosphäre. Um es direkt auf den Punk(t) zu bringen: Diese Stilmittel ermöglichen einen realen geschichtlichen Einblick in die Punk-Welt von gestern und unterstreichen die gute publizistische Arbeit von C. Oistric.
Die ARENA-Besetzung (1976) und die Burggarten-Bewegung (1979) sind wohl eher nicht die „echten“ Eltern der Wiener Punk-Bewegung, waren jedoch wichtige Schlüsselepisoden für einen Aufbruch zu neuen Kulturformen in der „toten Stadt“ Wien. Und ob CHUZPE (aus Wien) oder CHAOS (aus Feldkirch) die erste österreichische Punkband war, ist letztendlich auch nicht weiter relevant für die Erzählung in „Als der Vorhang fiel …“ Eher noch die „Chaostage“ in Innsbruck (Mitte der 1980er-Jahre) oder die gut funktionierende Szene in Linz waren wichtige Achsen für „die Wiener Außenseiter in Leder“.
Erst mit dem Fall des Eisernen Vorhangs kam die Stadt in Schwung und erste subkulturelle Infrastruktur entstand. CHELSEA, FLEX (1 und später 2) oder folglich auch ARENA und EKH waren und sind wichtige Örtlichkeiten der (Wiener und österreichischen) Punk-Bewegung. DIY („Willst du eine Szene, dann mach dir eine Szene“) und kollektives Handeln waren in der Hauptstadt angekommen und folglich ausschlaggebend für eine wachsende Szene und Entwicklung der österreichischen Musiklandschaft.
Der Publizist, Kommunikationswissenschaftler und Musiker Claus Oistric besuchte im Zuge von Recherchearbeiten für sein Erstlingswerk viele Mitglieder von Bands wie COLD WORLD, EXTREM, KULTA DIMENTIA, PROGRAMM C uvm. sowie Konzertveranstalter (DEAD MOUNTAINS …), Fanzines (FLEX´S DIGEST, CHELSEA CHRONICLE, DER GRÜNE PUNK …) und Labelbetreiber. Das 171-seitige Buch bildet eine dokumentarische, chronologische und zugleich informative Lektüre, die die Punk-Bewegung in Wien (und Umgebung) über die letzten Jahrzehnte betrachtet. Es ist eine musikalische Reise durch die 1970er-, 80er- und 90er- Jahre, die viele (aber leider nicht alle) Ereignisse abzudecken versucht. Als Steirer und gebürtiger Grazer schmerzt es ein wenig, dass das CONAN CITY COLLEKTIVE nur in einem Satz erwähnt wird. Doch egal: Das ist wieder eine andere Geschichte bzw. ein eigenes Buch.   
Oistric liegen das Thema und Punk am Herzen. Das ist hier spürbar und bringt er glaubhaft rüber. Gleichzeitig ist es eine einmalige Reise in die musikalische Vergangenheit der österreichischen Subkultur. Das wiederum ist wichtig und einfach schön. Danke Claus! 23.10.2023 aL
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lampgang · 1 year ago
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Homeless Eske Hicken
Edition W
„Sogar Mörder lernen Frauen kennen, weil es diese Frauen gibt, die auf Mörder stehen. Aber es gibt keine Frauen, die sich von Obdachlosen angezogen fühlen. Wir sind auch auf der Attraktivitätsskala der Bodensatz“, 
schreibt Schriftstellerin, Radio- und Fernsehmoderatorin Eske Hicken in ihrem erfrischenden und abwechslungsreichen Portland-Antimanifest „Homeless“ und lässt durchblicken, wohin diese Lesereise führen wird. 
Portland war und ist bekannt als hipper Treffpunkt, tolerante Stadt und „Mekka“ der US-amerikanischen Alternativszene. Ein Ort, der bewusstes Leben bevorzugt und wo die Bewohner:innen sich lieber vegan und biologisch ernähren, als eine Fastfood-Kette zu unterstützen. Doch zwischen Jutebeutel, „Fixie“-Kultur und „Weed“-Geruch ist in den letzten Jahren ein konfliktbehaftetes Spannungsfeld entstanden.
2017 nahm sich Eske Hicken in Deutschland eine berufliche Auszeit und arbeitete ein Jahr in Portland (US-Bundesstaat Oregon) für eine Organisation, die für die Rechte von Obdachlosen kämpft. Sie schlief dort selbst einige Male auf der Straße und half auch in einer Essensausgabestelle für Obdachlose. Ihre Erlebnisse und Eindrücke über eine Stadt und zwei Welten verarbeitet sie nun in diesem Roman.
Die meisten von uns kennen Portland als weltoffene und tolerante Stadt und doch ist sie immer noch eine der weißesten Städte in der USA. Oregon wurde als rein weißer Bundesstaat geründet und Afro-Amerikaner durften dort lange Zeit weder wohnen, arbeiten, noch etwas besitzen.
„Homeless“ ist folglich eine eindringliche Dokumentation einer Zwei-Klassen-Gesellschaft.
Der genannte Roman wird aus vier Perspektiven erzählt und stellt gleichzeitig eine alarmierende Momentaufnahme der amerikanischen Gesellschaft dar. Auf der einen Seite lebt das Journalistenpärchen Helen und Richard ein gut bürgerliches Leben im hippen Portland, während Katie und John auf der anderen Seite als Obdachlose ums Überleben auf der Straße kämpfen müssen. Vier unterschiedliche Charaktere, die in diesem Buch durch die Stadt miteinander verbunden werden. Während sich nämlich Portland als weltoffene Stadt abfeiert, steigen die Mieten und sozialschwache Personen – speziell die afro-amerikanische Bevölkerung – werden immer öfter obdachlos. Vor dem Hintergrund des sich wandelnden Portlands, welches inzwischen von den Wohnungslosen großflächig mit Zelten besiedelt wird, entsteht aufgrund eines sehr trägen Polizeiapparates eine rechte Bürger:innen-Bewegung gegen die Nichtsesshaften in der Stadt.
Dem nicht genug werden die Zelte der Obdachlosen von einer unbekannten Person angezündet, manchmal auch mit Schlafenden darin. Selbst diese Mordfälle lösen nicht das Spannungsfeld zwischen Links und Rechts auf und untermauern sogar die hetzerischen Forderungen der Bürger:innen-Bewegung nach eigenen Reservaten für die Wohnungslosen. Trump und Kickl lassen grüßen.
„Homeless“ ist ein sehr spannender Roman, weil er einerseits die Entwicklung der vier Hauptpersonen gut strukturiert aufbaut, und andererseits das schrecklich-schöne bzw. schön-schreckliche Portland beschreibt. Mehr noch: Es ist ein Buch über die aktuelle gesellschaftliche Entwicklung in den USA. Eske Hickens Werk beginnt mit der verstörenden Erfahrung, Hab und Gut zu verlieren, während die Leserschaft zwischen Hoffnung und Angst taumelt und folglich auch erfahren wird, warum sich Haltungen und Einstellungen in einer Gesellschaft verändern können.
Das 330-seitige Werk bildet eine ehrliche, aufschlussreiche und zugleich nachdenkliche Lektüre. „Homeless“ ist eine intensive Erzählung, die man nicht so schnell vergisst und den Wunsch nach mehr Menschlichkeit anregt. 
Die Autorin hat damit einen vor Details strotzenden Mikrokosmos konstruiert, überzeugt durch vielschichtige Handlungsstränge und schafft es trotzdem, ihre Enttäuschung bezüglich der Entwicklung in unserer Gesellschaft glaubwürdig zu formulieren. Lesetipp!
aL 12.10.2023
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lampgang · 2 years ago
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Krach Tijan Sila KiWi - Verlag
 „‚Klären geht immer, ihr Buwe’, gab ich hinzu und die Österreicher taten, was Österreicher tun: Sie unterwerfen sich uns Deutschen“, schreibt Autor, Gitarrist einer Punkband und Lehrer Tijan Sila provokant in seiner literarischen Coming-of-Age-Story „Krach“ mit deutlichen Dialogen und Humor, der bisweilen recht rustikal verstanden werden kann, es aber immer auf den Punk(t) trifft.
 Sila wurde 1981 in Sarajevo geboren, emigrierte 1994 mit seiner Familie nach Deutschland und studierte Germanistik in Heidelberg. Er hört schon als Kind Punkrock („I wanna be sedated“ von den Ramones war seine erste Liebe) und tourte in den Neunzigerjahren selbst mit seiner Band „Atlas Lanze“ durch Deutschland. Er ist also Szenekenner und führt die Leser*innen gekonnt in das Herz einer Subkultur. Diese außergewöhnliche Mischung aus Herkunft, Ideologie und Sprachentwicklung verleihen dem dritten Roman von Tijan Sila eine eigene literarische Note, die auf glaubwürdige Weise Dialekt („Buwe“), Jugendsprache und Slang („Tschukkekahler“ = Hundefresser) verbindet. Gleichzeitig schwingt er die verschlissene Punkrock-Flagge nochmals mit voller Kraft und rotzt den Leser*innen einen literarischen Gassenhauer vor die Füße, der es in sich hat. „Krach“ ist schnell, rasant und ohne Pause, Solos oder sonstigem Schnick-Schnack.  
 Das 270-seitige Werk ist eine humorvolle und wilde Lektüre, in der die wesentlichen Themen wie Identität, Zugehörigkeit, Freundschaft und Liebe behandelt werden. Der Autor erzählt in „Krach“ von Hauptdarsteller Gansi, einem Teenager und Sohn bosnischer Einwanderer, der in den 90er-Jahren in Calvusberg in der Pfalz seinen Platz in einer Punkband gefunden hat. Gansi (der in Wirklichkeit Sabahudin heißt) ist also Bosnier und gleichzeitig Punkrocker – und wie viele Bosnier hat er auch serbische und kroatische Wurzeln. Folglich sind die Dialoge im Buch irgendwo zwischen pfälzischem Dialekt und Jugendsprache angesiedelt und machen dieses Buch einmalig und glaubwürdig. Auf diese Weise schafft es der Autor, den Blick auf seine Welt aus Sicht eines Punk-Emigranten in unverwechselbarer Sprache zu vermitteln. Die Leser*innen erfahren u. a., wie sich Gansi hier Faschos mit Baseballschlägern stellt, Radau in Jugendzentren oder besetzten Häusern veranstaltet und ob Bandkollegin Ursel oder Katja aus dem Nachbarsviertel „Texas“ die zweite Liebe (nach Punkrock) ist. Es ist eine unvergessliche literarische Sauftour irgendwo zwischen Straßenschlacht und Teenagerliebe, die selbstkritisch und -ironisch rüberkommt und wie ein kreischender Gitarrenrückkoppler im Kopf zurückbleibt. „Krach“ ist laut, temporeich und aufmüpfig wie eine gute Punkcombo.
 Tijan Sila ist ein glaubhafter Erzähler und ein Rocker mit Herz. Sein Werk ist für Leser*innen und Freund*innen, für die Punk mehr als ein Musikstil ist, die auf Tour-Geschichten aus den Neunzigern stehen und erfahren wollen, warum die Sex Pistols besser als The Clash waren (sorry, aber hier vergebe ich den einzigen Minuspunkt …). Mittlerweile fast schon Tradition in meinen Bandbuchbesprechungen folgt hier wieder ein Ohrwurm aus „Krach“ als Zugabe zum Schluss: „Pappbecher, Lautsprecher, Knochenbrecher, Aschenbecher, Verbrecher! Das ist Calvusberg!“
 aL 11.2.2023
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lampgang · 2 years ago
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going underground – Willkommen im toten Graz Martin Murpott DIY-Pott 1-1
 „Über den Regalen war das Gemäuer mit haufenweise Fresken bemalt, die verschiedenste Ereignisse der Weltgeschichte zeigten. So unter anderem den Unfall von Niki Lauda am Nürburgring, die Kreuzigung Jesus Christus, die Schlacht bei Königgrätz und die bis dato einzige Meisterfeier des Grazer Athletik Sportklub in der österreichischen Fußballbundesliga“, schreibt der Grazer Fußball-Punker, Autor, DJ und „Twitterista“ Martin Murpott (echter Name der Redaktion bekannt) in seinem literarischen Höllenritt (und retour) namens „going underground – Willkommen im toten Graz“. Und gleich vorweg: Da Murpott und ich öfters gemeinsam hinter dem DJ-Pult bzw. in derselben Fankurve stehen, ist mir diese Buchbesprechung persönlich eine besondere Freude.  
 Vielleicht kennt ihr den in Graz lebenden Schriftsteller, Sozialarbeiter und Biertrinker persönlich von Punkrock-Konzerten, Fußballspielen oder einfach einem Grazer Beisl zu später Stunde – oder auch aufgrund seiner unzählig guten Postings und Tweets in den Sozialen Medien zu brisanten Tagesereignissen. Murpott ist (der letzte echte) Punk (in der Stadt) – und das dann auch noch mit Herz und Hirn. Er ist zugleich Arbeiter und hat seine Wurzeln in der obersteirischen Arbeiterbewegung nie geleugnet oder abgelegt. Martin Murpott war auch mal Kellner, Elektriker, ist inzwischen Master der Sozialwissenschaften und schrieb in den letzten Jahren einige Fanzine-Beiträge, Kurzgeschichten und Bücher.
„going underground – Willkommen im toten Graz“ ist sein Krimidebüt, welches im Jenseits wie im Diesseits der steirischen Landeshauptstadt spielt und durch Fantasie, Geschwindigkeit, Humor und permanente Mittelfinger-Attitüde voll überzeugt. Außerdem hat er das Buch selbst veröffentlicht, was ich sehr mag. „D.I.Y or die!“ sozusagen.
 Das 328-seitige Werk bildet eine skurrile, rasante und zugleich überraschende Lektüre in verrauchter Atmosphäre, die den Hauptdarsteller Robert Ziegenstätter nach seinem überraschenden Tod durch ein herabstürzendes Klavier in der Grazer Herrengasse ins Jenseits (und wieder zurück) begleitet. Auf subtile und ironische Weise schafft es der Autor, den Blick auf seine Welt aus Sicht eines Punk-Poeten in unkonventioneller Sprache zu vermitteln. Die Leser*innen erfahren, wie sich Murpott hier mit Grazer Fußballrivalität, korruptem Polizeimilieu und mysteriösen Geheimbünden auseinandersetzt, und beschreiten den schmalen Grat zwischen Realität und Unvergänglichkeit. Es ist eine literarische Achterbahnfahrt irgendwo zwischen Indiana Jones, Avengers und Mission Impossible, die durchschüttelt, wachrüttelt und dich am Ende mit einem Bierrülpser in die Ecke spuckt. Wer sich u. a. schon immer die Fragen gestellt hat, wie Hooligan-Krawalle auch Energie erzeugen können, warum zu viel Beton und zu wenig Gras diese Stadt kaputt machen oder wie sich der Grazer Bürgermeister Siegfried Hammer verliebt, findet hier – glücklicherweise freierfundene und fantasiebasierte – Antworten.
 „going underground ��“ orientiert sich an den Stärken von Martin Murpott: Er ist ein fabelhafter Erzähler. Das vorliegende Werk ist surreal, chaotisch, und auch die Liebe kommt nicht zu kurz. Für Leser*innen und Freund*innen der schrecklich-schönen Stadt Graz (Murpott sollte Stadtplaner werden!), gepflegter Fußballkultur (#stadtklubliebe) und grundsätzlich Menschen, die gute Geschichten mit Überraschungen mögen (hey, da könnte ich gemeint sein!). Und wann bekomme ich endlich diesen Hit aus dem Ohr? „Kaputtes Graz, totes Graz – macht wie immer keinen Spaß!“
Punk(t)!
 aL 11.11.2022
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lampgang · 3 years ago
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8849 – Massentourismus, Tod und Ausbeutung am Mount Everest Oliver Schulz WESTEND Verlag
 „… der wahre Name des höchsten Gipfels im Himalaya, an den alle Gebete der Bergsteiger gerichtet sind, war und ist: die gütige Muttergöttin der Welt.“
Gleichzeitig trägt der 8849 Meter hohe Berg auch die Namen Chomolungma, Sagarmatha, der dritte Pol der Erde – oder auch Mount Everest. Welche Bezeichnung folglich verwendet werden soll, hängt letztendlich davon ab, in welchem Kulturkreis (Tibet, Nepal, Westen) man sich gerade bewegt. Egal wie man den höchsten Ort der Erde nennt: Der Mount Everest ist und bleibt ein Mysterium. Oliver Schulz erzählt in „8849“ über die Träume und Ängste, Erfolge und Enttäuschungen und letztendlich über Leben und Tod am Mount Everest.
Der Autor O. Schulz ist Journalist und freier Redakteur und schreibt seit 2003 regelmäßig über die Tourismusentwicklung im Gebiet des Himalaya. In Hamburg studierte er Indologie, Tibetologie und Soziologie. Seine Erfahrungen und Kenntnisse konnte er in seinem Buch „Indien zu Fuß“ schon 2011 der Leserschaft näherbringen. In „8849“ erzählt er nun aktuell von der Entwicklung des Everest vom unbekannten Bergriesen zum heute heißbegehrten Tourismusziel. Dieses bizarre Geschäft mit dem Höhenwahn steht beispielhaft für den Irrsinn des gesamten Alpinismus.
 Das knapp 190-seitige Werk ist eine informative, wortwörtlich atemberaubende und zugleich ungeschönte Lektüre über Mensch und Berg. Das Buch beginnt klassisch mit geografischen und historischen Fakten des „Hauptdarstellers“ und weckt weiteres Interesse durch viele spannende Anekdoten. Es überzeugt durch abwechselnde Themenauswahl und scharfe Beobachtungsgabe. Die Leserinnen und Leser erfahren, wie sich der Mount Everest vom Forschungsobjekt hin zum Objekt des Massentourismus entwickelte, und bestreiten den schmalen Weg zwischen Ideologie und Geschäft. Es ist eine literarische Achterbahnfahrt der Gefühle irgendwo zwischen Angst, Freude, Erfolg und Scheitern – eine tragisch-schöne Abhandlung über Beziehungen zwischen Mensch und Natur.
 Der Autor setzt gezielt Namen von Bergsteigern und Fakten zu erfolgreichen bzw. gescheiterten Touren und die journalistischen Erfahrungen, die er durch zahlreiche Interviews und Erfahrungsberichte vor Ort geführt hat, ein. Der tatsächliche Pluspunkt des Buches: „8849. Massentourismus, Tod und Ausbeutung“ erzwingt nichts; man kauft dem Schriftsteller ab, dass ihm besonders die weiteren Folgen dieser Entwicklung für die Bewohner des Himalaya am Herzen liegen. Er bleibt permanent stimmig – und was noch viel wichtiger ist: immer informativ und spannend.  
 Oliver Schulz hat hier ein unterhaltsames und lehrreiches Buch über den höchsten Berg der Erde, nicht nur für Bergsteiger und Alpinisten, geschrieben. Unglück und Tod sind in diesem Werk ebenso präsent und permanente Begleiter der Erstbesteiger, Maskenlosen, Bergverrückten, Sherpas und nun auch der Leserschaft von „8849“. Eindringlich beschreibt Schulz die Diskrepanz rund um den Bergriesen, indem er gekonnt den Augenblick einfängt (Covid-19 am Berg), immer wieder dezidiert die Vergangenheit beobachtet (Die Rebellen …) und fragt, wieviel Zukunft noch bleibt (Lösungen, Ziel für die Massen). Insofern hatte Reinhold Messner (Südtiroler Extrembergsteiger und Erstbesteiger aller 14 Achttausender) recht: „Die Berge, die es zu versetzen gibt, sind in unserem Bewusstsein …“
25.5.2022 aL
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lampgang · 3 years ago
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Heart of Gold
Thomas Griessl
Milena Verlag
  „Ansonsten ist das Elternhaus kulturell unterversorgt, beinahe kunst- und musenbefreit. Wobei für Klaus´ Vater der Spielstand aus dem Stadion Körösistraße, von seinem im höchsten Maße geliebten Fußballklub, das Wichtigste ist.“ So schreibt Schriftsteller und Gestaltungspädagoge Thomas Griessl in seinem Coming-of-Age-Roman „Heart of Gold“ und lässt mit Textpassagen wie diesen einerseits mein (rotes) Fußballherz höherschlagen und gleichzeitig auch meine Jugenderinnerungen wieder aufleben.
 Vielleicht kennt man den 1958 geborenen T. Griessl als Künstler von diversen Ausstellungen oder seinem Debütroman „Sehr geehrtes Fräulein Reli“ (2019). Diesmal bestreitet Griessl neue Wege und legt uns mit „Heart of Gold“ seinen gelungenen Folgeroman vor. Ähnlich wie ein musikalisches Konzeptalbum bezieht sich hier jedes Kapitel auf ein Lieblingslied von Thomas Griessl. Mit diesem literarischen Konzept gelingt ihm ein Roman mit unzähligen Hits aus den Genres Rock, Blues und Liebesballade.  
 „Heart of Gold“ ist keine Autobiografie oder eine Abhandlung über den gleichnamigen Song (von Neil Young, Johnny Cash, Boney M. etc.) – es ist vielmehr eine Zeitreise zurück in die 1970er-Jahre, in die glorreiche Epoche von Donauland-Versandbestellungen, langer Haarpracht und Provinzjugend. Und damit noch nicht genug spielt dieser Entwicklungsroman vorwiegend in der Südoststeiermark – Kino-, Konzert- und Lokalbesuche in Graz inklusive.
Zwischen jugendlichem Alltag und wehmütiger Pubertät rebelliert Klaus gegen konservative Erwachsene in der steirischen Heimatgemeinde. Bob Dylan, Patti Smith und David Bowie sind seine Vorbilder, LehrmeisterInnen und IdentitätsgeberInnen. Gleichzeitig ist deren Musik auch ein Rückzugsort auf seiner Suche nach Verständnis. Gekonnt und detailreich führt uns Thomas Griessl in die Facetten der Rock- und Folkmusik ein und überzeugt durch vielschichtige Erzählungen vom Wehrdienst, von Interrailreisen oder einem Sommer im Freibad. Verweise auf Veröffentlichungen, KünstlerInnen und Textpassagen sind gekonnt im genannten Roman angeführt. Wer auch noch Hermann Hesse („Demian“) zitiert, ist ein Kenner und meint es grundsätzlich gut mit der Leserschaft.
 Unterhaltsam, musikerfahren und in sprachlich kundigen Formulierungen entwickelt der Autor den halbwüchsigen Klaus zum jungen Erwachsenen. Der Aufbau des Romans wirkt strukturiert und steigert sich gekonnt wie ein guter Rocksong zum letzten Drittel hin und letztendlich zu einem echten Hit. Rock on, Klaus! Rock on …
  aL/ 27.4.2022
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lampgang · 3 years ago
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SAUGUT und ein wenig wie wir – Eine Geschichte über das Schwein Kristoffer Hatteland Endresen Westend Verlag
 Es gibt mittlerweile unzählige Ernährungsbücher und Studien betreffend Fleischkonsum versus Vegetarismus/Veganismus und die dementsprechenden Auswirkungen auf unser Klima, unsere Gesundheit und unsere ethische Motivation im Zusammenhang mit Tierrechten. Gleich vorab: Das vorliegende Buch „SAUGUT und ein wenig wie wir - Eine Geschichte über das Schwein“ von K. H. Endresen ist weder eine Auftragsarbeit der Schweinebauernlobby noch eine der Animal Liberation Front. Es ist primär eine Geschichte über Appetit und Abneigung, Kultur und Religion und die Frage, wo eigentlich die Trennlinie zwischen Mensch und Tier verläuft. Bevor wir uns mit der Beziehung von Mensch und Schwein auseinandersetzen, gegebenenfalls in Diskussion und vielleicht sogar Streit geraten – lassen Sie uns vorab ganz nüchtern ein paar Zahlen und Fakten betrachten:
 ·        In Deutschland wurden im Jahr 2020 53,2 Millionen Schweine geschlachtet – 3,5 % weniger als im Jahr davor. Das entspricht 5.101.700 Tonnen Schweinefleisch.
·        Von den Klimagasen, die die Menschheit zu verantworten hat, stammen 14,5 % von unseren Haustieren.
·        2012 war die Schweine-Nation China verantwortlich für ganze 66 % der Sojaproduktion Brasiliens.
·        Die Emission von Schweinefleisch beträgt 3,8 kg CO2-Äquivalente (Käse: 5,4 kg CO2-Äquivalente)
·        Es werden 6.000 Liter Wasser für 1 kg Schweinefleisch benötigt (Rindfleisch: 51.000 Liter).
·        100 Gramm Schweinefleisch enthalten 16 Gramm Protein – 100 Gramm Hühnerfleisch enthalten 19 Gramm Protein.
·        Keine 300 Jahre nach Christus, auf der ersten Synode von Antiochia, empfahl das Konzil allen Christen den Verzehr von Schweinefleisch.
·        Walter J. Chappels Schwein Bill wog 1.157 kg bei der Weltausstellung in Chicago 1933.
·        Der Anteil von Biofleisch am Gesamtkonsum von Schweinefleisch betrug 2018 in Norwegen nur 0,2 Prozent.
 Viele StädterInnen fahren im Frühling aufs Land und sehen Kühe, Pferde und Schafe im Landschaftsbild. So sehen wir unsere Tiere gern: vital und kräftig. Schweine finden wir inzwischen (fast) nur noch in Mastbetrieben, wo sie in weiterer Folge zu billigem Industriefleisch verarbeitet werden. Diese Entwicklung der Schweineindustrie verteilt sich über viele Länder und Kontinente. Die Menschen haben das Schwein domestiziert und letztendlich eingesperrt. Die Geschichte des Schweins ist folglich ebenso eine Geschichte des Menschen.
 Der Historiker und Journalist Kristoffer Hatteland Endresen besuchte im Zuge von Recherchearbeiten einen norwegischen Schweinegroßbetrieb, um Besamung, Geburt, Aufzucht und Schlachtung der Tiere investigativ zu beleuchten. Der 39-jährige Norweger möchte dadurch untersuchen, ob es unter den heutigen Bedingungen überhaupt noch möglich ist, unser ursprüngliches Verhältnis zu Nutztieren wiederherzustellen. Ähnlich wie Florian Klenk in „Bauer und Bobo – Wie aus Wut Freundschaft wurde“ blickt der Autor K. H. Endresen hinter die Türen eines Schweinegroßbetriebes, um wenigstens einmal einem Schwein in die Augen zu sehen und gegebenenfalls eine persönliche Beziehung zum Tier aufbauen zu können.
 Das 272-seitige Werk bildet eine ehrliche, aufschlussreiche und zugleich nachdenkliche Lektüre, die das Schwein als Nutztier historisch, kulturell, religiös und ethisch betrachtet. Das Buch betreibt Ursachenforschung bezüglich der Behandlung der Tiere und weckt Interesse durch viele erhellende Zahlen und Fakten. Die LeserInnen erfahren, wie sich Endresen hier mit Neugier, Vorurteilen und der Realität auseinandersetzt, und beschreiten den schmalen Grat zwischen Tierwohl und -leid. Es ist eine literarische Reise vom Ferkel bis zur Schlachtung, die emotional bewegt und dabei moralische Denkanstöße gibt. Wer sich u. a. schon immer die Fragen gestellt hat wie „Warum ist das Schwein heute rosa?“, „Warum essen Juden und Moslems kein Schweinefleisch?“ oder „Was macht das Schwein so klug?“, findet hier – frei nach dem Motto „Schwein gehabt“ – glücklicherweise fundierte und faktenbasierte Antworten.  
 „Saugut“ ist eine eindringliche Geschichte, die man nicht so schnell vergisst und den Wunsch nach Veränderung anregt. In Anbetracht unserer weltweiten Herausforderungen wie Klimawandel und Epidemien müssen wir uns auch mit der Frage unserer Ernährung auseinandersetzen. Pflanzliche Kost anstatt Fleisch reduziert schließlich die Emission von Klimagasen und Krankheiten. Ja eh, die Fakten sind uns bekannt – wäre da nicht unser innerer SCHWEINEhund. Trotzdem kann dieses Buch die notwendige Veränderung unterstützen. Lesetipp! 15.03.2022 aL
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lampgang · 3 years ago
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Thomas Mulitzer: „Pop ist tot“, Kremayr & Scheriau 2021
„Punk ist der Radierer, der in diese Skizze grätscht, der dem Lebenslauf einen Strich durch die Rechnung macht. Punk löscht aus, zerlegt, setzt den Steg in Brand und kappt die letzten Taue. Klaut aus Liebe, randaliert.“ So schreibt Schriftsteller und Musiker Thomas Mulitzer in seinem nostalgischen Roadtrip „Pop ist tot“ und lässt durchblicken, wohin diese musikalisch-literarische Reise führen wird.
Vielleicht kennt man Thomas Mulitzer als Singer und Songwriter der österreichischen Mundart-Punkband „Glue Crew“ oder von seinem Debütroman „Tau“ (2017). Im Gegensatz zu seinen musikalischen Veröffentlichungen vermeidet Mulitzer (bis auf ein paar „Oida!“) hier Mundartformulierungen. Dadurch gelingt ihm ein Musikroman voller Bier, Punk und Tränen.
„Pop ist tot“ ist keine Autobiografie oder langatmige Enzyklopädie über Musikepochen. Es ist vielmehr eine Zeitreise zurück in die 1990er-Jahre, in die glorreiche Epoche der heimischen Punkbands. Und damit noch nicht genug, formieren sich die damaligen Provinzrocker rund um Franz-Xaver (FX), Branco, Johann (Hänsi) und Günther noch einmal für eine Reunion-Tour. Zwischen beruflichem Alltag heute und wehmütigen Rückblicken in die glorreichen Jugendjahre packen sie ihre Instrumente wieder in den Tourbus und machen sich als Support der erfolgreichen Band „Superschnaps“ auf die Reise nach Graz, Linz, Wien usw.
Die goldene Regel vieler reisender MusikerInnen „What happens on tour – stays on tour!“ wird zum Glück vom Autor über Bord geworfen. So nimmt er die LeserInnen direkt mit auf die Konzertreise – Pleiten, Pech und Schrammen inklusive.
In der Folge führt uns Thomas Mulitzer in die Facetten der Subkulturen Punk, Ska und Emo ein. Verweise auf Veröffentlichungen, Bands und Textpassagen sind im Roman zu Hauf versammelt. Wer Jens Rachut (Oma Hans, Dackelblut, Maulgruppe usw.) zitiert, ist ein Kenner und meint es grundsätzlich gut mit seiner Leserschaft. Vielleicht sogar etwas zu gut��
Wäre dieses Buch eine Punkrockband, würden wir sie dann nämlich doch mit Green Day oder The Offspring vergleichen: etwas brav, geplant und kommerziell. Da fehlt an manchen Stellen einfach der Dreck, der Rotz und der provokative Aufschrei von Punk, um hier wieder zurück zu Jens Rachut zu kommen.
Die Geschichte fühlt sich an wie ein Circle Pit ohne Körperkontakt: unterhaltsam und eh irgendwie aufregend, nur halt ohne blaue Flecken und Abschürfungen. Aber: Punk ist eben bunt und vielschichtig. Deshalb ist „Pop ist tot“ literarischer Funpunk mit großem Unterhaltungswert und trotziger Mittelfingereinstellung.  Ein Schlag in die Fresse, aber mit Samthandschuhen. Solides Album … äh Buch!
Und als Zugabe jetzt alle im Chor: „Nie wieder Glitzer, nie wieder Glimmer, Pop ist tot, Punk für immer!“
P.S.: Support your local Punkrock writer!
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lampgang · 3 years ago
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H.C. Roth: „Wie aus mir kein Rockstar wurde“, Edition Subkultur
„Und da sind sie auch schon alle, all die coolen Bands. Die Sidekick Maniacs, Sick Of Bourbon, True Emotions, Bounced Of It All, Vomit, Bad Influenced By The Red Flashing Lights Of An American Schoolbus“, schreibt der Anarcho-Liedermacher, Autor und Radio Helsinki Moderator H.C. Roth (HC= HardCore) in seiner unterhaltsamen und selbstironischen Autobiografie „Wie aus mir kein Rockstar wurde“. Und gleich vorweg: Ähnlichkeiten mit den oben genannten Grazer Bands sind gewünscht und beabsichtigt.
Vielleicht kennt ihr den in Graz lebenden Schriftsteller und Musiker persönlich oder auch als Bandmitglied von „Die Fetten Nelken“ und „Fäidaboll“ – oder auch aufgrund seiner unzählig guten Texte und Plattenrezessionen im OX-Fanzine in den letzten 20 Jahren. Roth ist ein rastloser „Textoholic“, schrieb in den letzten Jahren einige coole Kinderbücher („Schnecke mit Helm“, „Frosch mit Socken“ …), weitere Romane („Genpoolparty“, „Der Flug des Pinguins“ …) und ist durch seine Lesereisen und Poetry Slams im deutschsprachigen Raum bekannt. „Wie aus mir kein Rockstar wurde“ ist ein gelungener Rückblick auf die Grazer Punkrock-Szene um die Jahrtausendwende, welche H.C. Roth (und auch der Rezensent!) erleben durften. Gute Zeit!
Dieses Werk lässt auf den ersten Blick einen typischen „Coming of Age“-Roman im Milieu der österreichischen Subkultur vermuten. Wenn dann eventuell noch Provinzanekdoten, Klosterschule und lockere Sprüche ins Spiel kommen, wäre die 08/15-Musikbiografie mit Vorverkaufsrecht für eine ORF-Verfilmung mit Manuel Rubey in der Hauptrolle schon perfekt inszeniert.
Aber dann ist da doch mehr, viel mehr in diesem Buch: H.C. Roth gelingt es, eine persönliche Situation vom Provinzkind bis zur internationalen Lesereise zu beschreiben. Auf subtile und ironische Weise schafft es der Autor, einen Blick auf seine Welt aus Sicht eines Punk-Poeten in gesellschaftskritischer Sprache zu vermitteln. Er verbindet persönliche Erlebnisse und OX-Texte mit Anekdoten. Die Geschichten werden mit interessanten Charakteren der Grazer Bandszene (z. B. Friebi, 50er Max), Kinderfotos von H.C. und Übersetzungen aus dem Österreichischen verfeinert. Speziell die komprimierten bzw. kurzen Kindheitserinnerungen im ersten Drittel des Romans bringen vieles auf den Punkt.
„W.a.m.k.R.w“ schlingert herrlich fahrig ins Gemüt, erzeugt Lachtränen in den Augen der LeserInnen und bleibt ohne den Hang, irgendetwas beweisen zu müssen, in Erinnerung. Der Roman orientiert sich folglich an den Stärken von H.C. Roth: Er ist ein motivierter Erzähler; das vorliegende Werk ist entschlossen – es rockt. Insofern braucht hier auch niemand traurig zu sein: H.C. ist und bleibt ein Punk-Rocker und muss deshalb auch kein Rockstar werden. Ein Roman mit schönen Erinnerungen und Anekdoten. In diesem Sinne: Danke für das Buch. Beste Grüße nach Terminator Town aus Conan City, lieber HC! Dein Bounz it aL
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lampgang · 4 years ago
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Herbert Hirschler: „Luftgitarrengott“, Leykam 2021
Den Schlager- und Volksmusikanhängern unter uns ist Herbert Hirschler wahrscheinlich ein Begriff. Bei einigen nimmt er vielleicht sogar eine Sonderstellung ein. Er schrieb mehr als 700 Musiktitel für die Kastelruther Spatzen, Marc Pircher und Co., erreichte Platin- und Goldauszeichnungen und veröffentlichte nebenbei noch zwei erfolgreiche Reiselesebücher („Himmel, Herrgott, Meer, Musik“, „Himmel, Herrgott, Portugal“).
Nun bestreitet Hirschler allerdings neue Wege und legt mit „Luftgitarrengott“ einen unterhaltsamen Debütroman vor. Ein Roadtrip-Abenteuer mit Rock’n’Roll-Klischees und dramatischem Ende inklusive – liest sich leicht und unkompliziert. Anhand einer Familiengeschichte schildert der Autor den unerbittlichen Konkurrenzkampf zweier Geschwister im Musikgeschäft der 1980er-Jahre bis ins Jahr 2070. Herbert Hirschler erzählt keine neue „Fleisch ist mein Gemüse“ (Heinz Strunk) oder „Wo die wilden Maden graben“ (Thorsten Nagelschmidt)-Geschichte, aber er liefert seine Version einer Musikbiografie ab. Manchmal etwas gar zu rasant, manchmal vielleicht wahr, immer unterhaltsam.
Hirschlers Protagonist Bastian Berger schreibt schon als Jugendlicher die Songs für seine Schwester und hofft auf den gemeinsamen Plattenvertrag als Duo. Wie es das Schicksal bzw. seine Schwester will, schaut Bastian durch die Finger, und Lisa Berger wird zu Lucy Hill und in der Folge auch ein Weltstar. Bastian lernt mehr schlecht (Alkohol!) als recht damit umzugehen und schlägt sich selbstironisch durch neun Jahrzehnte seines Lebens voller Ups & Downs. Lustig, pointiert und voller Erfahrung geschrieben, begleiten wir die beiden Bergers durch die vergangene Musikgeschichte, aktuelle Entwicklungen im Musikbusiness und Castingshows der Zukunft mit Großeltern und Enkeln. Warum Bastian immer wieder auf die List seiner Schwester hereinfällt, bleibt das große Geheimnis der Musikindustrie – oder ihrer Geschwisterliebe? Das ist der Aufhänger des Romans und so dann auch ganz in Ordnung. „Luftgitarrengott“ ist daher auch keine reale Biografie einer Künstlerfamilie, sondern eine interessante Geschichte eines Träumers, der aufwacht, als seine Hoffnungen scheinbar in Erfüllung gehen.
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lampgang · 4 years ago
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Emil Bobi: „ABARA DA KABAR – Die Rückreise“, Anton Pustet Verlag 2021
„Es gab nicht siebentausend Sprachen, sondern acht Milliarden“ – so Emil Bobi in seinem Roman mit dem Titel „ABARA DA KABAR – Die Rückreise“. Er präsentiert eine Art Reisebericht zum Ursprung der Sprachen, der zwischenzeitlich in eine Familiengeschichte und eine Abhandlung über Journalismus abzweigt und letztendlich in einer Art Schnitzeljagd in Marokko endet. Bobi legt eine sprachliche Zerreißprobe zwischen Gesellschafts- und Kommunikationskritik vor.
Der langjährige Chefreporter des Nachrichtenmagazins profil lebt in Wien respektive in der Südsteiermark und hat schon viele Kriegsschauplätze bereist. Seine Erfahrung und sein Gespür für das Schreiben sind in seinen Texten und Büchern wie Die Schattenstadt (2014) deutlich erkennbar. Mit „ABARA DA KABAR“ balanciert er sprachlich einfallsreich und versiert und transportiert interessante Gedanken über die Notlage der Kommunikation, über die Frage, warum Sprache eigentlich nicht funktioniert.
Der Journalist Franz Ignaz Baumhackl beginnt zu recherchieren, warum Sprache defekt ist und die Ursache für Streit, Gewalt und Krieg sein soll. Gemeinsam mit der Sprachspezialistin Michaela Halbmond verfolgt er interessante Theorien und Fragestellungen im unergründlichen Spektrum der Sprachphilosophie. Weitere textliche Ausflüge in die Welt der Sprachmystik und -wissenschaft bestätigen dieses literarische Wagnis. Schließlich scheint nur noch die Flucht nach Marokko die Lösung zu sein, um außersprachliche Klarheit in den Urlauten der Tierwelt zu finden.
„ABARA DA KABAR“ orientiert sich an den Stärken von Emil Bobi: Er ist ein motivierter Erzähler; das vorliegende Werk ist mutig, versiert und entschlossen. Die 365-seitige Erzählung ist allerdings auch herausfordernd, streckenweise etwas langatmig und verwirrend. Keine leichte Kost und nicht unbedingt als Gute-Nacht-Lektüre geeignet. Für LeserInnen und FreundInnen, die Marathonsätze mögen und gerne Bücher von Christian Kracht (Die Toten, Eurotrash) oder Jakob Nolte (Schreckliche Gewalten) lesen, ist dieses Buch aber wohl eine besondere Lektüre.
Text und Bild: aL
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lampgang · 4 years ago
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TRICERATOPS Stephan Roiss Kremayr & Scheriau
 „Also gut, ich zähle sie dir auf. Es sind neun. Niederösterreich, Wien, Oberösterreich, Burgenland, Kärnten, Steiermark, Salzburg, Tirol, Vorarlberg. Welche hast du dir gemerkt? Niederlande“, schreibt der Autor und Vokalist Stephan Roiss in seinem kühlen und nüchternen Prosaroman „Triceratops“. Und gleich vorweg: Witziger wird es nicht mehr. 
 Vielleicht kennt ihr den 1983 in Graz geborenen Schriftsteller und Musiker persönlich oder auch als Bandmitglied von „Äffchen & Graigs“ und „Fang den Berg“. Oder aufgrund seiner Hörspiele, die im SWR, MDR oder Deutschlandradio Kultur ausgestrahlt werden. Roiss studierte am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig und erhielt bereits einige namhafte Auszeichnungen. „Triceratops“ ist dieses Jahr erschienen und sein Debütroman.  
 „Triceratops“ lässt auf den ersten Blick einen typischen Familienroman im Milieu der österreichischen 1980er-Jahre vermuten. Wenn dann noch ein frustrierter Vater und eine nervenkranke Mutter die Eltern des Hauptdarstellers sind, wäre die 08/15-Familientragödie mit Vorverkaufsrecht für eine ZDF-Verfilmung schon perfekt inszeniert.
Aber dann ist da doch mehr, viel mehr in diesem Buch: Roiss gelingt es, eine persönliche Situation in den Farben grau, dunkelgrau bis schwarz zu beschreiben. Auf subtile und packende Weise schafft es der Autor, einen verstörenden Blick auf diese Welt aus Sicht eines Kindes in klarer und zorniger Sprache zu beschreiben. Dieser kleine Junge malt Monster in Schulhefte, mag Drachen und spricht von sich selbst immerfort als „WIR“. Insofern begeben wir uns gemeinsam auf die Reise durch Erziehung, Angst und Ordnung – im doppelten Sinn! Die Geschichte wird mit interessanten Charakteren (z. B. die Aschbach-Großmutter oder die blauhaarige Helix) verfeinert, die sich im weiteren Verlauf des Buchs gekonnt entwickeln und die Hauptakteure wunderbar ergänzen. Speziell die komprimierten bzw. kurzen Kindheitserinnerungen im ersten Drittel des Romans sind essenziell, beeindruckend und bringen mit wenig Worten Vieles auf den Punkt.
 Es ist sprachlich (und vielleicht gerade deshalb) kein typischer österreichischer Familien-Roman, weil er die typischen stilistischen Anleihen von z.B. Wolfgang Haas („Jetzt ist schon wieder was passiert...“) vermeidet. Es ist ein Buch über Kinder und ihre Eltern vor dem Erwachsenwerden. Agiert Stephan Roiss manchmal als aufkommender Psychothrillerautor wie ein junger Thomas Glavinic, der damit sicher viele Thriller-Freunde begeistern wird, gelingt es ihm im Laufe des Buches immer besser, durch stampfende Formulierungen, bissige Erzählattitüde und giftigen Zynismus einen eigenständigen Stil zu kreieren. Der Roman brütet in sich – nachdenklich – und reift zugleich.
 „Triceratops“ schlingert herrlich fahrig in dein Gemüt, verbeißt sich in die Augen der Leser und bleibt ohne den Hang, irgendetwas beweisen zu müssen, in Erinnerung. Diese Substanz hat eine Qualität, die sich einerseits nicht damit begnügt, einen an der Oberfläche angenehm zu hörenden Wohlklang zu erzeugen, sondern eine überwältigende unter die Haut gehende Konsequenz bietet.  
 „Triceratops“ orientiert sich folglich an den Stärken von Stephan Roiss: Er ist ein motivierter Erzähler; das vorliegende Werk ist sehr mutig, genial und entschlossen. Insofern braucht hier niemand ängstlich sein. Dieses Erstwerk ist ergiebig, und Roiss löst hiermit mehr Versprechen ein, als er letztendlich mit einem Debüt überhaupt geben kann. Ein intensiver Roman, den man nicht so schnell vergisst. Aktuell ist „Triceratops“ für den Deutschen Buchpreis 2020 nominiert. In diesem Sinne: „Long may you run, Stephan! – long may you run …“
 aL  18.8.2020
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lampgang · 5 years ago
Text
Das Dibbuk Experiment Martin Kolozs Text/Rahmen Verlag
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„Sie müssen essen, Pater, um wieder zu Kräften zu kommen! Mit leeren Magen ist der Teufel nicht zu besiegen – sehen Sie mich an“, er rieb sich seinen Bauch und grinste zufrieden, „mich kann kein Höllenhund so leicht huckepack nehmen und forttragen.“ – so Martin Kolozs in seinem Thriller mit dem Titel „Das Dibbuk Experiment“. Er präsentiert einen spannenden Krimi zwischen Exorzismus und geheimnisvollen Machenschaften in der katholischen Kirche. Kundig und behutsam hantelt sich der Autor vor und bewegt sich stringent zwischen Erde und Hölle.
Der in Graz geborene Martin Kolozs studierte Christliche Philosophie an der Theologischen Fakultät in Innsbruck. Diese Themen finden sich in seinen bisherigen Texten und veröffentlichten Büchern wieder. Der 42-jährige Schriftsteller balanciert in „Das Dibbuk Experiment“ sprachlich solide und geheimnisvoll, transportiert Beziehungen, beschreibt morbide Szenarien hinter Kirchenmauern und formuliert fachkundig. Die 227-seitige Erzählung ist ergreifend und spannend – manchmal jedoch auch sprunghaft und verwirrend. So entsteht der Eindruck bei der Lektüre, dass dieses Buch auch durchaus länger hätte ausfallen können.
Der Priester Tom Kessler untersucht im Auftrag der Kirche, ob Menschen von Dämonen besessen oder psychologisch erkrankt sind – keine leichte Aufgabe für den Geistlichen. Schließlich hängt von seiner Einschätzung die mögliche „Therapie“ ab, ob diese Menschen exorziert werden oder in der Psychiatrie landen. Im Auftrag des Bischofs wird Kessler in die Heilige Stadt entsandt, um den Fall einer „besessenen“ Ordensschwester zu untersuchen. Doch zwischen dicken Stadtmauern und kirchlichen Intrigen sind nicht nur Dämonen seine Feinde.
„Das Dibbuk Experiment“ ist kein im Detail durchkomponierter Kirchenkrimi wie Umberto Ecos „Im Namen der Rose“. Was dem Buch denn auch in manchen Szenen fehlt, ist ein gewisses Maß an Unberechenbarkeit. Nichtsdestotrotz wirkt die Geschichte unter dem Strich absolut stimmig. Und spannend. Amen!
Text und Bild: aL 2020 https://www.haubentaucher.at/2020/07/krimi-des-monats-4/
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lampgang · 5 years ago
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Fußball verbindet – Prominente über den beliebtesten Ballsport Peter Slavin Carl Ueberreuter Verlag
159 Seiten
 „Fußballspiele können die Welt verkehrt erscheinen lassen und unsere ältesten Träume bedienen, nämlich, dass der Zwerg gegen den Riesen gewinnt und beide als Freunde auseinander gehen“, ist kein Zitat vom Autor dieses Buches, aber eine Antwort des Schauspielers Harald Krassnitzers warum Fußball wohl die beliebteste Sportart der Welt ist. Ob man Krassnitzer oder Fußball toll findet oder nicht ist hier nicht die Frage, aber den Vergleich mit Zwerg und Riese mag ich schon sehr.
 Nun sind wir schon mittendrin im Thema „Fußball“ und es drängt sich sofort die Frage auf: „Fußball, Promis und Österreich – wie kann das zusammenpassen“? Zumindest österreichische Fußballinterviews sind schon eine Klasse für sich und (inter-)national einzigartig, kultig und meistens mit Emotionen und Grammatikfehlern ausgestattet. Peter Slavins Buch ist eine Sammlung zusammengefasster Promi-Interviews oder um es in den Worten von Goleador Hans Krankl auszudrücken: „Hier geht es um Interviews, alles andere ist primär“.
Peter Slavin ist Vater von zwei Kindern, fußballbegeistert und hauptberuflich TV-MEDIA Redakteur. Vielleicht nimmt Slavin gerade deswegen Interviews sehr ernst. In „Fußball verbindet“ versucht Slavin somit seine Tätigkeit als Interviewer von Persönlichkeiten bzw. Adabeis und seine Leidenschaft für das runde Leder zu vereinen. Grundsätzlich beherrscht der Autor sein Handwerk der Interviewführung und einige Anekdoten im Buch bringen den einen oder anderen Lacher mit sich. Trotzdem ist das Schema bzw. seine Taktik nach einigen Seiten durchschaubar, monoton und zu einfallslos um als Sieger vom Platz zu gehen. Herbert „Schneckerl“ Prohaska hätte bei seiner Analyse seine Freude: „Man gewinnt mit dem immer gleichen Hackentrick à la lounge auch keine Fußballpartie.“
 Das knapp 160-seitige Werk ist eine unterhaltsame und zugleich augenzwinkernde Beziehungslektüre zwischen Fußball und österreichische Persönlichkeiten wie Kabarettist Alfred Dorfer, Kammerschauspielerin Elisabeth Orth, Sänger Marco Wanda, die Wiener Philharmoniker, ORF-Reporter Peter Klien. Die Leserinnen und Leser erfahren unter anderem, wieso Mikromann Gernot Kulis sich ein Eis in die Hostentasche stecken musste, Sänger Christopher Seiler gemeinsam mit den FC Bayern Stars deren Cupsieg feierte oder das Schauspielerin Pia Hirzegger und Sciencebuster Helmut Jungwirth eingefleischte GAK 1902 Fans sind (#stadtklub). Außerdem u.a noch in der Kaderaufstellung: Vea Kaiser, David Schalko, Teddy Podgorsky, Thomas Stipsits, Adele Neuhauser, Robert Palfrader und (zu) viel Cordoba Lobgesang auf die gute alte Zeit.
Apropos Cordoba! So würde Edi Finger sen. vielleicht heute Peter Slavins Buch rezensieren: „Auf den ersten zehn Buchseiten war der Griff zur Wasserflasche spielentscheidend, denn wir wussten alle, dass das ein langer 159 seitiger Ritt wird. Die erste Halbzeit des Buchs ging mit der Angriffskette Dorfer, Kulis, Klien und Stipsits glassklar an die Kabarettfraktion, aber im zweiten Block hat dann die „Rote“ Hirzegger fast einen Hattrick geschossen, während Rubey und Ostrowski gleichauf waren. In der Verlängerung kämpften dann die Routiniers Rapp und Podgorsky um das Golden Goal, aber entschieden wurde das ganze erst durch Dompfarrer Toni Faber im Elfmeterschießen.“
  Peter Slavin hat hier ein liebenswertes Buch über Fußballanekdoten geschrieben. Humor ist in diesem Werk ebenfalls ein Schlüsselwort, um die beliebteste Ballsportart für die Leser schmackhaft zu machen. Fußballbegeisterte (Hooligans und Ultras aus der Stadionkurve) werden wohl nicht damit angesprochen werden. Macht nichts, weil die Unterhaltung steht hier im Vordergrund. Thees „Uhle!“ Uhlmann hat mal gesungen: „Das hier ist Fußball – das hier sind Dramen“. Passt gut!
08.01.2020 aL
siehe auch: https://www.haubentaucher.at/2020/01/fussballbuch-des-monats/
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