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DJ Kypski & The Matangi String Quartet
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Viele verschiedene Frequenzen, die sich aber wieder in ein Konzept und einen Rhythmus eingliedern“
Mouse on Mars in der Alten Feuerwache Mannheim
Mit ihrem vierzehnten Album „21 Again“, das im Oktober letzten Jahres beim Label Monkeytown erschien, überraschten Mouse on Mars ihre Fans auch nach 22 Jahren musikalischen Schaffens einmal mehr durch neue experimentelle Elektro-Klänge, die sich nicht wirklich einem einzigen Musikstil zuordnen lassen. Neben Kollaborationen mit alten Bekannten fanden sich auf der aktuellsten Veröffentlichung auch zahlreiche Tracks mit neuen Künstlern wie dem Amerikaner Eric D Clark oder der Postrock-Band Tortoise wieder. Diese vielschichtige Mischung unterschiedlichster Stile machte „21 Again“ zu einem kognitiv fordernden, aber auch äußerst tanzbaren Werk, das Kritiker mit seinen Anleihen aus Pop, Rock, Discofunk und diversen Musikrichtungen durchaus zu überzeugen wusste. Bayern 2 ernannte die „Jungbrunnen-Platte“ kurz nach ihrem Erscheinen zum Album der Woche, das Elektro-Magazin „De:Bug“ lobte die Tracks, die „nicht vor Abenteuern zurückscheuen“.
Ganz im Zeichen dieser neu eingespielten Klänge des Düsseldorfer Duos, das seine Werke auch gerne mal als „produktive Missverständnisse“ bezeichnet, stand das Konzert im Rahmen des Jetztmusikfestivals am 24.03.15 in der Alten Feuerwache Mannheim. Besucher durften also auf einen intensiven Mix aus elektronischer Musik und unterschiedlichsten musikalischen Einflüssen gespannt sein. Mit dem historischen Jugendstilbau in der Neckarstadt hatte man zudem einen Veranstaltungsort gewählt, den man in erster Linie nicht unbedingt mit dem modernen Sound von Mouse on Mars in Verbindung bringt und an dem wenige Wochen zuvor noch das neunte Mannheimer Literaturfest stattfand. Eine bewusste Entscheidung, die sich perfekt in das Konzept des Jetztmusikfestivals einfügt, elektronische Musik aus den Clubs und an Orte wie zum Beispiel Kulturzentren, Theater oder auch Museen zu holen.
Während Mouse on Mars zu Beginn des Abends noch ruhigere Töne anschlugen, warfen zunächst nur einzelne Besucher zögernd einen Blick hinter den schwarzen Vorhang, der die Bühne samt Hauptakteuren vom Rest der Halle trennte. Kurz darauf stellte sich aber dank eindringlicher Beats eine mitreißende Atmosphäre ein, die immer mehr Menschen vor die Bühne lockte. Die auf die Musik abgestimmte Video- und Lichtshow tat ein Übriges und schuf zusammen mit den Tracks von Jan Werner und Andi Thoma eine rauschartige Stimmung, die die Menge durchgehend zum Tanzen animierte. Dabei fluteten die Scheinwerfer den Raum mal mit Licht, färbten ihn im nächsten Moment blau oder rot und ließen die beiden Künstler anschließend in einem Lichtkegel erscheinen, während auf der Bühne eine schrille Sirene erklang. Eintönigkeit wurde an diesem Abend durch solch unerwartete Zwischenspiele und außergewöhnliche Übergänge zwischen vermeintlich gegensätzlichen Musikstilen zu einem Fremdwort. Insbesondere ältere Tracks des Duos kamen beim Publikum äußert gut an und wurden von der Menge durch begeisterte Rufe kommentiert. Dem tosenden Applaus am Ende des Konzerts nach zu urteilen, kamen somit letztendlich nicht nur eingefleischte Fans von Mouse on Mars, sondern ebenso bekennende Elektro-Neulinge voll auf ihre Kosten. Ein kurzentschlossener Besucher berichtete im Anschluss: „Ich bin spontan um Viertel vor acht mit Freunden gekommen und war wirklich überrascht, weil es mir sehr gut gefallen hat.“ Auf gleiche Weise wurden die an diesem Abend geschaffenen Verbindungen zwischen zahlreichen Musikstilen auch von einer Besucherin des Konzerts zu schätzen gewusst, der das Konzert wider Erwarten „überraschend gut“ gefiel, obwohl sie es sich im Vorfeld sogar „durchaus diffuser“ vorgestellt hatte.
Doch auch langjährige Fans von Mouse on Mars zeigten sich von der Performance nicht enttäuscht. „Ich war vor zwanzig Jahren bereits auf einem Konzert“ berichtete eine Besucherin nach dem Event und fügte anschließend hinzu, dass „sich das Kommen wirklich gelohnt hat“. Einer Gruppe von Elektrofans fielen besonders die „vielen verschiedenen Frequenzen, die sich aber wieder in ein Konzept und einen Rhythmus eingliedern“ auf. Gesprächsstoff bot das vielseitige Konzert im Nachhinein allemal, denn sowohl in der Halle der Feuerwache als auch vor dem Gebäude wurde noch weit nach Konzertschluss bei Getränken oder einer Zigarette rege über das zuvor Erlebte diskutiert.
Wiebke Gremler
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Impressionen des JMF Labday.
(Leider nur in niedriger Qualität, da das Video ansonsten zu groß wäre.)
Video und Schnitt: Eva Haberzettel, Christian Huber, Steffen Müller
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The Sound of Düsseldorf
Eine Zeitreise zu den Anfängen der elektronischen Musik
Der Einsatz von elektronischen Geräten in der Musik hat mittlerweile eine lange Tradition. Nachdem bereits im 18. Jahrhundert mit elektromechanischer Klangerzeugung experimentiert wurde, stellte 1968 der erste handhabbare Synthesizer, nach seinem Erbauer Moog genannt, einen Meilenstein zur Entwicklung der elektronischen Musik dar. Etwa in diesem Jahr setzt auch das „Prelude“ in Rüdiger Eschs Buch Electri_city an, das im Oktober 2014 vom Suhrkamp Verlag veröffentlicht wurde. Aufgebaut ist das Werk aus einer Collage von über 50 Interviews, die der Autor über zwei Jahre hinweg geführt und durch einige bereits bestehende ergänzt hat. Durch die wechselnde Abfolge der Äußerungen verschiedener Interviewpartner entsteht so eine lebendige Erzählung über die Zeit der Bands, allen voran Kraftwerk, die als die Pioniere des Elektropop gelten. Die Struktur des Buchs wirkt wie eine lockere Gesprächsrunde, die in Erinnerungen schwelgt. Dabei wird als „Oral History“ ein Zeugnis über einen wichtigen Teil der Musikgeschichte ablegt, die ihren Ursprung vor allem in Düsseldorf hatte.
Internationale Wechselwirkungen
Als der Eurovision Song Contest 2011 in Düsseldorf ausgetragen wurde, war Krupps-Bassist Esch Kurator für die Stadtwerke, die im Vorfeld des Events eine Kombination aus Ausstellung, Lesung und Konzert zum Thema „Elektronische Musik aus Düsseldorf“ veranstalteten. Diese trug, ebenso wie das nun erschienene Buch, den Titel der Debütsingle der britischen Band OMD (Orchestral Manoeuvres in the Dark): Electricity. Im Zuge der Vorbereitungen wurde dem Autor bewusst, dass die Reputation im Ausland, wenn es um Düsseldorf und dessen Rolle als „Wiege des Elektropops“ geht, um ein vielfachen größer ist als in Deutschland selbst. Bezeichnend dafür ist eine Anekdote aus Electri_city über David Bowies Auftritt bei der Fernsehsendung „Wetten, dass...?“ im Jahr 1997: Als er das Publikum fragte, wer eine seiner deutschen Lieblingsbands, Neu! kenne, meldete sich nur zögernd ein einziger Zuschauer.
Dies war eine Inspiration für Esch, nach dem Vorbild des Doku-Romans Verschwende Deine Jugend von Jürgen Teipel, ein Buch mit Originalaussagen von damals Beteiligten entstehen zu lassen. Er hat seine Interviewpartner fast alle persönlich getroffen, um exklusiv für sein Werk mit ihnen zu sprechen. Neben diplomatischem Geschick kam ihm dabei auch der Vorteil, Musiker-Kollege zu sein, zugute. So konnte er reichlich Material aus den Antworten zu jeweils acht gleichen und individuellen Fragen zusammentragen. Er schafft in seiner multiperspektivischen Montage der Erinnerungen ein popgeschichtlich wertvolles Grundlagenwerk, welches auch bisher wenig gehörte Akteure zu Wort kommen lässt und so einzelne Wissenslücken schließen kann. Die Verwendung von Archivmaterial ist vor allem dem Umstand geschuldet, dass einige der relevanten Personen mittlerweile verstorben sind. Ohne selbst zu kommentieren, findet Esch immer wieder den roten Faden, der schließlich zum Ausgangspunkt von Düsseldorf als der „Electri_city“ führt. Der Achtziger-Jahre Synthie-Pop aus Großbritannien wäre ohne den Einfluss der Düsseldorfer Soundpioniere nicht denkbar gewesen. Viele britische New Wave-Stars bezeichnen die Musik aus der rheinländischen Elektrostadt als ihre Inspiration der ersten Stunde. Während die Engländer von den Klangexperimenten der Deutschen profitierten, verhalfen sie dem Elektrogenre und einzelnen Bands wie DAF (Deutsch-Amerikanische Freundschaft) zu weltweitem Erfolg. Neben den Beiträgen der Lokalhelden Düsseldorfs enthält das Buch darum auch Statements zahlreicher Briten: Andy McCluskey und Paul Humphreys von OMD, Depeche-Mode-Entdecker Daniel Miller, sowie aktuellen oder ehemaligen Mitgliedern von Heaven 17, The Human League, Visage, Ultravox und vielen mehr.
Es gibt, bis auf die von Wolfgang Flür, der 1986 aus Kraftwerk ausschied und keinen Kontakt mehr mit seinen ehemaligen Bandkollegen pflegt, in Electri_city keine weiteren Aussagen von Mitgliedern des bekanntesten Düsseldorfer Exportschlagers.
Nach einem Vorwort des früheren Kraftwerkdrummers und dem „Prelude“ folgen chronologisch in einzelne Jahre unterteilte Kapitel, wobei sich jedes auf unterschiedliche Schwerpunkte konzentriert. Zu Beginn werden stets die wichtigsten musikalischen als auch politische Ereignisse des Jahres im Telegrammstil aufgeführt. Der dokumentierte Zeitraum umfasst die Jahre 1970 bis 1986 und damit die Geschichte zweier Generationen von Bands – anfangs die der Pioniere der elektronischen Popmusik und später die der ersten deutschen Punkmusiker und Vertreter der Neuen Deutschen Welle. Auch wenn die Düsseldorfer Musikszene über das Jahr 1986 hinaus noch mehr zu bieten hat – so haben sich z.B. Die Toten Hosen dort gegründet, – wollte sich Rüdiger Esch auf die Phase der analogen elektronischen Klänge beschränken. Neben Kraftwerk sind die Protagonisten des Buchs unter anderem Mitglieder von Bands wie Neu!, Rheingold, La Düsseldorf, DAF, Der Plan, Propaganda, Mittagspause, Fehlfarben und natürlich Die Krupps, bei denen der Esch selbst seit 1988 als Bassist spielt. Herausragende Persönlichkeiten, die immer wieder zur Sprache kommen, sind der Solokünstler Michael Rother und Klaus Dinger, die beide an Kraftwerk und Neu! beteiligt waren, sowie der Toningenieur Konrad „Conny“ Plank, der als Musikproduzent mit seinem Wolperather Studio maßgeblich zur Stilentwicklung und zum Erfolg vieler Düsseldorfer Bands beitrug. Zeitzeugen sind sich sicher, auch die Auswirkungen von Brian Enos Aufenthalt im Plank'schen Studio auf die Produktion von David Bowies Berliner Alben-Trilogie heraushören zu können.
Vervollständigt wird das Buch mit einigen Porträtfotos, sowie einem Anhang, der den vollständigen Nachweis aller geführten Interviews, Kurzbiografien der involvierten Personen und eine Beschreibung der wichtigsten technischen Geräte enthält. Trotz all dieser Hilfsmittel kann man selbst als ehemaliger Szenekenner Schwierigkeiten haben, sich einen Überblick über die Vielzahl und das Geflecht aller Akteure und Bands zu verschaffen. Wenn man den Lesefluss nicht unterbrechen möchte, bietet es sich an, sich mehr auf einzelne Geschichten zu konzentrieren, die sich herauskristallisieren, und bei Interesse an den Details quer durchzublättern.
Eine neue deutsche Identität
Ende der sechziger Jahre war die Ära der Hippies und der Studentenrevolten, die nach der Zeit des Wirtschaftswunders gegen die Traditionen der Kriegsgeneration ihrer Eltern aufbegehrten. Deutsche Musik gab es nur in Form von Schlagern – bei Jugendlichen waren diese verpönt. Man hörte englischsprachige Rockmusik aus den USA oder Großbritannien. Der Einsatz von Elektronik beschränkte sich zunächst auf psychedelische Effekte. Die Stücke waren sehr langgezogen und oftmals rein instrumental. Dieser Stil wurde, auf deutsche Bands bezogen und zunächst etwas abwertend aus ausländischer Perspektive, im Nachhinein Krautrock genannt. Auch die ersten drei Alben von Kraftwerk waren Krautrockplatten. Heute möchten sie diese Anfangsphase nicht mehr erwähnen, weswegen man diese Frühwerke im Handel nicht mehr beziehen kann. Für die musikalische Entwicklungsgeschichte, auf die Electri_city eingeht, ist es jedoch unabdingbar, dies zu erwähnen.
Mit der Veröffentlichung von Autobahn 1974, als offiziell erstes Elektropop-Album, wurden Kraftwerk, mit Flür als neuem Drummer, international bekannt. Für die USA-Ausgabe wurde ein anderes Cover verwendet als für die deutsche, nämlich das deutsche Piktogramm für Autobahn-Verkehrsschilder, weiß auf blauem Hintergrund. In Anlehnung daran ziert den Buchdeckel von Electri_city ein stilisierter Strommast in derselben Farbgebung.
Die Intention von Kraftwerk war es, eine neue deutsche Identität mit ihrer Musik und ihren Inszenierungen zu kreieren. Dies zeigt sich in vielerlei Form: Der Bandname, die Titel vieler ihrer Lieder und die Gestaltung der Plattencover verweisen immer wieder auf typisch deutsche Klischees. Im Vordergrund stehen dabei technische, industrielle und maschinelle Motive. Bisweilen provozierte man auch mit ironischen Anspielungen auf die Zeit des Nationalsozialismus. Dabei war die Band laut Flür „äußerst unpolitisch“. Auch die Rückbesinnung auf die deutsche Sprache war ein Novum, welches aber nur minimalistisch, in kurzen sich wiederholenden Sprechgesängen eingesetzt wurde und zu einer erfolgreichen Rezeption im Ausland beitrug. Dies alles unterstrich den repetitiv-monotonen und technisch verfremdeten Sound ihrer Stücke, der mit der Zeit immer weiter perfektioniert wurde. Sowohl der Klang, als auch ihr Auftreten als Band verschaffte ihnen ein nüchternes, kühles Image. In der Phase der ausklingenden Hippie-Ära schockierten sie geradezu mit ihren glatt frisierten Kurzhaarschnitten und schicken Anzügen. Der Umstand, dass man bei der Bedienung von Synthesizern ruhig und konzentriert spielen muss, anstatt wilde Bühnenshows hinzulegen, wie man sie von Rockmusikern kennt, trug zu ihrem coolen Auftreten bei.
Die Düsseldorfer Stars zu Gast im Hagestolz
Am Sonntag, den 29.03.2015, beehrten Rüdiger Esch und Wolfgang Flür Mannheim im Rahmen des Jetztmusik Festivals mit ihrem Besuch im Café Hagestolz, um Eletri_city vorzustellen.
Damit waren zwei international bekannte Vertreter der frühen Elektro- und Punkszene vor Ort, die ihre jeweilige Musikergeneration gut verkörperten: Der ehemalige Kraftwerker, in schlichtem Schwarz gekleidet, wirkte intellektuell und strahlte noch immer die typische nüchterne Haltung aus, für die seine musikalische Sparte steht. Kaum zu glauben, dass dieser ruhige und sympathische ältere Herr immer noch ein Jetset-Leben führt und tags zuvor in Mexiko auf der Bühne stand. Der knapp 20 Jahre jüngere Rüdiger Esch trug ebenfalls komplett schwarze, jedoch eher legere Kleidung und hatte auch eine wesentlich ungezwungenere Art der Coolness.
Der Trailer zum Buch sowie ein Feature über die Band La Düsseldorf wurden auf einer Leinwand vorgeführt. Flür las das Vorwort, welches er für Eschs Buch geschrieben hatte, sowie Ausschnitte aus seinem 2004 veröffentlichen Buch Ich war ein Roboter. Meine Zeit als Drummer bei Kraftwerk. vor, die zum Teil auch in Electri_city übernommen wurden. Die ergänzenden lockeren Gespräche wurden um eine von dem Mannheimer Musikwirtschafts-Clustermanager Matthias Rauch moderierte Diskussionsrunde erweitert. Auch Christian Hübel, Leiter der Strategischen Steuerung der Stadt Mannheim, nahm daran teil. Es ging es vor allem darum, verschiedene urbane Erfolgsfaktoren der Musikszene vergleichend zu beleuchten.
Auch in der „Reprise“ am Ende des Buchs stehen noch einmal Überlegungen, welche Rolle Düsseldorf für die Entstehung von Bands, die stilprägend für die elektronische Musik waren, spielte. Hat dies etwas mit der Stadt an sich zu tun oder hätte dies auch irgendwo anders passieren können? „Scharfer Wind – teures Pflaster/ Düsseldorf/ Spiegelglas und Edelstahl/ Mannesmann und Rheinmetall“ lautet der Text im Song von La Düsseldorf über ihre Stadt. Während die Lage am Rhein ihrer Industrialisierung enormen Vorschub bescherte, ist die Stadt nach ihrem kleineren Fluss Düssel benannt, was etymologisch so viel wie rauschen oder tosen bedeutet – verheißend für den Sound der Stadt. Das Nebeneinander von Bankenwesen, Werbeindustrie und Messen, der Modeschickeria und der Kunstakademie mit ihren avantgardistischen Ausläufern, sorgte für eine Vermischung von Geldadel und Arbeiterklasse, Kommerz und Kreativität. Gespickt mit einer Prise rheinländischer Liberalität war dies offenbar der ideale Nährboden für eine künstlerische Explosion. Obwohl einer der Vorteile Düsseldorfs in seiner Überschaubarkeit und den kurzen Wegen liegt, arbeiteten die kreativen Protagonisten größtenteils unabhängig voneinander und nahezu ohne gegenseitigen Austausch, abgesehen davon, dass die Bandmitglieder manchmal wechselten.
Mit auffallender Vehemenz sprachen sich die beiden Berufsmusiker gegen eine Förderung der Musikszene aus, wie sie in Mannheim von der Politik gezielt strategisch eingesetzt wird. Hierbei konnte man sehr gut eine Verbindung zum Symposium des Jetztmusik Festivals sehen, welches die Woche zuvor im Studio der Alten Feuerwache stattgefunden hatte. Auch dort wurde der künstlerische Autonomieanspruch thematisiert, der sich in anderen Städten durch sogenannte „Bottom-up-Prozesse“ manifestiert. Christian Hübel versuchte klarzustellen, dass man einer selbstbestimmten Kreativität durch Förderungsmaßnahmen nicht im Weg stünde, in dem er auf die traditionell schon immer aus staatlichen Mitteln finanzierte Bildende Kunst verwies. Schließlich warfen die Musiker ein, dass gewisse Möglichkeiten zur Nutzung von Finanzspritzen sinnvoll seien. Dazu gehören vorrangig die Bereitstellung von Räumlichkeiten, in denen man nicht unbedingt gezwungen ist, teure Getränke zu konsumieren. Auch im Düsseldorf der Siebziger Jahre, in der durch das Bankenwesen viele wohlhabende Geschäftsleute ansässig waren, gab es eine Art Mäzenatentum. So wurden manchen aufstrebenden Musikern von Privatleuten Proberäume zur Verfügung gestellt.
Eine wichtige Rolle spielten damals auch zwei öffentliche Orte. Bis Mitte der 1970er Jahre war in Düsseldorf der Tanzclub Creamcheese Treffpunkt für die avantgardistische Musiker- und Künstlerszene. Joseph Beuys, der am Lehrstuhl für monumentale Bildhauerei der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf eine Professur innehatte, verkehrte dort ebenso wie seine Studenten und erregte mit unkonventionellen Aktionen Aufsehen. In diesem Milieu gedieh der Mut zum Experiment, der schließlich zur Entstehung eines neuen eigenständigen, musikalischen Genres führte. Ab 1976, ausgelöst durch die Renovierung des Ratinger Hofs zu einer Räumlichkeit mit kühlem Ambiente durch große Spiegelflächen und Neonröhrenlicht, wurde dieser zum neuen Szenemittelpunkt der zweiten in Electri_city beschriebenen Düsseldorfer Bandgeneration. Auch hier gab es weiterhin enge Verbindungen zu Kunststudenten der Beuys'schen Schule, obgleich dieser seit 1972 offiziell nicht mehr als Professor in der Akademie zugelassen war.
Enttäuschend an dem Abend im Hagestolz war, dass Rüdiger Esch selbst nichts aus seinem Buch vortrug, sondern, dass die ausgewählten Inhalte nicht nur von Flür stammten – er war es auch, der alles vorlas. Und das, obwohl er ursprünglich nicht einmal eingeplant war.
Electri_City ist Pflichtlektüre für alle Anhänger des Elektrosounds, Technikfreaks und „Lokalpatrioten“. Aber es ist ebenso zu empfehlen für alle musikgeschichtlich Interessierten, die Zusammenhänge in der Musik besser verstehen wollen, selbst, wenn man nicht explizit Fan des behandelten Genre ist. Begleitend zum Buch ist eine Compilation auf LP mit acht Liedern, sowie auf CD mit dreizehn stellvertretenden Tracks erschienen, sowie als witziges Extra: ein Quartett.
Regina Rosemann
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Zusammenarbeit in internationalen Netzwerken
Ein Rückblick auf das dritte Panel des JMF Symposiums 2015
Seit letztem Jahr trägt Mannheim als eine von zwei Städten in Deutschland den Titel „UNESCO City of Music“. Neben Bogota oder Sevilla reiht sich die Stadt damit als weiteres Mitglied der internationalen Creative Cities Networks ein, die mittlerweile mehr als 40 weltweite Städte umfassen und in die Exzellenzbereiche Musik, Literatur, Film, Design, Handwerk, Medienkunst sowie Gastronomie unterteilt sind. Die von der UNESCO formulierten Ziele dieser Städtenetzwerke sind sowohl die Aufrechterhaltung kultureller Vielfalt als auch der Austausch zwischen den Mitgliedsstädten, welche ihre jeweiligen Erfahrungen teilen und Pläne diskutieren können. Durch diese Art der Vernetzung erhoffen sich die Mitglieder, die kulturellen Identitäten der Städte fördern und bewahren zu können, um somit dem zunehmenden Trend zum Internationalismus entgegenzuwirken.
Im Rahmen des diesjährigen Symposiums zum Jetztmusikfestival 2015 am 21.03.2015 diskutierten Delegierte aus den UNESCO Cities of Music Bologna (Luigi Virgolin), Hannover (Alexandra Köhn-Ruder) und Glasgow (Svend-Einar Brown) unter der Leitung von Matthias Rauch in der Alten Feuerwache in Mannheim zahlreiche Fragen und Problematiken zum Thema International Networking. So lag der Fokus des Panels unter anderem auf den Fragestellungen, welche Vorteile sich für die Städte der UNESCO Creative Cities Networks ergeben und worin die Herausforderungen bei der Arbeit in einem internationalen Netzwerk bestehen. Zugleich sollte aber auch kritisch hinterfragt werden, ob die Aufgaben und Ziele der Städtenetzwerke nicht zu abstrakt formuliert sind und wie der Wissensaustausch zwischen den Mitgliedern verbessert werden kann.
Eingeleitet wurde die Diskussion durch eine kurze Vorstellung der einzelnen Städte sowie laufender und vorangegangener Projekte. Den Anfang machte hierbei Svend-Einar Brown aus Glasgow, der die Rolle der Stadt als Geburtsstätte von Bands wie Oasis, Travis und den Simple Minds hervorhob und sie als „krasseste Stadt in Europa“ bezeichnete, die die Tradition pflegt, Musik mit sozialen Zwecken zu verbinden und dabei weniger wirtschaftliche Interessen zu verfolgen. Gleichzeitig berichtete er jedoch auch von Glasgows Problem, den Titel als Musikstadt durchzusetzen, da viele Leute das Konzept als „eine Art kurzlebiges Festival betrachten“ und man zudem stets „in gewisser Konkurrenz zur benachbarten formalen Literaturstadt Edinburgh steht“. Im Gegensatz dazu, so Brown, sei Glasgow eine „warme, menschliche und lustige Stadt, die schon immer in Musik investiert hat“. In ähnlicher Weise beschrieb Luigi Virgolin Bologna als überaus jung und dynamisch, zugleich aber auch als traditionsbewusst und seiner Geschichte verpflichtet, nicht zuletzt in Form der zahlreichen Theater, Museen und der Universität. Seiner Ansicht nach machen insbesondere die rund 80.000 Studenten Bologna zu einem Ort der Gegenwartskultur, so zum Beispiel mit dem jährlich stattfindenden Robot-Festival, das im Zeichen elektronischer Musik und bildender Kunst steht. Der zentrale Vorteil der Musikstadt Hannover besteht laut Alexandra Köhn-Ruder „in ihren kurzen Wegen“, obwohl die Stadt im Musikbereich mit 300 Mitarbeitern das größte Netzwerk in Deutschland aufweist. Köhn-Ruder räumte aber auch ein, dass Hannover trotz großer jährlicher Events wie dem Machseefest nach wie vor mit dem Problem kämpft, „ein etwas langweiliges Image zu haben“. Dieses versuche man gezielt durch internationale Beziehungen zu verbessern, indem man oftmals Künstler aus anderen Städten zu Events nach Hannover einlade.
Von einer ähnlichen Strategie berichtete auch Luigi Virgolin aus Bologna, wo man eine ausgeprägte Partnerschaft mit der Musikstadt Bogota pflegt und ausgewählte kolumbianische Acts in die Stadt einlädt, während italienische Künstler in Kolumbien auftreten. Dabei wies er lobend auf die Prämisse Bogotas hin, eine Vielzahl der Events kostenlos anzubieten und somit einem größeren Publikum zugänglich zu machen. Gleichzeitig betonte Virgolin aber auch, dass er es als strategisch und finanziell problematisch erachte, alle Musikstädte des Netzwerks zu einer Kooperation zu versammeln und schlug vor, sich in erster Linie auf Partnerschaften zwischen zwei Städten zu konzentrieren. Zudem erachtet er „nicht alle Projekte als fähig, eine internationale Rolle auszufüllen“ und sprach sich dafür aus, diese in einem nationalen Rahmen effektiver durchzuführen.
Einigkeit herrschte unter den Teilnehmern des Panels über die Nutzung der sozialen Netzwerke und des Internets als unverzichtbare Mittel zur Vernetzung der Städte und Planung von Events. Svend-Einar Brown berichtete in diesem Zusammenhang, dass in Glasgow mittlerweile alle Informationen online über die Website sowie den Facebook- und Twitteraccount der Musikstadt kommuniziert werden und auch Luigi Virgolin hob hervor, dass in Bologna Online-Datenbanken für Festivals und Kontaktdaten internationaler Künstler die Verbindung aller Beteiligten maßgeblich fördern.
Auf die Frage nach den Zukunftsperspektiven der einzelnen Städte konnte keiner der Teilnehmer mit konkreten Prognosen antworten. Man werde sich nach den Vorgaben der UNESCO richten und die bestehenden Kooperationen weiterführen oder gegebenenfalls auch ausweiten erklärte Virgolin. Ebenso fügte er hinzu, dass man sich in Zukunft stärker auf „die Rolle der Universität Bologna“ fokussieren werde. Ungewiss scheint auch der Kurs in Glasgow zu sein, „man diskutiert, wo es hingehen soll“, fasste Svend-Einar Brown die Situation knapp zusammen. Seiner Ansicht nach sollte die zentrale Frage in Bezug auf die zukünftige Arbeit interkultureller Städtenetzwerke letztendlich aber die sein, wie man „Identität einerseits wahren und andererseits teilen kann“.
Wiebke Gremler
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Die Stadt ohne Juden Cinemix mit Prosumer
Am Donnerstag, den 26.03.2015, fand im Atlantis-Kino in Mannheim zum neunten Mal ein Cinemix im Rahmen des Jetztmusik Festivals statt. Janina Klabes bezeichnete dieses Projekt daher liebevoll als die „alte Tante“ des Festivals, die sich „doch immer wieder neu“ erfindet. Das Moderatorenduo, Janina Klabes selbst und Matthias Rauch, ließen sich, genau wie das Publikum, von diesem einzigartigen und experimentellen Stück von Prosumer überraschen. Als Grundlage diente diesem der Stummfilm „Stadt ohne Juden“, der 1924 unter der Regie von Hans Karl Breslauer in Österreich verfilmt wurde und auf dem gleichnamigen Roman von Hugo Betthauer basiert. 1922 erschienen, wird der Roman heute als weitsehend bezeichnet: Die Missstände und soziale Unruhen in der Stadt Utopia, welche starke Ähnlichkeiten mit Wien aufweist, führen zu einer zunehmenden Diskriminierung der jüdischen Bevölkerung. Der Bundeskanzler „Dr. Schwerdtfeger“ fürchtet um seine Machtposition und wird zum eifrigen Verfechter der antisemitischen Ideologie. Diese erreicht ihre Klimax in seiner Rede vor dem Parlament, die schließlich zu der Ausweisung der Juden aus der Stadt führt: In Märschen und Zügen müssen sie die Stadt verlassen. Nach einem anfänglichen Aufschwung beginnt bald der wirtschaftliche Verfall der Stadt; die Kaffeehäuser stehen leer, das Theater zeigt nur noch dieselben patriotischen Volksstücke, der Handel bricht ein und verlagert sich in andere Städte. Leo Strakosch, der clevere Protagonist, kehrt mit gefälschten Papieren in die Stadt zurück und erreicht durch geschickte Gegenpropaganda die allmähliche Einsicht der Bevölkerung und bewirkt letztendlich die Rückkehr der Juden nach Utopia. Erst dann beginnt die Stadt sich wieder zu erholen. Das notwendige friedliche Zusammenleben von Juden und Christen wird besonders durch die glückliche Wiedervereinigung des Liebespaares Leo Strakosch und seiner christlichen Freundin Lotte symbolisiert. So vorausschauend der Roman war, so gefährlich war er auch für seinen Verfasser. Dieser wurde kurz nach dem Erscheinen des Films in seinem Büro durch ein NSDAP-Mitglied erschossen. Danach gerieten sowohl Film als auch das Buch für lange Zeit in Vergessenheit. Erst 1991 wurde der expressionistische Stummfilm in den Niederlanden wiederentdeckt. Der stark beschädigte Film konnte nur in Teilen wieder aufbereitet werden und ist somit eine verkürzte Fassung des 80-minütigen Originals. Diese reduzierte Version schnitt der Künstler Prosumer neu zusammen und unterlegte die Szenen mit eigens dafür komponierter elektronischer Musik. Hier endete der Film nach gut 45 Minuten mit der Ausweisung der Juden aus Utopia. Prosumer selbst, mit bürgerlichem Namen Achim Brandenburger, war an dem Abend jedoch nicht anwesend. Der gebürtige Saarbrücker, der lange in Berlin lebte und heute in Edinburgh wohnt, versteht es, historische Elemente mit Elektro zu verbinden, sei es klassische Musik oder wie an diesem Abend ein Stummfilm. Sein Stil erklärt auch die Namenswahl: Prosumer, Produzent und Konsument zugleich. Mit „Stadt ohne Juden“ hat er eine zeitlose Thematik aufgegriffen, wie uns Organisation wie Pegida leider immer wieder verdeutlichen. Besonders eindrucksvoll waren neben der Musik zwei von in Deutschland lebenden Juden verfasste Texte, die den Begriff Heimat thematisierten. Durch das Verschmelzen von der eindringlichen Thematik mit ungewöhnlichen Klängen wurden nicht nur Elektrofans, sondern auch geschichtlich und politisch Interessierte angesprochen. Damit passte der Abend perfekt in das Konzept des Jetztmusik Festivals: Verschiedene Genres werden verbunden und schaffen so die Möglichkeit für neue Kreationen. An diesem außergewöhnlichen Abend gelang dies nicht nur auf musikalischer Ebene, sondern auch darüber hinaus.
Felicitas Knoche
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Improvisation pur
Das Abschlusskonzert des Jetztmusik Festivals mit The Group
Nach einer musikalisch sehr ereignisreichen letzten Woche, rundeten The Group auf dem Abschlusskonzert am Sonntagabend (29.03.15) im Börsensaal in Mannheim das Jetztmusik Festival 2015 ab. Die Kooperation des Jetztmusik Festivals mit dem Berliner UM:LAUT-Kollektiv, die The Group präsentierten, rückte besonders an diesem Abend in den Fokus. UM:LAUT ist eine Künstler- und Labelplattform, deren Titel für das zentrale Konzept dieses Improvisation-Kollektivs steht: Ihr Ziel ist es, unkonventionelle Kooperationen zwischen Künstlern herzustellen und das musikalische Verständnis zu erweitern. Ihre Veranstaltungen zeichnen sich vor allem durch die Kombination von elektronischer, klassischer oder akustischer Musik aus. Um dieses neue und eher ungewöhnliche Musikkonzept zu unterstreichen, sind auch die Konzert Locations hierbei oft unkonventionell.
The Group ist ein locker verknüpftes Musikkollektiv, bestehend aus Casper Clausen (Efterklang), dem britischen Pianisten und Elektroniker Greg Haines, dem italienischen Produzenten und Schlagzeuger Francesco Donadello, sowie wechselnden Gastmusikern. Die Idee dahinter ist ganz der Improvisation gewidmet: Musik hat keinen Stil, alles ist möglich, und so erzeugen sie komplett improvisierte Musik, die keiner Vorlage bedarf. The Group geben Raum für überraschende Sounds, spezielle Musiker-Begegnungen, unterschiedlichste Impulse und Interaktionen zwischen ganz verschiedenen und einzigartigen Künstlern. Aus dem Nichts schaffen sie einzigartige musikalische Momente und integrieren Krautrock-, Elektronik- und Gamelan-Elemente zu einem magischen Raum-Zeit-Kontinuum. Der improvisierte Kammer-Pop ist einzigartig und lässt sich kaum in ein bestimmtes Musikgenre einordnen. Und genau das ist es, was The Group ausmacht: Spontane Interaktion zwischen Musikern, die man live als Zuschauer miterleben und verfolgen kann. Erst Ende Januar gab The Group im Haus Ungarn in Berlin eine Kostprobe ihrer außergewöhnlichen Fähigkeiten und präsentierten gekonnt eine Mischung aus Melancholie, Dramatik und großen Gesten mit viel Improvisation auf der Bühne.
Wir trafen The Group nach ihrem Aufritt backstage zusammen mit ihrem Gast Tatu Rönkkö, ein finnischer Schlagzeuger, welcher an diesem Abend das Trio zu einem Quartett komplettierte.
Zu allererst vielen Dank, dass ihr euch Zeit genommen habt. Das war eine tolle Performance heute Abend! Wie haben euch der Abend und die Performance soweit gefallen?
Casper: Es hat mir sehr gut gefallen, es war wirklich nett. Wir wussten nicht wirklich was wir erwarten sollen, da wir noch nie vorher in Mannheim und in diesem Setup gespielt haben. Aber das spielt eben auch eine wichtige Rolle bei The Group, einfach auf verschiedene Orte zu reagieren. Also ja, es war ein toller Abend!
Francesco: Es war eine tolle Show und dieses mal auch mehr an rhythmischen Mustern als an Melodien orientiert. Es ist aber nicht jedes Mal wie heute Abend, unsere Musik und Performance ändern sich immer abhängig davon, wer noch zusätzlich dabei ist. So war es dieses Mal mehr auf die rhythmischen Schläge und Klänge fokussiert.
Casper: Wahrscheinlich wegen ihm hier, Tatu Rönkkö.
Wie würdet ihr für Leute, die bisher noch nie von The Group gehört haben, dieses Projekt in ein paar Worten beschreiben?
Francesco: Das Projekt ist im Grunde genommen ganz einfach zu beschreiben. Es gibt die drei festen Kernmitglieder — das sind Casper Clausen, Francesco Donadello und Greg Haines. Die Show basiert auf purer Improvisation, die mit keinerlei vorbereiteten Ideen von Improvisation bzw. Improvisations-Philosophien, wie z.B. im Jazz, verlinkt ist.
Casper: Ja, unsere Musik hat nicht wirklich eine spezifische „Sprache“.
Francesco: Es ist vielmehr einfach eine Gruppe von Leuten, die versuchen, Songs zu kreieren, was aber nicht immer zwingend passieren muss. Manchmal schaffen wir ganze Songs, manchmal auch nicht. Es ist einfach eine freie Abfolge von Sounds, jedoch finden wir uns dann häufig in etwas wieder, dass eher wie ein komponierter Song klingt, als pure Improvisation. Und das passiert vor allem wenn man nicht weiß, dass wir tatsächlich improvisieren.
Also improvisiert ihr tatsächlich alles, was auf der Bühne passiert?
Casper: Ja genau, alles ist komplett improvisiert.
Francesco: Es gibt keine Regeln. Es geht einfach immer um die Reaktionen und Aktionen, die wir auf der Bühne gegenseitig von uns wahrnehmen. Ich fange zum Beispiel einen bestimmten Rhythmus an, dann kommt Greg mit einer Melodie auf dem Klavier hinzu, anschließend Casper mit dem Gesang und auch der Gast bzw. die Gäste, die wir immer einladen, setzen dann noch etwas darauf. Wenn ich mich recht erinnere, haben wir glaube ich noch nie eine Show ohne Gäste gehabt.
Casper: Nein, wir haben noch nie nur zu dritt gespielt.
Francesco: Wir haben immer zusätzliche Leute, wie heute Abend zum Beispiel Tatu, der die Sampler bedient und auch teilweise Schlagzeug spielt. Wisst ihr, manchmal tauschen wir auch Instrumente. An anderen Abenden, wie beispielsweise einmal in Berlin, haben wir, ich weiß nicht wie viele Gäste —
Casper: Zehn Gäste hatten wir an diesem Abend, das war im Dezember.
Wir: Wow, also dann wirklich eine große „Group“
Francesco: Ja, da waren dann auch verschiedene Bassspieler oder ein anderer Schlagzeuger dabei. Also ja, wir hatten wirklich viele verschiedene Leute auf der Bühne und zusätzlich wechseln wir natürlich immer auch die Orte, an denen wir spielen. So kann man eigentlich nie genau sagen was passiert, wir kommen einfach an den Orten an und versuchen ein Gefühl für die Venue zu bekommen und in verschiedene Richtungen zu experimentieren.
Nun zu Mannheim. Seid ihr schon mal in Mannheim gewesen?
Casper: Ich war hier schon einmal.
Greg: Ich auch.
Francesco: Ich auch.
Was waren eure ersten Eindrücke von der Stadt?
Casper: Das letzte Mal, als ich hier war, haben wir nicht wirklich viel von der Stadt gesehen. Da haben wir auf dem Maifeld Derby gespielt.
Greg: Stimmt, in der Mitte von der Pferderennbahn. Das war ein lustiger und guter Abend!
Casper: Das war die letzte Nacht auf dem Maifeld Derby, als wir mit Efterklang während unsere Tour dort gespielt haben. Ich überlege gerade, wie so meine ersten Eindrücke von Mannheim waren. Ich empfand es irgendwie als ein sehr westliches Deutschland. Ich war dann sehr überrascht zu hören, dass die Stadt stark zerbombt wurde während des zweiten Weltkrieges, da ich eigentlich einige schöne ältere Gebäude gesehen habe. Aber es fühlt sich auf jeden Fall gut an hier zu sein und es scheint, als würden solche Veranstaltungen, wie das Jetztmusik Festival oder auch das Maifeld Derby einiges an guter Energie zu dieser Stadt beitragen. Die Leute versuchen hier wirklich, durch tolle Musiker ein wenig Kultur in die Stadt zu bringen. Das ist großartig!
Greg: Und es ist auch immer schön in kleineren Städten zu spielen, wo sich die Leute vielleicht nicht jeden Abend oder jede Woche so eine Show anschauen. Vielleicht kommt dieses ganz besondere Gefühl einfach in größeren Städten nicht so durch, man fühlt hier wirklich die Reaktionen der Menschen. Ihre Reaktionen sind immer sehr enthusiastisch und zugleich auch fast dankbar in einer Art und Weise.
Francesco: Das weiß man aber auch erst, wenn die Show zu Ende ist. (lacht)
Greg: (lacht) Ja man kann sich nie einer Sache sicher sein mit der man zu 100 % die erwünschte Publikumsreaktion bekommt, aber meistens spürt man währenddessen schon ein bisschen, wie es ankommt.
Habt ihr vorher schon mal vom Jetztmusik Festival gehört?
Casper: Ich habe vorher noch nicht davon gehört, wir mussten es nachschauen.
Greg: Die Show im Dezember in Berlin, von der wir vorhin gesprochen haben, wurde auch mit von zwei Typen organisiert und ich vermute, dass sie irgendwie von diesem Festival nach Acts für ein oder zwei Abende gefragt wurden und so haben sie dann uns gefragt, ob wir auch kommen möchten. Es ist schön zu sehen, dass The Group so auch ein gewisses Eigenleben hat: Eine Show bringt uns zu der nächsten und so kamen wir irgendwie durch die Show in Berlin zu dieser Show auf dem Jetztmusik Festival hier in Mannheim.
Casper: Ja und auch UM:LAUT unterstützt ja auch einige Sessions hier auf dem Festival, das ist eben die Verbindung, die uns hier her gebracht hat. Ich habe mir aber auch das restliche Programm angeschaut und es sieht wirklich fantastisch aus. Als wir Efterklang angefangen haben, waren wir damals mit unserer Radiostation „The Lake“ Gastgeber für Dean Blunt, der ja auch hier auf dem Festival gespielt hat. Nun ja, Dean Blunt spielt wirklich nicht viele Konzerte, also ist es wirklich toll, dass das Jetztmusik Festival Künstler wie ihn im Programm hatte.
Casper, du bist auch, wie schon erwähnt, Teil der erfolgreichen Band Efterklang, Gründer der Radiostation „The Lake“ und hast noch viel mehr Projekte, somit arbeitest du nicht nur in einer Band und wechselst zwischen verschiedenen Projekten. Kannst du uns ein bisschen mehr von diesem Konzept, nicht nur in einer Band zu arbeiten, erläutern und erzählen, was du daran so magst?
Casper: Ich denke wir haben alle so ein bisschen den gleichen Hintergrund in der Hinsicht, dass wir noch musikalisch außerhalb von The Group tätig sind. The Group ist somit wie ein freier musikalischer Raum, in dem wir und jeder andere sich bewegen können. Ich persönlich bin nun schon seit circa 16 Jahren bei Efterklang, immer mit den gleichen Leuten. Wir waren damals noch Kinder und haben dann die Band über eine lange Zeit aufgebaut, währenddessen ich nicht wirklich mit jemand anderem gespielt habe. Bis vor zwei Jahren oder so habe ich wirklich nur mit Efterklang musiziert. Dann kam plötzlich der Moment, wo wir die Entscheidung getroffen haben uns ein bisschen von der starren Band-Maschinerie zu befreien. Man sucht ja auch immer neue Dinge und Ziele und so habe ich auch mit The Group einen komplett neuen Bereich mit neuen Möglichkeiten für mich gefunden, der für mich wirklich völlig neu war. Ich habe eigentlich keinen großen Improvisations-Background oder irgendetwas ähnliches, also kann ich hier mit The Group immer neue Dinge ausprobieren. Wenn du mich jetzt heute so fragst, würde ich sagen, dass es heutzutage sehr wichtig ist, all diese verschiedenen Projekte zu haben, in die man vereinzelt eintauchen, aber danach auch noch in ganz andere Bereiche gehen kann. Das ist sehr erfrischend, da man so einfach viele Optionen hat. Auch die Anderen haben noch mehrere Projekte und arbeiten in ganz unterschiedlichen Feldern. Francesco beispielsweise ist ein Toningenieur und hat die Efterklang Platte abgemischt, ist aber gleichzeitig eben auch Schlagzeuger.
Francesco: Ja, ich habe für längere Zeit in anderen Projekten mitgewirkt und als ich dann nach Berlin umgezogen bin, habe ich mich dazu entschieden, meine Aktivität als Musiker ganz aufzugeben und nur als Tontechniker zu arbeiten. Nach einer Weile habe ich gemerkt, dass ich wieder zurück zum Schlagzeug will und andere Leute mit meiner Musik nerven möchte (lacht scherzhaft).
Tatu: Mein Soloprojekt heißt “Elifantree” und mit Casper habe ich auch noch eine Band zusammen, die “Liima” heißt.
Casper: Der Name „Liima“ ist finnisch, ich lerne im Moment immer noch die korrekte Artikulation.
Greg betreibt ein Soloprojekt und er arbeitet zusammen mit Peter Broderick an einem Musikprojekt, welches „Greg gives Peter space“ heißt, was eher ein Spaßprojekt ist. Somit haben wir alle verschiedene musikalische Konzepte, die wir entwickeln und an denen wir arbeiten.
Das wäre unsere letzte Frage gewesen: An welchen Projekten werdet ihr in der nächsten Zeit beteiligt sein?
Greg: Ich arbeite an einem Ballett (alle lachen).
Casper: Das hört sich echt pompös an, dass er an einem Ballett arbeitet (lacht).
Greg: Ich habe ein Orchesterstück für das holländische Nationalballett geschrieben, das Musikstück ist an dem Tag, bevor wir hier in Mannheim ankamen, fertig geworden. Und im Juni wird das Ganze dann in Amsterdam aufgeführt.
Casper: Und Francesco wird auf der Couch sitzen und Zeichentrickfilme schauen (scherzt).
Francesco: Wahrscheinlich (lacht). Nein, ich arbeite als Tontechniker, ich habe mein eigenes Aufnahmestudio und arbeite an mehreren Projekten und mit verschiedenen Bands zusammen, aber in letzter Zeit habe ich mehr an klassischer Musik und Filmmusik gearbeitet. Vielleicht kommt in naher Zukunft ein großer Film, der mit meiner komponierten Musik unterlegt ist.
Casper: Ja, das würde das Ballett auf alle Fälle übertreffen.
Francesco: Aber ich kann im Moment nicht mehr dazu sagen, weil es noch nicht bestätigt ist. Es ist auf jeden Fall eine sehr große Produktion.
Casper: Das nächste Projekt, das ansteht - lasst mich überlegen, ich muss Francesco übertreffen - ja genau, ich werde an einer Oper mitarbeiten. Im Sommer werde ich zusammen mit Efterklang und einem klassischen Komponisten an einer Oper arbeiten und wir werden auch ein Konzert geben. Das sind die Pläne für die nächste Zeit.
Tatu: Ich werde alleine in Küchen von fremden Menschen spielen (alle lachen). Ich habe dieses Projekt, das da heißt, „I play your kitchen“, das ist mein bescheidenes Konzept, keine Oper oder ein Ballett wie bei den anderen (scherzt).
Casper: Nein es ist wirklich toll, bleib dir selbst treu, Tatu.
Francesco: Das ist wirklich einfach (lacht), ihr könnt ihn einfach anrufen und dann kommt er zu euch nach Hause und spielt in eurer Küche!
Wir: Hört sich gut an. Okay, vielen Dank für das Interview und habt einen schönen Abend in Mannheim.
Wir erlebten The Group sehr freundlich, authentisch und offen, genau so wie es in solch einem spontanen Musikerkollektiv sein sollte.
Die vier Musiker erzeugten an diesem Abend mit ihrem musikalischen Improvisationstalent eine besondere Atmosphäre und boten den Besuchern des Jetztmusik Festivals 2015 einen würdigen Abschluss.
Geschrieben von Svenja Klausing & Vera Glitsch
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Netzwerke und ihre Bedeutung in der Kultur- und Kreativwirtschaft Ein Bericht über das Symposium des Jetztmusik Festivals 2015
Auch diesmal fand zum Auftakt des neunten Jetztmusik Festivals 2015 ein Symposium in der Alten Feuerwache statt. Am Samstag, den 21.03.2015, drehte sich von 10 - 17 Uhr alles um das Thema „The more the merrier? Collaboration, Management and Evaluation in (international) Cultural Networks“. Geladen waren elf Gäste, darunter zwei aus Bologna und ein Produzent aus Glasgow. Eröffnet wurde das Event mit einem Vortrag von Prof. Dr. Carsten Winter vom Institut für Journalismus und Kommunikation Hannover, der dem Publikum die „Kennzahlen für Knowledge Leadership – Wertschöpfungspotenziale für die Musikwirtschaft Mannheim und Region“ näher brachte. Anschließend folgte eine Diskussionsrunde über die Zusammenhänge und Kontexte, in welchen die Zahlen gesehen werden können und wie diese zu analysieren und zu interpretieren sind. Unter der Moderation von Janina Klabes (Mannheimer Versicherungen) diskutierten folgende Gäste: Prof. Dr. Michael Hölscher (Universität Speyer), Olaf Kretschmar (Berlin Music Commission), Prof. Dr. Carsten Winter (Universität Hannover) und Prof. Dr. Martin Zierold (Karlshochschule Karlsruhe). Wer näheres zu diesem Thema erfahren möchte findet darüber einen sehr interessanten Beitrag von Regina Rosemann weiter unten auf unserem Blog.
Auch das zweite Panel war mindestens genauso vielversprechend und lief unter dem Titel „Managing Networks“. Im Gegensatz zum ersten Panel-Thema, was einen sehr marktwirtschaftlichen Hintergrund hatte und daher für den allgemeinen Bürger ein recht neues Terrain gewesen sein dürfte, können viele mit dem Begriff „Netzwerk“ einiges mehr in Verbindung bringen. Gerade im heutigen Zeitalter der Massenmedien und des Internets sind wir dauerverbunden und agieren hauptsächlich in Netzwerken. Doch wie genau lassen sich Netzwerke eigentlich definieren und was verbirgt sich alles hinter diesem sehr weitgreifenden Begriff? An diesem Samstagnachmittag befassten sich die Diskussionspartner hauptsächlich mit den Fragen inwiefern die zunehmende Vernetzung ihre persönliche Arbeit beeinflusst, wie hoch der Wichtigkeitsgrad der Netzwerke für ihre Arbeit ist, und mit welchem Grad die Vernetzung eine gegebenenfalls vorhandene Komplexität verringert bzw. eingrenzt. Zusammengefasst: Wie wirken sich letztendlich die heutigen Netzwerkstrukturen auf die Produktion und Rezeption von Musik, Kunst und Kultur aus?Unter der Moderation von Matthias Rauch, dem aktuellen Leiter des Clustermanagements, stellten sich vier Gäste der Diskussion. Unter ihnen Lorenz Grünewald von der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft Berlin, der sich mit der Veränderung von Musik und Markenkultur hinsichtlich digitalen Netzwerkmedien befasst, und Gabriele Hartmann, die bei der Firma SAP verantwortlich für das Corporate Social Responsibility Program in 26 Ländern aus Mittel und Ost Europa ist. Sie studierte unter anderem Politikwissenschaft in Deutschland, Spanien und den USA. Durch ihre jetzige Arbeit bei SAP entdeckte sie ein starkes Interesse an neuen Start up Unternehmen. Ein weiterer sehr interessanter Gast war Federica Patti, die eigens für das Jetztmusik Festival 2015 aus Bologna, Italien, eingeflogen war. Die junge Italienerin ist Mitgründerin des roBOt Festivals in Bologna, das sich hauptsächlich mit Digital Arts und elektronischer Musik befasst. 2014 begab sie sich auf einen Trip nach Bogotá (Kolumbien), um das Zusammenwirken von UNESCO-Musikstadt-Netzwerken näher zu ergründen. Auch Dr. Regina Schober, die ihren Abschluss in Amerikanistik und Musik in Hannover erlangte und mittlerweile an der Universität Mannheim tätig ist, befasst sich mit dem Thema Netzwerk. Momentan arbeitet sie an einem Projekt mit dem Titel „The Network Paradigm in American Literature and Culture“. Mit diesen vier Experten ist die Diskussionsrunde komplett und eröffnet durch diese enorme Bandbreite an Wissen und Erfahrungen großes Diskussionspotenzial. Um einen gemeinsamen Ausgangspunkt zu haben, möchte Matthias Rauch zu Beginn wissen, was für eine Bedeutung Netzwerke für jeden Einzelnen überhaupt tragen. Dr. Regina Schober setzt im späten 18. Jahrhundert bzw. im frühen 19. Jahrhundert an und erklärt, dass sich der Begriff Netzwerk, zumindest in der westlichen Welt, zunächst auf tatsächliches Material bezogen habe. In Hafenstädten konnte das zum Beispiel ein Fischernetz sein. Später dann habe sich der Begriff des Netzwerks, im Zuge der Entwicklung von Telefon- und Schienennetzen, auf die technologische Ebene übertragen. Heute assoziieren die meisten Menschen mit dem Begriff Netzwerk das Internet. Das ist natürlich richtig, dennoch beinhalte der Begriff weit mehr. Auch das menschliche Gehirn oder das Wetter könne man als Netzwerke sehen. Dr. Regina Schober spricht von Information Age und einer Networksociety. Sie sagt, alles was wir tun passiere innerhalb eines Netzwerkes und habe somit auch immer etwas mit Komplexität zu tun. Federica Patti fügt hinzu, dass Netzwerke in der Kunst eine Dynamik zwischen der Kunst und dem Menschen schaffen, das passiere sowohl im realen Leben als auch virtuell. Für Gabriele Hartmann bedeutet der Begriff des Netzwerkes idealerweise eine Reduktion von Komplexität, da durch sie eine Vielfalt von Anknüpfungspunkten neu vernetzt würde. Allerdings bringe dies, wie sie einwendet, immer neue Möglichkeiten auf und steigere den Informationsstrom bis ins Unendliche. Die Technologie entwickle sich so schnell, dass der Mensch keine Zeit habe Schritt zu halten. Somit gilt für sie „simplicity is the hardest thing to achieve“. Daraufhin wirft Matthias Rauch die Frage auf, ob sich das menschliche Gehirn hinsichtlich der sich immer neu und schneller entwickelnden Technologien verändert habe. Lorenz Grünewald meint, dass das Gehirn nicht unbedingt komplexer geworden sei, dennoch wäre mehr Komplexität möglich. Hat es unser Leben also komplexer gemacht? Dr. Regina Schober meint nein. Sie stelle sich das Netzwerk als eine Art Map vor, in der Verbindungen zwischen verschiedenen Objekten hergestellt würden. Hier würden ausschließlich die Objekte berücksichtigt, die besonders wichtig erscheinen. Somit finde eine Selektion statt, was sich als komplexitätsreduzierend erweise. Es habe sich also nicht das menschliche Gehirn, sondern allein der Weg mit den neu generierten Informationen umzugehen, verändert. Auch Federica Patti hat „lost memory“ und die Auswirkungen von „Big Data“ im Rahmen des roBOt Festivals Bologna zum Thema gemacht. Sie betont, wie wichtig es sei, mit den Menschen über solche Themen zu kommunizieren, um diese dazu anzuregen, über ihre Denkweise und Erinnerungsspeicherung zu reflektieren. Netzwerke schaffen also nicht nur eine Reduktion von Komplexität durch Selektion, sie eröffnen uns zudem noch einen breiteren Zufluss an Informationen und Möglichkeiten. Gerade durch das Internet wird die Kommunikation innerhalb solcher Netzwerke und auch netzwerkübergreifend enorm vereinfacht. Wie wichtig ist Face-to-Face Kommunikation dann überhaupt noch? Reicht es aus, sich über E-Mail, Telefon und Skype-Konferenzen auszutauschen und tritt so die „traditionelle“ Face-to-Face Kommunikation immer mehr in den Hintergrund, will Matthias Rauch wissen, oder ist genau diese sehr persönliche Art in Kontakt zu treten immer noch vonnöten? Lorenz Grünewald führt als Beispiel der ausschließlich durch digitale Kommunikation funktionierenden Prozesse die Erfolge von Youtube-Stars an. Er deutet darauf hin, dass die Kommunikation zunehmend über E-Mail, Dropbox und Skype funktioniere. Ganz ohne physikalischen Kontakt. Trotz dessen, dass der physikalische Kontakt nicht mehr an erster Stelle stehe, lobt Lorenz Grünewald Standorte mit guter Anbindung zum Bahnhof, da diese eine Face-to-Face Kommunikation deutlich vereinfachen würden. Spätestens bei der Realisierung bestimmter Projekte, so Federica Patti, müsse man zusammenkommen. Sie ist der Meinung, dass in einem funktionierenden Arbeitsumfeld Face-to-Face Kommunikation absolut vonnöten sei, da sich die Kommunikation und das Arbeitsverhalten ganz anders entwickle, wenn vorher schon mal ein physikalischer Kontakt zustande kam. Es schaffe die Basis von Vertrauen und Authentizität, die für ein gelingendes Arbeitsfeld unabdingbar sei. E-Mails und Skype könne man natürlich zur Unterstützung heranziehen. Gabriele Hartmann ist derselben Meinung und betont, dass Face-to-Face Kommunikation unumgänglich sei und zumindest an einem Punkt mal geschehen müsse. Die Art der Kommunikation habe auch immer einen Einfluss auf die Qualität der Kommunikation und somit auch auf die Zusammenarbeit. Es schaffe somit eine Basis und erst dann könne man Tools wie zum Beispiel Skype ins Spiel kommen lassen
Auch Authentizität scheint also eine Rolle zu spielen, wie wichtig ist sie und wodurch wird sie erlangt? Nach Lorenz Grünewald ist Youtube das wichtigste Mittel für Marketing bei jungen Zielgruppen, da durch dieses Medium ein hoher Grad an Authentizität erlangt werde. Die jungen Menschen können sich mit den Youtube-Stars identifizieren und nehmen diese als authentisch war. Federica Patti meint, um authentisch zu bleiben müsse man sich vorher überlegen, was man teilen wolle und wie. Es sei nicht möglich alles zu managen und alle persönlich anzutreffen, daher sei alles eine Frage der Kommunikation innerhalb des Netzwerkes. Die Möglichkeit der Arbeitsteilung sei wiederrum ein enormer Vorteil von Netzwerken.Nun stellt Matthias Rauch an die Symposiumsgäste die Frage wie Informationen gespeichert und anschließend zugänglich gemacht werden. Dr. Regina Schuber weiß wie schwer Netzwerke zu kontrollieren sind. Sie seien dezentral und selbstorganisierend, zudem bieten sie so eine Fülle an Informationen, dass man die für sich interessanten Bereiche erst einmal extrahieren müsse. Laut Federica Patti habe jeder Teil im Netzwerk seine eigene Freiheit, was sie als besonders wichtig erachtet. Trotzdem müsse man alle Bereiche zusammenbringen. Lorenz Grünewald weist an dieser Stelle darauf hin, dass es durch den Wandel im Musikmanagement hinsichtlich der Rezeption, der Produktion und der Distribution weniger klassische Manager gibt. Die Musiker werden selbständiger. Man müsse nicht alles selber machen, aber man sei weniger abhängig von den Firmen. Gabriele Hartmann schließt sich der Meinung von Lorenz Grünewald an. Durch das Social Enterpreneurship, Crowdfunding und Sofa-Konzerte rückt das Buchen der Künstler über Booking-Agencies immer mehr in den Hintergrund. DJs, beispielsweise, arbeiten mittlerweile häufiger über soziale Netzwerke und treten so mit potenziellen Kunden direkt in Kontakt. Lorenz Grünewald erklärt, dass den Fans die Beziehung zum Künstler wichtiger geworden sei. Nicht mehr die Musik, sondern der Künstler stehe im Mittelpunkt. Diese Beziehung zum Künstler könne zum Beispiel über Crowdfunding erlangt werden, indem man einem bestimmten Künstler direkte Unterstützung bietet. Dr. Regina Schober merkt an, dass es durch dieses hohe Selbstläuferpotenzial über Youtube und ähnliche Medien passieren kann, dass man letztendlich ohne monetären Gewinn arbeitet. Daher werden professionelle Akteure wie das Clustermanagement Musikwirtschaft Mannheim benötigt. Lorenz Grünewald sieht das etwas positiver und freut sich über den kreativen Austausch, der auf Plattformen wie Youtube, durch Hochladen von kostenfreier Musik, entsteht. Gabriele Hartmann hingegen bedauert, dass man die vielen Möglichkeiten, die in Netzwerken entstehen, gar nicht alle nutzen könne. Sie findet so viele Sachen inspirierend und aufregend und muss dann immer wieder feststellen, dass sie sich dadurch jedes mal ein Stück mehr abgehängt fühlt. Die Prozesshaftigkeit und die Dynamik der Technologien und deren Angebote seien so schnell, dass man als Mensch nicht hinterher komme. Sie stellt sich und den anderen die Frage, ob das womöglich an ihrer Generation liege und ob das Digital Natives vielleicht gar nicht als Problem wahrnehmen. Zudem würde die Diskussionsteilnehmerin interessieren, was wohl die heutige, junge Generation, die wie selbstverständlich mit digitalen Medien aufwächst, in 20 Jahren zu den Diskussionsfragen von heute sagen würde. Die Diskussionsrunde ist sich einig, die neue Generation würde viel natürlicher und selbstverständlicher mit digitalen Netzwerken umgehen. Ob das tatsächlich so ist, bleibt wohl noch offen und lässt sich frühestens in 20 Jahren herausfinden. Abschließend wirft Lorenz Grünewald ein, dass er sich gerne einfach mal „unpluggen“ würde, um sich für ein paar Momente von dem Informationsüberschuss zu lösen. Er gibt im gleichen Atemzug zu, dass das für ihn so gut wie unmöglich sei. Es sei wie ein Instinkt, man denke nur noch in Netzwerken, was auf keinen Fall immer sinnvoll und produktiv sei. Dem stimmt Dr. Regina Schuber zu und ergänzt, Netzwerke solle man nicht zu ernst nehmen und ihnen blind folgen. Man müsse seinen eigenen Platz im Netzwerk finden und dürfe nicht zulassen, dass die Zuweisung durch das Netzwerk geschieht. Nur so könne man erst richtig produktiv werden, rundet Federica Patti mit einen Schlußwort die Diskussion ab.
Felicitas Knoche
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Das Ende einer Ära?
Ein Streitgespräch zur Situation der Musikwirtschaft
Der Vortrag und die Podiumsdiskussionen zur Entwicklung des Musikmarkts und die Rolle der Netzwerke auf dem Symposium des diesjährigen Jetzmusikfestivals haben uns, zwei Studentinnen der Medien- und Kommunikationswissenschaft, dazu angeregt, uns weiter mit dem Thema zu beschäftigen. Wir haben uns entschieden, unsere Überlegungen in Form eines Streitgesprächs zu dokumentieren, das so auch unter zwei Besuchern im Anschluss an die Veranstaltung stattgefunden haben könnte. Dabei bot es sich an verschiedene Perspektiven einzunehmen – die der etablierten Unternehmen der Musikbranche gegenüber Vertretern, die für die Förderung der Selbstständigkeit von Musikern stehen.
Das Wirtschaftssystem basierend auf Unternehmen und linearer Wertschöpfung funktioniert schon seit etwa 200 Jahren, seit der Industriellen Revolution und hat sich bis jetzt auch allen technischen Veränderungen angepasst. Der größte Teil der Musikwirtschaft, die Reproduktion von Musik basiert selbst auf technischen Erneuerungen, ob nun die Entwicklung druckbarer Notenblätter, die Erfindung des Grammophon, der digitale Wandel oder der Aufstieg der visuellen Musikkultur – aka MTV, immer hat sich die Industrie angepasst.
Der aktuelle Übergang in die digitalisierte Welt ist nicht mehr vergleichbar mit früheren Adaptionsprozessen. Noch nie in der Geschichte war es der Fall, dass individuelle Akteure in quasi demokratischen Prozessen die Entwicklungen mitbestimmen können. Selbst wenn die Unternehmen es schaffen, sich anzupassen, die Führungskräfte sind heute gezwungen, die Wünsche der Kunden mit einzubeziehen, um erfolgreich zu sein – dies können Studien des US-amerikanisches IT- und Beratungsunternehmen IBM belegen. Viele Unternehmen setzen heute schon darauf, die kreativen Kräfte in Social Media einzubeziehen – dabei wird das soziale Kapital ausgenutzt. Angenommen, es wird ein Kreativwettbewerb ausgeschrieben, an denen sich hunderte bis tausende Designer oder Musiker beteiligen, so können sich die Firmen das Beste heraussuchen, anstatt ihr Geld in eine teure Werbeagentur zu investieren. Alle anderen Teilnehmer gehen leer aus. Auch Erfindungen wie das Grammophon waren stets das Produkt aus dem Know-How einzelner oder einer kleinen Gruppe von Kreativen, die sich ihre Entwicklungen patentieren lassen konnten, bevor sie im großen Stil vermarktet wurden.
Aber ist dies nicht ein Zeichen dafür, dass die Unternehmen versuchen sich anzupassen? Es entstehen kontinuierlich neuartige Jobs wie Kommunikationsmanager und Social Media Experten, sogar ganze Studiengänge werden neu konzipiert. Firmen wie Google erlauben ihren Mitarbeitern mehr kreativen Freiraum auch eigene Projekte zu verfolgen um deren Potential besser zu nutzen. So sind die angesprochenen Kreativwettbewerbe doch vielleicht nur eine neue Form von Jobinterview. Dies zeigt das viele Konzerne durchaus bereit sind mit der Zeit zu gehen und sich an die neuen Gegebenheiten anzupassen. Besonders Medienkonzerne weltweit vergrößern ständig ihre Kompetenzen und Wirkungsbereiche, so sind große Medienkonzerne z.B. in Printmedien und im Fernsehen tätig und auch im Internet präsent, und das, obwohl sie viele der gleichen Probleme haben wie jene, denen sich die Musikwirtschaft nun gegenüber sieht. Studien zeigen, dass Produkte etablierter Unternehmen selbst in der großen Vielfalt des Internets dominant sind, weil die Konsumenten weiterhin dem vertrauen, was sie schon kennen und worauf sie sich verlassen können, besonders wenn es um Glaubwürdigkeit und Qualität geht.
Sicher bleiben Versuche, sich den Entwicklungen anzupassen, nicht aus – aber können sie den immer größer werdenden Vorsprung noch aufholen? Die Datenmenge vervielfacht sich sekündlich, und die Zahl der Marketingabteilungen, die angesichts dieser Informationsschwemme kapitulieren, hat sogar noch zugenommen: zwei von drei Führungskräften fühlen sich dem nicht gewachsen. Dadurch entsteht ein enormer Konkurrenzdruck. Wenn nur – nach Darwinschem Gesetz – die anpassungsfähigsten Firmen überleben, führt dies zur Monopolisierung – und dies kann im Sinne der Kunst nicht wünschenswert sein.
Aber sind dann einzelne Akteure mit der Situation völlig überfordert? Wenn ganze Marketingabteilungen mit diesen Entwicklungen nicht mithalten können, wie soll dies eine einzige Person „alleine in im Datendschungel“ denn schaffen? Wäre es nicht viel vorteilhafter, wenn sich jeder auf seine Stärken konzentriert? Spezialisierung und Differenzierung sind allgemeine gesellschaftliche Entwicklungen, die man in allen Bereichen menschlichen Zusammenlebens finden, und denen man nur schwer entgegen wirken kann. Künstler, Manager, Promoter, Produzent und Buchhalter – wie viele Rollen soll eine Person übernehmen, ohne komplett überlastet zu sein? Wie soll eine Person als Künstler noch produktiv sein, wenn er zu beschäftigt ist, zu kommunizieren? Always plugged-in zu sein ist ja fast ein Vollzeitjob an sich. Ist es nicht zu viel verlangt, dann auch noch das eigene Management und Marketing zu übernehmen?
Die ist ja dank den Vernetzungsmöglichkeiten nicht nötig! Im Internet finden sich genau die richtigen Leute, um gemeinsam ein Projekt auf die Beine zu stellen: Einer macht die Musik, ein Anderer kennt sich wieder mit der Vermarktung oder Finanzierungsmöglichkeiten aus. Und wenn das nicht reicht, gibt es solche Institutionen wie das Clustermanagement Musikwirtschaft Mannheim, die sich in der Szene auskennen, und an die entsprechenden Leute vermittelt.
Aber solche Institutionen sind stark auf Fördergelder angewiesen. Sollten diese nun eingestellt werden, stehen diese Einzelakteure wieder alleine da - zurück auf Anfang sozusagen. Dies ist immer eine Gefahr, besonders weil die Kulturämter und sonstige politische Akteure bei ihren Entscheidungen auf sogenannte belastbare Kennzahlen angewiesen sind; statistische Daten die Aussagen über Erfolg oder Scheitern eines Projekts oder Fördermaßnahme treffen. Diese Daten stehen jedoch nicht so einfach zur Verfügung, denn gerade solche selbstständigen „Culturepreneurs“ fallen oft unter das statistische Raster und viele Auskunftsgrenzen und sind daher nur schwer zu erfassen.
Hier besteht in der Tat noch Aufklärungsbedarf, da die Politik mit ihrem Zahlenfetisch immer den Entwicklungen hinterher hängt. Was die Zahlen anbetrifft, wird zur Zeit das großangelegte Forschungsprojekt der Uni Jena durchgeführt, um alle Teilbereiche der Branche mit ihren Umsatz und Arbeitsplatzzahlen zu erfassen. Aber die Wertschöpfung im künstlerischen Bereich erstreckt sich nicht nur über materielle Werte. In der Praxis sind auch Multiplikatons- und Synergieeffekte von kultureller Bedeutung. Gibt man dem sogenannten Sozialkapital die Möglichkeiten und Unterstützung, um sich zu verwirklichen, so ist der wirtschaftliche und gemeinnützige Output um ein Vielfaches größer, als wenn einzelne Talente von großen Konzernen ausgeschlachtet werden würden.
Besteht die Gefahr der Ausnutzung nicht auch bei Netzwerken? Sie schaffen auch große Abhängigkeiten, da man völlig auf die anderen Akteure (an Stelle von Unternehmen) angewiesen ist - man muss ihnen vertrauen können. Aber wer garantiert das dieses Vertrauen gerechtfertigt ist? Mann baut hier auf Personen, denen man in Zweifelsfalle noch nie gesehen oder noch nie gehört hat. Reputation ist ein wichtiges Kriterium für die Bewertung traditioneller, etablierter Unternehmen und der Verlust dieser Reputation hat eine Abschreckungsfunktion gegenüber abweichendem Verhalten - bei schlechten Geschäftspraktiken ist der gute Ruf auch schnell dahin. Und wenn diese vielen Rollen nun auch von einzelnen Personen gefüllt werden so besteht doch durch die enge Vernetzung die Gefahr, dass ein geschäftliches Scheitern oder Fehlverhalten eines Akteurs auch viele andere mit zu Fall bringt.
Ein Plattenvertrag ist auch keine Lebensversicherung. Im Gegenteil, das knallharte Showgeschäft ist schon ein geflügeltes Wort. Die künstlerische Freiheit, innovativ zu arbeiten, kann durch vertragliche Bindungen eingeschränkt werden, da die Verkaufszahlen bestimmen, was produziert werden soll. Aber das geht an der Realität vorbei, da viele Fans gar nicht mehr daran interessiert sind, CDs zu erwerben. Die Produkte werden auf Verdacht von Vertriebspartnern eingekauft, und verstauben im schlimmsten Fall Regal, gehen aber in die Statistik mit ein. Das Aufblühen von Crowdfounding-Plattformen zeigt, dass die Kunden stärker in den Produktionsprozess mit einbezogen werden wollen. Mit kleinen Eigenlabeln ist dies viel besser möglich. Das ist es, was die Kreativschaffenden zu den freien Sharingplattformen treibt. Man muss kein Geld für teure Werbemaßnahmen investieren. Was gut ist, und was die Leute wirklich hören wollen, verbreitet sich durch die Sharingmentalität im Internet und bekommt auch den Erfolg, den es verdient.
Stichwort hier: FREIE Sharing-Plattformen. Ist es da nicht schwierig, am Ende einen Profit zu machen? Es ist ja schön und gut, Kunst der Kunst wegen zu machen, aber auch der Künstler muss von etwas leben. So ist besonders im Medienbereich die qualitativ hochwertige Produktion nicht für jeden finanzierbar. War nicht eine der wichtigen Aufgaben von Unternehmen dafür zu sorgen, dass sich Kunst auch lohnt?
Es sind vor allem die großen Unternehmen, die Verluste durch die kostenlosen Angebote von Musik beklagen, nicht die Künstler. Viele Künstler können im wahrsten Sinne des Wortes ein Lied davon singen, wie wenig vom erwirtschafteten Umsatz bei ihnen wirklich noch ankommt, weil das oftmals ineffiziente Marketing so viel Geld verschlingt. Für Newcomer ist es erst mal wichtig, bekannt zu werden. Das können diese Netzwerke besser leisten als vereinzelte Werbekampagnen. Im Internet hat man als Konsument auf alle Musikrichtungen und Künstler gleichermaßen Zugriff, kann gezielt nach Musik suchen, die einem gefällt und dabei Neues entdecken. Ein gutes Beispiel für eine Band, die völlig ohne Plattenvertrag erfolgreich wurde, ist „Wir sind Helden“. Und andere ziehen nach. Heutzutage gibt es reine Selfmade-Youtubestars. Youtube ist für die junge Zielgruppe schon die wichtigste Plattform im Marketing . Selbst schon berühmte Musiker stellen einzelne Hits kostenlos zur Verfügung, weil sie dieses System unterstützen. U2 haben sogar ihr neues Album komplett über Itunes veröffentlicht.
Aber dies bedeutet auch eine Flut von neuen Angeboten, wenn jeder sich selbst als Künstler präsentieren kann. Wann ist zu viel zu viel? Wie viele selbsternannte Künstler stellen Videos von sich online in denen sie schief und schräg vor sich hin singen, wie sollen die Konsumenten noch erkennen oder finden, was gut ist? Diese schiere Menge an Angeboten ist fast unmöglich zu bewältigen. Dies gilt auch für Fördergelder, wenn 6 von 10 Investitionen scheitern ist die Verlustquote doch recht hoch. Plattenfirmen hatten hier eine Filterfunktion die nun jede Person selbst erfüllen muss: Wie beim Symposium schon Gabriele Hartmann von der SAP sagte: „Simplicity is the hardest thing to archieve“. Die schiere Komplexität der Netzwerke und steigende Akteursvielfalt ist nur schwer überschaubar.
Die jetzige und die kommenden Generationen sind mit dem Internet aufgewachsen und haben von klein auf gelernt, mit dem Überangebot umzugehen. Kunst sollte niemals beschränkt oder von einer Elite definiert werden, das wäre fatal für die Innovation und Kreativität. Man sieht ja heute schon in den klassischen Medien, was dabei herauskommt: Castings-Shows werden inszeniert. Oft stehen die Gewinner schon im Voraus fest, und alles wird nur gehyped, um mit Votinganrufen Geld in die leeren Kassen zu spülen. Am Ende klingt alles gleich, weil die Songs von immer den gleichen Produzenten geschrieben werden, und mit den Bearbeitungsprogrammen die selben Effekte verwendet werden. Will man die Fans für dumm verkaufen? Wer ein bisschen gefordert ist, kann durchaus ein Gefühl für Qualität entwickeln, und die Geschmäcker sind sowieso verschieden. Musik ist nicht nur Wirtschaft, sondern auch Kulturgut. Um kulturelle Werte zu schöpfen, muss der Staat investierten, auch ohne unbedingt Profit daraus schlagen zu müssen. Kolumbien geht da mit gutem Beispiel voran, indem sie musikalische Veranstaltungen in der Hauptstadt Bogotá allen kostenfrei zugänglich macht.
Die gesamte Medienindustrie, besonders die Musikwirtschaft, befindet sich seit der Verbreitung des Internets in ständiger Veränderung. Diese Entwicklung lässt sich nicht mehr rückgängig machen oder ignorieren. Im Gegenteil: sie findet immer rasanter statt. Wie Eric Schmidt, der CEO von Google einmal gesagt hat: „The Internet is the first thing that humanity has built that humanity doesn't understand, the largest experiment in anarchy that we have ever had.“ Dadurch ist es schwierig, die Langzeitfolgen für die Wirtschaft, vor allem Medien- und Musikunternehmen einzuschätzen. Fest steht jedoch, dass die Welt und auch die Wirtschaft nie mehr die selbe sein wird. Youtube, Facebook & Co sind nicht mehr wegzudenken.
Die Firmen werden nicht umhin kommen, sich diesen Entwicklungen anzupassen. Eine Revolution, so wie die Kuratorin Frederica Patti auf dem Symposium sagte, werden wir wohl nicht erwarten können, wohl aber eine schleichende Änderung. Diese hat längst begonnen und in unseren Alltag Einzug gehalten. Vielen, vor allem der jüngeren Generation, die mit dem Internet aufgewachsen ist, ist dies wahrscheinlich nicht einmal bewusst. Es ist wichtig, ein Bewusstsein dafür zu haben, dass wir unsere Welt mitgestalten können, manchmal reicht dafür schon ein Klick, so wie der Flügelschlag eines Schmetterlings einen Orkan am anderen Ende der Welt auslösen kann. Auf der anderen Seite muss die Politik schneller reagieren können. Erst 2013 machte sich die Bundeskanzlerin mit der Äußerung, das Internet sei für uns alle Neuland, zum Gespött der Nation. Mittlerweile sind wir längst bei Web 2.0 angelangt. Der dritte Faktor sind die kreativen Köpfe, die neue, alternative Konzepte, wie z.B. Crowdfounding ins Leben rufen. Da die Welt der Musik unzertrennlich mit Kreativität verbunden ist, können wir gespannt sein, was der Markt in Zukunft noch für Überraschungen für uns bereit hält.
Jennifer Manns und Regina Rosemann
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Wunderschöne Aufnahmen von fast allen Konzerten des JetztMusikFestivals 2015 und Einblicke in die visuellen Aspekte von Musik Performance.
von Jennifer Manns
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Duo Resonanz am Donnerstag in der Alten Feuerwache.
Ungewöhnlich, Experimentell, Interessant.
Kamera und Editing von Jennifer Manns
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Impressionen vom Workshop
RECORD SLEEVE SCREEN PRINT - DIY Siebdruck mit FireCracker Records
In der Werkstatt des Bezirkverbands Bildende Künstlerinnen und Künstler Region Mannheim e.V. zeigte Lindsay Todd aka. House of Traps aus Edinbourgh am 28.03.2015 den TeilnehmerInnen des Workshops, wie man mit Siebdruck Plattencover für kleine Auflagen kostengünstig selbst gestalten kann. Motivvorlage war dabei EP004 des Labels UNTHANK. Jedes Stück ist ein Unikat!
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Die Diskussionsteilnehmer des ersten Panels des Symposiums. Erste Reihe v.l.n.r.: Prof. Dr. Winter, Prof. Dr. Martin Zierold. Zweite Reihe v.l.n.r.: Prof. Dr. Michael Hölscher, Olaf „Gemse“ Kretschmar. Fotos: Jennifer Manns
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Wertschöpfungspotenziale für die Musikwirtschaft
Ein Bericht über das Symposium des Jetztmusikfestivals 2015
Am Samstag, dem 22. März 2015 fand im Studio der Alten Feuerwache zum zweiten Mal ein Symposium im Rahmen des Jetzmusikfestivals Mannheim statt. Unter dem Motto „The more the merrier? Collaboration, Management and Evaluation in (International) Cultural Networks“ empfing das Clustermanagement Musikwirtschaft elf Gäste aus Deutschland, sowie Bologna und Glasgow, die, wie seit letztem Jahr auch Mannheim, zu den UNESCO-Städten der Musik gehören. In drei Gesprächsrunden wurde über Analyse, Management und Zusammenarbeit von Netzwerken in Bezug auf die Musikwirtschaft diskutiert.
Die Musikwirtschaft im Wandel
Das Thema des ersten Panels lautete: „Kennzahlen für Knowledge Leadership – Wertschöpfungspotenziale für die Musikwirtschaft Mannheim und Region.“ Prof. Dr. Carsten Winter vom Institut für Journalismus und Kommunikation Hannover startete mit einer Präsentation, die die Ergebnisse seiner Forschungsarbeit für das Clustermanagement Musikwirtschaft Mannheim (im Folgenden CMMW genannt) in den Gesamtzusammenhang mit den Entwicklung der Branche stellte und mit einem strategischen Konzept für das CMMW verknüpfte.
„Was ist Musikwirtschaft und wie hat sie sich verändert?“ lautete die Ausgangsfrage. Die Kernbranchen der Musikwirtschaft unterteilen sich in Recorded Music, Music Publishing und Live Music, wobei erstere 75% des Gesamtumsatzes der Musikwirtschaft bestreiten. Durch die digitalen Medien, also das Internet mit seinen Social Media Tools wie Facebook, Youtube, Soundcloud, Spotify oder last.fm hat sich die Branche dermaßen verändert, dass man behaupten kann: die klassische Musikwirtschaft nach diesem Konzept existiert nicht mehr. Das zeigt sich auch deutlich in den Zahlen der Arbeitsplätze und des Umsatzes: Dieser ist von 1997 bis 2013 von über 2,3 Millionen Euro auf kaum mehr als eine Million Euro geschrumpft. Die Dynamik des Internets und die technischen Entwicklungen haben es den Künstlern erleichtert, ihre Musik in Eigenarbeit günstig zu produzieren, zu vermarkten und zu veröffentlichen. Dies führt dazu, dass die Musikwirtschaft auf neue Weise boomt – zu diesem Wohlstand haben die klassischen Akteure, die etablierten Produktionsfirmen wie die Universal Music Group, die Warner Music Group und Sony Music Entertainment jedoch nichts beigetragen. Von ihnen werden auch keine großen Entwicklungen und Innovationen mehr erwartet. Die unternehmerischen Tätigkeiten übernehmen die Künstler heute selbst. Diese ehemals wirtschaftsfremden Akteure nennt man Art- oder Culturepreneure. Auch das Verhalten der Konsumenten hat sich verändert: Fans sind heute weniger daran interessiert, Produkte wie z.B. CDs zu besitzen, sondern investieren stattdessen vermehrt in die Beteiligung an kreativen Prozessen. So gibt es alleine in Europa 14 Crowdfounding-Plattformen. Das die Möglichkeiten der digitalen Vernetzung wesentlich zu dieser Entwicklung beitragen, zeigt, dass Wertschöpfung – also Gewinnerzielung und Realisierung von Ideen – vor Allem auf Basis von Beziehungen möglich ist, die man über das Internet knüpfen kann.
Die C-Suite-Studien von IBM bestätigen dies: Eine lineare Wirtschaftsform existiert nicht mehr – es wird „in time“ gehandelt. In offenen Netzwerken können individuelle Akteure dafür sorgen, dass personale Ausfälle, die sich durch dieses möglicherweise etwas chaotische System ergeben, kompensiert werden. In Anbetracht tiefgreifender Umbrüche stehen die etablierten Firmen unter enormen Innovationsdruck. Die Führungskräfte der Marketingabteilungen fühlen sich der großen Datenmenge und -vielfalt sogar noch weniger gewachsen als 2011. Zwei Drittel der Unternehmen haben nur eine unzureichende oder gar keine Strategie für die Integration der digitalen und physischen Interaktion. Die größte Hürde ist die Einbeziehung von Social Media in die Marketingkonzepte.
Förderstrategien für Mannheims Musikbranche
Die Umsatzzahlen der Musikwirtschaft in Mannheim und der Metropolregion zeigen sich in den Jahren 2009 bis 2012 als steigend. Auch die steigenden Beitritte zur Künstlersozialklasse sind ein Indikator für das Branchenwachstum. Die Künstlersozialversicherung ist eine staatlich geförderte Einrichtung zur sozialen Absicherung selbstständig arbeitender Künstler, da diese Berufsgruppe sozial meist deutlich schlechter abgesichert ist als andere Selbständige. Damit genießen die Künstler einen ähnlichen Schutz wie Mitglieder einer gesetzlichen Arbeitnehmer-Sozialversicherung. Die Voraussetzung dafür ist jedoch, mit Ausnahme von Berufsanfängern, ein bestimmtes Mindesteinkommen sowie die Anerkennung als Künstler, worüber die Künstlersozialversicherung selbst entscheidet. Hier sind, neben darstellenden und bildenden Künstlern, Designern und Publizisten, in der Metropolregion zunehmend Anmeldungen von Musikern zu verzeichnen. 2014 gab es in Mannheim für den Bereich Musik 90 Unternehmensgründungen mehr als im Jahr 2006, damit stieg auch die Zahl der Erwerbstätigen der Branche um etwa 650 Sozialversicherungspflichtige. Es sind besonders Kleinunternehmen, die entscheidend zur Dynamik und Entwicklung der Wirtschaft beitragen.
Diese Entwicklung soll das CMMW mit seiner Infrastruktur unterstützen. Das strategische Konzept, welches hierfür ausgearbeitet wurde, beinhaltet vier Maßnahmen, die unter den Schlagwörtern „Intelligenter“, „Inkludierender“ und „Nachhaltiger“ umgesetzt werden sollen. Zunächst steht die Entwicklung einer offenen, anwenderfreundlichen Datenbank an, die es den privaten Akteuren erleichtern soll, selbständig nach Informationen und vor allem Kontaktadressen für ihre Projekte zu recherchieren. Unter einer Dachmarke sollen wiederkehrende CMMW-Knowledge-, Networking- und Business-Development-Formate etabliert werden. Insbesondere für Mini-Unternehmen plant das CMMW ab 2016 individuelle Coachings anzubieten. Letztendlich ist eine internationale Vernetzung von Künstlern, Produzenten und anderen Akteuren der Musikwirtschaft geplant.
Im Rahmen des "Musikdialog Hamburg 2014" wurde von den Verbänden der deutschen Musikwirtschaft die Durchführung einer Studie zur erstmaligen Ermittlung aller marktrelevanter Daten von 30 Teilbranchen der Musikwirtschaft beschlossen, um die Politik davon zu überzeugen, bessere Rahmenbedingungen für die Musikbranche zu schaffen. Durch Online-Befragungen sollen die Wertschöpfung, die Anzahl der Arbeitsplätze, die Bedeutung des Wirtschaftszweiges als Standortfaktor, sowie den Stellenwert von Musikproduktionen und Konzerten für Wirtschaftszweige außerhalb der Musikwirtschaft wie z.B. Rundfunkveranstalter, Hersteller von Unterhaltungselektronik und die Tourismusbranche ermittelt werden. Diese Studie wird vom Institut für Kommunikationswissenschaften an der Universität Jena unter der Leitung von Prof. Dr. Wolfgang Seufert durchgeführt und soll am 23. September auf dem Hamburger Reeperbahn Festival 2015 präsentiert werden. Das Festival stellt auch für die strategische Planung des CMMW einen Meilenstein dar. Die Vorstellung der Datenbank ist ebenfalls für September in Hamburg in Aussicht gestellt.
Kritik an der politischen Perspektive
Im Anschluss an den Vortrag folgte eine Talkrunde. Die Teilnehmenden waren, neben Prof. Dr. Winter, Olaf „Gemse“ Kretschmar, Clustermanager und Vorstandsvorsitzender der Berlin Music Commission, sowie Mitgründer des Kompetenzzentrums Musikwirtschaft Berlin, Prof. Dr. Martin Zierold, Professor für Art Management and Cultural Studies an der Karlshochschule International University in Karlsruhe und Prof. Dr. Michael Hölscher, wissenschaftlicher Assistent am Institut für Soziologie der Universität Heidelberg, der ab dem nächsten Sommersemester zum Lehrstuhl für Hochschul- und Wissenschaftsmanagement an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer wechselt. Moderiert wurde von Janina Klabes, ehemalige Leiterin des CMMW und Markenmanagerin des Musikteams bei der Mannheimer Versicherung AG.
Es wurde zunächst darüber diskutiert, in welchem Kontext die vorgestellten Zahlen zu sehen sind, welche Chancen und Risiken sich dadurch ergeben und in erster Linie – wie belastbar diese Werte überhaupt sind. Um die Aussagekraft zu stärken, wären Vergleichsdaten mit anderen Städten oder anderen Branchen in der Region vonnöten. „Zahlen sind nicht Alles“ meinte Prof. Dr. Hölscher und forderte mehr qualitativen Input.
Dies führte zu der Frage, wer diese Daten überhaupt benötigt. In erster Linie liefern sie gegenüber den Verantwortlichen in der Politik der Stadt Mannheim, des Landes Baden-Württemberg und der Europäischen Union ein Argument, um Fördergelder zu rechtfertigen. Ein Problem dabei ist, dass belastbare Zahlen und Aussagen fehlen. Doch nur, wenn die Akteure der Musikbranche wissen, dass auch sie die Zahlen brauchen, um von finanzieller staatlicher Förderung zu profitierten, sind sie auch bereit, eigene Aussagen zu liefern. Dies zu vermitteln, soll ebenfalls eine zukünftige Aufgabe der CMMW sein. Olaf Kretschmar war der Auffassung, dass es nicht zulässig sei, die Musikwirtschaft mit anderen Branchen zu vergleichen und kritisierte den „Zahlenfetisch“ der Politik. Er ist der Meinung, es mache mehr Sinn, inhaltlich zu argumentieren, welche Rolle die Kreativität in der Metropolregion spielt und welche multiplikatorischen Effekte sich dadurch ergeben können. Dieses Argument bekräftigte Prof. Dr. Hölscher mit der Anmerkung, dass die Gefahr bestehe, dass die Zahlen optimiert werden, und nicht die Praxis, die dahinter steht. Man solle man solle immer auch die problematischen Aspekte bedenken, wenn man mit Zahlen argumentiere.
Auf die Frage nach einem Vergleich mit der Musikwirtschaft in Berlin verwies Kretschmar auf die Bottom-up-Struktur, bei der eine übergeordnete Organisation auf Wunsch der Kreativakteure entstanden ist, während in Mannheim die Förderung in einer Top-Down-Struktur von der Politik gewollt eingesetzt wird. Kretschmar hält die merkantile Perspektive für schwierig, da die Politik den Entwicklungen, insbesondere in einer Branche wie der Musikwirtschaft immer hinterher sei. Eine Demokratische Struktur sei zwingend notwendig, da das soziale Kapital die genuine Währung von Netzwerken darstelle.
Der passende Nährboden für Innovation
Prof. Dr. Hölscher wurde gefragt, welche Vorteile er im Standort Mannheim für sein Unternehmen sehe. Er nannte die geografischen Vorteile und die vorherrschende Infrastruktur als ausschlaggebend, während die Organisationsstrukturen, die er dann vorgefunden habe, die Niederlassung ergänzend begünstigten. Positiv stellte er heraus, dass Mannheim sich bei seiner wirtschaftlichen Entwicklung nicht auf ein Teilgebiet spezialisiert, es zum Beispiel auch ein Technologiegründungszentrum gibt.
„Wann ist eine Stadt innovativ?“ war nun die Fragestellung an die Talkgäste. Prof. Dr. Hölscher nannte die drei Faktoren Menschen, Kultur und Infrastruktur, die in Florida als Paradebeispiel der innovativen Stadt mit den drei T´s – talent, tolerance und technology verschlagwortet werden. Man könne jedoch nicht einfach nur diese drei Faktoren berücksichtigen und dann ist es gut, lautete ein kritischer Einwand, man könne nicht einfach das in Florida funktionierende Konzept auf eine andere Stadt kopieren. Als weitere Faktoren wurden Wissen und Heterogenität genannt, wobei man letzteres im gewissen Sinne mit Toleranz gleichsetzen könne. Prof. Dr. Zierold schloss sich der Meinung an, dass Florida als Vorbild zu sehen keine gute Idee sei, und wies darauf hin, dass bisherige Versuche, das Konzept zu kopieren, radikal gescheitert seien. Er hält es für vielversprechender, auf die Eigenlogik einer Stadt zu bauen. Prof. Winter betonte die Wichtigkeit von Freiräumen, die zunehmend auch im virtuellen Bereich zu finden sind. „Kreativität ist die neue Verbindung von Unterschieden“ ergänzte Kretschmar, und dies können mediale Plattformen und ähnliche Strukturen leisten. Das Problem dabei sei nur, dass sich gleich und gleich gern geselle. Mit Anderen Worten: Trotz der übergreifenden digitalen Vernetzungsmöglichkeiten gibt bei Menschen immer die Tendenz, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen, was demnach Innovation hemmt. Prof. Dr. Hölscher wand ein, dass es aber auch eine gemeinsame Logik von Städten gebe, nämlich zum Beispiel Urbanität. Deswegen seien Knotenpunkte wie der Mannheimer Hauptbahnhof wichtig, denn es reiche nicht aus, sich nur virtuell zu treffen.
Die abschließende Frage an Olaf Kretschmar war sehr selbstbewusst gestellt: Ob man in Berlin etwas von den Entwicklungen in Mannheim spüre? Doch nach einem kurzen Gelächter bekräftigte Kretschmar die Berechtigung der Frage – es bestehe noch viel Handlungsbedarf, wenn es um Vergleiche gehe. Für eine ernstgemeinte Antwort war diese Erkundigung dann aber wohl doch etwas zu gewagt. Stattdessen wandte man sich wieder der Problematik der Politik zu. Was die Wirtschaftspolitik versucht umzusetzen, bewirke genau das Gegenteil von dem, was man wolle, konstatierte Kretschmar, und kleine Unternehmen fallen durch das Raster der Kulturpolitik. Prof. Dr. Hölscher ergänzte, dass die Zahlen auch interpretationsbedürftig seien. Dies erläuterte er mit einem Witz: „Hast du schon gehört? Es gibt wieder mehr Arbeitsplätze! - Ja, ich weiß, drei davon gehören mir“. Mit anderen Worten kann dies auch die Zunahme von Geringverdienern bedeuten, die mehrere Jobs brauchen, um sich über Wasser halten zu können, was die Musikbranche betreffend nicht abwegig klingt. Dabei stehen bei Kultur auch noch andere Werte als Geld im Vordergrund. Gerade deswegen ist man auf staatliche Förderung angewiesen.
Letztendlich, so lautete das Resümee, könne man auch erst in 20, 30 Jahren klar sagen, was es bringt, in die neue Musikwirtschaft zu investieren. Man müsse das Risiko eingehen, dass von zehn geförderten Betrieben möglicherweise sechs scheitern, wenn dafür aber einer „richtig abgeht“. Vor allem die letzte Diskussionsrunde des Symposiums, zu der Gäste aus anderen europäischen Städten geladen waren, die in die Musikbranche investieren, gab Anlass zum Blick über den Tellerrand. Einmal zu hören, wie man dort damit umgeht, kann neue Anregungen und Perspektiven auch für Mannheims Entwicklung geben.
Zu Beklagen war, dass der Großteil der bereitgestellten Plätze leer blieben. „Das ist hier alles Klüngel“ äußerte sich ein Gast über die Tatsache, dass das Publikum sich darüber hinaus vor Allem aus Personen zusammensetze, die in enger Beziehung zu den Diskussionsteilnehmern oder dem Clustermanagement Mannheim stehen. Ob dies an einer unzureichenden Kommunikation nach Außen im Vorfeld, einer zu zielgruppenspezifischen, wirtschaftsbezogenen Thematik oder fehlendem Interesse bei den Bürgern liegt, bleibt zu ergründen. Erfreulich wäre jedenfalls gewesen, wenn sich Vertreter der Wirtschafts- und Kulturpolitik Mannheims gezeigt hätten, da im Laufe des Tages immer wieder Problemfelder aufgezeigt wurden, die sich in der Zusammenarbeit mit der Politik für die Musikwirtschaft der Metropolregion ergeben. Für das leibliche Wohl in Form von Kaffee und Kuchen wäre zumindest auch für weitere Gäste gesorgt gewesen.
Regina Rosemann
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Sea Moya in Action - Jetztclub am 25.03.2015
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Willkommen im NON
„Konzeptkunstscheiß“ im Alten Volksbad
Die NON-Lesung von und mit Johannes Thies findet am 23.03.2015 im Barbereich des Alten Volksbads statt. Man hat Sitzreihen aus niedrigen, schwarzen Holzbänken aufgestellt und die schummrige Beleuchtung sorgt für eine loungige Atmosphäre. Die Stimmung im gut besuchten, aber nicht zu vollgestopften Raum ist angenehm locker. Johannes Thies hat einige Bekannte mitgebracht. Das eintreffende Publikum begrüßt er mit: „Willkommen im NON“, „Happy NON“ oder „Frohes NON“. Die einleitende Erklärung zu Lesung lautet NON sei „Konzeptkunstscheiß“. Obwohl es vom Wortlaut so klinge, wolle das NON nicht negieren, sondern es sei immer „AUCH“, deswegen sei die NON-Lesung eine „AUCH-Lesung“: In den folgenden zwei Stunden werden deshalb nicht nur Texte vorgetragen, sondern es wird auch viel kommuniziert und interagiert. Zunächst richtet man auf Laptops via Skype zwei Liveschaltungen ein. Zum einen nach Hamburg zu Kai Erdmann aka Bobbi Fleisch, dem „NON-Guru“, zum anderen nach Düsseldorf zu Florian Kuhlmann, genannt „die Lanze“, mit seinem kleinen Sohn, den er im Laufe des Abends ins Bett bringt und die Lesung anschließend aus dem Kinderzimmer weiter verfolgt. Angelehnt an frühere Veranstaltungen läuft dies unter dem Arbeitstitel „Äthertalk“. Der Laptop mit dem Videochat nach Düsseldorf wird anfangs durchs Publikum gereicht, um Gelegenheit zum Austausch zu geben. Technische Probleme führen später zu wiederholten Unterbrechungen der Liveschaltungen, was aber der Stimmigkeit des Events keinen Abbruch tut. Zufall und Spontanität sorgen für NON-gerechte Dynamik und Absurdität.
Das NON und die Metamoderne
Die Vorsilbe “Meta” stammt aus dem altgriechischen und kann mehrere Bedeutungen haben, zum Beispiel zwischen, zugleich oder danach. All diese Definitionen haben etwas mit der Metamoderne zu tun: das Pendeln zwischen verschiedenen Polen, das Zugleich von Widersprüchen und das Nachfolgende der Postmoderne. Der Begriff wurde von den niederländischen Kulturtheoretikern Timotheus Vermeulen und Robin van den Akker im Jahr 2010 durch ihr Essay “Notes on Metamodernism” eingeführt. Dem folgten eine Webseite mit dem selben Titel, ein Forschungsprojekt, sowie eine Anzahl von Symposien und Ausstellungen, zu denen sich bisher eine Reihe von Akademikern, Schriftstellern und Künstlern aus der ganzen Welt geäußert haben. Die Metamoderne kann als die kulturelle Logik der jetzigen Generation und als Versuch, eine die Postmoderne überwindende Antwort auf unsere krisengeschüttelte Gegenwart zu finden, aufgefasst werden. Sie beschreibt die Merkmale einer bestimmten, neuen Entwicklungsstufe der Moderne. Der Kulturwissenschaftler Raymon William spricht in „Marxism and Literature“ 1977 von einer „gewissen Qualität der sozialen Erfahrung, die sich historisch von anderen Qualitäten abgrenzt und so das Empfinden einer Generation oder einer Zeit ausdrückt“. Dieser Zeitgeist zeigt sich in Form der vorherrschenden kulturellen Praktiken und dem ästhetischen Empfinden der Jetztzeit. Dabei hat die Postmoderne ihren Tod überlebt und spukt, ebenso wie die Moderne, noch als Gespenst in unserer zeitgenössischen Kultur umher. Das Gefühl der Metamoderne gleicht einer Schwingung zwischen dem modernen Wunsch nach Sinn und dem postmodernen Zweifel, zwischen einer modernen Aufrichtigkeit und einer postmodernen Ironie, zwischen Hoffnung und Melancholie, Empathie und Apathie, Einheit und Vielheit, Naivität und Wissen, Pragmatismus und Utopie, und bewirkt so die Aufhebung von Widersprüchen. Es ist diese Dynamik, in der sich die Metamoderne ausdrückt. Neben der Dauerschwingung zwischen an Moderne und Postmoderne erinnernden Elementen tauchen aber auch Erscheinungen auf, die darüber hinaus gehen. Das gedachte Pendel schwingt nicht zwischen zwei oder drei, sondern einer Vielzahl von Polen hin und her. Dadurch entsteht eine Unschärfe, die es schwer macht, die Metamoderne zu beschreiben. Nichtsdestotrotz scheinen die Angehörigen unserer Generation – damit sind jene gemeint, die in den 80er und 90er Jahren aufgewachsenen sind – sie intuitiv zu erkennen.
Die metamoderne Medienwelt ist gekennzeichnet von kreativen Amateuren, sozialen Netzwerken und lokal generierten Medien. Die Künstler verlassen die ästhetischen Stilelemente der Postmoderne, zu der Dekonstruktion, Widersprüchlichkeit und Imitation gehören, zugunsten Vorstellungen des Wiederaufbaus, des Mythos und des Vermittelnden. Die Postmoderne wird dadurch zwar überwunden, einige ihrer Merkmale werden aber beibehalten. Dabei geht es bei der Metamoderne weniger um die Klassifizierung einer bestimmten künstlerischen Stilrichtung - ihr Konzept erlaubt die Koexistenz vieler verschiedener untergeordneten Stilrichtungen. Sie definiert kein geschlossenes System des Denkens und diktiert keine konkreten ästhetischen Werte oder Methoden, sondern öffnet den Diskurs zu Visionen.
.„NON und Metamoderne gehören zusammen“ erläutert Thies, das NON sei so etwas wie der „Nukleus der Metamoderne“. Es habe ernsthafte und unsinnige Momente, wobei letzere überwiegen, aber der Ernst der Lage sei nicht zu verkennen. Das NON zu erforschen hat er sich, zusammen mit einer Gruppe von mehr oder weniger involvierten Menschen, zum Ziel gesetzt. Begonnen hat das Projekt mit einem nicht aufgezeichneten Interview und dem NON-Verteiler über Email, bis vor zwei Jahren in Berlin mit dem BERLINON zum ersten Mal ein einwöchiges Langzeitexperiment stattfand. Man reiste ohne Geld, Proviant und Plan an, um in einem Raum mit Schreibmaschine und Instrumenten zu sitzen, zu schreiben, Menschen zu treffen, mit ihnen zu reden und NON-Lyrik zu produzieren. Das Ergebnis ist ein 116 Seiten umfassender Katalog zum Event, der auch das NONifest – das Manifest des NON – enthält. Ebenso wurde die Errichtung eines Schreins für den NON-Guru dokumentiert, der neben einigen wenig appetitlichen Elementen wie einem Spuckebecher auch eine sogenannte „Erdifalle“ beinhaltete, bestehend aus in einer Plastiktüte aufgehängten Bierflaschen. Solche Fallen sind bei der Lesung im Alten Volksbad ebenfalls in dekorativer Weise eingerichtet, was der Guru wohlwollend zur Kenntnis nimmt.
Der Veranstaltung in Berlin folgten in den kommenden Jahren zwei NON-Experimente in Köln, die – auf 48 bzw. 60 Stunden reduziert – nach dem gleichem Schema aufgebaut waren und als #shitcologne eine Alternative zur Litcologne bieten sollten, da man auf letzterer aufgrund der Popularität des Events weder als Schriftsteller noch als Interessierter gute Chancen hat, einen Platz zu ergattern. Statt fanden die NON-Sitzungen im Kunstraum Tiefgarage, am – laut Florian Kuhlmann – „interessantesten Platz Deutschlands“, dem Ebertplatz, den die Experimentallyriker auch „Adolf-Hitler-Platz“ nennen, wie er zur Zeit des dritten Reichs hieß. Der Lesung im Rahmen des Jetztmusikfestivals ging die jüngste #shitcologe zeitlich direkt voraus, und die drei vorgetragenen Texte stammen von eben dieser. Teilweise keine 12 Stunden zuvor entstanden, hat nicht mal der Autor selbst sie gelesen, so dass man mit den Worten Erdmanns im wahrsten Sinne des Wortes von zeitgenössischer Kunst sprechen kann, gemäß dem Motto: Die Metamoderne ist jetzt!
Freie Information für Alle
Nachdem Erdmann noch ein wenig Promotion für seine aktuelle Ausstellung gemacht und ein tätowiertes Mädchen im Hintergrund ihren Oberkörper entblößt hat, was Johannes mit den Worten: „Freie Information für Alle“ kommentiert, geht es dann endlich los mit der eigentlichen Lesung des ersten Stücks, die selbstverständlich nicht durchgehend, sondern unterbrochen von Konversation mit den Chatteilnehmern und dem Publikum verläuft. Visualisiert wird die NON-Lesung dabei mit einer Technik, bei der geäußerte Worte simultan aufgegriffen, in den Laptop getippt und in einer dynamischen Word-Cloud auf die Wand hinter dem Lesepult projiziert werden. Ein raffiniertes Element, welches das Wesen des NON und der Metamoderne widerspiegelt: Die Momentaufnahme und „free Information to everybody über das jetzt“ – so wie auch eine Passage des ersten vorgetragenen Texts lautet, der den Titel „Straßenabitur“ trägt. Wie auch die beiden folgenden Stücke handelt es sich um eine Beschreibung der erlebten Situation auf der #shitcologne, vermischt mit Gedankenfetzen, die dabei im Bewusstsein des Autors auftauchten. Das Straßenabitur, das sind die Lehren aus der Begegnung mit allerlei zwielichtigen Gestalten aus dem Untergrund: Obdachlose, Prostituierte, Asylanten…und im Mittelpunkt Prinz Pi, der seine private Philosophie zum Besten gibt. Auch der ominöse Blogsüchtige taucht in den Texten und Gesprächen immer wieder auf. Zwei Tumblr-Blogs betreibt er, aber einen davon darf man nicht sehen. Thies scheint dies etwas zu wurmen, schließlich ist er ja für jeden frei zugängliche Information. Die Aufzeichnung schließt mit einem der für ihn bedeutendsten Sätze, die auf der #shitcologne fielen: „Es gibt noch kleine, geile Städte in Deutschland, in denen das Scheitern gut funktioniert“.
Thies holt sich ein zweites Bier, bevor er mit der Lesung fortfährt. Manche Menschen leiden unter „Olfrygt“, erzählt er – das ist ein dänisches Wort, welches „die Angst vor der Bierknappheit“ bedeutet. Das literarische Werk Nummer zwei entstand zwischen 10 und 12 Uhr des aktuellen Tages, und trägt deswegen auch den Titel: „Die letzten zwei Stunden“. Es sind die letzten zwei Stunden eines Schreibmarathons über vier Tage, diesem „unerklärlichen Treiben. Man wird es niemals ganz und gar verstehen, und doch nicht vergessen“. Inhaltlich wird unter anderem noch einmal über das NON räsoniert. „Leben lässt sich nur rückwärts verstehen, muss aber vorwärts gelebt werden.“ lautet ein Zitat von Kierkegaard. Übertragen auf das NON müsse der Spruch lauten, dass das NON radikal vorwärts gelebt und überhaupt nicht verstanden werde. Wieder geht es um die anwesenden Menschen. Spuck Johnny Joke wird vorgestellt, ein französischer Marokkaner, der auf der #shitcologne dabei war. Man kann für 20 Euro einen Poster von ihm erwerben, es hängt an der Wand. Ein Interessent findet sich aber nicht, erst recht nicht, nachdem Thies fünf Euro Provision draufschlägt. Ein anderer Gast der #shitcologne schweigt die ganze Zeit. Für den Autor ist dieses Schweigen Kommunikation auf der Metaätherebene. Ein weiterer Kumpel behauptet, für ihn sei die Metamoderne sehr konkret, wenn man sie immer wieder wiederhole und ihn darauf hinweise: „Übertreibung bringt’s!“ Aber für Johannes sind Rätsel interessanter als die Antwort auf das, was NON sein mag. Man hat Schwierigkeiten mit der Technik, es wird versucht, die Skypeverbindungen wieder herzustellen, aber es klappt nicht recht. Da es sich hinzieht, weist der Autor darauf hin, dass es auch kein NON ohne Langeweile gebe. Nachdem der Guru dann wieder zugeschaltet ist, zeigt sich wieder, wie Alles mit Allem verbunden ist, und wie die zeitlichen Dimensionen des Jetzt ineinander verschwimmen: Erdmann war zum Zeitpunkt, als der zweite Lesungstext entstand, anwesend und kann sich auch noch dunkel an den abschließenden Satz erinnern: „Geschrieben auf einer Triumph“.
„Das NON als zeitgemäßes Dada“ – man weiß nie genau, welches eigene Gedanken des Autors sind, oder was er vor Ort aufgeschnappt und notiert hat. Jedenfalls wird es so auf der Website der Tiefgarage beworben und das war auch einer meiner ersten Eindrücke dazu. Zufall, Unsinnigkeit, Provokation und Sarkasmus sind nur einige Gemeinsamkeiten, die in beiden Ausdrucksformen zu finden sind. Auch die Präsentationsform hat dadaistische Züge: Im BERLINON-Katalog finden sich Bezüge zur Alltagsästhetik und experimenteller Typografie. Im Gegensatz zum Äther sind die maschinen- oder handgeschriebenen Texte aus dem Jetzt fixiert, man kann sie nicht mehr unbemerkt bearbeiten. Somit muss man sich auf das Wesentliche konzentrieren, und kommt so zu einem originären Stil.
Das NON und die Quantenphysik
Wir erfahren, dass der zurückliegende, viertägige Schreibmarathon doch unterbrochen wurde: durch einen Ausflug auf einen Gastvortrag zum Thema Quantenphysik und Religion im Lectorium Rosicrucianum Zentrum Köln. Die Essenz sei gewesen, dass niemand Quantenphysik verstehe – und hier sieht Thies eindeutige Parallelen zum NON. Auch in der Quantenphysik gibt es unerklärliche Phänomene wie z.B. das Doppelspaltexperiment, in dem sich Licht abhängig davon, ob es beobachtet wird, entweder wie Teilchen oder Wellen verhält. „Das schönste Experiment aller Zeiten, Doppelspalt“, so lautet auch der Titel des NON-Gedichts des „Beatteufels“, des zuvor erwähnten Bloggers, welches das Publikum gegen Ende der Lesung nun doch endlich, auf vielfachen Wunsch hin, vorgespielt bekommt. Auch die nicht weniger suspekten Rosenkreuzer bieten mit ihrem Vortrag weitere Aspekte, unter denen sich das NON ergründen lässt: Johannes Thies erzählt uns vom Zeitbegriff des mittelalterlichen Philosophen Meister Eckhart. Hier taucht wieder der Begriff des „Jetzt“ oder „Nun“, welches rein sprachlich ja schon nach NON klingt, auf. Der alten Lehre nach ist dieses „Nun“ die im Augenblick beinhaltete Ewigkeit, die ins Nichts zerfallen würde, wenn sie nicht dynamisch wäre. In Anbetracht von spiritueller Philosophie und modernster Physik spürt man nun wirklich das tiefgründige Element des NON trotz seiner vordergründigen Albernheit. Vielleicht besteht somit der Sinn des Nonsens darin, aus all dieser spontanen Eingebung das herauszuziehen, was einem hilft, unser chaotisches, metamodernes Leben zu verstehen.
Das NON ist sicher nichts für jeden. Wer jedoch ein Fan von zeitgenössischer Kunst und Philosophie ist, und dazu einen Hang zu Laissez-faire hat, der wird daran bestimmt Freude haben. Auf den ersten Blick wirkte die Session fast wie eine Alltagsszene unter Freunden, die einfach herumsitzen, reden und Blödsinn machen. Wenn man aber die kulturwissenschaftlichen Hintergründe kennt und dazu in Bezug setzt, dann ist es eine äußerst faszinierende Angelegenheit. Ein ganzes Jahrhundert nach der Entstehung des Dadaismus sollte auch dem NON die Anerkennung als – soweit gewollt – ernst zu nehmende Kunst nicht verwehrt werden. Regina Rosemann
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Interview nach der NON-Lesung mit Johannes Thies Regina Rosemann
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