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Goldfisch von Julia Engelmann
Es schwimmt ein kleiner Goldfisch im Kreis in seinem Glas. Und während er seine Welt entdeckt, hat er wohl durchaus Spaß. Er sieht sich um und merkt genau, dass er die Welt versteht. Dabei merkt der kleine Goldfisch nicht, was ihm hinterm Glas entgeht. Aber das macht nichts. Der kleine Goldfisch kennt das Leben. Der Knackpunkt jedoch ist, dass er das alles drei Sekunden weiß und dann wieder vergisst! So verharrt der Fisch in Stagnation, ohne das er es registriert, und dem geneigten Hörer wird schnell klar: Sein Verstand ist limitiert. Aber angenommen sein Fischgehirn könnte auch auf Langzeit funktionieren, dann könnte er ohne Mühe die Welt auch hinter dem Glas inspizieren. Wenn er nichts vergessen würde, würde er Folgendes sehen: Er sieht die Menschen hinter Glas gefangen. Sieht, wie sich einer entfernt und sich ihm dann wieder nähert. Fragt sich, wie's wohl für sie ist, gefangen zu sein, und er denkt stolz: "Ja, ich bin schon beneidenswert." Die Welt ist sehr absurd, denkt der Goldfisch fasziniert, und so schaut er weiter zu, was hinterm Glas passiert.
Und er findet die Menschen schon auch komisch.
Komisch, wie sie die ganze Zeit ihre Verpackung aufwerten wollen und dann sagen, wie wichtig ihnen innere Werte sind. Und komisch, wie Menschen ihre Gesichter anmalen, um natürlich auszusehen. Und komisch, wie Menschen Sachen in sich reintackern und spritzen und kleben und verlegen lassen, und komisch, wie sie fest davon überzeugt sind, dass das keiner merkt. Und komisch, wie sie sich mit anderen Menschen vergleichen, um zu beweisen, dass sie nicht gut sind, um dann darüber traurig zu sein.
Komisch, komisch, komisch, denkt der Fisch, vielleicht sind sie einfach nicht so klug wie isch.
Die Welt ist sehr absurd, denkt der Goldfisch fasziniert, und so schaut er weiter zu, was hinterm Glas passiert.
Und er findet die Menschen schon auch verrückt.
Verrückt, wir sie vor einem Fernsehkasten sitzen und anderen Menschen beim Leben zugucken, obwohl sie wissen, dass es nicht echt ist. Und verrückt, wie sie in einer Gruppe zu lauten Geräuschen auf und ab hüpfen, und verrückt, wie sie nebeneinander im Kreis laufen. Und verrückt, wie sie mit dem Auto zu einem Haus fahren, um dann gegen Geld mit einem Fahrrad auf der Stelle zu fahren. Und verrückt, wie sie über Tatsachen wie das Wetter reden und hoffen, dass der andere ihre Gedanken schon irgendwie fühlt. Und verrückt, wie sie Angst haben zu sagen, dass sie jemanden mögen, weil sie Angst haben, nicht zurückgemocht zu werden. Verrückt, verrückt, verrückt, denkt der Fisch, vielleicht sind sie einfach nicht so klug wie isch.
Die Welt ist paradox, denkt der Goldfisch fasziniert, und so schaut er weiter zu, was hinterm Glas passiert.
Und irgendwie beneidet er die Menschen auch.
Beneidet sie, wie sie sich gehen lassen, sich ihren Spaß nicht nehmen lassen. Beneidet sie, wie sie mit jemandem zusammen beschließen zusammenzugehören. Beneidet sie, dass ihr Glashaus viel größer ist als seine Wildnis, beneidet sie um die Vielfalt ihrer Möglichkeiten, beneidet sie um ihre unglaubliche Naivität, mit der sie sich wohl zu fühlen scheinen in ihrem paradoxen Leben. Die Welt ist sehr absurd, denkt der Goldfisch fasziniert, und so schaut er weiter zu, was hinterm Glas passiert.
Und er fragt sich oft: "Warum?" Menschen reden von morgen, obwohl es das gar nicht gibt - "warum?" Menschen, die traurig sind, wenn sich was verändert, obwohl Veränderung das Einzige ist, was dauernd mit ihnen passiert - "warum?" Menschen, die nicht wissen, warum sie unglücklich sind - "warum?" Menschen, die unbedingt Antworten wollen - "warum?" Menschen, die nicht wissen, warum sie auf der Welt sind - "warum?"
"Warum, warum, warum?"
Menschen, die dauernd nach dem Sinn fragen - was hat das denn für einen Sinn? Plötzlich will der Goldfisch nur noch nach dem höchsten Wissen streben, und während er sich den Kopf zerfragt, vergisst er fast zu leben. Und ich frage mich: Ist es besser, in Stagnation zu verharren, aber dafür zufrieden zu sein? Oder sind es einem die Werte wert, philosophisch verzweifelt zu sein? Wenn der Goldfisch doch nur ein Tagebuch hätte, in das er mir seine Antwort schreiben kann... Aber die Frage stellt sich bei ihm ja nicht, weil er doch gar nicht schreiben kann.
Außerdem hat er auch gar kein Langzeitgedächtnis, und ich denke, das ist besser so für den Fisch (aber das sagt vermutlich mehr über mich aus als über ihn). Und eben war der Goldfisch noch ein kleiner Philosoph - jetzt will er alles gern verstehen und ist leider trotzdem doof. Es schwimmt ein kleiner Goldfisch im Kreis in seinem Glas, und während er seine Welt entdeckt, hat er 'nen Heidenspaß. Er sieht sich um und merkt genau, dass er die Welt versteht. Wenn er wüsste, was er wissen könnte von dem, was hinterm Glas abgeht.
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Sibylle Berg: Hauptsache weit
Und weg, hatte er gedacht. Die Schule war zu Ende, das Leben noch nicht, hatte noch nicht begonnen, das Leben. Er hatte nicht viel Angst davor, weil er noch keine Enttäuschung kannte. Er war ein schöner Junge mit langen dunklen Haaren, er spielte Gitarre, komponierte am Computer und dachte, irgendwie werde ich wohl später nach London gehen, was Kreatives machen. Aber das war später.
Und nun?
Warum kommt der Spaß nicht? Der Junge hockt in einem Zimmer, das Zimmer ist grün, wegen der Neonleuchte, es hat kein Fenster und der Ventilator ist sehr laut. Schatten huschen über den Betonboden, das Glück ist das nicht, eine Wolldecke auf dem Bett, auf der schon einige Kriege ausgetragen wurden. Magen gegen Tom Yan, Darm gegen Curry. Immer verloren, die Eingeweide. Der Junge ist 18, und jetzt aber Asien hatte er sich gedacht. Mit 1000 Dollar durch Thailand, Indien, Kambodscha, drei Monate unterwegs, und dann wieder heim, nach Deutschland. Das ist so eng, so langweilig, jetzt was erleben und vielleicht nie zurück. Hast du keine Angst, hatten die blassen Freunde zu Hause gefragt, so ganz alleine? Nein, hatte er geantwortet, man lernt ja so viele Leute kennen unterwegs. Bis jetzt hatte er hauptsächlich Mädchen kennen gelernt, nett waren die schon, wenn man Leute mag, die einen bei jedem Satz anfassen. Mädchen, die aussahen wie dreißig und doch so alt waren wie er, seit Monaten unterwegs, die Mädchen, da werden sie komisch. Übermorgen würde er in Laos sein, da mag er jetzt gar nicht dran denken, in seinem hässlichen Pensionszimmer, muss Obacht geben, dass er sich nicht aufs Bett wirft und weint, auf die Decke, wo schon die anderen Dinge drauf sind. In dem kleinen Fernseher kommen nur Leute vor, die ihm völlig fremd sind, das ist das Zeichen, dass man einsam ist, wenn man die Fernsehstars eines Landes nicht kennt und die eigenen keine Bedeutung haben. Der Junge sehnt sich nach Stefan Raab, nach Harald Schmidt und Echt. Er merkt weiter, dass er gar nicht existiert, wenn es nichts hat, was er kennt. Wenn er keine Zeitung in seiner Sprache kaufen kann, keine Klatschgeschichten über einheimische Prominente lesen, wenn keiner anruft und fragt, wie es ihm geht. Dann gibt es ihn nicht. Denkt er. Und ist unterdessen aus seinem heißen Zimmer in die heiße Nacht gegangen, hat fremdes Essen vor sich, von einer fremdsprachigen Serviererin gebracht, die sich nicht für ihn interessiert, wie niemand hier. Das ist wie tot sein, denkt der Junge. Weit weg von zu Hause, um anderen beim Leben zuzusehen, könnte man umfallen und sterben in der tropischen Nacht und niemand würde weinen darum. Jetzt weint er doch, denkt an die lange Zeit, die er noch rumbekommen muss, alleine in heißen Ländern mit seinem Rucksack, und das stimmt so gar nicht mit den Bildern überein, die er zu Hause von sich hatte. Wie er entspannt mit Wasserbüffeln spielen wollte, in Straßencafés sitzen und cool sein. Was ist, ist einer mit Sonnenbrand und Heimweh nach den Stars zu Hause, die sind wie ein Geländer zum Festhalten. Er geht durch die Nacht, selbst die Tiere reden ausländisch, und dann sieht er etwas, sein Herz schlägt schneller. Ein Computer, ein Internet-Café. Und er setzt sich, schaltet den Computer an, liest seine E-Mails. Kleine Sätze von seinen Freunden, und denen antwortet er, dass es ihm gut gehe und alles großartig ist, und er schreibt und schreibt und es ist auf einmal völlig egal, dass zu seinen Füßen ausländische Insekten so groß wie Meerkatzen herumlaufen, dass das fremde Essen im Magen drückt. Er schreibt seinen Freunden über die kleinen Katastrophen und die fremde Welt um ihn verschwimmt, er ist nicht mehr allein, taucht in den Bildschirm ein, der ist wie ein weiches Bett, er denkt an Bill Gates und Fred Apple, er schickt ein Mail an Sat 1, und für ein paar Stunden ist er wieder am Leben, in der heißen Nacht weit weg von zu Hause.
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it’s a form of therapy to get tattoos, piercings, or change your hair when you’re going through something
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