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Cecocesola ist...8 de Marzo
Wer gut kombinieren kann hat's schon erraten, die Kooperative 8 de Marzo (8. März) ist eine Frauenkooperative! Das ist in Venezuela (soweit ich weiß) und auch in Cecocesola eher selten. Die Kooperative gibt es schon seit über 55 Jahren und es sieht nicht so aus als würde sie bald aufhören zu existieren. Wir waren Anfang Mai eine knappe Woche dort und konnten ein paar erste kleine Blicke auf deren Realität und Geschichte erhaschen. Daraus teile ich jetzt ein bisschen was mit euch, auch wenn in der Erzhählung bestimmt noch viel fehlt. Aber Geschichten sind ja eigentlich fast immer unvollständig...
Die Kooperative begann als ein Treffen von ein paar Frauen im Dorf Palo Verde in den letzten (oder ersten, je nach Blickrichtung) der Anden. Irgendwann kamen Priester zum missionieren ins Dorf und versuchten die Dorfbewohnenden zum sich organisieren zu motivieren. Die gaben den Anstoß zu einem Treffen nur unter Frauen (+Priester) und aus diesem Kreis entwickelte sich ein Gesundheitskomittee. Die Frauen trafen sich mehr oder weniger regelmäßig und besprachen, was sie tun könnten um ihre Gesundheit und die ihrer Kinder positiv zu beeinflussen. Zu der Zeit als sie das taten, war es noch völlig selbstverständlich, dass die Männer den Tag außerhalb des Hauses in der Gesellschaft anderer Männer verbrachten um für Geld zu arbeiten und dass die Frauen zu Hause blieben, fegten, wuschen, kochten und sich um die vielen Kinder, die Alten und die Anderen kümmerten. Dass Frauen sich gemeinsam organisieren oder gemeinsam eine Tätigkeit außerhalb der Familie haben war damals alles andere als üblich. Aber die Frauen mochten es sich zu treffen.
Nach und nach veränderte sich immer wieder was sie zusammen machten, aber sie suchten nach Möglichkeiten weiter zusammen zu bleiben. Eine Weile lang bauten sie in ihren jeweils eigenen Höfen und Gärten Gemüse und Heilpflanzen an, um die sie sich alle gemeinsam kümmerten. Jeden Tag gingen sie zu einer Anderen aus der Gruppe und erledigten dort die nötigen Arbeiten. Dabei wurden sie von den anderen Dorfbewohnenden ziemlich kritisch beäugt. Sie waren irgendwie anders. Aber sie mochten es eben so und außerdem war es auch gut, dass sie auch was beitragen konnten um ihre Familien zu ernähren. Außerdem lernten sie gemeinsam viel über die Nutzung von Heilpflanzen, und das war auch wirklich gut in einer Umgebung in der der nächste Arzt viele Kilometer und einiges Geld weit entfernt ist. Eine Weile später bauten sie zusammen Blumen an, die sie mit dem Gemüsetransport der umliegenden Landwirtschaftskooperativen in die Stadt zum Verkauf schickten. Manchmal kamen die Blumen komplett so wie sie waren wieder zurück. Manchmal verkauften sie ein paar. So richtig gut lief es ökonomisch nicht. Die Männer im Dorf fanden es nicht gut dass sie sich so selbstständig trafen und gemeinsam ein Geschäft aufzubauen versuchten. Es gab viel Gerede und viele Ehemänner drängten ihre Frauen, verbaten ihnen zu den Treffen zu gehen. Einige Compañeras gaben dem Druck nach und verließen die Gruppe weil sie ihre Teilnahme nicht gegen ihre Männer durchsetzen konnten. Die Frauen wurden im Dorf "las locas de las flores" (die Verrückten mit den Blumen) genannt. Aber ein paar ließen sich auch davon nicht abhalten. Dann kam Anfang der 80er Jahre ein Italiener ins Dorf und "wie es sich für einen Italiener gehört" hatte er eine kleine Nudelmaschine dabei. Die Frauen lernten Nudeln herzustellen. Daraus wurde ein neues Betätigungsfeld für sie.
In einem kleinen Haus produzierten sie nun gemeinsam Nudeln. Vollkornnudeln natürlich, sie waren schließlich aus einem Gesunheitskomittee entstanden! Die Nudeln waren anfangs vor allem für den Eigenbedarf und sie brauchten damals einen ganzen Tag um 6kg Nudeln herzustellen. Aber es klappte und sie hatten Gefallen daran. Die Männer fanden es immer noch scheiße.
Durch die Landwirtschaftskooperativen in der Nähe hatten sie schon Kontakt zu Cecocesola (und waren glaub ich auch schon beigetreten) und irgendwann wurden sie gefragt, ob sie nicht auch ein paar Pakete mit runter in die Stadt zu den Märkten schicken könnten? In aller Schnelle wurden ein paar erste Pakete improvisiert und als sich diese verkauften waren die Grundsteine gelegt für einen Produktionszweig der Kooperative, der bis heute weiter verfolgt wird. Pasta Integral de Sanare!
Die Nudelproduktion wurde Stück für Stück immer weiter ausgebaut. Die allererste Mini-Nudelmaschine wurde modifiziert. Dann wurde die Menge die sie verkaufen konnten immer größer und nach mehreren Jahren, in denen sie beständig weiter produziert, sich weitergebildet und als Gruppe gefestigt hatten kam der nächste Schritt. Sie hatten einen Preis gewonnen und dazu ein Preisgeld. Auch wenn es einiges an Diskussionen und Bedenkzeit brauchte, irgendwann entschieden sie sich dazu, wirklich eine eigene Produktionsstätte zu bauen, die alles deutlich professionalisieren würde. Sie kauften ein Gelände und bauten ihre Produktionshalle. Mit einer richtigen großen italienischen Nudelmaschine, die seht ihr ganz oben auf dem Foto. --Manche von euch erinnern sich vielleicht auch daran, dass es vor ein paar Jahren mal eine Spendenaktion gab, als die alte Maschine den Geist aufgegeben hatte. Durch die Spenden konnte der nötige Ersatz gekauft und aus Italien hergeschifft werden.--
Mit dieser können sie nun bis zu 250kg am Tag produzieren, kein Vergleich mehr also zu den Anfängen. Die Männer und die übrigen Dorfbewohner hatten sich in der Zwischenzeit auch schon ein bisschen daran gewöhnt, dass die Frauen nun auch kooperative Unternehmer*innen waren. Auch wenn Einige sie immer noch für komisch hielten, es gab mit der Zeit auch mehr und mehr Anerkennung. Die Frauen der Kooperative konnten ein Einkommen für ihre Familien beitragen und Stück für Stück hatten sich alle etwas mehr daran gewöhnt, dass Frauen auch ein Leben außerhalb von Haushalt und Familie haben können.
Und die Frauen aus der Kooperative hatten wirklich noch einiges mehr im Sinn als nur ein paar Treffen mit Gleichgesinnten. Sie waren es die die Union Campesina gründeten, eine Organisation für die Kleinbauern und Kleinbäuerinnen, die die Landrechte für alles Land in der Umgebung erlangte. Und sie waren es auch, denen klar war dass es eine bessere Bildung für ihre Kinder und Enkel brauchte und deshalb die Escuela de la Zaragoza gründeten. Eine eigene Schule im Dorf, die Jahr für Jahr um einen Raum wuchs um Platz für die neuen Schüler*innen zu schaffen, bis sie groß genug war um von der ersten bis zur letzten Klasse alle zu beherbergen. Eine Schule die weder staatlich noch kirchlich ist, eine Schule die von der Union Campesina betrieben wird. In fast allen Aktivitäten stießen sie auf teils heftigen Widerstand ihrer Umgebung. Sie wurden nicht verstanden, sie wurden beschimpft, sie wurden belächelt. Aber irgendwie hatten sie das Durchhaltevermögen sich davon nicht aufhalten zu lassen.
Heute produzieren sie weiterhin Vollkornnudeln, immer mit einer Zugabe von Gemüsesaft. Die Nudeln verkaufen sie in den Märkten von Cecocesola aber auch landesweit in kleineren Naturista-Märkten. Leider werden die Nudeln nicht so viel gekauft wie sie sich das wünschen. Die Leute essen lieber die weißen Nudeln mit dem chemischen Geschmacksverstärker. Irgendwie sind die Frauen aus der Kooperative ihrer Zeit immer noch voraus.
Und neben den gesellschaftlichen Hürden gab es (natürlich) auch noch eine Reihe anderer Probleme. Als es während des Putschversuchs 2002 kein Mehl mehr gab, begannen sie die Weizenkleie, die sie weiter kaufen konnten, einzeln abzupacken und zu verkaufen.
Dafür rösten sie die und dann wird alles immer noch von Hand gestempelt und abgepackt. Zu einer anderen Gelegenheit fingen sie an, Kaffee zu rösten, zu mahlen und zu verkaufen. Maren hatte den zufällig direkt in unserem ersten Einkauf hier in der Feria gekauft. "oh, guck mal, der hier heißt 'Matilda', den nehm ich, das klingt wie eine Compañera". Tatsächlich ist Matilda eine der Gründerinnen der Kooperative und der Kaffee nach ihr benannt.
Mittlerweile ist die Kooperative viel größer als zu Beginn. Nicht mehr 9 Frauen bilden die 8 de Marzo, sondern heute sind es mehr als 40 Personen. Mittlerweile gibt es auch ein paar Männer in der Kooperative. Als vor ein paar Jahren die Kooperative aufhörte, die den einzigen Laden im Dorf betrieb, entschieden sich die Compañeras, die Aufgabe zu übernehmen. Auf dem Gelände neben der Nudelproduktion, in einer Halle in der früher die damals noch kleineren Landwirtschaftskooperativen ihre Produkte sammelten, bevor die zum Markt gefahren wurden, entstand die Feria de Abastecimiento, ein Markt in dem es Obst, Gemüse, verpackte Lebensmittel und Hygieneartikel gibt, alles zu den gleichen Preisen wie in allen anderen Märkten von Cecocesola.
Zu der Entscheidung, die Aufgabe des Dorfladens mit zu übernehmen gehörte unter Anderem ein Gefühl von Verantwortung für die Gemeinschaft. Wenn der Markt nicht wäre, dann müssten alle bis ins Dorf runter fahren um sich zu versorgen. Gerade in Zeiten von ökonomischer Krise und Treibstoffmangel eine große Herausforderung für Familien mit wenigen Ressourcen. Dadurch gibt es nun zwei sehr verschiedene Arbeitsbereiche und auf einen Schlag kamen auch eine Menge neuer Leute in die Kooperative, um die Arbeit, die so ein großer Markt macht, erledigen zu können. Das stellt alle vor viele neue Herausforderungen und Widersprüche.
Unter Anderem gehören zum Standard-Repertoire der Ferias jede Menge Lebensmittel, die gar nicht gut zum ursprünglichen Konzept der Gründerinnen passen, als Kooperative zu mehr Gesundheit beizutragen. Hier im Laden wird das verkauft was die Leute kaufen wollen. Auch weiße Nudeln, auch Dosenfisch, auch Süßkram. Vielleicht als Versuch eines Gegengewichts hängen dafür an vielen Wänden der Feria selbst gemalte Plakate, die verschiedene Gemüse vorstellen oder Rezeptvorschläge für grüne Smoothies machen. Irgendwie gehört es auch zu Cecocesola, sich im Zweifel für den Spagat zu entscheiden...
Dieser Spagat zwischen verschiedenen Arbeitsbereichen, zwischen alten und neuen Compañer@s, zwischen dem Versuch den Spirit der Gründer*innen zu bewahren und dem Versuch die Einnahmen und damit auch die Gewinnvorschüsse der Kooperativistas zu erhöhen. zwischen sich-so-sein-lassen und sich-solidarisch-kritisieren, zwischen Gewohnheiten und Erneuerungen gestaltet sich für die Kooperative in der letzten Zeit aber auch als ziemlich schwierig. Deswegen gibt es seit einigen Wochen jede Woche eine Begleitung der Treffen und zudem jede Woche einen Tausch von zwei Compas aus der 8 de Marzo gegen 2 Compas aus einer der Ferias in der Stadt, um ein bisschen frische Luft an die Probleme zu lassen und gemeinsam zu versuchen, die Gruppe wieder auf einen guten gemeinsamen Weg zu bringen. Dabei muss die Kooperative sich wahrscheinlich auch in Teilen mal wieder neu erfinden und ein paar neue Ideen aus dem Hut zaubern, sowohl gruppendynamisch als auch ganz praktisch.
Eine der neuen Ideen um mehr Umsatz zu generieren ist ein vielleicht irgendwann auch regelmäßiger Verkauf von Obst und Gemüse zum Einheitskilopreis (wie in allen Ferias) auf dem Platz vor dem Rathaus im nächstgrößeren Dorf Sanare. Bei einem der Testläufe konnten wir auch direkt live dabei sein.
Hier haben übrigens sowohl beim Auf- als auch beim Abladen ganz selbstverständlich auch die Frauen mit die schweren Kisten geschleppt ;) Was das angeht kann sich Cecocesola hier noch eine Scheibe abschneiden.
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BICICLETADA POR LA VIDA
Zum Start gibt es erstmal einen kleinen Energizer für alle. Hier wird sich dabei weder groß geweigert noch gemeckert ;)
Eins meiner Lieblingsräder hier: Das Superlastenrad mit richtig viel Platz und mit sehr kreativer Bremse (die man hier leider nicht sieht) Gebremst wird indem auf eine Schuhsohle getreten wird, die zwischen Rahmen und Reifen eingespannt wird.
Ein paar von den Compas haben aber auch fesche Rennräder, die dann immer mal zu speziellen Gelegenheiten ausgefahren werden.
Weil die Bicicletada möglichst entspannt und inklusiv sein soll, gibts natürlich eine Pause, bei der außerdem an alle Obst verteilt wird. Im Hintergrund seht ihr die Kathedrale von Barquisimeto, die wie die allermeisten großen Gebäude hier aus Beton ist.
Zum Abschluss wird - na klar, is ja Cecocesola - noch ein kurzes Plenum mit allen zur Vorstellung und zum Infos weitergeben gemacht.
Hier ein paar Eindrücke von der Bicicletada Ende April. Die Bicicletada por la Vida (Fahrradtour für das Leben) ist eine Aktion, die schon seit ein paar Jahren stattfindet. Immer am letzten Sonntag im Monat wird von der Fahrrad-Gruppe ein Ausflug organisiert, bei dem alle mitfahren können, ob sie ein eigenes Fahrrad haben, viel oder wenig Rad fahren, Erwachsene oder Kinder sind. Dieses Mal haben wir eine Runde durch die Stadt gedreht, beim Mal davor wurde ein gemeinsamer Ausflug zur Granja Recreativa, dem Freizeitprojekt von Cecocesola gemacht. Das Ziel der Bicicletadas ist es, eine gute Zeit zusammen zu haben, mehr Fahrrad zu fahren, die Einrichtung von Fahrradwegen in der Stadt zu fordern, sichtbar zu sein und über Lautsprecher und als Praxisbeispiel für eine andere, ökologischere und gesündere Art sich fortzubewegen zu werben.
Da dieses Mal kein Pool auf die Teilnehmenden wartete, waren wir weniger, aber immer noch um die 50 Radelnde und haben bei stabilen 30°C die Straßen erobert. Hier ist es sehr unüblich im Alltag Rad zu fahren und es is auch monster gefährlich. Die Straßen sind generell eher nicht in nem guten Zustand, viele Schlaglöcher und Huckel, dazu kommen sehr rücksichtslose Autofahrende, der ein oder andere wahnsinnige Motorradfahrer und kein extra Platz für Räder. Das führt zu ziemlich vielen Unfällen und es ist auf jeden Fall noch ein ganzes Stück Arbeit, das Rad als Transportmittel hier zu normalisieren.
Aber gerade deswegen war es umso schöner, zusammen unterwegs zu sein, mit Platz auf den Straßen, in ganz gemütlichem Tempo, mit Mukke und Zeit sich nebenbei zu unterhalten. Und direkt auf den ersten Metern hab ich auf jeden Fall gemerkt, wie sehr mir gefehlt hat, auf dem Rad unterwegs zu sein.
Und ganz nebenbei hab ich auch noch gelernt, wie die Fahrradgruppe in Cecocesola funktioniert. Hier organisieren sich diejenigen, die (im Alltag) Rad fahren und zahlen monatlich in den Fahrradfond ein, dafür können sie die Ersatzteile nutzen, die teils aus den Spenden aus Deutschland kommen und teils vom Fond bezahlt werden. Um den Fond trotz des geringen Beitrags von 1USD im Monat pro Person weiter zu füttern, gibt es regelmäßig extra Aktionen und zum Beispiel auch den Verkauf von diesen Neonfarbenen oder weißen langärmligen Radshirts mit Aufdruck, die manche auf den Fotos tragen. Falls du auch so eins haben willst, dann schreib mir und ich schau obs klappt.
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Vom Heimweh und vom Bleiben-wollen
Jetzt ist es schon so weit, mehr als die halbe Zeit die wir hier haben ist vorbei. Die Zeit die noch bleibt ist kleiner als die Zeit die wir schon hier sind und sie wird mit jedem Tag kleiner. Währenddessen wird das Tempo in dem wir hier Sachen erleben eigentlich nur schneller. So viel passiert dass ich kaum zum Schreiben komme. Seit dem letzten Eintrag ist viel passiert! Wir waren bei der Bicicletada por la Vida, hatten die Gelegenheit an weiteren Plena teilzunehmen und waren eine Woche in den Bergen, um die Kooperative 8 de Marzo zu besuchen und kleine Abstecher zu MonCar, Monte Carmelo, Bojo, einer künstlerisch veranlagten Biologin mit Bienenliebe und in den Regenwald zu machen.
Ich habe immer mehr das Gefühl zu verstehen wie Cecocesola funktioniert (zumindest so ein bisschen) und immer wieder bin ich überwältigt davon wie viel es noch zu erfahren gäbe und wie klein die Zeit dafür ist. Die zwei Monate die es jetzt sind reichen nicht aus um auch nur annähernd alles zu machen und mitzubekommen was mich interessiert. Gleichzeitig fehlt mir gerade wenn ich doch mal kurz runterkomme auch viel aus meinem Leben zu Hause und ich freue mich auf die Menschen und Pläne, die mich erwarten wenn ich wieder komme. Irgendwo zwischen dem Versuch im Moment zu leben und dem Versuch die Pläne so zu machen, dass möglichst noch das reinpasst was ich wirklich unbedingt noch machen will pendle ich so hin und her.
In der letzten Woche auf dem Land haben wir nochmal eine andere venezolanische Realität kennen gelernt. Etwas weiter weg von Infrastruktur mit regelmäßigen Stromausfällen, ohne Telefonsignal, mit weniger Asphalt und weniger Trubel, manchmal ohne Wasser, mit wenig Geld. In einem Dorf mit einer Kooperative die von Frauen gegründet wurde, die sich eigentlich gar nicht außerhalb des Haushalts betätigen sollten, als sie anfingen. Mit einer Organisation der Kleinbäuer*innen, die die Gelegenheit hatte alles Land der Gegend von dem vorherigen Großgrundbesitzer zu erwerben, mit einer selbstorganisierten Schule, in der ebendiese Kleinbäuer*innen die Entscheidungen treffen, mit einem selbstorganisierten Wasserversorgungssystem, mit einem Netzwerk aus großen Familien, Nachbar*innen und Freund*innen, in denen alle irgendwie kooperativ arbeiten, wenn auch in verschiedenen Projekten.
Dort in der Gegend rund um Sanare gibt es gleich mehrere Kooperativen die Teil von Cecocesola sind und alle sind auf ihre Weise wirklich interessant und machen mir Lust sie länger kennenzulernen. Wahrscheinlich könnte die 2 Monate auch nur dort verbringen, ohne dass es langweilig werden könnte. Außerdem ist auch noch wirklich, wirklich schön dort!
Ganz zu schweigen davon wie schön es war, Marian wieder zu sehen, die 2017 auf der ersten organisierten Intercambio-Reise gemeinsam mit Elvis durch die deutschen Projekte gereist ist.
Gleichzeitig merke ich nun auch immer wieder deutlich, dass ich schon ne Weile außerhalb von meiner gewohnten Welt unterwegs bin. Bei allen schönen Begegnungen, die wir hier haben, fehlt mir doch immer wieder auch die Tiefe und die Selbstverständlichkeit aus meinen Beziehungen zu Hause. Mit Leuten zu reden, die den gleichen Hintergrund und die gleiche Blickrichtung haben wie ich ist doch was Anderes. Langsam wird es auch mal anstrengend, wenn wir neue Leute treffen immer wieder zu erzählen wie es ist, mit Jahreszeiten zu leben, welche Gemüse wir anbauen und dass tropische Früchte (leider!!) wirklich nicht bei uns wachsen. Ich freu mich schon drauf wieder live und in echt mit euch von zu Hause zu reden und unterwegs zu sein, wenns denn soweit ist.
Und weil ich auf keinen Fall schaffe alles hier aufzuschreiben, was an diesem Austausch spannend, wissenswert oder kurios ist - bitte fragt mich danach wenn ich wieder da bin ;)
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Cecocesola ist... Centro Integral de Salud
Es ist der Wahnsinn. Es ist Alltag. Es ist eine Utopie. Es ist Relität.
Es wurde komplett aus eigenen Mitteln finanziert. Es ist schon seit 13 Jahren da. Es wurde komplett gemeinsam geplant. Es ist architektonisch sehr gut ausgedacht. Es wird von einem Team von ca. 180 Companieras betrieben. Es ist ein Ort an dem (wie überall in Cecocesola) im Konsens und ohne formelle Hierarchien entschieden und gearbeitet wird. Es ist für seeehr viele Menschen da.
Es ist wirklich wirklich ein kollektives Krankenhaus! Tschuldigung - Gesundheitszentrum!
Vor 10 Tagen waren wir schonmal da und haben eine laaaange Tour bekommen, in der wir nicht annähernd alle Bereiche besuchen konnten, weil es zu viele sind und alles zu spannend ist und wir zu viele Fragen hatten. Um die ganzen Bereiche vorzustellen fehlt mir gerade die Energie, aber ein paar Fotos schaffen es schonmal hier rein
Es gibt Platz für 16 Menschen die stationär aufgenommen werden können.
Die Zimmer teilen sich große Balkone, die den Patient*innen ermöglichen, sich an der frischen Luft zu bewegen, ohne große Wege zurück zu legen oder sich mit den Nachbar*innen im Schatten zu unterhalten. Lizeth hier auf dem Foto hat das CICS auch mitgeplant und ist beim Erzählen darüber richtig stolz darauf, dass sie das zusammen geschaffen haben.
Neben Krankenhaus-Klassikern wie Röntgen, Labor und Kinderabteilung gibt es hier auch noch einen extra Bereich für manuelle Therapien mit Massagen, heißen Bädern und einigem mehr.
Und eins der Highlights unseres Besuchs war auf jeden Fall die Geburtsstation mit dem noch ganz neuen Raum für natürliche Geburten, in dem die Gebärenden unter Begleitung von Ärzt*innen und Partner oder Begleiter*in in frei wählbarer Position gebären können. Von dieser Station aus wird außerdem ein Geburtsvorbereitungskurs angeboten, in dem die Schwangeren und ihre Begleitenden darauf vorbereitet werden, selbstständig zu gebären, statt per Kaiserschnitt.
Aber wie läuft das im Alltag hier?
Diese Woche versuchen Maren und ich, uns ein bisschen in den Alltag im CICS einzubringen, auch wenn wir wirklich keinen Schimmer von Medizin haben. Aber das soll uns nicht abhalten, immerhin geht es vielen Compas nicht anders, wenn sie im Rahmen der Rotation irgendwann von einer der Ferias hier ins Gesundheitszentrum wechseln. Gestern (Mittwoch) waren wir ab Mittags mit dort und haben uns auf einer weiteren kleinen Tour weitere Arbeitsbereiche erklären lassen. Nachmittags waren dann gleich mehrere Plena parallel, die Cecocesola Köngisdisziplin - auf 3 Treffen gleichzeitig sein - beherrschen wir noch nicht und sind also nacheinander erst beim Fahrradtreffen (dazu ein andern Mal mehr) und dann auf dem wöchentlichen Gruppentreffen vom CICS. Neben einzwei Debatten und der Gelegenheit, mitzuerleben wie die persönliche Kritik einzelner Compas funktioniert, die viele hier so wichtig für den persönlichen und kollektiven Transformationsprozess finden, haben wir hier auch die Gelegenheit Verabredungen für die nächsten Tage zu treffen. Und so landen wir wirklich mal im regulären Tagesablauf aller Cecocesoleras und sitzen heute morgen um kurz nach 6 im Auto, um rechtzeitig zur Öffnung anzukommen. Alle die mich gut kennen wissen, dass das der schwerste Teil des Tages für mich ist...
Vor der Tür ist schon eine Schlange, die Leute kommen teilweise schon um 5 Uhr morgens her um möglichst weit vorne dran zu sein. Die Companieras, die heute dran sind, ordnen die Wartenden je nach Anliegen in verschiedene Schlangen und vergeben Nummern. Dann gehen die Türen auf und innerhalb kurzer Zeit sind im ganzen Gebäude die Wartebereiche besetzt und bleiben es bis zum frühen Abend. Maren wird auch direkt mitgenommen ins Labor, um dort noch vor dem gemeinsamen Frühstück einzusteigen in einen der Bereiche, der am meisten frequentiert wird. Ich trudel erstmal im Essensbereich ein und treffe zufällig Felipe, mit dem ich mich über dieses und jenes verquatsche, bevor er mir seinen neuen Arbeitsbereich zeigt - den Fondo de Medicamentos. Diese gemeinsame Kasse finanziert solidarisch die Medikamente für alle, die ihr freiwillig beitreten und ihren Beitrag von 1Dollar pro Monat zahlen. Was mit einem Schuhkarton voller gespendeter Medikamente begonnen hat, ist mittlerweile ausgewachsen zu einer 3x1,50m großen Vitrine, die voll ist mit allen möglichen Medikamenten. Felipe und die Anderem in seinem Team kümmern sich um die Verwaltung der Kasse und der Mitgliedschaften, geben die Medikamente aus und beschaffen das, was die Companieras aus den verschiedenen Kooperativen in der Stadt und auf dem Land gerade brauchen. Wenn es etwas in Venezuela nicht gibt, wird versucht es anderswo zu besorgen - ich hab auch ein Päckchen dabei gehabt.
Jetzt sollte es eigentlich Frühstück geben, aber das Gas zum Kochen ist alle. Irgendwer war verantwortlich und hat es wegen anderer Verpflichtungen verpeilt. Das kommt vor. Gas ist allerdings schwer zu bekommen gerade, also wird improvisiert mit Stullen. Alle hoffen dass es trotzdem irgendwie mit dem Mittagessen klappen wird.
Dann wird es ernst für mich. Yolanda und ich sind verabredet und sie nimmt mich dahin mit wo sie heute dran ist - in die Chirugie! Eingepackt in sterile Klamotten von den Schuhen bis zum Scheitel stehe ich dann mitten in der Abteilung im dritten Stock und bin irgendwie überrumpelt und etwas fassungslos. Ich stehe wirklich in einem kollektiven Krankenhaus, mitten in der chirugischen Abteilung. Und dann wird nach kurzer Zeit neben mir schon der Patient reingefahren, an mir vorbei in den OP-Saal und los gehts. Wir stellen derweil den Apparat an, der Wäsche, Mullbinden und alles Mögliche sterilisiert und ich werde vorgestellt und rumgeführt durch Lageraum eins,zwei und drei, den Aufwachraum, den zweiten OP-Saal der gerade ungenutzt bleibt, weil die Reparaturen ziemlich teuer sind und durch den Raum, in dem die Neugeborenen nach dem Kaiserschnitt versorgt werden. Ich stolper hinterher und hoffe meistens das ich nicht im Weg stehe und nix falsch mache, bin etwas verunsichert von der ungewohnten Umgebung. Und dann stehen wir wieder vor der Tür zum OP-Saal, der Patient ist in Narkose, es wird operiert. Die Mandeln kommen raus. Wir stehen an der Schwingtür und schauen eine Weile durchs Fenster zu dabei. Mir wird ein bisschen schlecht wenn ich sehe wie sie da rumwerkeln. Dann wieder an die Arbeit, bisschen fegen, Bestände auffüllen, bisschen plaudern. Die OP ist vorbei, die Chirug:innen kommen wieder raus, der Patient wird in den Aufwachraum gefahren, wacht auf und schreit und weint. Er ist noch ziemlich jung, vielleicht 12 und das scheint alles ein ganz schöner Schock zu sein, klingt auch so als hätte er Schmerzen. Mich nimmt das ganz schön mit aber die Anderen bleiben ruhig, reden auf ihn ein, behandeln ihn. Nach einer Weile beruhigt er sich, noch einen Moment später wird er auf die Station verlegt. Unterdessen putzen Yolanda und noch eine Companiera super schnell den OP, ich soll noch eben die Liege mit vorbereiten und schwups sind wir wieder draußen, der nächste Patient kommt, weiter gehts. Heute ist ein ruhiger Tag, nur die zwei OPs, sonst machen sie eher so 5 pro Tag erzählt sie. Während der Pandemie haben viele Krankenhäuser die OPs stark runtergefahren, das CICS ist einer der Orte an denen verhältnismäßig viel operiert wird.
Beim Mullbinden falten und für die Sterilisierung in Packpapier einpacken kommen wir ins Gespräch. Ich fühle mich wohler, weil ich was zu tun hab was ich auch kann, es ist übersichtlich und ich steh nicht im Weg rum. Yolanda erzählt mir, dass sie vorher auf den Ferias(Märkten) war und gerne jetzt hier arbeitet, aber auch froh ist, dass es nicht jeden Tag ist. Durch die Rotation ist es nicht so eintönig und sie kann immer noch regelmäßig auf den Märkten sein. Sie ist keine gelernte Krankenschwester, alles was sie an Abläufen und Wissen kennt hat sie hier gelernt. In der Chirugie ist sie aktuell fürs Putzen und fürs mantenimiento zuständig. Sie erzählt, dass es für die Ärzte häufig eine Umstellung ist, wenn sie im CICS anfangen, weil sie Hierarchien gewohnt sind. Aber mit der Zeit lernen sie dazu und werden so lange immer wieder darauf angesprochen und in den Plena kritisiert, bis sie sich gut ins Team fügen anstatt zum Beispiel nach der OP ihren Kittel auf den Boden statt in den Mülleimer zu schmeißen oder motzend und laut mit den Mitarbeitenden zu reden. Nachdem der letzte Patient des Tages raus ist, wird der OP gründlich gereinigt, die Kolleg:innen arbeiten noch eine Weile an der Inventur der Medikamente. Ich verabschiede mich wieder. Obwohl es eine spannende, neue und vermutlich einmalige Erfahrung war, bin ich irgendwie auch froh, wieder raus zu sein. Die Tatsache, dass hier Menschen aufgeschnitten werden und ich keine Ahnung hab wie ich mich richtig verhalte ohne im Weg zu sein ist ganz schön einschüchternd.
Wieder im ersten Stock verschnaufe ich kurz und genieße den Blick, den man von fast allen Sälen und Wartebereichen im CICS bis weit weg in die Berge schweifen lassen kann. Die eine Front ist fast komplett offen oder verglast und es wirkt überall so richtig luftig und nicht wirklich als wären wir drinnen. Außerdem fühlt es sich sehr anders an als die Krankenhäuser, die ich bisher kenne. Es gibt mehr Farben, auf den Fluren stehen Pflanzen, viele Räume sind offen und gehen ineinander über, die Leute sind nicht so gestresst, die Stimmung weniger deprimierend. Es fühlt sich wirklich so an wie ein Ort an dem man gesund werden kann.
Gerade als ich mich frage was nun, laufe ich zwei Companieros in die Arme. “Hast du gerade viel zu tun?” Nö hab ich nich und sie nehmen mich mit. Die beiden wollen Lampen reparieren und dachten vielleicht hab ich ja Lust mitzukommen. Wir landen im Erdgeschoss in einem kleinen Raum, wo normalerweise Wunden genäht werden und bauen alte Halogenröhren-Module auf LED-Röhren um. Das ist schon eher wieder meine Komfort-Zone, ich verstehe was sie machen wollen, auch wenn ich die wichtigen Vokabeln nicht auf Spanisch kenne und wir arbeiten zu dritt ganz entspannt und können uns super nebenbei unterhalten und ein bisschen kennenlernen. Nach ein paar Momenten ergibt sich eine Atmosphäre und Dynamik die ich vom Basteln und Bauen gut kenne, irgendwo zwischen ernstem Gespräch und Rumalbern, ich kann innerlich ein bisschen loslassen, richtig gut. Im 2. Stock bei der Akkupunktur sind auch noch ein paar Lampen kaputt und nachdem wir die auch noch wieder zum Leuchten gebracht haben gibt es wirklich (und endlich) Mittagessen im Essensbereich im 1. Stock. Irgendwer hat geschafft Gas zu besorgen!
Nach dem Essen bin ich eigentlich zu müde um noch was zu machen, aber dann wird das Treffen mit Jorge doch noch gut. Wir sind verabredet um einen Artikel zu besprechen, den ich für die Contraste schreibe und kommen drumherum auch noch über einiges Andere ins Gespräch. Nachdem wir von Einschätzungen zur venezolanischen Gesellschaft, der Bedeutung von Familie hier und den ökonomischen Verhältnissen wieder zurück zum verabredeten Thema kommen, wird auch noch zielorientiertes Besprechen draus und auf einmal ist schon 17.30h und damit Zeit wieder “nach Hause” zu fahren. 12 Stunden nach dem Tagesstart bin ich super erschöpft, aber auch irgendwie richtig zufrieden und bereue wieder mal ein bisschen, dass es nicht geht ALLES zu machen. Gleichzeitig bin ich auch wirklich froh, dass ich morgen nicht wieder so früh raus muss. Als Gäste haben wir den Bonus auch später kommen zu können, es reicht also wenn wir gegen halb 9 da sind.
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Cecocesola ist...Piedra Colorada
Eigentlich wollte ich als nächstes eine Weitere der großen, alten, etablierten Kooperativen in Cecocesola vorstellen, aber nach einem Besuch in der Kooperative Piedra Colorada heute kommt es mir eigentlich auch ganz passend vor, die Kooperativen hier so bunt durcheinandergeworfen vorzustellen, wie wir sie auch kennen lernen. Was soll die Systematik?...
Die Kooperative Piedra Colorada hatte uns eingeladen und geplant, dass wir heute, am Ostersonntag, vorbei kommen sollten. Ich hatte mich ehrlich gesagt sehr auf das lange Wochenende gefreut und konnte die Sorgen einiger Compañerxs, dass wir uns hier einsam fühlen würden, überhaupt nicht teilen. Bei so viel Programm und neuen Eindrücken kamen mir 3-4 freie Tage am Stück wie eine sehr willkommene Gelegenheit zum Nichts-tun und zum Verarbeiten vor. Aus der schönen Vorstellung von mehreren Tage Ruhe, Stille und Kontemplation wurde nichts, ganztags El Triunfo besichtigen mit Noel am Mittwoch, Sightseeing mit Lizeth, Elvis und Jorge am Donnerstag, Freitag zur Granja de Recreacion mit Ana Maria, Ana Mildred, ihren Familien und 490 anderen Leuten, Samstag zum Durchatmen und Ausschlafen und dann heute am Sonntag wieder los, 8h Treffen. Ich hab zwischendurch schon überlegt abzusagen um den Tag für mich zu haben - aber so eine Einladung lässt sich ja manchmal schwer ausschlagen, besonders wenn man extra um den halben Globus fliegt um neue Kooperativen kennen zu lernen.
Wir sind also mit einer kleinen Gruppe Compas die 40 Minuten raus aus der Stadt gefahren und in einem kleinen Dorf gelandet, in dem die Kooperative Piedra Colorada den einzigen Dorfladen betreibt
Nach ein paar Minuten trudelten die Kooperativistas aus ihren Häusern in direkter Nachbar*innenschaft ein und á la cecocesolera gabs erstmal eine Runde Plenum. Die Kooperative ist für hiesige Verhältnisse ziemlich klein, nur 11 Mitarbeiter*innen, und exisiert seit 2009. Anscheinend gab es hier irgendwann schon mal eine Kooperative unter anderem Namen, die irgendwann in einer Krise aufgehört hat und dann eine Neugründung unter dem aktuellen Namen. Die Compañerxs betreiben die kleine Feria die sehr an den guten alten Tante-Emma Laden erinnert und binden die 200 Mitglieder an das Netzwerk an für die Dienste "Funeraria y Ahorro" also Sparen und Beerdigungen.
Hier verkaufen sie, etwas eingedampft, das gleiche Sortiment wie die anderen Ferias, zu den selben (günstigen) Preisen wie überall sonst innerhalb Cecocesolas. Also Maismehl, Reis, Nudeln, Salz und Co aber auch Zahnpasta und Putzmittel sowie Obst, Gemüse und Charcuteria, also Käse und Wurst. Außerdem haben sie hier noch eine Extra-Sektion, nämlich eine Auslage mit allerlei Kinkerlitzchen (sowas wie quinqueñeria oder so?!) mit Nagellack, Masken, Steckern für Stromkabel, Süßigkeiten undundund, alles Mögliche was sich die Leute, die zum Einkaufen kommen, eben so wünschen.
Wenn es sie hier nicht gäbe, dann müssten die Leute aus diesem und den umliegenden Dörfern für den Einkauf immer reinfahren nach Barquisimeto, was gerade in Zeiten von Benzinmangel wirklich schwierig ist. Aber sie sind ja da und also öffnen sie jede Woche Donnerstag, Freitag und Samstag und verkaufen pro Tag an etwa 80 Leute aus der Umgebung das, was die Nachbar*innen hier nicht selbst angebaut haben.
Auf dem Plenum gibt es wie immer hier keinen festen Plan. Es fängt mit einer kleinen Vorstellung der Kooperative an und nach ein paar Minuten landen wir beim Thema Beerdigungen und bei der Frage nach dem richtigen Verhältnis zu staatlichen Behörden und Vorschriften. Die kleine Kooperative hat nämlich 200 Mitglieder, die hier wöchentlich ihren Beitrag in die Kasse der Beerdigungs-Kooperative abliefern. Diese Möglichkeit, sich von hier aus den Servicios Sociales anzuschließen scheint die Hauptattraktion für den Beitritt zu sein. So können sie sich auch hier, auf dem Dorf, darauf verlassen dass sie und bis zu 8 Angehörige würdig bestattet werden, ohne dass alle dabei arm werden. Den Compas ist dabei sehr wichtig zu betonen, dass es einen wichtigen Unterschied zu den "Versicherungen" bei kommerziellen Beerdigungsinstituten gibt. Denn während dort mit den Beiträgen quasi eine Vorausleistung auf die Kosten der eigenen Beerdigung geleistet werde und das Verhältnis ein rein finanzielles ist, geht es im Fall der Beerdigungskasse um Solidarität und gegenseitige Hilfe. Das Prinzip ist, dass alle wöchentlich einzahlen um quasi für die Kosten der aktuellen Beerdigungen aufzukommen und darauf vertrauen, dass wenn sie sterben auch Mitglieder dafür aufkommen werden. Außerdem werden die Kosten der Beerdigungen hier unabhängig von der Dauer der Mitgliedschaft übernommen. Reinaldo aus der Funeraria erzählt, dass es Manche gibt, die 40 Jahre lang einzahlen und dann erst zum ersten Mal wen zu beerdigen haben, während andere Mitglieder in den ersten 1 oder 2 Jahren schon 4 oder 5 Angehörige über die Kooperative beerdigen lassen(müssen). Gleicht sich alles aus, soll nicht aufgerechnet werden. Damit die neuen Mitglieder das auch mitbekommen, wird immer wenn sich 20 Neue gefunden haben, ein Workshop abgehalten der ihnen das Prinzip, die Organisaton Cecocesola, ihre Rechte und ihre Pflichten erklärt. Am Anfang sind dafür immer Compas aus der Stadt gekommen, mittlerweile sind die Leute aus Piedra Colorada in die Aufgabe reingewachsen und können das selbst.
Von der Frage nach den Beerdigungen wandern wir nochmal ausführlich zum Verhältnis zu den staatlichen Vorgaben und es stellt sich raus, das Cecocesola den deutschen kollektiven Netzwerken in der Frage nicht unähnlich ist. Generell versuchen sie schon die Regeln einzuhalten, aber wenn die keinen Sinn machen dann eben auch nicht und ab und zu ist es auch nötig mal ein Gesetz zu ändern, dass nicht zur Realität passt (wobei das hier scheinbar einfacher ist als bei uns).
Außerdem wird häufig die neueste Errungenschaft erwähnt: Internet!!! Seit letzten Donnerstag hat die Kooperative endlich auch WLAN Empfang. Bisher mussten sie, um Nachrichten oder Zahlungen per pago móvil (Telefonzahlung beim Einkaufen, gibt es hier total viel) zu empfangen, immer auf einen der umliegenden Berge steigen um ein bisschen Handynetzempfang zu ergattern. Das Internet erreicht sie jetzt auch dank der Hilfe von anderen Gruppen und Personen in Cecocesola mit Umweg über zwei Repeater. Um das Signal zu empfangen brauchten sie eine Antenne auf dem Berg nebenan, die das dann weiter ins Tal bis zur Kooperative funkt. Um diese Antenne einzurichten mussten sie die zu viert den Berg hochschleppen, bei um die 35 Grad. Das Unterfangen hat seine 8 Stunden, viel Energie, Schwei�� und Motivation gekostet, aber jetzt ist sie da - die direkte Verbindung zur restlichen Welt. Und mit ihrer Hilfe kann dann bald auch mit Karte bezahlt werden im Laden.
Nach ein paar weiteren Exkursen zu ähnlichen und anderen Themen ist das Plenum vorbei und wir machen einen kleinen Ausflug durchs Dorf.
Kurz hinter der Kooperative hört der Asphalt auf und direkt neben dem leeren Flussbett stehen zwei riesige, knorrige alte Bäume, die bestimmt schon ihre 500 Jahre auf der Rinde haben. Irgendein Mann der später Politiker wurde, hier aus dem Dorf kommt und den die Kooperativistas gut finden ist hier schon vor 200 Jahren im Schatten der Bäume gesäugt worden. Heute dient der große Platz im Schatten unter den Bäumen als Versammlungsort für große Treffen. Auf dem Weg zum Dorfzentrum kommen wir vorbei an riiieeesigen Kakteen. Ich hab heute zum ersten Mal gehört und dann auch direkt gesehen, dass Kakteen Baumgröße erreichen können und dann tatsächlich auch wie andere Bäume einen verholzten Stamm haben! Wusstest ihr das? Mich hats total überrascht. Gibt in Piedra Colorada aber richtig viele davon und auch ein paar Leute, die aus dem Kaktusholz und Schweineleder Stühle bauen, auf denen die Compañerxs dann bei ihren Plena sitzen.
So groß wie auf dem Bild waren wirklich viele Kakteen dort, alle Größen kleiner als das waren selbstverständlich auch vertreten.
Und an vielen Stellen neben der Straße bilden die Kakteen regelrechte Wälder, die mir völlig undurchdringlich scheinen.
Auf unsrer kleinen Tour durchs Dorf fängt es wieder an zu regnen. Einer der Compas, der vor allem die Nachtwache im Laden macht, will uns aber trotzdem noch seine Spezialität zeigen. Sein neues Haus.
Es ist offensichtlich noch nicht fertig, aber es ist spannend wie er es baut. Denn er ist der Einzige im Dorf, der noch die traditionelle Bauweise mit Holz und Lehm beherrscht. Viele Leute im Dorf haben solche Häuser, denn die bleiben im Sommer besser kühl, im Winter besser warm und sind zudem viel günstiger als Häuser aus Beton. Die Baumaterialien Holz (und traditionell Schnur) kommen von der Agave und von verschiedenen Bäumen und der Lehm findet sich auch vor Ort. Die Natur gibt die Baumaterialien gratis her und wenn das Haus verlassen wird, nimmt sie die auch gerne wieder zurück. Wenn was kaputt geht, kann es einfach wieder repariert werde (im Gegensatz zu Stahlbeton) und hab ich schon erwähnt dass es nichts kostet?
Er nutzt in diesem Fall zum zusammenbinden der gespaltenen Agavenstämme keine Pflanzenfasern sondern recycelt ein Plastik, aber die Technik ist die Gleiche. Nachdem das Holzgerüst steht, wird der Zwischenraum mit Lehm gefüllt und zum Schluss kann dann alles noch verputzt und bei Bedarf gestrichen werden. Das Dach ist dann meistens aus Wellblech, denn so richtig kalt wird es hier ja nicht, aber wasserdicht soll das Dach schon sein wenn möglich, auch wenn das hier oft nicht klappt, weil löchrige Bleche recycelt werden.
Und wir müssen uns auch eine ganze Weile unter diesen löchrigen Dächern unterstellen, weil es wirklich viel und lange durchregnet. Total unüblich für diese Zone, in der es eigentlich die meiste Zeit heiß und trocken ist und seit laaanger Zeit nicht richtig geregnet hat. Die Compas witzeln, dass die beiden Deutschen den Regen wohl von zu Hause mitgebracht haben und freuen sich über das Wasser und die Frische. Bloß der Ausflug zum Berg, der dem Dorf seinen Namen gibt, und an dem uns ein lange geplantes Arrangement aus Tieren, Pflanzen, Ziegenkäse und selbst gemachten Süßwaren erwartet fällt so leider ins Wasser.
Nach einem sehr leckeren Mittagessen und einer weiteren politischen Debatte über dem Umgang mit manipulierenden Lokalpolitikern geht es gegen Nachmittag wieder zurück in Richtung Stadt und ich bin bei anhaltendem Regen und niedrigeren Temperaturen zum ersten Mal froh, dass ich einen Kapuzenpulli eingepackt hab.
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Cecocesola ist... Ein Beerdigunsdienst
Jetze bin ich schon zwei Wochen hier und bekomme mehr und mehr eine Idee davon was Cecocesola alles ist (und was nicht) und was vielleicht und was es früher mal war und was es noch alles werden könnte. Und es ist super interessant, inspirierend, verwundernd, erschöpfend, beeindruckend hier so Stück für Stück dazu zu lernen aus welchen Teilen sich Cecocesola als Organisation, als Netzwerk und als Process zusammensetzt und wie die einzelnen Teile und wie das Ganze funktioniert. Aus dem hier sein und jeden Tag neue Aspekte kennenlernen wächst auch immer mal wieder der Wunsch irgendwie an euch, die das lesen, zu vermitteln was ich hier lerne. Das ist wahrscheinlich ein bisschen unmöglich, weil die Erfahrung "en vivo" wirklich (!) was Anderes ist als davon zu lesen. Aber immerhin hab ich ja dafür diesen Blog. In der nächsten Zeit werde ich also (hoffentlich) immer mal verschiedene Kooperativen vorstellen, um euch einen kleinen Einblick in einige weniger der vielen Puzzleteile zu geben, die das Ganze "Cecocesola" ausmachen. Teil 1: Servicios Sociales/Funeraria also das Beerdigungsinstitut.
Das Beerdigungsinstitut liegt an der Hauptstraße Barquisimetos, also sehr zentral und super sichtbar. Die Kooperative für Beerdigungen war die allererste und Namengebende vom Netzwerk der Kooperativen. "Cecocesola" steht nämlich für Central Cooperativa de Servicios Sociales del Estado Lara" (Zentrale Kooperative für "soziale Dienste" -aka Beerdigungen- im Bundesstaat Lara). Wenn ihr die Videos aus diesem Artikel gesehen habt dann wisst ihr schon, dass sich diese Kooperative gründete, weil ein Compañero aus einer der hiesigen Kooperativen starb und dessen Familie nicht genug Geld hatte um die Beerdigung zu bezahlen. Die Kooperativen von damals waren übrigens seeehr anders als Cecocesola heute, hatten Präsidenten und Schriftführer und Kassenwärter und eine Menge Eigenschaften in den letzten Jahrzehnten Cecocesola abhanden gekommen sind. Aber die Kooperativistas kannten sich auch damals schon gegenseitig und halfen sich aus. Für die Beerdigung des Compañero gab es eine Spendensammlung. Und bei dieser Gelegenheit kam die Idee auf, doch lieber auch noch eine gemeinsame, längerfristige Lösung zu suchen. Denn nicht genug Geld für die Beerdigung haben, das konnte ihnen allen ebenso passieren. So gründete sich vor 54 Jahren die Kooperative für Beerdigungen als Gemeinschaftsprojekt verschiedener, schon existierender Kooperativen.
Das Prinzip ist so: Wer der Kooperative beitritt, zahlt jede Woche einen kleinen Beitrag in die Kooperativen-Kasse ein. Aktuell sind das 1,2 Bolivar (aktuell ~0,25 USD), der Beitrag hat generell wenig Schwankungen und bewegt sich konstant rund um 1 Bolivar. Dafür sind dann das zahlende Mitglied und bis zu 7 Familienangehörige Teil der kooperativen Planung und Dienstleistung. Wenn jemand stirbt, dann sind bestimmte Dinge schon in der Mitgliedschaft inbegriffen und müssen nicht extra bezahlt werden. Aktuell sind ca 20.000 Menschen zahlende Mitglieder. Zusammen mit den dazugehörigen Familienmitgliedern macht das ca 140.000 Leute, die an der Kooperative über eine Ecke angedockt sind. Ganz schön viele!
Jetzt aber erstmal noch zur praktischen Arbeit. Wir haben die Kooperative letzte Woche besucht und eine kleine Tour durch die Räume bekommen und uns so viel es geht erklären lassen.
Die Kooperative hat eine eigene Werkstatt. In dieser Werkstatt stellt sie die Särge für die Beerdigungen her. Hier arbeitet ein Team von 5 Handwerkern (ja, alles Männer. Das is normal hier - anderes Thema) und baut Woche für Woche neue Särge aus Holz und aus Metall (das kam mir total kurios vor).
In der Werkstatt haben sie sich anscheinend gut eingetuned und bauen pro Person min. 4 Särge pro Woche. Dabei versuchen sie eine Balance zu finden zwischen günstig zu produzieren und stabile, gute Qualität. Sie haben ein paar Maschinen in der Werkstatt die schon ein paar Jahre älter sind aber haben eine ganz passable Grundausstattung. Wenn ich es richtig verstanden habe dann sind sie alle keine gelernten Schreiner sondern haben sich die Fähigkeiten im Laufe der Praxis angeeignet. Und es war wohl früher eigentlich üblich in Metallsärgen zu bestatten, aber durch die Wirtschaftskrise(n) sind sie nun mehr auf Holz umgestiegen, weil es so günstiger ist. Metallsärge produzieren sie weiterhin, aber nicht mehr so viele wie früher.
Die Särge werden in verschiedenen Farben produziert, aber es gibt ein Standardmodell und es gibt quasi keine "Maßanfertigungen".
Die Särge werden dann einmal quer über die Straße ins eigentliche Beerdigungsinstitut getragen und dort gelagert und ausgestellt.
Ab hier gehts los mit konkreten Erzählungen dazu wie der Arbeits- und Trauerprozess ist. Wenn du das nicht lesen willst dann spring lieber nach weiter unten bis zum Absatz nach dem letzten Foto.
Wenn jemand stirbt und die Person als zahlendes Mitglied oder als Angehörige*r bei der Kooperative registriert war, dann rufen die Angehörigen in der Kooperative an. Hier gibt es rund um die Nacht ein Team von 3-4 Leuten vor Ort in Bereitschaft. Der Bereitschaftsdienst ist ziemlich lang. Je 36 Stunden sind die Compas dann in der Kooperative, essen und schlafen hier und haben nach ihrem Dienst einen Tag frei, bevor es wieder los geht. Die fahren dann los und holen den*die Tote dort ab wo sie*er gestorben ist und bringen die Leiche in die Kooperative. Hier wird sie gewaschen, bekommt Flüssigkeiten und Gase abgenommen und wird für die Totenwache prepariert. Die Totenwache ist hier ein fester Bestandteil der Trauerkultur. Sie dauert zwischen einem und drei Tagen. Um den Verfallsprozess zu verlangsamen (erinnert euch, es sind hier immer um die 30°C) spritzen sie den Toten Formalin. Bei den Totenwachen verabschieden sich die Angehörigen von den Verschiedenen auf die Art und Weise, die ihnen angemessen erscheint. Manche in ruhiger Trauer, andere mit Besäufnissen und lauter Lieblingsmusik. Manche bei sich zu Hause. Dafür bringen die Compas dann die Leiche dorthin wo die Totenwache abgehalten wird. Zusätzlich stellen sie auch Stühle und Deko und andere nötige Dinge zur Verfügung, denn die Totenwachen können sehr groß werden. Vor der Pandemie war es durchaus üblich, dass sie bis zu 50 Stühle auslieferten, um die Verbreitung von Covid nicht zu stark zu befeuern haben sie das während der Pandemie auf 20 oder 25 beschränkt. Angesichts sinkender Infektionen hier erhöhen sie die Anzahl nun wieder Stück für Stück. Während der Pandemie war es zudem häufiger, dass die Angehörigen die Totenwache zu Hause abhalten wollten, da gab es weniger Beschränkungen.
Die andere Option ist, einen der 3 Trauersääle in der Kooperative zu mieten.
Im Flur entlang der Straßenfront gibt es 3 verschieden große und etwas unterschiedlich eingerichtete Räume.
Und neben jeder Tür gibt es ein paar Stühle zum Warten und ein Schild dass Ankommenden Auskunft darüber erteilt, wer betrauert wird und wann und wo die Beerdigung sein wird.
In dem Trauersaal wird der*die Tote dann aufgebahrt und der Raum wird geschmückt.Jeder Trauersaal verfügt neben ausreichender Bestuhlung zudem über ein kleines Zimmer mit Bad, das die engste Familie während der potentiell mehrtägigen Totenwache zum Ausruhen und Zurückziehen können.
In Venezuela ist es üblich, dass der Sarg bei der Totenwache nicht komplett geschlossen ist. Stattdessen gibt es im oberen Teil ein Sichtfenster, durch dass die Toten gesehen werden können und durch dass sich die Trauernden "persönlich" verabschieden können. Hier sind zudem (seit der Kolonisierung durch Spanien) sehr viele Leute sehr stark und auch aktiv katholisch. Deswegen ist im Sarg-Design der eigenen Werkstatt auch ein Platz vorgesehen für Bilder von Heiligen und auch die Trauersääle sind jeweils mit christlichen Symbolen und Bildern ausgestattet.
Der Sarg ist für Mitglieder der Kooperative schon inklusive. Sie müssen dafür keinen extra Aufpreis zahlen, was eine große Erleichterung ist. Auch "Externe" oder im Cecocesola Sprech "Particulares" können die Dienste der Kooperative in Anspruch nehmen. Der hier hergestellte Sarg kostet sie dann zum Beispiel 175 USD. Wer etwas ausgefalleneres oder auch etwas günstigeres möchte findet in der Sargausstellung auch noch Alternativen.
Nach der Totenwache zu Hause holen die Compas alles wieder ab. Falls die Totenwache in einem der Trauersääle in der Kooperative ist, bietet die Kooperative mit ihrem Minibus zudem den Transport der Trauergesellschaft zur Kooperative an.
Neben der konkreten Arbeit mit Toten und Trauernden gibt es hier selbstverständlich auch noch die ganzen anderen Dinge und Aspekte. Es gibt eine Buchhaltung und die Küche in der es jeden Tag Mittagessen gibt, ein Archiv und eine kleine Werkstatt für den Fuhrpark. Alle Compas sind irgendwann mal dran mit Kochen und mit Putzen und alle nehmen an den interen und Cecocesola-weiten Treffen und Prozessen teil. Hier finden viele Debatten und Einigungen, gemeinsame Erfolge und Krisen statt. Seit einiger Zeit haben sich die Aktivitäten außerdem ausgeweitet auf einen kleinen Gemüseverkauf im Hof an mehreren Tagen in der Woche. Die Einnahmen aus dem Verkauf füttern den Gesundheitsfond der Kooperative. Und weil in einer anderen Kooperative Geld gestohlen wurde, nehmen die jetzt auch Teil am Gemüseverkauf und die Einnahmen werden geteilt, damit die bestohlene Kooperative Stück für Stück ihr verschwundenes Geld wieder rein bekommt. Bei unserer halbtägigen Tour ging es, wie immer wenn wir hier unterwegs sind, um sehr viel mehr als um die konkrete Arbeit. Es ging um den Transformationsprozess, um die Arbeit als Ort an dem sie sich gegenseitig bilden und weiterbilden, um Werte und um Gruppenprozesse. Und es gab sehr leckeres Essen. Aber leider passt nicht alles in einen Beitrag und so bleibt es für heute bei einer Beschreibung, die sehr im Konkreten verhaftet bleibt. Dafür gibt es in Zukunft sicher mal den einen oder anderen Beitrag, der sich eher den transformatorischen und inhaltlichen Aspekten zuwendet.
Auf der Ebene der konkreten Arbeiten, die in Cecocesola getan werden, wird es aber demnächst auch noch mehr geben. Wenn ihr irgendwann Zeit finde zwischen dem Programm, den informellen Gesprächen und der Müdigkeit geht es weiter mit kleinen Vorstellungen. Ob es erstmal ums Gesundheitszentrum, um eine der dienstältesten Kooperativen - El Triunfo - oder um die Ferias geht muss sich dann zeigen. Wenn euch irgendwas an Cecocesola ganz besonders interessiert dann meldet euch gerne bei mir. Vielleicht schaff ich ja extra dazu was zu schreiben ;)
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Vivencial - Was is das eigentlich?
So, wie angekündigt hier nochmal ein inhaltlicher Beitrag zu unserem Ausflug am letzten Wochenende. Es ist morgens um 9, die Feria brummt vor Aktivität, im Hintergrund singt der Lautsprecher leidenschaftlich von Liebe und die Vögel zwitschern, ein optimaler Moment um nochmal ein bisschen auszuholen. Manche von euch Lesenden wissen das ja schon, aber manche sicher noch nicht: Cecocesola ist wirklich riesig!
Ich konnte noch nicht rausfinden wie viele Kooperativen es nun ganz genau sind, aber es sind wirklich viele und insgesamt arbeiten mehr als 1000 Personen in Cecocesola-Kooperativen. Diese 1000 Personen verteilen sich über die Bereiche landwirtschaftliche Produktion, industrielle Produktion (eher Manufaktur-Größe), Ferias - also Märkte, Gesundheitsversorgung und Bestattungsdienst. Zwischen all diesen verschiedenen Bereichen werden auch noch so Sachen organisiert wie ein eigener Transportdienst, der die Companieras zur Arbeit bringt und holt, eine Kommunikationsgruppe die sich um Flyer, Öffentlichkeitswirkung und unter Anderem auch eine wöchentliche Radiosendung im Lokalradio kümmert, eine Gruppe die sich vorrangig um die Bildung und Weiterbildung innerhalb von Cecosesola kümmert dann gibt es vermutlich noch mindestens 10 Gruppen von denen ich bisher nicht gehört oder die ich vergessen habe. Außerdem ist Cecocesola sehr weit zerstreut. In der Stadt Barquisimeto ist der Dreh- und Angelpunkt aber die Kooperativen erstrecken sich auch auf die umliegenden Bundesstaaten.
Trotz der großen Ausdehnung gibt es innerhalb Cecocesola ein starkes Gefühl von "wir sind alle eine Organisation, wir sind alle Cecocesola". Auch wenn alle Leute erstmal einer Kooperative zugeordnet sind, die Identifikation von vielen (die wir bisher getroffen haben) ist nicht vorrangig mit dem kleineren Projekt in dem sie tätig sind, sondern mit der Organisation als solches. Ich finde es total spannend wie das funktioniert, so eine große Gruppe miteinander zu integrieren. Ein Mechanismus der sicherlich hilfreich dafür ist, ist die regelmäßige Rotation auch zwischen den Kooperativen. Ein Anderer sind die Vivenciales.
Aufgrund der Pandemie lag dieses Konzept, wie vieles andere, nun für mehrere Jahre brach. Am letzten Wochenende wurde es mit dem Ausflug nach San Carlos mit viel Freude wieder aufgenommen. Vivencial kommt von Vivencia - Erlebnis und zu so einem Vivencial machen sich Companieras aus vielen Verschiedenen Kooperativen auf den Weg um eine andere Kooperative (wenn ich richtig verstanden habe meist eine auf dem Land) zu besuchen. In unserem Fall waren das 30 Leute (für die Insider: mit Leuten aus El Triunfo, 8 de Marzo, Santa Cruz, Feria del Este, Feria Ruiz Pineda, CICS, Servicio Sociales, Manzano, und Anderen) die sich für 4 Tage mit der Produktionskooperative San Carlos in Rio Claro getroffen haben. Die Idee vom Vivencial ist, dass sich die Leute die mitfahren und die Productores gegenseitig und untereinander besser kennen lernen und gemeinsam eine gute Zeit haben, gemeinsam plenieren und auch die Realität der Produktionskooperative kennen lernen.
In der Produktionskooperative San Carlos sind aktuell 37 Productores organisiert und die Kooperative wird mit 6 Jahren Alter hier eine der noch ganz jungen genannt. Die Kooperative liegt in Richtung Llanos (das sind die sehr heißen weiten Ebenen im Zentrum/Süden) noch zwischen Bergen und das Dorf um das die organisiert ist heißt Rio Claro nach dem Fluss der mit wirklich sehr klarem Wasser um das Dorf fließt. Die Productores haben nun ihr allererstes Vivencial ausgerichtet und so war es für alle wirklich was besonderes, das erste Mal seit 2 Jahren überhaupt wieder dieses Fomat aufzunehmen und dann auch noch bei einer so neuen Kooperative.
Nach einer abenteuerlichen Ankunft mit Spaziergang, Flussüberquerungund Fahrt zu 35gst auf der Ladefläche eines kleinen LKW erwartete uns die erste Reunion(Versammlung) noch am Anreiseabend. Nach einer schnellen Vorstellungsrunde haben die Productores ein bisschen erzählt was sie so machen und es entspann sich eine Diskussion über die Unterschiedlichkeit der Arbeit zwischen der landwirtschaftlichen Produktion und der Arbeit auf den Märkten, die sehr von gegenseitigem Respekt und Anerkennung für die Arbeit der jeweils anderen Seite geprägt war. Was außerdem im Rahmen der nächsten Tage immer mal aufgenommen wurde war der Eindruck, dass alle die Arbeit der Anderen als viel anstrengender als die Eigene empfanden, während sie ihre eigene eher als etwas was sie gerne und mit Leidenschaft machen wahrnehmen.
Untergebracht waren wir im Dorf, die Productores und ihre Familien sind bei sich zu Hause zusammen gerückt um Platz für uns zu machen. Das gab auf jeden Fall nochmal einen tieferen Einblick in deren Lebensalltag, als wenn wir (wie bei uns in Deutschland üblicher) irgendwo zentral geschlafen hätten.
Die zwei vollen Tage die wir zusammen verbrachten waren eine Kombi aus sehr langen und großen Plena und viel Zeit für soziales Zusammensein. Jeweils ca der halbe Tag waren eingeplant für Plenum und gemeinsame Diskussionen und der andere halbe für Entspannung, Spaß und informelles Zusammensein. Das hat ziemlich gut funktioniert und nicht nur wir neuen Fremden wurden ausführlich interviewt zu dem was wir zu Hause machen, wie es in Deutschland ist und was wir von Venezuela halten, sondern auch die Companierxs untereinander waren in immer neuen Kombis in Gespräche und Diskussionen verstrickt, quer durch die Ursprungskooperativen. Für mich als Außenstehende war es nicht erkennbar wer sich schon super lange kennt und wer sich erst beim Aussteigen aus dem Cecocesola-eigenen Autobus kennen gelernt hat.
In den gemeinsamen Plena verzahnten sich die konkreten Themen der Productores mit den großen und allgemeinen Themen einer breiten Organisierung. Es ging um Arbeiten ohne Hierarchien, um die Frage wie sich líderazgo (so was wie Führung) von Chefsein unterscheidet, was eine gute, hierarchiearme Führung ausmacht und ob es für eine so große Gruppe nun nötig/hilfreich ist wenn ein paar Leute eine Führungsrolle einnehmen oder ob nicht vielmehr alle Beteiligten abwechselnd(oder gleichzeitig) die Führung des gemeinsamen Prozesses übernehmen sollten. Von solchen eher philosphischen Höhen sprangen sie mit Leichtigkeit zu Erzählungen aus dem Alltagsleben und in der Kleingruppenarbeit zum Arbeiten ohne (Kom)mando ging es eigentlich am Meisten um die gegenseitige solidarische Kritik als Schlüssel zur gemeinsamen Transformation. Diese Kultur des gegenseitigen Kritisierens als Chance für persönliche Weiterentwicklung wurde immer wieder als zentraler und wichtiger Aspekt der gemeinsamen Arbeit betont. Und im Konkreten dann auch gleich mehrmals umgesetzt, indem die Productores Rede und Antwort stehen mussten, warum sie ihren Kredit vom gemeinsamen Fond im letzten Jahr zu spät zurück gezahlt hatten oder als Kritik an einen Companiero der für seinen individualistischen Umgang mit einem Problem kritisiert wurde. Zu dieser Kultur der Kritik werde ich sicher auch nochmal zurück kommen hier auf dem Block, die scheint wirklich einer der Schlüsselpunkte von Cecocesola zu sein.
Um aber nochmal auf den Austausch/das Vivencial zurück zu kommen: Neben den Plena und Planschzeiten im Fluss bekamen wir auch noch eine Tour zu den Feldern der Productores, wo sie seit Kurzem nicht mehr nur 2 Feldfrüchte (deren Namen ich mir nicht merken konnte) anbauen, sondern in Absprache nun auch Tomaten, Gurken und Paprika. Die Felder liegen in Nähe des Flusses und werden mit Hilfe von Motorpumpen bewässert, alle Arbeit die sie machen ist Handarbeit! Auch wenn ein Traktor bereits auf der Wunschliste steht, bisher machen sie alles vom Jungpflanzen setzen (gerade gestern haben sie 40.000 neue Jungpflanzen gekauft) bis zur Ernte von Hand. Und auch der Transport der Ernte zum Markt enthält noch einen schweißtreibenden Anteil Handarbeit. Alles wird in Säcken oder Kisten auf den LKW geladen und bis zu einer Stelle am Fluss gefahren. Dort wird alles abgeladen und dann einzeln über den Fluss getragen. Der Fluss ist in der Regel flach, reichte mir bis zum Knie, wird aber natürlich je nach Wetter auch mal tiefer. Die Productores transportieren die Ware bei hohem Wasserstand durch einen Fluss, der ihnen bis zur Brust steht (die klein gewachsenen Companieros fallen dann aus). Dabei wiegt ein Sack/eine Kiste um die 50kg! Das war für mich wirklich total krass mitzukriegen. Und weil es beim Vivencial auch ums miterleben geht, wurden wir zur Abreise auch direkt noch mit einbezogen in den Transport der Waren auf die andere Flussseite. Wie es so kommt im Patriarchat waren dazu eigentlich nur die Männer aufgefordert. Aber wie es so ist mit meinem feministischen Ehrgeiz hab ich mich natürlich auch mal daran versucht. Ich hab es aber nicht mal ansatzweise geschafft die Hälfte der Strecke durchzuhalten, die die Companieros dort Woche für Woche mit tonnenweise Ware hin und her laufen. Dass ich mir als Frau überhaupt einen Sack auf die Schulter laden lasse und versuche mit zu arbeiten hat aber dennoch zu vielen Reaktionen irgendwo zwischen Irritation, Belustigung, Respekt und Anerkennung geführt und zu einer Debatte über Machismo, die Kraft der Gewohnheit und starke Frauen, die mir großen Spaß gemacht hat. Und auch wenn nicht alle der besuchenden Companieros mitgeschleppt haben, haben doch alle jetzt viel mehr einen Eindruck davon, was es heißt wöchentlich das Gemüse auszuliefern.
Ich bin jedenfalls ziemlich begeistert vom Konzept Vivencial und mir scheint dass das einer der Mechanismen ist, der den sozialen Kleber zwischen den sehr unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen herstellt. Maren und ich haben schon im Videochat mit dem deutschen Austauschteam festgestellt, dass wir sowas in unseren Netzwerken in Deutschland eigentlich auch sehr gut gebrauchen könnten, immer mal mit einer gemischten Gruppe zu einem Projekt im Netzwerk zu fahren und uns Zeit zu nehmen fürs Kennenlernen, für Diskussionen und fürs Rumalbern. Mir hats hier auf jeden Fall sehr geholfen in der Cecocesolera Kultur anzukommen.
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Hier ein paar Eindrücke vom Vivencial in Rio Claro. Circa 2 Stunden Fahrt und eine Stunde Fußweg von Barquisimeto entfernt liegt die Produktionskooperative San Carlos. Da fand am letzten Wochenende das erste Vivencial (großes Zusammentreffen zum Kennenlernen) seit Beginn der Pandemie statt. Mit viel Zeit zum in Kontakt kommen, Erfahrungen austauschen, Kooperative kennenlernen und mit den für Ceccosesola typischen stundenlangen Plena zu 50st. Wir wurden quasi direkt ins kalte Wasser geworfen. Bloß dass es in diesem Fall das angenehm temperierte Wasser in den Beugen des super-durchsichtigen Rio Claro war, in dem wir zwischen den Plena stundenlang Gespräche über die venezolanische und deutsche Realität geführt haben.
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Ankunft und los gehts
DWir sind vor einer Woche in Barquisimeto angekommen. Nach einem sehr herzlichen Abendessen und einem ersten Tag mit wenig Programm zum runterkommen und auspacken ging es dann ab Samstag mit Tempo los.
Unsere erste Verabredung war direkt um 5.30h um noch vor den ersten Besucher*innen die Feria zu besichtigen. Eine riesige Halle mit verschiedenen Bereichen, in denen Obst, Gemüse, Trockenwaren, Reinigungsmittel, Fleisch, Haustierfutter und alles Mögliche Andere für den täglichen Bedarf verkauft werden. Auch wenn unser Date nicht da ist, weil er doch schon zu seinem Arbeitsplatz in der Info-Zentrale muss finden wir direkt wen der uns rumführt und uns alles zeigt und erklärt. Alle Leute die wir treffen freuen sich uns kennen zu lernen und alle haben was zu erzählen.
Wir wohnen hier auf dem Gelände der Feria del Centro, direkt neben der Escuela, dem Bildungsbereich von Cecocesola, und haben tollerweise ein eigenes Zimmer, das wir gemeinsam nutzen können wann immer wir hier sind. Der Radius hier auf der Feria wird langsam und Stück für Stück größer, bisher beobachte ich das Treiben auf dem Gelände auch gerne noch mit ein bisschen Abstand von der Terasse vor unserer Tür aus. Der Regen gestern war ein Highlight ;)
Uns blieb allerdings gar nicht viel Zeit zum Eingewöhnen hier, denn direkt am Samstag ging es los aufs Land zu einem Format, das Cecocesola sich wirklich sehr gut ausgedacht hat - zum Vivencial. Mehr dazu gleich
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Ganz schön weit weg....
Auch wenn es mit dem Flugzeug vergleichsweise super schnell geht, Venezuela ist wiirklich weit weg! Zusammen mit dem Umstand, dass aktuell nur Turkish Airlines ergab das für uns jetzt eine Reisezeit von 25h vom Berliner Flughafen bis zum Ausgang vom Flughafen in Caracas.
Puh! Irgendwann zwischen Istanbul und Havanna (wo wir einen Zwischenstopp hatten) hat mich das Zeitgefühl verlassen. Vermutlich ganz gut so, dann fällt weniger auf dass es 6 Stunden Zeitverschiebung gibt. In Caracas wurden wir von Gabriel erwartet und nach noch ein bisschen extra Zeit in der Pass-Kontrolle und nochmal Koffer durchgucken am Ausgang standen wir auf einmal wirklich unter einer tropischen Sonne mitten in Venezuela. Wie verrückt!
Caracas wieder zu sehen war wirklich toll! Ich weiß gar nicht genau wieso, denn die Stadt ist wirklich riesig und halbwegs hektisch, alles ist voll mit Autos und an vielen Orten stinkt es abwechselnd nach Abgasen oder Müll. Aber nachts nochmal eine Runde durch die Stadt zu drehen, an allen Ecken sind noch Leute auf den Straßen, und nach so richtig langer Zeit wieder an Orten zu sein, die mir bekannt vorkommen und mich so langsam und Stück für Stück wieder zu erinnern wo was ist und wo es lang geht hat mich sehr froh gemacht! Wir konnten coolerweise super zentral bei Franklin schlafen, der eine kleine Werkstatt in Parque Central hat wo er (unter anderem aus Kakao-Schalen) Papier herstellt. Es war irgendwie ganz schön schön von dort aus wieder auf die Stadt gucken zu können.
Gabriel hatte zu unserer kleinen Runde durch die Stadt auch noch einen Freund eingeladen, der Caraquenio ist, und beim Spazierengehen hat er ziemlich spannende Sachen erzählt.
Malandros als Hilfspolizei
Für alle die es nicht kennen vielleicht noch als Kontext: Caracas liegt in einem Talkessel und wächst stetig aber ziemlich ungeregelt. Der Bereich unten im Kessel, wo es eben ist, ist sehr eng bebaut mit vielen Hochhäusern. Hier wohnen diejenigen die es sich leisten können. Der größere Teil der Bevölkerung der Stadt lebt an den Hängen in informellen Stadtteilen. Die werden immer größer wenn Leute neu dazuziehen und sind nicht Teil einer Stadtplanung und zu Teilen auch nicht wirklich angeschlossen an städtische Infrastrukturen. Vieles ist irgendwie selbst gebaut und improvisiert und so Dinge wie Abwasser, Wasser, Strom, Müllabfuhr, Straßenbau sind irgendwie da und irgendwie auch nicht. Diese Viertel sehen ähnlich aus wie das was in Deutschland als Favelas bekannt ist und werden hier auch Parroquia oder zona popular genannt, was sehr viel mehr nach “hier wohnen die normalen Leute” klingt als nach “Armenviertel”. Diese Viertel sind die Machtbasis des Chavismus. Als ich das letzte Mal hier war ging es im Zusammenhang mit den Zonas populares viel um Themen der sozialen Fürsorge des Staates für die Leute. Mehrere Sozialprogramme, die “Misiones”,versuchten Themen wie Wohnraum, Gesundheit, Bildung und Bürger*innenbeteiligung anzugehen. Jetzt scheint sich der Kurs der Regierung etwas gedreht zu haben. Einige der sozialen Politiken, wie zum Beispiel ein Mindestlohn mit dem sich leben lässt, scheinen von der Regierung vernachlässigt zu werden. Während der Mindestlohn 2013/14 noch so hoch war, dass die Leute davon irgendwie leben konnten, wurde er anscheinen in den letzten Jahren quer durch die verschiedenen Phasen ökonomischer Krisen nicht mehr angepasst. Aktuell beträgt der Mindestlohn 5 USD im Monat. Das ist quasi nichts, davon kann man auf keinen Fall leben. Die Regierung scheint auf die steigende Armut mit der Ausgabe von Essenspaketen zu reagieren, aber hebt den Mindestlohn nicht an. Der Freund von Gabriel hat erzählt, dass die Regierung aktuell (stattdessen) versucht mehr Kontrolle zu bekommen. Ganz allgemein, aber eben auch in den Parroquias in Caracas.
Dort gibt es seit langer Zeit viele verschiedene Probleme, viele Leute haben kein regelmäßiges Einkommen oder eins das nicht zum Leben reicht und keine Perspektive auf Verbesserung. Die Kriminalität in diesen Vierteln ist hoch und es gibt viele verschiedene Banden, die mit Drogen und Schmuggelware handeln oder anderweitig durch illegale Aktivitäten Geld machen. Diese Banden haben üblicherweise bestimmte Zonen als “ihr Territorium” und bekriegen sich mit den Banden der anliegenden Zonen um mehr Macht, Einfluss und Aktionsgebiet. Diese Bandenkriege haben für die Bewohner*innen der Viertel in denen gekämpft wird teils ziemlich krasse Auswirkungen, es gibt Schießereien und für Leute, die irgendwie zum Umkreis der beteiligten Banden gehören kann es lebensgefährlich sein, das Territorium der anderen Gruppe zu betreten. Zudem steigt dadurch, dass viele junge Leute in den Banden sind, auch die Alltagskriminalität innerhalb der Viertel. Die Polizei hat dabei eine eher unrühmliche Rolle inne. In der Zeit vor Chavez hat die Polizei sowohl in Bezug auf die Malandros (also die Bandenmitglieder) als auch in Bezug auf die linken Bewegungen die beide in den Zonas Populares verwurzelt sind sehr repressiv und brutal reagiert. In der Zeit der chavistischen Bewegung ist die politische Repression (soweit ich weiß) verschwunden, die Polizei ist allerdings auch nicht in der Lage die Bandenkriminalität einzugrenzen. In manche Viertel in Caracas geht die Polizei schon seit Jahren gar nicht mehr rein, das war auch bei meinem letzten Besuch schon so.
Eine neue Strategie der Regierung scheint nun zu sein, dass sie versucht die Stärke der Banden für sich zu nutzen. Anstatt sich um irgendeines der zu Grunde liegenden Probleme zu kümmern, kooperiert die Regierung mit den Malandros und setzt sie quasi als Hilfspolizei ein. Es gibt anscheinend seit einiger Zeit Vereinbarungen zwischen der Regierung und den jeweils vorherrschenden Gruppen, dass sie sich in den Vierteln um die “Ordnung und Sicherheit” kümmern (und dafür glaub ich von der Polizei in Ruhe gelassen werden?). Wenn ich es richtig verstanden habe, dann kooperiert die Polizei jeweils mit der stärksten Gruppe und verleiht ihnen einen quasi-offiziellen Status als Ordnungsmacht. Im Sprech der Regierung heißen die Banden dann “Colectivos”, auch wenn sie weiterhin klassisch hierarchisch organisiert sind. Die “Colectivos” sind dann neben ihrem Hauptgeschäft im Drogenhandel, Schmuggel und Malandro-Business für die Verhinderung und Verfolgung von Straftaten im Viertel zuständig. Laut dem Freund von Gabriel führt das tatsächlich dazu, dass die Alltagskriminalität innerhalb der Viertel abnimmt und “der ladron eben nicht mehr den Fernseher der Nachbarin klaut” - weil ihm wenn es rauskommt die Hand abgenommen oder er dafür erschossen wird. Auch der Krieg zwischen den Banden wird anscheinend mehr oder weniger befriedet, weil der Staat quasi an der Monopolisierung der Macht bei einer Gruppe mitwirkt.
Die Communidades sind wohl in großen Teilen eher zufrieden mit dieser Lösung, weil die unmittelbaren Auswirkungen der Auseinandersetzungen zwischen den Banden weniger werden und weil die “Colectivos” außerdem auch andere Probleme des Viertels bearbeiten. Wenn eine Straße kaputt ist, sind sie es die sie ausbessern und wenn es im Viertel an Proteinen fehlt dann besorgen sie Hähnchen. Dadurch, dass sie die Probleme im Viertel wahrnehmen und ernstnehmen, sichern sie sich auch Sympathien. Gleichzeitig ist es völlig unmöglich, sie für irgendwas zur Rechenschaft zu ziehen. Sie sind kein staatliches Organ und es gibt keine Justiz die sie richtet. Die Polizei hat kein Interesse sich einzumischen und kommt einfach nicht wenn sie gerufen wird. Und auch der versprochene Frieden scheint sich nicht wirklich durchzusetzen in diesem Konzept. In manchen der sogenannten “Zonas de Paz” sind die Banden so stark geworden, dass es dem Staat doch nicht mehr passte. Die Polizei hat versucht gegen die “Colectivos” vorzugehen, ist aber gescheitert. Bei Konfrontationen zwischen der Bande von “el Koki” und der staatlichen Polizei Anfang 2021 kam es zu mehrtägigen Schießereien mitten in den Wohnvierteln die durch die Bande kontrolliert werden und anscheinend auch zu schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen sowie zu willkürlichen Erschießungen und Verhaftungen.
Ich hab eben noch kurz dazu recherchiert und eine Stellungnahme dazu gefunden von mehreren Familienangehörigen der Betroffenen sowie einigen Organisationen, die sich gegen die staatliche Willkür organisieren. Dazu gehört unter Anderem auch Mariela Machado, die ich von meinem Besuch bei Kaika-Shi kenne. Hier kommt ihr auf die englische Übersetzung der Stellungnahme: https://venezuelanalysis.com/analysis/15396
Mir kommt das total absurd vor als Konzept, denn natürlich bringt es weder Frieden noch Gerechtigkeit, einer unkontrollierten Gruppe von hierarchisch organisierten Malandros die Macht, Polizei zu sein, zu übertragen. Die Einschätzung des Kumpels von Gabriel war, dass die Regierung sich darum nicht schert, weil ihr vorrangiges Interesse aktuell ist, die zonas populares zu kontrollieren. Ich hab nach einer kurzen Recherche im Netz auch schon ein paar weitere Infos dazu gefunden und hoffe dass ich in den nächsten Wochen Zeit haben werde, da noch mehr zu zu lesen und mit ein paar mehr Leuten drüber zu sprechen. Vielleicht klappt es ja sogar, Mariela zu treffen wenn ich wieder in Caracas bin, ihre Einschätzung dazu interessiert mich sehr.
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Auf zu Cecocesola
Meine letzte Reise nach Venezuela ist jetzt 8einhalb Jahre her. Viele Fragen, die mich damals beschäftigt haben, beschäftigen mich noch immer. Wie können wir mitten im Kapitalismus eine neue Gesellschaft wachsen lassen? Was sind die Grundlagen für eine langfristige, verbindliche und emanzipatorische, revolutionäre Organisierung? Wie ist das Leben an anderen Orten der Welt und wie sieht die Welt von dort aus geguckt aus?
Großartigerweise gibt es den Austausch zwischen dem venezolanischen Kooperativen-Netzwerk Cecocesola und unseren Netzwerken, also dem Netzwerk der politischen Kommunen, Kommuja(https://www.kommuja.de/), der Projektewerkstatt auf Gegenseitigkeit, PAG(gegenseitig.de) und dem europäischen Netzwerk solidarischer Gemeinschaften, Longo Mai(prolongomai.ch). In diesem Rahmen gibt es seit 2017 organisierte Reisen in beide Richtungen quer über den Atlantik um den Kontakt zwischen den Kollektiv-Bewegungen zu vermehren und einen gemeinsam Lernprozess zu erleben. Ich wollte schon vor ein paar Jahren reisen und hab mich damals, mitten im Auszug aus dem Hausprojekt, dagegen entschieden. Dieses Jahr hat es durch einen Zufall nun doch geklappt, Maren und ich können (nach einigen Turbulenzen und Reisestart verschieben) reisen und ich freue mich seeeehr darüber.
In wenigen Tagen geht es los. Erst kurz nach Caracas wo ich Freunde von Freuden kennenlerne und Kaika-Shi besuche, das Projekt in dem ich 2013/14 viel Zeit verbracht hab. Wen es interessiert; in den älteren Posts hier auf dem Blog finden sich einige Texte dazu.
Hier auf dem Blog werde ich wieder berichten was ich dort erlebe, was mich begeistert und was befremdlich ist. Außerdem habe ich aus verschiedenen Ecken unserer Netzwerke einige Fragen mitgenommen, denen ich bei Cecocesola nachgehen möchte. Auch dazu werde ich hier immer mal was schreiben.
Und nun zur Einstimmung noch 3 kurze Videos damit alle, die es noch nicht kennen, einen kleinen Einblick bekommen, was “Cecocesola” eigentlich ist.
auf deutsch: https://www.youtube.com/watch?v=j_YNtwe6-Gw
auf spanisch mit deutschen Untertiteln: https://www.youtube.com/watch?v=iM0ti-5Rh7E
und auf spanisch: https://www.youtube.com/watch?v=4BEg3jriDHM
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Zurück!
Bin ich seit gestern Abend in Goettingen! Also freu ich mich drauf euch alle bald wieder zu sehen und unsre Geschichten zu teilen :)
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Was geht den bitte?
In Dunkeldoitschland
Abschiebung durchpruegeln und mit scharfen Hunden spielen
http://www.ndr.de/regional/niedersachsen/harz/abschiebung335.html
Protest ohne die Erfuellung legitimer Forderungen raeumen
https://www.youtube.com/watch?v=x2iwR47qYcU&app=desktop
Homophobe Vorurteile von Anfang des letzten Jahrhunderts wieder salonfaehig gemacht
http://www.kontextwochenzeitung.de/schaubuehne/158/viel-steht-auf-dem-spiel-2128.html
Vielleicht bleib ich doch hier, wo es zwar keinen weiszen Zucker und wenig Kreditkarten gibt, wo dafuer aber die meisten Leute wissen, dass wir alle gleich sind und einander helfen besser als einander treten ist.
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Caracas. Menschenrechtsaktivisten aus Venezuela kritisieren in einer detaillierten Studie die "Instrumentalisierung" des Menschenrechtsthemas. 42 Vene
Und hier dann gleich noch die wirklich gute Erklaerung zu den Protesten hier.
http://amerika21.de/dokument/98835/menschenrechte-venezuela
Find ich lesenswert!
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Mist
Krank! Erkaeltet bei 35 Grad Celsius und Sonnenschein. Grosser Aerger und ein Fluch auf alle Klimaanlagen von Caracas!
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To Do: Viel
So, jetzt is es amtlich: wir bekommen zum BuKo (Bundes Koordinierung Internationalismus) Besuch von 2 Pioner@s! Jorge-Luis und Natali kommen puenktlich zum Buko am 27.5. in Deutschland an und bleiben fuer ca. 2 Wochen. Neben einer Veranstaltung auf dem BuKo haben wir maechtig Lust auf eine Rundreise und sind gerade schon am Plaene schmieden wie das alles werden kann :)
Unsere Idee ist, mit einer Veranstaltung zum Landgesetz hier und den sich ergebenden Perspektiven fuer deutsche Kaempfe um das Recht auf Stadt auf Tour zu gehen.
Falls euch noch was anderes interessiert und ihr ne Idee fuer ne Veranstaltung habt (und die auch organisieren koennt/andere kennt die das koennen) immer gerne her damit! Noch haben wir kein festes Programm und alles ist drin. Ich freu mich tierisch, die beiden auch.
Wir haben gestern schonmal zusammen gesessen und uns gegenseitig Loecher in den Bauch gefragt und uns gemeinsam gefreut darauf unsere Geburtstage, die einander folgen, zusammen bei mir zu Haus zu feiern. Fuehlt euch schonmal eingeladen zu Geburtstag Schmaus und anschliessend 4 Tage Kongress!
Daraus folgend hab ich gerade seehr viel zu tun mit inhaltlicher Vorbereitung, Orga und mir Gedanken machen und, wie immer nervig aber noetig; Geld beschaffen. Fallls irgendwer welches ueber hat oder Quellen kennt, immer gerne her damit!
So, bis hier erstmal. und jetze erstmal nen Flug suchen und dann noch ne Runde auf die Buchmesse.
PS: Homepage vom BuKo: http://www.buko.info/aktuelles/news/datum/2014/03/13/recht-auf-stadt/
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Kommunikationswissenschaftler und amerika21.de-Mitarbeiter wendet sich an Chefredaktion. Ausführliche Auseinandersetzung
Schoen zu lesen, dass das nicht unbeantwortet bleibt! Tatsaechlich sind die Berichte in der ARD journalistisch noch prekaerer gewesen als die aktuelle Verfuegbarkeit von Klopapier in Caracas.
weissen Zucker hab ich uebrigens heut morgen in grossen Mengen gesehen. Venezuela ist also gerettet. Alle koennen ihren Saft wieder mir ordentlich bearbeitetem Zucker suessen.
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